1880 / 11 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 Jan 1880 18:00:01 GMT) scan diff

Berlin, den 14. Januar 1880.

Zur Schonung der heuer überall niht besonders gut be- seßten niederen Jagden hat auch auf dem Königlichen Feld- jagdgehege bei Berlin von größeren Hofjagden für dieses Fahr Abstand genommen werden müssen, und sind nur zwei kFieinere Hofjagdamts-Jagden, und zwar am 3. h. m. auf den Feldmarken von Waßmannsdorf und Klein-Ziethen und gestern auf den Feldmarken von Briß und Bukow abgehalten worden.

Auf jener wurden von 13 Schüßen in vier Kesseln 192, auf dieser von 12 Schützen !lin zwei Vorlegetreiben innerhalb 3 Stunden 156 Hasen erlegt, von welchen leßteren Jhre König- lichen Hoheiten der Prinz Friedrih Carl 47 und der Prinz eFriedrih Leopold, Höchstwelher übrigens nux zum leßten Triebe hinausgefahren war, 9 zur Strecke brachten.

Das Ober-Seeamt verhandelte unter dem Vorsiß des Ge- heimen Ober-Regierungs-NRathes Dr. von Möller in feiner Sißung am Freitag, den 9, d. Mts., über die Beschwerde des Reichskommis- fars Dr. Romberg geaen den Spruch des Seecamtes zu Bremerhaven vom 11. Oktober 1879, betreffend den Zusammenstoß des Lloyd- dampfers „Oder“ mit der norwegischen Bark „Collector“. Dieser Zusammenstoß hat in der Nacht vom 7. zum 8. Juni v. I. im Atlantischen Ozean stattgefunden und ist in Folge desselben der „Col- lector“ innerhalb ca. 5 Minuten gesunken, wobei fünf Menschenleben verloren gingen.

Die „Oder“ steuerte zu der in Rede stehenden Zeit WSW. } W. Kurs und lief ca. 12 Knoten Fahrt ; der „Collector“ lag mit Balk- bord. Halsen unter vollem Segel beim Winde und hatte eine Ge- \chwindigkeit von ca. 4 5 Seemeilen per Stunde; sein Kurs war zwischen NW. bis NW. F} W.— Das Wetter war zwar etwas bezo- gen, jedoch durcaus feuersihtig. Der Wind war leiht bis mäßig aus westliher Richtung. :

Um 12 Uhr Nachts übernahm der 2. Offizier der „Oder“, Ohrkt, die Wache. Als sich gegen 124 Uhr das Wetter etwas mehr bezog, rief er den 4. Offizier, Nelson, welcher mit ihm zusammen die Wache hatte und dessen Station bei dem Kompaß war, auf die Brüdlke zu sfih, um mit ihm zu berathen, of etwa in Folge dieser Wetterveränderung der Kapitän zu wecken sei. Während der Unterredung entdeckte zu- erst der 2. Offizier ca. 13 Strih voraus einen hellen Schein, welchen er für das Licht eines entgegenkommenden Dampfers hielt. Er ertheilte sofort das Kommando „Ruder hart Vadwbord“, zog fast gleichzeitig die Dampspfeife und gab, als er nur den dunklen Schatten eines Schiffes un- mittelbar vor dem Bug der „Oder“ erblickte, den weiteren Befehl nach der Maschine „Stopp und volle Kraft rückwärts“. Diese Befehle sollen sämmtlih schnell ausgeführt sein. Nach der Angabe des Ohrt sind von dem ersten Erblicken des Lichtscheins bis zur Abgabe des leßten Befehles ca. 6 Sekunden verflossen. Ohrt will den Zusammenstoß gleich für unvermeidlich gehalten haben und erfolgte derselbe dann auch in kürzester Zeit. Die verschiedenen Aus- U Der meinen Uber die el, welwe von dem Erblicken des Lichtes bis zum Zusammenstoß verflossen ist, s{chwanken zwishen 30 Sekunden und 2 Minuten. Der Mann auf Ausguck auf der „Oder“ hat das Licht erft gesehen, nachdem die Dampfpfeife ertönte; er ist dann {nell nach hinten ge- gangen, hat Meldung gemacht und ehe er wieder auf seinen Posten

auf dem „Collector“ in Lee gelegt, ein Manöver, welches durchaus als richtig bezeichnet wird.

__ Na stattgehabtem Zusammenstoß wurden vom Dampfer Taue über Bord geworfen und zwei Boote ausgeseßt, um so viel als mög- lih von der Besaßung des „Collector" zu retten und wurdea auf diese Weise aub noch acht Menschen gerettet.

Das Seeamt zu Bremerhaven hat diesen Seeunfall in der Sitzung vom 3, Oktober v. J. untersucht und hat bei der Unter- suhung der Reichskommissar den Antrag gestellt, dem Ohrt, welcher das Befähigungszeugniß als Schiffer für große Fahrt besißt, die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes als Schiffer zu ent- ziehen, weil nah seiner Ansicht derselbe bei dieser Gelegenheit cinen erheblichen Mangel derjenigen Eigenschaften zu Tage ge- lent habe, welhe für die Ausübung dieses Berufes un- bedingt erforderli "eien. Er macht ihm namentlich zum Vorwurf, daß er nicht sofort gestoppt habe, als er das Licht er- blickte und ferner, daß er das Ruder Bacbord lezte, während es

rihtig gewesen sei, dasselbe nah Steuerbord zu legen. Der Reichs- kommisjar ift des Weiteren der Ansicht, daß die Entfernung der bei- den Schiffe von einander noch genügend groß war, um den Zusam- menstoß zu vermeiden und daß derselbe lediglich durch die falsche Ruderlegung veranlaßt sei.

Das genannte Seeamt publizirte demnächst seinen Spruchß am 11, Oktober. In demjelben gab es dem Antrage des Reichs- kommissars keine Folge; vielmehr bezeichnete es die Handlungsweise des Schiffsoffiziers Ohrt als eine durchaus natürliche, da bei dem Backbord-Ruderlegen die größere Wahrscheinlichkeit der Vermeidung des Zusammenstoßes vorhanden gewesen sei.

