1880 / 50 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 27 Feb 1880 18:00:01 GMT) scan diff

tnandeur der 5. Inf.-Div. von Knobelsdorff, 1866 Führer eines selbsiändigen Detachements gemi Waffen. Die gerich{tlihe Polizei. Instruktions- und For- mularbuch für Bürgermeister, Amtsvorsteher. Distriktskommifsare, Gutêpolizeiverwalter, Gemeindevorsteher und andere Polizeibeamte jeder Art bei Bearbeitung von Straffachen nach der, Strafprozeß- ordnung vom 1. Februar 1877, auch gemeinverständlicher Leitfaden für AUe, die mit der Polizei in Strafsachen zu than haben. Vom Staatsanwalt P. Chu chul. Verlag von Georg H. Wigand in Cassel. Preis 1 K 20 H. Wie der Verfasser in der Einleitung varlegt, hat er es fi zur Aufgabe gemacht, dur Zusammenstellung und Erörterung der einschlägigen Geseße und Verordnungen, und zwar chne wifsenshaftlihes Beiweik, verständlich für Jeden und braucbar in der alltäglichen Praxis dem Uebelstand zu begegnen, daß viele Polizeibeamte, namentli solche, die das Amt neben an- deren Launptbeschästigungen oder als unbesoldetes Ehrenamt ver- walten, nit immer die Fahvorbildung und Geseßeskenntniß haben und haben können, „wele allein die scharfe Grenze zwischen \chnei- diger Polizei und Verleßung der Freiheitsrehte des Staatsbürgers in jedem Fall und Augenblick finden läßt.“ Aus dieser Anführung läßt sich ersehen, welche Gesichtspunkte den Verfasser bei seiner Ar- beit geleitet haben, die in Bezug auf Uebersichtlichkeit, Klarheit und Gemeinverständlichkeit nihts zu wünschen läßt. Eine zweckmäßige Beigabe sind die vom Verfasser vorges{lagenen Formulare zur Er- leihterung und Sicherung des Geschäftsgangs, welche die Verlags- handlung zu einem mäßigen Preise zu liefern übernommen hat. Das Buch, welches sich auf die gerichtliche Polizei beschränkt, zerfällt in 5 Abschnitte.

Von dem Werke „Sagen, Märchen und Gebräuche aus Medcktlenburg, gesammelt und herausgegeben von Karl Bart s ch“ ist kürzlich der zweite Band „Gebräuche und Aberglaube“ enthaltend, ershienen (Wien, Braumüller, 1880). - In einem Nach- trage find auch noch einige Sagen und Märchen mitgetheilt. Die Benußung des ziemlih umsänglihen Werks wird durch ein genaues Register für beide Bände wesentlich erleichtert.

Unter dem Titel „Völkerpsychologie“ hat die Buch- bandlung von Otto Harrassowiß in Leipzig den Bücher-Katal og Nr. 60 oder ein Verzeichniß von 1071 Schriften, die in ihrem antiquarischen Bücberlager vorräthig find, veröffentlicht. Dieselben vertheilen sih auf folgende Rubriken: Vermischte kultur-

eshihtlide Schriften, Urgeshichte der Menschheit, Anthropologie,

sychologie, Ethnographie, nebst Alterthümern der vorhistorischen Zeit und des Mittelalters; vergleichende Mythologie und Religions- alterthümer; Aberglaube, Geister, Dämonen- und Hexenwesen, Magie 2c. ; Sagenkunde (die großen Sagenkreise des Mittelalters) und Verwandtes ; das Märchen und das Volksbuch (Thierfabel, Faust, Mèysterienspiele 2c.) ; das Volkslied; das Sprihwort und das Räthsell; Volksbräuche im öffentlichen Leben (Volksreht, Rechtealterthümer, Städtewesen, Staatswesen, Handel, soziale Frage 2c.); Volksbräuche im Privatleben (Mode und Sitte, Feste, Handwerk, Erziehung, Frauen- und Klosterleben des Mittelalters, Schachspiel); zur Geschichte der Velksmedi- zin, Quafalberei 2c., Kuriofa, satyrische Literatur, geheime Gesell schaften, Freimaurer. Von den vielen im vorstehenden Kataloge aufgeführten interessanten und zum Theil seltenen Schriften, die in deutscher, lateinisber, englischer, französischer, italienischer, holländischer, däni- cer, s{wedischer, russischer, serbisher und neugriehisher Sprache abgefaßt sind, und sich auf die verschiedenen Völkerschaften Europas und Asiens beziehen und theils der neueren Zeit, theils dem 16, 17. und 18. Jahrhundert angebören, mözen wenigstens 2 erwähnt werden. Die älteste plattdeutsche Sprichwörtersammlung im west- fälischen Dialekt vom Jahre 1514 (Ant. Tunnicii Monoster., In ger- manorum pPparoemias studiose juventuti perutiles Monasticha, cum gérman. interpretatione), von größter Seltenheit, und Taylors Catalogne raisonné of oriental Mss, in the library of the college, 3 vol. Madras, 1857—62 (Katalog von Wanuffripten in Sansfrit, Persish u. \. w. mit ausführlichen Einleitungen und Notizen über Legenden, Sitten u. #. w.).

Gewerbe und Handel.

Wie aus Warschau gemeldet wird, ist die Rinderpest *) auf dem Vorwerke Sluzewo, Kreis Warschau, in dem L'orfe Wicic- jew und auf dem Vorwerke Bartschonka, Kreis Nowominsk, sowie in dem Dorfe Lipiny, Kreis Radimin, erloshen.

Dagegen ist die Seuche in den Dörfern Rashin und Zaluski, Kreis Warschav, ausgebrochen.

