Nachahmung finde. Mit spezieller Bezugnahme auf das Justiz - Ministerium s{chwebe ihm fo etwas vor, als ob dem Lande billige pustis versprochen worden sei; er sei anderer Ansicht und glaube, der Minister werde bald genug gezwungen sein, einen erheblihen Theil des Bedarfs in An- spruch zu nehmen, der sonst vielleiht für das Kultus- Ministerium hätte disponibel gemaht werden können. Doch sei die Zeit zu einem abschließenden Urtheil noch nicht ge- kommen. Die Forderung von 5 Millionen für Strom- regulirungen sei ihm troß der s{chlechten Finanzlage sympathish, nur möge man nicht blos auf die großen Kanalneße, sondern auch auf die kleinen Projekte Rück- sicht nehmen, welhe die Landwirthschaft und das landwirthschastlihe Gewerbe zu heben geeignet seien. Das auf 47 Millionen bezifferte Defizit wäre noch er- heblich größer, wenn die aus der Finanzreform des Reiches für Preußen resultirten 24 Millionen dem Staate nicht zu- flössen; ob 24 Millionen oder 30 oder wie viel sonst, möge momentan unerörtert bleiben, denn diese Aufstellung des Abg. Richter sei doch auch nur Hypothese. Dein Wunsch des Abg. Rickert, die Reichstagsdebatten den Landtagsdebatten vor- gehen zu lassen, könne man nur beipflihten. Was die Stellung seiner Partei zum Defizit anlange, so sei die Dedung desselben im Ordinarium durch eine Anleihe allen gleih unsympathish. Diesmal möge der Modus acceptirt werden, aber nur im Vertrauen darauf, daß die Lage der Neichsfinanzen dem Defizit seinen dauernden Charakter nehmen werde. Der von allen Seiten erhofften Besserung der Verhältnisse stehe die Lage der Landwirthschaft im Wege, welche heute noch zweifellos der größte Konsument im preu- bischen Staate sei; sie dürfe niht dauernd so unfähig bleiben, wie heute, wenn auf eine Besserung der Gesammtsituation gehofft werden solle. Er bezweifle, daß die in den Etat eingeseßten Einnahmen aus den Domänenverpach- tungen au wirklih eingingen. Er glaube orientirt zu sein, daß noch in den leßten Terminen bedeutende Schwierigkeiten hervorgetreten seien. Für finanziell unrichtig und staatswirt|- schaftlich falsh halte er es, wenn man behufs Deckung des Defizits aus der Substanz des Staates Domänen veräußere und Kapitalbestände verzehre. Jm Gegentheil wünsche er, daß troß der {lehten Finanzlage Forstankäufe Seitens des Staates energish betrieben würden, da die Forstwirthschaft der Privaten nur im Abhauen der Wälder bestehe. Der Einzige, der Forstwirthschaft betreiben könne, sei der Staat. Man wolle also das Defizit mit einer An- leihe begleichen, aber mit gewisser Beschränkung; nicht eine neue Anleihe wolle man bewilligen, sondern aus den Er- spa1nissen in den Eisenbahnvorlagen im Betrage von 70 Millionen, von denen bis jezt nur 32 Millionen in Anspruch genommen seien, solle das Defizit gedeckt werden. Die Ausgabe von 30 Millionen Schaßanweisungen wolle er in diesem Fahre nicht beanstanden ; doch liege wohl die Er- wägung nahe, ob nicht der Hinterlegungsfonds in der Lage sein würde, die Ausgabe vun Schazanweisungen entbehrlich zu machen. Zum Steuerlaß über :ehend, erahte er es zu- nächst als eine komishe Fügung, daß das Haus hier über einen Steuererlaß diskutiren folle, während man es mit einem Defizit zu thun habe. Gegen die Fixirung habe er nichts zu erinnern, dagegen erheblihe Bedenken gegen die zur Dis- position stehenden Summen überhaupt. Er wolle Mangels
Verwendung der zur Disposition stehenden Summen zur Begleichung des Etats einen Erlaß der Klassen- und Ein-
kfommensteuer; doch wolle er keine eventuelle Disposition zum Erlaß der Steuern, und deshalb müsse seines Er- achtens, wenn man eine Ueberweisung der Grund- und Ge- bäudesteuer wolle, diese uno actu mit derx Klassensteuer verbun- den werden. — Auf die Details gehe er nicht ein, doch be- merke er, daß seine Partei nicht wolle, daß eine Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer an die Lokalkommunalver- bände stattfinde. Vielleicht entspräche es auch der Sachlage, wenn in dem geseßlich festzustellenden Erlasse von vornherein gesagt werde, 50 Proz. kämen auf Klassensteuer und 50 Proz. auf Ueberweisung. Er sei ferner damit einverstanden, einen Erlaß von mehreren Monatsraten vorzunehmen und die unteren Steuerstufen bis zu 6000 4 Jahreseinkommen zu- nächst zu bedenken. Nach einigen B-merkungen gegen das
System der Kontingentirung erklärte Redner, daß seine Partei | den ernsten Willen habe, die Geschäfte des Hauses rein sach: | lich zu fördern, alle Punkte genau zu prüfen und alle zu- | Es sei der dringende Wunsch | seiner Partei, daß der Begriff des Sparens, der vor Jahren ein- |
lässigen Abstriche vorzunehmen.
mal den Bevölkerungskreisen zugerufen worden sei, auch von oben herab wicder voll zur Geltung komme, zunächst in
Preußen, aber er hoffe davon auch eine gewisse Rückwirkung |
auf das Reich.