In dem abgegebenen Spruch is die Urtheilsformel nicht von den sie begleitenden Gründen getrennt, so daß nur aus den leßteren auf die erstere geschlossen werden kann.

Bei der Verhandlung vor dem Ober-Seeamte waren als Bei- stände ‘des Schiffsoffiziers Ohrt der Rechtsanwalt Dr. Heineken aus Bremen und der Kapitän der „Oder“, Leist, zugegen. Leßterer wurde jedoch im Laufe der Verhandlung von Ohrt als Zeuge vor- geschlagen, weshalb er zur Funktion als Beistand nicht zugelassen wurde, und gab Kapitän Leist demnächst als Zeuge eine beeidigte Darstellung des Sachverhalts, soweit er aus eigener Anschauung Kenntniß von demselben hatte.

Der Rechtsanwalt Heineken regte zunächst die Frage an, ob das Seeamt zu Bremerhaven überhaupt befugt gewesen sei, eine Untersuhung dieses Kollisionsfalles vorzunehmen, da weder ein deutsches Schiff von einem Unfall betroffen sei, noch der Unfall des fremden Schiffes, des „Colector“, sich innerhalb der deutshen Küstengewässer ereignet habe, noch die Untersuchung vom Reichskanzler angeordnet sei. Die „Oder“ sei aus dem Zusammenstoße vollständig unbeshädigt hervor- gegangen. Im Weiteren führte er aus, daß im Gegensaß zu der Ansicht des Reichskommissars die sachverständigen Mitglieder des Seeamtes zu Bremerhaven das Verfahren des Ohrt als durchaus korreft bezeichnet hätte und daß in der Beschwerde nihts beigebracht sei, was das Ober-Seecamt zu ciner Abänderung des Spruchs des Seeamtes veranlassen könnte.

Nach längerer Verhandlung entschied das Ober-Seeamt: „daß der Spruch des Seeamtes zu Bremerhaven vom 11. Oktober 1879 insofern, als er sich auf die Gewerbebefugniß des Schiffsoffiziers

Ohrt bezieht, lediglich zu bestätigen und die baaren Auslagen des Verfahrens außec Ansaß zu lassen.“ Zur Begründung des Spruches führte der Vorsißende aus: Hin-

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Sciffen zur Zeit der ersten Wahrnehmung jenes Lichts nicht fest- gestellt werden könne, so daß objektiv niht mit Sicherheit darauf zu scließen fei, ob der Seeunfall noch vermeidlih oder bereits un- vermeidlich gewesen sei. Die bezüglichen Angaben beruhten nur auf Wahr- \heinlihkciten, und diese müßten von den völlig zweifellosen Ergebnissen der Untersuchung sorgfältig getrennt werden. Bei der Unbestimmtheit der meisten Angaben bliebe daher zur Fällung eines gerehtea Urtheiles nichts übrig, als die für Dhrt günstigeren Angaben zu Grunde zu legen. Hierher gehören in erster Reihe die von dem Kapitän Leist bei der heutigen Verhandlung beschworenen Angaben, daß so viel er sich erinnere von dem Ertönen der Dampfpfeife bis zu dem Augenblick, wo er an Deck gekommen, nur etwa 30 Sekunden ver- gangen sein möchten; als er an Deck gekommen, habe der Zusam- menstoß bereits stattgefunden. Wenn sonach nicht f-\tgestellt werden könne, ob der Zusammenstoß überhaupt noch vermeidlich war, so könne auch nicht festgestellt werden, ob dem Ohrt cin indirektes Ver- s{ulden an demselben zur Last falle. Da aber nach §. 26 des an- geführten Gesetzes die Entziehung der Befugniß zur Ausübung des Gewerbes nur statthaben könne, wenn si ergiebt, daß der Schiffer oder Steuermann den Seeunfall verschuldet hat, so sei der Spruch des Seeamtes foweit er sich auf die Gewerbebefugniß des Ohrt, be- zieht, zu bestätigen.

Gs sei jedoch dem Ohrt zur Last zu legen, daß er im vorliegen- den Falle nur eine Möglichkeit, die, daß das gesehene Licht von einem Dampfer ausgehe, in Betracht gezogen, und nit, wie es von einem Mann in seiner Stellung verlangt werden müsse, die mannigfaltigen anderen Möglichkeiten in das Auge gefaßt habe, um unter Berück- sichtigung aller Eventualitäten seine Maßregeln zu treffen. Daß er dies nicht gethan, sei ein Mangel, aber in Anbetracht der sehr kurzen ihm zur Ueberlegung zu Gebote stehenden Zeit, niht ein erheblicher Mangel. Uebrigens sei die Beshwerde des Reichskommifsars gegen den Spruch des Seeamtes zu Bremerhaven nit ohne Gcund eîin- gelegt worden. Abgesehen von den formellen Mängeln des Spruchs wünsche das Seeamt in der Begründung desselben die nur wahrschein- lihen Annahmen mit dem völlig Bewiesenen und gelange somit auf unbestimmte Angaben hin zu dem Ergebniß, daß das Verfahren des Ohrt unter den gegebenen Verhältnissen das durchaus Natür- liche gewesen sei. Diesem Ausspruch vermöge das Ober-Seeamt nicht beizutreten. Es sei zwar zuzugeben, daß Verhältnisse obwalten könnten, unter denen es bei dem Erblicken eines Lichtes an der Bak- bordseite in der unmittelbaren Nähe des eigenen Schiffes, und sogar eineë grünen Lichtes, für einen \ch{chnellfahrenden Dampfer gerathen sein kônne, sein Nuder Backbord zu legen und so nah Steuerbord abzudrehen. Das durchaus Natürliche sei dies aber keinesweges. Vielm hr sei es in den meisten derartigen Fällen das Natürliche, wie es der NReichskommissar empfehle, mit Steuerbordruder nah Back- bord _ab,udrehen, und zwar um so mehr, als durch das erstere Manöver sehr häufig das eigene Schiff in hohem Grade gefährdet werde, insofern es hierdurch selbst sehr leicht in die Lage komme, ge- rammt zu werden.

