1879 / 297 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Dec 1879 18:00:01 GMT) scan diff

(Wr, va Ferie ie Werte Br Yan S rue E d r e

S TEPT Me R S a T I

E t En

siändniß der deutshen Marine beitragen dürfte. Der Juhalt zerfällt in folgende Abschnitte: 1) Die allgemeine Eintheilung der Schiffe überhaupt, der Kriegéschiffe im Besondern; 2) spezielle Beschreibung der Kriegsschiffe der deutschen Marine; Ceschütausrüstungz 3) Eefechtsstärke der deutschen Flotte, Berech- vung derselben; 4) die Organisation der Verwaltung der deutschen Marine. Die Hauptkriegshäfen und Küstenbefestigungen; 5) ver- gleiwende graphische Darstellung der Größenverhältnisse der haupt- fäthlidsten Schiffe. Zum besseren Verständniß sind dem veschreiben- den Text mehrfach Zeichnungen eingefügt. : Von dem Werke „Aus meinem Leben“, von Louis Scneider, ist der zweite Band (bei Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung in Berlin) erschienen. In den ersten drei Abscynitten dieses Theils der Memoiren scildert der Verfaiser die beklagenëwerthen Ereignisse, welcbe iha im Jahre 1848 zum Verlassen der Bühne zwangen. Nahdem Schneider auf weitere \hauspieleriswe Erfolge füc sein Leben verzitet hatte, begab er sich zur Armee vach Schleswig-Holstein, um dort Stoff für seinen „Soldatenfreund“ zu sammela Die Beschreibung dieser Reise bildet cen 4. Abschnitt des Buchs. Im fünsten und sec}sten Kapitel werden dann die inneren Wandlungen geschildert, die sich in dem Verfasser rach dem Scheiden von der Bühne vollzogen haben, wie ihm die \causpielerische Bergangenheit immer peinlicher wird und er sih müht, sie durch eine andere gesell schaftliche

Stellung zu decken, was ihm bekanntlich durch die Liberalität des |

hochseligen Königs FriedriÞh Wilhelm V. ermöglicht wurde. Die hier eingeflochtenen Mittheilungen über den König, dem Schneider bis zu feinem Tode die dankbarste Verehrung gezollt hat, machen diese Abschnitte zu den interessantesten des Buchs. Es folgen dann noch cine kleine theatralishe Episode „Mademoiselle Rachel“ und eine bumoristishe Beschreibung einer Kurierreise nah Warschau. er His nnd leyte Theil der Memoiren soll bald nach Neujahr er- einen.

Aus der Pension. Briefe ciner Fünfzehnjährigen an eine Siebzehnjährige. Aus dem Eng/'ishen von Sophie Verena. Mit 9 Illustrationen. Vierte Aufl. Verlag von H. W. Müller in Berlin, eleg. geb. 4 X Dieses ges{chmackvoll ausgestattete Buch enthält 18 originelle Briefe eincs jungen Mädchens an eine vertraute Freundin, in denen die kleinen Leiden und Freuden in einer Er- ziehungsanstalt mit ansprebender Frische und Wahrheit ausgemalt werden. Die humoristishe Form birgt einen tiefen, sittlichen Ernst.

„Vorstadt-Geschich ten“ betitelt sih eine Sammlung kleiner Erzählungen von Heinrich Seidel, die soeben im Verlage von SriedriÞh Burkhardt in Berlin erschienen is. Der Verfasser neunt seine Erzählungen humoristishe Studien und Versuche, denen er den Namen Vorstadt-Geschichten gegeben hat, „weil der Schauplatz der Handlung immer die Vorstadt, weil sie in der Vorstadt geschrie- ben seien und weil sie sich zu wirklichen literarischen Thaten ver- halten, wie die Vorstädte zu der eigentlichen Stadt, darin der Kern des Lebens seine Wohnung hat.“ Das Urtheil, welches der Ver- fasser über seine Skizzen hier ausspricht, ist zu bescheiden, denn sie find freilich nur flüchtig hingeworfen, aber sie zeugen von Talent. Die Bezeichnung humoristisch paßt nicht auf alle Erzählungen, die häufig an E. Th. Am. Hoffmann erinnern; aber mitunter \prudelt der Humor so kräftig und ungezwungen hervor, nament!lich in dem „Gartendieb“, daß man Friß Reuter zu hören glaubt.

A ugsburg, 5. Dezember. (Allg. Ztg.) Ganz in der Nähe der Stelle, an welher im Jahre 1877 zwei gewaltige Säulenreste aus der Tiefe von 2 m ausgegraben wurden (in der Carmelitengasse, in der Nähe der v. Cotta’ schen Druterei), ist man vor einigen Tagen bei (Seleçenheit dr Kanalisirung der Stadt auf weitere Ueber- reste von Säulen gestoßen und wurden neben anderen Stein- fragmenten zwei große Säulenstüccke zu Tage gefördert. Das eine, ein {öón ornamentirtes Kapitäl, hat einen Durchschnitt von 70 ecm und eine Höhe von 81 cm, das andere, ein Säulenstück ohne Ornga- mentirung, hat nahezu denselben Durchschnitt und eine Höhe von 84 ecm. Das Material scheint derselbe krystallinishe Kalkstein zu sein, aus welhem die früheren Fundftücke gearbeitet sind. Diese wiederholten Ausgrabungen von mächtigen Säulentrümmecn in der- clben Gegend laffen die Vermuthung ziemlih gerechtfertigt erschei- nen, daß daselbst großartige Gebäude der alten römischen Stadt ge- standen haben. Leider maten es die zu beiden Seiten der \{chmalen Carmelitengasse stehenden Wohngebäude unmöglich, in dec dortigen Gegend weitere Nachgrabungen anzustellen. Beide erwähnte Säulen- reite sind bereits in dem Autiquarium romanum zur Aufstellung

gelangt. Gewerbe und Handel.

Zufolge neuerer Nachrichten aus Warschau ist die Nin dec- pest*) in den Dörfern Czyste, Opaczwielka und Szczenslewics er- loschen. Dagegen ist die Seuche in dem Dorfe Wiciejew, Kreis Nowo- minsk, ausgebrochen, und sind daselbst 38 Stück Vieh gefallen bezw. getödtet worden.

Die griecchische Regierung hat mit Rücksicht auf das Auftreten der Reblaus in verschiedenen Ländern Europas die Einfuhr jedweder Art von Bäumen und Pflanzen vom Auélande nah Griechenland verboten.

