1880 / 42 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 Feb 1880 18:00:01 GMT) scan diff

Train des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 2, Otto, Sec. Lt. vom Landw. Train des 1. Bats. Landw. e, Nr. 26, als Pr. Lt. mit der Landw. Armee-Uniform, ver Hsbied bewilligt, “Itt'der Kaiserlichen Marine, Ernennungêén, Beförderungen, Verseßungen 2c. Berlin, 10. Februar. v. Wickede, Kapitän zur See, zum Chef des aus S. M. ed rich der Große“, S. M. Panzerkorvette „Sachsen“ und S. M. Aviso „Grille“ zu bildenden Uebung8geschwaders, für die Dauer der dies- jaurigen Uebungen desselben, Stubenrauch, Korv. Kapitän im dmiralstabe, zum Chef des Siabes des Uebuhngsgeschwaders, P ir - ner, Kapitän zur See, zum Kommandanten S. M. Panzerfregatte „Friedrich Carl“, Kühne, Kapitän zur See und Commandeur der 2. Matrosen-Div., zum Kommandantea S. M. Panzerfregatte „Preußen“, Frhr. v. Reibniß, Kapitän zur See und Commandeur der 1. Matrofen-Div.,, zum Kommandanten S. M. Panzerfregatte „FSricdrich der rohes Stenzel, Kapitän zur See, zum Komman- danten S. M. Parßzerkorveite „Sachsen“, L C oD, Korv. Ka- pitän, zum Kommandanten S. M. Avisos „Grille“, Braunscchwei g, Korv. Kapitän, zum Kommandanten S. M. Korvette „Gazelle“ Ditmar, Kapitän zur See im Admiralstabe, zum Kommandanten S. M. Fregatte „Niobe“, Schröder, Korv, Kapitän im Admi- ralstabe, zum Kommandanten S. M. Korvette „Nymphe“, Stem- pel, Korv. Kapitän im Marincstabe, zum Kommandanten S. M. Brigg „Muëequito“, F:hr. v. Rössing, Korv. Kapitän, zum Kom- maändan!en S. M. Brigg „Kover“, Holzhauer, Korv. Kapitän im Marinestabe, zum Kommandanten S. M, Dampfkanonenboots «Drache", Tirpiß, Kapitän-Lt, im Admiralstabe, zum Komman- danten S. M. Torpedofahrzzugs „Zieten“, v. Noti, Korv. Ka- pitän und Commandeur der Schiffsjungen-Abtheil.,, zum Komman- danten S. M. Yat „Hohenzollern“, Frhr. v. Hollen, Korv. Kapiton im Admiralstabe, zum Kommandanten S. M. Korvette „Ariadne“, Valois, Korv, Kapitän, zum Kommandanten S. M. Korvette „Victoria“, Strauch, Kapitän Lt., zum Kommandanten S. M. Dampffkanonenboots „Wolf“, Klausa, Kapitän-Lt,, zum Kommandanten S. M. Dampfkanonenboots „Cyclop", für die Dauer der diesjährigen Indienststellung ernannt.

Nichkamflicßes.

Preußen. Berlin, 18. Februar. Jm weiteren Ver- laufe der gestrigen Sißung des Herrenhauses ge- langten die Petitionen des Prinzen Friedrih Wilhelm Ernst von Hessen wegen Schuß der Rechte seiner Fürst- lihen Familie an dem hessishen Fideikommiß zur Be- rathung. Die Budgetkommission hatte diese Petitionen zur Erörterung im Plenum nicht für geeignet crahtet und auf Grund des §. 29 der Geschästsordnung den Antrag ge- stellt, dieselven ohne Diskussion für erledigt zu erachten. Herr von Knebel-Döberiß beaniragte dagegen, die eine der Petitionen zux Erörterung zu, stellen. Jn derselben behaupte der Petent, daß er, troßdem die Angelegenheit bei dem Appel- lationsgericht in Cassel hon seit zwei Jahren anhängig sei, es noch nicht habe möglich machen können selbst nicht * dadur, daß er sich an den Justiz - Minister gewendet habe eine Benachrichtigung über dieselbe zu erhalten. Hierüber wünsche er (Redner) Aufklärung und deshalb wünsche ex über die Petitionen in Erörterung zu tre- ten. Der Referent, Graf von Zieten-Schwerin, erwiderte, daß diese Angele- enheit in dex Kommission ebenfalls zur Sprache gekommen sei, und daß hierbei der Regierungskommissar so befriedi- gende Erklärungen abgegeben habe, daß die Kommission fich zu dem obenerwähnten Antrage veranlaßt gesehen hobe. Hierauf zog Herr von Knebel-Döberiß seinen Antrag auf Erörterung der Petitionen wieder zurü.

Es folgte als vierter Gegenstand der Tagesordnung der mündliche Bericht über die Petition des Fischers Friß Riek und Genossen zu Pruchten, Bresewiß und Bodstedt um Ab- änderung des Fischereigeseßes vom 30. Mai 1874 und des Ausführungsgescßes vom 15. Mai 1877 in Betreff der Aus- übung der Fischerei in der Provinz Pommern und Wahrung der durch die angeführten Geseße verleßten Rechte der Fischer. Der Berichterstatter Herr von Behr - Shmoldow beantragte, über die Petition, weil ‘die Petenten den Jnstanzenzug noch nit ershöpft haben, zur Tagesordnung überzugehen, und das Haus trat diefem Antrage ohne Diskussion bei.

Es fnüpite sih“hieran der mündliche Bericht der Eisen- bahnkommission über den Gesehentwurf, betreffend den An- fauf der im Großherzogli hessishen Gebiet belegenen Strecke der Main-Weserbahn und den Bau einer Eisenbahn von Cölbe nah Laasphe. Der Berichterstatter Dr. Engelhardt beantragte Namens ‘der Kommission, dem Geseßentwuxrf in Uebereinstimmung mit dem Abgeordnetenhause unver- ändert die verfassungsmäßige Zustimmung zu erthei- len, Der Minister der öffentlihen Arbeiten May- bah erörterte in Befürwortung dex Vorlage die für Preußen unhaltvaren Zustände, welche bisher bei diesem Eisenbahnunternehmen bestanden hätten; diesen habe dur Erwerbung der auf hessishem Gebiet belegenen Theilstrecke ein Ende gemacht werden müssen. Uebrigens sei das Geschäft, welches die Regierung dur dieses Geseß vorshlage, auch ein finanziell sehr günstiges. Auch würden bei der Verwaltung durch den Erwerb der Bahnstrede niht unerhebliche Erspar- nisse herbeigeführt werden können, und bitte er deshalb, die Vorlage unverändert anzunehmen. Ohne weitere Debatte trat das Haus dem Antrage der Kommission bei.