Bie vie Verhältnisse in dem vorliegenden Falle sich gestaltet hätten, sei es zwar möglih gewesen, daß durch die Backtbordruder- lager die Wirkung des Zusammenstoßes gemildert werden konnte und gemildert worden sei ; aber auf diese Folge seines Kommandos hätte ODhrt nur dann rechnen dürfen, wenn er das Licht des „Collector“ als ein grünes erkannt hätte, während feine ganze Vertheidigung sih in der Hauptsache gerade darauf stüße, daz er dies Licht nicht für ein grünes, sondern für ein weißes gehalten habe.

gelangt war, hatte der Zusammenstoß bereits stattgefunden. er hat eine Färbung des Lichtes niht bestimmt erkannt, wenn er auch angiebt, daß es ihm grünlich vorgekommen fei.

Meldung hat er dies jedo nicht erwähnt.

Auf der Bark „Collector“ sind die Dampferlichter circa fünf Minuten vor der Kollision bemerkt; den Vorschriften Über das Straßenreht auf See entsprechend, mußte der E a wie er es er ha sih durch Läuten mit der Glocke und durch Rufen bemerklich zu machen, jedoch ohne Erfolg; ers ganz unmittelbar vor dem Zu- fammerstoß ift zur möglichen Abshwächung des Stoßes das Ruder

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rihtig gethan hat, seinen Kurs beibehalten ;

Auch amtlichen Verfahrens \tehe es auß Bei seiner

leben verloren gegangen.

versucht

sihtlich der vom Vertheidiger angeregten Frage der Legalität des

Gesetzes vom 27. Juli 1877 als ein Schiff betroffen habe, anzusehen sei, wenn dur das leßtere ein frem- des Schiff übergerannt worden sei, umsomehr, wenn hierbei Menschen- Das Seeamt Bremerhaven sei demnach zur Untersuchung dieses Falles befugt gewesen.

Was den Seeunfall selbst anbetrifft, so habe aus der ange- stellten Untersuchung ein génaues Maß für die Zeit, welche zwischen dem Erblicken des Lichts des „Collector“ auf der „Oder“ und dem Zu- fammenstoß verflossen sei, und für den Abstand zwischen den beiden

er Zweifel, daß es im Sinne des eeunfall, welcher ein deuts;es

Die baaren Auslagen des Verfahrens seien außer Ansaß zu lassen, weil die Beshwerde vom Reichskommissar eingelegt sei.

Neapel. Die nah dem Gipfel des Vesuv führende Draht- feilbahn ist jeßt fertiggestellt. G s am Rande des Kraters. Mittelst zweier Stahlseile werden die Züge dur eine Dampfmaschine, die sich am Fuße des Vesuvkegels be- findet, in Bewegung geseßt. Die größte Schwierigkeit beim Bau bestand in der Herbeischaffung des Wassers; man legte für dasselbe zwei sehr große Reservoirs an, von denen sich das eine in der Nähe der Station, das andere unweit des Observatoriums befindet.

Sie ist 900 m lang und endet hart

Inserate für den Deutschen Reichs- u. Königl. Preuß. Staats-Anzeiger und das Central-Handels- register nimmt an: die Königliche Expedition des Deníschen Reichs-Anzeigers und Königlich Prenßischen Ktaats-Anzxigers : Berlin, 8. N. Wilhelm-Straße Nx. 52,

. Steckbriefe und Untersuchungs-Sachen. 2. Subhastatioven, Aufgebote, Verladungen n, dergi. 3, Verkäufe, Verpachtungen, Submiagionen ete, 4. Verloosung, Amortisgation, Zinszahlung Æ u. &. wy. von öffeutlichen Papieren.

Steck&briefe und Untersuchungs - Sachen.

Ediftalladung. Der Arbeiter (Musketier) Jo- hann Gottlieb Berger, geboren den 26. Juni 1844 zu Corsenz, Kreis Militsch, zuleßt in Schönfeld, Kreis Teltow wohnhaft, dessen jeßiger Aufenthalt unbekannt ist, wird beschuldigt, als beurlaubter Lantwehrmann ohne Erlaubniß ausgewandert zu sein Uebertret ng gegen §. 360, Nr. 3 des Straf- gesebuhs, in Verbindung mit dem Gesetze vom 10. März 1856 (Geseßz-Sammlung Seite 133). Derselbe wird auf Anordnung des Königlichen Amtsgerichts hieselbst auf den 26, Februar 1880, Vormittags 11 Uhr, vor das Königliche Schöffen- gericht hier, Hausvogteiplaß 14, zur Hauptverhand- lung geladen. Bei unentschuldigtem Ausbleiben wird derselbe auf Grund der nach S. 472 der Straf- prozeßordnung von der Königlichen Regierung zu Potsdam vom 5. November 1879 ausgestellten Er- lärung verurtheilt werden. Berlin, den 22, No- vember 1879, Pieper, Gerichtsschreiber des König- lichen Amtégerichts II.

Nacbstehente Personen: 1) der Tischler Julius Paul Jedeck, geboren am 12, April 1854 in Sorau, zuleßt in Naumburg am Bober, Kreis Sagan, 2) der Ackerbauer Carl Wilhelm Gustav Goebel, geboren den 30. September 1855 in Albrecbtsdorf, Kreis Sorau, 3) der Photograph Alexander Leh- mann, geboren den 22. September 1855 in St. Pe- teróburg, zuleßt ortsangehörig in Forst, 4) der Schlosser Theodor Willibald Kloß, geboren den 7. Februar 1857 in Albrech{chtsdorf, Kreis Sorau, 5) der Maler Ludwig Alexander, geboren den 16. Juli 1857 in Sorau, zuleßt in Berlin, 6) der Kausmann Emil Werner, geboren den 11. Oktober 1857 in Forst, zuleßt in Magdeburg, 7) der Arthur Cäsar Negro, geboren den 8. Februar 1857 in Klein-Petersdorf, Kreis Sorau, Ln sämmtlich un- bekannten Aufenthalts, werden bescbuldigt, in der Zeit von 1874 bis 1879 als Wehrpflichtige in der Absicht, fih dem Eintritte in den Dienst des \tehen- den Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Er- laubniß das Bundesgebiet verlassen bezw. nach er- reihtem militärpflihtigen Alter sih außerhalb des Bundesgebiets aufgehalten zu haben. Vergehen gegen 8. 140 Abf. 1 Nr. 1 Str. G. B. Dieselben wer- den auf den 20, Februar 1880, Vormittags 10 Uhr, vor die Strafkammer bei dem Königlichen Amtsgerichte zu Sorau zur Hauptverhandlung ge- laden, Bei unentschuldigtem Ausbleiben werden dieselben auf Grund der nah §8, 472 der Straf- Prozeßordnung von der Königlichen Regierung zu

Frankfurt a. O. über die der Anklage zu Grunde liegenden Thatsachen ausgestellten Erklärung ver- urtheilt werden. Guben, den 18, Dezember 1879. Königliche Staatsanwaltschaft.

