1880 / 55 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 04 Mar 1880 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamlkliches.

Deutsches Neich.

Preußen. Berlin, 4. März. Se. Majestät der Kaiser und König nahmen heute Vormittag die Mel- dung des aus München hier eingetroffenen Militär-Attachés, Flügel-Adjutanten von Stülpnagel entgegen, hörten die Vor- träge des Chefs des Militär-Kabinets, General-Adjutanten von Albedyll sowie des Kriegs-Ministers von Kameke und empfingen den Legations-Rath Grafen von Wesdehlen.

Beide Kaiserlihe Majestäten erschienen gestern auf einer Soirée der Ober - Hosmeisterin Gräfin Perponcher und des Ober-Schloßhauptmanns Grafen Perponcher.

Jhre Majestät die Kaiserin und Königin be- suchte heute das Augusta- Hospital.

Der Bundesrath trat heute zu einex Sißung zu- sammen.

Jn der heutigen (12.) Sizßung des Reichstages, welher der Staatssekretär des Jnnern Staats-Minister Hofmann, der Staats-Minister von Stosch und mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Bundes- Tommissarien beiwohnten, theilte der Präsident vor Eintritt in die Tagesordnung mit, daß an Stelle der aus der Budgetkommission ausgeschiedenen Abgg. Frhr. von Schorlemer-Alst und Löwe-Berlin die Abgg. Freytag und Hermes gewählt worden seien. Die Kommission für die Mili- tärvorlage seßt sich zusammen aus folgenden Mitgliedern : von Bennigsen (Voxsißender), Udo Graf zu Stolberg- Wernigerode (Stellvertreter des Vorsißenden), Frhr. von Lerchen- feld, Roemer (Württemberg), Ruppert (1.,2. und3. Schriftführer), Rickert, Büsing, Dr. Bühl, Dr. Stephani, von Wittich, Frhr. von Malzahn-Gülß, Frhr. von Heereman, Graf zu Drofste- Vischering, Dr. Lieber, Frhr. zu Frankenstein, Frhr. von Landsberg-Steinfurt, A von Varnbüler, Graf von Franken- berg, Fürst von Haßtßsfeld - Trachenberg, Richter (Hagen), Müller (Gotha).

Der erste Gegenstand der Tagesordnung war die dritte Berathung des Entwurfs eines Geseßes, betreffend eine Ergänzung des Geseßes vom 27. Juni 1871 über die Pensionirung und Versorgung der Militärpersonen 2c, auf Grund der in zweiter Lesung unverändert angenommenen Vorlage. Dieser Geseßentwurf wurde ohne Debatte unverändert an- iers Es folgte als zweiter Gegenstand er Tagesordnung die erste Berathung der auf Grund des 8. 6 des Gesetzes, betreffend die Einführung der Civilprozeß- ordnung vom 30. Januar 1877, unter Zustimmung des Bundes- raths erlassenen Kaiserlihen Verordnung vom 28. September 1879, betreffend die Begründung der Revision in bür- o Rechtsstreitigkeiten. Der Entwurf wurde auf ntrag der Abgg. Dr. Lasker und Dr. Windthorst einer Kom- 14 Mitgliedern überwiesen. Der dritte Gegenstand der Tagesordnung war dexr mündliche Bericht der Kommission für den Reichshaushalts- Etat über die derselben zur Vorberathung überwiesenen Theile des Etats für das Reichsamt des Jnnexn auf das Etatsjahr 1880/81. Bei den einmaligen Ausgaben, Kap. 3, Tit. 6, Remuneration, Tagegelder und Fuhrkosten für die Reichskommission zur Entscheidung von Beschwerden auf Grund des Sozialistengeseßes, bemängelte der Abg. Kayser die Thätigkeit dieser Kommission und beantragte Streichung der Position. Der Avg. Dr. Lasker erklärte die Streichung der Position zur Zeit nicht für zuläsfig; die bevorstehende Be- rathung der Verlängerung des Sozialistengeseßes werde Gelegen- heit geben, die Thätigkeit der Kommission näher zu beleuchten.

Der Staatssekretär des Junern, Staats-Minister Hof- ann wies die von dem Abg. Kayser geübte Kritik über die Thätigkeit eiver mit Bewilligung des Reichstages eingeseßten Behörde als unberechtigt zurück. Hierauf wurde der Antrag Kayser vom Hause abgelehnt, und die einmaligen Ausgaben (Kap. 3, Tit. 1—9) sowie die Einnahmen (Kap. 8, Tit. 1—7) ohne weitere Diskussion genehmigt.

Es folgte der vierte Gegenstand der Tagesordnung: der mündlide Bericht der Kommission für den Reichshaushalts- Etat über die derselben zur Vorberathung überwiesenen Theile des Reichshaushalts-Etats für das Etatsjahr 1880/81. Ohne Diskussion wurde der Etat der Reichsjustiz- verwaltung, Kap. 66 der dauernden Ausgaben, Kap. 8 der einmaligen Ausgaben, Kap. 11 der Einnahmen (Anlage 7 des Etats) nah dem Beschlusse der Kommission bewilligt. Ebenso der Etat des Rechnungshofes, Kap. 10 der einmaligen Ausgaben, Kap. 11 der Einnahmen (Anlage XI. des Etats), ferner des Reichsshaßamts, Kap. 9 der einmaligen Ausgaben, Kap. 12 der Einnahmen (Anlage VIIl. des Etats), der Reichs\{huld, Kap. 71, Kap. 72, Tit. 1 und 2 der dauernden Ausgaben und Kap. 9a. der einmaligen Ausgaben (Anlage X. des Etats).

Es folgte der mündliche Berichte der Kommission über weitere Theile des ihr zur Vorberathung überwiesenen Reichshaushalts-Etats. Die Etats 1) der Reichs- druderei, Kap. 4a. der Einnahme und Kap. 13/ der einmaligen Ausgaben, 2) Besonderer Beitrag von Elsaß- Lothringen, Kap. 16 der Einnahme, 3) Ausgaben in Folge des Krieges gegen Frankrei, Kap. 14 bis 18 der einmaligen Ausgaben, 4) Eisenbahnverwaltung, Kap. 11 und 12 der einmaligen Ausgabkten, 5) Reichseisenbahnamt, Kap. 13 der Einnahme, wurden ohne Diskussion nah den Vorschlägen der Kommission genehmigt. Bei Schluß des Blattes ging das Haus auf den 6. Gegenstand der Tagesordnung über, Mündlicher Bericht der Budgetkommission über die derselben überwiesenen Theile des Etats für die Verwaltung der Kaiserlichen Marine auf das Etatsjahr 1880/81.

