1880 / 34 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 09 Feb 1880 18:00:01 GMT) scan diff

NichtamtlicZes. Deutsches Neich.

Preußen. Berlin, 9. Februar. Se. Majestät der Kaiser und König empfingen gestern den Königli niederländischen Gesandten Herrn von Rochussen, den Fürsten zu Salm-Horstmar und den General-Major von der Burg, welcher zum Chef des Generalstabes XV. Armee-Corps ernannt ist. Hierauf arbeiteten Se. Majestät mit dem Reichskanzler Fürsten von Bismaxrck.

Heute nahmen Se. Majestät militärische Meldungen ent-

egen, hörten alsdann den Vortrag des Chefs des Civil- abinets, Wirklichen Geheimen Raths von Wilmowski, und konferirten darauf mit dem Kriegs-Minister General der Jnsanterie von Kameke.

Jhre Majestät die Kaiserin und Königin war am Sonnabend in dex 5. Vorlesung des Wissenschaftlichen Vereins anwesend.

Gestern wohnte- Jhre Majestät dem Gottesdienste in der St. Matthäikirche bei. Zum Diner waren dieEnkel Fhrer Majestäten geladen.

Bei dem großbritannishen Botschafter Lord Odo Russel und dessen Gemahlin fand am Sonnabend eine größere Ballfestlichkeit statt, zu welcher die Einladungen an den Königlichen Hof, an Mitglieder der Hofgesellschaft und an die Herren und Damen des diplomatischen Corps er- gangen waren.

JFhre Kaiserlihen und Königlichen Majestäten beehrten das Fest mit Jhrer Gegenwart und verweilten bis um Mitternacht in der Gesellschaft.

Ju dex heutigen (15) Sizung des Herren- hauses, welcher der Vize - Präsident des Staats- Ministeriums Graf zu Stolberg, der Justiz - Minister Dr. Friedberg und mehrere Regierungskomissarien beiwohnten und welhe der Erste Vize-Präsident, Graf von Arnim- Boyßenburg, um 1 Uhr 20 Minuten eröffnete, machte der Letztere zunächst die Mittheilung, daß der Präsident, Herzog von Ratibor, wegen geschäftlicher Angelegenheiten auf einige Tage beurlaubt sei. Aus den ferneren geschäftlihen Mitthei- [lungen des Präsidenten heben wir hervor, daß die Herren Rittergutsbesißer von Zoltowski für den Kreis Fraustadt und von Morawski für den Kreis Krotoschin als Vertreter des alten und befestigten Grundbesißes gewählt und in das Haus berufen sind.

Der erste Gegenstand der Tagesordnung war der mündliche Bericht der Kommission für kommunale Anugelegen-

eiten über die Petition der Bürgerversammlung zu

isleben, dahin zu wirken, daß, unter Aufhebung der 88. 265—28 der Städte-Ordnung vom 21. Mai 1853 die 88. 35—42 des im Jahre 1876 dem Landtage gene Städte--Ordnungs-Entwurfes Annahme finden. Der Referent, Herr Friedländer (Bromberg), empfahl über die Petition zur Tagesordnung überzugehen, und das Haus trat diesem Antrag ohne jede Diskussion bei. \

Es folgte der mündliche Bericht derselben Kommission Über den Geseßentwurf, betreffend die Besteuerung des Wanderlagerbetriebes. Der! Berichterstatter Herr von Voß stellte den Antrag : dem Gesetze in der vom Abgeordnetenhause beschlossenen Fassung die verfassungsmäßigeZustimmung zu erthei- len. Fn der sih hieran anknüpfenden Generaldiskussion erklärte sich Herr Adams mit aller Entschiedenheit für die unveränderte Annahme der Vorlage. Herr Theune äußerte sich im Jnteresse der Gerechtigkeit und Gleichbesteuerung gleichfalls für die Vor- lage, obgleih er gewünscht hätte, daß die Steuerquoten nicht so hoh gegriffen worden wären. Herr von Rath bat, den Vorschlag des Referenten pure anzunehmen, denn in seiner Heimath (Rheinland) hätten \ich diese Wanderlager als die Blutegel des Mittelstandes erwiesen. Hiermit wurde die Generaldiskussion geschlossen und in der Spezialdiskussion, da sich Niemand zum Wort meldete, das Geseß nah kurzer Empfehlung durh den Referenten en hloc angenommen. (Schluß des Blattes.)

Der Bundesrath, sowie die vereinigten Ausschüsse desselben für Handel und Verkehr und für Justizwesen hielten heute Sißungen.

L Om wéêiléven Verlaufe dep vorgestrigen : 66.) Sißung seßte das Haus der Abgeordneten die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats pro 1880/81 mit der Diskussion des Etats des Ministeriums der geist- lihen 2x. Angelegenheiten Kap. 115 Tit. 3, (Erzbis- thum Posen und Gnesen 209 500 4) fort. Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, das Centrum habe bei der Berathung des Geseßes vom 21. Mai 1874 vergebens vor den Kon- sequenzen dieses Geseßes gewarnt; damals sei das Centrum mit der Erklärung beshwichtigt, daß die Regierung nicht so scharf N würde. Er sei der Meinung, daß bei einem poli- tischen Gesete nothwendig die Verwaltung es in der Hand haben müsse, ob eine Verfolgung eintreten solle oder nit, wenigstens so lange die Sache niht an den Staatsanwalt gelangt sei. Das Legalitätsprinzip der Strafprozeßordnung habe au der migt Ln der Zustizkommission des Reichstags, Abg. Miquel, nicht jo scharf aufgefaßt e wollen, wie heute der Abg. Simon von Zastrow es gethan habe. Man hätte in diesen Seehen. ebenso wie in den österreichishen und sächsischen, nur folche ohne Konsens vorgenommene Handlungen der ‘Beist- lichen bestrafen sollen, die in das Gebiet des Staats über- griffen; Hinschius halte das für unzulässig, aber Preußen und Deutschland erregten die Jndignation der ganzen Welt, wenn ans private Verrichtungen eines Geistlichen, wie das vor- hriftsmäßige Beten, Trösten der Sterbenden und das Reichen der Sterbesakramente mit Strafe belegt würden ; er bitte, bei den s{hwebenden Verhandlungen diesen Punkt sorgsam zu erwägen.

