1879 / 280 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 Nov 1879 18:00:01 GMT) scan diff

iht in der Mathematik und Finanzwissenschaft ertheilt. Die E eaesud währt 6. Monate mit wöhentliG M E Fürsorge ist dem körperlicen Wohlbefinden, wie der Verbesserung der wirthfcaftlihen Lage der Beamten zugewendet worden. Die seit 7 Jahren bestehende Einrichtung der Gewährung von Erholungsurlaub wurde auf die Telegraphenbeamten aus- gedehnt und hat sich nicht nur für die Beamten, fondern auch für die Verwaltung als eine ersprießliche Maßregel erwiesen.

Las Institut der Vertrauensärzte erhielt, zunähst für Berlin, eine Erweiterung, indem vier Aerzte, jeder für einen beson- deren Bezirk, angenommen wurden, welchen die weitergehende Ver- pflichtung obliegt, den _fämmilihen Poft- und Telegraphen-Unter- leisteten in Krankheitsfällen unentgeltlich ärztlihen Beistand zu eisten.

Die Pofst-Spar- und Vorschußvereine für Angehörige

der Reihs-Post- und Telegraphenverwaltung liefern durch den zu- nehmenden Aufshwung deutlihen Beweis für das Bedürfniß ihrer Einrichtung. Am Schlusse des Jahres 1878 hatte betragen : die Zahl der Mitglieder 30401, gegen 1875 mehr 9552, das gesammte Ver- einsvermögen 4624 942 M, gegen 1875 mehr 2483 693 A An Vorschüssen wurden an Vereinsmitglieder im Jahre 1878 gewährt in 17 678 Fällen 2756 751 4. Befonders \egensreih erwies sih das Vorhandensein der nunmehr auch auf die Angehörigen der Reichs- Telegraphenverwaltung ausgedehnten Kaiser Wilhelm-Stif- tung für die Angehörigen der Deutsck&en Reichs-Postverwaltung, eine Stiftung, deren Vermögen durch mehrfache Zuwendungen bis Ende März 1879 auf 407 900 ( gewachsen ist. Aus den Einkünften erfolgten in dem Zeitraum vom 1. Januar 1876 bis Ende März 1879 in 625 Fällen Bewilligungen an Reisestipendien, an Studien- stipendien und an Unterstüßungen in Höhe von 61138 M _ Aus dem Post-Armen- und Unterstüßun gsfonds, dessen Kapitalsvermögen 923 142 # beträgt, erhielten im Nechnungsjahr 1878/79 11 294 Personen Geldunterstüßungen. Die Gesammtzahl der unter Mitwirkung der Post- und Telegraphenverwaltung ab- ges{lossenen Lebensversicherungen von Beamten und Unter- beamten belief sich Ende März 1879 auf 7134 Versicherungen mit einer Summe von 17 147 241 M

Un Posthaltereien waren vorhanden Ende 1875 1464, dar- unter 20 reihseigene, Ende 1878 1333, darunter 8 reihseigene. Die Zahl der Postpferde belief sich auf 13 319 bz. 11 554, darunter 999 reihéeigene Pferde, wovon 454 auf die reihseigene Posthalterei in Berlin entfallen. Die Anzahl der Postwagen und Poft- {litten stellte sich 1875 auf 13 102, 1878 auf 12 369, darunter 938 reich8eigene Bahnpostwagen, 305 Postabtheilungen in Wagen der Eisenbahnverwaltungen. Die Zahl der tägli zur Postbeförde- rung benußten Eisenbahnzüge belief sich Ende 1875 auf 2876, Ende 1878 auf 3282; von diesen leßteren wurden 789 durh Be- amtenbahnposten, 1293 durch Schaffnerbahnposten begleitet. Bei 1200 Zügen fand die Beförderung von Briefpostgegenständen durch Vermittelung des Eisenbahnpersonals statt.

Die Postkurse auf Eisenbahnen erstreckten sich Ende 1875 auf 22091 km, Ende 1878 auf 24527 km.

Auf Landstraßen betrug die Kurslänge der Posten Ende 1875: 58 901 km, Ende 1878; 55,289 km, die Zahl der Po ftkurse Ende 1875: 4078, Ende 1878: 4175; die Zahl der:Personenposten Ende 1875: 2311, Ende 1878: 1979. Jn Folge der Aufhebung von Petr sonenposten aus Anlaß der Erweiterung des Eisenbahnnetes sank die Zahl der mit d-n Posten gereisten Personen von 4455 922 im Jahre 1875 auf 3210559 im Jahre 1878.

An regelmäßigen Privat-Personenfuhrwerken bestanden Ende 1878: 865 mit einer Kurslänge von 10 021 km.

Zur Postbeförderung auf Wasserstraßen dienten in dem dreijährigen Zeitraum jährlich 52 Dampfschiffäverbindungen in einer Länge von 1800 km, Zurückgelegt wurden von den Bahnposten im Jahre 1875: 73 709 014 km, im Jahre 1878: 81 279 021 km, von den Posten aufLandstraßen im Jahre 1875: 54 232 613 km, im Jahre 1878: 50483 303 km, von den Posten auf Wasser- straßen im Jahre 1875: 636 213 km, im Jahre 1878: 650 536 km, insgesammt im Jahre 1875: 128577840 km, im Jahre 1878; 132 412 860 km.

Die Erweiterung des Telegraphennetes erstreckt #ch auf oberirdische, unterirdishe und unterseecisbe Linien. Die Länge der oberirdischen Linien betrug Ende Januar 1875: 33 245 km, dagegen Ende September 1879; 51 484 km, es sind mithin in den leßten 4F Jahren neu gebaut 18239 km, was einer Vermehrung um rund 55% gleichlommt. Die Länge der oberirdishen Leitungen betrug Ende Januar 1875: 120 779 km, dagegen Ende September 1879: 169 208 km, also mehr 48429 km, d. i. gegen 1875 mehr rund 40%/0. Diese erheblihe Verdichtung des Telegraphenneßes hat sich über alle Theile des Reichsgebiets verbreitet. Gebirgsdistrikte und Seceküsten sind mit in das Net gezogen worden. Als ein wichtiger Fortschritt in der Telegraphie is der Uebergang zu dem System der unterirdischen Telegraphenlinien zu bezeihnen. Von den im Plane vorgesehenen Linien, welche in ihrer Gesammtheit darauf berechnet sind, die wichtigsten Verkehrsorte des Reichs, sowie dessen Festungen und Seepläte in gesicherte unterirdische Telegraphenverbin- dung zu schen, sind in den Jahren 1876 bis 1879 hergestellt worden :

a. die Linie von Berlin über Halle a. S. und Cassel nach Franfk-

furt a-M. und Mainz;

b, die Linie von Halle a. S. nach Leipzig;