Der Kaiserliche Botschafter Fürst v on Hohenlohe ist nah Paris zurückgekehrt und hat die Leitung be ti Botschaft wieder übernommen.

Der Königliche Gesandte am Großherzoglich hessischen D Don Alvensleben, hat Darmstadt mit eei e verlassen.

Der wie Nummer d. Bl. ist eine „Besondere Beilage“

C 3), enthaltend Entscheidungen des Neichsgerichts, eigefügt.

Ebenso wie der Rechtsanwalt bezüglih der von ihm

mission von

teressen) in Anspruch nehmen kann, wie sein Client, ebenso kann nach einem Etikenntnisse des Reichsgerichts III. Strafsenats, vom 24. Dezember 1879, auch jede andere Person, welche für einen Anderen ein zur Einreihung an eine Behörde bestimintes Schriftstück abfaßt, das objektiv beleidigende Aeußerungen enthält , denselben Schuß in Anspruch nehmen wie ihr Auftraggeber.

S. M. Korvette „Medusa“, 9 Geschüße, Komman- dant Korv.-Kapt. Matthesen, hat am 1. Februar cr. in La Guayra geankert.

Bayern. München, 2 März. (Allg. Ztg.) Se. Kaiser- liGe Hoheit der Kronprinz RUdolf von Oesterreich ist heute Morgen 6 Uhr mit dem“ Courierzug aus Wien hier eingetcoffen und- am Bahnhofe von Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Leopold empfangen worden. '

Sachsen. Dresden, 3. März. (Dr. J.) Die Erste Kam - mer überwies heute zunächst einen Antrag des Herrn von Schönberg - Bornit, dem zufolge die Staatsregierung ersucht bez. ermächtigt werden soll, die Bestimmungen des Geseßent- wurfes über die Tagegelder und Reisekosten der Civil- staatsdiener auch auf die Dienstreisen der juristishen und öko- nomischen Spezialkommissare bei agrarishen Auseinandersezun- gen aller Art unter Einstellung derselben in die 5. Klasse des dem gedachten Geseßentwurfe beigegebenen Tarifs auszudehnen, der Staatsregierung unter eventueller Ertheilung der be- antragten Ermächtigung jur Erwägung und nahm hierauf den Geseßentwurf, das Amtskleid der Rechtsanwälte betreffend, im Einverständnisse mit den diesbezüglihen Beschlüssen der Zweiten Kammer ohne Debatte an. Zu einer längeren De- batte gab das Königliche Dekret, die fortgeseßten Erörterungen über das Bedürfniß eines Waldschußgeseßes betreffend, Ver- anlassung, bezüglich dessen die Deputation den Beitritt zu den hierzu von der Zweiten Kammer gesaßten Beschlüssen vor- s{chlug. Die Kammer beschloß jedoch auf Antrag des Ritter- gutsbesißers Seiler im Gegensaß zur jenseitigen Kammer, sih mit den von der Regierung veranstalteten Erörterungen nur zur E besriedigt zu erklären. Dem Gesezentwurfe über die

enugzung der Altersrentenbank zur Erwerbung von Renten für die Hinterlassenen der am 1. Dezember 1879 in Zwickau verunglücten Bergleute wurde im Einklang mit der 2weiten Kammer die Genehmigung ertheilt. Auch bezüglih des An- trags des Abg. Walter und Genossen und der Petition einiger Rechtsanwälte um Aufhebung des §8. 18 der Verordnung des Justiz-Ministeriums vom 31. Juli 1879 zur Ausführung der Rechtsanwaltsordnung trat die Kammer den Beschlüssen der jenseitigen Kammer bei. Zum Schluß wurde eine längere Reihe von Petitionen in durhgängiger Uebereinstimmung mit den Deputationsanträgen erledigt. Die Zweite Kammer genehmigte die beim Vereini- gungs8verfahren über die Etats des Justiz- und des Kultus- departements vereinbarten Vorschläge und nahm alsdann den Vortrag ihrer Finanzdeputation über eine Reihe anderweiter, bei. verschiedenen Abtheilungen des Etats zu Tage getretener Differenzen entgegen. Die bei der ersten Berathung abgelehnte Theilung der Autshauptmannschafst Dresden wurde heute mit 43 gegen 34 Stimmen genehmigt. Die ander- weite Abstimmung über das Königliche Dekret, betreffend die Benußung des Sonate Kalkreuth zur Anlage einer Fohlenaufzuchtanstalt, gab die Ablehnung der Regierungs- vorlage mit, 40 gegen 30 Stinmen. Der Antrag des Abg. Lehmann und Gen., die Wiedereinführung von Klassiker- vorstellungen zu ermäßigten Preisen im neuen Hoftheater be- treffend, wurde, nahdem dem bestellten Referenten vom Ministerium des Königlichen Hauses mitgetheilt worden ist, daß die Wiedereinführung von Vorstellungen der gedachten Art zufolge Allerhöchster Entschließung bereits vor der Ein- bringung des Lehmannschen Antrags in Aussicht genommen worden sei, für erledigt erklärt. Zum Schluß wurden noch einige Petitionen erledigt.

Vaden. Karlsruhe, 3. März. (W. T. B.) Die Erste Kammer hat das Examengeseß für die Geistlichen mit allen Stimmen gegen eine nah den von der Zweiten Kammer gefaßten Beschlüssen genehmigt.