Den Schluß der Tagesordnung bildete der mündliche Bericht der Eisenbahnkommission über Petitionen, welchen Herr von Simpson-Georgenburg erstattete. Derselbe berich- tete zunächst über die Petitiónen der Stadtbehörden und der Handelskammer zu Braunsberg in O.-Pr. sowie der Stadt- behörden der Städte Mellsack und Wormditt in O.-Pr., den Bau einer Eisenbahn minderer Ordnung von Allenstein über Guttstadt, Wormditt, Mehlsack nah Braunsberg auf Staats- kosten zu beschließen und beantragte, in Erwartung, daß die Königliche Staatsregierung bei der weiteren Erwägung der Angelegenheit denjenigen Anteressen des Verkehrs und der Landwirthschaft, welhe für die Führung der Linie auf Braunsberg sprechen, ebenfalls geeignete Würdigung werde zu Theil werden lassen, über die Petitionen zur Tagesordnung überzugehen. Das Haus genehmigte ohne Debatte diesen Antrag. Herr von Si*--\oa - Georgenburg berichtete sodann Namens d.r¡cwen Kommission über die Petitionen des Kreisaus\{usses des Kreises Osterode in O.-Pr. und des landwirthschaftlichen Vereins zu Gilgenburg in O.-Pr., zu be- beschließen, daß statt der Linie Mohrungen-Allenstein die Linie Elbing - (Güldenboden) - Mohrungen-Biessellen (Osterode) aus- ir werde, und beantragte, die Petition dur die über den

eseßentwurf, betreffend die Erweiterung der Staatseisen- bahnen und die Betheiligung des Staats bei mehreren Privat- Eisenbahnunternehmungen, gefaßten Beschlüsse für erledigt an- zusehen. Auch dieser Antrag wurde vom Hause ohne De-

anzerfregatten „Friedrich Carl“, „Preußen“, „Friede

batte angenommen, und dann um 28/4, Uhr die Sißung ge-

_\chlossen.

Jm weiteren Verlaufe der gestrigen (64.) Sißung

des auses der Abgeordneten ergriff bei der zweiten

Berathung des Geseßentwurfes, betreffend die Verwen- dung der aus dem Ertrage von Reichssteuern an Preußen zu überweisenden Geldsummen (8. 1) der Finanz-Minister Bitter das Wort:

Meine Herren! Die Staatsregierung steht nach wie vor auf dem- selben Standpunkt, den ih bei Einbringung des Gesetzes in der ersten Lesung hier bezeichnet. habe, sie hat den größten Werth darauf gelegt, daß dieses Gesetz: sowie seine Grundlage in der Allerhöchsten Drdre, die dem hohen Hause bekannt ist, formulirt war, festgestellt, und daß alles dasjenige vermieden werde, was in diese Frage

Schwierigkeiten oder Verwicklungen hineintragen könnte. Von diesem |

Standpunkte aus, bitte ib, die Verhandlungen so führen zu wollen, daß es möglich ist, wenigstens eine Grundlage für die weitere sichere Behandlung dieses Gesetes zu finden.

Ich werde mi in diesem Augenblicke vorzugsweise nur auf den- jenigen Punkt beshränken, der zur Zeit den Mittelpunkt der Debatte eingenommen hat,' also die Frage, welche der Antrag von Hvene an- regt, der dahin geht, daß die preußische Staatéregierung aus den Erträgen der Zölle und Tabaköfteuer die überwiesene Summe zu einer Hälfte den Kommunalverbänden nach Maßgabe der Grund- vnd Gebäudesteuer überweisen möge, und zur anderen Hälfte zum Erlaß von Perfonalsteuern verwende. Jch kann die Versicherung abgeben, daß die Zwecke und Ziele, welche dics Amendement verfolgt, und welche von verschiedenen Rednern hier berührt worden sind, von der Staatsregierung mit derselben Sympathie begrüßt werden, wie das von allen Seiten und auch in ter Kommission geschehen ist. Ich kann nur darauf hinweisen, daß sowohl in der Allerhöchsten Kabinets- Ordre, als in der Vorlage der Staatêregierung die Ueberweisung eines Theils der Grund- ‘und Gebäudesteuer an die Kommunen aus- drüdlih ihre Stelle gefunden hat, und day von Seiten der Staats- regic¿rung sehr oft und mit besonderem Nachd:uck die Nothwendigkeit betont worden ift, einen Theil der Grund- und Gebäudesteuer den Kommunen zu überweisen, aber auf dem Wege der organischen Ges p gebung. Wenn demnach die Staatsregierung dem Antrage an sich und in feinen inneren Grundbeziehungen keineswegs unfreundlich gegenübersteht so glaube ih do, daß er, unamentlich so wie er gefaßt ist und ab- geschen von den materiellen und sahlihen Bedenken, die- der Herr Referent in seiner Rede betont hat und die nah allen Seiten hin volle Beachtuñg erfordern, in den Rahmen des vorliegenden Gesetzes nicht paßt, weil dies Geseß vorzugsweise darauf berechnet gewesen ift, in erster Linie den Erlaß von Personal ¡cuern ins Auge zu fassen. Es ergiebt sih dics fsowohl- aus der Eatstehungëgeschichte des Geseßes, als aus seinem Zusammenhange mit der Reichs- ¿ollgesezgebung, Ih werde an dieser Stelle auf die poli- tishen Seiten der Frage, die vorhin von verschiedenen Sei- ten angeregt sind, und welche ja bei den Verhandlungen der Staatsregierung mit dem vorigen Abgeordnetenhause ihre Erörterung gefunden haben, nit eingehen. Was indeß die Frage des Zusammen- hanges mit der Zollgesetzgebung anbetrifft, so ist dabei zu beachten, daß die Zollgeseßgebung die Möglichkeit geschaffen bat, daß die weniger bemittelten Klassen der Einwohner dur die Erhöhung und die Vermehrung der indirekten Abgaben in Bezug auf ihre Kon- sumtioné fähigkeit auf die ihnen uzentbehrlihen Lebenémittel jeßt \{lechter gestellt werden könrten, als das früher der Fall war. Bis jeßt hat sich dies nur in mäßigem Grade be- währt; indessen liegt immerhin noch die Möglichkeit vor, daß eine Lage eintreten könnte, welche einen Autgleih erfordert. Bieser Ausgleich gerade, der dieser Klasse der Bevölkerung die Mög- lichkeit geben foll, die erhöhten Steuern anderweitig für fih nußbar zu machen, dieser Ausgleich hat für die Staatsregierung den beson- deren Werth gehabt, den das Geseß in der Ueberweisung und den Erlaß der Kommunalsteuecn in erste Linie fett.

