1880 / 14 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 17 Jan 1880 18:00:01 GMT) scan diff

ist; 3) bezügli der Abfertigung von Mineralshmierölen dur |

den Beschluß zu 1 eine Beschränkung in den Abfertigungs- befugnissen der Amtsstellen nicht stattfindet.

—— Die Ausschüsse des Bundesraths für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr, sowie der Aus- {uß für Zoll- und Steuerwesen hielten heute Sißungen.

Jm weiteren Verlaufe der gestrigen (38.) Sißzung trat das Haus der Abgeordneten in die erste Be- rathung des Nachtrags zum Staatshaushalts- Etat für das Jahr vom 1. April 1880/81 (zur Ver- besserung der Havel - Wasserstraße Kehdenick - Lieben- walde, erste Rate: 500 000 Æ, und zuwtiKanalisirung des Mains von Frankfurt bis zum Mh, erste Rate: 800 000 4) ein. Der Abg. Frhr. von Minnigerode bemerkte, die Nachforderung von etwa 1!/; Millionen sei bei der jeßigen Finanzlage zwar keine angenehme Ueberraschung für das Haus, zumal schon in diesem und im vorigen Etat bedeutende Sum- men für Wasserbauten bewilligt seien ; indeß seine Partei meine, daß die Regulirung der großen Ströme unter allen Umständen durdzuführen sei und zwar dur Erhaltung der bestehenden und Ausbau der nothwendigen neuen Anlagen. Diese Meliorations- arbeiten hingen so eng mit der-Erleichterung der Kommuni- kation zusammen, daß man sich durch die schwierige Finanz- lage nicht davon abhalten lassen dürfe. Eine vorsichtige finan- zielle Prüfung der Vorlagen sei aber um so mehr geboten, als die Beträge nur als erste Rate verlangt würden, die Bewilli- gung also ein Engagement für die Zukunft in sich schließe. Er erkenne die Zweckmäßigkeit und Unabweisbarkeit der zwei- ten Forderung an, zumal im Hinblick auf die zu Kanalisi- rungen bereits bewilligten anderen Mittel. Zu den großen Strömen, die regulirt werden müßten, gehöre der Main, der als Nebenfluß des Rheins und wegen seiner centralen Lage in Deutschland vielleicht ebenso bedeutend sei, wie die Weser; die Neguliru"g dieses Flusses werde besonders zur handels- politishen Entwickelung Frankfurts beitragen. Dagegen habe er erhebliche Bedenken wegen der ersteren Position (Zehdenick- Liebenwalde), dessen Nothwendigkeit erst nahgewiesen werden müsse. Er und seine Freunde träten der Vorlage wohl- wollend gegenüber und bäten um Ueberweisung der Vorlage an die Budgetkommission.

Der Abg. Labes dankte dem Vorredner für die der Re-

gulirung des Mains entgegengebrahte Sympathie; und da das Haus im vorigen Jahre eine diesbezügliche Petition der Frankfurter Handelskammer der Regierung zur Berücksichti- gung überwiesen habe, so hoffe er, daß die Vorlage den Bei- fall des Hauses finden werde. Er halte die Anlage des Main- lanals für eine Lebensfrage für die Stadt Frankfurt. Aber nicht blos die Stadt selber sei dabei interessirt, auch andere allge- meine, insbesondere militärische Rücksichten kämen hierbei in Frage. Er bitte, bei der kommissarishen Berathung in Er- wägung zu ziehen, ob nicht die der Stadt Frankfurt hierbei aufzuerlegenden Lasten vermindert werden könnten, besonders deshalb, weil die Grundlagen des Gedeihens der Stadt Frank- furt sich seit einiger Zeit bedenklih verschoben hätten. Die veränderte Münzwährung und die Errichtung der Reichsbank hätten auf den G:ldhandel dex Stadt Frank vxt, der früher den Schwerpunkt ihres Erwerbes gebildet habe, einen sehr nachtheiligen Einfluß geübt, der auch in Süddeutsh- land, z. B. bei Augsburg, hervorgetreten sei. Die Kenner der Frankfurter Verhältnisse hätten es daher {on längst für nothwendig gehalten, den Kapitalreihthum der Stadt in anderen Anlagen nußbar zu machen; die rank- furter Jndustrie müsse andere Wege einschlagen. Dazu brauche man nothwendig die Verbindung mit dem Rhein dur eine Wasserstraße. Wie ungenügend die anscheinend natürliche Straße des Mains sei, ergebe sich daraus, daß nach einer 10¡ährigen Beobachtung zwei Drittel dieser Zeit der Main eine Fahrticfe von noch niht 3 Fuß gehabt habe. Während 1851 nahezu 1 Million Centner Kohlen vorzugsweise durch Wasserfraht nah Frankfurt eingeführt seien, sei nach einem Bericht der Handelskammer 1878 noch nicht ein Centner Kohlen zu Wasser hineingekommen. Wegen ihrer Ungleich- mäßigkeit und Unberechenbarkeit werde die Wasserstraße \{ließ- lih ganz vernachlässigt. Nur kleine Schiffe könnten regelmäßig nah Frankfurt herauffommen und die Umladung sei mit so bedeutenden Kosten und Gefahren verknüpft, daß man es vorziehe, eine höhere &Fracht zu bezahlen, als sih den Gefahren und der Un- sicherheit der Mainschiffahrt preiszugeben, obwohl die Kohlen- fraht auf der Eisenbahn 331/, bis 50 Proz. theurer sei als zu Wasser. Die Stadt habe ihr spezielles Interesse an der Anlage schon dadurch vertreten, daß sie alle Kosten der Hafenanlagen und der Anlagen für die Sicherheit des Ver- kehrs übernommen und hierfür troß ihrer shwierigen Finanz- lage schon 1 150000 M bewilligt habe. Der Staat aber hade, abgesehen davon, daß die Anlage bedeutenden Etablisse- ments auf preußischem Gebiete am Unter-Main zu Gute fomme, ein großes Jnteresse daran, daß eine Stadt, wie Frankfurt, niht in ihrer ganzen Existenz geschädigt werde. Man zahle dort pro Kopf der Bevölkerung 20 46 69 an Steuern gegen 16,87 a in Cöln, 14,26 M in Berlin, 13,03 M4 in Magdeburg, 11,28 J in Breslau, 9,71 # in Hannover, 8,02 f in Königsberg. Die Steuerkraft Frankfurts sei also gegenüber den andern preußischen Städten ganz enorm dank- bar, Die Vorlage habe aber auch ein militärisches «Fnteresfe, ini- dem sie Frankfurt in eine wohlfeile und sichere erbindung mit den rheinischen Festungen bringe. Die Stadt Frankfurt sei der Regierung für die Vorlage, deren Annahme er hoffe, besonders dankbar.