Der Abg. Dr. Köhler erklärte, er müsse anerkennen, daß der Minister si vollständig in seinem Rechte befinde, wenn derselbe die Entscheidung über Strafanträge in eine höhere Jnstanz verlege, und in Fällen, wo er das Geseß nicht für verleßt halte, die Verfolgung untersage. Aber keineswegs as der Minister das Recht, und derselbe e auch nicht ge- agt, daß er es habe in Fällen, wo auch nah seiner (des Ministers) Ansicht das Geseßz A sei, von der Verfolgung Abstand zu nehmen. Das hieße sich über das Gesetz stellen ;

Der Staats-Minister von Puttkamer erklärte, daß er jedes Wort, was der Vorredner gesprochen habe, billige, ‘und unter- schreiben könne. __ Der Abg. Dr, von Jazdzewski bedauerte, daß der frühere Minister Falk, der am 31. Mai 1874 in Betreff der Aus- führung der Maigeseße eine Verfügung für das Rheinland E niht au für die Provinz Posen dasselbe ver- ügt habe.

Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, der Abg. Dr. Köhler habe ihn falsch verstanden. Er verlange niht, daß das Ge- jeß nicht angewendet werde, sondern nur, daß die Regierung thre mildere Auffassung, als die irrige der Gerichte sei, zur Geltung bringe. Die Gerichte seien sehr geneigt, jede private Handlung eines Geistlihen als eine Amtshandlung aufzu- fassen. Darin zeige sih die Spiße dieser heillosen Gesetz- gebung. Er glaube, daß man endlich in Deutschland dahin Ra müsse, von dem Buchstaben abzusehen und den Sinn

der Geseße ins Auge zu fassen, jeßt, da das Volk niht nur in materieller, sondern auch in geistiger Noth verkümmere.

Der Abg. Dr, Miquel erklärte, wenn der Minister gewisse

Handlungen, die unter einem Paragraphen des Geseßes vom 21. Mai 1874 fielen, nit als strafbar ansehe, so würde der- selbe do gegen seine Ueberzeugung handeln, wenn er in diesem Falle Strafverfolgungen eintreten ließe. Die Verwaltungs- behörde habe unzweifelhaft troß des Legalitätsprinzipes das Recht, wenn sie eine Handlung nit für strafbar halte, ihre Organe anzuweisen, keine Denunziation zu machen, fowie au der Staatsanwalt nicht nöthig habe, einzuschreiten, wenn ihm die Strafbarkeit zweifelhaft sei, während derselbe wegen zweifel- los strafbarer Handlungen selbständig Ermittelungen anstellen könne. Die Regierung würde pflichtwidrig han- deln, wollte sie Jemandem die ÜUnbequemlichkeit einer Unter- suchung bereiten, während sie von seiner Unschuld überzeugt jei. Nun sei aber die Frage, was nah dem Artikel 2 als Amtshandlung anzusehen, jedenfalls nicht unzweifelhaft. Wenn der frühere Minister Aa aber derselben Ansicht wie der jeßige Minister gewesen sei, so hoffe er (Redner) daß diese authentische Fnterpretation auch auf die Gerichte \{ließlich den erforderlichen Einfluß üben werde. Auch Hinschius nenne nit jede Thätigkeit eines Geistlihen Amtshandlung, sondern nur die Verrichtungen, die als Ausfluß seines Amtes \ich herausstellten; hierzu gehörten z. B. die ihm als Geistlichen überhaupt obliegenden Gebete niht. Man könne sich also, was die materielle Seite der Frage betreffe, se;r wohl auf Hinschius' Standpunkt stellen. Der Abg. Kloß führte aus, er könne sich der Auffassung des Vorredners nur bedingt anschließen, da der Staatsanwalt niht den Weisungen des Kultus-Ministers, sondern nur denen des Justiz-Ministers unterworfen sei, nur dieser könne also eine Untersuchung ganz niedershlagen. Diese Ausnahme vom Legalitätsprinzip, welche die Fortschrittspartei allerdings nicht gebilligt habe, könne aber auch hier nihts nüßen, weil nah dem Art. 2, wie derselbe einmal laute, jeder Geistliche strafbar sei, der mit Bewußtsein außerhalb seiner Diözese geistliche Verrichtungen vornehme. Eine allseitig befriedigende Milde- rung, der auch die Gerichte stattzugeben hätten, könne also nur im Wege des Gesezes erfolgen. Hierauf wurde Titel 3 bewilligt, ebenso Titel 4—10.