Gs ist daher aus diesem besonderen Grunde die Ueberweisung der Grund- und Gebäudesleuer oder eines Theiles dieser Ueberscüsse an die Kommunalverbär de nach dem Maßstabe der Grund- und Ge- bäudesteuer nur in zweiter Linie ins Auge gefaßt worden, wie das in der Allerhöchsten Kabinelsordre und in der Vorlage der Staats- regierung seinen Ausdru gefunden hat. Es mußte dies umsomehr der Gall sein, als, wie son wiederholt hervorgehoben ist, die Staatsregierung es nit als sehr erwünscht hat betrachten können, wenn gewisse Bruch- theile von Steuerquotea an die Kommunen überwiesen wurden, ohne daß eine regelmäßige und. sichere Wiederholung dieser Ueberweisung mit Bestimmtheit îns Auge gefaßt werden könnte.

Die Staaksregierung nimmt an, daß die Ueberweisung der Grund- und Gebäudefleuer den Charakter einer daucrnden und definitiven Maßregel haben müsse, daß es niht erwünscht sei, wenn bald mehr, | bald weniger gegeben werden könnte, und wenn vor allen Dingen | nicht eine bestimmte regelmäßige Wiederholung der Ueberweisungen mit Sicherheit in Aussicht gestellt werden dürfe. Wir nehmen an, daß der Kommunalhaushalt in seinen Grundlagen auf cine regel- mäßige Ueberweisung dieser Geldmittel müsse rechnen können, und daß vor Allem es nicht erwünscht sci, wenn unbedeutende Beträge, die sich leiht verzetteln, die leiht eine Verwendung finden, die nit zu den nothwendigen gehört wenn folche uner- hebliche Beträge Überwiesen werden.

Die Staatsregierung geht dabei auch von dem Grundsaß aus, daß erhebliche Ueberweisungen nothwendig sind, um diejenigen Zwecke zu erfüllen, um die es fich handelt, um nomentlih den Kommunalbehörden die Möglichkeit zu geben, nicht blos ihre kommunalen Zwecke mit Sicher- heit und Regelmäßigkeit erfüllen zu können, sondern wesentlich auch, daß Diejenigen, welche die Kommunalsteuer zu bezahlen h1ben, die Ueber- zeugung gewinnen, daß ihnen aus den Staatsmittieln eine srleichterung zu Theil geworren ift.

__ Die Maßregel, wie ih sie hier in ganz kurzen Umrissen präzisirt habe, ist also, wie das au vorher schon hervorgehoben ift, lediglib im Wege der organischen Gesetzgebung auszuführen. Sie is von der Staatôregierung als ein Theil der Reform der direkten Steuern betrachtet worden, die unvermeidlich ist, auf die ich bereits früher ingewiésen habe und die keineswegs, wie man glauben könnte, ad calendas graecas vertagt worden ist, fondern die si bereits in der Bearbeitung befindet, von der ih hoffe, daß fie in nicht zu ferner Zeit in ihren Hauptgrundsäßen und Haupt- umrissen fester geftaltet wird.

Wenn dies der Fall- ift, meine Herren, so folgt daraus, daß es dringend erwünscht sein wird, wenn die Frage der Ueberweisung eines Theiles dieser Uebershüsse an die Kommunen für den Augenblick nicht weiter verfolgt wird. Sie wird ihre Stelle finden und soll ihre bestimmte Stelle in der Steuerreform finden und soll, wie ih hoffen darf, sie so finden, daß Diejenigen, die si dafür interessiren, in der That die Ueberzeugung gewinnen werden, cs sei der Regi-- rung ernst damit gewesen, mit dieser Ueberweisung einen Staats- zweck zu erfüllen.

._ Wenn dies der Fall ist, meine Herren, so kann ih nuc er- klären, daß ih den Antrag Huene und die sih daran anschließenden anderen Anträge in diesem Geseß nicht für erwünscht halten kann. Sollte das Haus etwas anderes beschließen, so würde ih mir die Erwägung darüber vorbehalten müssen und würde bei der weiteren geseßlihen Entwiclung der Frage demnächst die Erklärung der Staatsregierung definitiv abgeben.

_Der Abg. Richter bemerkte, er habe sih {hon bei Ein- bringung der Königlichen Botschaft im vorigen Fahre keine

zllujsionen gemacht, und nichts durch die Vorlage erwartet.

ie Herren Konjervativen freilih hätten bei den e sich ;

Versprechungen erlaubt, wie noch nie eine Partei vorher. Die

Liberalen hätten von 200 Millionen neuer Steuern gesprochen, | die Konservativen hätten das bestritten, und statt dessen groß- |

artige Ne in Aussicht gestellt. Was habe nun das |/ Volk jeßt von den Konservativen erhalten, welche durch

