1880 / 59 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Mar 1880 18:00:01 GMT) scan diff

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Der Abg. Ackermann erklärte, er wolle nicht eine längere Rede über dieses Postulat halten, um sich_ nicht in den Ver- dacht zu bringen, als ob er pro domo spreche. Der Abg. Richter habe ja auch an sich die Verlegung des Bataillons von Meißen nach Dresden nicht angegriffen, er habe nur das Postulat für zu hoh gehalten und da, glaube er, sei er ver- pflichtet, auf Grund der genauen Kenntniß der lokalen Verhältnisse zu bestätigen, daß die Höhe des Postulats in der Hauptsache durh den großen Preis für das Bauland seine Erklärung finde. Aber das müsse er au pgeen ,„ daß, wenn einmal aus militärishen Rü- ichten die Kaserne in der Nähe einer Brücke an der bezoich- neten Stelle aufgebaut werden müsse, das Bauland um einen billigeren Preis niht zu haben sei. Man habe früher sich der Hoffnung hingegeben, mit 100 000 4/4 für das Areal auszu- kommen ; es lasse sich aber aus einer Menge von Beispielen darthun, daß, wenn jeßt 300 000 4 für das Areal gefordert würden, das Bauland immer noch R billiger bezahlt werde, als es in der dortigen Gegend bei Privaten bei ver- schiedenen Käufen, die man in der jüngsten Zeit vollzogen habe, bezahlt worden sei. Ob die Kaserne luxuriös im Plane angelegt sei, darüber könne er nicht urtheilen. Zu bestätigen habe er nur, daß, dafern aus militärishen Rücksichten die Er- richtung einer Kaserne in der Nähe der Elbbrücke nöthig sei, der Preis für das Bauland in der hier geforderten Höhe immer noch als ein billiger gelten müsse.

_Die Abgg. Frhr. von Minnigerode und Frhr. zu Francken- stein erklärten sih für die Bewilligung der Position entgegen dem Antrage Richter. Ersterer führte aus, daß in der Kom- mission die Gründe für Beibehaltung der Position ausführ- lih erörtert seien. Die ganze geforderte Summe ergebe si aus den Erläuterungen über die Zahl der Dienstwohnungen, auch die nicht unwesentlihen Kosten für die Terrains seien deutlich aus den Erläuterungen zu- ersehen und alle diese Momente hätten bereits die Beschlüsse der Budgetkommission bestimmt, Durch welche neue Gründe wolle man die Kom- mission jeßt veranlassen, ein vom ersten abweihendes Votum zu fassen? er bitte um Annahme der Regierungsvorlage.

Bei der Abstimmung über den Antrag Richter stellte sich heraus, daß nur 163 Mitglieder im Hause anwesend waren, das Haus also nicht beschlußfähig war. Hierauf vertagte sich das Haus um 31/, Uhr auf Donnerstag 11 Uhr.

Der Finanz-Minister hat beschlossen, in Uebereinstim- mung mit dem vor Kurzem für die Bureaubeamten der Re- O eingeführten Verfahren, die Bureaubeamten

er Provinzial-Steuerdirektionen und zwar jede Beamtenkategorie für sih fortan durch die ganze Monarchie nah dem Dienstalter im Gehalte aufrücken zu lassen. Diese Maßnahme wird auch auf die seit dem 1. Juli v. J. zur Er- ledigung gekommenen Stellen ausgcdehnt.

Schließen mehrere Gewerbetreibende einen Vertrag, dur welchen einem oder mehreren von ihnen die Beschrän - kung auferlegt wird, ihr Gewerbe in dem Absaßgebiete des Gegenkontrahenten während einer Reihe von Jahren nicht zu betreiben, so ist, nah einem Erkenntniß des Reichsgerichts, I. Hülfsjenats, vom 16. Dezember 1879, nur dann ein solcher Vertrag ungültig, wenn die in ihm ausgesprochene Beschrän- kung nah dem thatsächlihen Ermessen des Richters mit dem öffentlichen Jnteresse unvereinbar ist.

Fs für eine ihrem Betrage nah niht näher bezeich- nete Wechsel, Buth- oder sonstige persönlihe Forderung des Gläubigers eine Kautionshypothek bis zu einer bestimm- ten Höhe auf das Grundstück des Schuldners eingetragen, so hat, nach einem Erkenntniß des Reihsgerichts, V. Senats, vom 7. Januar 1880, der Gläubiger, wenn er aus der Kautionshypothek den Anspru auf Zahlung erhebt (beispiels- weise nah der Subhastation des Grundstückes im Kauf- gelderbelegungstermine) den Nachweis zu führen, daß und in welchem Betrage die versicherten Forderungen bestehen.

_— Zur Theilnahme an der Feier der Enthüllung des Luisen-Denkmals im Thiergarten ist von dem Küra \- sier-Regiment Königin (Pommerschen) Nr. 2 aus Pase- walk eine Deputation hier eingetroffen.

Der erste diesjährige militär - ärztlihe Ope- rations- resp. anatomische Kursus, zu welchem eine größere Anzahl Assistenzärzte der Armee und Marine kom- mandirt und hier eingetroffen sind, hat mit dem gestrigen Tage begonnen.

Stettin, 8. März. Der fünfte Provinzial-Land- tag der Provinz Pommern wurde heute durh den Ober-Präsidenten Frhrn. von Münchhausen mit folgender Rede eröffnet :

Meine hoczuverehrende Herren!