Der Akg. Freiherr von Huene wandte sih zunächst gegen die Bemerkung des Abg. Richter, betreffs der oberschlesischen Theuerung, an der nicht die Erhöhung der Kornzölle, sondern die vollständige Kartoffelmißernte in jenem Landestheil {huld sei. Wenn ferner der Abg. Richter bedauert habe, daß in der Thron- rede keine Andeutung des Unterrichtsgeseßes zu finden sei, so müsse er darauf antworten, daß seine Partei dieses Fehlen gar nicht be- daure, fondern daß sie sehr angenehm davon berührt worden sei, daß anscheinend das Unterrichtsgeseß im Kultus-Ministerium einer gründlichen Umarbeitung und Umänderung unterzogen werde. Daß schhließlich die Regierung mit leeren Taschen vor das Haus treien müsse, sei nur eine Folge der liberalen Miß- wirthschaft. Aber auch die Konservativen trügen einen Theil der Schuld, da sie der Regierung immer rückhaltslos AÙes bewilligt hätten. Nur das Centrum habe in dieser Beziehung ein gutes Gewissen. Zu dem Etat übergehend, bemerkte Redner, daß derselbe so recht die Konkursanmeldung des liberalen Systems bedeute. Ein Studium dex Zahlen werde dies beweisen. Man habe in der Milliardenzeit das Budget von außergewöhnlichen Ausgaben anschwellen lassen, die niht durch natürliche eigene Einnahmen, sondern durch ausländishes Geld gedeckt seien. Das Defizit betrage 47 Millionen, ohne die Ueberschüsse des Neichs wäre es noch um 24 Millionen größer. Der Etat von 1878/79 zähle unter den Einnahmen, welche nicht aus den regelmäßigen, der Steuerkraft entspringenden Einnahme- quellen fließen, nach dem jegt ermittelten Abschluß 12 Pro- zent der Ausgaben. Was die 28 Millionen für Bauten im Extraordinarium des vorlicgenden Etats betreffe, so seien diese Bauten allerdings von diesem Hause aber nur auf dringende Vorstellung Seitens der Regierung bewilligt wor- den. Er habe in der Budgetkommission immer mit allen Kräften gegen diese übermäßigen Bewilligungen gearbeitet. Wäyrend man früher große Ausgaben gemacht habe, ohne dieselben durch ordentliche Einnahmen decken zu können, müsse man jeßt zu einer sparsamen Finanzverwaltung übergehen
| Defizits hin , | leugnen könne, daß Richter, Lehrer und Geistliche zu gering | besoldet gewesen wären; ferner acceptire er es mit Genug- | | thuung als die Folgen der liberalen Politik, daß der Kultus- | Auf andrem Gebiete biete sich aber | | nah seiner Ansicht Gelegenheit mehr zu sparen; zu hoch | | minderung der Matrikularumlagen.
| Etat erhöht worden sei.
und vor allen Dingèn ein Gleichgewicht zwischen ordentlichen Einnahmen und Ausgaben herzustellen suchen. Nur wenn man dieses strenge inne halte, werde man die {limmen Fol- gen des liberalen Systems beseitigen können. Das Centrum habe stets im Plenum, wie namentlich in der Budgetkom- mission, für äußerste Sparsamkeit zu wirken gesucht, sei aber [leider zum Schaden des Staats überstimmt worden. Es sei ießt Aufgabe der Budgetkommission, auf die möglichste Spar- samkeit zu sehen. Diese Kommission werde sih auh mit der Regierung über die Verwendung der Reichssteuer verständigen müssen. Betreffs der Steuerreform sei das Centrum im Prinzip mit der Börsensteuer einverstanden, eben so sei ihm die projektirte Reform der Stempelsteuer sympathisch, da dadur der Grundbesiß erheblich entlastet würde. Ueker die Eisenbahnvorlage sich auszu- sprechen, sei niht an der Zeit, da nur der Etat auf der Tages- ordnung stehe, aber das Eine müsse gesagt werden, daß das Schicksal der Eisenbahnvor!agen von einschneidender Bedeu- tung für das ganze Budget sei. Zwei Aufgaben stelle der vorliegende Etat, daß man nämlich erstens Rücksicht nehmen müsse auf die geschäftliche Behandlung und zweitens auf den Jnhalt selbst. Betreffs der ersteren sei der Antrag sehr er- wünscht gekommen, alle Theile des Etats, Ordinarium wie Extraordinarium, der Budgetkommission zu überweisen. Betresss des Fnhalts müsse Redner die Kommission ersuhen, auch 1m Ordinarium möglichst viel ab- zusezken und nur diejenigen Posten stehen zu lassen, deren Absezung einen wirklihen Nothstand in den Ministerien hervorrufen würde. Gerade alle Ordinarien seien im Laufe der Jahre exorbitant gestiegen. Der Etat des Kultus-Ministeriums sei z. B. seit 1868 von'18 Millionen auf 49 Millionen gestiegen. Das Centrum werde Neubewilligungen im Ordinarium nur dann zugestehen dürfen, wenn ihm das dringendste Bedürfniß nachgewiesen würde. Jm Ministerium des Fnnern müßten auch endlih einmal die Ersparnisse der Selbstverwaltung zur Geltung kommen, von denen man immer gesprochen habe, von denen aber bis jeßt nihts zu bemerken jei. Die Konservativen seien ja auh mit unter der Fahne gewählt, dem Volke die Last zu erleihtern; das Centrum werde nah wie vor nach dieser Richtung wirken, und den Finanz-Minister energish unterstüßen, wenn erx auf dem Boden der Sparsamkeit sich hinstelle als Finanz-Minister alt- preußischer Art.
Der Abg. Dr. Miquel bestritt zunächst dem Vorredner, daß das Defizit durch die liberale Wirthschaft, besonders durch die von derselben herbeigeführte übermäßige Ausdehnung von Bauten und die Bewilligung von extraordi- nären Ausgaben aller Art herbeigeführt sei. Sowohl Liberale als auch Konservative und Centrum hätten nur das bewilligt, was von der Regierung gefor- dert sei. Wenn man für die extraordinären Ausgaben die gesammte liberale Partei verantwortlih mache, so müsse er konstatiren, daß die Fortschrittspartei dieselben consequent bekämpst habe. Auch der Abg. Rickert habe gegen die Berlin- Weßlarer Bahn, den Kernpunkt aller weiteren Ausgaben für Eisenbahnen, gekämpft. Hüte man sih, die Schlagworte des Wahlkampfes in dies Haus zu tragen. Nicht in der An- shwellung des Ertraordinariums liege der Grund des Defi- zits, sondern in der Anshwellung des Ordinariums gegenüber den schwankenden Einnahmen aus den Betriebsverwaltungen ; hierin - stimme erx {mit dem Vorredner überein. - Er Ie O DATOU, U oe Crbobuna der Be amtengehälter seiner Zeit, selbst auf die Gefahr eines
gestimmt zu haben, da doch Niemand
jeicn die preußischen Beamtengehälter niht, aber die ‘ Zahl der Beamten sei zu groß. : | 1 sparen, alle Bestrebungen der liberalen Partei in dieser Be-
| ziehung seien indeß gescheitert; die Hoffnungen, die man in dieser | Hinsicht an die Selbstverwaltung, an die Heranziehung so vieler un- | é | verwenden sein,
besoldeter Elemente zur Staatsverwaltung geknüpft habe, seien 1n
feiner Weise zur Wahrheit geworden, ebensowenig die auf die | Verminderung des Schreibwerks, des Dekretirens, Kontrolirens | und Reglementirens, welches im Uebermaß in Preußen getrieben | werde, gerichteten Hoffnungen. Auf die Verwirklichung derselben | müsseman die Staatsregierung hinweisen, erforderlichen Falls hin- | drängen. Er werde sich aufrichtig freuen, wenn die konservative | Aera in diesem Punkte mehr Glü haben sollie, als die liberale. | Als praktisher Verwaltungsbeamter sei er aber der Ansicht, |
daß eine Verminderung der Beamtenzahl in Preußen nur mögli, wenn das System der Behandlung der Geschäfte geändert werde.