Der Abg. Berger erklärte sich zwar mit der vom Abg. von Minnigerode geäußerten Nothwendigkeit des Sparens unter den gegenwärtigen Finanzverhältnissen vollkommen ein- verstanden; indeß sei er der Ansicht, daß man nur bei ge- eigneten Objekten sparen dürfe. Jm Eisenbahnbau habe man große Summen angelegt, während für den Wasserbau in beiden leßten Dezennien wenig geschehen sei, derselbe sei stets das Aschenbrödel der Verwaltun gewesen ; und wenn jeßt die Regierung einen kleinen Anlauf nehme, von diesem Wege ah- zugehen, so solle die Volksvertretung sie darin unterstüßen. Was die Frage der Mainregulirung anlange, so sprächen ver- schiedene Mitglieder des Hauses inkorrekter Weise von einer Kanalisirung des Main, ein im A Jahre ins Auge

efaßtes, jeßt aber verlassenes Projekt. Gegenwärtig beabsichtige ie Regierung in Uebereinstimmung mit den angrenzenden Nachbarregierungen und mit den Interessen von Frankfurt nicht eine Kanalisirung, sondern eine Regulirung des Mainstromes, so daß die jeßt so mangelhafte Wassertiefe, die der Abg. Labes auf etwa 3 Fuß angegeben habe, auf 6 FUß dadur gebracht

rojekt sei, wie er von sachverständiger Seite höre, durhaus zweckentsprehend, und er bitte deshalb um Bewilligung der geforderten Summe in dex Budgetkommission. Eine Berathung in einer Kommission halte er {hon des- halb für nöthig, weil die Regierung die erwartete Denk- schrift über die Sache nit vorgelegt habe. Die Erläu- terungen zum Nachtragsetät bezügli dieser beiden Po- sitionen seien außerordentlich mager und die eingehende Kom- missionsberathung sei deshalb um so nothwendiger. So sei 3: B. aus den vorliegenden Erläuterungen gar nicht zu er- sehen, in welher Weise sih die Staatsregierung den zukünf- tigen Betrieb auf dem Main denke. Sei dieselbe der Ansicht, daß man, unter Beibehaltung des seitherigen, sehr mangel- galten Schiffahrtsverkehrs, lediglich die kleinen Fahrzeuge, die ih auf dem Main bewegen könnten, nur mit Fähren den Main aufwärts bewegen lassen wolle oder wolle man den Betrieb mit Schleppdampfern ins Auge fassen? Diese Fragen bedürsten der eingehendsten Erwägung in der Budget- kommission. Wenn die Mainschiffahrt das für den Handel von Franksurt auf dem Obex - Main erfüllen solle, was man von ihr erwarte, dann müsse seiner Meinung nah die Regulirung des Main in der Weise erfolgen , daß eine Kettenschleppschiffahrt errihtet werden müßte, wie sie seit mehreren Jahren auf dem Elbsirom zum großen Segen der Schiffahrt und in etwas modifizirter Weise au auf dem Nhein be- stehe. Dazu sei aber nothwendig, daß die Schleusen ent- sprechend angelegt würden. Bei der Schleppdampfsschiffahrt fönnten die Schleusen kleiner sein, als bei der Kettenschlepp- schiffahrt. Diese Fragen seien entscheidend dafür, ob die jeßt ins Auge gefaßte Negulirung des Main eine dauernde und ihre Zwede erreichende sein oder ob sie nur Stückwerk bleiben werde. Auch das erste Projekt (die Regulirung der Havel) sei nah seiner Ansicht nothwendig, und er hoffe, daß die Budgetkommission beide Vorlagen billigen werde.

Der Staats-Minister Maybach erklärte, die Regierung habe es anfangs bei der jeßigen Finanzlage für bedentlich gehalten, mit einer Geldforderung in dieser Beziehung vor das Haus zu treten. Jndessen das Bedürfniß und die Zweck- D E n a dieser Anlagen seien so triftig, daß schon jevt eine Regelung der Verhältnisse erfolgen müsse. Er danke den Vorrednern für ihr Wohlwollen gegen das zweite, und dem Abg. Berger für die gleihe Befürwortung des ersten Projekts. Die nähere Aufklärung über die Zweckmäßigkeit und Dringlichkeit der Anlagen und den künftigen Betrieb der Mainschiffahrt werde am geeignetsten in der Budgetkommission gegeben werden. Das vollständige Material liege vor und die Ausarbeitung der Denkschrift sei nur, um eine ungebührlihe Verzögerung zu vermeiden, unterblie- ben. Er bitte au die erste Forderung wohlwollend zu be- handeln ; die Regierung hätte dieselbe hon im vorigen Fahre motiviren können, habe aber erst Erhebungen über ihre Dringlichkeit veranlaßt, welche leßtere nunmehr völlig erwie- sen sei. Bei der zweiten Forderung handele es sih darum, Pronian gewi}fermaßen.„au- de Rhein zu verlegen, um ihm einé De Es _guößtes Häündelsemporium des Westens zu sichern. Das Projekk entspreche diesem Zweck. Die Re- gierung habe den besten Willèn, nit blos die Eisenbahnen, jondern auch die Wasserstraßen in den Zustand zu bringen, E öffentlihen Jntèrésse nah allen Richtungen hin ent- präche.

