1880 / 17 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 20 Jan 1880 18:00:01 GMT) scan diff

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zeugung gewinnen werden, daß wir wie früher, so au jeßt, die Interessen des Staats na allen Richtungen hin gewahrt haben. Der Vergleich insbesondere mit der Köln-Mindener Bahn, den der Hr. Abg. Rötckerath gezogen hat, möcbte niht ganz zutreffen. Bei Cöln-Mindener kam ein besonderes Moment in Betracht, nämlich, daß der Staat bereits auf eine gewisse Superdividende, d. h. 4 vom Ueberschuß über 5%, ein Recht hat, insofern also finanziell in einer etwas anderen Position dieser Bahn gegenüber sich befindet, wie gegen» über der Rheinischen Bahn, bei der ein solhes Ret nicht besteht.

Wenn weiter von Hrn. Röckerath der Vorwurf gemacht worden ist, daß man, obgleich der Verstaatlihungsplan schon bestanden, noch zugelassen habe, daß nit durch Prioritätéobligationen, sondern dur eine Vermehrung des Aktienkapitals die Beschaffung des weite- ren Geldbedürfnisses von der Gesellschaft eingeleitet worden, und daß dadurch das Kapital zu einer außergewöhnlihen Höhe angesd;wellt sei, so muß ich darauf aufmerksam maten, daß bereits in dem Statutennachtrag vom 17 August 1873, der für diejenigen Bahnen, deren Ausführung die Gesellschaft in die Hand genommen hatte, die nöthigen Mittel bewilligt bat, die Beschaffung des Geldkapitals vor- behalten war. Die Gejellschaft hat nun den Wg eingeschlagen, den wir im Allgemeinen für richtig halten, daß Aktien und Prio- ritäts-Obligationen, die Solidität des Unternehmens an sich voraus- gesett, zu gleichen Theilen, ausgegeben werden. Meine Herren! Der Gedanke, auch die Rheinishe Bahn schon jeßt in den Kreis der Ope- rationen der Regierung zu ziehen, is mit aller Deut- lihfkeit und Wirkung nahegetreten, als wir uns sagen konnten: es wird vielleiht gelingen, die Cöln-Mindener Bahn zu gewinnen, und als wir uns klar machen mußten, welche enorme wirthscaftlide und finanzielle Vortheile gerade mit dem Er- werbe der Rheinischen Bahn zu erwarten sind. Wir haben bei diefer Bahn mit voller Offenheit verfahren. Wenn die Spekulation si {on frühzeitig auf die Rheinische Bahn geworfen hatte, so liegt das einfah darin, daß man bei einiger Berechnung sich sagen mußte : Richtet die Regierung auf die Cöln-Mindener Eisenbahn ihr Augen- merk, so wird die Rheinisbe Bahn nicht lange fehlen können. Wenn Sie die Verhandlungen der Cöln-Mindener Generalversammlung aufmerksam lesen wollen, dann werden Sie finden, daß sogar der Präsident der Cöln-Mindener Direktion der Rheinischen Bahn den Rath gegeben hat : Machen Sie ebenfalls den Frieden mit der Re- gierung, denn es geht niht, Sie werden auch vom Staat erworben werden müssen. Das war die Ansicht eines sehr Sachkundigen und auc na der anderen Seite hin engagirten Mannes; fein Urtheil verdient alle Beachtung. /

Dann hat Hr. Rökerath sh noch darüber beklagt, daß die Konvertirung der Prioritäten zu rasch, zu beunruhigend für den Geldmarkt vor si gehen würde. Jh will jedoch auf die Ausfüh- rungen, welche der Abg. Richter daran geknüpft hat, nit eingehen, ih denke, daß der Herr Finanz-Minister auf diesen Theil der Aus- führungen ausführlicher zurückfommen wird. Nur eine Bemerkung muß ich dem Hrn. Abg. Dr. Rökerath gegenüber machen. Die Kon- vertirung der 5 %tzen rheinischen Oblizationen I., II, und 1II, Serie ist bereits von der rheinischen Eisenbahngesellschaft im vorigen Jahre vorgenommen, die Konvertirung der beiden vorleßten Serien würde in diesem Jahre e:ntreten können, und wenn ih mich recht erinnere, so war auch {on ein Antrag der rheinisen Eisenbahngesellschaft vorbereitet, auch di:se Obligationen zu konvertiren, und zwar lieber in 4- als in 43 % ige Ih bezweifle niht, daß wenn das Privatunternehmen in seiner bisherigen Gestalt bestehen bliebe, die Gesellsd-aft von diesem Rechte aub Gebrauch machen würde vorausgeseßt, natürlih die Genehmigung der Staatsregierung dazu. Die leßte Emission der 5 prozentigen Obligationen ist zur Zeit noch gar nit begeben, so daß von einer Beunruhigung des Geldmarktes dur eine Konvertirung nicht die Rede sein kann.

Ich wende mich nun zum Hrn. Abg. Ri@ter.

Er hat ih auf den früheren Finanzminister Hrn. Camphausen berufen und auf dessen neulihe Außerungen im Herrenhaus. Ich glaube dem hohen Hause nichts Neues zu sagen, wenn ih bemerke,

daß Hr. Camphausen sich ja {hon früher lebhaft für das gemischte

System interessirt hat. Sie werden sich auch erinnern wenigstens diejenigen Herren, welche damals dem Hause angehört haben daß die Vorlage der Staatsregierung bczüglich der Vollmaht wegen Vebertragung der preußischen Eisenbahnen auf das Reich dem Gedanken Ausdruck gab, daß die dominirenden Linien in den Händen des Staates oder des Reiches sein müßten. Diese Vorlage is und das glaube ih ausdrücklich an- führen zu dürfen —- mit ausdrücliher Zustimmung des damaligen Herrn Ministers Camphausen, auch in diesem Punkte, gemacht wor- den, und mir scheint, daß Hr. Camphausen auch heute noch auf diesem Standpunkte ht. Wenn Hr. Richter sodann auf die Beo merkur gen des Hrn. General - Postmeisters Stephan im anderen Hause gekommen ist, der den Vorwurf erhoben hat, die Regierung gehe nicht weit genug in ihren Plänen und Operationen, so kann ih nur wiedecholen, daß die Staatsregierung einen bestimmten Plan gemacht hat, welcher mit den vorgeshlagenen Erwerbungen ab- {ließt und daß sie sih nicht zu weiteren Erwerbungen drängen lassen kann, bevor fie niht das Feld, welches sie neu überkommen, völlig bearbeitet hat und zwar so, daß das Land die Früchte dieser Potitik einsieht und erntet.