müsse ihre volle Kompetenz besißen, die Beamten müßten threm eigenen Urtheil vertrauen dürfen und die volle Ver-
antwortlihkeit für ihre Amtshandlungen übernehmen. Zu | viel Kontrole schade nicht nur, sie koste auch mehr als der |
kontrolirte Gegenstand. Er wisse, daß es Bureaus gebe, in denen die Beamten mit Arbeiten überlastet seien, es gebe aber auch solche, in denen zu wenig Beschäftigung vorhanden sei, der Grund liege in der unrichtigen und ungleichen Ver- theilung der Geschäfte. Die Aufgabe des Hauses werde es daher sein, jeßt in den s{chlechten Zeiten keine neuen Bewilligungen zu machen, wenn das Bedürfniß dafür niht in ganz schreiender Weise zu Tage treten sollte. Er hoffe und wünsche, daß die Budgetkommission si stark darin zeigen möge. Noch wichtiger aber als in den Ausgaben
sei die künftige finanzpolitische Verwaltung in den Einnahmen. |
Die s{hwankenden Einnahmen mahnten den Finanz-Minister zu großer Versicht, denn seine Aufgabe müsse es sein, die guten Fahre auf die shlechten zu übertragen. Wenn jeßt schon die Einnahmen des preußischen Staates Schwankungen unterlägen, um wie viel mchr werde das der Fall sein, wenn das Haus den Erwerb von Privateisenbahnen beschließen sollte. Er werde auf diesen Punkt jeßt niht näher eingehen, sondern auf denselben bei Berathung dexr Eisenbahn- vorlagen zurückkommen; er wolle nur daran erinnern, daß, wenn man die Schulden des P EUN Gen Staates um ein Kapital von 500 Millionen Mark dur Erwerbung der Eisenbahnen erhöhen sollte, während man auf derx anderen Seite das Risiko der {hw ankenden Einnahmen, das bisher von den Aktionären getragen sei, überne hme, cine solche vor- sichtige Finanzpolitik dreimal nöthig sei, und er hoffe, daß die konservative Partei sih dieser Ansicht anschließen werde. Das vorliegende Gefeß, mit dem er vollständig sympathisire, solle nun den Charakter der Beweglichkeit der Personalsteuer hab:n,
n dieser Beziehung könne man | | | lärung der Kabinetsordre zur Entlastung von den direkten
: e. Man müsse zurückkommen von dieser Cen- | tralisation bis in die höchste Spige hinauf; jede Behörde |
insofern sih ja der Erlaß an Klassensteuer nah den Ueber- '
shüssen des Reiches richten solle. Er finde, daß da die Finanz- verwaltung durch ihre eigene Vorlage in einè nit angenehme Lage gebracht werde; sie müsse Steuern erlassen, sobald Uebershüsse vorhanden seien, sie dürfe aber die Steuern nicht erhöhen, wenn ein Bedürfniß dazu eintrete; das Geseß trage nicht das Gepräge einer organischen Einrichtung. Er gestehe ganz offen, er shwärme nicht schr für den Erlaß an ae denn er glaube, daß die dafür eventuell zu Gebote stehenden Summen besser verwendet werden könnten. Die Pflicht, die unteren Klassen zu entlasten, erkenne er voll an. Man erreiche dieses Ziel aber viel richtiger, wenn man, statt verheirathete und unverheira- thete Leute, kinderreihhe und kinderlose Familienväter, bemit- telte und unbemittelte Arbeiter über einen Kamm zu scheeren, das Schulgeld da, ‘wo es noch erhoben werde, erlassce. So erfolge eine der Mehrbelastung entsprechende Entlastung, ohne daß große Schichten der Bevölkerung aus jeder Verbindung mit dem Staate losgelöst würden, wie es durch die Aufhebung der Klassensteuer geschähe. geldes für die unteren Volksklassen ein Aequivalent für den Schulzwang. Es gäbe aber noch andere Arten, die mittleren und unteren Klassen von Ueberlastungzu befreien. Die direkten Steuern könne kein Finanz-Minister aufheben, das seien Phantasien ; der Minister, der daran denken wollte, thäte besser, bald si selbst aufzuheben. Aber die Gewerbesteuer basire auf falschen Grundsäßen, insofern sie niht das Reinerträgniß, sondern den Umfang des Geschäfts zur Norm der Besteuerung habe. Er schlage daher eine Abänderung der Gewerbesteuer vor. Durch dieselbe werde der große Betriev vor dem kleinen Handwerks- betrieb bevorzugt. Der kleine Shuhmacher mit wenig Ge- hülfen zahle diejelbe Gewerbesteuer wie ein Fabrikant, der so viel Schuhe fabrizire, wie 50 Gehülfen. Das sei eine shreiende Ungerechtigkeit, zumal die großen Betriebe schon an und für sih vor dem Handwerk bedeutende Vortheile voraus hätten. Auch mit der Ueberweisung eines Theils der Grund- und Gebäudesteuer an die Kommunen bezwecke er die unteren und mittleren Klasseu von den direkten Steuern zu entlasten. Die Kommunen seien zweifellos überlastet und ihre Steuern drückten viel stärker als die Staatssteuern. Das komme daher,
daß viele eigentlich staatlihen Aufgaben den Kommunen auf: i gebürdet seien, z. B. die Kosten für das höhere Schulwesen,
für die Standesämter und für die Polizeiverwaltung. Aber es komme auch daher, daß die Ansprüche der Kommunen selbst an die Kommunalverwaltung enorm gestiegen seien. Er sei nicht der Meinung, daß es das Jdeal eines Staatswesens und einer Kom- mune sei, möglichst wenig Steuern zu zahlen. Ein solches Gemein- wesen leiste auch nihts und man werde im Großen und Ganzen finden, daß die Ausgaben der Kommunen, die hauptsächlich von
den besizenden Klassen gedeck würden, weit mehr den unteren 1 Das könne man an | den Schulbudgets am besten sehen, an den Ausgaben für die
und mittleren Klassen zu Gute kämen.