_ Oesterreich-Ungarn. Wien, 2. März. Die öster - reihish-ungarische Zollkonferenz hat gestern ihre Berathungen beendet. _ Bezüglih der Gegenpropositionen, welche der deutschen Regierung vorgelegt werden sollen, erfährt das „Fremdenblatt“, daß beantragt wird, daß diejenigen Zollpositionen , welche im österreichishen Tarif gebunden wer- den sollen, auf das Niveau der deutschen gebracht werden. Ferner soll betreffs der deutschen Zölle auf landwirthschaftliche Produkte der für den ungarischen Export sih ergebende Nach- theil durch Begünstigungen auf dem Gebiete des Eisenbahn- wesens ausgeglihen werden. Endlich soll auc der Abschluß einer Viehseuchenkonvention, wie eine solche zwischen Dester- reih-Ungarn und Ftalien besteht, angeregt werden.

3. März. (W. T. B.) Die „Polit. Corresp.“ meldet aus Konstantinopel: Der Sultan hat dén Vorschlag eines Gebietsaustausches mit Montenegro genehmigt. *

Velgien. Brüssel, 3. März. (W. T. B.) Jn der aiutgen Sizßung der Repräsentantenkammer äußerte ih der Minister des Auswärtigen, Frère-Orban, über den stattgehabten Meinungsaustausch mit dem Vatikan und hob dabei hervor, daß durch die Beibchaltung der Gesandt- schaft bei dem päpstlichen Stuhle durchaus kein Zugeständniß gemacht und nicht das geringste Recht aufgegeben worden sei. Am Slusse der Sißung erklärte der «Justiz-Minister

daß der gestrige Vorfall an der Ecke der Rue Ccuyer dur ch- aus nit den Charakter eines Attentates habe,

Grofbritannien und Jrland. London, 3. März. (W. T. B.) Das Unterhaus hat Grissel, welher im vorigen Jahre die Privilegien des Hauses verlette, sich da- mals aber der Strafe entzog, erst zwei Tage vor dem Schluß des Parlaments sich stellte und dann eine Nacht im Newagate- Gefängniß pa e, zur weiteren Gefangenhaltung in New-

ate verurtheilt. Grissel hatte vor seiner Verurtheilung eine bbitte verlesen. E | heilung ein

Frankreih. Paris, 3. März. (W. T. B.) Die Kommission zur Vorberathung der Nekrutirungs- vorlage hat sich für die Aufhebung des Freiwilligendienstes

in seinem Beruf gemachten Aeußerungen, welche die Ehre eines Andern verlegen können, mit demselben Rechte den

ausge)prochen, der Verlängerung derx aktiven Dienstzeit auf

Schuß des §. 193 Str.-G.-B. (Wahrnehmung berechtigter Jn-

Türkei, Konstantinopel, 2. März. Man meldet der W. „Pr.“ von hier: Die montenegrinische Regie- rung hat der Pforte erklärt, daß sie im Prinzip auf den Gebietsaustausch für Plava und Gusinje eingehe, die Durchführung desselben jedoch den Berliner Signatarmächten überlassen müsse, da Montenegro zu einer Abänderung des Berliner Vertrags nicht das Necht habe. i

8. März. (W. T. B.) Der russishe Oberst Co- maroff ist in Folge der Wunden, die er bei dem am 29. v. M. auf ihn gemachten Angriffe erhalten hatte, gestorben.

Salonichi, 23. Februar. Ueber das Schicksal des Obersten Synge schreibt man der „Poï. Corr.“ von hier:

„Den ausschließlihen Gegenstand des Tagesgespräches in unserer Hafenstadt bildet das; Schicksal, welches den Obersten der Gens'dar- merie Synge ereilt hat. Dieser seit langer Zeit in türkischen Diensten stehende Engländer hat sich in Macedonien häuslich ein- gerichtet und in der letzten Zeit einige Besißungen erworben. Eine derselben liegt in unmittelbarer Nähe der Stadt Verija, die durch ihren lebhaften Handel und Verkehr seit jeher bekannt ist. Oberst Synge, beseelt von humanen Gefühlen, erwirkte durch die Vermitt- lung des hiesigen englishen Generalkonsuls Blunt eine ansehnliche Summe von der großbritannishen Botschaft in Konstantinopel zu Gunsten der nothleidenden Mohamedaner, die durch Hunger und Elend in dem heurigen beispiellcs strengen Winter sehr arg mitgenommen wurden. Die Kunde von den Mitteln, die von Sir H. Layard dem Obersten Synge zum genannten Zwecke angewiesen worden waren, sollte Leßterim zum Verderben werden, Als der nur von cinem Gensd’armen und einem Privat- diener begleitete Oberst auf seiner erwähnten Besizung angelangt war, stelle sich auch die 26 Mann zählende Räuberbande des be- rüchtigten Griechen Niko ein. Nacbdem die Bande den Obersten ausgeraubt hatte, erklärte der Klephtenfühcer Niko den Engländer für seinen Gefangenen und entführte ihn in das Gebirge. Erst von dort aus wurde dem Gefangenen gestattet, Kunde von scinem Schtck- fale nah Salonichi zu geben. Mr. Blunt erhielt auf einem Feten beshmußten Papieres nachstehende mit Bleistift geschriebenen Zeilen : „Jch bin bei Niko, s{hickt ein Lösegeld von 10000 Lire und hinter- treibt jede militärishe Verfolgung der Banditen, die mir sonft das Leben nehmen werden.“ Der großbritannisch: Generalkonsul avisirte unverweilt decn Botschafter in Konstantinopel, so wie das Auswärtige Amt in London von dem traurigen Vor- falle und bat um Instruktionen in Betreff des Lösegeldes. Heute traf von beiden Seiten fast gleichzeitig die Weisung ein, eine Summe dem Bandenchef anzubieten; bezüglich der Höhe derselben wurden Mr. Blunt unbeschränkte Vollmachten ertheilt. Nachdem ein Bote, ein Grieche aus Verija, in das Gebirge abgeschickt worden war, begab si der großtritannische Repräsentant zum Generalgouver- neur Rifaat Pascha, um ihn zu bewegen, vorläufig keine wie immer geartete Verfolgung der Banditen voraehmen zu lassen. Natürlich lam der Vali diesem Wunshe nah und erließ sofort diesbezügliche Weisungen an den Kaimakam in Verija. Man ist hier troßdem wegen des Schicksals des unglücklihen Gefangenen sehr besorgt, da man aus Erfahrung weiß, daß {hon oft eine zufällige Verspätung in