Wenn weiter der Hr. Abg. Richter anführte, daß der Herr General-Postmeister eine geringe Meinung besiße von den Garantien, welche nah dem Beschlusse diejes bohen Hauses, dem die Regierung zugestimmt bat, in einem demnächst zu vereinbarenden Ge]eßentwurfe ins Leben geführt werden sollen, so kann ih nur konstatiren, daß er damit die Ansicht der Staatsregierung nicht getroffen hat. Die Staatéregierung bleibt dabei, daß in diesen Garantien eine werth- volle Bürgschaft sür eine gute und tüchtige, finanziell sowohl wie wirthschaftlih gediegene Verwaltung des Staatseisenbahnwesens ge- wornen wird; wir werden ja demnächst bei der Berathung der Vor- lage ausführlicher darüber sprechen können, ob in diesem oder jenem Punkte vielleiht nach den Ansichten, die hier geäußert sind, eine Verbesserung in Einzelheiten ge|chaffen werden kann.

Hr. Abg. Richter hat auch gesagt, die Ersparnisse, welche die Staatseisenbahaverwaltung durch eine Verminderung der Berech- nungen anstrebe, sei niht sehr hoch zu veranschlagen. Ich hake indeß {hon früher darauf ‘hingewiesen, daß die Art, wie bisher ver- fahren wordev ist, weil das Staatseisenbahnneyß nicht im Zusammen- hange sih befand, jedenfalls einen überflüssigen Kostenaufwand ver- ursabte. In der That ist bisher zwischen den einzelnen Staats- bahnen abgerechnet worden, wie zwischen verschiedenen Staaten. Daß dies absolut nicht nothwendig is, und daß dicse Nothwendigkeit immer geringer wird, je mehr man das Staatseisenbahnney in seinen Gliedern an einander anschließt und konsolidirt, das liegt auf der Hand. Es läßt fich ja für heute die Summe, die erspart wird, nicht auf Heller und Pfennig angeben, aber jeder Fachmann, der in der Praxis gewesen ist, wird ane:kennen, daß damit eine ganz enorme Ersparniß zu ezlangen ist. Um uns über den wirthschaftlichen Effekt der Verwaltung eines einzelnen wictigeren Theiles eines Bahn- nebes klar zu werden, bedürfen wir einer speziellen Abrechnung zwischen den cinzelnen Sektionen des großen Staatseisenbahnnetßes nicht Auch eine große Privatbahn wird, hat sie nicht eincn ganz besonderen Zweck dabei im Auge, nicht ohne Noth die großen Kosten auswenden, für einzelne Theile ihrer Unternehmungen Abrechnungen unter ein- ander einzuführen.

Die Leerfahrten der Wagen s{lägt Hr. Richter in ihrem Nach- theil au nit sehr hoch an. Er meint, daß die Massentransporte ja stets ein Rücklaufen leerer Wagen erfordern würden. Allerdings, meine Herren, für Massentransporte, für Kohlentransporte, müssen die Wagen wieder an den Produktionsort zurückgehen; aber, wenn Sie aufmerksam die Anführungen auf Seite 69 in den Motiven zu der ersten Eisenbahnvorlage lesen, so werden Sie finden, daß dieser Punkt nit außer Acht gelassen is. Unter Berüdcsichtigung dieses Punktes, find die Ersparnisse so ausgerechnet, wie geschehen.

Daß au in der Centralverwaltung ganz bedeutende Poffen werden erspart werden können, ist außer allem Zw.:ifel; Fachmänner in dieser Versammlung würden mir in

diesem Puukte gewiß beitreten. Ich glaube, daß die Summe, welche als das Ergebniß bei der Rheinischen Bahn angegeben ist, um § noch zu gering gerechnet if. Freilih werden ja alle die Vortheile der großen Maßregel nit von heute zu morgen, alle auf einmal, er- reiht werden. Wir baben erst gewisse Hindernisse wegzuräumen ; wir haben eine große Menge von Einrichtungen zu beseitigen und dafür andere, bessere, einfahere einzuführen, welche dem Publikum klar machen, welchen Nußen die einheitliche Verwaltung bietet Dazu gebrauchen wir Zeit, aber ih hoffe nicht so lange Zeit, daß wir nicht \chon im näbsten Jahre in der Lage sind, Ihnen ganz erhebliche Vortheile vorzuführen. i ;

Der Abg. Richter hat weiter vorgeworfen, daß die Regierung bei der Rheinischen Bahn im vorigen Sommer offiziós habe er- flären lassen, siz wolle sie nit ankaufen. Ih weiß nit, welches Blatt er dabei im Sinne hat. Jch meines Theils habe niemals er- klärt, daß.niht die Absicht bestehe, die Rheinische Bahn anzukaufen. äch kann unmöglich für das, was die Blätter bringen, verautwort- li gemacht werden. Aber dafür haben wir Sorge getragen, daß, fobalò wir beschlossen hatten, die Rheinische Bahn anzukaufen, ret bald unsere Absicht in die Oeffentlichkeit gelangte, um der Spekula- tion zeitig den Boden zu entziehen. :

Dann ist darüber gesprochen worden, wie es bei der General- versammlung zugegangen sei. Eine große Anzahl Personen sei da- gegen, eine geringe dafür gewesen. Das Stimmenverhältniß war hier etwa das, wie bereits vom Abg. Richter angeführt, daß von 132 591 A. und B. Aktien 102 088 darunter 101627 A. für die Verstaatlibung gestimmt haben. Wie kann man daraus nun einen Vorwurf machen? Jch glaube ich verkehre niht mit der Börse und auch niht mit der Reichsbank, wie ih auf eine in dieser Beziehung neulih ge- fallene Bemerkung bemerken will ich glaube, die Sache lieat nun so, daß eine Menge von Aktienbesißern, die bei einzelnen Bank- häusern ihre Werthpapiere zu liegen haben, diesen Bankhäusern die Vollmacht giebt, für fie aufzutreten. Ich bezweifle, und ih will das Vermögen dieser Häuser niht unterschäßen, aber ih bezweifle doch, daß sie cinen so kolossalen Aktienbesiy in ihren Händen vereinigen können, wenn sie nicht auf diese Weise operirten.