Armenverwaltung und die Sanitätspolizei. Durch die Ueber- weisung der Grund- und Gebäudesteuer unterstüße das Haus die Kommunen in diesen ihren Aufgaben. Man entlaste da-
dur die unteren und mittleren Klassen besser, als es der Staat durch Erlaß der Klassensteuer vermöge. Die natür-
liste Besteuerung innerhalb) der Kommune sei die Heran- !
ziehung des Grundbesißes, dessen Werth mit dem Gedeihen und dem Verderb der Kommune unzertrenn ih verknüpft fei während der Staat mehr auf das mobiliare Vermögen, auf das Reineinkommen angewiesen sei. Jn diesem Sinne wünsche er das vorliegende Gesetz gefaßt zu sehen. Jn Betreff der kon-
| stitutionellen Frage sei das vom Abg. Nickert Gesagte nicht widerlegt
worden. Der Betrag, welcher zur Disposition des Abgeordnelten- hauses Behufs Verminderung der direkten Steuern stehe, setze sih aus zwei Faktoren zusammen, aus der über eine be- stimmte Höhe hinaus vom Reiche s\tattgesundenen Ueber- weisung baarer Mittel an die Einzelstaaten und aus der Ver- In beiden Fällen würde der dadurch entstchende Uebershuß unzweifelhaft nah der Er-
Steuern oder zux Ueberweisung der (Grundsteuer an die Kom- munen, falls nicht das Abgeordnetenhaus anders bestimme, zu Er finde allerdings im ersteren Falle in der Vorlage ein Omissum, über das man si mit der loyal ge- sinnten Regierung werde verständigen müssen. Das Haus werde sich in künftigen Jahren oft fragen müssen, ob das vorhandene Superfluum zu irgend einem fühlbaren Steuer- erlaß ausreiche und ob es sich nitht eher empfehle, es zu nüß- lichen Zwecken zu verwenden. Diese Erwägung dürfte aber durch die Vorlage in der jeßigen Form nicht eintreten. Hier müsse ebenfalls eine Aenderung dahin eintreten, daß die Eta- tisirung der jeweiligen Ueberschüsse eintreten müsse. Er hoffe, daß in diesem Sinne eine Einigung in der Budgetkommission erzielt werde.
Der Abg. Dr, Virchow erklärte, er fühle sich als lang: jähriges Mitglied der Budgetkommission s{chmerzlih von den Hoffnungen berührt, die man auf dieselbe geseßt habe, daß sie den preußischen Etat wieder zureht rücken solle. Man müsse doch nicht die Stellung der Budgetkommission mit dex des Finanz-Ministers verwechseln. Diese Kommission habe zwar mehrere Male versucht in einer Art von doktrinärer Entwik- lung ihre Erfahrungen darzulegen und auf gewisse große Veränderungen hinzudrängen; indeß stets ohne jeden Er- Folg, Während das konstitutionelle System in den leß- ten “ Gabren, Cilgegen va alt bewährten preuß schen Finanzpolitik, die Möglichkeit neuer Anleihen und Steuern nicht blos als Möglichkeit gebracht, sondern au in bitterer Weise verwirklicht habe, habe der Staat mehr und mehr sein gewerblihes Syslem ausgedehnt, und das Haus stehe nunmehr vor der Frage, ob es die größte wirthschaftliche Revolution, die überhaupt in Preußen gedacht werden könne, ohne Weiteres mitmachen und bestät:gen solle. Zunächst ent- stehe die Frage, ob man fortfahren solle, durch immer neue Anleihen die Belastung des Staates durch ver- mehrte Zinszahlungen zu vergrößern. Es sei ja un- gemein bequem, immer neue große Eisenbahnen zu bauen, wenn man dafür konsolidirte Eisenbahnpapiere ausgeben könne und niht nöthig habe, irgend ein Amor- tisationskapital zu schaffen. Wenn nun jeßt der Ankauf der Privatbahnen im Sinne der Regierung entschieden werde, #0 rathe er doch dringend, wenigstens bei den Eisenbahnpapieren das Amortisationssystem in strenger, durchgreifender Weise einzuführen. Die Vorwürfe, welhe der Abg. P von Huene gegen die liberale Partei und die als libera
Es wäre der Erlaß des Sul-
bezei | neten Minisier — Dr. Falk, Dr. Achenbach, Hobrecht und Dr, N Friedenthal — erhoben habe, müsse er entschieden zurüd- F weisen, da die Sympathien der linken Seite des Hauses, deren sih diese Minister erfreuten, oft mehr den Männern, als dem —
Prinzipe, das sie vertreten, gegolten hätten; jedenfalls hätten sih diese Minister zum konstitutionellen Prinzip bekannt. Für das, was jeyt Geseß sei, seien nicht etwa aus\{hließlich die liberalen Parteien verantwortlich zu mahen. Man habe auf dem Wege des Kompromisses immer nur gewisse halbe und viertel Dinge erreiht und eine Menge anderer Dinge mit’ in den Kauf nehmen müssen, die man eigentlich nicht haben wollte. Ja es sei — ein öffentliches Geheimniß — dahin gekommen, daß manche Dinge nur angenommen worden seien, um diesen oder jenen Minister noch im Amt zu behalten. Nun, das räche sih natürlih nachher. Er würde diesen Exkurs in das konstitutionelle Verhältniß niht machen, wenn das Haus hier niht vor einem sogenannten konstitutionellen Gesegze stände, dessen Zustandekommen wirklich keiner großen Anstrengungen lohne, das aber der Abg. Miquel mit möglichst freundlichen und liebevollen Blicken ansehe. Es existire in Preußen niht ein Gese, das aus einem einheitlichen liberalen Guß entstanden wäre (Abg. Windthorst: radikal). Es würde ihn befriedigen, wenn ihm ein solches Geseß nachgewiesen würde. Er hoffe, der Abg. Windthorst werde ihm nicht etwa die Kirchengeseße zuschieben wollen. Wenn er (Redner) Kultus- Minister gewesen wäre, so hätte er sicherlich etwas ganz Anderes gemacht, als diese Kirchengeseßze. Der sonderbare Zustand der Dinge, wobei das Haus der Abgeordneten fast niemals in der Lage sei, mit cinem ihm vollkommen homogenen Ministerium zu operiren, habe es dahin gebracht, daß aus dem Etatwesen Preußens zuleßt jede prinzipiele Auffassung geshwunden sei. Jhm scheine, die Majorität wolle diese prinzipielle Auffassung wieder hineinbringen durch das S:aats- bahnsystem; die in anderen Ländern, namentlich in Baden , damit gemachten Erfahrungen sprächen jedenfalls niht für dieses System, doch wolle er der späteren Berathung über diese Frage jeßt niht vorgreifen. Er fürchte, der preußische Staat käme mit diesem System in eine ungleich schwierigere Lage, als sie in Preußen jemals existirt habe. Er wisse nichi, ob die Erinnerungen des Abg. von Hüne und seiner Partei so unbefangen seien, wie derselbe sie darstelle. Er (Redner) habe immer geglaubt, daß die Herren sich 1hren Wählern gegenüber viel ernsthafter verpflichtet