Der Abg. Schmidt (Stettin) spra \ich für die Vorlage aus, indeß müsse man zuerst auf Erhaltung der Leistungs-

fähigkeit der bestehenden Wasserstraßen Bedacht nehmen, bevor man für Neubauten Geld ausgebe. Bei der vorjährigen Vor- lage, betreffend die märkishen Wasserstraßen, sei gesagt, die Verzinsung würde dur Schleusengelder gedeckt werden. Da- von sei bei dem Projekt Zehdenick-Liebenwalde bis jeßt nicht die Rede. Die Budgetkommission könne aber diese Bestim- mung noch treffen. Von der bayerischen und der hessen-darm- städtischen Regierung, welche / die Mainregulirung ebenfalls nteressire, scheine ein Beitrag zu den Kosten nicht zu erlan- gen gewesen zu sein ; die Regierung habe daher mit Recht die Anlage nun selbständig in die Hand genommen. Die Stadt iMainz, in welcher jeßt die Umladung aller Rheinschiffahrte- ladungen für Frankfurt erfolgen müsse, behaupte man, werde durch dieses Projekt in ihrem Handel Ee Die hessen- darmstädtishe Regierung scheine aber diese Beschwerde nit G denn sie habe sih ihr niht angeschlossen. Ér halte diese Beshwerde niht für gerechtfertigt, und hoffe, die Budgetkommission werde das Projekt billigen.

: E Vorlage wurde darauf der Budgetkommission über- wiesen. :

Es folgte die zweite Berathung des Geseßentwurf, be- treffend die Aufhebung des Verhältnisses der vagirenden und Gastgemeinden in der evangeli-

hen Kirche der Provinz Schlesien.

S. 1, der den betreffenden Gemeinden bis zum 1. Januar »1883 Frist giebt, sih einer {hon Lestehenden Parochie anzu- "schließen oder selbständig eine solhe zu bilden, wurde ohne Debatte genehmigt.

_§. 2 hebt außer den bezüglihen Bestimmungen des allge- meinen Landrechts auch alle entsprechenden Observanzen, statu- tarishen Bestimmungen und Zuschlagsdekrete für die evan- gelische s{lesische Kirche auf.

Dex Abg. Schmidt (Sagan) befürwortete prinzipaliter, den Entwurf gänzli abzulehnen , eventuell zu §. 2 folgendes Ae anzunehmen, Folgendes hinter „Zuschlagsdekrete“ einzuschalten :

„desgleichen die Observanzen und Gewohnheiten über die B. i- tragspfliht der den Gastgemeinden gegenüber stehenden einge- pfarrten Gemeinden.“

Der Megierungskommissar Gch. Ober - Reg. - Nath Dr. Bartsch erklärte , dem Antrage nicht zustimmen zu können, da durch denselben der Zweck des Geseßes, die Gleichstellung der Pflichten der Pfarr- und Gastgemeinden, wieder illuso- risch gemacht werde.

Auf eine Anfrage des Regierungskommissar, daß di lich auf die evangelische und nicht Schlesiens beziehe.

T: Gringmuth erwiderte der e Wirkung des Gesezes si ledig- auf die katholische Kirche

Der Abg. von Liebermann bedauerte, mit seinen Freun- den nicht für den Antrag Schmidt stimmen zu Tönnen, da es

sich hier nur darum handle, die Gemeinden einzupfarren, nicht aber eine geseßliche Negelung der mannigfachen Beitragsobser- vanzen vorzunehmen. Es stehe ja den Verpflichteten zu, auf eine Aenderung der derzeit bestehenden statutarischen Bestim-

mungen hinzuwirken.

werden solle, daß an geeigneten Stellen Nadelwehre angelegt und die für die Schiffahrt durh den Strom geschaffenen

Der Abg. Schmidt (Sagan) bemerkte, er könne diese Ar- gumentalion nicht für zutreffend erachten, außer der Ordnung

Aae wieder durch Sghleusen beseitigt würden. Das

der Pfarrverhältnisse würden in dem Entwurf allerdings auch vermögensrechtlihe Bestimmungen tangirt. Die einseitige Aufhebung der Zuschlagsdekrete sei eine Ungerechtigkeit.

Der Regierungskommissar erwiderte, die Realabgaben der Gemeinden würden durch dies Geseß nicht berührt.

Nach einigen Bemerkungen des Abg. Dr. Franz wurde §8. 2 unter Ablehnung des Amendements Schmidt angenommen.

Nach §. 3 sollten die niht bis zum 1. Januar 1883 selbständig gewordenen oder einer Parochie einverleibten Gast- gemeinden von da ab als - zu derjenigen Kirche eingepfarrt gelten, zu denen sie bisher zugeschlagen seien. Die deu seither Eingepfarrten oder den Mitgliedern der Gastgemeinden obliegen- den Reallasten sollten dadur nicht berührt werden.

Der Abg. Schmidt (Sagan) beantragte, die Mitglieder der Gastgemeinden zu den Ausgaben für Kirchenbauten und Reparaturen nur zur Hälfte des Betrages heranzuziehen, welchen die Eingepfarrten zu zahlen hätten; er empfehle diesen Antrag mit dem Hinweis darauf, daß die Mitglieder der Gastgemeinden niht am Kirchorte wohnten und deshalb nicht alle diejenigen Vortheile genössen, welche die Eingepfarrten von der Kirche hätten; eine ähnliche Bestimmung gelte in Bezug auf die Schule für die niht am Schulorte wohnenden Schulväter.

Der Abg. Dr. Franz bat, den §. 3 abzulehnen, er könne begreifen, daß der Staat Veranlassung nehme, die betreffenden Paragraphen des Landrechtes, welhe das Gastgemeindever- hältniß staatlich sanktioniren, aufzuheben ; weiter dürfe die Re- gierung aber niht gehen. Die Verhältnisse innerhalb der Kirche zu ordnen, sei Sache der Kirche, sobald sich der Staat damit befasse, greise derselbe in das Recht der Kirche ein.

Der Abg. Gringmuth erklärte im Gegensaße gegen den Abg. Franz, daß der Staat vollkommen berechtigt sei, diese Verhältnisse von sih aus zu regeln.