. die Linie von Berlin nach Hamburg ;

. die Linie von Hamburg nah Kiel; die Linie von Berlin nach Cöln über Magdeburg, Braun- schweig, Hannover, Minden, Münster, Wesel und Düsseldorf ;

« die Linie von Cöln nah Elberfeld und Barmen;

. die Linie von Frankfurt a. M. nach Straßburg i. E. über Darm|tadt, Mannheim, Karlsruhe, Rastatt und Kehl ;

. die Linie von Hamburg nah Cuxhaven ;

i, die Linie von Hamburg über Bremen und Oldenburg nach critta mit Abzweigung nah Bremerhaven und Wilhelms- aven;

, die Linie von Cöln über Coblenz und Trier nah Met;

. die Linie von Meß nah Straßburg i. E. ;

m, die Linie von Coblenz nah Mainz und

n. die Linie von Berlin na Dreéden.

Nach gänzlicher Fertigstellung der Linie Berlin-Dresden ergiebt fich eine Ausdehnung von 3660 km Linien. Die meisten dieser Linien zählen sieben, einige vier Leitungen, und es beträgt die Ge- fammtlänge der fortlaufend unterirdish geführten Leitungen des Reiches 24 946 km, Außerdem wurde zwischen den Inseln Alsen und Fühnen in Gemeiaschaft mit der Königlich dänischen Telegra- phenverwaltung ein unters eeisches Kabel gelegt. Durch das im Sommer 1879 gelegte unterseeische Kabel zwishen Sylt und Arendal endlich i} cine unmittelbare telegraphische Berbindung zwischen Deutschland und Norwegen hergestellt worden. Die Länge des Kabels beträgt 466 km.

Wesentliche Fortschritte sind auf dem Wege der Verkehrs- erleichterungen zu verzeihnen, Die günstige Aufnahme, deren das Postauftragsverfahren bei dem Publikum si erfreut, gab Anlaß, die Einrichtung im Jahre 1876 dahin zu erweitern, daß Postaufträge auch zur Einholung der Annahmeerklärung seitens des Bezocenen benußt werden können. Es haben betragen: die Anzahl der Postauftragsbriefe im Jahre 1875: 1,6 Million, im Jahre 1878: 3,1 Millionen, der einzuziehende Betrag 1875: 184 Millionen Mark, 1878: 306,3 Millionen Mark, der Gebührenertrag 446 307 4. bz. 898 443 G Eine außerordentlihe Steigerung zeigte sich bei den Postanweisungen innerhalb des Deutschen Reichspostgebiets. Die Anzahl nabm zu von 18,5 Millionen Stück mit 1069,4 Millio- nen Mark Einzahlung und einem Gebührenertrage von 4 Millonen Mark im Jahre 187d, auf 27,6 Millionen Stück mit 1777,1 Millio- nen Mark Einzahlung und einem Gebührenertrage von 6,1 Millionen Mark im Jahre 1878. Die Zunahme gegen das Jahr 1875 berech- net sich auf 49,2 % bei der Stückzahl, auf 66,29%, bei dem ein-

gezahlten Betrage, und auf 53,1 %/, bei dem Gebührenertrage. Der Meistbetrag für Postanweisungen is von 300 auf 400 M erhöht worden, ohne daß eine Erhöhung der Postanweisungsgebühr einge- treten ist. Der Bestelldiens in Postorten erstreckt si gegen- wärtig allgemein auch auf Werthsendungen bis zum Betrage von 3000 A In G Städten können die vom Auslande eingehen- den zollpflihtigen Sendungen auf Wunsch dec Empfänger durch Postbeamte verzollt werden.

Telegramme werden von sämmtlichen Postanstalten, au von folchen, mit welchen eine Telegraphenbetriebsstelle niht ver- bunden ift, augenommen. 2

Der Reichs-Telegraphentarif hat im Jahre 1876 eine grundsäßliche Umgestaltung erfahren. An Stelle der früheren Drei- Zonensätze ist eine einheitlihe Taxe getreten, bei welher ohne Rü- sicht auf die Entfernung die Taxe nah der Wortzahl bemessen wird. Der neue Tarif bezweckt die Vereinfahung der Gebührenerhebung und die Herstellung eines richtigen Verhältnisses der Gebühr zur Leistung. Die Einnahme an Telegrammgebühren beziffert sich für das Kalenderjahr 1875 auf 10594538 4, für das Etatsjahr 1878/79 auf 12 845 379 6, so daß sich für 1878 gegen 1875 eine Mehr- einnahme von 2250841 Æ, d. i. cine Steigerung um 21,24 °/, ergiebt. Lie große Zahl neu ecrrihteter Stationen hat zur Vermehrung der Einnahme beigetragen. Auf der anderen Seite kommt in Betracht, daß der Rückgang in den Geschäften, den die anhaltende Handelskrisis verursacht, auf den telegraphischen Ver- kehr unaünstig einwirkt. Fast noch höher als der finanzielle Erfolg Des neuen Tarifs ist für die Verwaltung die größere Schnelligkeit in der Depeschenbeförderung, sowie die Verringerung der Arbeit im Betriebe zu \{häßen. Vor dem 1. März 1876 enthielt jedes Telegramm durchschnittlich 18,3 Worte, gegenwärtig beträgt der Durchschnitt 12,7 Worte, also 5,6 Worte oder rund 30%/q weniger. Auf den Gesammtverkehr übertragen, ergiebt sich für 1878 gegen 1875 cin Minderaufwand von über 40 Millionen Worten oder von rund 2 Millionen Telegrammen zu 20 Worten.