hätten, keine neuen Steuern zu bewilligen. Das Centrum habe die Ver- antwortung zu tragen, daß die neuen Steuern eingeführt seien. Jedenfalls werde das Centrum auch bereit sein, Vörsen- und Schanksteuer zu bewilligen. Wann sei das Centrum bereit, die neuen Steuern zu geben und wann niht? Mit Hoffnungen lasse sih seine Partei nicht abtrösten. Er wisse nicht, ob das Centrum weiter Hoffnungen zu eskomp- tiren bereit sei, es sei das im Ganzen ein s{chlechtes Geschäft. Es könne ihm leid thun, wenn er das Centrum nach einem neuen Stadium in einer gleich trostlosen Lage wiedersehe, wie er dasselbe jet sehe. Würde das Haus eine wirksame Kon- trole des Staatshaushalts-Etats haben, so würde man in Preußen auch besseren Zuständen in der Geseßgebung ent- gegensehen. Was die s{limme Wendung in den Schul- angelegenheiten betreffe, so sei man zu einer besseren auch niht unter dem vorigen Minister gekommen. Wie sei es möglich gewesen, wenn das ein liberales Ministerium gewesen sei, wenn der Finanz-Minister von der Größe sciner Aufgabe erfüllt gewesen sei, daß eine so wichtige Sache an den 4 Millionen Mark scheitern konnte, die der Finanz- Minister Camphausen erklärt habe, nicht aufbringen zu fönnen! Es wäre sehr gut, wenn der Finanz-Minister ihm sagen wolite, ob das Geseß wieder an der Finanz: nothlage scheitern solle. Seine Partei halte es für unmöglich, daß ein regelmäßiges und allen Verhältnissen des Staates erträgliches Finanzverhältniß eingeführt werde, so lange das jeßige Re- gierungssystem bestehe. Er spreche dies niht aus Vorein- genommenheit gegen den großen Staatsmann aus; er wolle keine neue Methode erfinden; sie würde sich finden, wenn Preußen eine Regierung haben werde, die durchgreifend re- formire. Diese Reform würde sich auch auf die Armee und Marine ersirecken müssen; denn nach seiner Ansicht könne sich dieses System des bewaffneten Friedens und des drohenden Krieges nicht halten und man werde in Preußen kein vollständig ge- sichertes, regelmäßig arbeitendes System bekommen, ehe nicht nach dieser Nichtung hin wesentlihe Erleichterungen einge- treten seien.
Hierauf ergriff der Finanz-Minister Bitter das Wort:
Peine Herren, Sie werden es begreiflich finden, daß ih mich zu- nächst in einigen kurzen Säßen gezen den leßten Herrn Redner wende. Es veranlaßt mich dazu vor allem die leßte Bemerkung, mit der cr seine Rede geschlossen hat. Er hat es zunächst nicht der Mühe werth gehalten, folch einem Geseß — wenn ich ihn richtig vercstan- den habe — wie dem Gesetz über den Erlaß von Steuern überhaupt eine besondere und ernste Betrachtung zua widmen. Hierüber, glaube i, Tann ih dem hohen Hause dic Beurtheilung vollständig überlassen. (Lachen links.) Ja, meine Herren, diese Beurtheilung überlasse ih dem Hause vollständig. Der Herr Vorredner hat vermißt, daß bisher die Ge- seße, die hier vorgelegt worden sind, nicht aus einem liberalen Guse her- vorgegangen seien. Ja, meine Herren, ih habe für die Vergangen- heit keine Varanlassung zu sprehen. Die Gesetze, die von jeßt ab hier vorgelegt werden sollen und vorgelegt wordenzsind, haben aller- dings nicht die Absicht, einen liberalen Gedanken zu zeigen, sondern fie haben die Absiht, im allgemeinen Interesse des Landes und des Volkes dasjenige auszudrülen, was im Geseßze aus- gedrückdt werden soll ohne Rücksicht auf irgend eine Partei, Wir haben hier die Verpflichtung, für das Land als folch:s einzu- treten, für das Wohl Aller. Er hat ferner in diesem Gesetz ver- mißt, daß die Quotisirung der direkten Steuern nicht ihren Aus- druck gefunden habe. Ich weiß in der That niht — ih beziehe mich auf das, was gestern der General-Steuerdirektor Burghardt ausgesprochen hat — ich weiß in der That nicht, wie in dieses Geseß die Quotisirung der direkten Steuern hätte hineinkommen sollen, das war nicht entfernt in der Absicht, hat auch nicht in dem Gedankn gelegen, der hiec ausgedrückt worden ist. Jh kann mich nur auf das berufen, was von der Staatsregierung unter Aller- höchster Genehmigung aus8zesprochen und von dem vorigen Abgeord- netenhause ausdrücklich dankbar acceptirt worden ist. Da ift von Quotisirung gar keine Rede gewesen. Jh sehe nit ein, wie dem gegenwärtig vorgelegten Geseß daraus ein Vorwurf gemacht werden kann, daß die Keime jeßt in diesem Augenblick noch nicht sichtbar sind. Das is ganz unmöglich, denn die Saat dazu ist noch nicht da.
Der Herr Vorredner hat außerdem die Bemerkung gemacht, daß in der Eisenbahnfrage, wte dieselbe von der Staatsregierung in diesem Augenblick aufgefaßt und dem hohen Hause in einem aus- gedehnten Geseßentwurf vorgelegt worden ift, ein revolutionärer Ge- danke befindli sei. Jch kann dem Herrn Vorredner die Versicherung geben, daß wir zwar einen solchen revolutionären Gedanken in dieser Vorlage nicht erkennen können, daß aber wir Alle, die wir an dieser Bank zu sißen die Ehre haben, mit der größten Entschiedenheit jedem revolutionären Gedanken, der sich in irgend einer Form zeigen sollte, ganz bestimmt entgegen arbeiten werden und daß wir es an unserer Verantwortlichkeit dabei niht werden fehlen lassen. Ich will nicht meinem Herrn Kollegen, der die Kultus- und Swhulangelegen l;eiten zu leiten hat, vorgreifen, wenn er es für nöthig halten sollte, Be- merkungen zu machen, die ihn persönli und feine Verwaltung be-
treffen und die dem Herrn Vorredner Gelegenheit gegeben haben, Angriffe gegen ihn zu richten, ich will blos bemerken, mit wie wenig Kenntniß der Verhältnisse der Herr Vorredner gespr-chen hat, wenn er von 4 Millionen redet, die der Herr Minister Camphausen — dem das hohe Haus ja, wie ich hoffe, die höchste Achtung zollen wird — für die Schulverwaltung nicht geglaubt hätte einstellen zu können. Jch bin auf diese Frage in diesem Augenblick nit vor- bereitet, aber soweit mir die Vorlage des Gesetzes bekannt war, hat es fih um ganz andere Summen gehandelt. Nach meiner Erinnerung — ich will mi nit ganz bestimmt aussprehen — war es unge- fähr das 5-, 6- oder 7fahe dieser Summe, also mindestens 18 bis 20 Milionen ; ih glaube aber fast, daß es mehr gewesen ist.