Bl Titel 11 (Bisthum Cöln 177 123 4) bemerkte der Abg, Bachem, die Debatten hätten gezeigt, daß den Katholiken nur dur gänzlihe Beseitigung der Maigeseße, aber weder durch Deklarationen noch durch Verwaltungsmaßregeln geholfen werden könne. Der Minister habe jeßt wenigstens die sehr dankbare Aufgabe, im Verwaltungswege abzuhelfen, wo der- selbe föônne, und er bitte ihn, auf dem eingeshlagenen Wege entschieden vorzugehen, unbekümmert um das Geschrei der Cölnischen Zeitung und ähnlicher Blätter. Diese Abhülfe kónne der Minister insbesondere auf dem Gebiete des sogenannten Brodkorbgeseßes thun, das von der früheren Verwaltung oft so falsch angewendet worden sei, daß die Ge- rihte die Entscheidung wieder umgestoßen hätten. Dem Dom- kapitel zu Cöln seien die seit 4 Jahren rechtswidrig vorent- haltenen Summen nun endlich restituirt worden; er hoffe, daß auch die jährlihen 5400 #, welhe dem Domkapitel im Bisthum Ermeland widerrechtlich entzogen worden seien, dem- selben wieder zurückgegeben würden. Er bitte den Minister, möglichst persönlih der Frage näher zu treten, ob das Sperr- geseß niht gegenüber den Domkapiteln im Allgemeinen eine mit den geseßlihen Bestimmungen sich nicht vertragende Ausführung erhalten habe. Er empfehle dem Minister besonders die bei Berathung des Gesezes von den Domkapiteln zu Limburg und Cöln eingereihten Denk- \hristen, die nachwiesen, wie der Staat dort die Erfüllung jeiner wohlbegründeten Verpflichtungen der Kirche gegenüber verweigere, die aber damals leider unbeachtet geblieben seien. n Cöln sei in einem augenblicklih beim Reichsgericht shwe- benden Prozeß von den Gerichten beider Jnstanzen anerkannt, daß die in Geldbezügen bestehenden Einkünste der Domkapitel nach der Bulla de salute animarum Eigenthum derselben seien, also durch das Geseß ihnen nicht entzogen werden könnten. Er hoffe, daß der Minister es nicht erst auf Prozesse an- kommen lassen werde, in denen derselbe ein ungünstiges Urtheil davontragen müsse.

Titel 11 wurde bewilligt, ebenso die folgenden Titel (die Bisthümer Trier und Freiburg).

ZU Kap. 116 (Katholische Geistlihe und Kirchen Tit. 1 (Besoldungen und Zuschüsse 1 258 498 6) kam der Abg. Dr. Ma- junke auf die gestrigen Ausführungen des Abg. Petri zurück. Fn der Daa Kirche gebe es solche Meinungsverschiedenheiten, wie sie gestern hier im Hause auf dem Boden der evangelischen Kirche von den Abgg. Stöcker, Neßler und Knörke gehören, nicht. Jeder römisch - katholishe Katholik müsse sih an das halten, was Papst und Konzil lehrten, und nur eine römisch-katholische Kirche kenne die preußische Verfassung. Der Kultus-Minister habe in Folge einer Anfrage dem Hause eine Nachweisung der in Folge des Geseßzes vom 22. April 1875 pro 1. April 1878/79 eingestellten Leistungen aus Staats- mitteln für römisch - katholishe Bisthümer und Geist- lihe zugehen lassen. Dieselbe entsprehe niht ihrem Zweckd. Er wünsche eine Rubrizirung nah Bisthümern statt nah Regierungsbezirken und ebenfalls die Spezialisirung der für die niederen Kirchendiener gemachten persönlichen Ausgaben. Das Sperrgeseß sei eines der ruhmvollsten Blätter in der Geschichte des preußischen katholischen Klerus, denn in der apostolischen Zeit sei auf 11 einer abtrünnig geworden, jetzt seien von dem katholischen Klerus kaum zwei Prozent von der römischen Kirche abgesallen. Es sei aber ein ruhmvolles Blatt

Virchow hier die Konsequenzen seines Gemeinde- und Majoritätsprinzips ziehe. Man habe si über die Wirkungen des Sperrgeseßes geirrt ; dasselbe “habe das katholische Volk nur enger um seinen Klerus geschaart. Die Katholiken wollten in freier Wissenschaft mit den Protestanten kämpfen. Die Prote- stanten hätten aber die Pflanzstätten der katholishen Wissen- schaft, die Klöster, zerstört. Das Wissen der Jesuiten und Dominikaner in Moabit sei immens gewesen. Habe die Wissen- schaft der Protestanten die Unrichtigkeit irgend eines kirchlichen Dogmas nachweisen können? Die Prinzipien der Kirche seien zwar ewig und unwandelbar ;- ihre Anwendung sei aber nah Zeit und Ort verschieden. Die Freiheit werde den Ka- tholikèn Frieden bringen.

Titel 1 wurde bewilligt. Zu Titel 2 (Bedürfniß, Zuschüsse und einmalige Unterstüßungen, insbesondere für einen neuen fatholishen Bischof: 48 000 4) beantragte die Budget- kommission, die Worte „neuen katholischen“ zu streichen.

Der Referent Abg. Dr. Virchow befürwortete den Antrag der Kommission. Das Centrum habe diesen Titel als eine Beleidigung der Katholiken aufgefaßt und dessen Streichung resp. Einstellung an eine andere Stelle beantragt. Dieser An- trag sei der Kommission nah der jeßigen Lage der Geseßz- gebung als zu weitgehend erschienen. Dieselbe habe deshalb in versöhnlicher Absicht die Streihung der überflüssigen und Anstoß erregenden Worte e