Nachstehend bezeichnete Personen 1) der Tuch- machergeselle Carl August Hermann Zeuschner, ge- boren den 19. Juli 1852, aus Sommerfeld, jeßt unbekannten Aufenthalts, 2) der Paul ‘August Gotthilf Lange, geboren den 18. September 1857, aus Cottbus, Sandower Vorstadt, jeßt unbekannten Aufenthalts, 3) der Carl FriedriÞh Otto Leschke, geboren den 16. September 1859, aus Sommerfeld, jeßt unbekannten Aufenthalts, werden beschuldigt, als Wehrpflichtige in der Absicht, sih dem Ein- tritte in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Erlaubniß das Bundes- gebiet verlassen zu haben und nah erreichtem mili- tärpflichtigen Alter sfich außerhalb des Bundesge- biets aufzuhalten, Vergehen gegen §8. 140, Abs. 1, Nr. 1, Str.-G.-B. Dieselben werden auf den 20. Februar 1880, Vormittags 10 Uhr, vor die Strafkammer bei dem Königlichen Amts- gerichte zu Sorau zur Hauptverhandlung geladen. Bei unentschuldigtem Ausbleiben werden dieselben auf Grund der nah §. 472 der Strafprozeßord- nung von der Königlichen Regierung zu Frankfurt a. O,, Über die der Anklage zu Grunde liegenden Thatsachen ausgestellten Erklärung verurtheilt wer- den, Guben, den 11. Dezember 1879, König- lie Staatsanwaltschaft.

[1015] In der Strafsache gegen

den ; Tapezierer Friedrih Ferdinand Theodor Kaufmann qus Posen wegen Majestätsbeleidigung, einfacher Beleidigung, Verbreitung verbotener Druk- schriften, Widerstandes gegen die Staatsgewalt, und Zuwiderhandelns gegen die ihm auferlegten Be- \chränkungen in der Wahl seines Aufenthaltsorts,

hat die I. erste Strafkammer des Königlichen Landgerichts zu Hanncever am 15. Dezember 1879 für Recht erkannt:

der Angeklagte wird fugen acht Beleidigungen des Landesherrn, drei Beleidigungen des Fürsten Bismark und einer Beleidigung des Grafen Moltke, wegen Verbreitung verbotener Druckschriften in zehn Fällen, zum Theil verübt in idealer Kon- kurrenz mit dem Vergehen der Belcidigung, endlich wegen verbotswidriger Rückkehr nah Berlin zu einer Gesammitstrafe des Gefängnisses auf die Dauer von

Oeffentlicher Anzeiger. 7

Jaseraie aehmea aa! die Annoncea-Expeditionen des „Gubalidéidank“, Rudolf Mosse, Haaseustetu & Vogler, G. L. Danbe & Co., E, Séthlotte, Bittner & Winter, sowte alle übrigen größere

5, Industriellie Etablisnements, Fabriken und Groashandel,

6, Verachiedene Bekanntmachungen.

T, Literarische Anzeiger.

6. Theater-Anzeigen., | In der Börzen-

#

Nanoncen-Bzuregans. Fa

| 9, Familien-Nachrichten. j beilags.

Angeklagten auf dessen Kosten binnen vier Wochen nah Rechtsïraft des Urtheils durch den Reichs-Anzeiger öffentlih bekannt zu machen, Auch werden sämmtliche saisirte Druk-

fahrens fallen dem Angeklagten insoweit zur Last, als]

nicht durch die Verhandlung der Anklage wegen Belei-

digung des Ministers Maybach und Widerstandes

egen die Staatsgewalt besondere Kosten erwachsen

Rud. Die Leßteren werden niedergeschlagen.

Meder v. Düring. Bergmann. S(ch{midt. v. Hinüber.

Beschluß. Auf Antrag der Königlichen Staats- anwaltschast wird gegen 1) den Handlungs[ehr- ling Heinrich Gottsried Brehling, 2) den Franz Christian August Müller, 3) den Iohann Friedrich Albrecht Grube, Aufenthaltsort unbekannt, welche hinreichend verdächtig erscheinen, daß fie als Wehr- pflichtige in der Absicht, sich vem Eintritte in den Dienst des slehenden Heeres oder der Flotte zu ent- ziehen, ohne Grlaubniß das Bundesgebiet verlassen haben und nach erreichtem militärpflichtigen Alter fich außerhalb des Bundesgebietes aufhalten, Vergehen gegen §8. 140 1 des Strafgeseßbuches, das Haupt- verfahren vor der Strafkammec 1. des Königlichen Landger1cchchts hierselbst eröffnet. Zugleich wird auf Grund der 88. 480, 325 und 326 der Straf-Pro- zeßordnung das im Deutschen Reiche befindliche Vermögen der Angeschuldigten wegen der demnächst zu erkennenden Strafe und Kosten bis zur Summe von je 2000 M mit Beschlag beleat. Publikation dieses Beschlagnahmebeschlusses findet nur durch den Deutschen Reichs-Anzeiger statt. Hannover, den 16. Dezember 1879. Königliches Landgericht, Straf- kammer iI.a, v. Schröôtter. Busse. Linden- berg. Die Richtigkeit der Abschrift beglaubigt : Henning, Gerichtsschreiber des Königlichen Land- gerihts. Bemerkung: Brehling hat sich zuleßt in Springe, Müller und Grube haben sich zuleßt in der Stadt Hannover aufgehalten.

Subhastationen, Aufgebote, Vor- ladnngeuÿj u. dergl.

[#2] Oeffentliche Zustellung.