So sehr ich mi freue, Sie hier wieder begrüßen zn können,

o s{merzlich vermisse ih drei Mitglieder, welhe durch den Tod aus

hrer Mitte geschieden sind und deren Verlust Sie sicherlich, glei mir, agel E °

Wenn auch die Königlihe Staatsregierung Ihrer speziellen Mitwirkung dieémal nur in beshräukterem Maße, bebufs der Wahlen zu den Bezirkskommissionen, bedarf, so macht doch der bestehende cinjährige Etat und der nahe bevorstehende Beginn des künftigen Recbnungtjahres Ihre jcßige Einberufung nothwendig. Vorwiegend werden daher die Berathungen des Etats sowie der sonstigen Rehnungssachen Ihre Zeit in Anspruch nehmen.

Seitens der Staatsregierung wird Ihnen eine Resolution des HenA der Abgeordneten, betreffend die geseßlihe Regelung der Erb- olge in den Bauerhöfen, zur Kenntnißnahme, sowie mit dem An- heimstellen vorgelegt werden, sich darüber zu äußern,

ob und event., in welher Weise in unserer Provinz ein Bedürfniß L anderweitigen Regelung dieser Angelegenheit hervorge- reten ift.

Ihrer besonderen Prüfung und Erwägung habe ich ferner die Frage unterbreiten zu sollen gemeint,

ob die Errichtnng einer Landeskultur-Rentenbank Seitens der Pro- vinz in Aussicht zu nehmen ist.

Eines weiteren Eingehens auf die Wichtigkeit dieser Einrich- tun;:en enthalte ih mich hier, zumal dieselben vorwiegend Fhre eigenen Interessen, welche Sie selbst ja am richtigsten erkennen wer- den, berühren.

Dem schon seit längerer Zeit fühlbar gewordenen Bedürfnisse nahkommend, habe ih unter Zustimmung des Provinzialrathes ei e Polizeiverordnung, betreffend die Körung der Privathengste, aufge- stellt. Zur Durhführung derselben is Jhre Mitwirkung insofern erforderlich, - als der durch die Körgebühren nit gedeckte Betrag der Kosten der Körung aus Provinzialmitteln gedeckt werden soll.

Außer mehreren weniger erheblichen Angelegenheiten werden Ihnen Seitens des Provinzialauéshusses noch einige wihtige Vorlaägèn zugehen, welche theils' die anderweitige Regelung

ves Taubstummenwesens bezw. die Sicherung“ des der Provinz nach

theils die Unterstüßung des Bau-8 von Eisenbahnen minderer Ord- nung betreffen. Jn letzterer Beziehung erwähne ih den von der Staatsregierung geeigneten Falls in Aussicht genommenen Bau einer Eisenbahn von Zollbrück nach Bütow, sowie von Stralsund über Damagarten nach Rostock, für welchen Ihnen die Bewilligung von Unterstüßungen aus Provinzialsonds vorges{lagen wird, Behufs Bereitstellung der hierzu, sowie zu den, für den Bau anderer Sekundärbahnen von Ihnen bereits früher zugesiherten Sub- ventionen erforderlihen Mittel, werden die Seitens des Provinzial- Aus\c{ufses gemachten Vorschläge Ihrer Genehmigung bedürfen. In der berehtigten Hoffnung, daß auh Ihre kbkevorstehenden Berathungen und Arbeiten einen zum Besten der Provinz dienenden aünstigen Abschluß finden werden, erkläre ih hiermit im Namen Sr. Majestät des Kaisers und Königs den fünften Provinzial-Landtag der Provinz Pommern für eröffnet. Unter dem Vorsiße des Alters - Präsidenten Justiz- Raths Hillmar-Cöslin brachte die Versammlung zunächst ein begeistertes dreimaliges Hoh auf Se. Majestät den Kaiser und König aus. Sodann wurde mittelst Acclamation der Abgeordnete von Köller-Cantreck zum Vorsißenden und der Abgeordnete Haken aus Stettin zum Stellvertreter desselben gewählt. Zu Schriftsührern wählte man ebenfalls mittelst Acclamation die Herren Pförtner-Dramburg, von Bismarck-Kniephof, Graf von Baudissin-Schivelbein und Bock- Greifenberg. Nachdem die Versammlung hierauf das An- denken der verstorbenen Mitglieder, Rentier Krüger zu Crien, Landrath von Puttkamer zu Versin und Landschafts-Direktor von Hagen - Premslaff dur Aufstehen geehrt hatte, erfolgte die Ausloosung der nah der Geschäftsordnung zu bildenden Abtheilungen. An die Mittheilung des Vorsißenden über die einge- gangenen Vorlagen {loß sich alsbald die Beschlußfassung über die geschäftlihe Behandlung der einzelnen Angelegen- heiten und wurde hierauf die Sißung geschlossen. Nächste Sißung: Mittwoch, den 10 März.

__ Vayern. München, 8. März. (W. T. B.) Se, Kaiser-

lihe und Königliche Hoheit der Kronprinz traf heute Abend 61/2 Uhr hier ein und seßte um 7 Uhr diz Weiterreise nah Berlin fort. Am Bahnhofe waren der preußische Gesandte Graf von Werthern und der General von der Tann zur Begrüßung anwesend.