Der Abg. Frhr. von Schorlemer-Alst konstatirte, daß die Katholiken den Grundsaß hätten, sich nicht in die kirhlichen Streitigkeiten der Protestanten einzumischen, weil dieselben das Gleiche für sih verlangten, wobei seine persönlihen Sympa- thien auf Seiten des Konservatismus und des Glaubens, und: nicht auf Seiten des Liberalismus und des Unglaubens seien. Der altkatholische Bischof aber, der im Etat als ein neuer katholischer aufgeführt sei, solle jeßt nah dem Kommissions- antrag ganz kfonfessionslos werden. Warum lege man Preußen diese Last im Etat auf? Dr. Reinkens praktizire in ganz Deutschland; sein Gehalt gehöre eigentlih in den Reichsetat oder müßte auf die Etats der Einzelstaaten vertheilt werden. Es handle sich hier um eine Finanzfrage. Jn einer Zeit des Defizits, des Nothstandes und stetiger Steuer- erhöhung müsse jede unnöthige Ausgabe vermieden wer- den. Mit Ausnahme des Abg. Petri werde wohl jeder inneclich diese Ausgabe für eine überflüssige halten." Der Altkatholizismus sei schon in der leßten Zeit der Falkschen Aera sehr zurückgegangen. Jeßt existire derselbe kaum noch. Troß aller Regierungspatronage seien die Altkatholiken nicht lebensfähig; ihre Mitgliederzahl sei in sietem und rapidem Rüdckgange begriffen. Eine nicht lebensfähige Konfession dürfe aber der Staat nicht unterstüßen. Jn Baden seien beispiels- weise ganze altkatholishe Gemeinden in den Schooß der rö- mischen Kirche zurückgekehrt. Er bitte aber auch aus «inem anderen Grunde um Streichung dieser Position. Das Kapitel, zu dem dieser Titel gehöre, \prehe von „katholischen Geist- lihen und Kirchen.“ Die einzige katholishe Kirche sei aber die rômisch - katholische. Gerade der Abg. Petri werde be- zeugen, daß die Altkatholiken niht zur römisch-katholischen Kirche gehörten. Der Abg. Petri, gleihsam der Vater des Altkatholikengeseßes, habe die katholische Kirche stets hier in der \chärfsten Weise bekämpft. Redner verlas Stellen aus einer früheren Nede des Abg. Petri, in welcher derselbe si aufs Heftigste gegen das Wesen der katholischen Kirche ausspreche, und mit der Aeußerung des französishen Ministers Ferry, die Vollendung der evangelishen Kirche bilde die Revolution von 1789, einverstanden erklärt habe. Wenn dies die Ansichten der Altkatholiken seien, so könne man sie doch niht mehr ver- fassungsmäßig als Mitglieder der römisch-katholishen Kirche anerkennen. Der Abg. Petri, der an den Sieg der Alt- katholiken glaube, leide an Selbstübershäßung. Subsidien habe man auch im siebenjährigen Kriege den Bundesgenossen ezahlt, die Schlachten, die der Abg. Petri und seine Ge- innungsgenossen s{lügen, seien aber nur Niederlagen für ihren hohen Verbündeten. Deshalb müßten die -Subsidien aufhören. Es gebe nur eine röômisch-katholishe Kirhe nah der Verfassung, dem bestehenden Reht und dem Anerkenntniß. Denn auch die jeßigen Verhandlungen würden mit dem Papste, dem unfehlbaren Lehrer des Glaubens und der Sitte, geführt. Der Abg. von Sybel nenne das Centrum zwar neukatholish, wenn aber seine historishen Forshungen kein rihtigeres Resultat ergäben, dann ständen sie im Werthe gleich seiner Ueberseßung des lateinischen Textes des Syllabus. Die Geschichtsshreibung werde doch bedenklih, wenn die Quellenstudien unter der Leitung des Abg. von Sybel blieben. Die Altkatholiken, da sie den römischen Primat nicht mehr anerkennten, ständen niht mehr innerhalb der römisch-katho- lischen Kirche. Der Abg. Petri habe zwar gesagt, daß Preußen die Maigeseße nicht aufgeben dürfe, daß der Staat der Hohen- S auf jeinem Schein bestehen müsse. Es sei aber nicht ehr ges{hmackvoll, den Staat der Hohenzollern mit einem alten blutdürstigen Juden zu vergleichen. Der Abg. Petri habe den Ausspruch: „Los von Rom“ gethan, es sei deshalb unsittlich, die Altkatholiken noch römische Katholiken zu nennen. Er beantrage prinzipaliter daher Streichung dieser Position event. deren Einstellung als ein neues Kapitel 116A.

Der Abg. Pr. Petri erklärte, in der ultramontanen Lite- ratur werde der Bischof NReinkens immer als mit 16 000 Thalern vom preußishen Staate ausgestattet aufgeführt, während derselbe nur einen Gehalt von 4000 Thalern und 1000 Thaler Wohnungsentschädigung beziehe. Da er und seine Freunde den Streit doch wenigstens mit ehrlihen Mit- teln führen wollten, so sollten die Herren vom Centrum do ihren Einfluß anwenden, daß solche unrihtige Angaben aus der Presse verschwänden. Redner verlas hierauf aus dem „Staats-Anzeiger“ die vom Könige ausgefertigte Anerken- nungsurkunde des Bischofs Reinkens vom 19. Dezember 1873, und fuhr fort: mit Rücksicht auf diese Allerhöchste Ordre er- innere er an die O Worte des Abg. Windthorst, daß an den Worten des Königs nicht gedeutelt werden solle, das Haus habe aber so eben gehört, wie der Abg. von Schorlemer diesen Grundsaß befolgt habe. Jn der Sache selbst sei ihm der An- trag der Kommission genehmer als die Regierungsvorlage, weil er sih unter den Worten „neuer katholisher Bischof“ nichts Rechtes denken könne. Den Minister bitte er, heute eine offizielle Erklärung dahin abzugeben, daß der Altkatholi- zismus und sein Bischof staatlih anerkannt sei. Uebrigens wisse er niht, wie Rom und Katholizismus hier immer iden- tifizirt werden könne. Der Abg. von Schorlemer habe so oft hier im Hause den Untergang des Altkatholizismus prophezeit., Gerade die Schärfe und Heftigkeit der Angriffe des Abg. von

in der Geschichte der preußischen Katholiken. Denn die große Majorität derselben wolle nur einen vom Episkopat

das Geseß müsse aber ausgeführt werden.

thm gegebenen Geistlichen, und er wünsche, daß der Abg.