Er hat von den bekümmerten Zuständen der Schule gesprochen. Ja, meine Herren, ih will auf diese Frage hier niht weiter ein- gehen. Bis jeßt bin ih in meinem ganzen Lebensgan1 in eine un- geheure Menge von verschiedenen Verhältnissen des Jn- und Aus- landes geführt worden, aber ih habe immer nur gehört, daß das preußishe Schulwesen, selbs mit allen Mängeln, die jeder Sache anhängen, selbst mit allen Bedenken, die man in einem oder dem anderen Falle, in der einen oder anderen Einrichtung dagegen finden kann, als ein Muster von Schulwesen betrahtet worden ist, und daß die Faktoren der Gesetzgebung, nicht blos das Abgeordnetenhaus und das Herrenhaus, sondern auch die Regierung es sich jederzeit zur Ghre gerechnet haben, das Schulwesen zu heben und zu fördern. Ich sehe nicht, wo das bekümmerte Schulwesen da herkommen kann.
Eine ar.dere, viel {werer wiegende Bemerkung hat der Herr Vorredner gemacht, indem er bemerkt hat, das jetzige Regierungs- system müsse beseitigt werden.
Nun, meine Herren, er hat ja ausdrücklih darauf hingewiesen, daß eine Beseitigung des Herrn Reichskanzlers als preußischer Mi- nister-Präsident erfolgen müßte. Jch bin fehr entfernt davon, zu glauben, daß diese Apostrophe an die große Mehrheit des deutschen und des preußischen Volkes -irgend eine Wirkung haben könnte.
Aber, meine Herren, das Eine muß i sagen, daß sie sehr zur unrechten Zeit kommt, in einem Augenblicke, wo der Herr Reichs- kanzler dem deutschen und dem preußischen Volke die allergrößten und s{werwiegendsten Dienste geleistet hat.
Hiermit glaube ih, diejenigen Bemerkungen erledigt zu haben, zu denen der Herr Vorredner mir Veranlassung gegeben hat; ih gehe auf den allgemeinen Gang der Debatte zurück und möchte da zunähst an diejenigen Einwendungen anknüpfen, die über das Geseß wegen der Steuererlasse ausgesprohen worden sind. Das Wesentlichste der Bedenkey, die dagegen vorgebracht wurden, beruht, wenn ih mich 1echt alles dessen erinnere, was hier ausgesprochen worden ist, darin, daß das Necht der Mitwirkung des hohen Hauses dur dieses Geseß entweder ohne Ubsicht und nebenbei, oder vielleiht au, wie es von einigen Seiten angedeutet worden Ut, mit Absiht umgangen worden sei, das ist keineswegs der Fall. Der §. 1 des Gesetzes erklärt ausdrücklich, daß nur dasjenige, was an dem Ertrage der Zölle und der Tabaksteuer dem preußishen Staate überwiesen werden sollte, als Erlaß bewilligt werden könnte, soweit darüber nicht mit Zustimmung der Landesvertretung behufs Be- dedung der Staatsausgaben oder behufs cines Theils des Ertrages der Grund- und Gebäudesteuer an die Kommunalverbände Ver- fügung getroffen ist. Meine Herren! Dies Staats-Ministerium, dem dieserFGeseßentwurf . vorgelegen hat und das si über die Einzel- heiten in der Fassung sehr genau Rechenschaft gegeben hat, hat ge- glaubt, sich ganz genau an die Worte derjenigen Erklärungen an- [ließen zu müssen, die im vorigen Jahre von dem Hause der Abgeordneten dankbar acceptirt worden sind. Damit ist nach keiner Seite gesagt wor- den, daß die Beschlußnahme des hohen Hauses über die Verweadung dieser Ueberschüsse irgendwie hätte in Zweifel gestellt werden sollen. Ich habe die Chre gehabt, auszusprechen, daß wir die Absicht gehabt haben, die vorjährigen Zugeständnisse und Bereinbarungen im loyalsten Sinne auszuführen, und ih glaube, daß das nicht besser hat ausge- führt werden können, als dadur, taß wir dieselben Worte, die damals gebraucht worden sind, in den Text dieses Gesetzes über- nommen haben. Sollte darüber noch eia Zweifel sein, so werden Sie, da ih die loyale Seite der Sache vor Allem betont habe, wohl überzeugt sein können, daß wir gar kein Bedenken finden werden, dasjenige, was im vorigen Jahre vereinbart worden ijt, auc hier zum Ausdruck zu bringen. Jh werde also gar kein Bedenken tragen, irgend eine andere Fassung, die nah dieser Richtung hin eine größere Deutlichkeit bietet — wenn Sie eine solcbe herbeiführen wollten — anzunehmen, und ih glaube auch nicht, daß das Staats-Ministerium nah dieser Richtung hin irgend welche Bedenken tragen wird, einem derartigen Antrage Scitens des Hauses beizustimmen.