der Zustellung des L:segeldes dem Opfer der Banditen das Leben gekostet hat.“

Montenegro. Cettinje, 20, Februar. (Pol. Corr.) Man geht hier mit dem Plane um, die Bojana ausbaggern und fahrbar machen zu lassen, wodur ein stetiger Schiffs- verkehr zwischen dem Jnnern Montenegros und dem Adria- tishen Meere dur" den Scutari-See und die Bojana her- gestellt würde. Jm Zusammenhange damit wird auch die Frage der Verlegung der Residenzstadt in eine entwicklungs- fähigere und den Verkehrsadern zugänglichere Gegend, etwa nah Podgorißa, in den maßgebenden Kreisen lebhaft ventilirt. Die Ausführung dieser Pläne steht aber aus leiht begreif- lichen Gründen noch im weiten Felde.

Nuߧland und Polen. Auf den unter dem 26. v. M. ernannten Obersten Chef der Exekutivkommission zur Wahrung der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung, Grafen Loris-Meliko ff ist gestern ein Attentat verübt worden, welches mit größter Frechheit, aber glücklicherweise erfolglos ausgeführt wurde. Bisher liegen folgende Telegramme des 05, D B.“ VoV:

St. Petersburg, 3. März, Nahmittags 4 Uhr 20 Mi- nuten. Heute Nachmittags gegen 2 Uhr wurde auf den Gra- fen Loris-Melikoff, bei dem Eingange zu seiner Wohnung auf dem großen Morskoi, von einem jungen Mann in nächster Nähe ein Schuß abgefeuert. Graf Loris-Melikoff is unver- leßt. Der Thäter ist verhaftet.

3. März, Nachmittags 3 Uhr 40 Minuten. Ein un- bekannter Mann von etwa 30 Jahren {oß mit Revolver aus unmittelvarster Nähe auf Graf Loris-Melikoff, als dieser vor seinem Hause aus dem Wagen stieg. Der Graf ist unversehrt, sein Uniformrock ist durchschossen; er selbst "ergriff den Ver- brecher.

3. März, Nachmittags. Ueber das Attentat auf den Grafen Loris-Melikoff wird noch mitgetheilt, daß während der Graf von einer Ausfahrt heimkehrend vor seiner Wohnung (-roße Morskoi , gegenüber der reformirten Kirche) aus dem Wagen stieg und seinem Kutscher Befehl zum Abspannen gab, ein junger Mann in unmittelbarer Nähe auf den Grafen {hoß. Derselbe blieb unverleßt. Die Kugel dur{streifte nur den Paletot an der linken Seite in der Gegend der Hüfte. Der Graf ergriff den Attentäter selbst. Der Attentäter machte noch einen Fluchtversuh, bei dem sich aber ein Junge ihm entgegenwarf, so daß er zu Boden stürzte, worauf die Ver- uns erfolgte. Die Untersuchung ist im Gange. Se. Kaiser- iche Hoheit der Großfürst-Thronfolger , die Großfürsten und zahlreiche hohe Würdenträger haben dem Grafen Loris-Meli- koff sofort ihren Besuch abgestattet.

3. März, Abends. Man will wissen, der Attentät er habe noh einen zweiten Shuß auf den Grafen Loris-Melikoff abfeuern wollen, dieser habe ihn aber durch einen Schlag daran verhindert und unterstüßt von dem begleitenden Kosaken ergriffen, Der Attentäter war gut gekleidet. Der Fürst von Bulgarien und der Herzog von Edinburgh haben dem Grafen Loris-Melikoff ebenfalls einen Besuch abgestattet. Die Stadt is heute wegen der gestrigen Jubiläumsfeier aber- mals illuminirt.

Schweden und Norwegen. Stockholm, Der Etat des Kriegsdepartements kam am Sonn- abend in beiden Kammern zur Verhandlung. Der Chef des Departements hatte u. A. zum Zwcck der Anschaffung von 5 neuen Kruppschen Feldbatterien die Bewilligung von 250 000 Kronen beantragt. Jn der Ersten Kammer bezeih- nete der Abg. e von Klincköwström nebst einigen an- deren Rednern es für sehr wünschenswerth, wenn das neue Artilleriematerial im Lande selbst hergestellt werden könnte. Der Minister des Aeußeren erklärte dem gegenüber, wenn es sich um Anschaffung von neuem Material

1. März.

40 Monate aber zugestimmt.

handle, so sei es von Bedeutung, darauf zu sehen, daß man das beste erhalte, und die Wahl ‘n dieser Beziehung sei nicht

wer gewesen. Die Vorzüglichkeit der Kruppshen Kanonen a T Snein so anerkannt, daß ein Zweifel darüber nicht 0d- walten könne, was am besten sei, entweder solhe Kanonen anzuschaffen, oder im Lande kostbare Experimente behufs Kon- struktion eines anderen Modells anzustellen. Fn Bezug auf die Frage der Fabrikation sei die Regierung dadur gebunden, daß Krupp hierfür das Patentreht besiße. Um si das Fabrikationsrecht zu verschaffen, könne man zwet Wege ein- schlagen, entwedcr den hohen Preis A die Erwerbung des Patents zu bezahlen, oder au, zufolge Krupps Anerbieten, bei ihm eine gewisse Anzahl Kanonen zu bestellen, nach deren Lieferung Krupp der Regierung das Recht einräume, alle sonst noch erforderlihen Kanonen im Lande selbst ver- fertigen lassen zu können. Diesen leßteren Ausweg habe nun die Regierung für vortheilhafter für das Land er- achtet, und sei bereits für die vom vorigen Reichstage be- willigten Mittel eine erste Bestellung gemacht worden; es sei die Meinung, für die jeßt verlangte Summe den noch an der bestimmten Anzahl von Geschüßen fehlenden Rest beschaffen zu fönnen. Wenn man also wirklih wünsche, daß die Kanonen- fabrikation künftig im Lande selbst betrieben werde, so sei es nothwendig, daß die jeßt verlangten Mittel bewilligt würden. Der Antrag wurde von beiden Kammern ge- nehmigt.