die Jllusionen, die dieselben im Volke erweckt hätten in großer Menge hier im Hause erschienen seien ? Jmmer- mehr. neue Steuern und außerdem eine Menge von Sis und weltlichen Polizeigeseßzen. Was nun das Ge- ey selbst angehe, so müsse er sagen, daß man in dem Augen- blick, wo der erhöhte Militäretat in der Luft s{chwebe, Alles vermeiden sollte, was wie ein Streit um die Vertheilung einer Beute aussehe, die man nicht habe und in den nächsten drei Jahren s{werlich haben werde. Das Geseß sei mit Recht mit einem Portemonnaie verglichen, in welchem kein Geld sei. Aber der Antrag von Huene gehe darauf aus schon vorher zu bestimmen, in welhes Fach jeder Theil einst: mals kommen solle. Wozu nüße denn der Streit über das Bärenfell, da man den Bären noch gar nicht erlegt habe ? i der formalen Behandlung der Sache stimme er mit dem inanz-Minister überein, Bei Annahme des Kommissions- antrages werde gar keinem Standpunkte präjudizirt und dem Hause über die Verwendung der Ueberschüsje ebenso freie Hand gelassen, wie dies in jener Botschaft der Fall gewesen sei. Der Antrag Huene gehe über die doch unter Mitwirkung des Centrums zu Stande gekommene Resolution des Hauses hin- aus und wolle spezialisiren, was nicht in dieses Gesetz gehöre. Nach Ablehnung des Antrags Huene bleibe die Sache genau so, wie sie gewesen sei. Zu bedenken sei ferner, daß au das Herrenhaus mitzusprehen habe, das einen Geseßentwurf, der sih in der Kommissionsfassung genau mit der vorjährigen Resolution und Boischaft decke, loyalerweise gar nicht ablehnen könne. Zu diesen Erwägungen kämen noch die bereits ange- führten technishen Bedenken, die ein Vorgehen nah dem An- trag von Huene ganz unmöglich machten, abgesehen von der geringen Aussicht auf einen Ueberschuß. Sollte aber wirklich über einen mäßigen Betrag zu verfügen sein, dann sei darin gebe er dem Finanz Minister recht der Steuererlaß dahin zu kehren, wo der Druck am hüärtesten sei, Die neuen Steuern auf Dinge allgemeinen Verbrauchs träfen alle Klassen, darum müsse der Steuererlaß auch allen Klassen zugute kommen, und das sci nur bei der Klassen- und klassifizirten Einkommensteuer der Fall. Sollten aber wirklih größere Summen verfügbar werden, so müßte man si erinnern, daß man auch Versprehungen gegeben habe auf Berücksichtigung der Gewerbesteuer. Bezüglich der Form der Ueberweisung müsse er davor warnen, jeßt die Kommunen auf die we{chselnde Rente im Staatshaushalts- Etat anzuweisen, der so wie so hon durch den Reichshaus- halts-Etat gestört werde. Das bereits bestehende Verhältniß der unglückseligen Verflehtung von Landes- und RNeichs- finanzen würde durch Annahme des Antrages Huene nur noch weiter fortgeseßt werden, und man wüßte scließlich gar nicht mehr, wer die Verantwortung habe. Wenn das Haus den Kommunen etwas zuweisen wolle, \o sei es nicht eine wech- selnde jährliche Rente, sondern geschehe durch Lösung der ¿Frage, wie man organish gewisse Theile des Steuersystems in Verbindung seßen könne mit den Kon munalverbänden. Das Amendement Huene nehme ferner mehr Rücksicht auf den Osten, besonders t “den Großgrundbesizer der östlihen Provinzen, als ‘auf andere Landestheile und namentlih auf den Westen, wo vor Abänderung irgend welcher organischer Geseße erst eine neue Kreisordnung erlassen sein müßte. Den rheinisch-westfälischen Kreistagen mit ihren abhängigen Landbürgermeistern und Rittergu1s- besißern könne man nit viel vernünftige Wirthschaft zU- trauen. Der Antrag habe auch darin eine Lüe, daß derselbe nicht vorschreibe, wie die Verwendung stattfinden solle. Der Antrag sei überhaupt mehr improvisirt, derselbe sei vom Abg. von Huene indossirt worden, und ziehe Konsequenzen nah fi, die man sih nit alle klar gemacht habe. Der Antrag greife in die gesammte Kommunal- und Steuerwirthschaft hinein, ohne überall die entsprehende Ordnung, die derselbe doch mit ih führen müßte, herstellen zu können. Er könne deshalb nur dringend rathen, daß, wer überhaupt den Wunsch hege, erst eine Handhabe zur Verwendung der Steuerüberschüsse zu bekomuten, sich möglichst auf dasjenige beschränke, was durch aus in dem Geseße stehen müsse, und das sei der Kommissions- vorshlag, und alle weiteren Spezialisirungen mögen Gegen- stand späterer Sorge sein.

Der Regierungskommissar General-Steuerdirektor Burg- hart erwiderte, gegen die Anhänger des von Huene'schen Amendements mache der Vorredner nicht ohne Grund geltend, daß es nicht an der Zeit sei, einen großen Streit darüber zu erheben, in welches Fach des Portemonnaies der Ueberschuß, welhen man noi gar nicht habe, gesteckt werden solle. Die Größe des verfügbaren Betrages sei ein ganz wesentlicher Faktor bei der Entscheidung, wie der Betrag am zweckmäßigsten verwendet werden solle. Ferner habe der Abg. Richter mit Recht hervorgehoben, daß es am besten sei, sich möglichst wenig von der Regierungsvorlage zu entfernen, weil man sonst den andern Faktor der Geseß- gebung berechtigen würde, seine Zustimmung zu versagen. Wenn die Regierungsvorlage angenommen werde, könne das Herrenhaus nicht zurücktreten, sonst hätte es hon im vorigen Jahre gegen die von der Regierung gemachte Zusage Wider- spruch erheben müssen. Es sei bedenklih, einen Steuererlaß zu fixiren, wenn man nit übersehen könne, durch welche Faktoren derselbe bedingt werde, wenn man nicht wisse, wie viel Einnahmen das Reich haben werde und wie viel Matri- fularbeiträge man werde: zahlen müssen. Dieser Einwand lasse sih aber nit blos gegen den Antrag von Huene erheben, sondern auch gegen den Kommissionsvorschlag. Die ZuU- sicherung und die Resolution der vorigen Session habe nur in Kurzem die Tendenz ausgedrückt, bei einem Gesche müsse man aber si die Worte reiflih überlegen; der Kommissionsvor- shlag disponire im Voraus auch über das, was eine spätere Reform der Reichssteuern dem preußischen Staatshaushalte bringen solle. Es gebe aber verschiedene Steuerreformen. Denke man doch an die Börsensteuer; sie würde Preußen bedeutende eigene Steuern entziehen; die Stempelsteuern auf Aktien, Pfandbriefe, Obligationen au porteur 2c. Wenn nun aus der Börsensteuer Ueberschüsse an Preußen gelangen würden, so müßte das Haus nah dem Vorschlage der Kom- mission sofort mit einem Steuererlasse vorgehen, ohne daß man bemerke, daß auf der andern ein großes Loch entstan- den sei. Man könne doch nur die Ueberschüsse zu Erlassen verwenden, welche aus einer Reform hervorgingen, die nicht eine Verminderung der eigenen Steuern Preußens zur Folge habe. Ferner könne man do nit Ueberschüsse zu Erlassen verwenden, die z. B. aus besonders guten Einnahmen wegen einer guten Ernte bei der Zuckerrübensteuer oder aus der in Folge der wachsenden Bevölkerung sih vermehrenden Ein- nahme der Salzsteuer entständen. Diese Gesichtspunkte müß- ten also in Erwägung gezogen werden und dazu gebe allein die Regierungsvorlage die nöthige Freiheit der Bewegung.