Der Rentier Albert Rettelsky zu Danzig, ver- treten durch den Rechtsanwalt L'annowski dafelbft kflagt gegen den Rentier Thassilo von Laszzewwsfi zu Danzig aus dem Wechsel vom 19. August 1879

vier Jahren verurtheilt, Daneben wird dem Fürsten Bismarck und dem Grafen Moltke

mit dem Antrage auf Zahlung von 900 A Haupt- geld nebst 69/5 Zinsen seit dem 19. November 1879

die Befugniß zuerkannt, die Verurtheilung des |

\hriften für konfiszirt erklärt. Die Kosten des Ver- |

und 12 M. Wechfelunkosten, und ladet den Beklag- ten zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor die Kammer für Handelssachen des Königlichen Landgerichts zu Danzig

auf den 2. März 1880, Vormittags 9 Uhr, mit der Aufforderung, einen bei dem gedachten Ge- richte zugelassenen Anwalt zu bestellen.

Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird die- ser Auszug der Klage bekannt gemacht.

| __ Mrongovius. Gerichtsschreiber des Königlichen Landgerichts.

[785] Oeffentliche Zustellung.

Die Firma Kern & Mayer, Tuch- und Leinen- waarenhandlung zu Frankfurt a. M., vertreten durch den Polizeidiener Carl Eichert zu Rappolts- weiler, klagt gegen den Joseph Enymaun, Rebmann und Aerer, früher zu Rappoltsweiler wohnhaft, jeßt ohne bekannten Aufenthaltsort, wegen Forderung für gelieferte Waaren, mit dem Antrage auf Verurtheilung eines Betrags von 96 M 5 H mit Zinsen vom Klagetage ab und ciner Prozeßentschädigung von 5 4, und ladet den Beklagten zur mündlihen Verhandlung des Rechts- streits vor das Kaiserliche Amtsgericht zu Rappolts- weiler auf

den 25. Februar 1880, Vormittags 9 Uhr.

Zum Zwette der öffentlichen Zustellung wird die-

ser Auszug der Klage bekannt gemacht. ( Rominger, Gerichtsschreiber des Kaiserlichen Amtsgerichts.

[986] Bekanntmachung.

Beim Königlichen Amtsgerichte zu Dresden sind in Gemäßheit der Rechtsanwaltsordnung für das Deutsche Reich, vom 1. Juli 1878, als Rechts- anwalte zugelassen die Herren :

Paul Schumann, Dr. Friedrich Julius Steeger, Beide mit dem Wohnsitze in Dresde.

Dresden, den 31. Dezember 1879.

Das Königliche Amtsgericht. Heink.

Nedacteur: J, V:: Riedel

Verlag der Expedition (Ke \{ el). Drud: W. Elsner.

Drei Beilagen (einschließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

E E S E T

zum Deuischen Reichs-Anzeiger nud Königlih Preußi]

Nichtamíliches.