Erhebliche Verbesserungen hat der Post- und Telegraphenbetrieb in Berlin erfahren, Der Ober-Postdirektion in Berlin, als der betriebsleitenden Bezirk8behörde, ist seit dem Jahre 1876 zu- gleih die Leitung des gesammten Telegraphenbetrieb8sdienstes zuge- wiesen. Die Verschmelzung dicses Dienstes mit dem Postbetriebe stellt sich für die Erfüllung der Anforderungen einer Großstadt, wie Berlin, als eine besonders günstige dar.

Die Verkeh rsanfstalten in Berlin, deren Zahl sih Ende 1875 auf 65 belief, find bis Ende des Jahres 1878 auf 81 Be- triebsstellen vermehrt worden.

Post-Briefkasten waren am Schlusse des Jahres 1875: 384 Stück, zu Ende des Jahres 1878: 461 Stück in Berlin vorhanden.

Das Personal bei den der Ober-Postdirektion in Berlin unterstellten Verkehrsanstalten belief sih bis Ende des Jahres 1878 auf zusammen 4838 Personen. Die Telegrapheneinrihtungen im Stadtgebiete von Berlin erhielten durch die am 1. Dezember 1876 in Betrieb genommene Rohrposteinrihtung, mittels deren Briefe und Telegramme in unterirdishen Röhren unter Verwerthung des Lustdrucks befördert werden, eine wesentlihe Erweiterung. Die Zahl der Robrpostämter in Berlin, anfänglich 15, b läuft sich gegen- wärtig auf 23, welche die wichtigsten Theile der Stadt bedienen und mit dem Haupt-Telegraphenamte sowie untereinander durch Röbren- stränge in Verbindung stehen. Die Gesammtlänge der verlegten Röhren beträgt 38,71 km. Befördert wurden mit der Rohrpost im Jahre 1878: 1 464 870 Sendungen. Der Telegraphenverkehr Ber- lins umfaßte im Jahre 1876: 1 243 487 aufgegebene, 1 057 290 ein- gegançene Telegramme; im Jahre 1878: 1362174 agufgegebene, 1 062 352 eingegangene Telezramme.

Auch von den Fernsprech-Einrichtungen ist im Bereiche der Ober-Postdirektion Berlin mit gutem Erfolge Gebrauch gemacht. Zur Zeit sind 12 Betriebsstellen mit Fernsprechern ausgestattet.

Im ganzen Reichs-Telegraphengebiete betrug die Anzahl der im Betriebe befindlichen Ferrspreher Ende September 1879 770.

Unter der Leitung der Post- und Telegraphenverwaltung {steht auch der Betrieb des Zeitballwesens. Es sind gegenwärtig 4 Zeitballstationen, und zwar in Cuxhaven, Neufahrwasser, Bremer- haven und Swinemünde eingerichtet.

Hervorragende Leistungen lassen sih auf dem Geliete der in ter- nationalen Post- und Telegraphenbeziehungen auf- weisen. In erster Linie steht die Erweiterung des durch den Berner Vertrag vom 9. Oktober 1574 gegründeten Allgemeinen Postvereins zum Weltpostverein. Der hierauf bezügliche Vertrag ward zu Paris am 1. Juni 1878 von den Bevollmächtigten der Negierungen von 37 Ländern aller Welttheile unterzeihnet. Die Ausführung begann mit dem 1. April 1879, Es besteht nunmehr eine ein- heitlihe Norm für den gesammten Briefverkehr der civilisirten Nationen der Erde. Die frühere große Anzahl von Portosäten für frankirte Briefe nah den verschiedenen Ländern der Crde ist auf drei Säße zurückgeführt. Es werden gegenwärtig erhoben: 109 S im inneren Verkehr Deutschlands und im Verkehr mit Oesterreih-Ungarn, 20 H Z im Verkehr des Weltpostvereins, H 2 im Verkehr mit den noch nicht zum Weltpostverein gehörigen

ändern,

In seiner geographischen Ausdehnung umfaßt der Weltpostverein 1 328 523 Quadratmeilen mit etwa 755 Millionen Einwohnern. Außer dem Weltpostvertrage sind auf dem Pariser Postkongreß zwei Verträge über die Geldvermittelung abgeschlossen worden; ein Üeber- einkommen über den Austausch von Briefen mit Werthangabe vom 1. Juni 1878, ein zweites Abkommen über den Austausch von Post- anweisungen vom 4. Juni 1878 Die Zahl der Versendungsgegen- stände, welcbe gemeinsamen Bestimmungen unterliegen, ift durch den Abschluß dieser beiden Uebereinkommen um zwei bedeutende Gattungen vermehrt. In den leßten drei Jahren sind noch eine Menge ande- rer Erleichterungen im Wege der Vereinbarung mit fremden Ländern herbeigeführt. So können geaenwärtig im Verkehr mit Belgien Geld- beträge auf telegraphiswem Wege, im Verkehr mit den Niederlän- dischen Kolonien in Ostindien mittels Postanweisung überwiesen werden. Auf die Hebung und Erleichterung des Packetverkehrs mit der Schweiz, mit Belgien, Niederland, Dänemark ist dur Ein- führung von Einheitstaxen in Höhe von 80 - für Pakete im Gewicht bis 5 Kilogramm €ingewirkt worden. Für Packetsendunzen nach un d aus Oesterreich-Ungarn besteht cine noh weitergehende Porto- Ermäßigung, indem auf dieselben der für Packetbeförderung im inneren Verkehr Deutschlands geltende Tarif, also die Säße von 25 für Beförderungen auf Entfernungen bis 10 Meilen, und von 50 4 auf weitere Gnifernungen Anwendung findet. Gleich nah Verschmelzung der Post mit der Telegraphie im Jahre 1876 wurden die B e- ziehungen zu den auswärtigen Telegraphenverwal- tungen einer eingehenden Prüfung unterzogen. Zehn neue Ab- kommen mit Belgien, Niederland, Luremburg, Schweden, Dänemark, Rußland, der Schweiz, Frankrei, Großbritannien und Oesterreich- Ungarn regelten die Verhältnisse, der Zeit und den Bedürfnissen ent- sprechend, in vortheilhafter Weise.