Nicht ohne Grund 2e die Regierung darum den Stand- punft festgehalten, daß bei einer geseßlichen Feststellung der Ueber- {üsse niht causa incognita eintreten könne. Er empfehle darum, die Vorlage der Königlichen Staatsregierung unver- ändert anzunehmen. :

Der Abg. Freiherr von Minnigerode erklärte, daß die Debatte auf ihn den Eindruck gemacht habe, als ob es ih hier um eine Generalprobe für den morgenden Reichstag handle. Man habe von zerstörten Jllusionen gesprochen, von Hoffnungen, die die Konservativen erregt, aber nicht erfüllt

ätten. Der heutige Zustand sei kein erfreulicher und befrie-

digender, aber er leugne, daß derselbe ein klares Bild von dem gebe, was werden werde, und was die Konservativen ge- wollt hätten. Die Besteuerung des Tabaks könne erst in zwei oder drei Fahren vollständig wirksam werden ; zur reten Zeit seien die Sperrmaßregeln versäumt und dadurh sei ein be- deutender Theil der Einnahme verloren gegangen. Manches sei niht erreiht worden: Die Brausteuer sei abgelehnt, die Tabaksteuer sei herabgeseßt, ebenso seien die Finanzzölle ver- mindert worden. Wie könne man nun die konservative Partei dafür verahntwortlich machen, daß keine Uebershüsse vorhanden seien? Die Liberalen hätten ja Alles abgelehnt; dieselben hätten die Resolution angenommen, aber im Reichstage ihre Mitwirkung versagt ; die liberale Partei habe \sih die Kissen zurehtgelegt, aber sich niht ins Bett legen wollen. Jum Uebrigen bemerke er, daß er im Reichstage gern weiter Rede stehen werde. Für heute bemerke er dem Abg. Richter nur, daß mit Reden die Wehrkraft des Landes noch niemals ge- stärkt worden sei, daß es sih dabei darum handele, die nöthi- gen Steuern zu bewilligen.

Der Abg. Richter konstatirte, daß durh Shwächung der Steuerkraft die nationale Wehrkrafst auch niht gestärkt würde. Man brauche im Kriege niht nur Soldaten, sondern au Geld, und im Kriege könne ein Land sich nur nachhaltig wehren, welches im Frieden seine Kräfte geshont habe. Jede Debatte über die Steuerkraft tangire auch die Wehrkraft des Landes, wer die Steuerlast leihter mache, mache sich auch um die Wehrkraft verdient. Der Reichstag habe 4/; dessen bewilligt, was die Regierung verlangt habe. Davon erscheine der größere Theil {hon im Reichshaushalts-Etat. Wenn 71 Millionen neuer Steuern eingingen, dann müßten - doch min- destens «auch ein klein Bischen Steuererlasse erscheinen; aber \o gar nichts - geben und noch Schwierigkeiten machen, daß man das Portemonnaie ohne Geld bekomme, sei doch gar zu hart. Er und seine Freunde hätten übrigens gegen die Resolution gestimmt, weil er fürchtete, daß es nicht ein Kissen sei, auf welches die Steuererlasse zu liegen kämen, sondern die erste Sprosse zur Leiter, auf der die Steuererhöhung durhge- seßt werden solle. Der Regierungskommissar habe gemeint, er hätte gesagt, man solle si auf das beshränken, was die Negie- rungsvorlage wolle. Er habe thatsächlich gesagt, -die Grund- lage für die Berathung sei rihtiger und vollständiger gewahrt in den Kommissionsbesc{lüssen, als in der Regierungsvorlage. Man brauche deshalb die Regierungsvorlage nicht an- zuerkennen, die hinter dem zurüdckbleibe, was die Botschaft und die vorjährige Resolution ausdrüccke. Daß, wie der Re- gierungskommissar ferner hervorgehoben habe, die neuen Steuern vielfach alte Steuern in Preußen ablösten, z. B. bei der Börsensteuer, wisse er sehr wohl. Von der Eventualität, daß in Folge einer guten Ernte an Steuern etwa mehr ein- kommen könne, fei voriges Fahr \chon gesprohen worden. Man habe dagegen die Unmöglichkeit der Berehnung im Ein- zelnen geltend gemacht und die Nothwendigkeit hervorgehoben, einen bestimmten Strich zu ziehen, . nämlih die Matrikular- beiträge, wie sie sih 1879 und 1880 stellten. Das sei die Grundlage der vorjährigen Botschaft und müsse auch die Grundlage dieses Gesehes sein. Man solle sich also einerseits nicht auf die Regierungsvorlage beschränken, andererseits in diesem Augenblicke Spezialitäten vermeiden, die nux Gefahr brächten, das nicht zu bekommen, was man bedürfe, nämlich ein erweitertes Steuerbewilligungsrecht dieses Hauses.

Hierauf wurde die Diskussion geschlossen, die Anträge von Huene und Graf zu Limburg-Stirum abgelehnt und 8. 1 in der Fassung der Kommission angenommen.

8. 2 lautet nah der Regierungsvorlage:

„Die Feststellung der nah §. 1 zu überweisenden Summen erfolgt auf Grund der im Art. 39 der Reichsverfassung erwähnten Jahresabschlüsse und der diesem gemäß stattfindenden Abrechnungen. Die aus den definitiven Abrechnungen zwischen der Reichskasse und dem preußischen Staate sich ergebenden Berichtigungen der Ansäßze werden jedeêmal bei der nächstfolgenden Berebnung des Erlaß- betrages durch Zu- beziehungsweise Abrehnung ausgeglichen“.