‘euñen. Berlin, 14. Januar. Jn der gestrigen (35 Sigung trat das Haus der Abgeordneten in die erste Berathung der vier Geseßentwürfe, betreffend die Reorganisation der allgemeinen Landesverwal- tung und der Verwaltun gsbehörden ein. Der Abg. von Bennigsen erklärte, er und seine Freunde hätten ge- wichtige Bedenken gegen die Vorlagen, doch erkenne er ofen und freudig an, daß mit denselben ein Schritt vor- wärts auf dem unterbrochenen Wege der Reorganisation der Landesverwaltung geschehe, und seien: bereit,! den? Nach- theilen des unfertigen Zustandes durch einen gleihmäßigen Abschluß in den hauptsächlihsten Grundlagen der Ver- waltung ein Ende zu machen. Es handele sich um eine Staats- nothwendigkeit, niht um eine Frage der Parteipolitik, nicht um eine konservative oder liverale Frage. Die liberale Partei werde deshalb der Staatsregierung bei dieser Arbeit ihre bereitwillige Mitwirkung leihen troß der starken Span- nung, die bei den Wahlen zwischen der Staatsregierung und den gemäßigt liberalen Parteien eingetreten sei. Seine Partei werde diese Mitarbeit der konservativen Re- gierung leihen, wie eine liberale Regierung sie von den tonservativen Parteien fordern und hoffentlich finden würde. Indem die Regierung endlih ein Geseg über die Grundlagen der Staatsverwaltung in der ganzen Monarchie feststellen wolle, {lage sie den richtigen Weg ein, den nit shon im Jahre 1872 nach Erlaß der Kreisordnung zu beschreiten, ein verhängnißvoller Fehler der Regierung und des Landtags gewesen sei. Daher das Schwanken, die Unsicherheit, der Mangel eines festen Bildes von der Verbin- dung der neuen Formen der Selbstverwaltung mit sicheren Formen der Staatsbehörden, der Vorbehalt, der bei dem Er- laß der bedeutenden Geseße von 1875—1876 gemacht sei, sie in wesentlihen Punkten zu ändern, wenn die Orga- nisation der Staatsbehörden geändert werden sollte. Zwar habe die Regierung 1875 Grundzüge über eine Organisation der Staatsbehörden vorgelegt , die ih auh in den neuen Vorlagen wiederfänden; aber über diese Grundzüge seien keine Beschlüsse gefaßt, und es sei überhaupt viel leihter Grundzüge aufzustellen als Organisationsgeseze zu machen. Die Provinzialordnung und das Kompetenzgeseß verbänden die wichtigsten Vorschristen wegen Einrichtung ganzer Behörden und der Regulirung des Jnstanzenzuges geseßlih mit Resolutivbedingungen, eine be- denkliche und in der Geseßzgebung großer Staaten sehr seltene Erscheinung. Jeßt endli verlasse man diesen Weg und wolle neue Formen einführen in den Organismus ganz bestimmt festgestellter Staatsbehörden als Vorbedingung einer die ganze Monarchie umfassenden Reform. Doch müßten seine Freunde und er sich gegen die Uebergangs- und Schlußbestimmungen des Titel 5 des Geseßent- wurfs über die Organisation der allgemeinen Landesverwal- tung erklären, für die der Minister des Jnnern eine Mehr- heit im Hause nicht finden werde, wie derselbe selbst bald sehen werde. Jn diesen Vorschriften sei bestimmt, daß dieses Geseh sofort ix der ganzen Monarchie zur Ausführung ge- bracht werden solle. Da nun bekanntlich Provinzial- Und Kreisordnungen mit ihren Vertretungen und Ausschüssen nur in 5 Provinzen beständen, in Posen, Rheinland, Westfalen und den neuen Provinzen erst eingeführt werden sollten, die- ses Geseg aber diese Ausschüsse für seine Wirksamkeit vor- aussepe, so seien Uebergangsbestimmungen getroffen, die er für durchaus unzulässig halte : der Landrath solle den Kreisaus\{chUß, der Ober-Präsident den Provinzialrath vertreten und der Re- gierungs-Präsident in demselben Augenblick, wo man die Ab- theilungen des Jnnern als Kollegium auflöse, wieder mit diesen seinen vortragenden Räthen und Hülfsarbeitern als Kollegium zusammentreten und den Bezirksrath bilden. Man habe in der That nicht nöthig die Provisorien und Jnterimistika in den neuen Provinzen noch zu vermehren. Wolle die Regie- rung die neuen Einrichtungen in den neuen Provinzen einführen, woran nicht entfernt zu zweifeln sei, so möge man dieselben im vollen Zusammenhang einführen. Wür- den diese Uebergangsbestimmungen zugestanden, fo werde die Staatsregierung ein weit geringeres Fnteresse haben, die Kreisordnung in den sechs Provinzen einzuführen, die sie noch nit besäßen, auh wenn man in ihre Absichten gar kein Mißtrauen seße. Er sei fest überzeugt, daß der jeßige Minister sich die Aufgabe stelle, die Organisation in der ge- sammten Monarchie dur{zuführen. Aber das natürliche Sehwergewicht der sachlihen und politishen Hinder- nisse werde sich dann geltend machen, wie es das auch schon in der langen Verzögerung und in den langen Pausen auf diesem Gebiet gethan habe. Es handele sich namentlich in den untersten Jnstanzen des Kreises und der Gemeinde politisch und sahlich um außerordentlih s{hwierige Aufgaben, daher die Ausdehnung der Provinzial- und Kreis- ordnung bisher nit gelungen sei. Dazu träten noch erheb- liche organisatorishe Schwierigkeiten. Die untersten Fnstan- zen, Gemeinde und Kreis, gestatteten, ja erforderten eine ge- wisse Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit in einem großen Staate. Auf die Organisation der niederen Polizeiverwal- tung, sie sei auf Ehrenämter oder geshulte Staatsbeamte ge- gründet, wirke die ganze Geschihte und Verschiedenartigkeit der einzelnen Provinzen ein. Diese schwierige Frage werde noch viele Verhandlungen zwischen Regierung, Landtag und Provinzial-Landtagen erfordern. Dabei möchte er aber die Regierung nicht in die bequeme Lage verseßen, daß allen- falls ein Zustand geschaffen werde, der noch 10 bis 12 Fahre ertragen werden könnte, wenn man die festen Einrichtungen dieser Staatsbehörden habe, in den Provinzen aber eine Ver- ständigung über die Einrichtungen der Selbstverwaltungs- behörden nicht erreiht werden könne. Ob die Vorlage in der Organisation der Verwaltung das Nichtige getroffen habe, hänge davon ab, an welche Stelle zwischen Ministerium Und Kreisinstanz das Shwergewicht der eigentlichen Staats- verwaltung zu legen sei. Es wäre sehr gefährlih, hier etwa zwei ganz selbständige Organismen neben oder übereinander, den Bezirk und die Provinz, einschieben zu wollen ; dadurch würde

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Erste Beilage

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Berlin, Mittwoch, den 14. Januar