Der Statistik über alle Zweige des Poft- und Telegraphen- dienstes widmet die Verwaltung eine sozgfältige Pflege. Auf Grund gesammelten statistishen Materials ist im Jahre 1878 bei dem Ges neral-Postamte ein Werk bearbeitet und unter dem Titel; „Das Reiws-Postgebiet“ im Druck herausgegeben worden, welches eine nach Ländern und Provinzen geordnete Beschreibung \ämmtlicher Poftorte des Reichs-Pojtgebiets nab Lage, Bodenbeschaffenheit und Klima mit Angabe über Zahl, Eigenart, Bekenntniß, Erwerbs- verhältnisse der Einwohner, Mittheilungen über Entwickelung und Stand von Handel und Gewerbe, bei bedeutenderen Orten mit An- gabe der wichtigsten Ereignisse aus ihrer Geschichte, enthält.

Das finanzielle Ergebniß der Poft- und Telegraphen- vecraltung darf als cin günstiges bezeihnet werden, besonders wenn in Betracht gezogen wird, daß die Lage der Geschäftsverhältnisse eine andauernd ungünstige war, und daß die frühere Telegraphben- verwaltung für das Jahr 1875 mit einer Mehrausgabe von 3) Mil- lionen Mark abschloß. Die Einnahme an Porto und Telegramm-

gebühren ift gestiegen in den Jahren 1876 um 3,69 %, [1877/78 um 6,45 9% und 1878/79 um 2,65 %%/. : : .

Dieses günstige Ergebniß ist namentli darauf zurückzuführen, daß, troß der andauernden Geschäftsstockung, die während dieser Zeit getroffenen Verkehrserleihterungen eine ausgedehntere Benußung der Post und der Telegraphie Seitens des Publikums zur Folge gehabt haben, und daß die Vereinigung der Verwaltung und des Betriebes beider Verkehrszweige eine erwünschte Einschränkung der Ausgaben neben gleichzeitiger Erhöhung der Leistungen gestattet hat.

Se. Majestät der Kaiser und König haben gestern mit Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Großfürsten Wladimir von Rußland, Jhren Königlichen Hoheiten den Prinzen Carl und Albreht von Preußen, und August von Württemberg, dem Herzoge Paul von Medcklenburg-Schwerin, Grafen Otto zu Stolberg-Wernigerode, Minister Dr. Lucius, Ober-Präsidenten von Leipziger und einer zahlreichen, von hier und aus Hannover geladenen FJagdgesellschaft, zusammen 38 Schüßen, im Sau- park bei Springe gejagt. Jn zwei Suchen mit der Finder- meute auf Sauen wurden von Sr. Majestät dem Kaiser und König 1 Stück Rothwild und 13 Sauen, von Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Großfürsten Wladimir von Rußland 1 Stü Rothwild und 12 Sauen, Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Carl 9 Sauen, Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Albrecht 4 Sauen, Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen August von Württemberg 7 Sauen, Sr. Hoheit dem Herzog Paul von Medlenburg-Schwerin 9 Sauen, von der übrigen Fagd- gesellshaft 3 Hirsche, 7 Stück Rothwild, 88 Sauen und 1 Rehbock, zusammen also 3 Hirsche, 7 Stück Rothwild, 142 Sauen und 1 Rehbock zur Strecke gebracht.

Der Schluß der Anmeldungen für die IV. Allgemeine Deu t\che Kunstausstellung in Düsseldorf (1880) ist auf den 15, Februar 1880, der Schluß der Ablieferungen auf den 15, April 1880 festgesetzt. Ausstellungsberehtigt sind sämmtlihe Mitglieder der deutschen Kunstgenossenschaft. Die Lokalvereine sind im Besitze der Bedingungen, sowie der nothwendigen Formulare, und werden die Anmeldungen und Sendungen an den Vorstand der Kunst- und Ge- werbe-Ausftellung in Düsseldorf, Schadowstraße 14, übermitteln.

Ein Comité im Elsaß veröffentliht in der „Straßb. Ztg.“ fol- genden Aufruf zu Beiträgen für ein Denkmal in Sesenheim:

„Die Erinnerung an jene Jdylle, welhe Goeihe in Sesenheim erlebt und später so wuntervoll beschrieben hat, wird Jedem am Herzen liegen, der die teutsche Dichtung kennt und liebt. Ihr ein angemessenes Denkmal zu weihen, ist {on vor mehr als zwanzig Jahren im Elsaß: beabsichtigt worden. Ein Comité, dessen Mit- glieder sih zum Theil unter den hier Unterzeichneten befinden, ver- faßte cinen Aufruf zur Sammlung von Beiträgen, um den Hügel, auf dem cinst „Friederikenruhe“ lag, anzukaufen und aufs Neue dur eine Laube, der ehemaligen möglichst glei, zu krönen. Doch der Ausführung dieser Absicht traten damals unüberwindliche Hindernisse entgegen. Seitdem ist der gleihe Gedanke wohl in so manchem Besucher Sesenheims lebendig geworden. Wer das friedlich stille Dorf durhwandert, im Pfarrhause die treugehegten Erinne- rungen aufgesuht hat, wird auch nah jenem trauliben Pläßchen fragen, auf dem einst Goethe mit Friederike Hand in Hand saß; es wird thn betrüben, an dieser Stelle nur ein Alerfeld vorzufinden. Wie anders, wenn „Friederikenruhe“ wieder erstanden, die hier na allen Sêiten fih öffnende freundliche Aussicht in vier Laubrahmen faßte und zugleich im kühlen Schatten den Blick in die Vergangen- heit zu werfen einlüde! Jeßt ist es möglich, diesen Wunsch zu erfüllen, sobald die nöthigen Mittel zu Gebote stehen. Und gewiß wird die dankbare Verehrung für den großen Dichter auch heute noch zu Opfern bereit sein, wie sie früher mit Sicherheit erwartet werden konnten. Die erforderlihe Summe für den Ankauf des Grundstücks und die Herstellung der Anlagen beträgt 3000 6 Zum dritten Theil ift sie bereits in früherer Zeit aufge- bracht worden. Weitere Beisteuern bitten wir an den Kassirer ‘des Comités, Hrn. Notar Haug in Niederbronn, oder an einen der Unterzeichneten einzusenden. Ueber die eingegangenen Beiträge wird seiner Zeit öffentliß Rechenschaft abgelegt werden. Sollte fich eiu Ueberschuß ergeben, so wird er den Vorschläg.n des früheren Comités gemäß als „Friederikenristung“ der Gemeinde Sesenheim zu wohl- thätigen Zwecken überwiesen werden. Straßburg, im Herb it 1879. Oberlehrer Albert Grün, Notar Heinrich Haug in Niederbronn, Dr, Karl Kochendörffer , Professor Dr. Ernft Martin, Professor H Schmidt, Bibliothekar Dr. August Stöber in Mül- ausen.