Der Betriebsübershuß der Hannoverishen Maschinen - bau-Gesellschaft, vorm. Georg Egestorff, in 1878/79 beträgt 456 131 M, wovon nach Abzug der allgemeinen Generalkosten von 343494 ein Gewinn von 112638 4 verbleibt. Hier- von erhält das Amortisations-Konto 100000 4, das Erneue- rungs-Konto 12636 4, so daß der aus den Jahren 1875/77 stammende Verlust-Saldo #xon 1384621 A unverändert auf das neue Jahr übertragen werden mußte. Das in den An- lagen engagirte Kapital hat sich nah der Bilanz von 12 498 943 46 auf 12479990 M. vermindert, während das Amortisations - Konto von 1 678 000 A. auf 1760000 Æ = 14,1 °%/ des Anlagekapitals gestiegen ist. Es wurden im vorigen Jahre 40 Lokomotiven abge- liefert im Werthe von 2342381 A Die Räderfabrik blieb an- dauernd außer Betrieb. Die Eisengießerei produzirte Maschinenguß für 219 767 A Der Bestand der auf 1879/1880 übernommenen Kommissionen, inkl. der bis 1, Dezember cr.zeingegangenen Bestel- lungen, repräsentirt einen Gesammtwerth von ca. 923 595 M4

Mons, 18. Dezember. (W. T. B.) In den 5 Kohlengruben du Quaregnon haben 2700 Arbeiter die Arbeit niedergelegt.

Verkehrs-Anstalten. New-York, 17. Dezember. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Frisia“ ist hier eingetroffen.

*) conf, Nr. 273 u. Nr 288 des „Reichs-Anz.“

Berlin, den 18, Dezember 1879,

Cöln, 18. Dezember, 7 Uhr früh. (Telegramm.) Die englishe Post vom 17. Dezember früh, planmäßig in Verviers um 8,21 Uhr Abends, ist ausgeblieben. Grund:

Entgleisung des Postzuges in Belgien.

Kaiser Wilhelms-S pende.

Die Ereignisse, welchen die „Kaiser Wilhelms-Spende“ ihre Entstehung verdankt, sind noch in lebendiger Erinnerung. Durch Gottes Gnade wurde im Frühjahr 1878 eine zweimalige Lebens- gefahr von Sr. Majestät dem Kaiser und König abgewendet. Um dem Danke hierfür und um der Liebe und Verehrung für seinen Kaiser einen möglichst aligemeinen Ausdruck zu verleihen, hat das deutshé Volk eine Sammlung veranstaltet. Der Ertrag derselben, welcher sfih auf 1 750000 M beziffert, ift Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen des Deutschen Reichs und von Preußen unter der Bezeichnung „Kaiser Wilhelms-Spende“ mit der Bitte übergeben, denselben zur Verwendung für einen allgemeinen wohlthätigen Zweck zu bestiinmen.

Se. Kaiserliche 1nd Königliche Hoheit dez Kronprinz hat durch Höchste Ordre vom 21, März 1879 die Spende zu einer Stiftung gewidmet, welche die Grundlage einr Alters-Renten- und Kapital- Versicherungsanstalt für die gering bemittelten Klassen des deutschen Volkes, insbesondere für die arbeitende Bevölkerung, bilden soll.

Auf Grund der dur Allerhöchste Ordre vom 22, März 1879 genehmigten Statuten ist diese Anstalt unter Protektion Sr. Kaiser- lichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen errihtet und beginnt gegenwärtig ihre Thätigkeit, nachdem die Versicherungsbedingungen, die Tarife und der Geschäftsplan von uns festgestellt sind.

Damit die Versicherungen fich möglichst vortheilhaft gestalten, find die Zinsen jenes Kapitals zunächst zur Deckung der Kosten der Verwaltung bestimmt, so daß die gezahlten Einlagen der Mitglieder, soweit irgend möglich, ohne Abzug für die Verwaltungskosten in vollem Betrage für die Versicherungs8zwecke verwendet werden fönnen.

Die Tarife sind so vorsichtig berechnet, daß nicht allein die darin versprochenen Renten und Kapitalien völlig sicher erscheinen, sondern fih auch Ueberschüsse erwarten lassen. Ueber diese sol aus\{ließlich zu Gunsten der Versicherten verfügt, es können daraus auch Unter- stütungen invalider Arbeiter gewährt werden. i

Die Anftalt soll dem vielfach ausgesprochenen Bedürfnisse, daß den weniger bemittelten Klassen der Bevölkerung die Fürsorge für die Zeit des Alters und der Arbettsunfähigkeit erleichtert werde, Ge- nüge leisten. Ihre Aufgave ist daher, mithelfend zur Lösung der sozialen Frage einzutreten. Einen wesentlichen Theil der leßteren bildet die Invalidenversicherung. Die Anstalt ift namentlich für den Arbeiterstand bestimmt, aber nicht auf ihn beschränkt, bietet vielmehr aus allen Ständen Jedem, der nicht zu den Vermögenden zu rechnen ist, Gelegenheit zu dieser Fürsorge für sich und seine Angehörigen. Den Gemeinden und Gesellschaften, den Guts- und Fabrikbesitern ist die geeignetste Gelegenheit geboten, ihren Mitgliedern, Beamten und Arbeitern für deren Lebensabend eine sichere Stütze zu gewähren.

Weniger günstig gestellte Beamte, Geistliche und Lehrer können si und ihrea Wittwen einen Zuschuß zu ihren einstigen Pensionen ficher stellen; Kaufleute und Handwerker, Bürger und Bauern können thre Ueberschüsse nußbringend anlegen, um ihr Alter unabhängig von ihren Geschäften zum machen und sich ein Altentheil zu bilden, ohne ihre Besitnachfolge damit zu belasten.

Vorzüglich ist es aber den Arbeitern möglih gemacht, in gün- stigen Zeiten durch Ersparuisse eine sichere Kente für ihr Alter zu begründen, ohne fürchten zu müssen, durch spätere Nothzeiten dieser Ersparnisse beraubt zu werden. Wenn sie durch Unglücksfälle oder E frühzeitig invalide werden, so wird die Rente frühzeitig eginnen.