die Maschinerie allzu weitläufig und s{hwersäLig. Es frage sich also, solle der Schwerpunkt im Bezirk oder in der Provinz liegen? Je nachdem man sich sür das eine oder andere ent- scheide, müsse man auch den Muth haben, die volle Konsequenz der Entscheidung zu ziehen. Er jei früher der Meinung ge- wesen, daß der Schwerpunkt in die Provinz zu verlegen fei, Die Provinzialvertretung von Hannover wünschte hon 1868, daß nach dieser Richtung mit Hannover selbs ein Versuch ge- macht würde, allerdings unter bedeutender Stärkung der Be- fugnisse der unteren Jnstanzen, während die Regierung das Schwergewicht in drei an die Stelle der sechs Landdrosteien zu seßende Regierungen legen wollte. Leider sei dies Experiment nicht gemacht; nian hätte sonst ein schr gutes Objekt zum Vergleich mit den altpreußishen Zuständen. Die Negierung habe in ihren Motiven erklärt, das Schwergewicht in die viel zu großen Provinzen zu legen, sei unmöglich; auch der Jnstanzenzug würde die Ausführung ershweren. Man fönne ja nur die alte preußische Tradition seit 1817 beibehalten, welche die Staatsverwaltung organisire auf Grundlage der Bezirke. Ueber diese Frage an sich môze man anders denken, als die Regierung; aber gegenüber der historishen Vergangenheit in Preußen, gegenüber dem Widerstreben des gesammten Beamten- thums gegen Aufhebung der Bezirksverwaltung werde eine Majo- rität für eine solhe Organisationsgrundlage nicht zu finden sein. Um daher zu einem endlihen Abschluß der Verwaltungsorga- nisation zu gelangen, gebe er und seine Freunde, wenn auch widerstrebend, den Plan auf, an Stelle der Lezirke die Pro- vinz zum Mittelpunkt der Staatsverwaltung zu machen. Die Provinz sei in hohem Maße ein Kommunalverwaltungs- körper, habe gewisse oberinstanzlihe Befugnisse wahrzunehmen unter Mitwirkung des Staals und der Laienelemente. Den Ober-Präsidenten seien einzelne bestimäte Verwaltungsbefug- nisse beigelegt, das Schwergewicht der ganzen Verwaltung liege in den Bezirken. Er sei also damit einver- standen, daß die Forst-, die Domänen- und die Schulverwaltung in Verbindung mit dem Regierungs- Präsidenten an dem Sie der Bezirksregierung organi- sirt werde; nur bezüglih der Steuerverwaltung sei ihm die Frage ihrex inneren Natur nah zweifelhaft; hier seien viel- leiht andere geographische Bezirke rationeller und die Errich- tung einer einzigen Steuerbehörde für die ganze Provinz vor- zuziehen, wie die bisherige Erfahrung, namentlich in Han- nover, gelehrt habe. Die Abtheilung des Jnnern bei der Regierung solle als Kollegium ausgehoben und, während Schul-, Finanz- und Steuerverwaltung kollegialisch blieben, bureaukratish organisirt werden. Die Kollegialität dieser Ab- theilung in Altpreußen sei auch früher schon stark angezweifelt ; in der neuen Organisation aber habe sie absolut keinen Play mehr, nachdem die Beschlußfähigkeit dieses Kollegiums unter die Mitwirkuna von Laien gestellt und wichtige Gebiete ganz ausgeschieden seien. Jn Bezug ©af die geographische Rege- lung dieser Einrichtungen möchte er Modifikationen für die Provinz Hannover befürworten. Nach der Vorlage solle Han- nover, das bis jeßt 6 Regierungen odex Landdrosteien habe, in 3 Regierungsbezirke getheilt werden, ohne daß überzeu- gende Gründe für diese Maßregel gegeben seien. BVilliger sei sie zwar, aber der Grund einer zu erreichen- den möglihst gleihmäßigen Vertheilung der Bevölke- rung auf die einzelnen Regierungen sei, wie das Beispiel der übrigen Provinzen und Staaten beweise, absolut nicht stich- haltig, ebensowenig der Hinweis auf die Landgerichte, bei denen eine folossale Differenz in der von ihnen umfaßten Bevölke- rungsziffer herrshe. Die Zahl könne nur insofern ein ent- \heidendes Moment sein, als die Verwaltung überhaupt noch zweckmäßig mit einer gewissen Bevölkerungszahl organisirt werden könne, und da werde man es den A nit verübeln können, wenn sie sih gegen die Aufhebung der Landdrosteien erklärt hätten, eine Jnstitution, die sih seit 1822 aufs Trefflichste bewährt habe. Die neue, geradezu aben- teuerliche Eintheilung, welhe Küsten- und Binnenland zusam- meénftuppele, werde man absolut nicht verstehen. Eine Ueberein- stimmung derx Verwaltungsbeamten und eine Kenntniß eines jo umfangreichen Bezirks werde unmöglich gemacht. Das sei jahlichJund politish niht zu verantworten. Seien die Land- drosteien in ihrem früheren beshränkten Geschästsumfange in der That auf die Länge nicht lebensfähig gewesen, so würden sie es jeßt, durch die bedeutende Erweiterung ihres Wirkungs- kreises, bestimmt nicht werden. Auch in den ältpreußischen Pro- vinzen werde sich, namentlich in Folge Ueberbürdung der Negierungs-Präsidenten, die Nothwendigkeit einer Verkleinerung der Regierungsbezirke herausstellen. Die Sache habe aber auh eine große politishe Bedeutung. Hannover sei 1866 gewaltsam der Monarchie einverleibt, die Wunden seien in den 14 Jahren noch nit vollständig vernarbt. Mögen au die Folgen in vielen Gebieten wohlthätig sein, so verleße cine solche gewaltsame Vereinigung doch alle Jnteressen, nicht blos Gewohnheiten und lieb gewordene Einrichtungen in so hohem Grade, daß noch heute das politishe Widerstreben gegen diese staatsrechtlichen Einrichtungen sehr groß sei. Schon jeßt führten diese Gegner das s{chwere Geschüß auf und sagten in den Blättern: da sehe man die preußische Tate N die reichen Domänen und Forsten der Provinz habe diejelbe gern genommen, ihren großen, meist mit Schulden nicht belasteten Eisenbahn- komplex lasse sie sich gefallen, aber um 25 000 Thaler zu sparen, wolle man nun alte werthvolle Einrichtungen nah der Schablone zushneiden. Die preußische Regierung sei stark genug gegenüber solhem Widerstreben, wenn es sich in un- geseßlicher Weise geltend mache, aber den Gegnern der Aus- gleihung der neuen und der alten Provinzen eine solche jahlih wirkende Waffe zu geben, wie es hier durch Zufammen- legung der Landdrosteien geschehe, sei außerordentlih {wer zu verantworten. Er hoffe, der Minister werde deshalb von diesem Gedanken zurückkommen. Die neue Vcrwaltungseinrich- tung, das Heranziehen von Laien in Kommunal- und Bezirks- verwaltung, sei mit großen Schwierigkeiten verknüpft ; die Laien könnten sih schwer mit diesen Geseßen, namentli der Provinzial- ordnung und dem Kompetenzgesehß zurehtfinden ; man habe zu viele Rechtsmittel undBehörden gehäufst, während dies in Baden, Hessen,

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hen Slaals-Anzeiger. __ 4889,