Langenschwalba, 25. November. Der „Rhein. Courier“ meldet: Die in der oberen Brunnenstraße gelegenen Gebäude: Stadt Straßburg, Kranih und Baseler Hof stehen seit heute Nacht in Flam men. Auch der angrenzende Berliner Hef und das Haus Nege- lein sind bereits vom Feuer ergriffen, und bis jeßt, 6 Uhr Morgens, ift noch nicht abzusehen, wie weit das entfesselte Element seine ver- heerende Thätigkeit noch fortseßen wird.

Im RNesidenz-Theater eröffnete gestern Frau Josephine Gallmeyer ein Gastspiel, zu dem sih au Hr. Siegmund Boll- mann vom Thalia-Theater in Hamburg gesellte. Es @urden vier tleine cinaktige Stücke aufgeführt, die sämmtli dem Genre der Posse angehören. Den Anfang machte: „Zwei Diebe“ von Ma1 Bern und Otto Leitenberger. Lustspiel nennt sich diese Arbeit der in der Bühnen-Literatur noch gänzli unbekannten Verfasser, doch kann dieselbe weder auf diese Bezeichnung noch auf Beifall Anspruch machen, es is eine ziemlichß wit- und pointenlose Burleéke, Gespielt wurde die Nichtigkeit von Frl. Dinstl und den HHrn. Haa, Keppler und Paul ret gewandt. Die zweite Gabe des Abends war eine als Genrebild bezeichnete Kleinig- keit „Vom Touristenkränzchen“ von Zell, welche, an fich recht unbedeutend, durch das gelungene, wirksame Spiel der Fr. Gallmeyer und des Hrn, Bollmann einen belustigenden Eindruck machte. Weniger Geshmack noch is dem dritten Stücke: „Ein Genie“, das an- geblich „nah dem FJItalienishen“ gearbeitet ist, abzugewinnen, jedo gelang es der wirksamen Komik des Hrn. Bollmann mit dem Bortrage eines Couplets einen günstigen Erfolg zu erzielen. Die an- sprechendste Nummer des gestrigen Programms war der leßte Schwank : „Gräfliche Jrrungen“ von Sallmayer, in welchem Fr. Gallmeyer mit der Darstellung der „Mirzl“ Gelegenheit fand, ihr eigenartiges Lalent und ihren zündenden Humor in den glänzendsten Farben s{illern zu lassen. Die Zeichnung von dergleichen interessanten Genrebildchen mit all ihren einzelnen, der Natur mit feiner Beobach- tungsgabe abgelauschten und vielfah improvisirten Zügen bildet die eigenste, unbestrittene Domaine der Künstlerin. Fr. Gallmeyer empfing von dem vollbeseßten Hause vielfahe Beweise lebhaften Es: wiederholte Hervorrufe und verschiedene Kränze und Bouquets.

Redacteur: J. V.: Riede l.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner.

Drei Beilagen (einshließlid Börsen-Beilage).

Berlin:

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Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

¿ 280.

enver zum oberer -Etiwm E E L Cte

Zichkamilicßhes.

Preußen. Berlin, 28. November. Jm weiteren Verlaufe der gestrigen (14.)Sißung seßtedas Haus der Abgeordneten die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats pro 1880/81, und zwar den Etat der Verwaltung der direkten Steuern fort. Der Abg. Richter wandte si gegen die Ausfüh- rungen des Abg. Windthorst. Seine Freunde und er erwarte- ten den Erlaß der direkten Steuern, aber sie würden wohl noch lange Zeit darauf warten können. Dagegen habe man die indi- rekten Steuern, die von einer Vereinigung der Konservativen und des Centrums im Reichstage bewilligt seien; wäre die Ver- einigung dieser Parteien nicht zu Stande gekommen, so wäre Deutschland von diesen Steuern verschont geblieben. Das Mährchen, daß die Zölle von der Spekulation getragen würden, solle man doch jeßt Niemand mehr aufbinden wollen. W338 nun das vom Abg. Windthorst ange- führte Petroleum anlange, so könne Niemand behaupten, daß der Petroleumverbrauh mit dem Einkommen wachse, deshalb drückien die neuen Steuern und Zölle stärker auf die minder leistungsfähigen Klassen, als auf die wohlhabenden. Wenn dann der Abg. Windthorst meine, ein Arbeiter habe ihm ge- sagt, er wolle lieber ein paar Pfennige mehr für Petroleum bezahlen, wenn er nur mehr Arbeit hätte, so sei die Sache nur die: der Arbeiter müsse höhere Preise bezahlen und be- komme nicht mehr Arbeit. Aber er (Redner) sei erstaunt, bei dem Abg. Windthorst, der sich sonst immer durch klassischen Humor auszeichne, jeßt durh jede kleine gelegentlihe Be- merkung eine ärgerlihe und gereizte Stimmung verseßt zu finden. (Rufe rechts: zur Sache!) Der Präsident bat, den Redner nicht zu unterbrechen, die Debatte habe sich daran geknüpfi, daß eine Verminderung der Gebäudesteuer im Hin- blick auf die Bewilligung der Zölle nöthig sei, deshalb habe er diese Debatte nicht gehindert. ;