Der Geschäftsbericht der Berliner Handels-Gesfell- \chaft pro 1879 hebt im Eingang hervor, daß es der Verwaltung gelungen ist, einen großen Theil des Besißes der Gesellschaft an ‘Industriepapieren mit Nutzen zu verkaufen. Die Gesell\haft hat thren Besiß an Stamm-Prioritäts-Aktien der Oels-Gnesener Bahn an ein Konsortium begeben, dem sie selbst beigetreten ist. Der Saldo des Konfortial-Kontos beträgt 4 728 138 A gegen 3 524 987 H. im Vorjahre. Das Effecten-Konto zeigt Ende Dezember 1879 einen Saldo von 4966 186 K. gegen 7 192 742 Æ im Vorjahre. Die Be- stände seten \sich zusammen aus: deutschen Fonds, auéländischen Fonds, Pfandbriefen und Eisenbahn-Prioritäten mit 589 346 4, Bauk- und Versicherungs-Aktien mit 305 045 &, Eisenbahn-Stamm- aktien und Stamm-Prioritäten mit 957 490 4, Industriepapieren mit 1977135 4, Aktien in Liquidation befindlicher Gesellschaften mit 1137 170 A «Auf dem Konto zweifelhafter Forderungen sind eingegangen 9226 4, während in Ausgabe zu stellen waren 10 628.4 Die Gesammtumsäte von einer Seite des Hauptbuchs (excl. Saldi) Lezifiern sich auf 682427 395 M in 1879 gegen 686 767 500 in 1878. Die Gewinne und Verluste ergeben folgende Einnahmen und Ausgaben: Gewinne: Wecbsel-Korto 248 592 #, Effekten-Konto 1214749 Æ, Konsortial - Konto 285936 Æ. , Zinsen - Konto 484 051 A, Provisions-Konto 336 960 4, auf abgeschriebene Forderun- gen eingegangen 9226 4, Agio-Konto 13538 H, Haus - Könto 3731 f, in Summa 259678 F; Verluste: Verwaltungskosten 267 627 M, Courtage-Konto 10 000 , Neudruck der Antheilscheine 16 400 M, vertragsmäßige Lantième und Gratifikationen der Beam- ten 37 500 Æ, reservirt für zweifelhafte Forderungen 10 628 #4, im Ganzen 542 155 #. Der Nettogewinn beträgt demnach 2 254 630 und wird nach den Bestimmungen des Statuts vertheilt wie folgt: 7409/4 Tantième der Geschäftsinhaber mit 169097 #4, 239/69 Tantième des Verwaltungéraths mit 56366 #, zum Reservefonds 500 000 #, 59/0 Dividende auf 30000 000 4 Antheile der stillen Gesellschaster 1 500000 M, Vortrag auf neue Rehnung 29107 A

London, 26. ges (W. T. B.) Die gestrige Woll -

auktion war sehr fest. : L

Ei sen-Zeitung, Fachblatt für Eisen«, Stahl-, Metall-, Kurzwaaren, Maschinen- und Werkzeug- Handel und Industrie, sowie für alle verwandte und Hülss- e (Redaktion und Selbstverlag von Wilhelm Kirchner, isher Ingenieur im kaiserliden Patentamt, Berlin, Johannis- straße 12) ersbeint vom 1. Februar ab in den Monaten Februar und März in 14tägigen Zwischenräumen, vom 2. Quartal ab wöchent- lich. Das Abonnement beträgt in Deutschland pro Februar und März 1 M, für die folgenden Quartale je 2,50 #4, bis zum Jah- res\{lusse 8,50 4, für das Ausland 10 46.

Nach dem Vorwort der kürzlich ershienenen ersten Nummer soll die „Cisen-Zeitung“ ein Fachorgan zur Vermittelung von Produktion und Handel sein. Das Gebiet, welches dieselbe behandelt, ift dur den Titel bereits ausgesprochen. Kurz, treu und übersichtlih follen alle Interesse bietenden Nachrichten des In- und Auslandes zusam- mengestellt werden. Eine sachlihe Darstellung soll die s{windelhafte Spekulation nach Kräften verhindern, einer gesunden Spekulation aber das NRüstzeug in die Hand geben. Das Blatt ist bestimmt, dem Händler bei neuen Artikeln das technisch Wesentliche kurz darzulegen, dem Fabrikanten aber die Mittel und Wege zu bieten, seine Waaren durch sachliche Beschreibungen der Handelswelt bekannt- zu machen und so Absaßtquellen zu eröffnen und zu sichern. Gesetzliche Bestim-

mungen, Verfügungen, Erlasse u. \. w., sowie Submissionea des Eisen- fachs und O (Eintragungen und Erlöschungen von Firmen u. \. w.) sollen zur Kenntniß der Leser gelangen.

eVon den in Deutschland angemeldeten und ertheilten inter- essanten Patenten will die „Eisen-Zeitung“ stets frühzeitig Listen, sowie E und nöthigenfalls illustrirte Beschreibungen bringen. Hierdurch soll für den Handel mit patentirten oder zur s angemeldeten Gegenständen eine gewisse Garantie. geshaffen werden. Da bei vielen Artikeln, Geräthen und Maschinen in den meisten Fällen nit die ganze Konstruktion, sondern nur ein, und zwar in vielen Fällen ein untergeordneter Theil den Patentshuß genießt, so ist hierüber genau orientirt zu sein, für die wetfbewerbende Fabri- kation durhaus wichtig, und es soll auf diejen Puntkt ein Haupt- augenmerk gerichtet werden.

Verkehrs-Anstalten.

Luzern, 25. Februar. (Bund.) Der Bohrrest im Gott- hardtunnel beträgt augenblicklih noch 35 Meter. Der Durch- \ch{lag ift in der Nacht vom 29. Februar auf 1. März zu gewärtigen. Das Fest zur Feier des Durchschlags wird am Mittwoch, den 3. März, in Airolo stattfinden.

New-York, 26, Februar. (W. T. B.) Der Hamburger Postdawpfer „Lessing“, sowie der Dampfer „Erin“ und Helvetia“ von der National-Dampfscchiffs-Compagnie (G. Messiagsche Linie) sind hier eingetroffen.

Berlímn, 27. Februar 1880.

Qn Anwesenheit der Hohen Protcktorin, Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Friedrich Carl, hielt dec Preußische Frauen- und. Jungsraucnverein heute Mit- tag im großen Saale des Justiz - Minifteriums seine diesjährige Generalversammlung ab. Der Major Dunker verlas den sech8szehnten Fahreéberiht, der wieder ein erfreulihes Wirken konstgtiren konnte, wenn auch die Einnahmen, namentlich aus dem Bazar, sich verringert haben. Die Zahl der Mitglieder beläuft sch zur Zeit cuf 409. An der wie alliährlich so auch diesmal veranstalteten Jnvaliden- \speisung haben 120 Veteranen und Invaliden theilgenommen. Die Gesammteinnahmen beliefen ih auf 15875 #, darunter fort- dauernde Beiträge 2496 4, einmalige Beiträge 904 #, Einnahmen aus dem Bazar 4554 #4 Die Ausgaben érreihten eine Höhe von 9547 Æ Fortdauernde Unterstüßungen wurden gewährt in Höhe von 1086, einmalige in Höhe von 8150 F Das Vermögen hat sih von 30088 auf 30358 M. gehoben.