Der Abg. Maiß trug im Auftrage der Petitionskommission eine Petition aus Lauban vor, welche darum bitte, den Hauptgemeinden, welhen Gastgemeinden zugeshlagen werden sollten, das Recht zu geben, wegen besonderer sih daraus er- gebender Verhältnisse statutarishe Bestimmungen zu treffen. Die Petitionskommission beantrage eine dahin gehende Aen- derung des 8. 3,

Der Negierungs-Kommissar bat um die Ablehnung dieses Antrages, da es nicht Aufgabe des Gesetzes sein könne, der- artige vereinzelt vorkommende Verhältnisse dur allgemeine Vorschriften zu regeln.

Der Abg. Burghardt pflichtete diesen Ausführungen bei, während der Abg. Dr. Brüel diese einseitige Staatsgeseß- S ebenfalls für einen Versloß gegen die Verfassung erflärte.

Der Abg. von Liebermann entgegnete, daß die Kreis nos sowie die s{lesische Provinzialsynode einstimmig die Regierung ersuht hätten, diese Angelegenheit durch ein Staatsgeseß zu ordnen, da die darauf zielenden Bemühungen der Kirchenbehörden bisher vergeblich geblieben seien.

Hierauf wurde §, 3, sowie der Rest des Gesehes unver- ändert genehmigt.

Es folgte die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, be- treffend die Bestreitung der Kosten für die Bedürf= nisse der Kirchengemeinden in den Landestheilen des linken Rheinufers.

Zu 8. 1 lag ein Antrag des Abg. Dr. von Cuny vor, wonach auch die aus privatrechtlihen Titeln entspringenden Nechte der bürgerlichen Gemeinden unberührt bleiben ollten. Nachdem der Regierungskommissar \ich für das Amendement: ausgesprochen, wurde §. 1 mit demselben angenommen.

Die §8. 2 und 3 wurden ohne Debatte genehmigt.

Zu 8. 4, welcher lautet :

„Den bürgerlihen Gemeindebehörden {teht die Benugzung der Kirwenglockn bei feierlihen oder feftlihen Gelegenheiten, bei Un- S oder ähnlidben Veranlafsungen zu, ingleichen die Fort-

enußung der in den kirlihen Gebäuden befindlichen, feuerpoli- zeiliden Zwecken dienenden Lokale.

Zur Sicherstellung und Regelung dieser Befugniß kann der Regierungs-Präfident die erforderlihen Anordnungen treffen.“

lagen eine Reihe von Anträgen vor:

1) Ein Antrag der Abgg. Neßler und Gen., wel{he fol - gende Fassung des Alinea 1 vorshlugen: „Die bürgerlichen Behörden sind berechtigt, die Kirchenglocken bei Feuers- und Wassersnoth und in ähnlichen Fällen läuten zu lassen.“

2) Ein solcher des Abg. von Cuny, von Eynern und Gen., welche beantragten: Jm §. 4 Absatz 2 statt der Worte „rann bis treffen“ zu seßen: „hat . . . . zu treffen.“

3) Ein Antrag der Abgg. Bachem und Windthorst, dahin lautend: Jn §. 4 die Worte „bei feierlihen und festlichen Gelegenheiten“ zu streichen.

4) Endlich s{lugen die Abgg. Simon Dr. Grimm und Gen. folgende Fassung vor:

, „Auf Veranlassung der bürgerlihen Gemeindebehörden sind. die Kirchenglocken bei Feuers- und Wassersnoth und in ähnlichen Fällen zu läuten.

Der Oberpräsident feßt nah Anhörung der kirchlicben Ober- Behörden diejenigen feterlihen und festlichen Gelegenheiten nicht kirchlihen Charakters fest, bei welchen die Kirchenglocken zu bes

nuten sind.

f Fortbenußung der in kirchlihen Gebäuden befindlichen feuerpolizeilihen Zwecken dienenden Lokale steht den Gemeinde- behörden auch ferner zu.“

Der Abg. Neßler bezeihnete als den Zweck feines An- trages, unliebsamen Kompetenzstreitigkeiten zwischen kirchlihen und bürgerlihen Gemeinden vorzubeugen. Schon alte Ge- bräuche bewiesen, daß die Glocken niht nur für liturgische, sondern auch für bürgerlihe Zwecke bestimmt seien. Diese Gebräuche, bei Feuer- und Wassersnoth die Kirchenglo&en zu rühren, müßten gewahrt werden.

Der Abg. von Eynern hoffte, daß heute keine Kultur- lampfwogen sich erheben würden, wenigstens wolle er schon vorher Del in dieselben gießen. Bei der jeßt vorzunehmenden Eigenthumsübertragung stellten die jeßigen Besißer ihre Be- dingungen, und dazu seien sie berehtigt. Sein Antrag habe den Zweck, dauernd auf diesem Gebiete Frieden zu schaffen, indem derselbe die Befugnisse der Civilgemeinden, für bürger- lie Angelegenheiten die Glocken zu rühren, geseßlih regele. Dadurch werde au vermieden, daß in Nothfällen der Bürger- meister auf Grund seiner polizeilihen Gewalt das Läuten der Glocken erzwingen müsse.

Ver Abg, Simon von Zastrow glaubte, daß in gewöhn- lichen Zeiten kein Streit zwischen bürgerlichen und kir{lihen Behörden über die Fälle entstehen werde, in denen bei bürger- lichen Festlichkeiten die Kirchenglockten geläutet werden sollten. Aber für die Zeit des Streites und der Zwistigkeit müßte diese Grage, im Voraus generell geregelt werden, Um dies möglichst einheitlich zu thun, werde in seinem Antrage dex

von Zastrow,

Ober-Präsident als entscheidende Jnstanz hingestellt, aber der- selbe sei zur vorherigen Anhörung der kirhlihen Oberbehörden beider Konfessionen verpflichtet. Für die anomalen Fälle, wo die kirhlihen oberbehördlien Stellen nicht beset seien, brauche das Geseß keine Vorsorge zu treffen. Hoffentlih werde diese Anomalie noch eher beseitigt, als diese Vorlage Gesetzeskraft erlangt habe. Das Glockenläuten müsse stets der sachverständige Glöcner besorgen; Verzögerung entstehe dadurch nicht.