Schorlemer aber beweise, wie lebenskräftig der co An Lui ben sei. Er müsse die Behauptung zurückweisen, daß es si bei dem Altkatholizismus um eine Staatsshöpfung handele. Die Alt-

liken seien aus der vatikanischen Kirche ausgetreten, weil fab eroissen sie dazu getrieben habe, und weil sie dem Staate frei und in treuer Liebe dienen wollten. Die Altkatholiken hätten nichts dagegen, daß das Centrum sie in den Bann gethan habe, er behaupte nur, daß das Centrum selbst in den Bann gehöre. Be- greife man doch endlich, daß es si hier niht um das Verhältniß des Altkatholizismus zur katholishen Kirche, sondern um das Verhältniß desselben zum Staate handele. Jm Centrum werde immer Rom und Katholizismus identifizirt, das sei grundfals; der römische Bischof habe niht mehr Bedeutung als jeder andere, also auch der Bischof Reinkens. Auf die Wigßeleien des Vorredners möge er nicht antworten, er halte dazu die Sache, die er vertheidige, für zu vornehm!

Der Staats-Minister von Puttkamer erwiderte, der An- trag der Kommission, die Worte „neuen katholischen“ zu streichen, habe auch nah seiner Meinung nur die Bedeutung einer redaftionellen Fassung, ohne alle rechtlihe Bedeutung. Für die Staatsregierung sei die vorliegende Frage keine inanzfrage, sondern eine staatsrechtlihe. Durch einen aller- höchsten Erlaß sei der Bischof der Altkatholiken als Bischof anerkannt, durch Uebereinstimmung der geseßgebenden Faktoren seine Besoldung geregelt. Es habe sih von Seiten des Staates nicts geändert, die Regierung stehe nah wie vor auf dersel- ben Basis, und er bitte daher, die Position zu bewilligen. Der Abg. Dr. Lieber bedauerte, daß Se. Majestät dur den Abg. Petri in die Diskussion gezogen sei. Er verwahre si dagegen, daß es die Absicht Sr. Majestät gewesen sei, im Kanzleistil einer solhen Verfügung seinen römisch-katholi}chen Unterthanen den Befehl zu geben, gegen ihr Gewissen zu handeln. Impossibilium nulla obligatio. Es sei das Merkmal eines Katholiken, mit Rom in Verbindung zu stehen. Der Abg. Dr. Petri habe das sehr wichtige katholishe Dogma des römischen Primats geleugnet, derselbe habe si also selbst aus der fatholishen Kirche herausgestellt. Der Abg. Petri abe gesagt, der Papst sei nicht mehr als Bischof Siarens Wenn es darauf ankomme, die Kirchen in Anspruch zu nehmen, dann sei der Abg. Petri Katholik, dann stehe der Bann niht im Wege; wenn es aber darauf an- komme, Steucrn für die Kirchen zu zahlen, dann berufe sich der Abg. Petri auf den Bann, weil es da an den eigenen Geldbeutel gehe. Der Abg. Petri habe sich vorhin für zu vornehm erklärt, um auf die Angriffe des Centrums zu ankt- worten ; derselbe sollte doch hier seine Vornehmheit beweisen. Wenn der Abg. Petri darauf gesagt habe, er habe auch fernerhin dem Reihe und Staate in Treue und Liebe an- hängen wollen, so könne das doh nur den Sinn haben, als daß die römischen Katholiken dem Reiche und Staate nah dem 18. Juli 1870 niht mehr in alter Treue und Liebe an-

ehangen hätten. Er erinnere nur an den französischen Krieg, ba doch nach diesem Datum stattgefunden habe, und brauche zum Beweis der Ungerechtigkeit dieses Vorwurfes nichts weiter hinzuzufügen. Die von den Altkatholiken benußten Kirchen seien für die Katholiken entweiht ; in Folge dessen fei vielfa ein kirhliher Nothstand entstanden. Man habe auf Grund der einseitig von den Altkatholiken geführten Listen den we- niger zahlreichen Altkatholiken Kirchen eingeräumt, so daß die zahlreicheren römischen Katholiken sich mit Nothkirchen behelfen müßten, welce die Zahl der Gläubigen nicht fassen könnten. Er könne spezielle Fälle aus Wiesbaden und Posen anführen, wo die Altkatholiken „zu vornehm“ seien, Kirchensteuern zu zahlen, aber die Kirchen mitbenußten. Er bitte den Minister, eine nochmalige Prüfung der Aussührung des Altkatholiken- eseyes in Bezug auf diese Frage unter der Beobachtung des Brundsabes: beide Parteien zu hören, eintreten zu lassen.

Der Vize-Präsident von Benda bemerkte, der lebte Redner habe in Bezug auf den Abg. Petri Thatsachen vorgebracht, ohne eine direkte Beschuldigung damit zu verbinden, aber doch in einer Form, welche eine für den Abg. Petri sehr beleidi- gende Interpretation gestatte. Es sei in solhen Fällen und bei solcher Art der Verhandlung sehr {wer von hier aus direkt einzugreifen, um so mehr nehme er Veranlassung drin-

end zu bitten, den Boden sachlicher Diskussion nicht zu ver-

laffen. der allein es möglih mache, in einer Erwiderung sih sahlih zu verhalten. Er richte diese Bitte an alle nachfol- genden Redner.