Der Abg. Richter fuhr fort: Diese gelegentlihen Be- merkungen habe er vom Abg. Windthorst gelernt, dessen par- lamentarisher Schüler er auch in vielen anderen Dingen sei, wenn er es auch noch lange nicht zu solcher Meisterschaft geb-aht habe, wie derselbe. Man möge sich der Zeit erin- nern, als der Abg. Windthorst die Nationalliberalen, die da- mals noch lange nit so nahe daran gewesen seien, Regie- rungspartei zu werden, wie heute das Centrum sehr oft jolche gelegentlihe Bemerkungen aufgestört habe. „Nun, was du nicht willst, das dir geschehe, das thue auch den Na- tionalliberalen nicht.“ Im Uebrigen sei er erstaunt, von dem Abg. Windthorst zu vernehmen, daß dessen Partei sich durchgängig als konservative Regierungspartei zur Versügung stelle, abgeschen von Kirhen- und Schulfragen ; da man doch bisher gewohnt sei, die Mitglieder des Centrums aus dem Westen, und namentli vom Rhein, sür liberal zu halten, oder wenigstens dafür, daß sie der liberalen Partei mehr Anknüpfungspunkte bôten, als der konservativen. (Zuruf des Abg. Nöerath: Nein!) Wenn dies nicht der Fall sei, so sei ihm das lieb; er habe den Abg. Röckerath au nicht so angesehen, aber die Erklärung des Abg. Windthorst sei doch dahin gegangen. Eigentlich sollte ihm der Abg. Windthorst dankbar sein, daß er ihm Gegelegenheit gegeben habe zu einer feierlichen Erfklä- rung. Zur Beruhigung gereiche es ihw, daß Centrum und Konservative noch nich: durchweg einig seien, denn wenn sie es wären, dann gäbe es noch mehr neue Steuern als bisher.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, den Ausführungen des Abg. Ri*ter widersprehen zu müssen. Wenn Konservative und Centrum einig seien, werde es weniger Steuern geben, denn die Erfahrung habe es bewiesen, daß konservative Ne- gierungen und Ständeversammlungen am sparsamsten seien. Häite man in Preußen in der leßten Zeit eine konservative Regierung und ein konservatives Haus gehabt, so würde man sich nicht in einer Lage wie die heutige, befinden. Seine Laune habe {:ch übrigens gegen früher nicht geändert. Er sei auch immer bereit, auf alle Fragen des Abg. Richter zu antworten, bezweifle aber, ob auch das Haus immer die Ge- ¿uld haben werde, wie heute. Er habe auch das Petroleum nicht ins Haus gebracht. Seine Freunde säßen noch nit in der Regierung, auch sei das Centrum noch lange nicht Ne- gierungspartei. Unzweifelhast sei aber die Centrumspartei eine konservativ basirte Fraktion; so fest konservativ, wie keine andere im Hause. (Zuruf): Es komme darauf an, was man unter konservativ verstehe: er bitte die Be- griffe von konservativ und ministeriell nicht zu ver- wechseln. Das Maaß der Pol'zei sei nicht dasjenige kon- servativer Gesinnungen. Es komme auf die Fnstitutionen an, Über die das Haus später verhandeln werde. Das Centrum sei und bleibe konservativ, ohne Unterschied, ob seine Mit- glieder vom Rhein oder von der russishen Grenze seien.

Der Abg. Dr, Röôcerath konjtatirte, da der Abg. Richter ihn speziell genannt habe, daß nah seiner Auffassung in der Centrumspartei so viele wirklich staatserhaltende Elemente vereinigt seien, wie in keiner anderen; eine wirklih konser- vative Regierung würde er gern unterstützen, aber die gegen- wärtige Regierung und die jeßt sogenannten konservativen Parteien seien nicht konservativ.

Hierauf wurde die Gebäudesteuer genehmigt.

ZU Tit, 3 (fklassifizirte Einkommensteuer 31 613 000 6) und zu Tit. 4 (Klassensteuer 41 441 000 4) erklärte sich der Abg. von Meyer (Arnswalde) gegen die jeßige Steuermethode, welhe in ihrem Modus die Bevölkerung bedrücke. Wenn jeßt die Steuerschraube wieder stark angezogen werde, so mache er dem Minister daraus keinen Vorwurf, es wirkten vielleicht noch die Camphausenshen Traditionen nah. Bei der Ein- shäßzung zur Klassen- und Einkommensteuer sei-es eine übliche, jedoch falshe Methode, sich_ aus der Grundsteuer einfa den Einkommensteuerbetrag auszurehnen. Es seien namentlich

wei Punkte, bei denen er diese Methode der Ius in nen Amte fühle. Es sei eine sehr üblihe Art und Weise der ns zur Einkommen- und Klassensteuer, daß die Regierungs - Dezernenten sich eine Schablone machten, in der sie aus der Grundsteuer eines Gutes ohne Weiteres den effektiven und einkommen- steuerpflihtigen Ertrag ablesen wollten; das wäre auch sehr bequem, wenn es ginge. Troß verschiedenox Remonstra-

Berlin, Freitag, den 28. November

tionen und mündlicher Debatten mit den Herren seien sie da- von nicht abzubringen, und da die Steuerdezernenten dem Vernehmen nach alle so verführen, so nehme er an, daß es auf einer Jnstruktion des Ministers Camphausen beruhe. Der jeßige Finanz-Minister habe vielleiht von den früheren Instruktionen noch nicht vollständig Kenntniß genommen. Das Verfahren sei so falsch wie möglich, denn die Grund- steuer sei gar keine Taxe, sondern eine bloße Bonitirung, das heiße nur ein Faktor zur Taxe. Die Grundsteuer gebe gar keinen Nachweis über den Zustand der Gebäude. Die Gebäude könnten brillant sein oder miserabel die Grundsteuer sei immer dieselbe. Dieselbe drücke niht aus, ob Drennmaterial, ob Forst oder Torf da sei. Sie drücke niht aus, wo das Gut liege, ob Eisenbahnen oder Chausseen in der Nähe seien, oder ob es in der sogenannten Hundetürkei liege. Man könne also die Grundsteuer zwar benugen zur Einshäzung eines Gutes, aber man müsse das Gut selbst auch dazu ken- nen. Wenn man das Gut nicht kenne, wie es bei den Negie- rungen stets der Fall sei, dann sei die Shäßung nur nah der Grundsteuer seines Erachtens das allers{chlimmste Ver- fahren, bureaukratish im höchsten Grade, und führe zu un- degründeten Steuererhöhungen, mindestens aber zu sehr weit- läufigen Erörterungen. Bekanntlich gebe es Züter, die nah der Grundsteuer gleic.werthig seien und die man denno nit in einem Athem zusammen nennen könne, wenn es sich um ihren effektiven Werth handele. Denke man sih ein abgelege- nes Gut mit etwa 20 000 Morgen abgeholzter Forst, das vielleicht 2000 Thlr. Grundsteuer-Neinertrag habe, und ein anderes von 1000 Morgen auch mit ebenfalls 2000 Thlr. Grundsteuer - Reinertrag, abex unmittelbar an einer Eisenbahn, so werde man außer Zweifel sein, daß das weile zehnmal, so vie Wer sei als das ste, Sehr unangenehm und gehässig sei ferner die Verordnung, daß die Landräthe die Hypothekenbücher perlustriren müßten, um die Gläubiger an ihren Wohnorten als Kapitalisten zu denunzicen; {hon als diese Verordnung 1851 in Kraft geseßt sei, habe er sih als Landrath gestattet darauf hinzuweisen, daß man diese gehässige Jnstruktion aufheben sollte, denn das würde den Hypothekarkredit ruiniren, oder wenigstens aus den Händen der Einzelgläubiger an die Sparkassen, Hypothekenbanken u. f. w. bringen. Darauf habe er eine Verfügung erhalten, die man einen wohlkonditionirten Rüffel zu nennen pflege. Jene Verfügung sei von dem Minitter Camphausen wieder in Kraft geseßt. Da aber der Hypothekar- kredit fast gänzlich in den Händen der Aktiengesellschaften 2c. sei, so sei die Verfügung eigentlich unnüß und sollte beseitigt werden.