Die Spekulationen der Börse, nun ih brauche kaum etwas darüker zu sagen, die Aktien haben allerdings einen ungemein hohen Cours erreicht, au bei den Montanwerthen. Indessen ist das nicht blos bei uns so, sehen Sie sih doch an, wie steht es in Frankreich, wie in Belgien u. s. w. Die früheren Werthe waren zu niedrig. Ob die jetzigen die richtigen sind, weiß ib nicht; aber gewiß wäre es aufs Tiefste z1 beklagen, gingen wir einer solhen Schwindelperiode, wie wir sie in früheren Zeiten durchgemacht haben, entgegen. Was an mir liegt, werde ih gewiß dazu beitcagen, dem vorzubeugen. Die Course au anderer Eisenbahnen, nicht blos der verstaatlichten, sind ja ganz enorm in die Höhe gegangen ih habe ein Verzeichniß hier vorliegen. Danach stand am 1. Mai 1878 der Cours der Thü- ringishen Aktien auf 111, der der Oberschlesischen Aktien auf 119, der Bergisch-Märkischen auf 78; am 1. November 1879 war der Cours der Thüringischen 143, der Oberschlesischen 168, der Bergisch- Märkiscen 92; und wenn ich mich rect entsinne, so ift der Cours inzwishen noch gestiegen, alles die Aktien von Bahnen, deren Ankauf gar nicht geplant wurde; indeß, wir mögen das noch so be- stimmt und öffentlich erklären, die Spekulation findet es zweckmäßig, uns nit zu glauben und in ihrer Weise weiter zu operiren. Ja, meine Herren, gegen derartige Dinge haben wir keine Mittel, :

Den Vorwurf, daß durch die Verstaallihung der Bahnen eine Ueberproduktion befördert werde auf anderen Gebieten, kann ich nicht annehmen. Wir haben eine Zeit außerordentlichen Nieder- gangs in den wirtbschaftlicen Verhältnissen durhlebt; wir haben die 7 mageren Jahre gehabt, und es ist, glau*e ih, natürli, daß wir jeßt bei der Veränderung der Wirthschafts- politik des Reiches die Hoffnung hegen, es treten wieder bessere Zeiten cin. Es mag sein, daß man, um einen Börsenaguëedruck zu gebrauchen, diese Hoffnung zu sehr eëcomßtirt, aber daß es besser werden wird, ist doch die allgemeine Meinung im Lande, und ‘sie findet viell iht an der Börse in einer Weise Ausdruck, die übertrie- ben sein mag, aber die do nit aller Begründung entbehrt.

Auf die Gründe, welche speziell für den Erwerb der Potsdam- Mazdeburger Bahn und der Rheinischen Bahn sprechen, möchte ih hier nicht näher eingehen. Ich glaube, daß ein Vlick auf die Karte Ihnen klar machen wird, wie sehr das Bedürfaiß darauf hiaweist, diese Bahnen zu erwerben, will man billig und gerecht sein nach allen Seiten, und die Vortheile d¿r biéherigen Operationen voll ein- heimsen, und dazu wird ja die Ausficht, tüchtige Beamte aus diesen Verwaltungen mit zu übernehmen, beitragen, so daß wir im Stande sein werden, die Befürchtungen, welche man an den Erwerb durch den Staat knüpft, zu elidiren, zu widerlegen, und dagegen die Erwar- tungen, welche sih mit Recht daran knüpfen, zu erfüllen. Gerade im rheinischen Gebiet giebt es noch einige Punkte, deren Regelung sehr œwierig war, dle wir uns aber angelegen - sein lassen müssen. Die Mitglieder, welche der Rheinprovinz angehören, werden {ich erinnern, daß namentlich über die Beschaffenheit der Bahnhofêanlagen in Lrier, in Coblenz, über die in Cöln, in Düsseldorf u. f. w. lebhafte Klage geführt worden ist. Diesen Kla- gen werden wir abhelfen müssen, und wir werden dazu im Stande sein, wie ih hoffe, gerade vermöge dcs Besißes auch des Rheinischen Unternebmens,

Ich hoffe, meine Herren, Sie werden durch die noch bevor- stehende ausführliche Berathung in der Kommission und dea dem- nächstigen Bericht die Ueberzeugung gewinnen, daß wir in der That ein für den Staat vortheilhaftes Geschäft gemacht haben nah allen Richtungen und daß wir dadurch im verstärkten Maße in den Stand geseßt werden, die wirthschaftlit,en Vortheile, welche wir von der Auédehnung des Staatöbahnsystems erwarten, auch dem Lande voll- ständiger zuzuführen. Der Hr. Abg. Richter hat früh:-r mal auf den General-Postmeister Nagler hingewiesen, der nicht hat nah Pots- A E wollen, weil er eine Eisenbahn für einen Schwindel ansah.

Ich boffe, daz auch der Hr. Abg. Richter demnächst zu der Ueberzeugung kommen wird, daß der General-Postmeister, der nicht mit hat nah Potsdam fahren wollen, er selbst gewesen ist.

Meine Herren! Sie haben mit der Annahme der früheren Vorlagen der Staatsregierung das Vertrauen erwiesen, für das ich von Herzen dankbar bin, daß sie auf dem betretenen Wege Gutes für das Land schaffen werde. Jch bitte, nehmen Sie auch diese Vorlage an und unterstüßen Sie die Regierung in ihren auf das Beste des Landes gerichteten Bestrebungen,

Demnächst der Finanz-Minister Bitter mit folgenden Worten :

Es ift mchrfach auf die Kündigung der Prioritätsobligationen der Cöln-Mindener, der Stettiner und der Altenbekener Bahn hin- gewiesen worden, die am Ende des N Jahres stattgefunden hat. Ih möchte darauf hinweisen, daß in dem bereits abge- \{lossenen Nachtrags-Etat für die Eisenbahnverwaltung, der dem hohen

ause binnen Kurzem vorgelegt werden wird, in Ausgabe eine Po- sition erscheint von 480 000 #4 Zinsen, welche sich an diese Frage anknüpft, und ih glaube daher, daß es wünschenswerth sein wird, die Angelegenheit bei der Berathung dieses Nachtrags-Etats zu be- handeln, zumal sie vielleicht heute zu weit führen könnte,

Ich möchte aber diese Veranlassung benutzen, um einige, wie ich anerkennen muß, sachlich gehaltene Bemerkungen des Hrn. Abg. Richter zu beleuchten, die möglicherweise zu Mißdeutungen Ver- anlassung geben könnten.