Die Kommission hatte folgende Fassung des 8. 2 beantragt :

„Der zu dem Klassen- und Einkommensteuererlaß zu ver- E Betrag (S. 1) wird durch den Staatshaushalts-Etat fest- gestellt“.

Der Abg. Graf zu Limburg-Stirum erklärte ih gegen den von der Kommission beschlossenen §. 2, dessen Annahme fr ihn ein Grund sein würde, gegen das ganze Geseß zu ktt Der Kommissionsvorschlag gehe weiter als die ur- prüngliche Zusage der Regierung erlaube und bedeute eine ganz bedenkliche Aenderung der Vorlage. Wenn im preußischen Etal bereits über die Ueberschüsse des nächsten Etatsjahres zu Steuererlassen disponirt werde, so könnte der erst später auf- gestellte Reichs-Etat eventuell diese Ueberschüsse illusorish machen, und die Regierung gezwungen sein, für diesen Aus- fall eine Anleihe aufzunehmen. Gehe man über die G UOS vorlage hinaus, so unterwerfe man den Etat ganz gefähr- lihen Shwankungen; zur Veranschlagung im Etat müßten g die Ueberschüsse auch nah der Regierungsvorlage kommen, le er dringend zur Annahme empfehle.

Der Abg. Hobrecht bemerkte, er könne dem Vorredner nicht beistimmen, daß im 8. 2 von Seiten der Kommission mehr gefordert werde, als Seitens der Regierung zugesagt worden. Er habe nicht gezweifelt, daß die Regierung ihr im vergangenen Fahre gegebenes Versprehen rüchaltslos aus- ühren würde und habe seine Bedenken gegen die Vorlage der- elben unterdrückt, um niht den Schein des prinzipiellen Gegensaßes zu erweden. Auch die Regierung könne sid durch- aus nit gegen die Kommissionsvorlage aussprechen, da die- selbe ja eben das gegebene Versprechen loyal ausführen wolle. Man müsse es nun anerkennen, daß die von der Kommission proponirte Fassung die beste sei, und den im vorigen Jahre Cetegten Absichten am besten Ausdruck gebe. Es sei für die

irkung des Erlasses nicht gleihgültig, ob der Steuerzahler einen Zusammenhang zwishen der allgemeinen Wirth- shaftslage und dem augenblicklichen Erlasse begreifen könne oder nicht. Wenn in einem Jahre, wo die Mittel sehr sparsam verwendet werden müßten, die Steuerzahler 3 oder 4ZMonate Klassensteuer erlassen bekämen, oder wenn umge-

kehrt in êinem Jahre, in welchem reihlihe Einnahmen vor- anen seien, der Wunsh nach Steuererleihterung nicht er- üllt werde, dann bekomme der ganze Erlaß den Charakter des Willkürlichen, Zufälligen, und wirke wie ein Lotteriegewinn. Man dürfe daher die Ausführung der Steuererleihterung nicht so hinausschieben, daß der Zusammenhang verloren gehe. Das Recht des Landtages zur Mitwirkung zu etwaiger an- derer Verwendung disponibler Uebershüfse sei ein ganz selbst- verständliches und ebenso selbstverständlich sei es, daß dieses Recht bei der Etatberathung zum Ausdruck kommen müsse. Warum solle nun nicht die Sicherheit, die die Etatsveranschla- gungen bei anderen Ausgaben gewährten, au hinsichtlich der Steuererlasse genügen? Auch hier werde, wenn die Veranschla- gung den Einnahmen nicht entsprechen sollte, die N im nächsten Staatshaushalt ausgeglihen werden. Umgekehrt aber frage er, wie komme das Recht der Landesvertretung zur Geltung, wenn sich nachträglich größere disponible Ueberschüsse herausstellten? Er sei nicht siher, was in diesem Falle nah der ursprünglichen Regierungsvorlage beabsihtigt sei. Solle die Landesvertretung auch über die Verwendung solcher uner- warteter Ueberschüsse gehört werden, so erfolge der Steuer- erlaß nicht nach 11/5, sondern erst nah 21/2 Jahren. Diese Frage sei auch von Bedeutung für die in Aussiht genommene Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer. Er \sympathisire völlig mit der Absicht, auch diesen Theil des Programms so- bald als möglich zur Ausführung zu bringen, aber gerade darum wolle er dem Hause die Jnitiative wahren, einen Theil der Ueberschüsse in der von der Kommission gewünschten Weise zu verwenden. Der Sinn der Vereinbarung vom vorigen Jahre sei gewesen, daß in demselben Maße, in dem die Steuerzahler stärker zu indirekten Steuern hevangezogen würden, ihnen, soweit es möglich, eine Erleich- terung an direkten Steuern gewährt werden sollte. Ge- \chehe das nicht in demselben Jahre, so habe sih einmal das Verhältniß zwischen direkten und indirekten Steuern, anderer- seits au der Personenstand geändert. Die Annahme des 8. 2 in der Fassung der Kommission entsprehe dem prakti- schen Zweck und dem Wortlaute der getroffenen Vereinbarung. Die Finanzgeseßzgebung des Reiches habe si seit dieser Ver- einbarung anders eniwickelt als die Regierung erwartete und darauf weise dieselbe in den Motiven hin. Es sei Recht und Pflicht dieses Hauses, sich die Veränderungen klar zu machen, die durch die veränderte Verfassung der Reichsfinanzen in dem preußischen Haushalt entstehen würden. Jhm sei es über- raschend und s{chwer erklärlich gewesen, daß der Franken- steinshe Antrag, dessen Annahme im Reichstage von vorn- herein gesichert gewesen sei, im Jnteresse der Selbständigkeit der Einzelstaaten gestellt worden sei, während derselbe im entgegengeseßten antipartikularistishen Sinne bekämpft wor- den sei. Er finde, seine Wirkung auf die Einzelstaaten, zumal auf Preußen, sei eine höchst gefahrvolle. Jedes wirthschaft- liche Gemeinwesen müsse das Risiko der Shwankungen in seinen Bedürfnissen selbst tragen ; das Bedenkliche der Matri- kfularbeiträge habe darin bestanden, daß durch fie das Risiko der Shwankungen vom Reich auf die Einzelstaaten abgewälzt sei. Hierin, und nicht in ihrer absoluten Höhe liege das Ver- langen nah Beseitigung derselben. Das Risiko der Schwan- fungen für die Einzelstaaten sei aber geblieben, und es sei noch stärker geworden, weil zu dem Risiko der Bedürfnisse auch noch das der s{chwankenden Einnahmen hinzugekommen sei. Darin liege eine doppelte Aufforderung an dit Regierung, die Sache so zu regeln, wie es die Kommission vorgeschlagen habe. Es sei nun in Aussicht gestellt worden, die ganze Klassensteuer zu beseitigen. Er halte das durchaus nicht für wünschenswerth. Er sehe in der Ermäßigung der Klassensteuer auch keineswegs einen Schritt, um sie allmählih zu beseitigen, sondern einen Schritt, um sie zu erhalten, weil sie \{ließlich, wenn alles Andere versage, diejenige Steuer sei, die dem Staat in bösen Tagen eine sichere Einnahme gewähre, die die Möglichkeit ge- währe, das Volk in gerehter Weise zu den staatlichen Lasten heranzuziehen. Die Klasscnsteuer pflege und erhalte in dem Einzelnen das Bewußtsein der persönlichen Steuerpflicht. Sie sei cin Kapital, das er erhalten wolle. Wenn die Ueberschüsse mechanish zu Steuererlassen verwandt würden, dann fei die Möglichkeit niht ausgeschlossen, daß dieses Kapital einmal ganz vershwinde. Wohin könnte eine solhe Strömung führen? Da- her glaube er, gehöre die Bestimmung über die Verwendung der Ueberschüsse in den Etat hinein; dadurch werde nichts in Bezug auf das Verhältniß zwishen Regierung und Landes- vertretung geändert. Es herrsche eine mißmuthige Stimmung darüber, daß das Haus sich dur dieses Geseß überhaupt binde, man sei über den Werth desselben sehr verschiedener Meinung, er glaube nachgewiesen zu haben, wie nothwendig das Geseß sei. Viele spotteten, daß das Haus über Ueber- {üsse verfüge, die gar niht vorhanden seien. Er halte das für politisch niht gerechtfertigt; die Verantwortung dieses Hauses sei eine zu große, die Steuerzahler davor zu \{hügßen, daß ihnen mehr abgenommen werde als Reichs- und Landes- haushalt brauchten. Die Frage, wann das Geseß werde zur Anwendung kommen können, trete dagegen in den Hintergrund. Er freue sih, daß au von Seiten der Regierung gegen den 8. 2 in der Fassung der Kommission keine Einsprache erhoben worden sei und hoffe, daß das Haus dem Kommissionsvor- schlage zustimmen werde.