Da es die Aufgabe der Anstalt ift, weiten Kreisen des ganzen deutschen Volkes zu dienen, so erwarten wir, daß Alle, welche zur Förderung des Wohles unseres Volkes berufen sind und cin Herz für die Unbemittelten haben, überall im ganzen Deutschen Reiche mit Rath und That helfen, damit die wohlthätige Absicht des Hohen Stifters möglichst Vielen zu Gute komme. Es kommt darauf an, die Einrichtungen der Anstalt Allen verständlich und bekannt zu machen und die zweckmäßige Benußung derselben zu ecleihtern. Wir richten besonders an Gemeindebehörden, an Gesellschaftsvorstände, an Fabrikbesißer, Gutsbesißer und andere Arbeitgeber die Bitte, durch Anregung zu Einlagen, durÞh Sammlung und Einsendung derselben zu helfen. Stadtkassen und Sparkassen sind vorzüglich geeignet, Annahme- und Zahlstellen zu bilden. Auf dem Lande können Guts- besißer, Pächter, Geistliche, Ortsvorsteher und Lehrer durch Auskunft, Rath und Vermittlung der guten Sache wesentlihe Dienste leisten.

Die Anstalt nimmt Einlagea von je 5 M. an, einzelne oder mehrere. Dur jede Einlage wird eine bestimmte Rente versichert, welche in der Regel nicht vor Beginn des 56. Lebentjahres fällig wird, die aber auch nah der Wahl des Versicherten bis zum Be- ginn feines 71. Lebensjahres hinausges{choben werden kann und um fomehr steigt, je später sie beginnt. An Stelle der Rente kann der Versicherte die Zahlung eines entsprechenden Kapitals fordern.

Die Einlagen können für junge Kinder wie für ältere Leute bis zum 70. Jahre gemacht wekden. Die Tarife zeigen, wie hoch sich für jede Einlage von 5 #4 je nah dem Lebensalter des Versicherungs- nehmers bei ihrer Einzahlung die Rente oder daz Kapital stellen, je nachdem sie mit Beginn des 56. oder eines späteren Lebensjahres fällig werden sollen.

Die Einlagen Tönnen ohne einen Vorbehalt der Rückzahlung geschehen und ergeben dann die höchste Rente oder das höchste Ka- pital. Sie können aber auch mit der Bestimmung gemaht werden, daß sie zurückgezahlt werden sollen, wenn die versicherte Person {tirbt, bevor die erste Nente oder das Kapital fällig ijt.

Jener Vorbehalt kann dahin ausgedehnt werden, daß die Rüd- zahlung auch in dem Falle erfolgen soll, wenn der Versicherte die Fälligkeit von Renten und Kapital erlebt hat.

Auf diese Weise können ältere Einlagen von Neuem für andere Personen verwendet werden, und finden namentlich Gemeinden, Ge- sellschaften, Institute und alle Arbeitgeber Gelegenheit, nah und nach einen dauernden Pensionsfonds für ihre Angehörigen, Beamten, Arbeiter und Dienstleute zu begründen.

Einlagen, welche 5 Jahre bestehen, können gekündigt werden und sind nach halbjährliher Frist mit 2%/ Zinsen zurüöckzuzahlen, falls das Mitglied dann noch lebt. Auch die Beleihung von Ein- lagen is unter Umständen zulässig.

Wer zu Gunsten Anderer Einlagen macht, kann deren Rückzah- lung für fich vorbehalten. Er kann auch bestimmen, daß die ver- sicherte Person diese Einlagen nicht kündigen und nicht beleihen darf, sowie daß dadurch nur ein Recht auf Rente begründet werden soll, Dies hat ten Zweck, den Versicherten die Altersversorgung definitiv zu fichern. /

Die Versicherungsbedingungen nebst Tarifen und Geschäftsplan, sowie die erforderlichen Formulare werden von der Direktion der Kaiser Wilhelms-Spende verabfolgt. Das Geschäftslokal der An- stalt in Berlin W., Mauerstr. 85, ist an allen Wochentagen von 9—83 Uhr für Jedermann offen. :

Dahin bitten wir alle Anträge und Vriefe zu richten.

Berlin, 19, November 1879.

Der Aufsichtsrath der Kaiser Wilhelms Spende, Allgemeinen deutschen Stiftung für Alters-Renten- und Kapital-Versicherung.

Schuhmann.

In Anknüpfung an die vorstehende Bekanntmachung theilen wir aus dem Geschäftsplan, den Versicherungsbedingungen und den Tarifen der Kaiser Wilhelms-Spende noch Folgendes mit.

Die Anstalt, welche allen Deutschen, die nicht zu den Vermögen- den gezählt werden können, ihre eigene Fürsorge für ein \sorgenfreies Alter zu erleichtern bestimmt is, nimmt von Jedem, der an dieser Wohlthat Theil nehmen will, Einlagen zu je 5 an, doch darf der Gesammtbetrag der auf das Leben einer Person zu \chließenden Ver- sicherungen eine Jahresrente von 1000 # oder das demselben ent- sprechende Kapital nicht übersteigen. Innerhalb dieser Grenze kann man die Einlagen für sich selbst oder für Andere und zu jeder be- liebigen Zeit machen. Durch jede solche Einlage wird eine bestimmte Rente oder ein bestimmtes Kapital versichert. Die Höhe desselben hängt ab a. von dem Lebensalter des Mitglieds bei Einzahlung jeder einzelnen Einlage, b. von dem Lebensalter des Mitglieds bei Fälligkeit der ersten Rente oder des Kapitals. e. von dem Umstand, ob die Ein- lage mit oder ohne Vorbehalt der Rückgewähr gemacht ist, worüber sih jeder Einleger sofort bet dec Einzahlung zu erklären hat. Der Fäligkeitstermin für Rente und Kapital tritt frühestens bei Beginn des 56, und spätestens bei Beginn des 71. Lebensjahres ein, und muß die Fälligkeit von dem Versicherten mindestens ein Jahc vorher beantragt werden. Dem Versicherten ist es somit freigestellt, durch Hinaus- schieben der Fälligkeit die Rente oder das Kapital anwachsen zu lassen. Wenn z. B. ein 20 jähriger 5 M einzahlt, so erhält er dafür mit Ein- tritt des 56, Lebensjahres eine jährliche Rente von 2,10 #4 oder ein Ka- pital von 27,91 A Schiebt er aber die Fälligkeit bis zum 71. Lebens- jahre hinaus, so wächst die Rente auf 9,40 Æ( und das Kapital auf 79,46 Æ an. Ein Bierzigjähriger erhält für 5 4 Einzahlung im

56, Lebensjahre 0,81 M, im 71. 3,62 Æ Rente, bzw. 10,76 und 30,65 4 Kapital. Nach dem 71. Jahre tritt die Fälligkeit von selbst ein und das Wachsen von Rente und Kapital hört von diesem Zeit- punkt ab auf. Ausnahmsweise kann die Zahlung von Rente oder Kapital vor Beginn des 56. Lebensjahres des WVer- sicherten erfolgen, wenn der Versicherte durh eine nach der VersiÞberungsannahme eingetretene Arbeitsunfähigkeit außer Stande ist, seinen Lebensunterhalt zu erwerben, die Höhe der Rente oder der Zahlung richtet sih dann nah dem Alter des Versicherten.