Dem uns zugesandten neunundvierzigsten Jahresberiht über die Husélandschen Stiftungen für nothleidende Aerzte und Arztwittwen, sowie über die bei denselben mitverwaltete Dr. JFgnaß Braunsche Stiftung entnehmen wir folgende Daten: Im Jahre 1879 find für die ärztliche Unterstüßungs- anstalt der Hufclandshen Stiftung von. 2183 Mitaliedern 7910 55 H Beiträge eingegangen; das Kapitalvermögen dieser Kasse be- trug Ende 1879 255300 A in Hypotheken, 5600 4 Werthpapiere und 6044 4 84 4 in Baar. Unterftüßt wurden 48 nothleidende Aerzte mit 10675 A Die Verwaltungskosten, als Bureaukosten, Kosten der Beitragseinsammlung, DrucLsachen, Porto 2c. betrugen 1645 M 10 „S. —- Für die Wittwen-Unterstüßzungsanftalt der Hufelandschen Stiftung sind im Jahre 1879 von 1923 Mit- glicdecn 6543 #4. 10 S gezahlt. Der Kapitalbestand dieser Kasse betrug Ende 1879 93 000 46 in Hypotheken und 9500 4 in Werth- papieren ; Pensionen und Unterstüßungen wurden an 221 Arztwittwen mit 18497 4 50 S gezahlt. i

Von der Dr. Fgnaß Brgunschen Stiftung wurden im Fahre 1879 2 Aerzte mit 600 6 unterstüßt; ult. Dezember 1879 betrug das Kapitalvermögen dieser Stiftung 9900 4 in Hypotheken und 250 Æ 8 S in Baar. , :

Am Schlusse diéses Jahresberichts dankt das Direktorium der Hufelandshen Stiftungen (Fréèrihs, Housselle, Kersandt, Quincke, Wilms) Allen, welche zur Erreichung: des Zweckes der Stiftungen im abgelaufenen Jahre beigetragen haben, und richtet im Hiublick auf die sich mehrenden Unterstüßungsgesuche insbesondere von Arztwittwen an die Aerzte die Bitte, den Stiftungen auch fernerhin ihre Theil- nahme zu bewahren und dazu anzuregen.

. Der vom Stadtverordneten Kochhann zu dem Spezial-Etat 8 einge- brachte Antrag auf Konvertirung der 4 prozentigen Anleihen der Stadt in 4prozentige is von den Stadtverordneten in ihrer gestrigen Versammlung abgelehnt worden.

In der Nationalgalerie is seit Kurzem die neunte jener A usftell ungen eröffnet, durch welhe fh Hr. Direktor Jordan die Förderung des Interesses an der neueren deutschen Kunst und die Kenntniß des Lebens- und Entwickelungsganges ihrer Hauptvertreter in einer Weise angelegen sein läßt, die nur in einem rect zahl- reichen Besuch ihre beste Anerkennung finden kann. Diesmal sind es Werke Ed. Meyerheims, Ernst Fries und Friedxich Nerly's, die uns in dem obersten Ges{oß der Galerie zur An- \chauung gebracht werden. Die ausgestellten Bilder, "Entwürfe und Studien sind zum überwiegenden Theil von den Hinterbliebenen der genannten Künstler dargeliehen worden; außerdem aber haben Se. Majestät der Kaiser und König scwie zahlreihe Privatsammler bereitwillig aus ihrem Besiß dazu beigetragen. :

Die erste, dem Andenken Eduard Meyerheims gewidmete Ab- theilung, welche zugleih die umfänglichste ist, giebt ein außerordent- lih lebendiges Bild. von dem allmählihen Werden und Wachsen dieses ausgezeichneten Genremalers und seiner Kunst; die kürzlich erschienene Selbstbiographie des Künstlers aber (Berlin, Verlag von

sehen da zunächst eine Reihe von Ansichten der Stadt Danzig, in welcher Meyerheim im Jahre 1808 geboren wurde: umfängliche Blätter, in Bleistift ausgeführt und bereits von jener Sauberkeit und liebevollen Gewissenhaftigkeit zeugend, welche alles carakterisirt, was er geschaffen. Echt künstlerische Auffassung bewährte er zuerst an den im Anfang der dreißiger Jahre, nach seiner Uebersiedelung nah Berlin, ausgeführten und von ißm selbst auf Stein gezeichneten malerischen Aufnahmen der Baudenkmäler der Altmark, welche leßtere er mit dem jebigen Geheimen Ober-Hof-Baurath Strack gemein- \chaftlich bereiste. (Sie find in dem Werke „Architektonische Denkmäler der Altmark Brandenburg“ von J. H. Strack und F. E. Meyerheim, mit Text von Kugler, 1833 publizirt worden.) Dann aber wendete er sich mit großem Erfolge der Schilderung des Bolkslebens zu und wurde auf diesem Gebiete bald der erklärte Lichb- ling des Publikums. Diese reizenden, durch Stiche und Photographien über die ganze Welt verbreiteten Genrebilder aus dem häuslichen Leben des deutschen Bürgers und Bauern werden hier der Mehrzahl nach im Originale vorgeführt, zugleich mit den Vorstudien, Del- sfizzen 2c.,, so daß dem Beschauer der intimste Einblick in die sorgfältige Art des Schaffens des Künstlers ermögliht und er zum Zeugen der schrittweisen Entstehung der Bilder gema wird, Sie bekunden „im ayspruchlosen Gewande das feinste Stilgefühl sowie eine durch unermüdlih treuen Fleiß erworbene Gediegenheit der Be- handlung und spiegeln den wahrhaften Sinn und das s{chlichte Ge- mürh eines liebenswürdigen Beobachters wieder.“ Neben diesen all- bekannten Werken aus der Reifezeit des Künstlers interessiren aber auch seine Jugendversube in mehr romantisher Richtung, wie die Gemälde „Romeo ünd Julia“, „Abend in Venedig“, „Abschied8wink vom Söller“, „Rendez-vous“ u, a., nicht minder das von ihm selbst litbographirte Jugendporträt des Künstlers und besonders ein Oel-Porträt, welhes Adolf Menzel in jüngeren Jahren darstellt, Der peinlich gewissenhafte Zeichner dokumentirt sich endlich in der für den Andorffshen Stich ausgeführten Bleistiftzeihnung nach Dralke's anmuthigem Relief am Denkmal König Friedri Wilhelms IIl,

*) conf. Nr. 303 des „Reichs-Anzeigers“ von 1879,

Der rechte große Oberlichtsaal, welcher die Hauptwerke Meyerheims

Georg Stilke) bietet dazu die willkommenste Erläuterung. Wir |

vereinigt, ist mit dem bekannten lebensgroßen Bildniß des int Jgs nuar 1879 verstorbenen Künstlers, gemalt von seinem Sohne Paul Meyerheim, geziert, welhe3 die Stadtgalcrie zu Danzig erworbzn hat.