Der Abg. Rickert erklärte, er wolle auf den vom Abg. von Meyer berührten Fall nicht eingehen, müsse aber sagen: nach den Camphausenschen Traditionen werde man sih sehr bald lebhaft zurücksehnen. Er bedauere, daß dieselben Herren, die srüher nicht Lobes genug für Hrn. Camphausen hätten, jeßt, da derselbe niht mehr am Ministertische siße, mit ihren Vor- würfen kämen. Der Abg. von Meyer habe selbst gesagt, daß er srüher die loyale Ausführung der Steuergeseße unter dem Minister Camphausen anerkannt habe und heute, da derselbe niht mehr im Amt sei, mache man dem %. inister diese Vorwürse! Die Verdienste des Ministers Camphausen um die Entwickelung des Landes würden unvergessen bleiben, auch wenn man heute über sie hinweggehe, ewig unvergessen vor Allem die Münz- reform, an der die konservative Partei hoffentlih ver- gebens rütteln werde. Der Abg. Windthorst habe behauptet, daß die konservativen Regierungen immer die sparsamen seien, die liberalen dagegen immer Steuererhöhungen machten. Habe man denn ganz vergessen , daß die neuen Steuern , die man in Preußen habe , lediglich von konservativen Kammern und Ministerien herrührten? Den ersten Versuh mit Steuer- erlassen habe, wie gesagt, der liberale Minister Camp- hausen gemacht. Seitdem habe man in Preußen, wie es in dem Generalberiht der Budgetkommission nieder- gelegt sei, mehr als 35 Millionen Entlastungen gehabt, theils an die Provinzen, theils an die Kom- munen abgegeben, theils seien auch einige drückende Steuern aufgehoben, z. V. die Chausseesteuer. Welche Steuererlasse seien durch die Landrathskammern perfekt ge- worden ? Man nenne sie! Aber eine Reihe von Steuern sei seit 1850 durch die konservativen Ministerien beschlossen und eingeführt. Der Grund, weshalb er sih zum Worte gemeldet habe, liege aber in dem Wunsche, daß die Nachweisung über die Veranlagung der Klassen- und klassifizirten Einkommen- steuer niht mit in die Berathung des Etats hineingezogen werde. Er möchte beantragen, biese Nachweisung der Budget- kommission zur Vorberathung zu überweisen. Schon vor zwei oder drei Fahren sei man wegen einer Vereinfachung der Veranlagung der Klassensteuer in Verhandlungen getre- ten, die nicht zum Abschluß gekommen seien. Jm vorigen Jahre sei die Budgetkommission so sehr mit anderen aroßen Arbeiten überlastet gewesen, daß sie zur weiteren Berathung der Angelegenheit niht gekommen sei, hoffentlich gelinge es in dieser Session, die früher begonnenen Verhandlur gen mit der Staatsregierung zu Ende zu führen.

Der Abg. von Meyer (Arnswalde) konstatirte, daß er dem Minister Camphausen zwar häufig gegenüber gestanden habe, ihn aber stets als einen bedeutenden ¿Finanzmann anerkannt habe, und sei er sehr verwundert gewesen, daß die Partei, welche ihn auf den Schild erhoben, ihn in so s{hmadchvoller Weise habe fallen lassen. Er (Redner) habe den Ministern oft Opposition ger:acht, aber nur der Sache wegen und stets den lebenden Ministern nicht den gefallenen.

Der Abg. Freiherr von Minnigerode wandte sih gegen die Ausführungen des Abg. Rickert in Bezug auf die Finanz- politik der rechten Seite des Hauses. Die Konservativen ver- dankten dem Minister Camphausen die Kontingentirung, die Konsolidirung und die mit vielem Luxus ausgestatteten Etats, das sei der Dank, den die ReŸhte dem Minister \{uldig sei ; daß der Minister Camphausen aber Steuern habe erlassen können, sei nit eine ¿Folge seiner Aan Cal, sondern den Erfolgen der deutschen siegreihen Waffen zu danken. Wenn die konservative Partei neue Steuern habe be- willigen müssen, so sci sie dazu gezwungen worden, weil sie die Schulden der liberalen Wirthschaft bezahlen müße.