Der Hr. Abg. Richter bat darauf hingedeutet, und zwar voll- kommen richtig, daß die großen Finanzoperationen des preußischen Staates nicht direkt dur die Finanzverwaltung ausgeführt werden können, sondern daß der Finanz-Minister sih zur sachlihen Erledi- gung dieser Fragen anderer Kräfte, jeßt eines Konsortiums bedienen muß, welches den Staat in seinen Interessen sicher stellt und auf der andern Seite alle diejenigen Fragen erledigt, welche die börsenmäßige und geschäftlihe Behandlung erfordert. Das ist ganz richtig, und ih

| greiflih sei.

möchte dabei zur Vermeidung von Jrrthümern hinzufügen, daß dieses Konsortium außer aus der Seehandlung aus 16 großen Firmen be- steht, welche in Berlin, Cöln, Hamburg, Bremen und Frankfurt a. M, domizilirt sind und die den angesehensten, leistungsfähigsten, nah allen Seiten hin uns am sichersten erscheinenden großen Bankfirmen an- gehören. Dieses Konsortium wird geführt von- der Seehandlung, welche das Interesse des Staates vertritt und deren Mitwirkung wir biéher in keiner Weise in Zweifel zu ziehen berechtigt gewesen sind, Im Gegentheil ift anzuerkennen, daß sämmtliche Operationen fach- gemäß und îm Interesse des Staates, dakei freilih auch im Interesse der Firmen erledigt sind.

Die Seehandlung hat auch, wie ih ausdrüdcklich anerkennen will, von mir den Auftrag bekommen, in der Angelegenheit der Anleihe für die Südseegesellsbaft die Jnitiative zu ergreifen; ih spreche das ausdrüclih aus, weil ich dadur die Verantwortung für diese Frage übernehme. Es iit dies gesehen, weil die preußishe Regierung feineswegs die Aufgabe haben kann, den nationalen Intentionen und der nationalen Politik, wie sie vom Herrn Reichskanzler ausgegangen sind, irgendwie hindernd oder ershwerend entgegen zu treten; im Gegentheil, es hat die preußische Regierung, in diesem Fall der Finanz-Minister, die Pflicht gehabt, diesen Jntentionen fördernd entgegen zu kommen und sie zu erleihtern. Jch habe dies mit vollem Bewußtsein meiner Verantwortlichkeit gethan. Jch bemerke ferner bierzu, daß man zwar über diese Frage, soweit sie finanzieller Natur ist, sehr vershieden denken kann. Man kann auch der Meinung sein, daß hicr ein gewagtes Geschäft vorliege, man kann aber au der Meinung sein, daß es sich hier um ein Geschäft handle, welches vielleiht niht übermäßigen Nußen bringen, aber doch so rentabel fein werde, daß keine Verluste dabei zu befürchten sind. Wie gesagt, das ist eine von den Fragen, die si crst in Zukunft werden entscheiden lassen. Im U-brigen hat es aber an Stimmen nit gefehlt, die im Publikum die Meinung verbreitet haben, daß es 1:ch bier um ein Geschäft handle, was eben ein wenig nußbringendes sei, was nach allen Seitcn hin ernsthaft überlegt werden müsse und in das sich Niemand einlafen möge, der nit vorher sich überzeugt habe, daß er auf einen Gewinn oder auf eine Erhaltung des Kapitals es is das sehr verschieden ausgedrückt worden rechnen könne.

Meine Herren, das Publikum, das doch aucb einigermaßen seinen Vortheil versteht, hat darauf dur eine Ucberzeichnung von über 3 Millionen Mark geantwortet, und ih glauke, daß diese Ueberzeich- nung, die ja sehr bemerkenéwerth ist, keineswegs ein Zeichen ist, daß die Politik, die nah dicser Richtung hin inauzurirt und von uns unterstüßt worden ist, irgendwie eine bedenkliche, eine antinationale, oder eine solche wäre, welde das Publikum zu Geschäften verlcitea Fönnte, die niht nach allen Seiten hin eine Zukunft haben follen.

Ich möchte dies autdrücklich bemerken, weil ih wie alle Diejenis gen, welche dieser Richtung der Politik des Reichskanzlers beitreten, die Ueberzeugung habe, daß gerade für den Oct, um den es sich han- delt, cs nothwendig ist, daß das deutsche Interesse dur deutsche Kräfte und durch deutsche Mittel gewahrt werde.

Der Abg. Dr. Röckerath erklärte dem Abg. Richter gegen- über, daß er und seine Partei die Eisenbahnvorlagen nicht vom politischen, sondern lediglich vom geschäftlihen Stand- punkt aus behandle. Was er für gut befinde, erkenne er an, Und ebenso handle seinè Partei, welche ets die innigste Fühlung mit den Wünschen und Bedürsnissen des Volkes habe und niemals aus Prinzip Opposition mache. Ein großer Theil seiner Partei wünsche zwar ein anderes Tempo der Verstaatlihung, er wünshe aber unter den gegenwärtigen Umständen, daß die lichst bald verstaatliht würden. Das ] werde dann besser verwerthet, und es würden nicht wie in Düsseldorf und Cöln Konkurrenzbrückden gebaut werden, während man in Bonn vergeblich auf eine Brücke warte. Er sei dem Minister sehr dankbar für die Erklärung, daß jeßt ein Abschnitt in der Verstaat- lihung eintreten jolle, aber derselbe hâtte ein Minimum der Wartezeit, etwa drei Jahre, festsezen sollen, das würde der Spekulation dauernd den Boden entziehen. Die Aeußerungen des Finanz-Ministers über den Werth der Samoa-Fnseln würden natürlich den seiner Stellung entsprehenden Eindrud machen. Er könne den Samoa-Jnseln nicht diese Bedeutung beilegen. Je entfernter die Leute von der See wohnten und je weniger Urtheil sie über den übersecishen Handel hätten, desto mehr betheiligten sie sich an der Gründung der See- handelsgesellshaft. Es sei dies eine auf urtheilslose Leute berechnete Börsenspekulation.

Der Abg. Dr, Windthorst bemerkte, es sei eigenthümlich, wie jeder Schritt der Centrumsfraktion von allen Seiten aufs Sorgfältigste beobahtet werde. Man habe die Eisenbahn- frage hier und in der Presse sehr stark gegen das Centrum ausgenußt, ja sogar damit die Verhandlungen mit Rom in Zusammenhang gebracht, obwohl ein solcher gar nicht be- Das Centrum habe die absolute Verstaatlichung von jeher bekämpt, aber niemals Jemand einen Zwang auf- erlegt. Das Jnstitut der Fraktionsbeschlüsse kenne man im Centrum prinzipiell nicht; er halte es für unzulässig, ja un- moralisch. Das Centrum mache der Regierung nur dann Opposition, wenn es sih dazu gezwungen fühle, werde aber seine Ueberzeugung niemals irgend welchen fremden Zweccken zum Opfer bringen. Auch die Eisenbahnvorlagen behandele das Centrum nur nah sachlichen Rücksichten. Das Centrum habe also auch in dieser

rage Jedem überlassen , zu stimmen, wie es sih mit seiner

eberzeugung vertrage. Was die gegenwärtige Vorlage an- lange, so sei sie bereits eine Konsequenz der Annahme der früheren, größeren Vorlage. Darum zögen viele seiner Frak- tionsgenossen die Konsequenz der Annahme der vorigen Vor- lage und stimmten dieser Vorlage zu. Er selbst halte diese Verstaatlichung für bedenklich und stimme dagegen. Eine dieser bedenklihen Folgen zeige sich schon auf dem Geld- markt. Die Regierung sei zwar zu der raschen Kündigung sto vieler Papiere vollkommen berechtigt, aber sie see dadurch viele Na in große Verlegenheit, welche für die ihnen entzogene

ente der Eisenbahnen \sich mit den geringen Zinsen der Staatspapiere nicht begnügen könnten.