Sachsen. Dresden, 8, März. (Dr. J.) Die Erste Kammer erklärte sih heute mit dem von der Re- gierung über die Erwerbsverhältnisse im Lande und über die wegen derselben vorzukehrenden Maßregeln angestellten Er- örterungen für befriedigt, nahdem der Staats-Minister von Nostiß-Wallwiß hierbei Gelegenheit genommen hatte, den in der jenseitigen Kammer gegen die Regierung und insbesondere gegen den Amtshauptmann zu Glauchau erhobenen Vorwurf der Schönfärberei bezüglich des erstatteten Berichts und den Vorwurf, daß die Regierung zur Linderung der dort Sara ungünstigen Erwerbsverhältnisse niht das Mög- ihe gethan habe, zurüdzuweiscn. Durch einen weiteren, zu den Petitionen von Hauswebern aus dem Mülsengrunde gefaßten Beschlusse wurde der Regierung die Ermächtigung ertheilt, dafern bei längerer Fort- dauer bedrängter Erwerbsverhältnisse an irgend einem Orte des Landes nach Erschöpfung der disponiblen Mittel der betreffenden Gemeinden und Bezirke das unmittelbar helfende Eintreten des Staates si& nöthig Kachen sollte, die ‘rforder- P Unterstüßüngen aus Staatsmitteln zu gewähren. So- ann genehmigte die Kauimer in durchgängiger Uebereinstim- mung mit den Beschlüssen der Zweiten Kammer die veränderte Einstellung einiger Titel der Kap. 19 und 16 c. des Etats der Ueberschüsse, sowie Kap. 19 des Etats der Zuschüsse, ferner die, dur die Beschlüsse beider Kammern veränderte Einstel- lung der Einnahmen und Ausgaben des Staates im Ordi- narium mit 63 759 587, im Extraordinarium mit 1 091 200 M und dementsprehend das Finanzgesey. Sqließlich ertheilte die Kammer der Königlichen Staatsregierung betreffs der ab- gelegten Rechenschaft über den Staatshaushalt innerhalb der Finanzperiode 1876/77 Decharge unter Beitritt zu den hier- auf bezüglichen Beschlüssen der Zweiten Kammer. Die Zweite Kammer trat nah kurzer Debatte dem von der Ersten Kammer angenommenen Antrage des Präsi- denten von Zehmen, den Wucher betreffend, bei, beharrte be- züglih mehrerer Petitionen und der Dekrete, die fortgeseßten Erörterungen über das Bedürfniß eines Waldschußgeseßes und die Benußung des Kamméerguts Kalkreuth zur Anlage einer eFohlenauszuhtanstalt N bei ihren früheren Beschlüssen, soweit dieselben von den Beschlüssen der Ersten Kammer ab- wichen, und überwies s{ließlich, dem Beschlusse der Ersten Kammer entsprechend, den Antrag des Herrn von Schönberg (Borniß), die Vergütung des Reiseaufwands der juristischen und ökonomischen Spezialkommissare bei agrarishen Ausein- anderseßungen betreffend, der Staatsregierung zur Erwägung.

Oesterreich-Ungarn. Der Telegraph hat die Kunde verbreitet von einem freudigen Ereigniß, welhes das Oester- reihisch:Ungarische Kaiserhaus und die belgische Königsfamilie gemeinsam betrifft, von der Verlobung Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen von Oesterrei h- Ungarn mit Fhrer Königlihen Hoheit der Prinzessin Stephanie von Bel gien.

Es liegen darüber folgende Telegramme des „W. T. B.“ vor :

Wien, 7. März. Wie das „Telegraphen-Correspondenz- Bureau“ vernimmt, hat sich der Kronprinz Rudolf mit der Prinzessin Stephanie von Belgien, der zweiten Tochter des Königs I En) ild hies vi

___— 8. März. Sämmtliche hiesige Blätter sprechen si übex die Verlobung des Kronprinzen Rudolf mit der O zessin Stephanie von Belgien auf das Freudigste aus und heben hervor, daß die Völker Oesterreih-Üngarns in den politischen, wie echt menshlihen Tugenden, welche die belgische Königsfamilie auszeihnen, eine vielversprehende Bürgschaft für die glücklihe Gestaltung der Zukunft des Vatetlankes erblicken dürfen.

Jm liberalen Klub zu Pest wurde die durch den Minister-Präsidenten Tiscza erfolgte Mittheilung der Verlobung mit enthusiastischen Eljens aufgenommen.

Aus Brüssel, ontag, 8, März, berichtet „W. T. B.“ : Das „Journal de Bruxelles“ meldet, daß die Verlobung Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Stephanie mit Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Kronprinzen Rudolf von Oesterreich gestern beim Familiendejeuner im Schlosse zu Laeken proklamirt worden sei,

__ Wien, 8. März, Das Herrenhaus wird morgen eine außerordentlihe Sizung abhalten, in welher wegen

den von ihr zu tragenden Opfern gebührenden Einflusses bezwecken,

Verlobung des Kronprinzen berathen werden soll; die Ob- männer der Klubs des Unterhauses werden morgen vor der Plenarsißzung einen ähnlihen Schritt vereinbaren. Der Bürgermeister wird morgen dem Gemeinderath von der freudig erregten Stimmung der Bevölkerung Kunde geben und die Entsendung “einer Deputation beantragen, welche den Kaiser anläßlich der Verlobung des Kronprinzen beglück- wünschen soll. i

An anderen Nachrichten sind heute durch „W. T. B.“ eingegangen:

Wien, 8. März. Nach einer Meldung der „Polit. Korresp.“ aus Phil ippopel hat der bulgarische Metropolit die Nachricht von einem angeblichen Hirtenbriefe, in dem die Bulgaren auf- gefordert worden seien, ihre Beziehungen zu den Griechen ab- zubrechen, für unbegründet erklärt.

9, März. Nach einer Meldung der „Presse“ ist dem Finanz-Minister zur Deckung des Desizits von einer Banquiersgruppe die Emission einer amortisirbaren Rente nach Art [der französishen vorgeschlagen worden. Demselben Blatte zufolge soll auf die Tagesordnung . der am 14. Mai stattfindenden Generalversammlung der Karl- Ludwigsbahn auch ein Antrag des Verwaltungsrathes betreffs der Vizinalbahn Tarnopol-Hussiatyn geseßt werden.