In der Regel hat jeder Versicherte die Wahl zwischen Rente und Kapital, worüber er ih {pätestens ein Jahr vor der Fälligkeit erklären muß. Die geschehene Wahl ift unwiderruflich. Eine Rente kann der Versicherte aber nur fordern, wenn dieselbe mindestens 10 4 jährlich beträgt (wozu wenigstens 2 im ersten Lebensjahre gemachte Einlagen gehören) und insoweit sie sich in vollen Mark abrundet. Soweit hiernach Rente für die Einlagen nicht gewährt wcrden kann, muß der Versicherte das entsprechende Kapital annehmen.

Die eingezahlte Einlage wird selbstverständlih bei dem Tode des Renten- oder Kapitalberechtigten niht zurücckgewährt, indessen kann der Einzahler dieserhalb die oben sab c, erwähnten Vor- behalte machen. Dieser Vorbehalt kann ein sog kurzer fein, d. h. der Versicherte bedingt die Rückzahlung nur in dem Falle, wenn er die Fälligkeit der ersten Rente oder des Kapitals nicht erlebt, oder ein sog. dauernder Vorbehalt, d. h. die Rückzahlung der Einlage, auch wenn er die Fälligkeit der Rente oder des Kapitals erlebt hat. In beiden Fällen ermäßigt sich natürlich die Rente bez. das Kapital ; im oben angeführten Beispiel verringert sich für den 20jährigen Ein- zahler bei dem kurzen Vorbehalt die Rente auf 1,78 , das S auf 23,69 46, bei dauerndem Vorbehalt auf 1,59 4 bzw.

,69 M.

Einlagen, die seit wenigstens 5 Jahren bestehen, können mit sechsmonatlicher Frist gekündigt werden ; es werden dann die baar eingelegten Beträge mit 20%/9 Zins und Zinseszins zurückgezahlt. Einlagen, welche mindestens 5 Jahre bestehen, können mit %/10 ihres Betrages beliehen werden. Aus den Ueberschüssen der Anstalt können den Versicherien Dividende und hülfsbedürftigen Mitgliedern, vor- zugsweise Arbeitern, Unterstüßungen gewährt werden. Kein Mitglied der Anftalt und kein Ginzahler ist zu Nachzahlungen verpflichtet. Königlich preußische Staats- und vom Staate ver-

waltete Privatbahnen. ___ Die nmachweislih zur Unterstüßung der Nothleidenden einzelner Kreise Oberschlesiezs bestimmten milden Gaben an Kleidungsstücken, Lebensmitteln, Brennmaterial u. |. w. werden auf den preußischen Staats- und .vom Staate verwalteten Privatbahnen frachtfrei befördert. :

Die näheren Bedingungen, unter welchen diese frachtfreie Be- förderung erfolgt, sind mit dem „Nothstandsaus\{chuß der ver- bündeten Vaterländishen Frauenvereine in Breslau“ vereinbart.

Diejenigen Personen, welche derartige Sendungen befördern lassen wollen, werden daher ersucht, zunächst mit dem genannten Nothstandsaus\huß in Verbindung zu treten, welcher auch speziell für den vorliegenden Zweck gefertigte Frachtbriefformulare zur Ver- fügung stellen wird.

Breslau, den 17. Dezember 1879,

Königliche Direktion der Oberschlesischen Eisenbahn.

Bebanntma Pun g

In Gemäßheit der Bekanntmachung vom 4 Oktober d. J. wird die öffentliche Ziehung der Lotterie zum Besten des Baues eines Hospitals für Taubstumme nunmehr am

Sonnabend, den 20, Dezember 1879, 11 Uhr Vormittags,

im Lokale des Hotel de Rome (Eingang in der Charlottenstraße) unter Aufsicht des Herrn Polizei-Hauptmann stattfinden. Die Ge- winne werden am 17., 18, und 19, Dezember d. J, von 12 Uhr Mittags bis 6 Uhr Abends daselbst, zur Ansicht ausgestellt. Die gezogenen Gewinnsnummern werden gleich nah der Ziehung öffent- lih bekannt gemacht. Um zahlreichen Ankauf der noch vorhandenen Loose wird im Interesse des edlen Zweckes bis zum 19. Abends so- wohl im Ansftellungslokal als auch bei Herrn Caesar Borchardt, Friedrichstraße Nr. 61 und Königstraße Nr. 1, ergebenst gebeten.

Berlin, den 15. Dezember 1879.

Vorstand des Central-Vereins für das Wohl der Taubstummen. Fürstenberg. Naglo. Lichtenstein.

Zu der Frage: „In welhen Farben sollen wir unsere Zim- mer dekoriren?“ macht Georg Hirth in der 2. Lieferung seines reih nnd praktisch illustrirten, sehr empfehlenswerthen Werkes „Das Deutsche Zimmer der Renaissance, Anregungen zu häusliher Kunstvflege“ u. a. folgeude beachten8werthe Be- merkungen: „Nach Allem, was wir bisher besprochen, muß eine ver- ständige Innendekoration sich ebenso von monotoner Einfarbigkeit wie von verwirrender Buntscheckigkeit fern halten. Wer da meint, er verübe etwas vornehm Stilvolles, wenn er ängstlich die gleich- farbigen Stoffe für Tapeten, Möbel und Vorhänge seines Zimmers zusammensucht, der geht in der Irre. Er hat einmal etwas von „Harmonie“ in der Farbe gehört, ohne ernstlich naczudenken, was damit gemeint sein könnte. Die Einfarbigkeit oder Isochromie, über einen ganzen in sih abgeschlossenen Wohnraum ausgebreitet, ist um so ver- Tehrter, je mehr der Bewohner gerade auf diesen einen Raum angewiesen ist.“ Der Verfasser begründet dann weiterhin die Forderung, daß das Zimmer dem Auge wie dem Gemüthe einen frischen, fröhlichen Wesel der Farbe darbieten müsse. Er will der deutschen Herbst- landschaft in der Zeit der Weinlese ihre warmen, saftvollen Farben- stimmungen entlehnt und künstlerisch verwendet wissen. „Ob es uns noch einmal beschieden sein wird, mit dem Abglanz jener uralt- deutshen Farbenherrlihkeit unsere häusliche Kunst zu verklären ? Wäre wirklich dem Volke, dessen Kindheit noch immer vom strahlenden Weihnachtsbaum vergoldet ist, die Gale versagt, in seinen Winter- quartieren liebevoll nachzubilden, was die heimischen Gehege heute wie vor tausend Jahren an farbigen Wonnen offenbaren ?“ Das sind Fragen, welche zweifellos dem wärmsten Interesse jedes kunstsinnigen Deutschen begegnen und an deren Lösung mit Hülfe des angeführten Werkes jede Hausfrau mitwirken kann.