Amerika. Washington, 3. März. (W. T. B.) Fn dem heutigen Kabinetsrath hob der Schaßsekretär Sher- man hervor, die Silbercertisikate seien ein großes Hin- derniß für die Cirkulation der Silbermünzen, die in der Staatskasse beständig angehäuft blieben. Sherman kauste heute 6prozentige Bonds von 1880 und 1881 im Betrage von 9 516 000 Doll. und zwar diejenigen von 1880 zu 103 und die von 1881 zu 105,85 à 105,871/9. l

Der Finanzaus\huß des Repräsentantehauses hat si gegen jede Revision des Tarisgeseßes während der gegenwärtigen Session des Kongresses ausgesprochen.

Aus dem Wolffshen Telegraphen-Bureau.

St. Petersburg, Donnerstag, 4. März. Das erste Verhör v Verbrechers, der auf den General Loris-Melikoff oß, wurde durch den Stadthauptmann vorgenommen. Der Attentäter ist seiner Aussage nah ein getaufter sraelit aus dem Gouvernement Minsk, wo er das

ymnasium absolvirte, Derselbe Heißt angeblich Hyp- polit Mladeßky. Der Verbrecher sagte u. A. im Ver- hôr, Graf Loris-Melikoff werde dur seine Genossen getödtet werden, wenn nicht dur ihn, dann durch einen zweiten, wenn niht durch diesen zweiten, so dur einen dritten. Graf Loris-Melikoff begab sih bald nah dem Attentat zu Sr. Ma- jestät dem Kaiser und. empfing dann, wie {hon gemeldet, zahlreiche Besuche, zunächst des Thronjolgers und der anderen Großfürsten.

Landtags- Angelegenheiten.

Am 29. Februar ist auf dem Schlosse Lib Fürst Ludw igzu Solms-Hohensolms-Lich gestorben. Derselbe wurde im Jahre 1847 zum Marschall des ersten vereinigten Landtags der preußischen Monarchie ernannt. Als ebemals reihsunmittelbarer Fürst und B: sitzer des Amtes Hohenfolms (Kreis Weßlar) mit erblihem Rechte in das Herrenhaus berufen, trat er in dasielte am 2. Mai 1861 ein. Dem konstituirenten und dem ersten ordentlichen Reichs- tage des Nerddeutschen Bundes gehörte der Fürst als Abgeordneter für die Kreise Wetlar, Altenkirchen, Biedenkopf an. Als Standes- herr im Großherzogthum Hessen war der Verstorbene auch erbliches Mitglied der Ersten Kammer dieses Landes und hat lange Jahre in derselben den Vorsiß geführt.

Statistische Nachrichten.

Das jüvgste Heft der „Mittheilungen der Großherzoglich hessischen Centralftelle für die Landesstatistik“ enthält eine Ucberficht zur Statistik der evangelischen Kirchen im Großherzog- thum Hessen im Jahre 1878, welcher wir die folgenden Haupt- resultate entnehmen. Die entsprechenden Zahlen für 1877 sind in Parenthese beigefügt. Die Zahl der von der evangelischen Landes- kirche (formell) Getrennten betrug Ende 1878; AÄltlutheraner 911 (146), Darbisten 47 (31), Baptisten 136 (167), Tempelbrüder 11 (17), Freiprotestanten 3969 (4209), zusammen 5074 (4570).

Im Jahre 1878 find zur evangelischen Landeskirche übergetreten : von der katholischen Kirche 24 (35), von anderen cchristliden Kon- fessionen 89 (156), von anderen Religionen 34 (21), zusammen 147 (212); aus der evangclif{hen Landebkirhe ausgetreten: zur fatbo- lishen- Konfession 9 (4), zu anderen ristlichen Konfessionen 24 (17), zu anderen Religionen 11 (2), zusammen 44 (23). Die Zabl der Kommunikanten war: im öffentlichen Gottes- dienst 323 846 (325 690), privatim 4432 (4259), zusammen 328 278 (329 949) oder 54,5 (54,7) auf 100 evangelishe Bewohner, in Starkenburg 34,8 (33,9), in Oberhessen 80,4 (81,9), ia Rheinhessen 46,6 (46,8). Auf 100 Civiltrauungen kamen 80,5 (82,3) kir ch- lie Trauungen durch evangelishe Geistlihe, in Starkenburg 82,8 (82,4), in Oberhessen 92,7 (95,4), in Rheinhessen 58,2 (61,7). Die durch Geistliche anderer Konfessionen vollzogenen Trauungen von Evangclischen, also namentlich von Mischehen, sind hierunter nicht begriffen und konnten in zuverlässiger Weise niht angegeben werden. Von den evangelisckden Pfarrämtern ist die Zahl der nur civiliter Getrauten zu 353 (331) angegeben, 7,19% (7,7 °/0) der Civil- trauungen. Auf 100 Lebendgeborene kamen 87,4 (86,8) von evan- gelishen Geistlihen Getaufte, in Starkenburg 82,8 (87,3), in Oberhessen 93,1 (94,8), in Rheinhessin 76,8 (73,6). Auch hier fehlen die Angaben der - von Geistlichen anderer Konfession Getauften aus Mischehen. Ferner kommt hier in Betracht, daß die Verhältnißzahlen der Getauften zu den Geborenen höher sein würden, wenn die in den ersten Wochen nach der Geburt ungetauft gestorbenen Kinder außer Berehnung ge- lassen werden könnten. Die Zahl der Taufverweigerungen durch die Eltern ist von den Pfarrämtern zu 9 (38) angegeben. Konfirmirt wurden aus rein evangeliswen Chen 11901 (11 832), aus Mischehen 465 (380), zusammen 12 366 (12 162). Konfirmationsverweigerungen dur die Eltern sind 21 verzcihnet. Von 13 348 (13 666) Beer - digungen Erang-lischer fanden unter Mitwirkung evangelischer Geistlichen 9604 (9682), ohne Mitwirkunz von solchen 3744 (3984) ftatt, von 100 dcr ersteren also 27,2 (29,2) der leyteren. Die Zahl der Chescbeidungen betrug 35 (37), - von welchen 27 (29) auf rein evangelishe Ehen, 8 (8) auf Mischehen kommen, und zwar 6 (4) auf solche, bei welchen der Mann und 2 (4), bei wclhen die Frau evangelisch war.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Nah der Errichtung eines dritten Hülfssenats bei dem Reichsgericht hat die Vertheilung der Geschäfte für das Kalenderjahr 1880 bei dem höchsten Gerichtshof stattgefunden, Jedem der Straf- senate ift eine bestimmte Anzahl Ober-Landesgerichtsbezirke zugewiesen.