Dieser begabte, früh dahingeshiedene Landschaftsmaler (geb. 1801 zu Heidelberg, gest. 1833 zu Karlsruhe) gehört zu den Stilisten auf seinem Gebiet. „Seine Stärke lag in der Strenge und zarten Sauber- keit der Zeichnung, sowie in der Fähigkeit reizvoller und charakte- ristischer Komposition. Mit entschiedener Vorliebe behandelt er die italienische Natur; daneden sind namentlich anmuthige Darstellungen seiner Heimath Heidelberg hervorzuheben.“ Zwei ODelbilder dieser reizend gelegenen Yusen-Stadt besißt bekanntlich die Nationalgalerie, ebenso eine italienishe Landschaft (Motiv von Ronciglione und Corcbiano) aus dem Todesjahre des Künstlers. Außerd-m bringt die Ausstellung zahlreiche Bleistift- und Oelskizien, Feder-, Sepia- und Aquarellblätter, auch einige Nacktstudien ron der Hand des in der Blüthe seines Schaffens abgerufenen Künstlers zur Anschauung.

Die ia Räume, namentlich der andere große Oberlichtsaal, e den Manen Christian Friedrich Nerlys (eigentlich Nehrlich, geb. 1807 zu Erfurt, gest. 1878 zu Venedig) gewidmet. Dieser eigenartige Künstler hat sich während eines über vierzigjäh- rigen Aufenthalts in der Lagunenstadt, wohin er von Rom aus 1837 übersiedelte zum Spezialisten der venezianishen Vedutenmalerei aus- gebildet. Neben diesem Fache, „welches er durch zahlreiche sehr ge- \dätte architektoniscb-landschastlihe Oelgemälde und Aquarelle glüdck- lih aus8zubeuten verstand“, beschäftigte ihn aber auch das Genre- und Sittenbild, „dessen Motive er mit Vorliebe ebenfalls dem vielgestal- tigen Leben und Treiben Veredigs entnahm.“ Die Nationalgalerie besitzt von ihm ein großes, fein aus8geführtes Delgemälde von S. S. Giovanni e Paolo mit dem imposanten Reiterdentmal des Condottiere Bartolommeo Coleoni. Fünf andere prächtige Bilder be- finden si{ch im Besive Sr. Majestät des Kaisers und sind hier ebenfalls ausgestellt, Auf den beiden größten der- selben entfaltet sich eine besonders reihe prunfvolle Staf- sage: dies find die Ansicht des Canale grande mit dem bunten Leben einer Rezatta und eine Ansicht der weltberühmten Piazzet?a und der Riva degli Schiavoni mit dem festlihen Empfange Radebßky's. Außerordentlich stimmungs- und effektvoll ift das Mondscheinbild der Löwensäule auf der Piazzetta ; das vierte gewährt einen Blick von dort nach der malerish gelegenen Insel S. Giorgio Maggiore ; das leßte zeigt die Kirhe S. S. Pietro e Paolo bei Venedig. Daß der Künstler troy seiner Vorliebe für die Vedute auch einer poetisch- idealen Auffassung fähig war, beweist eine großartig komponirte Landschaft mit Winzerzug, deren Motiv dem daran jo unerschöpflichen Campanien entnommen ist. Bei aller Gewissenhaftigkeit von b3chsstt malerisher Behandlnng find ferner die zahlreiwen Aquarellen, welche die allbekannten Prachtpaläste der Lagunenstadt, die Da!’ d’oro, die Casa Salviati, das Haus der Desdemona, des Marino Faliero, den Fondaco dei Turchi (vor der Restauration), die Palazzi Contarini-Zaffo, Foscari, Cavalli, Giustiniani mit ihrer phantastishen Architektur und dem eigenthümlichen Zauber, den Ge- schichte und Fabel um sie gesponnen haben vorführen. Unter den großen Cartons und Zeichnungen in Kohle oder Kreide finden wir das Haus des Cristoforo Moro (die sogen. Casa d’Otello), den Hof des Dogen- palastes mit der Scala de’ Giganti, die Nialto-Brücke, die Kloster- insel der Armenier S. Lazzaro, den Kanal der Giudecca, das Innere der Seufzerbrücke, das Café Florian, den Hafen mit der Abfahrt der E Eugenie von Frankreih zur Einweihung des Suezkanals

Uv

Die interessante Ausstellung bleibt bis Ende März geöffnet.

Ein selten begonnenes und noch seltener vollendetes Unternehmen ist soeben von Mr. Ed. Whymper und den Gebrüdern Carrel aus- geführt worden, nämlich die Besteigung des Chimborazo. Der „Panama Star und Herald" theilt über dieses Ereigniß denn so darf man es füglih nennen eine kurze Nachricht mit, welche Mr. Whymper an den britishen Konsul in Guayaquil ge- richtet hat, und die folgendermaßen lautet: : 5

„Geschrieben in unserm dritten Lager am Chimborazo 17 150 F. über dem Meeresspiegel, den 5. Januar 1880. Nachdem wir wäh- rend eines zehntägigen Marsches unser Lager von einer Höhe von 13 800 F. bis 17150 F. vorgerückt hatten und nach zwei Versuchen, höher h‘inäufzuklimmen gelang es uns, den Berg zu ersteigen. Bei Tagesanbrach waren wir von hier aufgebrowen und kamen 8,30 N. zurü, Die S@hwierigkeiten waren größer, als ih erwartet hatte, in Folge der Verdünnung der Luft, der Kälte und des Windes. Jch hielt ein Quecksilber-Barometer wohk verwahrt bis zur Kuppe. Die Tem- peratur betrug daselbst 11 Grad Fahrenheit unter dem Gefrierpunkt. Wir brauchten fünf Stunden auf den lehten tausend Fuß. Einer der Gebrüder Carrel wurde an den Füßen leiht angegriffen vom Frost. Sonst Alles in Ordnung. Der Berg hat zwei Spißen; wir bestiegen beide. Kein Krater; die Details werden folgen. Wir verbleiben in diesec Lagerstäite zwei oder drei Tage länger.“

Dem Vernehmen na können nur zwei Reisende sich rühmen, vor Mr. Whymper den Gipfel dieses prächtigen Berges erstiegen zu haben. Die Hauptschwierigkeit, welhe Alle erfa“ren haben, liegt in der Weichheit des Schnees, so daß es an manchen Stellen nothwendig war, den Schnee auf einer Seite zu entfernen, um den Bergsteigern freien Durchgang durch denselben zu verschaffen.

Es darf nunmehr als feststehend angenommen werden, daß auf dem Chimborazo kein Krater oder sonstige vulkanishe Gebilde vorhanden sind, wie andere Forscher behaupten, und damit fällt die UVeberlieferung, daß der Berg ein Vulkan sei oder gewesen sei, in ih zusammen.