Pest, 8. März. Das Unterhaus nahm die Geseß- entwürfe über die Bedeckung der Anlehenstilgungsannuitäten, fowie über die Tilgung der Weinzehentshulden und der Grundentlastungsobligationen an.

Großbritannien und Jrland. London, 9. März. (W. T. B.) Earl Beaconsfield hat in einem vom 8. d. M. datirten, an den Vizekönig von Jrland gerichteten Schreiben dem Letteren die bevorstehende Auflösung des Parlaments mitgetheilt. Lord Beaconsfield erinnert in diesem Schreiben an alle die Wohlthaten, welche die der- malige Regierung Jrland erwiesen habe, spricht sih auf das Entschiedenste gegen die „Klux“ aus, welche das konstitutionelle Band zerreißen möchten, das Jrland mit England verbinde, und betont die Nothwendigkeit, die Solidarität Englands und seiner weiten Gebiete zu befestigen. Bezüglih der dem- nächst bevorstehenden Neuwahlen sagt der Premier : die Macht Englands und der Frieden Europas würden in vielen Stücken abhängen von dem Urtheile, welches das Land dur die Wahlen ausspreche. Die gegenwärtige Regierung habe den für alle Länder, insbesondere aber für England so nothwen- digen Frieden sihern können, mit dem Prinzipe der Nicht- intervention sei aber die Aufrehterhaltung des Friedens nicht möglih. Der Frieden hänge ab von der Mitwirkung, um nit zu sagen von der Zunahme des Einflusses Englands in dem Rathe Europas. Er hoffe, das Land werde ein Parla- ment wählen, das entschlossen sei, die Macht Englands auf- ret zu erhalten.

Ruch in der gestrigen Sißung des Oberhauses erklärte der Premier Lord Beaconsfield: sobald der Schatkanzler Northcote das Budget eingebracht habe und andere nothwen- dige Arrangements getroffen seien, werde die Auflösung des Parlaments erfolgen. Fm weiteren Verlaufe der Sißung wurde die irishe Nothstandsbill in dritter Lesung ange- nommen.

daß die Regierung beschlossen habe, das Parlament zu Ostern aufzulösen ; das neue Parlament solle Anfang Nai zusammen- treten. Die Regierung wird am nächsten Donnerstag das Budget einbringen. Jm Fortgange der Sißung wurde von dem ersten Lord der Admiralität, Smith, das in seinen Ziffern bereits bekannte Marinebudget eingebraht und näher begründet. Hierbei wurde von Smith hervorgehoben, daß mit den 43-Tons-Hinterladergeshüßen demnächst Probever- suche angestellt werden sollten. Ferner sei der Bau von 3 neuen Panzerschiffen beabsichtigt, deren eines mit einer Bar- bettenvorrihtung und mit Thürmen - versehen werden solle; ebenso sollten 3 ungepanzerte Keuzer hergestellt werden, deren Geschwindigkeit 16 Knoten in der Stunde betrage. Jedes Kriegsschiff erster Klasse solle künftig ein Torpedoboot er- halten. Das Budget sei ein Friedensbudget, man hoffe indeß, daß die Flotte allen Eventualitäten gewachsen sein werde.

Frankreih. Paris, 8. März. (W. T. B.) Bei

der Fortseßung der Berathung des Artikels 7 des Geseßt- entwurfs über den höheren Unterricht in der heuti- gen Senatssiß ung erklärte Jules Simon: wenn man die Stellung der Kongregationen in Frankreih fixiren wollte, so müßte man dies direkt thun und nicht eine Entscheidung über dieselbe treffen anläßlih der Fragen über den Unterricht, Fragen, welche die Gewissensfreiheit mehrerer Millionen Franzosen berührten. Der Redner führte weiter aus, diese isfussion, welhe unkluger Weise über den Artikel 7, den Niemand erwartet habe, hervorgerufen worden sei, habe alle Welt in Erstaunen geseßt. Die freisinnigen Mit- glieder der republikanischen Partei müßten diesem Artikel ein „non possumus“ entgegenstellen. Jules Simon suchte so- dann nachzuweisen, daß das vorgelegte Geseh unnüß und un- politis sei, und seßte auseinander, auf welche Weise ih der Staat gegen den von Mitgliedern der Kongregationen er- theilten Unterricht vertheidigen müsse. Der Redner erinnerte hierbei an die Antwort Heinrihs IV. an die Mitglieder der Universitäten, welche sh über den Erfolg der Jesuiten be- klagten: „machet die Schulen besser als sie, und die Schüler werden zu euch zurückehren.“ Fules Simon {loß mit der Erklärung, man müsse die katholische Kirhe durh die Freiheit bekämpfen. Die Rede Jules Simons wurde von Seiten der Rechten und des Centrums sehr beifällig aufgenommen. Nach einer weiteren Rede Ronjats (Republikaner), welcher zu Gunsten des Artikels 7 sprach, wurde die Weiterberathung auf morgen vertagt. __— (Fr. C.) Die auf dem Transportschiff „Loire“ heimgeführten Amnestirten sind gestern Nacht in zwei Zügen, um 31/2 und um 5 Uhr, auf dem Montparnasse-Bahnhofe eingetroffen, wo eine nah Tausenden zählende Menge die ganze Nacht hindur ihrer geharrt hatte. An der Spiße der zu a Begrüßung erschienenen Comités bemerkte man die Abgg. Louis Blanc, Clémenceau und Cantagrel und die Gemeinde- räthe Engelhardt, Roche, Lafont u. A. Die Menge empfing die Heimkehrenden mit den Rufen: Es lebe die Amnestie! Es lebe die Republik! Es lebe Frankreich! und geleitete sie nah dem nächsten Restaurant im Hotel de la Marine, wo sie auf Veranstalten der Comités ein reihlihes Mahl und 10 Fr. per Kopf erhielten.