Der Abg. Dr. von Sybel erklärte, ex habe nun {on seit 36 Jahren die Ehre gehabt, von den Gesinnungs- genossen des Abg. von Schorlemer und diesem selbst als ein sehr mittelmäßiger, wenn niht s{lechter Ge- lehrter, hingestellt zu werden. Seine (des Redners) litera- rishe Stellung sei bei diesen Angriffen sehr wohl gediehen. Das Centrum stôre dur solche Angriffe weder seinen Humor, noch werde es dadur auf sein literarishes Schicksal etwas ausüben. Er möchte nur konstatiren, daß es bis jeßt Usus in diesem Hause gewesen sei, niemals bei den Debatten die sonstigen, außerhalb dieses Hauses zu vollziehenden Thätigkeiten jedes einzelnen Mitgliedes in die Debatte hineinzuziehen. Wenn der Abg. Stöcker in seiner Rede kritisirt sei, so sei der- selbe einfah als Mitglied des Hauses, niht aber als Hof- prediger und Vorstand des ristlich-sozialen Vereins hingestellt. Gestern aber habe der Abg. Windthorst den „Archivdirelktor von Sy- bel“ angegriffen, heute hätten die Abgg. von Schorlemer und Dr. Lieber seine historischen Leistungen bemängelt, Der Ton dieser Herren sei so , daß jeder Unbefangene sih mit Unwillen von der Lektüre diéser Reden abwenden werde. Wenn die Katho- liken, dem Befehle des Papstes folgend , sih geweigert hätten, den Altkatholiken die Mitbenußzung der Kirchen zu bia und die von ihnen benußten Kirchen nicht selber benußen wollten, so möchten sie sich an den Papst um Abhülfe wenden, nicht an den Staat. Sobald man in Nom Barmherzigkeit mit den Nöthen der katzolishen Seelsorger und Gemeinden empfinde, würde der Kulturkampf bald sein Ende finden. Jn diesem Verfahren habe man ein Bild der fanatishen Verfolgung von Seiten der katholischen Kirche gegen die unterdrüdte Minorität. Wenn dieseGesinnung aus den Kreisen des Centrums vershwinde, dann werde dasselbe bald in die Lage kommen, mit seinen alt- katholischen Brüdern einträhtig zu leben. (Ruf im Centrum: Nie!) Also das sei die friedliebende Gesinnung, welche der Abg. Windthorst neulich so feierlih angekündigt habe, das sei dieselbe staatsachtende Gesinnung, die vorhin die Verlesung des Allerhöchsten Erlasses in Bezug auf den Bischof Reinkens mit schallendem Gelächter begleitet habe. Er müsse die Be- hauptung zurückweisen, daß die Altkatholiken die Schoßkinder des Ministeriums Falk gewesen seien; der Kampf richte sih nicht gegen Rom, sondern bezwecke nur, dem Staat seine Rechte zu erhalten. Die Revolution von 1789 sei niht die Vollendung der Reformation; in Frankreih habe man die reformatorishe Bewegung der Hugenotten mit allen zeitlichen Strafen niedergehalten; die Revolution von 1789 habe ge- zeigt, wohin ein Volk komme, wenn es vor die Alternative

gestellt werde: jesuitishe Orlhodoxie oder radikale Demagogie. Die politishe Vollendung der Reformation verkörpere sih in dem stolzen England und auf dem Kontinente im preußischen Staate, der auf diesem Boden von Stufe zu Stufe fort- geschritten sei. : j Der Abg. Frhr. von Schorlemer-Alst bemcrkte zur Geschäfts- ordnung, der Abg. von Sybel habe behauptet, es sei bei Ver- lesung Be Allerhöchsten Kabinetsordre gelaht worden. Diese Behauptung sei unwahr. Er bitte den Präsidenten , daß der- selbe das Centrum gegen eine so schwere und grobe Beleidi- gung und eine so vollständige Lüge des Abg. von Sybel in Schuß nehme. /

Der Vize-Präsident von Benda erklärte, der leßte Ausdruck des Abg. von Schorlemer-Alst widersprehe der Drdnung. Was demnächst die angeblihe Aeußerung des Abg. von Sybel be- treffe, so sei sie ihm in dem entstandenen Tumult entgangen, sei aber inzwishen mitgetheilt. Aber, wenn der Abg. von Sybel die Behauptung aufgestellt habe, daß im Hause von irgend einem Theile oder von einer Partei bei der Verlesung einer Allerhöchsten Kabinetsordre absihtlich und in Age dessen höhnish gelaht worden sei, so halte er eine olche Thatsache für so absolut undenkbar in diesem Hause, daß er eine solhe Anschuldigung ohne den vollständig gegebenen Beweis nicht allein des Lachens, sondern auh des ursächlichen Zusammenhangs des Lachens mit der Verlesung für nicht zu- lässig erachte. :

Der Abg. Dr, von Sybel bemerkte, er habe den Eindruck erhalten, als wenn auf jener Seite des Hauses bei der Ver- lesung der Königlichen Ordre gelaht worden sei. Er habe Lachende gesehen und gehört. Sollte er sih irren, so würde er sih freuen und seinen Jrrthum eingestehen. Fm Uebrigen überlasse ex es dem Hause, zu entscheiden, ob er richtig ge- sehen und gehört habe oder nicht. |

Der Vize - Präsident von Benda glaubte, daß die Sache hiermit erledigt sei. Í :

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, er möchte allerdings auch glauben, daß die Sache erledigt sei, wenn nicht der Abg. von Sybel wieder von Neuem Thatsachen so darzustellen beliebte, wie gewöhnlich. Jn seiner Rede habe derselbe von einem schallen- den Gelächter gesprohen. Er (Redner) behaupte, das sei eine den Thatsachen widersprechende Behauptung und nun wolle der Abg. von Sybel die Lachenden gesehen und gehört haben. Darin könne er demselben nicht folgen, weil er nicht sehen könne, aber wenn Jemand lächele, jo könne man nicht die Folgerung daraus ziehen, daß über die Königliche Ordre ge- lat sei. Er sei der Meinung, daß diese Auslegung eine ten- denziöse, unwahre Behauptung sei, für die er einen Ordnungs- ruf erwartet hätte.

Der Abg. Frhr. von Schorlemer-Alst behauptete, daß der Abg. von Sybel în seiner Rede eine unwahre Behauptung ausaestellt habe. Er wisse, wie das Centrum die Worte Sr. Majestät des Königs stets mit der größten Ehrfurcht anhöre, die es Sr. Majestät gegenüber stets hege.

Der Abg. Struve erklärte, der Abg. von Sybel habe durhaus rihtig gesehen, daß gelaht worden sei. Jm Uebrigen überlasse er die Aeußerungen der Abgg. Windthorst und von Schorlemer der Beurtheilung des ganzen Hauses.