ten und einzelnen Senaten des _Reichsgerichts eine An- zahl von Rech!sangelegenheiten geseßlich überwiesen, bei der Vertheilung der übrigen durch das Präsidium des Reichsgerichts haben der T. und II. Civilsenat solhe aus allen Ober-Landesgerichts- bezirken erhalten. Der Rest ¡ff nah der Rechtsmaterie an die ver- \chiedenen Senate vertheilt worden. Diese verwickelte Geshäftsver- theilung, bei welcher z. B. die Prozeßsachen vom Kämmergericht, je nah ihrer Kategorie, an 7 verschiedene Senate des Reichsgerichts gehen, ist durch eine im Verlage von W. Moeser Hofbuchhandlung hierselbst erschienene kleine Schrift: Die Geschäftsvertheilung des Reihsgerichts im Jahre 1880 (Preis 39 S) verdeutliht worden, und zwar in der Weise, daß “für jeden der alpha- betish geordneten Ober- Landesgerichtsbezirke für jede einzelne Prozeß- kategorie angegeben ist, vor welchen Senat des Reichsgerichts die- selbe gehört. Durch diese zweckmäßige Anordnung und durch eine vorangeschickte Erläuterung über die Grundsäße, nah welchen bei der Geschäftsvertheilung verfahren worden ist, wird das kleine Buch den Rechtsanwälten und-allen Denjenigen, welche sonst an dem Gegenstande Interesse haben, die Orientirung über denselbea leicht machen. :

¿gi Das K. württembergisce statistisch - topoarophishe Bureau hat in der Zeit von 1824—1879 bez1eits von 58 Dber-Amtskezirken des Königreichs Württ-mberg in 58 Theilen mehr oder weniger aus- führlihe Beschreibungen herausgegeben. Vor Käarzem isl der 59, Band unter dem Titel „Beschreibung des Ober- Amts Mergentheim" unter der Redaktion der Proff. Dr. Hart- mann und Dr. Paulus in Stuttgart bei W. Kohlhammer erschienen. Dieselbe ist roch umfangreicher, als die leßtershienenen Ober-Amts- beshreibungen (von Spaichingen i. J. 1876 und von Tuttlingen i. J. 1879) er umfaßt nicht weniger als 864 S. theils wegen der Größe und der topographishen und historischen Be- deutung des Bezirls, welde 10 au n der Fülie handschriftlihen und gedruckten Quellenmaterials, befonders aus dem Nachlaß der Mergentheimer P. A. Breitenbaw, Bauer, Vater .und Sohn, und W. Fuchs, kundgiebt, theils weil es unter den neueren Veröffentlihungen des statiftisch-torogr«phiscen Bureaus die erste Beschreibung des Bezirks des s{ônen württembergischen Franken ist. Die Beschreibung des Oberamts Mergentheim zerfällt in 2 Hauptabtheilungen: in eine Beschreibung des ge- nannten Oberamts im Allgemeinen und in eine Beschreibung der einzelnen Orte. Beide sind ausführlich und mit großer Sorgfalt und Genauigkeit gearbeitet. Die erste (allgemeine) Hauptabthei! ung handelt von Lage und ans des genannten Oberamts, von seiner natürlichen Beschaffenheit (Erhebungen und Geognosie, Gewässern, landschaftlichem Charakter, Boden, Witterungsverhältntfsen, Pflanzen- und Thierreich), von den Einwohnern (Bevölkerungsstatistik, Namen und Eigenschaften der Eirwohner einshließlich der Volksfagen und der Mundart), von den Wohnorten, (Zahl, Gattung und Areal ; Lage, Größe und Beschaffenheit ; den Gebäuden r.ah Anzahl und Gattung, Bauart und Material, Werth und Eigenthumsverbältnissen), vom Nahrungsstande (den Hauptnah- rungêéquellen, dem Vermögen z der Wirthschaft, best:hend in Pflanzen- bau, Viehzucht, Jagd und Fischerei u. st. w ; von Kunst, Gewerbefleiß und Handel), dem gesellshastliden Zustande (den grundberrlichen Verhältnissen, Staats- und kirchlichen Einrichtungen; den Anstalten, wie den Schul-, Wohlthätigkeits-, gewerblichen, landwirthschaftlichen Anstalten, den Verkehrsanstalten, wie von den Eisenbahnen, Straßen, Posten, Boten und Telegraphen; den sonstigen polizei- lihen Anstalten, dem Amtskörperschafts- und Gemeindehaushalt, von Kataster und Steuern). Den Schluß dieses ersten, allgemeinen, Theils bildet ein gest ichtliher Ueberblick über das Dberamt Mer- gentheim und die daselbst befindlichen Alterthümer. Die 2. Haupt- abtheilung, die Orttbeschreibung, enthält eine Beschreibung der den Oberamtsbezirk Mergentheim bildenden 48 Gemeinden oder Schultheißereien in alphabetischer Reihe, unter Vorausstellung der Oberamts\tadt Mergentheim. Bei jedem Ort werden mehr oder weniger auétführlihe Nachrichten über feine Lage, seine Ge- bäude, seine Vermögensverhältnisse, Gewerbe und Handel, Güter, Stuiftungen 2c. mitgetheilt. Den Schluß bildet jederzeit die Geschichte der betréffenden Orts{afk. “Von 3 Orischasten (Mergentheim, Creglingen, Weikersheim) sowie von dem Altar in der Herrgottskirche bei Creglingen sind litkographirte Ansichten bei- gegeben. Außerdem find, außer eirem genauen Register, in einem Anhange 4 Tabellen beigefügt, eine über Einwohner, Gebäude und Viehbstand, eine zweite über Flähenmaß (nach der Vermessung von 1849—50), eine dritte über Staatssteuern, Gemeinde- und Stiftungs- haushalt, eine viecte endlih enthalt-nd eine tabellarishe Uebersicht der Entfernungen sämmtlicher Ortschaften des Oberamtsbezirks Mer- gentheim in Kilometer. Den Schluß des Heftes bildet eine histo- rische kolorirte Karte des Obe: amtes Mergentheim nebst einem Plane der Stadt Mergentheim. Uebrigens hat diese sehr fleißige und sorg- fältige Beschreibung des genannten Oberamts, die sowohl über dasselbe im Allgemeinen als au über die einzelnen Ortschaften desselben nah allen Beziehungen befriedigende Auskunit gewährt, niht 2inen Ver- fasscr, sondern ist von mehreren Mitgliedern und Freunden d-s statistisb-topographishen Bureaus Württembergs verfaßt: die all- gemeine Topographie des Bezirks und der Naturschönheiten von Prof. Paulus; Geognosie und Mineralquellen vom Bergrath Dr. Bauer; Höhcnbestimmungen, Flußgefälle und Wassergebiete vom Trigonometer Regelmann; Meteorologie vom Prof. Dr. von Schoder; Flora vom Kolla- borator Dürr und Pfarrer Kemler;; Fauna vcm Hauptmann Wevfer und Dr, Hofmann; Bevölkerungéstatistik vom Finanz-Rath Kull; Namen und Eigenschaften der Einwohner von Prof. Hartmann, Ober-Amtsarzt Pflüger und Pfarrer Speier; die meisten Theile der Abschnitt: Naßrungéstand und Gesellshaftliher Zustand und einige Abschnitte der Ortsbeschreibung, auf Grund der vom Königlichen Oberamt und den gemeinschaftlihen Aemtern gelieferten . No- tizen und der Akten des statistish - topographishen Bureaus, vom Sekretär Eisenmeuger; grundherrlihe Verhältnisse vom Kameralverwalter Weber; Boden, Lanewirthschaft vom Oekos- nomie-Rath Spieß; Waldbau, Jagd und Fische;ei vom Forst- meister Frhr. v. Brand; besonders genannte Bezirke und geschicht- licher Ueberblick vom Prof. Hartmann ; Alterthümer vom Prof. Paulus; Beschreibung der Ortschasten vom Prof. Paulus ; Ortsgeshichte rom Prof. Hartmann; Register vom Prof. Hartmann. Außerdem haben die Beamten des Königl. württemberg. Staatsarchivs, sowie mehrere andere Gelehrte und Freunde der Wissenschaft die Arbeit mehrfach gefördert.