Was die Grund- und Gebäudesteuer anbetrifft, so ist in den Motiven ausdrücklich darauf hingewiesen worden, welchen großen Schwierigkeiten das sofortige Eintreten in diese Materie unkerliegt. Einer der Herren Vorredner hat ganz besonders betont, daß es ihm im Augenblick kaum möglih und au kaum räthlih erscheine, in dieser Weise eine besonders bestimmte Formulirung zu beantragen oder in diese ¿Frage einzutreten. Jh glaube, daß die Schwierigkeiten so roß sind, daß fie nothwendigerweise dahin führen werden, ein besonderes Geseß über diese Frage zu erlassen, wie es in den Motiven ausdrück- lih vorbehalten ijt. Jh muß auch in dieser Beziehung in Anspruch nehmen, daß die Staatsregierung sih auf demselben Boden befindet, der in den Vorverhandlungen von allen Seiten des Hauses als zu- treffend anerkannt worden ist. Jh muß dies heute umsomehr be- tonen, als in diesem Augenblick ja noch gar keine Rede davon ist, daß weitere Steuererlasse als solche, die: hier gegeben \ind, für die nächste Zeit in Aussicht gestellt werden können. Sollte ein solcher Steuererlaß irgendwo möglich werden, dann lebt .ja die Frage wieder auf, und es wird das hohe Haus darüber zu entscheiden haben, in welcher Weise nach §. 1 die Vertheilung erfolgen soll. Die Be- merkung also, die einer der Herren Vorredner gemacht hat, daß es zweckmäßigerweise si kaum um eine Quotisirung handeln würde, in diesem Sinne, das heißt, daß man etwa sagen könnte, 50% der Summe, die das Reich überweist, sollen zum Erlasse der Grund- und Gebäudesteuer überwiesen werden, andere 50% zu Erlafseu oder anderen Verwendungen bestimmt werden — ein folher Vorschlag würde ja keineswegs abzuweisen sein, im Gegentheil kann ih nur meine Meinung dahin aussprechen, daß es uns daran liegt, in dieser Frage na allen Seiten hin mit dem hohen Hause gleihen Sritt zu halten und nah keiner Seite die Vermuthung aufkommen zu lassen, als ob von Seiten der Staatsregierung oder meiner Seite etwas geschehen sollte, um die legale Erfüllung der damals gegebenen Versprechungen irgendwie zu besc:ränken oder ihnen eine bestimmte Grenze zu seßen, die damals nicht {hon von vornherein in Aussicht genommen und berücksichtigt worden wäre.
Hiernach glaube ich, würden wohl die Hauptbedenken, die gegen
dieses Geseß ausgesprohen worden sind, ihre Erledigung gefunden haben , und ih glaube , daß alles andere nach dem Standpunkt , den ih für meine Person einnehme, und der Standpunkt des Entgegen- kommens in allen der Nation nüßlihen und förderlichen Dingen ift, daß mit Nülsicht auf diesen Standpunkt es wohl niht {wer sein wird, ih zu verständigen, wenn man überhaupt auf demselben Boden ih befindet, also die Vorlage nach der einen oder anderen Seite S zu gestalten, so daß sie ihrem ursprünglihen Zwecke entipricht. ___ Ich möchte nun auf einige weitere Bemerkungen eingehen , die im Laufe der Debatte gemacht worden sind. Der Abg. Rickert hat gestern sein Befremden darüber ausgesprochen, daß kein einziger Regierungs-Rath dem hohen Hause geopfert sei. Es ist dies von dem Abg. Miquel in anderer Weise auch als ein Bedenken gegen die Etats\äße, welche die Personalien in den Staatsverwaltungen be- treffen, uge peowen worden. Er hat dabei ferner die Vermehrung der Polizeikosten hier in Berlin oder überhaupt im Ministerium des Innern bemängelt und es ist daran die Folge geknüpft worden , daß die Erwartungen, die die Selbstverwaltung mit der Ersparung an Gehältern oder mit der Zahl der Verwal- tungöbeamten im Auge gehabt habe, nicht erfüllt worden sei.
Was diese Frage anbetrifft, meine Herren, so ist sie eine außer- ordentlih schwer wiegende und läßt sih niht mit einigen Worten
hier erledigen. Sollte sie irgendwie in den Kommissionen bei der Vorberathung zur Sprache kommen, so wird Jhnen von mir persön- lih, so weit ich daran Theil nehmen kann, jedenfalls von Seiten meines Ministeriums die vollste und rückhaltsloseste Aufklärung über den gegenwärtigen Zustand und über die Möglichkeiten gegeben erden, irgend welche Ersparnisse eintreten zu lassen. Jh muß aber dabei die Bemerkung machen, daß die Anschauung, die man si früher gemacht hat über die Eatlastung der Provinzial- und Central- behörden, fich nit erfüllt hat. Was die Provinzialbehörde betrifft, so hat bis jeßt ein irgend nennenswerther Nahlaß an Geschäften nicht stattgefunden, und wenn dec Hr. Abg. Miquel bei Gelegenheit der Weiterberathung der Verwaltungéreorganisation, die ja dem hohen Hause noh vorgelegt werden wird, spezielle Vorshläge machen will, wie er seine Pläne weiter praktisch ausführen möchte, fo wird das mit großem Danke angenommen werden. Im Allgemeinen aber möchte ih darauf aufmerksam machen, daß es eine Menge von Gesetzen giebt, die in der lehten Zeit gerade seit Einführung der Selbstverwaltung erlassen sind, eine sehr wesentliche Vermehrung der Geschäfte der Provinzial- und Centralbehörden herbeigeführt haben. Ja, meine Herren, ih werde Jhnen einige nennen, — es sind eine ganze Menge — ich brauhe nnr auf die Gesetze über Vermögens- verwaltung der Kirchengemeinden, auf das Viehseuchengeseß, auf das über Hinterlegungs8wesen, über die Enteignung von Grundeizenthum und auf die Hinterlegung8ordnung aufmerksam zu mahen — i will beim leßten Geseß der Hiaterlegungsordnung stehen bleiben; es er- fordert für fast alle Regierungen eine volle Arbeitskraft, und Sie werden übereinstimmen, daß gerade diese Geschäfte mit der vollsten Sierheit, Pflichttreue und Akkuratesse gemaht werden müssen, um diejenige Sicherheit zu gewähren, die in diesen sehr verwickelten und umfangreihen Geschäften nothwendig ist. Es wird daher sehr \{chwer werden, eine namhafte Zahl von Beamten zu entlassen oder zu beseitigen, wie Sie es neanen wollzn. Aber im Allgemeinen macht sich die Nothwendigkeit, die Geschäfte der Verwaltung in einem fehr umfangreichen Maße viel konzentrirter als früher zu betreiben, auf allen Seiten geltend; man arbeitet nit mehr ganz allein vom grünen Tisch aus, sondern es wird Werth darauf gelegt, daß die Arbeiten ia Verbindung mit dem realen Leben stattfinden; das kostet natürlih viel Kraft und Zeit. Außerdem muß ih wiederholt darauf zurückommen, daß die zahlreihezn Gesetze der heutigen Tage eine wesentliche Erhöhung der Arbeitskraft bei den Regierungen nothwendig gemacht haben, und daß es unmöglich ge- wesen ist, bis jeßt in cinem so radikalen Maße, wie man vielleicht vermuthet hat, mit der Verminderung der Beamtenzahl vorzugehen. Es ist überhaupt eine Sache, die mit großer Vorsicht angefaßt wer- den muß. Was die Centralperwaltung anbetrifft, so brauche ich das hohe Haus nur darauf hinzuweisen, welcher ungeheure Aufwand von Kräften nothwendig ist, um niht blos die Verwaltung selbst zu führen, sondern auch die Vorbereitung der Gesetze und ihre hinreichende Begründung den geseßgebenden Fak- toren rehtzeitig vorzulegen, zu denen niht allein der Landtag gehört, sondern bei den-n auch die Initiative fast in allen großen Sachen für das Deutsche Reih der preußischen Staatsverwaltung anbeim fällt. Die preußishe Staatsverwaltung hat di: Pflicht, ihre Stellung im Reiche zu wahren, und ih glaube nit, daß nach irgend einer Seite hin dies den Intentionen und Ans schauungen des hohen Hauses widerspricht.