Aesthetishe Studien für die Frauenwelt. Von O von Leirxner. 16 Bog. gr. 89 mit drei photographischen Lichtbildern in elegantem Einband. Preis 6 46 Leipzig, E. Schloemp. Diese „Aesthetishen Studien“ sind bestimmt, in unserer Bücherwelt eine ähnliche Stelle wie die bekannten Oeserschen „Briefe“ einzunehmen. Wie diese wenden sie sich an die Frauenwelt, aber von einem der movernen Kunstbetrahtung, der ästhetischen Kritik näher stehenden, dieser entwach ¡enen Standpunkte. Sie behandeln manche Frage der Moral und Erziehung, welche das ästhetishe Gebiet berührt, mit tiefem Ernst und wahrhaftigem Pathos. Die Sprache ist bei aller Wissenschaftlichkeit klar und verständlich und entbehrt nicht der An- muth. Die dem Buche beigegebenen 3 Illustrationen sind gelungene Kopien der Meisterwerke von Holbeins und Rafaels Yadonuen und von Angel. Kauffmanns \chöner, durch L. Burgers Stich vortrefflich wiedergegebener „Vestalin“.

MNedacieur: 9. V.: Nicdel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Vier Beilagen leins{l!2#lich Börsen-Beilage).

Berlint

Nichtamlliches.

Preußen. Berlin, 18. Dezember. Jm weiteren Verlaufe der gestrigen (27) Sizung seßte das Haus der Abgeordneten die Berathung des Be- rihtes der Kommission für das Unterrichtswesen über die Petition des Magistrats von Elbing, betreffend Simultanisirung der Knabenschulen, fort. Der Abg. Dr. Gneist befürwortete seinen Antrag. Es werde auch vom Minister anerkannt, daß die Städte berechtigt seien, ihre nah Religionstheilen gesonderten Schulen in paritätische Schulen umzuwandeln, wenn eine wesentlihe Ver- besserung der Schule dadurch bewirkt werde; und die zu- ständige Provinzialbehörde den Plan der Ausführung geprüst und gut geheißen habe. Er behaupte, daß im vorliegenden Falle beide Bedingungen voll erfüllt seien. Die Gegenseite behaupte dagegen, die Regie- rung in Danzig habe die Genehmigung noch nicht ertheilt. Allein eine Genehmigungsurkunde sei weder vorgeschrieben noh üblich. Es sei in Elbing vielmehr ebenso verfahren, wie in hundert gleichen Fällen. 42 Monate hindurh vom März 1876 an sei darüber zwishen dem Magistrat und der Regie- rung verhandelt worden. Der Gesammtplan der Umwand- lung habe von Anfang an der Regierung vorgelegen und jede Versügung der Regierung vom 14. März 1876 an drüdckte theils dem Wortlaut, theils dem Sinne nah aus: „Die Aufsichtsbehörde habe keine Veranlassung gefunden, der shrittweisen Ausführung der paritätishen Einrichtung der Schulen hemmend entgegen zu treten.“ Keine der Regierungsverfügungen könne bona fide anders verstanden wer- den. Dagegen werde von der andern Seite so gestritten, als ob das Gesetz eine Bestätigungsurkunde verlangte. Allein verwaltungs- rechtlich könne diese Streitweise unmöglich zulässig sein. Feder- mann müsse vorweg anerkennen, daß, wenn die Stadtbehörden Aenderungen träsfen, die thnen Hunderttausende, den großen Städten Millionen kosteten, sie wissen müßten, mit wem sie zu verhandeln, an welche Stelle sie si zu halten hätten. Das Geseß sage ausdrüdcklih, diese Organisationsfragen sollten zwischen den Kommunalbehörden und der Regierung verhandelt und entschieden werden. Daran müßten sih alle Theile halten. Der Magistrat zu Elbing habe demgemäß 42 Monate hindur mit der Königlichen Re- gierung verhandelt, und leßtere habe successive in 6 Verfü- gungen zu erkennen gegeben, daß sie gegen den Organisations- plan kein Bedenken habe. Man könne das nicht in Zweifel ziehen, ohne die Königliche Regierung einer Pflichtwidrigkeit zu beschuldigen; denn die Aufsicht und Direktive, welche den Regierungen in diesen Fragen obliege, sei niht blos ein Recht, sondern an erster Stelle eine Pflicht zur sahgemäßen Leitung der Angelegenheit. Wäre die Königliche Regierung mit der Simultanisirung im Prinzip niht einverstanden gewesen, so hätte keine der Verfügungen so erlassen werden dürfen, wie sie erlassen seien. Als der Magistrat im März 1876 angezeigt habe, daß derselbe die Mädh-nschulen soglei, die Knabenschulen nah Erwerbung des Nikolaischulhauses paritätish einzurichten beabsichtige, so hätte der Bescheid vom 14. März 1876 nicht einfah lauten können, daß gegen den neuen Plan der Mäd- chenschulen keinerlei Bedenken obwalteten, sondern es hätte hinzugefügt werden müssen, daß für die Knabenschulen andere Gesichtspunkte obwalteten, über die noch näher zu berichten und Bescheid abzuwarten sei. Aehnliche Bescheide habe der Elbinger Magistrat am 6. Juli 1876, am 8. September 1876, am 29, November 1877, am 13, Januar 1879 und. am 31. März 1879 von der Regierung erhal‘en. Die Schulauf- sihtsbehörden wüßten, daß solche Organisationen den Städten Hunderttausende kosteten, daß die Umleitung der Schulen in ein neues Bezirks- und Klassensystem niht rückgängig gemacht werden könne, ohne die ganze Schulverwaltung in tiefe Ver- wirrung zu bringen. Man könne die 3 Fahre hindurch fortgeseßten Regierungsverfügungen, von jeder Seite aeschen, niht anders verstehen, als: die Regierung sei mit dem Organi- sationsplan prinzipiell einverstanden. Ohne der Regierung entweder einen Widerruf aller früheren Erlasse, oder eine Pflichtwidrigkeit bei Erlaß derselben zu imputiren, müsse man anerkennen, daß die paritätishe Einrihtung der Schule in Elbing unter ihr:rx Aufsicht und Direktive ebenso geseß- und ordnungsmäßig aus- und durchgeführt sei wie in irgend einer Stadt des Landes. Sei sonach das eine Erforderniß der Simultanschulen erfüllt, so frage sihs, ob das zweite, die Vorbedingung einer wesentlihen Verbesserung des Schul- wesens in Elbing, erfüllt sei. Der gegenwärtige Minister verneine das und sei der Ansicht, daß auch sein Amts- vorgänger nach dem Erlaß vom 16. Juni 1876 die Simultanisirung der Schulen in diesem Falle nicht gestattet haben würde. Allein wer solle die Frage, ob eine wesent- lihe Verbesserung der SchuleinriCtungen vorliege, maßgebend beantworten, als zunächst ein praktisher Shulmann? Wenn demselben nun aber die Frage gestellt werde, ob eine neue Einrichtung, die eine weitausgedehnte Stadt in zweckmäßige Bezirke theile, halbstündige Shulwege im nordischen Klima auf die Hälfte oder ein Drittel verkürze, die Einschulung und die Kontrole des Schulwesens mit festen Bezirks- Kommissionen in Verbindung seße, Knaben und Mädchen trenne , ein gleichmäßiges Klassensystem durchführe , Ueter- füllung einzelner Klassen auf die nähste Schule ableite und ein neues geräumiges Schulhaus zum Abschluß des Systems mitbringe, werde ein praktisher Schul- mann in Abrede stellen, daß dies eine wesentliche Verbesse- rung der Schuleinrichtungen sei? Es würde vergeblich sein, dagegen durch ein Divisionsexempel nachzuweisen, daß im Augenblick auch bei einer Sonderung der Kinder nah Kon- fessionen die Klassen nicht überfüllt a, denn es sei dies doh nur eines von vielen Momenten der Schulverbesserung, Und gerade ein solches Zahlenverhältniß, welches \ih befannt- lih in jeder größeren Stadt alljährlih ändern. Er habe die lies seit 40 Jahren der obersten Unterrichtsverwaltung ziem- li aale zu stehen. Er habe unter dem Ministerium Mühler als Referent für die Schulgeseßzentwürfe, mit dem Geheimen Rath Stiehl Monate lang auch über diese Frage verhandelt Und könne er nur bezeugen, daß es jederzeit im Ministerium