Dex Abg. Dr. von Cuny wies darauf hin, daß sein Antrag bereits im rheinishen Provinzial-Landtag gestellt sei. Der- selbe beuge genügend etwaigen Chikanen der lokalen Civil- behörden vor, indem derselbe ihrer Willkür durch ein Regle- ment des Negierungs-Präsidenten Schranken seße. Der An- trag von palrow Aihere nur das Requisitionsrecht der Ge- meinden, bestimme aber nicht, was geschehen solle, wenn der Nequisition niht Folge gegeben werde. e

Der Abg. Bachem bestritt, daß den linksrheinishen Ge- meinden ein Eigenthumsrecht an den Kirchen e. Ein ent-

egenstehendes Erkenntniß des Ober-Tribunals sei nie in das Mechtabewußtfein des Volkes eingedrungen; auch die rheini- schen Jnstanzgerichte hätten stets gegen das Präjudiz erkannt. Es sei ein uraltes Recht der kirhlihen Gemeinden, allein bei firlihen Angelegenheiten mit der Glocke zu läuten. Man habe kürzlih am Niederrhein acht Tage lang gar nit geläutet, um die Gefahr des Eisganges sofort um fo auffälli- ger dur Gloengeläute anzukündigen. So komme die kirch- lihe Behörde den Bedürfnissen der Allgemeinheit entgegen. Sie lasse läuten am Geburtstage des Landesherrn und bei allgemeiner Landestrauer, aber der Benußung der Glocken bei angeblichen Volksfesten müsse er im Sinne seines Antra- ges entschieden widersprehen. So sei Sedan am Rhein fo fulturkämpferish-demonstrativ gefeiert worden, daß die Zu- muthung an die katholische Geistlichkeit, an diesem Feste die Kirchengloden läuten zu lassen, eine Beleidigung sei. Der Abg. Knebel repräsentire auf dem linken Rheinufer keinen Volksstrom, wie derselbe bei der ersten Lesung dieser Vorlage behauptet habe. Die Nationalliberalen dort seien zu zählen und konservativ angehauht, denn neben Knebel sei der Finanz-Minister Bitter gewählt worden. Er müsse sih gegen die ie Weise erklären (der Präsident rügte diesen Aus- druck als unparlamentarisch), in welcher sich der Abg. Richter bei der ersten Lesung dieser Vorlage gegen einen angeblichen Unfug eines jeßt gesperrten Klosters in Düsseldorf, welches stets um Mitternacht läute, ausgesprochen habe. Einen solchen Ton nehme die Fortschrittspartei stets bei der Besprechung kirhliher Angelegenheiten an. Ein Katholik \toße sich nicht daran, wenn bei Nacht geläutet werde. Daß man gegen das Kloster zu Düsseldorf habe einschreiten wollen, sei nur auf Betreibung der Radikalen geschehen, die dem Kloster gern hätten etwas anhängen wollen. Prinzipiell empfehle er seinen Antrag, eventuell sei der Antrag Grimm von allen übrigen gestellten Anträgen der relativ beste und verdiene den Vorzug vor der Regierungsvorlage.

Der Abg. Dr. von Cuny mißbilligte das Verfahren des Vorredners, die dur aue Familienverhältnisse veranlaßte Abwesenheit des Abg. Knebel zu einem so persönlichen, mit der Sache gar nicht in Zusammenhang stehenden, persönlichen Angriff zu benugzen. i : :

Der Präsident erklärte, daß es bisher nicht Sitte gewesen sei, bei einem Redner derartige Absichten vorauszuseßen.

Der Abg. Dr. von Cuny fuhr fort: er überlasse es dem Hause, zu beurtheilen, ob die Wahlangelegenheiten des Abg. Siber mit dieser Vorlage in irgend einem Zusammenhange

änden,

Hierauf ergriff der Minijter des Jnnern Graf zu Eulenburg das Wort:

Meine Herren, Sie werden nit von mir verlangen, daß ih auf die überaus schwierigen und zu vtelfacßen Kontroversen Veran- lassung gebenden Nechtsfragen über das Eigenthum an den Kirchen- gebäuden in den Landestheilen des linken Rbeinufers bier näher ein- gehe; so viel aber, glaube ic, geht selbst aus den Anführungen des Abg. Bachem hervor, daß die Frage keineswegs so zw.ifello3 ist, als er sie darzustellen si bemüht hat. Wie viel Streit indessen in früherer Zeit darüber stattgefunden haben mag, so hat sih toch die mit den angeführten Obertribunalserkenntnissen übereinstimmende Ansicht auf unserem linken Rheinufer bei den Gemeiuden und Kirchenbehörden Geltung verschafft , eine Ansicht, welche mit der konstanten Praxis der höchsten französischen Gerichts- hôfe, welche dieselben rechtlichen Unterlagen haben, durchaus überein- stimmt. Gelbft aber, meine Herren, wenn in dieser Beziehung ein Stlfel bleiben sollte, so ift nicht allein das nacktie Eigenthum der

emeinden an den Kirchengebäuden die Unterlage der Berechtigung für die Mitbenußung der Glockten Seitens der bürgerlichen Gemein- den, sondern es ist der durch eine lange Gewohnheit befestigte und in der That in der allgemeinen Meinung der Bevölkerung der dor- tigen Gegend lebendige Rechtszustand, daß der bürgerlichen Gemeinde zin gewisses Mitbenußungsreht an den Glocken zusteht. Ebenso ist von jeher die Befugniß für die Staatskehörden in Anspruch ge- nommen worden, die Avsübung dieses Rechts zu regeln. Nach der einen Seite ift dieses Recht voll und auédrücklich begründet in Art. 48 der sogenannten organischen Artikel. Ja, meine Herren, nah der einen Seite nämli gegenüber dem Mißbrauch der Gloten zu dazu nicht geeigneten Zwecken beruht das Recht der Staats- behörde, darüber Verordnungen zu treffen, auf Nr. 48 der organi- schen Artikel. Aber, meine Herren, auch nah der anderen Nich- tung, hinsihtlichß der Mitbenußgung der Glockten Seitens der bürger- lien Gemeinden, hat das Necht, die Sachen in angemessener Weise zu regeln, die Staatóbehörde stets in Anspru genommen und von demselben Gebrauch gemacht. Ih bin in der Lage, Ihnen eine rbdung der Regierung zu Cöln von 1843 mitzutheilen, welche aulei;