Dies vorausges{chickt, muß ich bemerken, daß es au hier ganz unmöglich it, alle Fragen, die Sie der Centralverwaltung vorlegen, lediglich vom büreaukra.iishen Standpunkt aus zu beurtheilen. Es gehört dazu eine unmittelbare Verbindung mit den Provinzialbehörden und weiter darüber hinaus mit denjenigen Personen, die in der Provinzialverwaltung und in der Provinz selbst die Verhältnisse richtig und sicher übecsehen können. Es gehört dazu, daß man ih nit blos von der grauen Theorie leiten läßt, sondern feine Früchte von dem grünen Baum des goldenen Lebens holt. Ich will noch mehr sagen, wenn Ihnen das zur Befriedigung gereichen kann. Ich selbst werde der Erste sein, der das Beispiel giebt, daß man si mit diesen Provinzialverhältnissen ganz genau belannt macht und da seine Information zieht, wo sie genommen werden muß, nämlich in den Provinzialverwaltungen und in denjenigen Kreisen, die mit den Bedürsnisseu der Provinzen aus eigener Wissenschaft und ohae Vor- cingenommenheit vollständig bewandert sind. Dies ist meine Stel- lung zur Sache.
Man hat einige Fragen fpeziell erörtert, die ih glaube nicht in den Kreis der jeßzig:n Betrachtung?n ziehen zu follen. Gestern ist die Bemerkung gemacht, daß in den Etat des Ministeriums des Innern ein Ministerial-Direktor aufgenommen sei. Man kann das ja bis auf einen gewissen Punkt eine Vermehrung des Beamtenpersonals nennen, obglei die Zahl 1 doch nur eine fehr geringe Vermehrung andeutet. Es wird der Nachweis über die Nothwendigkeit dieser Position weiterhin geführt werden. Aus meiuer v Sherigen Stellung kann ih nur sagen, daß ich diese Position als eine durchaus noth- wendige und dringende betrachten muß.
Der Herr Abg. Miquel hat eine Bemerlung gemacht, die dar- auf hinführt, daß es nothwendig sein werde, in guten Jahren daran zu denken, daß diefe auch von \{lechien Jahren abgelöit werden. Das E eine thatfähliche Crfahrung, die si{ch wohl nach keiner Seite hin in Zweifel ziehen läßt, und ih bin \ehr gern bereit, auf diesen Gedanken einzugehen, ih würde {on von vornherein darauf eingegangen sein, wenn ic zufälligerweise den Vor- zug gehabt hätte, der mir leider niht zu Theil geworden ist, in ein gutes Jahr einzutreten,
Was die Frage anbetrifft, welche der Hr. Abg. Miquel nicht ohne daß ih einen großen Theil dessen, was er ausgesprochen hat, als begründei anerkennen muß, über das Verhältniß der Kommunen und deren Belastung ausgesprochen hat, so bemerke ich, daß in der That nach den der Regierung vorliegenden Nachrichten ein großer Theil der Kommunen s{chwer unter der Last derjenigen Einrichtungen leidet, die durch die Kommunalverwaltung und die von der Staats- regierung ihr aufgegebene Vertretung gewisser staatliher Einrichtun- gen zugemuthet worden sind. Jch erkenne an, daß er Gerechtigkeit walten ließ, indem er betonte, daß niht blos der Staat, sondern au das Bedürfniß der Kommunen einen großen Theil dieser Lasten herbeigeführt hat. Was aber die Frage anbetrifft, wie weit der Staat den Kommunen-Opfer und Ausgabea zugemuthet hat, die ste für staatlihe Arbeiten, als Organe des Staats und für Geschäfte dess selben zu übernehmen hatten, so ist gerade diese Frage der Grund ge- wesen, weshalb ih geglaubt habe, das Gesetz über die Schank steuer vorlegen zu sollen. Bei dieser Gelegenheit hat die andere Frage, die noth- wendigerweise sih daran knüpft, — ih will sie, ohne damit irgend- wie eine bestimmte Bezeichnung verbinden zu wollen, als die sittliche bezeihnen — allerdings mitgewirkt, aber in erstec Liaie war mein Wunsch der, den Kommunen Mittel zu s{hafen, ihnen einen Ersatz zu geben für die Arbeiten, die der Staat ihnen zuzewiesen hat.
Die Vorarbeiten für dieses Gesez sind abgeschlossen ; dasselbe wird Ihnen, wenn ih nicht irre, {hon zugegangen sein oder in den räbsten Tagen zugehen. Aber ih muß von vornherein bemerken, daß, wenn die finanzielle Seite der Frage präzisirt werden soll, es ungemein {wer war, Ihnen Zahlen zu bringen, die nachher jede Probe für den finanziellen Effekt bestehen können. Im Allgemeinen aber denke i, daß das, was wir ermittelt haben, zutreffend sein ‘wird. Dabei stellte sih dan im Allgemeinen heraus, daß sämmt- lihe Kommunalabgaben ungefähr 139 Millionen Mark betragen, die Schanksteuer 13 Millionen, also den zehnten Theil dieser Summe. Der Ertrag der Schanksteuer beträgt in den meisten Ge- meinden erheblich mehr als die Aufwendungen der Gemein- den für allgemeine Staatszwecke. Wenn sih diese Bereh- nung bestätigt, so würde damit der Zweck, den ih bei der Schank- steuer im Auge habe, vollständig erreiht sein. Jun Berlin z. B., wo alle die Ausgaben und Einnahmen aus der Steuerverwaltung nicht in Betracht gezogen sind bei der Berehaung, würden s& bei Etn- führung der Schanksteuer 673 456 M als Ueberschuß über die Ver- wendungen der Kommune zu Staatszwecken ergeben. Aehnlich ist das in vielen anderen, namentlich in städtishen Kommunen der Fall. Ich könnte Zahlen anführen, daß der Betraz der Steuer in vielen.