Der Cirkus Renz ift andauernd bemüht, dur allabendliche Abwecbselung in seinem Programm, sich die alte Anziehungskraft zu bewahren. Wer vieles bringt, wird Manchem êtwas bringen. So bieten die Vorstellungen jedem Alter und jedem Ges{hmack angenehme Unterhaltung. In jüngster Zeit haben die Ausführungen, welche eine bestimmte Seite der Gesammtleistungen des Cirkus bevorzugen, vielen Anklang gefunden. Die Clowns-Vorstellungen, welche vor- nehmlich dem Humor gewidmet sind, finden bei der Kinderwelt stets den regsten, lautesten Beifall und es dürfte in der That {wer sein, die mit der größten Gewandtheit ausgeführten mannigfachen Kunstproduktionen, welche die große Anzahl von Clowns unter Er- regung allgemeiner Heiterkeit zum Besten geben, zu überbieten. Bei dem Freunde der edlen Reitkunst wiederum werden die großen „S80irées équestres“, welche Hr. Direktor Renz von Zeit zu Zeit ver- anstaltet, willkommene Aufnahme finden. Man findet hier neben der vollendetsten Reitèunst einen Pferdebestand, welcher sowohl an Loh! wie an Schönheit seines Gleichen sucht. Das Hohe-

chulreiten der Damen Hager-Renz und Loisset und des Hrn. Hager sind Kunstleistungen, welhe auch den verwöhntesten Kenner im vollsten Maße befriedigen müssen. Ebenso bewundernêwerth ist die Dressur der von Hrn. Renz jun, vorgeführten Pferde. Neben den Produktionen, ‘welche der eigentlihen höheren Reitkunst und Pferdedressur angehören, bietet der Cirkus Renz au in sämmtlichen übrigen Nummern das Beste und Hervorragendste, was gegenwärtig auf dem Gebiete der Cirkuskünste gezeigt wird. Es würde uns zu weit führen, auf die einzelnen Piecen näher einzugehen ; wir begnügen uns, hier nur noch auf die «roßen glanzvoll arrangirten Ausstattungs- tüde hinzuweisen, von denen jeßt niht weniger wie sieben auf dem Repertoire stehen und deren Zahl Hr. Direktor Renz noch in leßter Zeit durch ein „Robert und Bertram“ betiteltes bereichert hat.

Redacteur: J. V.: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Drei Beilagen

Berlin:

(eins{ließlich Börsen-Beilage),

Einige kleinere Säle enthalten sodann Werke von Er n {t Fries,

f T

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 27. Februar. Jn der vorge stri- gen Sizung des Reichstages leitete bei der zweiten Be- rathung des Etats des Bankwesens (Kap. 5 Tit. 1 Ein- nahmen) der Präsident des Reichsbank-Direktoriun:8, Wirk- liche Geheime Rath von Dechend, die Debatte mit folgenden Worten ein :

Meine Herren! Mein verehrtecr Gönner, der Hr. Abg. Dr. Bam- berger, hat in der leßten Sizung bei der Berathung des Etattitels über das Münzwesen auch der Reichsbank gedacht und bei der Ge- legenheit die Aufmerksamkeit des Hauses auf gewisse Vorgänge bei der Reichsbank hingelerkt, die na seiner Auffassung do nit ohne Bedenken wären. Die Sache ist nicht blos sür die Reichsbank, sondern auch für das ganze Land von außerordentliczer Wichtigkeit, insofern als dabei Bedenken erhoben worden sind, ob die Reichsbank noch nach den alten soliden Grundsäßen verwaltet werde, die ihren Nuf be- gründet baben. Der Hr. Abg. Dr. Bamberger hat eine Abweiung von diesen Grundsätzen namentlich darin gefunden, daß die Bank in neuester Zeit angefa::gen habe, Wechsel auch unter dem von ihr fest- geseßten Diskontsai anzukaufen. Er bemerkte in dieser Beziehung, Daß das Portefeuille der Bank von diesen Wechseln voll sei, daß fie dadurch sehr leit in die Lage verseßt werden könnte, bei dem Ein- tritt \{limmer Zeiten, auf welche sie stets gefaßt sein müsse, nit die erwartete Hülfe gewähren zu können. /

Meine Herren! Jch kann versichern, baß id von der Noth- wendigkeit, in Zeiten des Geldüberflusses, wie wir fie jeßt haben, doppelt vorsichtig zu sein und dessen stets eingedent zu bleiben, daß Ti dies sehr leiht und sehr plöplih ändern kann, nicht weniger durchdrungen bin, wie der Hr. Abg. Dr. Bamberger. Ich habe nach diesen Grundsäßen, so lange wie ich an der Leitung der jeßigen Neichébank thetlnehme und das sind beinahe 30 Jahre stets

nohanholt 14M Lim % : E { : gehandelt, ic bin darum au weder durch die ges{chäftliden Krisen

noch durch die drei Kriege, welche während dieser Zeit plößli über uns bereingebrochen sind, überrascht worden und wüßte in der Lhat nicht, was mi veranlassen sollte, von diesen bewährten Grundsäßen jeßt am S@lusse meiner amtlichen Thätigkeit abzugehen. Aber, meine Herren, ih frage Sie, liegt denn darin etwas Unsolides, daß die Bank gegen- wärtig in ihrem Portefeuille eine nicht ganz unbeträchtliche Mafse von Wechseln allerersten Ranges hat?

_Die Bankreserve beträgt noch in diesem Augenblickd über 200 Millionen, d. h. die Bank kann ihre Anlagen um diesen vollen Betrag ausdehnen, wenn es nöthig wird, ohne in die Steuer zu fallen. Ihre Noten sind noch heute mit 810/96 dur Metall gedeckt, allerdings zum Theil durch Silber; ihre Fonds sind jeßt wie früher nur in Wechseln und: in solchen Lombarddarlehen, die in längstens drei Monat ver- fallen, angelegt; Effekten besißt die Bank auch heute noch uicht, so versührerish es in der leßten Zeit au gewesen ist, wo es an anderen Anlagen fehlte, Effekten zu kaufen. Wir haben es nicht gethan, meil wir es für unsere erste Pflicht kalten, die Fonds der O für alle Zeiten, namentlich für Zeiten der Noth flüssig zu alten.