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Der Abg. Nichter führte" aus, die Steuererhöhung durch die Konservativen beginne 1850 bei der Landrathskammer. 1851 habe die Klassen- und Einkommensteuer gebracht; das Jahr 1852 den Zeitungsstempel, 1853 die Eisenbahnabgabe, 1854 eine Erhöhung der Branntweinsteuer, und 25 Prozent Zuschlag zur Klassen- und Einkommensteuer für die Jahre 1854—1857, dann 1857 die Steuer auf Aktiengesellschaften, dann 1859—1862 wieder Zuschläge zur Klassen- und Ein- kfommensteuer, 1861 die Grundsteuer anders umgelegt und erhöht und die Gebäudesteuer eingeführt, die ohne die Konservativen und das konservative Herrenhaus damals nicht hätte durchdringen können. Erst 1862, wo eine liberale Mehrheit in diesem Hause gewesen sei, hätten diese Be- willigungen aufgehört, und von diesem Jahre an bis jeßt, wo wieder eine konservativ-tlerikale Mehrheit vorhanden sei, sei keine neue Steuer eingetreten, sondern mehrfahe Steuer- ermäßigungen. Den Minister Camphausen habe seine Partei aus Gerechtigkeitsgefühl erst zu vertheidigen angefangen, als derselbe von der rechten Seite in ungercchtfertigter Weise an- gegriffen sei. 1873 habe es sich nicht blos um die Kon- tingentirung der Klassensteuer, sondern auch um einen Erlaß von 9 000 000 gehandelt, und deshalb sei das Gros der Konservativen gegen die Kontingentirung gewesen. Bis 1873 habe es überhaupt keine liberale Mehrheit gegeben, da seien die größten Bewilligungen erfolgt. Bei allen diesen Ausgaben hätten die Konservativen mit einem Theil der National- liberalen die Mehrheit gebildet und auch das Centrum babe nur gespart , als es sich um die eine Million für Schulinspekttoren, oder um den obersten Gerichtshof für kirhliche Angelegenheiten handelte. Das Haus habe jeßt die Budgetberathung erjt begonnen, und die Kommission habe zwei kleine Abstrihe vorgeschlagen ; die Funktionszulage für den Vorsteher des Centralbureaus wollten die Herren von der Rechten nit ersparen und bei dem Hauskauf wollten sie au nicht gleih Nein sagen, sondern sih die Sache noch einmal überlegen. Er werde die Sparsamkeitspolitik der Konser- vativen genau kontroliren und sih freuen, wenn die Konser- vativen zu den Grundsäßen der Sparsamkeit zurückkehrten, die die Fortschrittspartei längst befolgt habe. Wenn die Kon- servativen aber Alles bewilligten, was die Minister ver- langten, daun werde er das Land aufmerksam machen, wie wenig die konservative Partei ihre bei den Wahlen gegebenen Versprechungen halte und dann werde dex Abg. Röccrath Recht haben, daß die Konservativen den Ast absägten, auf den dieselben sich geseßt hätten.

Der Abg. Graf Winßzingerode hielt derartige Vorwürfe über Steuererhöhungen nach der einen oder anderen Richtung hier niht am Plage, so lange man sih nicht die genaue Ge- \chichte dieser Erhöhungen vergegenwärtige. Er sei gewiß so wenig wie irgend Femand ein Freund dcx Grundsteuerreform von 1861, Er wisse, daß heute dasjenige, was damals ge- schehen, ein Hinderniß gegen Aenderungen bilde, die er für wünschenswerth halte. Aber er könne doch nicht vergessen, daß damals der Staat Geld gebraucht habe, und daß die- jenigen, die es damals bewilligt hätten, durhaus ihrer Ueberzeugung gefolgt seien. Vorwürfe seien also hier weder nah rechts noch auch nah links hin gerecht- fertigt. Diese Vorwürse könnten nicht fördernd auf das Wohl des Staales, welches doch alle Parteien im Auge hätten, einwirken und würden dem einmüthigen Zusammenwirken H i bevorstehenden Berathungen wahrlich wenig förder- ih sein.

Hierauf wurde der Antrag Rickert auf Ueberweisung der Nachweisung über die Veranlagung der Klassen- und klassi- fizirten Einkommensteuer an die Budgetkommission ange- nommen und die Tit. 3 und 4 unverändert bewilligt; ebenso ohne Debatte Tit. 5 „Gewerbesteuer 18 764000 #4“; Tit. 6 „Eisenbahnabgabe 3 359 000 M“ und die übrigen Titel der Einnahmen.

Bel den dauernden Ausgaben Kap 6 Ti: 1 (Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Ber- lin 272 460 4/6) bemerkte der Abg. Leonhardt, daß nach den bestehenden geseßlihen Bestimmungen die Beamten, welche einem Kollegium angehörten, ihr Gehalt quartaliter pränume- rando erhielten, während einzelne Beamte ihr Gehalt nur für einen Monat voraus bekämen. Die Hinterbliebenen der Be- amten der ersteren Kategorie erhielten auch die Gnadenbewilli- gung auf ein Vi-rteljahr, die der zweiten nur für einen Monat. Eine solche für die einzelnen Beamten so nachtheilige und in der Sache selbst niht begründete Verschiedenheit bedürfe dringend einer Abhülfe.

Die Position wurde bewilligt.

Zu Tit. 2 „Verwaltung des Grund- und Gebäudesteuer- Katasters 1 666 080 #“ erklärte der Abg. Bachem, er könne den Friedensmahnungen des Abg. Graf Winßzingerode nicht folgen, da die Angriffe von beiden Seiten exfolgten und nicht das Centrum, sondern nur diejenige Partei trage die Schuld, welche den Streit provozirt habe. Dem Abg. Richter müsse er zunächst erwidern, daß eine konservativ-tlerikale Majorität weder bis jeßt bestanden habe, nohch jeßt bestehe. Von 1873 an müsse der Abg. Richter die Verantwortung für die Finanz- politik übernehmen, denn von da an dik das Haus eine liberale Majorität gehabt, und von ihr sei der Finanz-Mini- ]ster Camphausen gestüßt worden. Von jenem Zeitpunkt an datire aber au die Periode des latenten Defizits, indem die großen Beträge aus der französishen Kriegskontribution zur Herstellung des Gleichgewichts zwischen Einnahmen und Aus- gaben verwendet seien. Die Anführungen der Abgg. von Meyer und von Minnigerode über das durch die liberale Wirthschaft herbeigeführte Defizit träfen durhaus zu. Die Behauptung des Abg. Richter, daß die Fortschrittspartei stets ebenso sparsam gewesen sei, als das Centrum, müsse er entschieden zurückweisen. Die Fortschrittspartei habe den Kultusetat um viele Millionen erhöht, 20 neue Kultur- kampf-Räthe im Kultus-Ministerium geschaffen, einen neuen altkatholishen Bischof angestellt und für die Kreis-Schul- inspektoren große Summen bewilligt. Ferner habe die Fort- schrittspartei entgegen dem Votum des Centrums für den Ausbau des Berliner Zeughauses 3 Millionen, und für das Berliner Polytechnikum .9 Millionen bewilligt. Er müsse jeßt