Gewerbe und Handel.

Nach aus Konstantinopel hier eingegangenen amtlichen Nach- richten hat die türkische Regierung, um dem Eindringen der Reblaus na der Türkei vorzubeugen, die Einfuhr vonBäumen, Früch- ten und Samenkörnern ausländischer Provenienz nach allen Provinzen der Türket verboten. / : ;

Wie aus Belgrad gemeldet wird, sind in Serbien in leß- r Zeit G 9) Srtran ungen an der Rinderpest *) und zwar im

ißer Kreise vorgekommen. :

| L Vom Be rltuer Pfandbrief-Institut sind bis Ende Februar 1880 1068600 M 49/oige, 43 972 500 M 48 °/oige und 9 145 500 M. 5 °/vige, zusammen 54 186 609 k Pfandbriefe ausgegeben, wovon noh 1068600 4 4°/oige, 42483909 M 4¿°/oige und 8 415 900 M 5%ig*, zusammen 51 968 400 4 Pfandbriefe verzinslih sind. Es sind zugesichert, aber noch nicht abgehoben 1 668 300 46, im Laufe des Monats Februar 1880 angemeldet 9 Grundstücke mit einem Feuerversicherungswerthe von 1 143 025 N

In der gestrigen Generalversammlung der Rumänischen Eisenbahnen-Aktiengesellschaft, in welcher die Beschlußfassung ‘über den mit der rumänischen Regierung vereinbarten Verkaufsvertrag auf der Tagesordnung stand, wurde dieser Vertrag mit 306 888 gegen 17 949 Stimmen angenommen. A :

Die Generalversammlung der Aktionäre der Nieder-

ausiß er Bank zu Cottbus genehmigte die vorgelegte Bilanz

sowie die AuGzanlang A auf 6%, festgeseßten Dioidende und er- theilte dem Vorstande Decharge. î

: Die „Union“, Aktiengesellschaft für See- und Fluß-Versicherungen in Stettin, vertheilt pro 1879 eine Dividende von 15% vom Einschuß.

Rotterdam, 3. Mêrz. (W. T. B.) Bei der heute von der

i ändi delsgesellscha ft abgehaltenen Kaffee- niederländischen Handelsgesellf g Nr. 4 454 Nr. 7

Aluktion wurden für Nr. 1 543, Nr. 2 54}, 464, Nr. 10 447 Cent. erzielt.

Berlin, 4. März 1880.

Das Militärwesen in Siam.