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember

als dic wesentlihste Verbesserung des Schulwesens angesehen worden sei, die Schulen nah zweckmäßigen Bezirken zu ordnen, die Einshulung und Kontrole darnach zu regeln, die Geschlechter zu theilen, die Klasseneintheilung gleihmäßig zu gliedern, vor allem aber neue geräumige Schulhäuser zu schaffen. Dies Alles als unwesentlich anzusehen, werde eben nur möglich sein vom auss\{ließlich kirchlihen Standpunkte aus, welcher neben der Sonderung nah Religionstheilen alle anderen Rücsichten auf den Lehrzweck und auf die Jnteressen der Kommune als nebensächlih, als niht vorhanden ansehe. Dies sei der Grund, warum die öffentlihe Meinung in jener Verfügung in der Elbinger Sache die Rückehr des auss\chließ- lih fkirhlihen Standpunkts in der Schulverwaltung sehe und man werde in der That nicht anders urtheilen können. Daß die Aufhebung der legal ausgeführten Elbinger Schul- einrihtung unter der Bezeihnung „versagte Genehmigung“ erfolgt sei, ändere doch niht die Sache. Wenn der Minister sih dafür aber auf ein in Preußen bestehendes Oberaufsichts- ret berufe, so sei der Umfang eines solchen in keinem preu- ßischen Geseß definirt, sondern als ein notorisher Begriff aus dem in Deutschland bestehenden gemeinen Recht voraus- geseßt. Wie weit dies Recht gehe, werde sih feststellen lassen, aber nur durch ein rehtsverständiges Kollegium, niht durch eine Abstimmung in diesem Hause. Es sei wohl auch in weiteren Kreisen bekannt, daß dies Aufsichtsreht in Deutschland seine Grenze finde in der Ver- fassung der Gemeinden, Kirchen, Korporationen, in ihren statutarishen und organischen Einrichtungen, und daß dies Alles niht Gegenstände einer freien Verwaltung seien, unter welcher solche Rechte gar nicht .bestehen könnten. Allein auch mit dieser Frage werde das Haus nit zu befassen sein, wohl aber mit der Frage, ob von dem behaupteten Recht wohl ein rechter Gebrau gemacht sei. Auch ohne über staatsrechtliche Begriffe zu streiten, dürfe man doch fragen, was solle aus den städtishen Schulsystemen werden, wenn ihr ganzer Bestand davon abhängen solle, ob der zeitige Unterrichts- Minister darin eine Verbesserung des Schulwesens finze und welche dann wieder zurück organisirt würden, wenn der Nach- folger anderer Meinung sei? Welche Stadt könne noch mit einer Königlichen Aufsichtsbehörde über eine Schulorganisa- tion verhandeln, wenn dies Verfahren gegen Elbing gut- geheißen werde? Welche Stadt könne für einen so unsicheren Bestand ihrer Sculeinrihtungen noch neue Opfer bringen ? Welche Aussiht habe ein Unterrichtsgesez, welches unter solchen Stimmungen mit neuen Opfern für die Ge- meinden zu Stande gebraht werden solle? Nach jeder Seite erweitere sich die Tragweite dieser Maßregel. Man könne die Rechte der Schule, der Gemeinde und des Staats unmöglih einer Kirche unterordnen und" preisgeben, ohne sie der anderen preiszugeben ; denn man könne und solle die Kirchen nicht mit verschiedenem Maße messen. Man gleite damit aber auf die schiefe Ebene zurück, die jenes Miß- verständniß Über die souveräne Freiheit der Kirhen und ihre Stellung über dem Staate hervorgerufen habe, in jenen Streit, dessen Versöhnung man hoffe, der aber mit einer Preisgebung der Rechte der Schule und der Gemeinde nicht enden, sondern nur von Neuem beginnen könne. Gleichmäßige, ruhige, objektive Abwägung und Behandlung aller solcher Fragen, ohne Ansehung der Person, sei der einzig richtige Weg, um die religiösen Bedenken zu besiegen, um den von Allen gewünschten Frieden herbeizuführen. Er bitte das Haus, in dieser dornenvollen Frage des Wortes des Großen Kurfürsten eingedenk zu sein: „wer regieren wolle, müsse nicht nur religiôs, sondern er müsse au gerecht sein.“ Er bitte, seinen Antrag anzunehmen.