__ Italien. Rom, 8. März. (W. T. B.) Die Depu- tirtenkammer beschloß heute, den Antrag Morelli's, be-

Entsendung einer Beglückwünschungsdeputation anläßlih der

treffend die Ehescheidung, in Erwägung zu ziehen. Der Justiz-

Jin Unterhause erklärte der Schaßkanzler Northcote, -

Minister hatte die Erklärung abgegeben, daß das Ministerium den Morelli’shen Antrag im Prinzip acceptire, sich aber einige Aenderungen desselben vorbehalten müsse. Vom Handels- Minister wurde eine Vorlage, betreffend die Theilnahme

taliens an der Berliner Fischereiausstellung, eingebracht. Hu eine Anfrage Nicotera’s bezüglih des Unfalles auf dem „Duilio“ erklärte der Marine-Minister: der tehnishe Grund des Zerspringens der Kanone sei noch nicht aufgeklärt, Do sei zur Feststellung desselben eine Enquete eingeleitet worden. Die Beschädigungen des Schiffes selbst seien nur geringfügig, und habe dasselbe bereits gestern seine Schießübungen fort- seßen können. Der Zustand der bei dem Unfall verwundeten Offiziere und Mannschaften sei befriedigend.

Rumänien. Bukarest, 8. März. (W. T. B.) Cam- pineano ist nunmehr definitiv an Stelle Sturdza's zum Finanz-Minister ernannt worden.

Nus6ßland und Polen. St. Petersburg, 9. März. (W. T. B.) Die „Agence Russe“ bezeihnet die Entschei- dung der französischen Regierung in der Angelegenheit des russischen Unterthanen Hartmann als eine bedauerliche und ernsthafte (grave), behält sih indeß eine weitere Würdigung bis dahin vor, wo nähere Details darüber vorliegen würden.

Amerika. Washington, 8. März. (W. T. M Hr. de Lesseps hatte am leßten Sonnabend eine Unterredung mit dem Präsidenten Hayes, in welcher er dem Leßteren erklärte, daß niht daran gedacht werde, den Panamakanal unter die Kontrole des Auslandes zu stellen, und daß die Interessen der Vereinigten Staaten durch den Kanal in feiner Weise beeinträchtigt werden würden. Der Präsident

ayes erwiderte: er freue sih zu erfahren, daß das von

R, “vei Unternehmen nit politishen Zwecken dienen solle. A

(W. T. B.) Eine Botschaft des Präsidenten

Poyes an den Senat erklärt: die Politik der Vereinigten

taaten bezüglih des Panama-Kanals bestehe in der Ausübung der Kontrole über den Kanal durch die nord- amerikanische Union. Die Vereinigten Staaten könnten diese e N M Mein Macht oder einer Kombination europäisher Mächte überlassen. . :

San Francisco, 7. März. (W. T. B.) Die Regie-

rung hat in Folge der Agitation gegen die chinesischen Arbeiter Truppen hierher gesendet. Die Waffendepots werden bewacht.