Der Abg. Frhr. von Zedliß-Neukirh konstatirte, daß während der Verlesung der Allerhöhsten Kabinetsordre im Centrum gelaht worden sei. j

Der Abg. Dr. Serlo bemerkte, er habe ebenfalls gehört, daß gelacht worden sei, er habe es auch gesehen; er könnte Namen nennen! /

Der Abg. Dr. Röerath forderte die Nennung der Namen, worauf Abg. Serlo den Abg. Franssen als einen der Lacher bezeichnete. Dieser erklärte aber, daß er während der Rede Petri's auf seinem Stühlchen links gesessen habe, wo ihn der Abg. Serlo gar nit sehen könne; man solle doch einmal die Probe machen. j

Der Abg. von Kröcher konstatirte, daß allerdings gelacht worden sei, aber niht in Folge der Verlesung, sondern in Folge der Schlüsse, die der Abg. Petri daraus gezogen habe.

Der Abg. Dr. Petri erklärte, er habe die abinetsordre ohne jede Zwischenbemerkung in continenti verlesen.

Der Vize-Präsident von Bcnda bemerkte, nah Allem, was er gehört habe, könne er nur bei dem {hon Gesagten bleiben. Die Aeußerung des Abg. von Schorlemer habe nicht der Ord- nung entsprochen und wenn der Abg. von Sybel einen solchen Vorwurf gegen eine Partei hier erhoben habe, ohne den Zu- sammenhang des Lachens mit der Verlesung nachzuweisen, so halte er das für unzulässig. . i

Der Abg. Struve erklärte, der Abg. Windthorst habe die Bemerkung des Abg. von Sybel als eine tendenziöse Knwahr- heit bezeihnet. Er möchte an den Präsidenten die Frage richten, ob derselbe auf diese Bemerkung nicht einen Drdnungs- ruf für angemessen halte. : :

Der Vize-Präsident von Benda erwiderte, er nehme keinen Anstand, diese Aeußerung des Abg. Windthorst genau ebenso zu charakterisiren, wie die des Abg. von Schorlemer. Er be- daure, daß sein vorhin ausgesprohener Wunsch nicht erfüllt worden sei. Er bitte, die Sache nunmehr als erledigt zu betraten. S ;

Der Abg. Bachem erklärte, es sei nüßlich zu konstatiren, daß die bisherigen thatsählihen Ermittelungen die Behaup- tung des Abg. von Sybel auf die sehr zweifelhafte Thatsache zurückgeführt hätten, daß der Abg. Franssen gelächelt habe. Bei dieser Sachlage halte er die Charakterisirung, welche seine Pen der Bemerkung von Sybels angedeihen

ieße, durchaus für sachlich gerechtfertigt.

Der Vize-Präsident von Benda bemerkte, wenn ein Ab- geordneter, nachdem der Präsident in zwei Fällen Aeußerungen als nicht der Ordnung entsprechend bezeichnet habe, sih äußere, wie der Vorredner, so habe der Präsident das Recht und die Pfliht, denselben zur Ordnung zu rufen, was er hiermit thue.

In einer persönlihen Bemerkung nahm darauf der Abg. Frhr. von Fürth die Bonner Theologen gegen den Abg. von

Sybel in Schuß. 7 Der e Frhr. Schorlemer-Alst protestirte dagegen, daß ex an den Worten Sr. Majestät des Königs gedeutelt haben solle, wie ihm der Abg. Petri vorgeworfen. Er (Redner) habe es vermieden, die Person Sr. Majestät in die Debatte hineinzuziehen. Gegen den Abg. Petri selber empfinde er das gerade Gegentheil von Haß; ihn ersónlih möge er sogar sehr gern leiden. Er habe fi nur gegen den Altkatholiziómus als solchen gewandt. Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, die Ausführungen des Abg. von Sybel böten immer ein reiches Material zu persönlichen Bemerkungen. Er unterdrüde diese bei der vor- gerückten Zeit. Es werde sih eine Gelegenheit finden, wo er

von

dem Abg. von Sybel gründlih antworten werde.

Demnächst wurde der Antrag der Budgetkommission an- genommen, dcr Eventualantrag des Abg. von Schorlemer da- gegen abgelehnt und der Tit. 2 mit dieser Veränderung be- willigt, worauf sich das Haus um 4/, Uhr vertagte.