Hierauf ergriff der Minister der geistlihen 2c. Ange- legenheiten von Puttkamer das Wort:

Meine Herren! Den Hrn. Dr. Gneist zum Gegner in einer parlamentarischen Verhandlung zu haben, ist \tets eine mißliche Sache, wieviel mehr für mich in einer Angelegenheit, in welcher der Herr Abgeordnete seit einem Jahrzehnt gewisse theoretische Gesichts- punkte literarish vertreten, und sih, wie ih hier wohl konstatiren darf, vergeblih bemüht hat, sie in unser öffentlihes System einzu- führen, theoretiswe Gesichtspunkte, welhe er unterstüßt mit der ganzen Autorität seines wissenschaftlihen Namens, mit den ihm zu Gebote stehenden reichen dialefktishen Hülfsmitteln; ih bin daher darauf gefaßt gewesen, heute mit dem Hrn. Abg. Dr. Gneist und ib glaube, der Inhalt des Kommissionsberihtes mußte mich darauf gefaßt machen in eine große theoretische Debatte über Konfessions- schulen, Zuftändigkeitsfragen und dergleichen einzutreten. Der Herr Abgeordnete hat es vorgezogen, heute von der Tribüne einen ganz andern Ton anzushlagen, er hat alle diese großen Fragen entweder gar nicht berührt oder doch nur kaum gestreift. Er madt mir dadurÞh meine Ausführungen auf der einen Seite \chwerer, denn ih hätte gerne mit ihm die Fragen eingehend diskutirt, das kann ih nicht leugnen, an- dererseits erleichtert es mir meine Aufgabe, insofern ih einen großen Theil dessen, was ich sonst hätte sagen müssen, nun unterdrücken finn, Meive Herren, an Stelle dieser wenn i so sagen soll Schonung, hat der Herr Abgeordnete nun einen Vorwurf geseßt, der mich doch einigermaßen in Erstaunen seßt. Er sagt, die jeßige Unterricÿtsverwaltung bedeutet eine Rückkehr zu den aus\{ltießlich kfirdlihen Standpunkt. Meine Herren, wenn das heißen soll, daß ih bemüht bin, und so lange ich an diesem Platze stehe, bemüht sein werde, die kir{lichen Grundlagen unserer Volkserziehung unter meinen Schuß und unter meine Fürsorge zu nehmen, jo acceptire iv diefen Vorwurf; wenn es aber heißen soll, daß ich die dem Sîaate, der Gemeinde und dem bürgerlihen Leben gehörige Schule auéliefern will an irgend ein Kirchensystem, an irgend eine bestehende Religionsgesell schaft, der ih nur die brüderlihe Mitwirkung bei der Freoe r Schule zugestehe, dann weise ih diesen Vorwurf entschie- en zurü.

Dieser Vorwurf berul)t auf der hartnäckigen Vermischung der Begriffe, in welcher der Hr. Abg. Gneist sich seit einem ganzen Jahr- zehnt auf diesem Gebiet befindet, er verwechjelt fortwährend die öffentlihe Schule oder vielmehr, er seßt sih in einem künstlichen Gegensaß zu dem, was er Parochialschule, kirhlihe Schule nennt. Nein, meine Herren, das ift niht der richtige Gegensaß Die Sig- natur unserer Volksschule ist der bürgerliche und öffentliche Charakter und daneben und in ihm begriffen und eingeschlossen die konfessionelle Einrichtung des Lehrplans in der ganzen inneren Organisation. Da brauht man noch gar nit von irgend einer Auslieferung der Schule an ein fkirhliches einseitiges System zu \prechen. Jch wiederhole also denn es is mir wichtig für den gesammten von mir zu ver- tretenden Standpunkt, das hier ausdrücklich zu betonen: ih will den

1879.

geistlihen Charakter unserer Volksschule erhalten, aber ih will der Mitwirkung der Kirche als eine in dem Rahmen des Staatsgeseges und der Staatsverordnungen zulässige annehmen und acceptiren,-

Nun, meine Herren, ih kann zunächst mit einer gewissen Geñug- thuung es begrüßen, daß ih heute endlih Gelegenheit habe, vor dem Lande und vor diesem hohen Hause darzulegen, daß meine vielange- fohtene Elbinger Verfügung getroffen ist in den Äreagilen Grenzen der mir zustehenden Kompetenz, daß ih sie erlassen habe nah objek- tiver gewissenhafter Erwägung aller dabei in Betraht kommender Momente, daß ih kein irgendwie wesentlihes Gemeindeinteress: damit verleßt habe, daß ih die objektiv rihtige Entscheidung getroffen habe und daß i. trage kein Bedenken das hinzuzuseßen ih meine, der unterdrückten konsessio.ellen Minderheit den ihr gebührenden Schutz habe angedeihen lassen.

_Meine Herren ! Jch habe es mir Monate lang gefallen laffen müssen, in einer gegne.ishen Presse, ohne die Möglichkeit der Gegenwehr, meine Verfügung als die Ausgeburt eines finsteren ver- hängnißvollen Gei1tes, als die Einladung zu einer gewaltsamen Um- kehr unseres ganzen Schulsystems der Hr. Abg. Dr. Gneist hat es ja auch heute wiederho!t bezeichnet zu sehen. Man spricht von einem systematischen Kriege gegen die Simultanschulen, man ruft mir von der Tribüne herab den Vorwurf entgegen, ich liefere die Schule an die einseitigen kirhlihen Tendenzbestrebungen aus. Meine Herren! Sie werden es daher wohl begreiflich finden, daß ih diese Gelegenheit nit vorübergehen lasse, ohne die hier zwishen uns streitige Frage bis in den innersten Winkel zu beleuhten und dadur meinen Standpunkt zu rechtfertigen.