Nr. 10 des „Justiz-Ministerial-Blatts" hat folgenden íFnhalt: Allgemeine Verfügung vom 20. Februar 1880, betreffend die Entschädigung der Gerichtsvollzieher für die Vermittelung von Ge- rictskostenHebungen. Allgemeine Berfügung vom 28. Februar 1880, betreffend eine Modifikation der Vorschriften über die Fonds- verwaltung bei den Justizbehörden vom 28. September 1879. Allgemeine Verfügung vom 28. Februar 1880, betreffeid Klagen gegen aftive Offiziere und Anträge auf Leistung des Dffenbarungs- eides. Mittheilung, die große Staatsprüfung betreffend, vom 26. Februar 1880.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das Januarheft 1880 der Monatshefte zur Sta- t istik des Deutschen Reichs enthält: 1) Mittheilungen über die im Laufe des Jahres 1879 ergangenen Anordnungen des Bundesraths, betreffend die gemeinsame Statistik der deutshen Staaten, unter denen namentlich die Neuordnung der Handelsstatistik von Bedeutung ist, sowie über die vorbereitenden Verhandlungen, welche bezüglich der Einrichtung der nächsten Bort e antias unter den amtlichen deutschen Statistikern stattgefunden haben. 2) Uebersichten über die Che- \{ließungen, Geburten und Sterbefälle im Jahre 1878. 3) Nach- weise der Waaren-Cin- und Ausfuhr im Monat Januar, die ersten, welche auf Grund des Gesetzes über die Waarenstatistik vom 20. Juli 1879 aufgestellt worden sind. 4) Die üblichen, gegen früher etwas erweiterten Tabellen übér die monatlihen Durchschnittspreise wichti- ger Waaren an einer Anzahl von deutschen Großhandelspläßen. 5) Eine Uebersicht über die im Januar versteuerten Cs und über die Zucker-Ein- und Ausfuhr. 6) Nachweise neuer statisti- er Literatur. S d Das Lehrbuch des preußischen Privatrechts und derPrivatrechtsnormen des Reichs von Dr. Heinrich Dern- burg, Geh. Justiz-Rath, Professor an der Universität Berlin, Mitglied des Herrenhauses, liegt mit dem soeben erschienenen 3. Bande vollendet vor (Halle a.S., Buchhandlung des Waiseuhauses). Mit dem Per- sonen- und Familienrecht (Eherecht, Verwandtschaftsrect, Erbrecht) {ließt der Verfasser sein System des preußischen Rechts, welhes „in der praktishen Anwendung auf einem beträcht- lichen Gebiet während eines faft hundertjährigen Zeitraums weiter entwidelt, ein mächtiges Mittelglied der deutschen Rechtsentwicklung geworden ist und naturgemäß das wesentliche Fundament des dereinsti- gen deutschen Privatrechts bildet.“ Die Bedeutung des preußischen Privatrechts nah dieser Richtung hin bestimmter zum Beroußtsein u bringen, hat \ich der Verfasser bei diesem Werke zur Aufgabe ge- stellt, und er p diese Aufgabe durch seine eingehende wie lichtvolle Darstellung gelöst. / ; E Von den Württembergishen Jahrbüchern für Statistik und Landeskunde, herausgegeben von dem Königlichen ftatistis%-topographischen Bureau (Stuttgart, W Kohlhammer), ist die 2, Hälfte des 1. und II. Bandes Jahrgang 1879 ersienen. Das erstbezeichnete Heft enthält die Uebersicht über die Verwaltung der Rechtspflege 1878, die Statistik des Unterrichts- und Erziehungs- wesens 1877—78, den Medizinalbericht für 1876 und die Uebersicht über. die württembergische Literatur 1878. Das 2. Heft des 11, Bandes nehmen die württembergishen Vierteljahrshefte für Landesgeschichte ein. In denselben findet sich zunächst ein chronologi\{es und ein alphabetishes Verzeichniß derjenigen Württemberger (nahezu 2000 an der Zahl), welche in den Jahren 1612 bis 1793 die Uni- versität Straßburg besucht haben. Es folgt eine Abhandlung „zur Gründung d.s s&#wäbischen Bundes“, welche nachweist, daß Graf Hugo von Werdenberg als Kaiserlicher Rath den Gedanken des Bun- des in Kaiser Friedrih IV. angeregt, nachher aber gewußt habe, dem Bunde eine Richtung zu geben, welhe den JIn- teressen seines Hauses und Standes ganz besonders entsprach. Nah den Mittheilungen der Anstalten für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde, welhe ges{chäftlichen Inhalts sind, berichtet der Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Obershwaben über den römischen bei Mengen (R Altarstein, welcher dem Danuvius von Overanus geweiht is. Ferner über den alten Fluß- und Gaunamen Nibel (von Nebel), über die Entstehung des Ortsnamens Pflummern, über eine Chronik der Reichsabtei Heggbach. Aus der Alterthumssammlung zu Wolfegg wird die Be- {reibung der Kupferstiche und Holzschnitte Albrecht Dürers fort- eseut. Weiter folgen interessante Mittheilungen zur Geschichte des Vaveeiiben Hiesel (Mathias Klostermayr, 1771 durch Fürstbischö lich „augsburgishes Militär verhaftet, am 6. September 1771 zu Dillin-

des vorigen Jahrhunderts. Der württembergishe Alterthums- verein in Stuttgart berichtet über die im Auguft 1878 in der dor- tigen Hospitalkirhe aufgefundenen Grabsteine aus dem 16. und 17. Jahrhundert; der historische Verein für das württembergische Franken über die leßten Schlachten des dreißigjährigen Krieges auf württembergishen Boden und in dessen nächster Nähe, 2) die Schlacht bei Allerheim 3. August 1645, über die Staufischen Reichskämmerer von Lindach (Weinsberg), Siebeneih und Geislingen und ihre Wohn- ste (Schluß). Aus dem mittelalterlihen Badleben: 1) Badreise der Frau Anna von Weinsberg in das Wildbad 1436, 2) Badordnung für das Bad Mainhardt. Zur Topographie von Württembergish Franken, ein Minnelied, über die kirliche Eintheilung des würt- tembergischen Franken 1453, über die Propsteikirhe zu Rappah, über den Kunstschreiber Thomas Schweicker aus Schwäbish-Hall und einen in Weinsberg gefundenen Steintorso eines Ritters. / Der bedeutendste vielseitigste Lyriker des deutschen Mittel- alters, der erste patriotish-politishe Dichter in unserer Literatur, Walther von der Vogelweide, hat auch in leßter Zeit wieder nach verschiedenen Richtungen hin wissenschaftlihe und literarische Be- achtung gefunden. Eine fleißige und anziehende Studie lieferte Paul Wigand: „Der Stil Walthers von der Vogel- weide“ (Marburg, Elwert. 1879). Auch eine französische Monographie, die recht werthvoll ift, haben wir zu verzeichnen: „Un Trouvère Allemand, Etude gur Walther von der Vogelweide par A. Lang e, Professeur au Collège Rollin. (Paris, Sandoz et Fischbacher 1879.) In der Cotta’ sen Sammlung von Schulautgaben deutscher Klassiker erschienen: „Ausgewählte Gedichte Walthers von der Vogelweide und seiner Schüler,“ mit Einleitung, Anmerkungen und Wörterbuch von Reinhold Bechstein (Stuttgart, Cotta, 1879). Sehr willkommen ist auch eine encyklopädische Arbeit über den Dichter von Willibald Leo: „Die gesammte Literatur Walthers von der Vogelweide, eine kritish-vergleichende Studie zur Geschichte der Walther-Forschung (Wien, Gottlieb, 1880.) e Das Märzheft der „Deutschen Rundschau“ (heraus- gegeben von Julius Rodenberg, Verlag von Gebrüder Paetel, Berlia) bringt den ersten Theil ciner Erzählung von Marie von Ebner-Eschenbach: „Lotti, die Uhrmacherin“, einen Essay von G, Brandes über Prosper Mérimée, den Schluß der autobiographischen Blätter aus dem Leben eines preußishen Generals (bis zur Thronbesteigung König Friedrih Wilhelm I1V.), ferner den Schluß der Beiträge zur Geshihte des leßten polnischen Aufstands, auf deren Interesse die Zeitungen bereits aufmerksam gemacht haben. Ludwig St.ub s{childert türkische Kulturzustände 1879, Karl Hillebrand den Charakter und die Thätig- keit des Fürsten Metternih nah dessen hinterlassenen Papieren und Ed. Hanslick die Opern- und Concertsaison in Wien. Unter „Lite- ratur“ werden die neuesten Romane von B. Auerbach (Der Forst- meister), Georg Ebers (Die Schwestern), R. Frenzel (Frau Venus), kunstgeschichtlihe u, a. Werke besprochen. / : ; Indien in Wort und Bild von Emil Schlagintweit. Mit 400 Illustrationen. 4. Lieferung. Leipzig, Verlag von Schmidt & Günther. 14 A4 Die 4. Lieferung dieses Prachtwerkes ist erschienen und enthält den Schluß des interessanten Kapitels über die indishen" Völker und Kasten, ges{mückt und erläutert dur charalkteristische Abbildungen der Radschputs, der Brahmanen, der Bengali, der Sindh, der Dschat und der Vertreter anderer Stämme. Sodann beginnt der Verfasser die Schilderung der Geschichte der Sahrtausende alten Felsentempel in Elephanta, in Kanheri, in Karli u. \. w. Diese uralten Tempelbauten sind nicht gebaut, son’ dern in den Felsen gemeißelt, die beigegeb:nen Abbildungen, wie die Löôwengrotte in Elephanta, der Haupttempel in Kanheri und andere, geben von der Leistungsfähigkeit dieser alten Völker, welche mit so wenigen Mitteln so großartige Bauten ausführten, einen hohen Be- griff. Die neue Lieferung ist wohl geeignet, das Interesse an dem Werke zu steigern.