Mit Bezug auf Art. 48 der organishen Artikel vom 26. Messidore IX., die Einrihtung des Kultus betreffend, S wir hiermit den seither an mehreren Orten üblich gewesenen Ge- brauch der in katholischen Kirchen befindlichen Glocken für Ankün- digungen öffentlicher Verkäufe, Versteigerungen und für ähnliche mit den Bestimmungen der Glocken nichts gemein habende Zwecke. Dieselben dürfen demnach für die Zukunft nur entweder sür den kTirhlihen Gebrauch nah Maßgabe der dafür bestehenden befon- deren Verordnungen, oder bei Eintreten plößlicher Gefahr, sei es Stu oder Wassersnoth, benußt werden, sowie auc, inso- ern dies der ODertlichkeit nah nothwendig erscheint, zur Verkündi- gung obrigkeitlicher Verordnungen und endlich zur öffentlichen Feter irgend eines wichtigen Landesereignisses, wenn das Glodengeläute durch dafür kompetente Be-

hörden angeordnet ist.

Meine Herren, diese Verordnung is damals dem Erzbischof von Geissel mitgetheilt und von demselben ein Widerspruch dagegen nit erhoben worden. Meine Herren, ich sollte meinen, daß dies ein voil- gültiges, ein durgreifendes Zeugniß dafür ist, daß der §. 4 der Vor- lage in der That nichts Anderes bezweckt, als einen bestehenden Rechtszustand zum Ausdruck zu bringen und weitere Streitigkeiten zu hindern. Jn diesem Sinne allein, meine Herren, ist er in das Gefeß aufgenommen und ih glaube deshalb berechtigt zu sein, über jedes Wort, welches in Bezug auf den Kulturkampf hierbei verloren worden ist, hinweggehen zu können, Nur einige Ausführungen des

[etten Herrn Redners nöthigen mi, zurückzukommen, nicht auf den Kultarkawpf, aber auf ein thatsächliches Verhältniß, welches beweist, wie nothwendig die Regelung dieser Angelegenheit ist. Meine Herren, ih bin nicht in der Lage zu behaupten, ob auch am linfen Rheinufer, alter in anderen Gegenden ift mir allerdings der Lall bereits vorgekommen, daß die Mitwirkung des Kirchengeläuts, ja die Feier des Gottesdienstes, an allgemeinen Landesfesltagen in Grage gestellt worden ift. Daraus, meine Herren, {ließe ic, daß die Befugniß der Landesb.hörden, darüber Anordnungen zu treffen, geseßlih siber gestellt werden muß. Ich denke, wenn es in die Hände einer hohen und verantwortlichen Behörde gelegt wird, in dieser Beziehung ein Reglement zu erlassen, dann werden Sie in der That daria eine genügeade Garantie finden, daß das nicht ge- schehen wird in einer frivolen und die Kirche verleßenden Weite. Darum, meine Herren, bitte ich Sie, den §. 4, wie er durch die Beschlüsse des Herrenhauses festgestellt ist, anzunehmen. Jch glaube nicht, daß durch eines der gestellten Amendements eine wesent- lihe Verbesserung der Sache herbeigeführt werden würde; im Gegentheil, ich glaube, daß dieselben nur die Hervorrufang neuer Streitigkeiten zur Folge haben würden. Selbst das Amendement von Cuny, welches wünscht, daß der Erlaß solcher Neglementz nicht in das Belieben des Regierungs-Präfidenten gestellt, sondern ihm obligatorisch auferlegt werden möge, selbst dies verdient nicht den Vorzug vor den Beschlüssen des Herrenhauses. Denn wo die Sache sich im Allgemeinen friedlich gestaltet, und das if ja glücklicher Weise zum größten Theil der Fall, da bedarf es keiner Anordnung und da mag man das bestehende Verhältniß ganz ungestört lassen und keine Reglements erlassen. Jh empfehle Ihaen wiederholt die Annahme der Beschlüsse des Herrenhauses. :

Die Diskussion wurde geschlossen. Es folgten persön- lihe Bemerkungen der Abgg. Bachem und von Eynern. Der Abg. Richter bemerkte, er hätte wenigstens geglaubt, daß bei - dem Glockenmißbrauch in Düsseldorf historisch aus der e einsamen Lage der Klöster sich ein Grund an- führen ließe für den Unfug, daß, um einige Mönche zur An- dacht zu rufen, um Mitternacht, wo die ganze Stadt, ein- shließlich der Katholiken, im Schlafe liege, ein minutenlang andauerndes Geläute im Umkreis von 20 Minuten die Um- wohner, natürlih ohne Unterschied der Konfession im Schlafe gestört habe. Daß man dafür dem Kloster einmal die Fenster eingeworfen habe, habe er heute erst erfahren. Es sei erfklär- li, wenn in Ermangelung des Rechtsschußes die Umwohner t Selbsthülfe griffen und der Unfug sih gegen den Unfug cyre.

Bei der Abstimmung über den Antrag von Zastrow wurden die Worte „nach Anhörung der kirhlihen Oberbehör- den“ mit 152 gegen 137 Stimmen aufrecht erhalten und darauf dieser Antrag an Stelle des 8. 4 unverändert ange- nommen, und ebenso ohne Debatte die übrigen Paragraphen der Vorlage. :

Hierauf vertagte sich das Haus um 5 Uhr.