Der Abg. Graf zu Limburg-Stirum erklärte, das Haus habe mit begreifliher Courtoisie den eigentlih in die General- disfussion gehörenden Ausführungen des Vorredners zuge- hört. Er wolle sih darauf beschränken, zu entgegnen, daß es dem Steuerzahler seiner Ansicht nach nur darauf ankomme, ob und wie viel derselbe zu zahlen habe, der Zusammenhang zwischen den Reichseinnahmen und den Steuererlassen sei ihm gleichgültig. Befremdet habe es ihn, aus dem Munde eines ehemaligen Ministers zu hören, daß es unerheblich sei, ob eine zu frühe Fixirung der Steuererlasse zu einem Defizit und eventuell einer Anleihe führe, da würden ja auch bei anderen Positionen häufig Einnahmen und Ausgaben nicht richtig ver- anschlagt. Es sei doch ein Unterschied, ob man zum Zwecke nothwendiger Ausgaben eine Anleihe aufnehmen müsse, oder ob man zu. einem Defizit gelange, weil das Haus Steuer- erlasse beschlossen habe, die gar nicht gerechtfertigt seien. Das entspreche nicht den preußishen Traditionen von Sparsamkeit, und er erblicke darin eine neue Ans, zu den Zeiten zurüczukehren, wo Einnahmen und Ausgaben im Staatshaus- halt immer balanzirten.

Der Abg. Rickert vermag die Ausführungen des Vor- redners durchaus nicht für d zu erahten. Das Ab- weichen der D rträge von dem Voranschlage sei eben ein Ding, das nicht zu ändern sei und das sich bald ausgleihe. Er freue sich über die Erklärung des in diesen Dingen kompetenten Abg. Hobreht, daß die Regierung mit

diesem Geseh nichts anderes beabsichtigt habe, nichts anderes Vie beabsihtigen können, als was in dem Kommissionsanirage A Als Antragsteller und Berichterstatter der Budgetkom- mission könne er behaupten, daß die Annahme des Grafen Limburg eine vollkommen irrthümliche sei. Er bestreite nun dem Abg. Grafen Limburg das Recht zur Interpretation in dieser Sache, da derselbe der Einzige gewesen sei, der in der Kom- mission gegen das Geseh gestimmt habe. Das Land werde gar nicht verstehen, daß dieselben Männer, die heute einen Antrag dahin einbrächten, es solle die Hälfte der Ueberschüsse der Grund- und Gebäudesteuer an die Komniune überwiesen werden, hinterher eine Disposition der Art träfen, daß, wenn 20 Millionen Uebershüsse wirklih vorhanden seien und der Landtag nit versammelt sei, der Finanz - Minister ohne Weiteres verpflichtet sei, in der Klassensteuer Erlasse eintreten zu lassen. Er und seine Freunde wollten dem Land- tage das Recht offen lassen, mit der Regierung eine Verein- barung dahin zu treffen, daß die etwa vorhandenen Ueber- schüsse im Wege des Geseßes an die Kommunalverbände überwiesen würden. Der Weg, den die Konservativen gingen, schließe dies vollständig aus. Die ganze Vereinbarung zwischen der Majorität des Hauses und der Staatsregierung sei werth- los für Preußen, wenn das Haus den Kommissionsantrag niht annehme. Er für seine Person werde dann gegen die anze Vorlage stimmen, weil sie eine Verleßung der Grund- agen involvire, die man damals in gutem Glauben mit der Staatsregierung vereinbart habe.