rivatbahnen mög- Nationalvermögen

Dadurch gehe ein großer Theil des Kapitals ins Ausland oder wende fich un- gamen industriellen Unternehmungen zu, verfehlten Speku-

ationen, die wieder große Verluste herbeiführen würden. Darum sollten solhe Operationen der Regierung nicht ohne Beschluß dieses Hauses vorgenommen werden. Das Urtheil über das Samoa-Jnsel-Unternehmen behalte ex sich bis zur Einbringung derx Vorlagen im Reichstage vor. Die Ueber- zeichnung der Aktien beweise nihts, wenn man wisse, wie die Börse bei solchen Zeichnungen zu verfahren pflege. Warum solle man auch die Aktien nicht zeihnen, wenn der Staat und das Reih 4/2 Proz. Zinsen grantirten. Er werde aber fragen, wie die Regierung es verantworten könne, die Seehandlung sich mit solhen Spekulationen befassen zu lassen und ein fait accompli zu schaffen, das vielleicht niht rückgängig zu machen sei. Ohne Genehmigung des Reichstags sei das ein kühnes und rasches Unternehmen und er müsse sih gegen derartige faits accomplis verwahren.

er Finanzminister Bitter erklärte, er könne auf die zu-

leßt“ vom Redner angeregte Frage jeßt niht näher eingehen

und bemerke nur, daß die Da des Reichstags bei der ganzen Operation in vollstem Maße vorbehalten sei und hier kein fait accompli vorliege.

Hierauf wurde die Diskussion geschlossen und die Vorlage der Eisenbahnkommission überwiesen.

Es folgte die erste Berathung des Nachtrags zuu Staatshaushalts-Etat für das Fahr 1880/81, welcher verschiedene Veränderungen im Etat des Ministeriums des

nnern betri, welhe in Folge eines zwishen dem Fiskus und der Stadt Berlin am 28. Dezember 1879 über die Benutzung von polizeilihen Zwecken dienenden Grundstücken ab- geschlossenen Vertrages eingetreten find,

Der Abg. Graf York von Wartenburg erklärte, der vor- liegende Nahhtrag zum Staatshaushalts-Etat bedeute eigent- lich weiter nihts, als eine praftishe Ausführung eines mit der Stadt Berlin abgeschlossenen Vertrages, wie allen Mit- gliedern dieses Hauses aus der Vorlage R bekannt sein werde. Die rechtlihe Grundlage für diejen Vertrag sei ja eine so komplizirte und auch durch mehrere Entscheidungen der Gerichte so schwierig geworden, auch dadur so s{hwierig geworden, daß die eigentlihen Objekte für die streitigen Punkte kaum mehr ret feststellbar seien, daß man es wohl mit Freuden begrüßen könne, wenn ein einfacher Vertrag, von beiden Jnteressenten gemacht, einen klaren Zustand in dieser sehr shwierigen und streitigen Materie herstelle. Man halte nun au bei der Prüfung dieses Vertrages gefunden, daß von beiden Seiten in durchaus billiger Weise die Schwie- rigkeiten gelöst worden seien, zumal auch der §. 6 zeige, daß die Stadt Berlin ja dem Fiskus in jeder Weise wünschens- werth entgegengekommen sei. Er halte aber eine eingehendere Prüfung dieser Materie im Plenum nicht für angebracht und, da es so wie so ein Nachtragsetat sei, für felbfirdenD, daß diese Vorlage der Budgetkommission überwiesen werde; er stelle daher diesen Antrag.

Die Vorlage wurde der Budgetkommission überwiesen.

Hierauf wurde in der zweiten Lesung des Staatshaus- halts-Etats pro 1880/81 mit dem Etat der Justizver- waltung fortgefahren.

Bei Kapitel 71, Titel 1, der dauernden Ausgaben: des Ministers 36 000 # rügte der Abg. Dr. Majunke eine vom Justiz-Minister Leonhardt an die Gerihte ergangene, die Publikation amtlicher Bekanntmachungen betreffende Verfügung, derzufolge die Gerichte bei Auswahl der Blätter zwar selbst- ständig sein sollten, aber doch in preußen- oder reihsfeindlichen sowie oppositionellen Zeitungen nicht publiziren lassen dürften. Hierdurch werde die Selbständigkeit illusorisch gemacht. Durch dieses Verfahren werde der Fiskus und das Publikum ge- schädigt. Die Gerichtsbehörden hätten durch den Kulturkampf so hon großen Schaden erlitten. Er brauche nur an den Marpinger Prozeß zu erinnern. Preußen könne nur prospe- rixen, wenn man von FJdeen abgehe, die dem 16. Jahrhundert näher ständen, als dem 19. Er wolle dem Minister keinen Vorwurf machen, er hoffe, daß der Standpunkt, den das Ministerium zur Zeit des Erlasses eingenommen habe, über- wunden und für ewige Zeiten pensionirt sei.

Der Regiérungs-Kommissar Unter-Staatssekretär Rind- fleish erwiderte, der Schluß des Ministerialreskripts beweise, daß dasselbe von einem Eingriff in das gesezmäßige Ermessen der Richter weit entfernt sei. Fm Uebrigen müsse doch jede Negierung irgend eine Stellung haben und man könne doch billigerweise niht von ihr verlangen, daß sie grundsäßlih oppositionelle oder reichsfeindlihe Blätter zu Publikationen empfehle. Grundsäßlih sollten die Gerichte niht nach poli- tishen, sondern nah sahlihen Rücksichten verfahren.