Jn der heutigen (57.) Sigung des Hauses der Abgeordneten, welher der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten von Puttkamer und mehrere Regierungs- fommissarien beiwohnten, seßte das Haus die zweite Bera- thung des Staatshaushalts-Etats pro 1880/81 mit der Dis- kussion des Etats des Ministeriums der geistli- chen 2c. Angelegenheitew“ foi. Vei Kap 117 Provinzial - Schulkollegien) beklagte der Abg. Stein- ush die Ausschließung der kirchlihen Organe von dem Religionsunterriht in der Schule. Dadurch werde der Materialismus in seinex s{hroffsten Form gefördert. Die jeßigen Maßnahmen des RKultus-Ministers zur Besserung dieser Mißstände betrahte seine Partei nur als eine Ab- \{chlagszahlung. Auf eine Beschwerde des Abg. Mooren erwiderte der Staats-Minister von Put kamer, daß die Uebungsschule des Kempener Schullehrerseminars durch einen Vertrag mit der dor- tigen Ortsgemeinde die Kempener Volksknabenschule sei, wodurch deren Qualität besonders verbessert sei. Der katholische Charakter der leßteren sei nicht alterirt, es sei bei Schließung des Verlrages den Kempener Ortsbehörden bekannt gewesen, daß der Direktor des dortigen Schullehrer- seminars ein Altkatholik sei. Der Vertrag sei von den Stadt- verordneten gekündigt, aber der Bürgermeister habe dagegen sein Veto eingelegt, er werde den regelmäßigen Austrag dieser Meinungsdifferenz abwarten und danah seine Maßregeln treffen. Der Abg. Dr. Windthorst \sprach den Wunsch aus, daß an Stelle der Vielwisserei, die auf den Seminarien getrieben werde, ein mehr intensives Wissen trete. Für katholische Seminarien sei ein ristkatholisher Religionsunter- rit durchaus nothwendig, ein folcher sei aber unter einem altkatholishen Direktor niht möglich. Den Altkatholiken wolle er alle Mittel für ihren Kultus bewilligen, wenn sie sich nur als eine von der römischen Kirche getrennte Religionsgemeinde bekennen wollten. Der Redner beschwerte sich noch darüber, daß ein Kommissarius des Ministers des Jnnern diesen Verhand- lungen niht anwohne. Der Staats-Minister von Puttkamer erklärte, daß bisher ein solcher Kommissar zugegen gewesen sei, daß aber vermuthlih der Minister des Fnnern bei dem Kapitel „Provinzial-Schul-Kollegien“ die Entsendung eines solchen für unnöthig erachtet habe ; er werde seinen Kollegen er- suchen, fernerhin einen Kommissar zu entsenden. Unter seiner Amtsführung werde er keinen Altkatholiken als Direktor eines katholishen Lehrerseminars anstellen. Der Abg. Platen wies den neulihen Vorwurf des Abg. Windthorst, daß alle in der Schulverwaltung unter dem Ministerium Falk Beförderten und Angestellten kein positives Christenthum besäßen, als ent- schieden unrihtig und jedes thatsählihen Beweises entbehrend zurück und berief sich dasür auf einen Ausspruch des früheren Obex - Präsidenten von Schlesien von Putt- amer. Dex Abg. Dr. Windthorst hielt dagegen seine früheren Behauptungen aufrecht und forderte die Beseitigung aller der Männer, gegen die er den vom Vor- redner citirten Angriff gerichtet habe. /

Der Abg. Dr. Petri protestirte gegen dieses System der Unduldsamkeit, das der Abg. Windthorst inauguriren wolle. Letzterer wies diesen Vorwurf als ihn durchaus nicht treffend urüd. i | i Die Budgetkommission beantragte, die von der Regierung geforderte Bewilligung von 1200 6 für einen Justitiarius im Nebenamt bei dem Provinzial-Schulkollegium in Königsberg zu streihen. Der Regierungskommissarius Geheime Regie- rungs-Rath Bohy vertheidigte diese Position mit dem Hin- weis darauf, daß die bisherige Verbindung dieser Stelle mit dem Konsistorium niht mehr aufrecht erhalten werden könne, seitdem durch den Uebergang der kirhlichen Externa auf die Konsistorien die Justitiariatsgeschäfte sich erheblih vermehrt hätten. |

Das Haus genehmigte entgegen dem Antrage der Budget- kommission die Forderung der Regierung.

Bei Kap.118: Prüfungskommissi on, bedauerte der Abg. Frhr. von Fürth, daß die katholishen Studenten in Berlin die Prüfung in der Religion zur Erlangung der Fakultät. nicht in Berlin machen könnten, sondern eine andere Uni- versität dazu aufsuhen müßten. Der Staats - Minister von Puttkamer sagte Abhülfe zu. Der Abg. Frhr. von Schorlemer-Alst beantragte die Streichung der für das soge- nannte „Kulturexamen“ der Geistlichen erforderlichen Kosten. Der Staats-Minister von Puttkamer sprah sich dagegen aus, weil die Ausgaben für eine geseßlihe Fnstitution nothwendig seien. Das Haus genehmigte die geforderte Summe und ging bei Schluß des Blattes zum Kap. 119 : Universitäten, über.

Nah einem Spezialerlaß des Ministers des Fnnern vom 8. Januar d. J. sind nah §. 128 der Reichs-Strafprozeß- ordnung vom 1. Februar 1877 die von den Polizei- und Sicherheitsbeamten festgenommenen Personen in der Regel nur in denjenigen Fällen dem zuständigen Amts- richter unmittelbar vorzuführen, in welheu der Siß des Amtsrichters sih in dem Dienstbezirke des aufgreifenden Beamten befindet. Hat der Amtsrichter dagegen seinen Siß nicht innerhalb des Dienstbereihs des betreffenden Beamten, fo wird dieser Lettere die von ihm verhafteten Personen an die Ortspolizeibehörde u haben, von welcher demnächst mit thunlichster Beschleunigung das Erforderliche wegen der Vorführung des Festgenommenen vor den Amtsrichter anzu- ordnen ist. Us

B Koe welche durch den Seitens der Orts-Polizei- behörden zu bewirkenden Transport inhaftirter Personen zum Sitze des Amtsrichters erwachsen, sind als Ausgaben der ört- lichen Polizeiverwaltung von der betreffenden Polizeibehörde zu tragen und demgemäß, wenn die leßtere eine Königliche ist, aus dem im Etat von der Verwaltung des Fnnern unter Kap. 100 Tit. 4 ausgebrachten Fonds zu bestreiten.

Die Kassenordres einer Behörde (Magistrat) an ihre Kasse, nah welchen dieselbe ihr von einem Dritten (Sparkasse) zur Verfügung gestellte Geider einnehmen und dadurch die Behörde in Höhe der vereinnahmten Summe jenem Dritten gegenüber belasten joll, in Verbindung mit der Empfangs- bescheinigung der Kasse sind, nah einem Erkenntniß des NReichsgerichts, IV. Senats, vom 18. Dezember 1879, ob- wohl sie zum Ausweise des dadur entstandenen Forderungs- rechts für jenen Dritten in der Regel genügend sind, niht

als stempelpflihtige Schuldverschreibungen, son- dern ledigli als Anweisungen der Behörde an ihre Kasse im