Der Regierungskommissar General-Steuerdirektor Burghart erklärte, wenn es sih hier wirklih um eine so shwerwiegende politishe Frage handelte, daß der Abg. Rikert mit Recht sie zur Entscheidung seiner Abstimmung über das ganze Geseh machte, dann würde die Regierung gegen den Kommissions- vorshlag sein müssen. Die Regierung sehe aber die Sache von einem ganz anderen Standpunkt an und könne zu ihrem Bedauern auh nicht der Auffassung des Abg. Hobreht von der Kabinetsordre vom 14. Februar v. J. zustimmen. Der- selbe meine, daß nach der Kabinetsordre der Steuererlaß in demselben Fahre eintreten müsse, in welchem die ihn ermög- lihenden indirekten Steuern erhoben würden. Die Kabinets- ordre spreche aber niht von Erlaß der direkten Steuern mittelst der indirekten Steuern, sondern mittelst der aus dem- selben gewonnenen Mittel; der Steuererlaß könne also au sehr gut vermittelst der Crträge der indirekten Steuern des Vorjahres bewirkt werden. Der Erlaß müsse ohne Zweifel in irgend einer Weise im Etat zur Erscheinung kommen, nur solle nach dein Kommissionsvorschlage ‘die Entscheidung über den Steuererlaß durch den Etat getroffen werden. Das sei aber nah der Auffassung der Regierung gar keine wesentliche Abweichung von der Kommissionsvorlage. Auch nach leßterer könne der Steuererlaß und die anderweite Verwendung nur mit Zustimmung der Landesvertretung erfolgen; die Regie- rungsvorlage behalte nur der Regierung vor, das Rechen- exempel über den aus der genehmigten andern Verwendung resultirenden Steuererlaß besonders auszuführen. Das Quan- tum der Steuern, welche erlassen werden könnte, sei aber in beiden Fällen durch den §8. 1 bestimmt. Ein etwas bedeuten- derer Unterschied zwischen den beiden Fassungen sei der, daß der Steuererlaß ein Fahr, früher eintreten könne, wenn dies auch nicht, wie der Abg. Hobrecht meine, geshehen müsse. Da aber allen Patrioten daran liegen müsse, den Steuer- erlaß möglichst rasch eintreten zu lassen, so würde diese Differenz die Regierung sogar bewegen, die Annahme des Kom- misjsionsvorschlages in Erwägung zu ziehen; nur dürfe der Paragraph nicht so interpretirt werden, daß derselbe ein Steuer- bewilligungsreht des Landtags auf Kosten des verfassungs- mäßigen Rechts der Regierung herstellen solle. By der libe- ralen Presse und besonders in einigen dem Abg. Rickert nahe- stehenden Blättern sei allerdings der Regierung wiederholt vorgeworfen worden, sie habe ihre Zusage, ein mobiles Ele- ment in die direkten Steuern im Sinne der Quotisirung zu bringen, nicht gehalten. Das habe aber die Regierung in der Kabinetsordre gar nicht versprochen. Es handelte si damals blos darum, eine Bürgschaft dafür zu geben, daß der dis- ponible Ertrag der indirekten Steuern zu Steuererlassen ver- wendet würde. Die Liberalen wünschten natürlih eine weiter gehende Quotisirung. Aber die Regierung habe gemeint, daß sie die verlangte Bürgschast schr wohl geben könne, ohne eine Aenderung des bisherigen Steuersystems durch Quotisirung eintreten zu lassen und dem Landtag ein neues Steuerbewilli- gungsrecht zu geben. Jn diesem Sinne sei die Kabinetsordre erlassen, und die Regierung könne darin nicht eine Etappe zu einem bis jegt der Verfassung ganz fremden Rechte anerkennen. Daß durch unvorhergesehene Aenderungen der Einnahmen Steuererlasse einträten oder zurückgenommen würden, ohne daß dies der Finanzlage entspreche, sei ebensowohl möglich, wenn der Erlaß auf Grund der früheren Einnahmen, wie wenn derselbe auf Grund der Einnahmen des* folgenden Etatsjahres erfolge. Die Regierung wolle also den Kom- missionsvorshlag in Erwägung ziehen, wenn derselben die An- nahme nicht durch die oben erwähnte Auslegung unmögli gemacht werde.

Der Abg. Graf zu Limburg-Stirum fkonstatirte,- daß er in der Budgetkommission sih allerdings der Einführung eines mobilen Faktors in die direkten Steuern widerseßt habe. Als mit Königlicher Genehmigung die Zusage vom 14. Februar v. J. gegeben sei, g er und ein Theil seiner Partei der Resolution des Hauses zugestimmt; er halte sich aber strikt an ihren Wortlaut und wolle ein Mehr niht. Er habe aus der Erklärung des Regierungskommissars mit Befriedigung entnommen, daß die Regierung ebenfalls diesen Shwankungen des Etats vorbeugenden Standpunkt einnehme. Bei dieser Auslegung des Kommissionsvorschlags sei er zwar immer noch gegen betselbei doh mache seine Annahme für ihn nicht das ganze Geseh unannehmbar.

Der Abg. Nichter erklärte, die heutigen Ausführungen des Abg. Höbrecht seien geeignet, Licht darauf zu werfen, warum derselbe seiner Zeit die Verantwortlichkeit als Minister niht mehr tragen zu dürfen geglaubt habe. Er habe schon vor einem Jahre sehr bedauert, daß durch ‘die Autorität des Abg. Hobrecht die Erhöhung der indirekten Steuern überhaupt ermöglicht sei; indeß sei die Strömung, die der Abg. Hobrecht als Minizter unterstüßt habe, über ihn hinweggegangen, und darum sei derselbe so parlamentarisch und konstitutionell ge- wesen, wie er anerkennen müsse, seine Entlassung zu nehmen. Die Majorität dieses Hauses habe allerdings im vorigen Jahre ein durh2us im Rahmen der Verfassung liegendes, auf Quotisirung der Klassen- und klassifizirten Einkommen- steuer binautathinbel Steuerbewilligungsreht gewünscht. Ge- genüber dem Widerstand, den man gefunden habe, habe man

diesen Wunsh auf die aus den Reichseinnahmen zu erwar-