Nun, meine Herren, ih meine, daß hiernach von einer weniger soliden Verwaltung nit füglih die Rede sein kann. Allerdings find aber die Ansichten darüber geißeilt, ob es weise ift, daß wir nit wie früber an dem von uns publizirten Diskontsate unbedingt Festhalten, fondern einen Unterscbied machen zwischen allerersten Pa- pieren, wofür der Preis am Markte niemals der Baúkdiskont gewesen ist, und zwischen Wechseln, wie sie avs den Geschäften der mittleren und kleinen Leute hbexvorgehen. Meine Herren, über diese Frage werden Sie, wie ich glaube, nit ent}cheiden wollen, auch nicht entscheiden können; find doc selbs unter den Männern vom Fach die Ansichten hierüber getheilt. Widerspro{hen wird der Neue- rung namentli von Seiten derjenigen Banquiers, welche bei dem Ankauf jener Wechsel jeßt mit der Reichsbank konkurriren müsen, während sie fcüher als Käufer für eigene und fremde Rechnung, besonders aber für ausländische Banken allein am Markt waren. Von anderer Seite, namentlich in den Kreisen, welche der Reichsbank nahe stehen, habe ich aber nur Cine Stimme gehört, daß wir Recht daran gethan haben, das alte Prinzip zu turbbrecen, weil dies der einzige Weg war, um in den Besitz erster Wesel zu kommen. Daß Hr. Dr. Bamberger diese Ansicht nicht: theilt, beklagt Niemand mehr wie ih, der ib auf sein Urtheil großen Werth lege und ihn zu den ersten Autoritäten auf diesem Gebiet stets gezählt habe. Aker er kann nicht verlangen, daß wir seinen Ansichten mehr Werth beimessen, als unserer eigenen Ueberzeugung und dem Urtheile der gewiegtesten Fachleute. Wenn er die Güte haben wollte, die Sache noch einmal unbefangèn zu prüfen, so wird er wenigstens zugeben müssen, daß die Sache so zweifellos niht is, wie er bisher angenom- men hat und daß die Baakverwaltung \sich keineswegs hauptsächlid durch den Wunsch habe leiten lassen, den Ge- winn der Bank zu vermehren. Darin stimme ich mit ihm übrigens unbedingt überein, daß es ungehörig sein würde, wenn die Bank die fraglichen Wechsel aufsuchen wollte, statt sie au sih herankommen zu lassen. Meines Wissens is das aber auc nur voa einer einzigen Bankanstalt geschehen und hier sofort Remedur eingetreten. Meine Herren! Ich glaube unter diesen Umständen wird Hr. Dr, Bam- berger viclleiht selbst seine Bedenken, wenn auch nit zurücknehmen, fo doch modifizicen und anerkennen, daß die Reichsbank heute noch ebenso solid verfährt, wie früher. Mit diesem Wunsche will ich vor- läufig meine Bemerkungen s{hließen.

Der Abg. Dr. Bamberger erklärte sich mit dem Neichs- bank-Präsidenten nicht darin einverstanden, daß es angezeigt gewesen sei, eine gewisse Konkurrenz, die sich in dem Aufnehmen von diskontirbaren Papieren in Deutschland gezeigt habe, durh die Reichsbank aus dem Felde zu s{lagen. enn er richtig verstanden habe, so habe si die Aeußerung des Reihsbank-Präsidenten wesentlich auf fremde Bantkinstitute bezogen, daß die belgishe und die österreihishe Bank Geld zur Diskontirung von Wechseln in Deutschland anlegten und die Reichsbank si sage, sie fönne diese Geschäfte selbst machen. Die Bank habe den Zweck, einen Rückhalt für die Geldbewegung des Landes zu s{asen, niht aber, einer gewissen Anzahl von Aktionären Dividende zu geben. Man habe die Bank so an-

elegt, daß sie Dreiviertel der Emission von Papiernoten in Deutschland habe, daß in gegebener Zeit das gesammte Mo- nopol der Ausgabe fiktiver Werthzeihen ihr zufallen sollte. Habe man dies gethan, um die Emissions- fähigkeit zux Erzielung hoher Dividenden auszunußen? Durch- aus - nicht. Die Papiergeldemission sei nur ein elastishes Hülfsmittel für den Verkehr da, wo andere Mittel niht mehr ausreihten. Weil man diese Elaslizität außerordentli vor- sihtig organisiren wollte, sei der Apparat der Emissionsfähig- keit eingeschränkt. Dieser Apparat würde seinen Zweck ver- fehlen, wenn derselbe ein Zinsen bringendes Kapital schaffen sollte. Aus der Erklärung des Bank-Präsidenten schiene ihm hervorzugehen, daß derselbe die fremden Banken das Geld

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berl

nicht verdienen lassen wolle, was seine eigene Bank ver- dienen könnte. Das Haus habe nur für die Solidität der Reichsbank zu sorgen, nicht für die der fremden. So lange das Privatkapital bereit sei, Kredit zu geben, müsse sich die Reichsbank in der Reserve halten und warten, bis man zu ihr komme. Was4 ben Unterschied zwishen Wechseln sehr großer Firmen und dem kleineren Verkehr betreffe, so würde er als Dirigent einer Bank bei einer ganzen Menge von Wechseln des kleinen Verkehrs eben so ruhig sein, wie bei den Tratten der meisten großen Häuser. Er glaube, daß es nicht shade, wenn Wechsel großer Häuser unter dem Vank- zinsfuße niht an die Bank, sondern in andere Hände über- gingen. Wenn der Reihsbankschaß höher wäre als die Noten- emission, so würden die Aktionäre shlechte Geschäfte machen, aber die Solidität der Bank keinen Schaden leiden. Er glaube, der Bank-Präfident werde mit ihm darin einig fein, daß die wahre Probe auf tie Güte der Bankgesezgebung noch nicht gemacht sei, Man habe durch den Rückgang der Geschäfte immer Geldüberfluß gehabt, Geldkrisen Habe man seit dem Bestehen des Bankgesetes noch nicht durhgemacht. Um fo mehr sei es angezeigt, die Manipulationen der Reichsbank, über welche vielfah nicht ohne Grund Beschwerde erhoben werde, zu besprechen.