In der heutigen (39.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister des Jnnern Graf zu Eulcnburg, der Finanz-Minister Bitter und mehrere Re- gierungs-Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident mit, daß ein Geseßentwurf, betr. da 8 Höferecht in der Provinz Hannover, eingegangen sei. Darauf trat das Haus in die zweite Berathung des Geseh- entwurfs ein, betreffend die Bewilligung von Staats- mitteln zur Beseitigung: des vdurG Ueber- schwemmung und Mißernke herbeigeführten Nothstandes in Oberschlesien. Nachdem der Re- ferent der Budgetkommission, Abg. Frhr. von Minnigerode, die Annahme des 8. 1 der Regierungsvorlage unverändert empfohlen hatte, wies der Abg. Dr. Bitter (Waldenburg) die von dem Abg. Dr. Virchow bei der ersten Berathung dieser Vorlage gegen den Großgrundbesiß in Oberschlesien, nament- lih gegen den Fürsten von Pleß gerichteten Angriffe als durchaus unbegründet zurück. Der Fürst von Pleß erfülle niht nur seine geseßlichen Verpflichtungen für Squlleistungen, sondern gehe in Bethätigung des Grundsaßzes „Noblesse oblige“ noh weit darüber hinaus. Der orwurf des Abg. Lowe (Derlin), daß der Für von Pleß aus egoistishen Motiven den Kohlenbergbau auf seinen Besißungen unterlasse, sei durhaus unmotivirt; durch einen solchen Bergbau würde die Ueberproduktion und somit die Kalamität noch vermehrt werden. Den niedrigen Löhnen, die der Abg. Schröder (Lippstadt) so sehr getadelt habe, ständen in Ober- {lesien entsprechend niedrige Preise gegenüber. Nicht allein Oberschlesien leide unter einem Nothstande, sondern auch die Weberdistrikte in seinen Heimathskreise Waldenburg. Die Regierung und das Haus möge über die armen Oberschlesier die armen Niederschlesier nicht vergessen.

Der Abg. Dr. Virchow entgegnete dem Vorredner, daß seine Behauptungen über den Großgrundbesiß in Oberschlesien sih basirten auf Erklärungen, welche der Abg. Graf Bethusy- Huc, auch ein oberschlesisher Großgrundbesißer, der gewiß ein kompetenter Beurtheiler solher Verhältnisse sei, als Referent der Petitionskommission in einem Berichte über eine bezüglihe Petition niedergelegt habe. Er halte seine Behauptung aufreht, daß eine Hauptquelle des obershlesishen Nothstandes das dortige Verhältniß zwi- schen dem Groß- und Mer 16 sei, und wenn die liberale Partei einst zur nöthigen Macht gelangen werde, dann werde sie dem Maioratswesent ein Ende machen. Schon der gewöhnliche Zustand in Oberschlesien sei kein normaler, man dürfe deshalb den oberschlesishen Nothstand nicht in Parallele stellen mit Nothständen in anderen Landestheilen. Dort müsse die Staatshülfe von vornherein freigebiger sein. h aa Schlusse des Blattes ergriff der Abg. Dr. Holße

as Wort.

Zur Theilnahme an dem Kapitel des Hohen Ordens vom Séhwarzen Adler resp. zur Feier des Ordensfestes sind ferner hier eingetroffen : der General der Kavallerie von Tümpling, kom- mandirender General des VI. Armee-Corps, von Breslau, der General der Kavallerie Hann vonWeyhern, klommandirender General des II, Armee - Corps, von Stettin, der General der Jnfanterie von Blumenthal, kommandirender General des 1V. Armee-Corps, von Magdeburg, der General der Jnfan- terie Graf von Werder, Chef des 4. Rheinischen Jnfanterie- Regiments Nr. 30, und der General der Jnfanterie Vogel von Falckenstein, Chef des 7. Westfälishen Jnfanterie- Regiments Nr. 56,

Der General der Jnfanterie von Stülpnagel, Chef des 5, Brandenburgischen Jnfanterie-Regiments Nr. 48, hat sih auf seine Besißzung Geyersdorf bei Fraustadt in Posen zurückbegeben.

Gemäß der bezüglihen Bekanntmahung des Ober- Präsidenten der Prövinz Brandenburg, Staats-Ministers Dr.

a. D. von Nohow auf Plessow im Ständehause zu Berlin zusammen. E Der Vorsißende eröffnete den Landtag mit einem Hoch auf des Kaisers und Königs Majestät, in welches der Land- tag begeistert dreimal einstimmte, und widmete tief empfundene Worte - dankbarer Anerkennung dem im leßten Jabre ver- ewigten Grafen Friedrich zu Solms-Baruth, welcher dem Landtage seit dessen Bestehen angehört hat, dem Wirklichen Geheimen Rath, Freiherrn von Manteuffel, welcher als Ver- treter der Niederlausitß den Sißungen des Landtages seit einer Reihe von Jahren angewohnt hat, und dem Wirklichen Ge- heimen Rath, Staats-Minister von Jagow, als dem dahin- geschiedenen langjährigen Ober-Präsidenten der Provinz. Der Landtag ehrte das Andenken der Dahingeschiedenen durch Er- heben von den Sigen. , Als neue Mitglieder des Landtages sind die Herren Graf zu Solms-Baruth, Rittergutsbesißer Karbe auf Sie- versdorf, Rathsherr Thiele zu Perleberg und Holzhändler Koller zu Wriezen a./O. eingetreten. Für einen erledigten Sitz und zwei erkrankte Abgeordnete sind die Stellvertreter ein- berufen. Die Niederlausiß wird in Land-Feuersocietätssachen dur den Grafen von Brühl auf Pförten und den Land- syndikus Freiherrn von Houwald vertreten. Nach Mittheilung dieser Veränderungen konstituirte der Vorsißende die Versammlung, indem er den Abgeordneten für die Stadt Brandenburg, Hammer, zum Protokollführer berief und mit Rücksicht auf die inzwischen erfolgte Abgabe des Landarmenwesens an die Provinz nur zwei Ausschüsse bildete, den einen für die Landfeuersozietäts-Angelegenheiten, den anderen für das Kriegss{huldensteuerwesen und die Ange- legenheiten der kurmärkishen Hülfsfa}se. Zum Vorsißenden des I. Ausschusses wurde der Erbjägermeister von Jagow-Rühstädt und zu dessen Stellvertreter der Landsyndikus Freiherr von Houwald, zum Vorsißenden des 11. Ausschusses der Wirk- liche Geheime Rath von Klüßzow und zu dessen Stellvertreter der Major a. D. von Risselmann auf Schönwalde ernannt. Die Präklusivfrist für den Eingang der in der gegen- wärtigen Session noh zu erledigenden Sachen wurde auf den 22. d. M. einschließlih festgeseßt und mit Nüksicht auf die den Ausschüssen zu gewährende Zeit die nächste Plenarsißzung auf Dienstag, den 20. d. M. anberaumt.