Der Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa fragte an, inwieweit es den Fntentionen der Justizverwaltung ent- spreche, bezüglih der lokalen Organisation der Amtsgerichte, die nun allerdings abgeschlossen sei, da Aenderungen eintreten zu lassen, wo offenbare Nachtheile für eine bedeutende Anzahl von Einwohnern sich herausgestellt hätten. Der Minister Leon- hardt habe unter dem 25. Juli 1879 an den Magistrat und die Stadtverordneten ver Stadt Reichthal (Regierungs- Bezirk Breslau) ein Reskript gerichtet, „daß die lokale Organisation der Gerichte für jeßt zum Abschluß gelangt sei, und exr sih daber nicht in der Lage befinde, dem wiederholten Antrage auf Errichtung eines Amtsgerichts zu Reichthal wei- tere Folge zu geben.“ Daraus erhelle einmal, daß der Grund der Ablehnung des Gesuches in dem Abschluß der lokalen Organisation der Amtsgerichte liege und daß zweitens der E niht mehr in der Lage sei, weiteren Anträgen zçolge zu geben. Das preußische Ausführungsgeseß zur deut- schen Gerichtsverfassung schreibe vor, daß erst vom Jahre 1882 an eine Aenderung der Amtsgerichtsbezirke durch Geseß erfolgen müsse. Bis dahin dürfte es also wohl noch möglich sein, im Wege der Verwaltung Remedur eintreten zu lassen, wo sich offenbare Mißstände herausgestellt hätten, und es empfehle sich, solhe Aenderungen vorzunehmen, che der shwierigere Weg der Geseßgebung gewählt werden müsse. . Aus dem Reskript gehe ferner hervor, daß wiederholte Anträge der Petenten bis zu dem Bescheid auf ihre Eingabe vom 6. Zuli 1879 unbeantwortet geblieben scien. Die da- malige Ueberhäufung der Justizverwaltung möge es ihr ja unmöglich gemacht haben, auf jedes Gesuch zu antworten ; nachdem nun aber diese Sturm- und Drangperiode vorüber und etwas mehr Ruhe über den Gewässern eingetreten sei, halte er es doch für rihtig, daß man Versäumtes nachhole und nochmals prüfe, ob die Petenten niht wirklih zu kurz gekommen seien, namentlih da, wo sie sich niht beruhigen könnten. Die Eingabe aus Reichthal werde von 21 Gemeinden mit 10 000 Einwohnern wiederholt werden. Er würde das Haus mit diesen lokalen Klagen nicht behelligt haben, wenn es sih für ihn nicht um das Prinzip handelte, das si in dem Resfkript aussprehe. Nach den außerordentlih wohl- wollenden e des czustiz-Ministers sei er überzeugt, daß er nicht ohne Weiteres aus Prinzip solche Petitionen von der Hand weisen werde, sondern eine Prüfung anordnen, wie weit es sich mit dem Staatsinteresse vereinbaren lasse, die Wünsche von etwa 10 000 Einwohnern zu berücksichtigen.

Der Regierungskommissar emgegnete, er wolle mit dem Vorredner nicht darüber rechten, ob die Nuhe über den Wassern in der Justizverwaltung schon eingetreten sei, aber die Befür- wortung solcher Anträge, wie der von demselben erwähnte, seien geeignet, die Sturmfluth a Li a solche Anträge lägen zu Hunderten vor, und obwohl die Justizverwaltung den besten Willen habe, Mißständen abzuhelfen, so müsse sie doch, um eben erst einmal Ruhe zu gewinnen, in vielen O die Be- shwerden vorläufig unberück&sichtigt lassen. ie Regierung dürfe natürlih von dem ihr zustehenden Verordnungsreht nur einen sparsamen Gebrauch machen ; sie sei aber auch der An- sicht, daß ihr ein solches Verordnungsreht wirkli zustehe,

und werde sih dessen zur Abhülfe bedienen, wo wirklich evidente Schäden hervorgetreten seien.

Der Abg. Dr. Windthorst kam nochmals auf die Jnser- tenfrage zurück; er wünsche die Regierung hätte in der genannten Aa die niht aufnahmefähigen Blätter be- stimmt und einzeln aufgeführt. Dann wisse man doch, woran man sei. Aber das Justiz-Ministerium follte doch in dieser Art von Dingen vollständig neutcal sein, und er könne nur beklagen, daß den Behörden ein solcher Wink gegeben sei. Was übrigens reichsfeindlih oder entschieden oppositionell fei, werde Jedermann nah den Zeitumständen anders erklären. Mit diesen Bezeihnungen seien je nah dem Wechsel der An- \chauungen schon die Blätter aller Rihhtungen, die „Kreuzzei- tung“ nicht ausgenommen, e worden. Wenn die Re- gierung also ihren Standpunkt zur Geltung bringen wollte, so hätte sie die einzelnen Blätter bezeihnen müssen. Den vom Abg. Heydebrand vorgetragenen Fall empfehle er dem Ministerium zu besonderer Erwägung; eine sofortige Abhülfe werde nit möglich sein, denn das Ministerium müsse erst die gesammten Verhältnisse übersehen können, bevor es von dem ihm zustehenden Verordnungsrecht, wie er hoffe, Gebrau mache. a On nahm der Justiz - Minister Dr. Friedberg das

ort:

Mir is} aus den Berathungen, die hier vor einiger Zeit ein an- deres Ressort, als das der Justiz betrafen, eriunerlih, daß der Wunsch ausgesprochen wurde, es möge bei der zweiten Lesung jenes Etats über die Frage Autkunft gegeben werden, wie die Staats- regierung sich in Beziehung auf die Publikation amtlicher Erlasse in Bezug auf die Auswahl der Blätter vechalte. Ich habe nicht geglaubt, daß gerade beim Etat der Justiz die Frage schon jeyt hier wieder angeregt werden würde, hatte es aver nihts destoweniger für meine Pflicht erachtet, mich über die entsprehenden Vorgänge, die vor- meinem Eintritt in das heutige Amt liegen, zu unterrichten. Es ift allecdings richtig, daß ein Staats-Ministerialbeshluß besteht, der sih über die amtlihen Publikationen öffeatliher Behörden aus- \spriht und darüber Weisungen giebt. Dieser Staats-Ministerial- bes{luß is, weil er eben ein Beshluß des gesammten Ministeriums war, auch von meinem Amtsvorgänger den Justiz- behörden zur Nachachtung mitgetheilt, und zwar mit der ausdrük- lichen Hinweisung, daß durch diesen Erlaß in das pflihtmäßige Er- messen der Justizbehörden in jedem einzelnen Fall nicht eingegriffen, ihnen vielmehr dafür keine allgemeine Direktive gegeben werden solle, Nun hat si, seitdem dieser Staats-Ministerialbeshluß im Jahre 1875 ergangen ist, für die Justizverwaltung die Sache insofern, und ih will ganz offen bekennen, günstig geändert, als die neuere Gesebßgebung die meisten Fälle, in denen es sich um Publikationen der Justizbehörden handelt, durh Geseß geregelt hat, und es ist für die Justizbehörden durch das Gesetz selbst genau vorgesehen, daß sie eben keine Weisungen in dieser Beziehung von oben zu erwarten haben, sondern daß für die Frage die Beschlüsse der Gerichte allein maßgebend sind. Die Besorgniß also, daß der Justiz-Minister irgendwie, ich darf ja wohl den Ausdruck gebrauchen, eine politishe Einwirkung in Bezug auf die Wahl von Blättern für Publikationen haben könnte, ist augenblicklich noch eine kaum mögliche, jedenfalls eine minimale; denn er kann es niht im Pro- zesse, er kann es nit im Konkursverfahren, und einer ganzen Reihe von anderen Disziplinen, weil die Geseße selbst ganz bestimmte Borschriften darüber geben. Möglich freilich bliebe für den Justiz- Minister eine Einwirkung auf die Staatsanwaltschaft, indessen weiß ih faum, was ih denen für Anweisung geben sollte, damit die Publikationen, die von ihnen ausgehen, na irgend einer politishen Tendenz, nach rechts oder links den Blättern von ihnen zugewandt werden könnten. Jch glaube also, daß in der That die ganze Frage für das Ressort der Justiz von verwindendem Interesse ist, und daß, wenn irgend einem Ressort gegenüber die Befürchtung, daß es seine Befugnisse in einer bestimmten politischen Richtung gebrauchen möchte, dem Justizressort gegenüber am ehesten verstummen muß. Daß ih, übrigens wenn irgendwie cine tendenzióse Benußung in Fernhaltung gewisser Blätter von der Publikation mir bekannt würde, in einem moderirenden oder, um den Ausdruck des Hrn. Abg. Windthorst zu wiederholen, in dem Sinne voller „Neutralität“ handeln würde, das, meine ih, muß von jedem Justiz-Minister, und wird auch von mir vorausgesetzt werden dürfen. s

Der Abg. Hansen erklärte, er sei zwar nicht in der Lage, für seine Worte das interessante „und prickelnde Mousseux des Kulturkampfes in Anspruch zu nehmen, aber der Gegenstand, um den es sich handele, sei von allgemeinem Fnteresse. Der Justiz - Minister habe auf die Interpellation des Abg. Dr. hler, betreffend die Miß- stände bei der Erhebung der Zeugen- und Sachversländigen- gebühren bereits Abhülfe eintreten lassen, er möchte nun den Minister heute bitten, die Erhebung der Gerichtskosten und aller derjenigen Zahlungen, die an Gerichte zu leisten seien, anders zu regeln. Die Zahlungen erfolgten bis jeßt bei den Hauptsteuerämtern, die sich häufig niht einmal an demselben Drt mit der Gerichtsstelle befänden. Es bedinge das eine große Belästigung des Publikums, dem auch noch Portokosten daraus erwücsen. Der Minister werde hoffentlih gegen solche Mißstände Abhülfe {h fen. Fn der alten Strafprozeßord- nung seien Bestimmungen vorhanden gewesen für den Fall, daß Jemand von der Polizei vorläufig festgenommen sei; es sei gesagt, bis wann der Sträfling an die Gerichte abzuliefern jei u. s. w. Die Reichsstrafgeseßgebung vom 1. Februar 1877 gebe Vorschriften, die dahin zielten, den Verhafteten jo s{nell wie möglih dem Richter vorzuführen. Nun habe, wie er glaube, auf Veranlassung des Justiz-Ministers, die Regierung in Schleswig eine Verfügung erlassen vom 1. De- zember 1879, wonach entgegen der bisherigen Praxis die Polizeibehörden angewiesen würden, die Verhafteten so lange aufzubewahren, bis sie dem Richter in vernehmungsfähigem Zustand, d. h. gereinigt, von Ungeziefer befreit und gehörig bekleidet, vorgeführt werden könnten. Diese Verfügung ent- spräche niht den Jntentionen des Geseßes, wie aus den Mo- tiven der Reichsstrafgesezordnung klar ersihtlih sei. Es sei gegen die Absicht des Geseßes, daß der Verhaftete 2—3 Tage in Polizeigewahrsam bleibe, ohne dem ordentlichen Richter vorgeführt zu werden. Es spreche sih in dieser Ver- ordnung aber auch noch eine Degradation der Verwaltung

egenüber der Just aus, wenn man es für nöthig halte, den

erhafteten dem Amtsrichter im salonfähigen Zustande vor- zuführen und damit die Verwaltungsbehörden beauftrage. Außerdem belaste die Verordnung auch die Kommunen, welche doch gewiß nicht dazu anzuhalten seien, die Vagabonden auf Gemeindekosten zu reinigen und zu bekleiden. Aus allen die- sen Gründen bitte er den Justiz-Minister, Abhülfe zu schaffen.

Der Abg. Dr, Majunke führte aus, die ‘geseßliche Rege- gus des gerichtlihen Publikationswesens werde so lange wirkungslos sein, als dieses Ministerialreskript bestehe, das man als eine Art von Ausführungsbestimmung au zur Civilprozeßordnung betrachte. Das beweise der neulih von cu citirte Erlaß des Landgerichts-Präsidenten in Dortmund.

ah den wohlwollenden Bemerkungen des Justiz-Ministers gon er, daß derselbe die Aufhebung dieses Staats-Ministerial- eshlusses an zuständiger Stelle beantragen werde.

Der Regierungskommissar erwiderte, die Dortmunder Tremonia habe sich wiederholt um die Zuwendung gericht- licher Publikationen beworben, das Kollegium d-cs früheren dortigen Kreisgerichts habe aber dieses Gesuch mehrfach ein- stimmig abgelehnt, weil die seit früher bereits dort bestehenden beiden Zeitungen dem Bedürfniß genügten und kein Anlaß u! einer Aenderung vorhanden sei. Die Beschwerden des

bg. Hansen über die mangelhafte Organisation der mit dem gerichtlichen Kassenwesen betrauten Steuerhebestellen seien zum großen Theil durch die Schwierigkeiten der Uebergangsperiode veranlaßt, um derentwillen man eine ganze Maßregel nicht aufschieben dürfe. Wo wirkliche Uebelstände sich zzigten, werde Remedur eintreten. Die unrichtige Anwendung des §. 128 Strafprozeßordnung habe der Abg. Hansen zu drastisch illustrirt. Die Verwaltung habe die Pflicht, dem e die Leute in vernehmungsfähigem Zustande zuzu- ühren.

Der Abg. Fiebiger ersuchte die Regierung, den Plan des Gefängnißbaues in Halle noh einmal zu revidiren, da der- selben große sanitäre Gefahren befürchten lasse.