__ Hierauf ergriff der Präsident des Reichsbank-Direktoriums, Wirkliche Geheime Rath von Dechend das Wort:

Meine Herren! Es wird mir \{wer, Ihre kostbare Zeit über diesen Gegenstand noch weiter in Anspru zu nehmen; aber einige Bemerkungen des Herrn Vorredners kann ih doc nicht ohne Er- widerung lassen. Die Bankoerwaltung hat fi, wie ih versichern kann, bei ihren Maßnahmen zu keiner Zeit und bei keiner Gelegen- heit durch den Wunsch bestimmen lassen, mögli bohe Dividenden zu geben. Ich kavyn versichern, daß wir in der Beziehung gerade so urtheilen und handeln, wie der Abg. Dr. Bamberger es verlangt. Aber, meine Herren, als völlig aleticgiltig kann ih es doch nicht be- trachten, ob die Fonds der Bank beschäftigt werden oder fteril in ihren Gewölben liegen bleiben. Setßen Sie eiumal den gar nit vnmöglichen Fall, raß unsere Anlage in Wechseln und Lombard- gescästen noch weiter um die Hälste abnähm- und die Notenreserve bis auf 300 Millionen stiege, würden Sie auch dann noch wünschen, daß wir uns darum für diese Gelder wenigstens theilweise eine bank- mäßige, wein auch weniger lukrative Anlage zu finden, nicht be- mühen, sondern das Geld liegen lassen sollen, bis viclleiht nach 10 oder 20 Jahren ein Krieg ausbriht, wo wir es brauchen werden. Dazu, glaube ic, sind die Bankfonds nicht bestimmt, sondern andere Fonds, für die Sie ja au gesorgt haben. Nach meiner Luffassung soll die Reichsbank Geschäfte zwar nicht aussuchen, aber ebensoweniz die sich ihr darbietende Gelegenheit, ihre müßigen Fonds ficher und bankmäßig anzulegen, unbenußt lassen. Ist das aber richtig, so ver- mag ich nicht abzuschen, warum die Bankverwaltung es rubig über fich ergehen lassen soll, wenn autländishe Bankea und Vanguiers die besten Wechsel in großen Summen fort und fort bei uns aufkaufen lassen, während tie Fonds der Reichsbank fortdauernd wacsen und der Gewinn mit jedem Jahre kleiner wird. Der Hr. Abg. Bamberger meinte, die Kapitalien, wele vom Autlande in dieser Weije bei uns angelegt werden, kämen uns sehr zu Statten. Jch will Dies: im Allgemeinski nit vhestreiten. Aber ob ck ein Segen ist, wenn die. fremden Banken und Banquiers in Zeiten des alige- meinen Geldüberslusses, wie wir sie jeßt haben, ihre über flüssigen Gelder bei uns in Wechfeln anlegen, die sie in jedem Augenblick zu uns zurüds{icken und sih dafür Gold kommen lassen können, scheint mir doch mehr als zweifelhaft. Nach meiner Auffassung find für uns in solchen Zeiten fremve Kapitalien nur dann von Werth, wenn sie bei uns feft angelegt werden, aber nicht, wenn sie uns nur vor- übergehend zugeschickt werden in einer Zeit, wo wir nicht wissen, was wir mit unseren eigenen Kapitalien anfangen soüen.

Der Herr Vorredner hat sodann darauf hingewiesen, daß das Agio, welches die Reichbankantheilscigner für die Bankantheile haben zahlen müssen, außerordentlich niedrig bemessen sei.

Ob dies so unbedingt richtig ist, wird wahrscheinli \chon die nächste Zeit ergeben. Zwar ist die Dividende für das verflossene Jahr noc nit festgestellt, es läßt sih aber schon jeßt übersehen, daß sie nihts weniger als glänzend ausgefallen und selbst den be- \cheidensten Erwartungen {werlich entsprehen wird. Jh sehe darin zwar kein Unglück, aber doch eine dringende Veranlassung für die Bankverwaltung, Geschäfte, welche sie mit Nugen macben kann, ohne den soliden Prinzipien der Bank zu nahe zu treten, nicht ganz glei@gültig zu behand.ln. Daß die Bankverwaltung hier- bei mit der größten Vorsiht zu Werke gehen muß und niht vergessen darf, daß sie die eigentliche Probe auf das Reihs8- bankgesez auch nit zu bestehen habe, erkenze ih unbedingt als rihtig an. Die Lage der Reichébank i} in der That viel s{chwieriger ge- worden als die der Preußischen Bank, und wir müssen, obgleich die Verwaltunz dieselbe geblieben ist, sehr viel vorsichtiger sein, weil wir jeßt hauptsächlih auf die Girogelder angewiesen sind, die uns in jedein Augenblik entzogen werden können. Aber wir sind uns dieser Schwierigkeiten auch völlig bewußt und meinen, daß sich dies in den viel stärkeren Reserven, welche wir jeßt halten, klar zu erkennen giebt. ;

Meine Herren! Jch meine, wir können Hiermit den Gegenstand verlassen, es ist von diesen Verhandlungen cin Resultat doch nit zu erwarten, da darüber hier nicht abgestimmt werden kann, ob die Bank nah dén richtigen Grundsätzen verfahren ist, und Sie können der Bankverwaltung vertrauen, daß sie niht weiter gehen wird, als es die Verhältnisse ‘gestatten. 4

Der Abg. Sonnemann bedauerte, daß er dem Wunsche des Bank-Präsidenten, die Debatte abzuschließen, nicht ent- sprechen könne. Er habe sich vorgenommen, einige andere die Reichsbank betreffende Fragen zur Sprache zu bringen, könne aber auch die leßten Ausführungen des BanE-Präsidenten nicht unerwidert lassen. Jm Allgemeinen erkenne er an, daß die Verwaltung der Reichsbank eine solide und vorsichtige gewesen sei, allein es machten gewisse Vorgänge auf ihn den Eindruck, als sei die Leitung der Bank einigermaßen ins Shwanken ge- kommen, wobei er zunächst niht untersuchen wolle, ob die vor- gekommenen Fehler mehr der Centralverwaltung oder ein- C Zweiganstalten oder untergeordneten Organen zur Last

elen. Aus dem Etat gehe hervor, daß das Erträgniß der Bank pro 1879 mit 600 000 niedriger eingestellt sei als 1878. Theil- weise sei dies dem niedrigeren Zinsfuß zuzuschreiben. Der durchschnittliche Diskont sei 1879 3,69 Proz. gewesen, dagegen 1878 4,34 Proz. Theilweise aber werde auch das WMinder- erträgniß durch die großen Verluste entstanden sein, welche die Bauk in Dortmund und Bochum erlitten habe. És sei auf- D daß solche große Verluste gerade im abgelausenen

ahre vorgekommen seien. Während der Krisis 1874—77 würde man fih darüber weniger gewundert haben. Aber