Die Siamesen haben die Unabhängigkeiï ihres Landes, welche König Phra Ruang gegen Cambodja erstritt, nur dur vielfahe Kämpfe mit den Nachbarvülkern, Birmanen, Peguanen und anderen, behaupten können. Auch an inneren Fehden hat es ihnen nit gefehlt. Troßdem haben sih keine frie- gerischen Eigenschasten bei ihnen entwickelt. Schon die kli- matischen Verhältnisse sind nicht dazu angethan, da die Sia- mesen eins der heißesten Länder der Erde und zwar fast aus- \chließlih die Niederungen desselben bewohnen, während sih in den Gebirgen die allerdings stammverwandten Laosleute und andere Ureinwohner erhalten haben. Perfönlicher Muth ist eine Eigenschast, welhe Völkern, die in tropishen Ebenen leben, selten eigen ist. : : Auch die Landesreligion, der Buddhismus, muß in Folge des Abscheues, den sie gen Blutvergießen einzuflößen be- Be ist, auf die Entwickelung friedlicher Eigenschaften hin- wirken. Bei kleiner Statur, dur{scnittlih 1,60 bis 1,65 w ho, sind die Siamesen, soweit niht das Haremleben in Bangkok jeine entnervende Wirkung geltend gemacht hat, meistens kräftig und muskulös gebaut. Sie sind außerordentlich ge- wandt und haben alle Anlage zu trefflihen Schüßen. Da- gegen ist es unendlih shwierig, sie an Disziplin und mili- tärishen Gehorsam zu gewöhnen, da diese Begriffe im {roff- sten Gegensaß zu ihren allgemeinen Lebensgewohnheiten stehen. Jhre Verpflegung im Felde ist leicht zu beschaffen; Reis, ge- trocknete Fische und Thee genügen. j Daß sie manchen erfolgreichen Feldzug geführt haben, dankten sie der Shwäche ihrer Gegner. Als die Siamesen mit Europäern in Berührung gekommen waren und Gelegenheit gehabt hatten, ihre überlegene Kriegs- kunst shägen zu lernen, suchten si€ europäische Fnstructeure für ihre Truppen zu gewinnen. Einige Könige gingen sogar weiter und unterhielten eine europäische Leibgarde. Leßteres wurde indessen bald aufgegelen, da unangenehme Verwicke- lungen die Folge waren. Früher {hon standen Portugiesen in größerer Zahl in siamesishem Solde, welche 1548 gegen die Paguaner fohten und Ajouthia vertheidigen halfen. Auch selbständige Kommandos im Felde sind gelegentlich Europäern übertragen worden. 1587 ward dem Portu- giesen Seixas als Führer einer bedeutenden Heeresabthei- lung im Norden des Landes die Aufgabe, rebellishe Berg- bewohner zur Ordnung zu bringen. Zur Zeit Königs Phra Marai war der ionische Abenteuerer Konstantin N de facto Kriegs-Minister, obschon er, um nicht die Eifersucht der Landeseingeborenen zu sehr aufzustacheln, niht den Namen eines solchen führte. Von ihm rührt der Bau des zu Bangkok na europäischen Prinzipien konstruirten Forts her, das noh heute unter dem Namen pom witschajen (Phya Witschajen war der siamesishe Titel des Erbauers) steht. : Nicht ohne Jnteresse sind die Mittheilungen verschiedener europäischer Schriftsteller über die militärishen Verhältnisse Siams. Der portugiesische Chronist Foas de Barros schreibt An- fangs des 16. Jahrhunderts, daß dazumal die siamesische Armee aus 20000 Mann Kavallerie und 250 000 Mann Jnfanterie, sowie 10000 Kriegselephanten beslanden, und daß diese Truppenmasse ohne Nachtheil für den Landbau ausgehoben werden konnte, Angaben, bei welchen sich jedenfalls die stärkste orientalishe Uebertrei- bung geltend gemaht. Anderenfalls müßte Siams Macht und Wohlstand ganz plöglih gesunken sein, ohne daß die Veranlassung nachgewiesen werden kann. : / La Loubère, Gesandter Ludwigs des Vierzehnten, einer der zuverlässigsten Autoren über dies Land, der die Aufzeich- nungen der französishen Missionare mit Geschick zu ver- werthen wußte, entwirft nämlih eine gar abweichende Schil- derung von der damaligen Bedeutung der siamesischen Heeres- macht. Er spriht von nur 800 Soldaten, die in und um Nopburi, der damaligen zweit:n Residenzstadt, und etwa 400 Mann, die in und um Bangkok stationirt waren. Diese Truppen bestanden nah seinen Angaben, welche zum aroßen Theil noh heute zutreffend sind, aus Leibeigenen. Dieselben hatten eine kurze Dienstzeit, nah deren Ablauf andere an ihre Stelle traten. Lohn erhielten sie niht, sondern wohnten bei ihren Angehörigen, denen zum Ersay für die dadur verursachten Ausgaben ein Nachlaß von Frohndiensten bewilligt wurde. Ein Franzose exerzierte je 80 Mann ein. Als er entlassen worden, trat ein englisher Sergeant an seine Stelle, welcher 800 Mann zu unterrichten hatte. Die Artiller?è bestand aus \{lechten Kanonen, welche ein Portugiese aus Macao hier ge- gossen. (1717 sah die spanische Gesandtschaft König Philipps des Vierten, wie in deren Berichten erwähnt wird, hier Bronzekanonen von 40 Pfund.) ; Üebexr die Schlahtordnung und Kampfesweise erwähnt La Loubère Folgendes. Für die Schlaht wurde das Heer in 3 Abtheilungen jede zu 3 Bataillons im Carré aufgestellt, in dessen Mitte der Heerführer, umgeben von den Kern- truppen, seinen Plaß einnahm. Ebenso suhten die Bataillons- hefs ihr Leben durch eine mögl chst centrale Stellung zu sic-ern. Die einzelnen Bataillone zerfielen wieder in neun Unterabtheilungen. Es scheint, daß diese Neuntheilung mehr aus abergläubischen Rücksichten als aus Zweckmäßigkeits- gründen eingehalten wurde. Jedem der 9 Bataillone wurden 16 männliche Elephanten beigegeben, welche die Feldzeichen trugen und von je 2 weiblichen Elephanten begleitet wurden. Leßteres geshah, um durch sanften weiblihen Einfluß die gestrengen Ehemänner gefügiger zu mahen. Jeder der Elephanten war von drei Soldaten beritten. Kanonen wurden auf Büffel- farren befördert. Lafetten waren unbekannt. Mit Geschüß- salven pflegte man das Gefecht zu eröffnen. Man hoffte, durch das Abfeuern derselben allein schon den Feind #0 in Schrecken zu seyen, daß er von jedem ferneren iderstand absah. Erst wenn wider Erwarten dicse Wirkung nicht I fand, kamen auch Büchsen und Bogen zur Verwendung. Be

Was die Civilsachen anbetrifft, so sind den vereinigten Sena-

*) Conf, „Reichs-Anzeiger“ Nr. 34.

den Kriegen mit den Nachbarstaaten war das Hauptaugenmerk