großen Theil entstanden aus dem Widerwillen in einem großen Theil des Beamtenthums gegen die Heranziehung von Laien bei wichtigen Entscheidungen und die Kontrole durch das un- abhängige Ober-Verwaltungsgeriht, deun es gebe Niemand gern von seinen Rechten etwas auf, und man übe nit gern in ganz neuen Formen seine Thätigkeit. Die Regierung hätte aber doch den niht blos widersprehenden, sondern auch ge- hässigen Aeußerungen über diese Gesete in Beamten-. entgegentreten sollen. Er hoffe, daß mit der Zeit ein freudiges Zusammenwirken zwishen Berufsbeamten und Vertrauensmännern ein- treten werde, aber sowie die Regierung Respektirung der Maigeseße von derx Kirche verlange, könne sie au von den Beamten verlangen, daß dieselben nicht die Verwaltungs- organisationsgeseze in den Augen der Bevölkerung herab- seßten. Welch große Rolle diese Verhältnisse in der Presse und bei den Wahlen spielten, jei bekannt. Die Forderungen nah größerer Vereinfahung und Uebersichtlihkeit verdienten aber Berücksichtigung. Jn der Richtung sei in den Vorlagen viel geschehen, es könne und müsse aber noch mehr geschehen ; dadur werde die Jnstitution populärer. Man müsse beson- ders in der Selbstverwaltung in vielen Fällen die leßte Jn- stanz an einer früheren Stelle abschließen. Das erleichtere nicht nux, sondern besleunige auch die Entscheidungen. Eine Be- \hrwerdeinstanz und eine Ober-Beschwerdeinstanz sei in untergeord- neten Angelegenheiten, z. B. bei Beschwerden eines Ortsärmen über die Höhe der Unterstüßung, nicht nöthig. Auf dem Ge- biete der Polizeiverwaltung habe man neben der Beschwerde, über welche in leßter Jnstanz das Dber-Verwaliungsgericht entscheide, noch ganz überflüssiger Weise die Klage gegeben, dur deren Anstellung der Unkundige sich häufig, ohne es zu wollen, des Rechts begebe, die Zweckmäßigkeit einer Verfügung anzugreifen; denn die Klage vetrefse nur die Rehtmäßigkeit, schließe aber die Beschwerde Über Unzweckmäßigkeit aus. Die Bestimmung sei in das Geseß nur dadur gekommen, daß die Einen in der Kommission die Beshwerde, die Andern die Klage für das geeignete Rechtsmittel gehalten hätten, darum habe man beides gegeben, Klage und Beshwerde. Der Vereinfachung wegen wolle die Vorlage auch in Städten mit über 10 000 Einwohnern den Kreisauss{huß resp. den Landrath über die Ortspolizei stellen. Das widersprehe dem faktisch - und historish berech- tigten Selbständigkeitstrieb der Städte; über diesen müsse. direkt die Bezirksinstanz stehen. Ganz unnöthig und nach- theilig sei die Theilung des Kreisaus)chusses in ein Verwal- tungsgericht und eine Beshlußbehörde, welche entgegen der Kreisordnung von 1872 durch die späteren Ge)eße, und zwar nicht etwa blos durch die Schuld der Liberalen eingeführt sei, denn der Abg. Miquel habe dem widersprochen, während ein angesehenes Mitglied dex fonservativen Partei, das er wegen seiner jeßigen hervot- ragenden Stellung im Hause nicht nenne, die Scheidung befürwortet habe. Die Regierung habe in der Kommission daran festgehalten und der Abg. Miquel habe s{ließlich nur aus dem Grunde nachgegeben, weil man nicht wisse, ob ohne solche Trennung in der mittleren Fnstanz die Verwaltungs- gerichte niht zu vel Bedeutung bekommen hätten. Wenn man nun die Verwaltungsgerichte für die ganze Monarchie einführe, so müsse man auf eine Vereinfachung in der mittlèren und unteren Jnstanz Bedacht nehmen, vorausgeseßt, daß dieGrundlage der Ver- waltungsgerichtsbarkeit nicht darunter leide. Die Motive verthei- digten die jeßigeEinrichtung besonders als eine besondere preußische Schöpfung. Aber daraus sollte man keinen Grund zum Fest- halten s{öpfen, da die anderen deutschen Staaten, welche Ver- waltungsgerichte eingeführt hätten, eine solhe Trennung nicht kennten, dieselben hätten vielmehr Gewicht gelegt auf ODeffent= lihkeit und Mündlichkeit, Sicherung der Fristen, Bestimmung der Rechtsmittel, auf Heranziehung von Laien und Einrich- tung eines Ober-Verwaltungsgerihts, das z. B. in Bayern große Anerkennung gefunden habe. Die Gleihmäßigkeit dieser Einrichtungen in ganz Deutschland sei hier gerade so, wie es in der Reichsprozeßgeseßgebung geschehen, viel mehr anzustreben, als das Festhalten einer preußishen Eigenthümlichkeit. Ein Eingreifen in Details behalte er sih sür die Kommissions- berathung vor: seine Freunde und er wünschten eine be- sondere Kommission von 21 Mitgliedern. Der Wichtigkeit der hier zu lösenden Aufgabe sei er sih bewußt. Zugleich wisse er, daß keine Partei im Hause die entscheidende Stimme über diese wihtigen Geseße für sih allein beanspruhen werde. Die Ziele derielben seien weder konservativ noch liberal, sondern be- dingten nothwendig ein Zusammenwirken aller politischen Par- teien, wie dies in Hannover vielfach auch auf den Gebieten der kommunalständischen Verwaltung durch absolute Auss{hließung der Politik vielfah gelungen sei. Wenn es gelinge, diese erweiterte Kommunalthätigkeit, die Mitwirkung au bei den obrigkeitlihen Geschäften auf die ganze Monarchie auszu- dehnen, dann werde man, so hoffe er, in wenigen Fahren ein neutrales Gebiet gemeinsamer Thätigkeit geschaffen haben, wie man es, angegriffen dur politische und kirGenpolitische Kämpfe und Angesichts der von der Sozialdemokratie drohen- den Gefahren nicht besser wünschen könne. Wie sich das Centrum zu diesen Vorlagen stellen werde, könne er im Augen- blickde noch nicht übersehen; die beiden großen Parteien aber, die liberale und die konjervative, müßten mit der Staats- regierung dahin wirken, das Unfertige und Unterbrochene in dem ganzen Zustande der Verwaltungseinrihtungen endlih zum vollen Abschluß zu bringen. Seine Freunde und er würden an der Lösung dieser Aufgabe, die das Haus wohl mehrere Sessionen beschäftigen werde, bereitwillig mitarbeiten. Der Abg. von A konstatirte die Uebereinstim- mung der Ansichten der konservativen und liberalen Partei in Betreff der Grundzüge der Reorganisation der Landes- verwaltung; es wäre daher wunderbar, wenn nicht eine Verständigung über diese Geseße 1 Stande kommen sollte. Na seiner Ansicht habe die konjervative Partei das beste Urtheil über den Werth und die bisherigen Wirkungen der Kreisoronung, da sie sich besonders aus den altpreußisGer Provinzen zusammenseße, wo die Kreisordnung eingeführt sei und weil sehr viele ihrer Mitglieder als Landräthe und sonstige

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kreisen etwas schärfer

Sa(lsen, Württemberg und Bayern vermieden sei. Das

Widerstreben gegen die neuen Geseße sei in Hannover zum

Verwaltungsorgane thätig scien. Nach einer sehsjährigen Erfahrung wolle seine Partei in Frieden und Gemeinschaft