Gewerbe und Handel.

Fn der ordentlichen Generalversammlung der Swlesischen Boden-Credit-Actien-Bank vom 8. März cr. wurde die von der Direktion vorgelegte Bilanz genehmigt, die Dividende auf 7/6 für das Jahr 1879 festgestellt und der Verwaltunz Decharge ertheilt.

Der Einlösungscours für die hier zahlbaren “Silber- Coupons Oesterreihisher Eisenbahn - Prioritäten ift auf 171 4 50 S für 100 Zl. österr. Silber herabgeseßt worden

Verkehrs-Anstalten.

Plymouth, 8. März. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Gellert ist hier eingetroffen. New-York, 8. März. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Silesia“ und der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Rhein“ sind hier eingetroffen.

Berlin, 9. März 1880.

In Gegenwart Sr. Majestät des Kaisers und JFhrer Majestät der Kaiserin trat am Montag Abend auf Veran- laffung des Centralaus\{husses für die innere Mission der deutsch- cvangelischen Kirche eine große Zahl hochangeschener Männer in der Aula des Wilhelme-Gymnasiums zusammen, um die Bildung eines lokalen Hülfsvereins der inneren “Mission behufs Bekämpfung des sozialen und kirhlichen Noth standes unserer Stadt anzubahnen. Nachdem die Allerhöchsten Herr- haften von den Mitgliedern des Centralaus\{hufses empfärgen und an Ihre Pläve geleitet worden, ergriff der Hof- und Domprediger Dr. Baur das Wort zu einem einleitenden Vortrage, in dem er in kurzen Zügen die Entstehung der inneren Mission \cilderte. Alsdann berichtete der Prediger Oldenberg über die Thätigkeit des Centralaus- \chufses. Seine Hauptbestrebung set es zunächst gewesen, den Haus- gottesdiensst und den Sonntag | wieder zu Chren zu bringen. Näcbstdem habe der Centralaus\huß der Kindererziehung sein Augen- merk zugewandt. Sein „Rauhes Haus“ sei Vorbild geworden für Hunderte ähnlicher Anstalten. Lange habe der Staat diese beschei- dene stille Wirksamkeit übersehen, bus in die neue Zeit hinein, wo das Gese über die Zwapgterziehung und die Sorge um eine Unter- kunft für die verwilderte und entsittlihte Jugend auf einmal habe erkennen lassen, wie die innere Mission die Aufgaben der Schule und des Staats vorbereitet habe. Der Centralaus\{chuß sei es gewesen, der die Schäden der Vormundschafts8ordnung erkannt habe, und dessen Bitten niht unwesentlih bei Erlaß der neuen Ordnung eingewirkt hätten. Aber was hülfen Geseße, wenn es an christlihen Vormündern fehle; daher sei es der lebhafte Wunsch des Ausschusses, daß die kirhlihen Organe warm interessirt würden für das Vormundschaftswesen. Der Ober-Kirchenrath habe den Wunsch freundlichst berücksichtigt und dur alle Provinzen die Weisung erlassen, soweit das Geseß es zulasse, dieser Anregung nachzukommen. Redner mußte darauf verzichten, auf ein- zelne Gebiete der Wirksamkeit einzugehen, und gedachte zum Schluß nur noch der Kriegsjahre 1864, 1866, 1870/71, in denen die innere Mission Hunderte von Felddiakonen dem Vaterlande zur Verfügung gestellt habe. Der Geheime Regierungs-Rath Vosse entwickelte als- dann die Aufgaben und Ziele des zu gründenden Lokal- vereins, der für die Thätigkeit des Centralaus\schusses lokalen Boden \chafen, dem Ausshuß mit Rath und That zur Hand gehen und ihm Anregung geben solle, Eine finanzielle Unterstüßung der Aufgaben der innern Mission soll, wie der Redner ausdrücklih betonte, mit dem Hülfsverein in erster Reihe nicht verknüpft sein. Der Ober-Konsistorial-Rath Professor Dr. Weiß {loß gegen 9 Uhr

erklärung zum Lokalverein, dessen Drgaetiitien und Leitung der Ober- Tribunals-Präsident a. D. Wirkl. Geh. Ober-Justiz-Rath Dr. Wenygel übernommen, fanden zahlreihe Unterschriften.