Eins muß i allerdings von vornherein zugeben: meine Ent- sceidung zu treffen, als ich dazu in die Nothwendigket verseßt war, Über die Beschwerde katholischer Hausväter gegen die Simultanisi- rung der Elbinger Knabenschule betreffend, is mir nicht ganz leiht geworden. Nicht etwa, daß ich einen Augenblick nach- dem alles, was an Gründen und Gegengrüuden an mi heran trat, wohl erwogen hatte. zweifelhaft gewesen wäre, wie ih entscheiden sollte; aber, meine Herren, ih wußte, daß gerade diese Entscheidung lebhaften Widerspruch in einem Theil der öffentlichen Meinung er- fahren würde. Wenn ich daher bei Prifung des mir vorliegeaden Falles die Ueberzeugung hätte gewinnen können, daß ih es mit einer thatsächlich und rehtlich abgeschlofsenen Sachlage zu thun hätte, dann, meine Herren, glaube ich, häîte ih hinter dieser Ueberzeugung Deckung genommen und hätte der Sache ihren Gang gelassen, denn eine vorhandene, unter Genehmigung der Aufsichtsbehörde zu Stande gekommen in voller thatiählihen Wirksamkeit befindlichen Simultan- \hule habe i, als in redtliher Geltunz befindlih und als definitiv organisirt anzuerkennen. Jh glaube, daß, in ihre Existenzsphäre einzu- greifen ohne Bewilligung der Träger der Schulunterhalungspflicht und bei fortdauernder gesicherter Erfüllung maßgebend gewesenen pädagozischen finanziellen oder sonstigen Rücksihten und Voraussetzungen, die Ver- waltung im Allgemeinen das Ret niht hat. Meine H:rren, ih spreche das nit blos als einen theoreti|chen Saß aus, meine Praxis hat dies bereits bestätigt. J habe sowohl in der Elbinger Ange- legenheit danach gehandelt, indem ich ausdrücklich auch die Zurück- führung der bereits simultanisirten Mädchenschulen in das konfessio- nelle System abwies, oder wenigstens den hierauf bezüglichea Theil der an mi gelangten Beschwerde nicht berücksichtigt habe. Jh werde von demselben Standpunkte aus die simultanisirten Mädchenschulen in ihrem Bestande nicht stören. Jch habe von diesem Standpunkte aus vor einigen Wochen die Herren, die sich dafür interessirt haben, werden es in dea öôffentlihen Blätter gelesen haben den Antrag der katholischea Hausväter in Meseriß auf Nückkonfessionalisirung der seit Jahr und Tag in Wirksamkeit bestehenden paritätischen Schulen abgelehnt; und ich werde wahrscheinlich in nächster Zeit einen mir aus Shhlesiea vorliegenden ähnlichen Fall ebenso ent- scheiden.

Aber meine Herren, für Dasjenige, was vor meiner Amtsfüh- rung auf diesem Gebiete geschehen ist, und was unter der vorher an- gegebenen Vorausfseßzung als zu Recht bestehend anerkannt, dafür trage ih ‘rie politishe Verantwortung nicht, und ih stehe niht an, daß ih nicht für alle diejenigen Fälle, die ih j:8t definitiv vor mir sehe, diese Verantwortung würde tragen wollen.

Dagegen für ein grundsäßzlihes Weiterschreiten auf der Bahn der Loëlösung unserer Volksschule von der konfessionellen Grundlage und gerade hierfür ist der Elbinger Fall charafteristisch und typisch für ein folches grundfäßlihes Loslösen würde ih allerdings von diesem Augenblicke an die Mitverantwortung tragen, und um deöwillen halte ich mi grade für verpflichtet, in jedem einzelnen Falle die Ent- scheidung der in die Centralinstanz gelangenden Beschwerdefälle mit der peinlichsten Sorgfalt zu prüfen und zwar daraufhin, ob überhaupt diejenigen Vorausseßungen, welche nah den dieserhalb bestehenden Regulativverfügungen, namentli nach dem Mini|terialreskrivt vom 17. Juni 1876, dessen Geltung ih voll anerkenne und auf dessen Boden ich stehe in Betreff der von der neuen Einrichtung zu erwar- tenden wesentlihen Verbesserungen im einzelnen Falle zutreffen. Meine Herren, wenn ih mich auf diesen Boden stelle, also auf den Boden, daß ich Bedenken trage, ein grundsäßliches Weiterschreiten auf dem Wege der Simultanschule mitzumachen, so glaube ih mich dabei der Zustimmung aller derer und das ist ja Gott sei Dank die übergroße Mehrheit unseres Volkes versichert halten zu dürfen, welche in der Erhaltung des christlißen Charakte:s der Volksschule nicht ein überwundenes oder noch zu überwindendes Vorurtheil, fon- dern das wesentliche Palladium unseres nationalen Kulturlebens er- bliken. Hiernach, meine Herren, werden Sie erwägen, von wie großer, prinzipieller Bedeutung dieser Anlaß für meinen ganzen amtlihen Standpunkt war. Da ich, wie ich später noch ausführen werde, es nicht anzuerkennen vermochte, daß der durch -die Beschwerde bei der Centralinstanz angefohtene Plan dcr städtischen Behörden zu Elbing, nach erfolgter Durchführung des paritätischen Systems der Mädchenshule nun auch zur Simultanisirung der Knabenschule zu schreiten, bereits in dem oben von mir bezeichneten Sinn zu vollendeter Thatsache geworden sei, vielmehr diese Or- ganisation zur Zeit der Einlegung der Beschwerde, auf welche die diesseitige Entscheidung zu erfclgen hatte also im Februar d. I. noch auf dem Papier stand denn die baulichen Einrich- tungen, auf die der Abg. Dr. Gneist ein so sehr großes Gewitt legte, meine Herren, sind gleihwerthig für die simultane, wie für die konfessionelle Schule, so handelt es sich meiner Auffassung nach offenbar nicht um die Wiederaufhebung einer bestehenden Simultan- \chule, also einen Schritt zurück aus dem neuen in das alte System, wenn Sie es so nennen wollen, sondern es handelt sich um die Umwandlung einer bestehenden allen \{ultechnischen Anfor- derungen genügenden Konfessionëschule in eine paritätishe, also um einen Schritt heraus aus dem bestehenden Zustand in einen neuen, und deshalb trat die Nothwendigkeit, alle diejenigen Rüdsichten, welche das Ministerialreskript vom 16. Juni 1876 auf diesem Ge- biete als zu beachten hinstellt, auf das Sorgfältigste zu erwägen, mit zwingender Gewalt an mih heran. Denn Eins is doch klar: die în der Centralinftanz in der Elbinger Angelegenheit getroffene Entscheidung mußte, wenn sie auf Abweisung der Beschwerde, der katholishen Hausväter, also auf ein Einverständniß mit dem Vor- gehen der städtishen Behörden hinausging, von einer ganz unge- meinen präjudiziellen Bedeutung fein. Sie hätte nämlih nicht mehr und nicht weniger zu bedeuten gehabt, als die grundsäßliche und definitive Anerkennung der Zwectmäßigkeit und der Richtigkeit der Ueberfüh- rung des konfessionellen in das Simultansystem überhau pt.

S L S E CI L E E P S E ¿E S T Ldg pr E P gl Pg S Cy S E I E p Ee I R E rie D R R E R E T

E

L e

E L E S