Der Regierungskommissar Geh. Ober-Justiz-Rath Starke bestritt diese Behauptung auf Grund der eingezogenen Gut- achten der kompetenten Sanitätsbehörden.

Der Abg. Dr. Windthorst machte den Abg. Rickert dar- auf aufmerksam, daß in dem Momente, wo die Frage der behördlihen Publikationen zur Diskussion stehe, in welcher derselbe seine Unterstüßung dem Centrum zugesagt habe, cin Mitglied seiner Fraktion dieselbe als K lturkampfdebatte be- zeihnet habe. Es bleibe nihts übrig, als daß d2r Minister die frühere Verfügung zurücknehme, denn jeßt ständen die Gerichte z. B. in Dortmund noch unter dem Eindruck dessel- ben. Die Gerichte dürften die Organe einer Partei mit ihren Bekanntmachungen nicht einseitig bevorzugen und so die Mit- glieder anderer Parteien zwingen, deshalb gegnerishe Organe zu lesen. Die Annahme des Abg. Hansen sei irrig, daß in dem von demselben vorgebrachten Falle die Verwaltung zu Gunsten des Gerichts benactheiligt sei; die Verwaltung habe nur das ihr Zukommende gethan. Man müsse der Regierung im Gegentheil danken, daß sie die Justiz aus ihrer früheren Aschenbrödelstellung befreit habe.

__ Der Abg. Rickert freute sih, daß man endli einmal in die Lage gekommen sei, den Wortlaut des Erlasses wenigstens eines der Minister aus dem Jahre 1875 kennen zu lernen. Er theile die Ansicht des Abg. Windthorst, daß es si hier um eine Frage handele, die alle Parteien gleichmäßig be- rühre, er hoffe, daß alle Parteien sich in der Mißbilligung dieses Erlasses mit seiner Partei vereinigten. Der frühere Justiz-Minister habe sich ja in einer üblen Lage befunden. Auf der einen Seite habe derselbe als Mitglied des Staats- Ministeriums den gefaßten Beschluß ausführen müssen, auf der andern Seite habe derselbe gewußt, daß das Recht der Gerichte, über die Wahl der Fnsertionsblätter selbständig zu beschließen, niht zu beshränken sei. Daher komme es, daß in dem Reskript der Nachsag den Vordersaß aufhebe. Das mache sih nicht sehr {hön, und er theile den Wunsch, daß der Mi- nister den früheren Erlaß einfa aufheben möge. Derselbe sei um so weniger aufrecht zu erhalten, als inzwischen die neuen Justizgeseze erlassen -worden seien. Hoffentlih werde die Antwort, welche der Minister dem Hause für die driite Lesung versprochen habe, anders ausfallen, als der Jnhalt des Ministerialerlasses von 1875.

Die Position wurde bewilligt und in Tit. 8 dem Antrage der Budgetkommission gemäß die Funktionszulage für den Vorsteher des Centralbureaus von 1200 6 gestrichen.

Kapitel 72 (Justiz: Prüfungskommission 22950 A) und Kapitel 73 (Ober - Landesgerichte 3201 278 6) wurden ohne Debatte genehmigt.

Bei Kapitel 74 (Landgerichte und Amtsgerichte 48 295 365 /6) Titel 1 brachte der Abg. peue, von Schorlemer-Alst ver- schiedene Einzelfälle zur Sprache, in denen vom Grundbuch- rihter die Ausstellung von Hypothekenbriefen an die Besißer ungebührlih verzögert und diesen dadur empfindlicher ma- terieller Schaden zugefügt sei.

Der Abg. Simon von Zastrow bat, das Haus bei der so knapp bemessenen Berathungszeit nicht mit dergleichen kleinen Spezialitäten zu behelligen, wie sie der Vorredner und der Abg. Fiebiger vorgebracht hätten. Wenn man hier jeden Einzelfall aburtheilen solle, so hieße das die Verwaltung in das Abgeordnetenhaus verlegen. Von dem Gefängnißbau in Halle verständen hier alle nichts und wenn man sih in den Fällen des Abg. von Schorlemer an gehöriger Stelle bes{hwert hätte, so würde Remedur ge- schafft worden sein. Eine generelle Anweisung für jeden Rich- ter, die Geschäfte nah Kräften zu fördern, sei niht nöthig, sie bestehe bereits.

Der Abg. Frhr. von Schorlemer-Alst erklärte, wenn dem Abgeordneten aus seinem heimathlihen Wahlkreis begründete Beschwerden zugingen, fo könne er sie gemäß der Geschäfts- ordnung hier vorbringen. Eine Belehrung darüber brauche er von dem Abg. von Zastrow nicht, welher durh Schweigen dem Hause auch Zeit erspart hätte.

Der Abg. Simon von Zastrow bemerkte, daß er keine Belehrung, sondern nur eine Bitte ausgesprochen habe.

_ Titel 1—6 wurden bewilligt; desgl. Titel 7 (1800 Ge- rihtsvollzieher 3 918400 46) und Titel 8 (460 Gerichts- diener 2c. 2063 580 46), nachdem der Abg. Bödiker den Justiz-Minister ersucht hatte, für die bessere Besoldung dieser Beamtenkategorie thunlichst zu sorgen.

Bei Titel 13 (Remuneration von Beamten der Amts- anwaltschaft 1 000 000 4) sprach der Abg. Grumbrecht den Wunsch aus, den Jnhalt des Ministerial-Reskripts zu er- fahren, welches das Verhältniß der Kommunalbeamten zu den Staatsanwaltschaften regele. Fn Hannover habe es große Mißstimmung unter den städtishen Magistratsmitgliedern er- regt, daß sie zu Hülfsbeamten der Staatsanwaltschaft degra- dirt werden sollten. Auch die korrigirende Ministerial-Ver- fh ung, daß die Stadtkreise davon ausgenommen sein sollten,

abe diese Mißstimmung nicht gehoben, da alle hannoverschen Städte, mit Ausnahme der Residenzstadt, in Amtskreisen lägen. Auch die den Kommunalbeamten für die Ants- anwaltschaft gewährte Remuneration sei im Verhältniß zur Arbeitslast zu gering.

Der Regierungskommissar Unterstaatssekretär Rindfleisch erwiderte, daß die Ministerialverfügung für die Wünsche des Vorredners gerade in Betreff der hannoverschen Städte einen weiteren Spielraum gestatte. Prinzipiell könne er aber nicht i gp daß die Bürgermeister dadurh degradirt würden, daß man sie zu Hülfsbeamten der Staatsanwaltschaft mache. Die Vergütungen für die Amtsanwaltschaft seien angemessen und denen für die Polizeianwaltschaften analog.