Merseburg, 15. Januar. (Mgdb. Zig.). Jn der heu- tigen Sißung des sächsischen Provinzial-Landtages wurde nah Erledigung einiger Wahlen die Vorlage wegen Aufbringung verschiedener Anleihen nach dem Antrage des Ausschusses mit unwesentlichen Modifikationen angenommen. Das provisorische Reglement für dieUnterbringung verwabr!chfter Kinder wurde in ein definitives umgewandelt, nachdem der Abg. Sombart darauf hingewiesen, daß nach §8. 7 des Reglements dem Provinzial-Landtage das Recht zustehe, zu jeder Zeit Ab- änderungen zu beantragen, daß also ein erhebliches Bedenken gegen das Definitivum nicht vorliege. Hierauf folgte die Etatsberathung; die ersten Positionen wurden nach dem Vor- schlage der Etatskommission nah kurzer Debatte vom Land- tage genehmigt.

16. Fanuar. (Mgdb. Ztg.) Jn der heutigen Sißung des sähsishen Provinzial-Landtages wurde die Etatsberathung fortgeseßt. Sämmtliche Positionen wurden nah dem Antrage des Ausschusses ‘angenommen. Damit war die Tagesordnung erledigt. Nachdem der Präsident die Geschäftsübersicht der abgelaufenen Session gegeben s er- griff der Ober-Präsident Frhr. von Patow, wie folgt, das Wort :

Hochgeehrte Herren! Sie stehen am Ende einer Sißzung von langer Dauer. Sie haben die Ihnen unterbreiteten Vorlagen der eingehendsten Berathung unterzogen. Sie werden die Uéberzevgung gewonnen haben, daß die Regierung, der Provinzial-Ausshuß und der Lande: direktor eifrig bemüht gewesen find, die Wünsche und Be- dürfnisse des Provinzialverbandes nach allen Richtungen zu befriedigen. Dieses Bestreben wird, seien Sie dessen gewiß, dadurch, daß Sie mehreren Vorlagen Jhre Zustimmung versagt haben, niht ge- mindert werden. In den heimatblichen Kreisen wird cs Ihre Auf- gabe sein, das Anscken des Provinzial-Aus\hu}ses und des Laudes- direktors zu heben und zu erhalten; dann wird Ihrer Arbeit au in Zukunft der segentreihe Erfolg nicht fehlen, Im Namen Sr. Ie res Königs erkläre ih den 5. Landtag der Provinz Sachsen ur ge onen. | “Darauí brachte der Präsident von Krosigk ein dreimaliges Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König aus, in welches die Versammlung begeistert einstimmte.

Sachsen. Dresden, 16. Januar. (Dr. J.) D'e Erste Kammer ließ in ihrer heutigen Sißung die Singabe der Kirchenvorstände zu Leipzig, Abänderung des Einkommen- steuergeseßes betreffend, soweit sie als Beschwerde aufzufassen war, auf sih beruhen, beschloß dagegen, dieselbe, soweit sie als Petition aufzufassen, der Königlichen Staatsregierung zur Kenntnißnahme zu übergeben, indem von mehreren Rednern besonders die Heranziehung der milden Stiftungen zur Ein- fommensteuer beklagt und eine Aenderung des §8. 4, Absaß 1 des Einkommensteuergeseßes als wünschenswerth hingestellt wurde. Hicrauf genehmigte die Kammer den Etat der Aus- gabe des außerordentlichen Staatshaushalts-Etats, der Regie- rungsvorlage entsprechend. A u

Die Zweite Kammer überwies die Petitionen der Städte Zittau, Zwickau, Plauen, Freiberg, Baußen und Glauchau um Zulassung ihres Ausscheidens aus den Bezirks- verbänden der Staatsregierung zur Kenntnißnahme mit dem gleichzeitigen Ersuchen , der nähsten Ständeversammlung über die mit den Bezirksverbänden gemachten Erfahrungen über- haupt, namentlih aber auch über deren Gesammtleistungen und Vermögensverhältnisse eine übersichtlihe Darlegung zu übermitteln, und schritt sodann zur Schlußberathung des Antrags des Abg. Dr. Heine auf Wiedereinführung der Silberwährung neben der Goldwährung. Die bestellten Neferenten , Sekretär Richter (Tharandt) und Abg. Georgi, beantragten, den Antrag auf sih beruhen zu lassen, "Ersterer, weil er auf die zeitweilige Forterhaltung der jeßigen, Deutsch- land nah keiner Richtung präjudizirenden D bee aub tE Werth lege, Leßterer als prinzipieller Freund der ausschließ- lichen Goldwährung. Jn der Debatte wurde der Antrag nur von dem Abg. Dr. Heine befürwortet, welcher in der Haupt- sache davon ausging, daß eine Rechtsverleßung darin liege, wenn man geseßlih dazu zwinge, in Silber kontrahirte Schul- den mit Gold zu bezahlen. Die Abgg. Dr. Krause, Grahl, Lieb- knecht und Walter sprachen sih gegcn den Antrag aus, haupt- sählih wegen der unvermeidlihen Schäden, welche eine Aen e- rung des Münzsystems für ager und Jndustrie herbeiführen müsse. Der Abg. Dr. Krause wies zugleih den Vorwurf zu- rüd, als ob durch die Einführung der Goldwährung irgend

Achenbach, trat am 15. d. Mts. der 52. Kommunal-Land- tag der Kurmark unter Vorsiß des Königlichen Majors

einem Schuldner eine Mehrbelastung eingeführt worden fei.