Freitag, den 27. Februar

1BSO,

kommniß allerdings etwas Befremdlihes. Es fei behauptet worden, daß eine ungenügendè Kontrole stattgefunden habe, daß es an Personal gefehlt habe, daß überhaupt die Leitung der betreffenden Zweiganstalten eine wenig vorsihtige gewesen sei. Er möchte daher die Frage stellen : Welche Verluste seien in jenem Bezirk erlitten worden, und welchen besonderen Ursachen seien dieselben zuzuschreiben? - Zweitens möchte er darauf hinweisen , daß die Reichsbank ihm zu sehr nah Geschäften zu haschen scheine und den anderen Privatbanken in ihren Geschäften entgegentrete. Dafür könnte er eine Reihe von Beispielen anführen, besonders daß die Reichsbank die Noten den fremden Banken nicht täglih, sondern auf einmal präsentire. Er habe den Eindruck, daß die legte Absicht dahin gehe, den Geschäftsverkehr der Privatbanken möalichst ein- zuengen und ihnen das Lebenslicht auszublasen. Drittens habe die Reichsbank im November vorigen Jahres plöutlich den Einkausspreis für Gold erhöht. Damals sei der Kauf- preis, welcher geseßlich 1392 # sei, plöglih für Be- träge über 1/4 Million Mark auf 1393, für Beträge über 2 Millionen Mark auf 13931/2 erhöht. Die Sache sei einige Tage sehr geheim gehalten worden und set erst dur ein Pariser Blatt in die Oeffentlichkeit gekommen. Daß man eine so wihtige Maßregel erst aus einem auslän- dischen Blatte ersehen habe, daß sie - überdies cine auffällige Begünstigung einiger mächtiger Bankhäuser in si geschlossen habe, werde nicht in Abrede zu stellen sein. Viertens wolle er nur noch auf die bereits im Abgeordnetenhause vom Abg. Dr. Langerhans erwähnte Angelegenheit zurückommen, welche die Versendung von Cirkularen der Berliner Handelsgesell- schaft, betreffend die Aufforderung an die Aktionäre der Pots- damer Bahn mit dem Siegel der Reichsbank versehen, becireffe. Es scheine ihm absolut außerhalb der Aufgabe der Reichsbank zu liegen, ihre Mitwirkung zu fsolchen Manipulationen herzugeben. Er sei, wie bekannt, kein Segner der Eisen- bahnpolitik, welhe Seitens der preußishen Regierung eingeshlagen worden sei, allein er könne sich darum doch nit mit allen Einzelheiten befreunden, welche bei der Durchführung vorgekommen seien. Fünftens wolle er auf die durch den Ausschuß der Reichsbank am 23. Januar be- \{lofenen Veränderungen hinweisen. Diese seien dreifacher Art ; erstens trete cine Erleichterung der Lombarddarlehne ein. Damit wäre er einverstanden, auch über die Prinzipien bei der Annahme von Bankierwechseln. Ferner aber werde der Dis- kontosaß für Wechsel niedriger gestellt, als bei anderen Bank- säßen. ‘Hierdurh werde entschieden das Großkapital und die Spekulation befördert. Während der Banksaß 4 Proz. sei, während in London und Paris das Privatdiskonto 21/4 Proz. sei, solle die Reihsbank zu 2 Proz., ja zu 11/5 Proz. dis- kontüirt haben. Während also der Bankier am Börsenplaye seine Wechsel zu 1/2 Proz. bis 2 Proz. anbringe, müsse gleih- zeitig der Jndustrielle, der Kaufmann in der Brovina 4 Proz. bezahlen. Wäre die Bank genöthigt, ihren Diskonto zu er- höhen, so müßten die Kreditsuchenden vielleiht 5—6 Proz. bezahlen, während kurz vorher das Bankportefeuille zu 11/5— 2 Proz. gefüllt worden sei. Solche Dinge dürften bei einen unter der Kontrole der Regierung stehenden Bankinstitut, welches vor allem die Währung aufrecht zu erhalten habe, nit vorkommen. Der Bauk - Präsident habe sich vorher darauf berufen, daß eine so große Notenreserve vorhanden sei, daß man gewissermaßen in e m sei, wie man das Geld anlegen solle. Nah feinen Notizen sei die Reserve am 15. Februar d. J. um 82 Millionen kleiner als am 15. Februar 1879 gewesen. Erwäge man, daß die Deckung nit vollständig aus Gold bestehe, so werde die gegenseitige Deckfung gar nicht sehr hoh genannt werden können. Wenn gesagt werde, daß ausländishe Banken der Reichsbank die Wechsel wegnehmen, so beklage cr das gar niht. Es sei eîn großer Vortheil für Deutschland, ein Vortheil, den man der Goldwährung verdanke, wenn das Ausland Deuischland seine Kapitalien zu billigen Zinsen zur Verfügung stelle. Das sollte die Reichsbank aus ihrer ruhigen und vorsihtigen Thätigkeit niht herausbringen, Man höre ferner hier sowohl vom Regierungstish herab, wie im Reichstag gegen die Börse eifern, und doch schienen die von den gegenwärtigen Kammermehrheiten und die von der Regierung getroffenen Maßregeln oft gerade für die Börse berehnet zu sein. So sei der überaus größte Theil des durh die neue Zollpolitik geschaffenen Vortheils nur der Börse, dem Großkapital und der Spekulation zu Gute gekommen. Ebenso stehe es mit den Vortheilen der Verstaatlihung der Eisenbahnen, und au jeßt mit den Maßregeln der Bank- politik, die vielleicht sehr gut gemeint seien, aber durch ihre Organe jedenfalls nicht so ausgeführt seien, wie es im Jn- teresse ciner geinees Bankpolitik geschehen: niüsse. Der Saÿh : „Handele nah meinen Worten, aber nicht nah meinen Thaten“, erscheine hier umgewandelt in: „Handelt nach meinen Thaten, und kümmert euch niht um meine Worte.“ Er hoffe, daß die Bankverwaltung seine Fragen in befriedigender Weise be- antworten werde, und daß der Geist, der die Reihsbank von ihrer Gründung an bis zum vorigen Jahre durhweht habe, auch fernerhin thr leitender bleibe.

_ Demnächst nahm der Präsident des Reichsbank-Direk- toriums, Wirkliche Geheime Rath von Dechend das Wort: Ich verspreche zunächst, daß der e Wunsch des Herrn Vor- redners, soweit es in meinen Kräften steht, erfüllt werden sol. Von ten Gegenständen, die der u Vorredner zur Sprache gebrat hat, ist einer, wie Sie gleich sehen werden, von ganz untergeordnetèr Bes deutung. Ich werde aber do niht umhin können. ihn cingehend zu besprechen, weil er dur die Debatten, welche sih an den Gegenstand in dem Hause der Abgeordneten geknüpft haben, eine gewisse Bedeu- tung erhalten hat, und au der Herr Vorredner der Reihbbank den Vorwurf gemacht hat, daß sie den Staat bei der Verstaatlichung der Eisenbahnen in unzuläfsiger Weise unterstüßt habe. Meine Herren, ih werde Ihnen den Thatbestand, wie er altenmäßig feststeht, vor- tragen. Sie werden dann selbst beurtheilen können, ob die Bank- verwaltung diesen Vorwurf verdient. Indessen kann ih nit umhin, glei von vornherein mein Bedauern darüber auszusprechen, daß diese ganz unbedeutende Sacbe, nacbdem fie hon in dem preußischen Ahb«- geordnetenhause zweimal ausführlich besprochen ist, hier noch einmal zur Sprawhe gebracht wird.

gerade in dem Augenblick, in welhem die Krisis beendet sei,

in welhem die Geschäfte wiedex auflebten, habe das Vor-

Es besteht, wie der hohen Versammlung bekannt ist, hier bei der Reichshauptbank ein Comptoir, in welchem jeder Privatmann und