Von dem Néuen Archiv der Gesellschaft für ältere

deutsche Geshichtskunde zur Beförderung einer Gesammtaus-

abe der Quellenschriften deutscher Geschichten des Mittelalters ist

fürzlich das 2. Heft V. Bandes ausgegeben worden (Hannover,

Hahnsche Buchhandlung). In demselben berichtet zunächst K. Gillert

über lateinishe Handschriften in St. Petersburg, wo namentlich der

Corbeienser Codex der Gregorbriefe, nah dem lange vergeblih ge-

forst wurde, in der Kaiserlichen Bibliothek neuerdings ermittelt

worden ist. Ueber die Kaiserurkunden des Bisthums Utrecht referirt

Karl Foltz, über die Papstbriefe dir britishen Sammlung P. Ewald,

Die leßtgenannte Briefsammlung mit hunderten von unedirten päpst-

lichen Schreiben , die im Wesentlichen dem 6., 9. und 11. Jahr-

hundert angehören, wurde von Mr. Edm. Bishop in London

mit dankenswerther Opferwilligkeit für die Monumenta germaniae

abgeschrieben und nach Berlin gesandt. Sie giebt, wenn sie auch

Ffeineswegs mit sogenanntem historishem Zweck angelegt wurde, „un-

willkürlich eine reihe historishe Ausbeute, wie für Personen und

Ereignisse, so für die Chronologie der Inedita und auch vieler be-

kannter aber sonst undatirbarer Briefe.“ Unbedingt hält der Res

ferent es für geboten, diesen kostenbaren Schaß später durch eine vollständige Publikation weiter wissenshaftlih verwerthbar zu üawen. Dann folgt ein Beitrag zur Frage nah den Quellen der Historia Langobardorum von G. Waiß. Derselbe wendet sih gegen die von

Mommsen im vorigen Heft ausgesprochenen Ansichten. Im Allge-

meinen liegt die Verschiedenheit der Meinungen Beider darin, daß Wait glaubt, eine Anzahl Schriftstücke, wie sie uns erhalten sind, als dem Paulus bekannt und von ihm mehr oder minder getreu aus- geschrieben nachgewiesen zu haben, während Mommsen statt dessen ver- lorene, oder do in anderer Gestalt dem Paulus bekannte Werke als Quelle annehmen zu müssen, in einem Fall, wo Waiß eine Vorlage des Paulus sieht, vielmehr eine Ableitung ein Excerpt von ihm vor sih zu haben meint. Dies betrifft ein Verzeichniß der Provinzen

Italiens, das in einer Madrider Handschrift enthalten und aus ihr als Beilage zum Paulus gedruckt ist. Waiy hält es für unzweifel- haft, daß Paulus sowohl das Madrider Verzeichniß wie das von Mommsen als seine Quelle angesehene kürzere, nach einer Handschrift als das Speierer bezeichnete, benußt hat. Im Uebrigen handele cs sich um Vermuthungen, die si vielleicht nicht vollständig widerlegen, aber nah dem Erachten des Verfassers norh weniger fest begründen ließen. Besonders sehe er, was die römischen Nachrichten betreffe, keinen Grund, den Beda oder den Liber nontifi- calis aus der Reihe der von Paulus benußten Bücher zu streichen. Unter den „Mitcellen“ finden sich Mittheilungen aus verschiedenen Handschriften von E. Dümmler, Handschristliches aus Ita ien, von H. Breßlau, über die Kopfische Kompilation der Zwiefaiter Chros- nifen Ortliebs und Bertholds, von Dec. Baumann, und über die Fürstlich Metternih'\che Bibliothek auf Schloß Königswart in Böhmen, von W. Shum. Aus den kleinen Nachrichten am Sclußie verdient Erwähnung, daß von der Abtheilung der Anctores antiquissimi Tomi III. pars pcsterior erschienen ift, „enthaltend den Corippus, herausgegeben von Joseph Parti. (Beigegeben ist eine Schriftprobe des Madrider Codex saec. IX. in \{öôner west- gothisher Schrift.) Die Separatausgabe des Bruno de bello Saxo- pico ist in zweiter Ausgabe erschienen, mit Hinzufüaung einer Aus- wahl der verschiedenen Lesarten, nah neuer Vergleichung der Hand- {rift bearbeitet von W. Wattenbah. Von der Sammlung der „Gescbichts\chreiber der deutshen Vorzeit“ in deutscher Bearbeitung find ausgegeben worden: Auszüge aus Ammianus Marcellinus von Dr. D. Coste, die Jahrbücher von Augsburg von H. G. Grandaur, und Ekkehard von Aura, von W. Pflüger.

Das Märzheft von Petermanns Geographischen Mit- theilungen (Gotha, Justus Perthes) enthält den Schluß des Be- rihts von Dr. W. Junker über seine Reisen im Westen des Weißen Nil, den egyptishen Aequatorialprovinzen. Beigegeben ist eine Karte, in welche neben der Junkerschen die wichtigsten anderen neueren Reisen eingetragen sind. Dr. Richard Lehmann in Halle giebt eine Darstellung der dänishen Untersuchungen in Grönland aus den Jahren 1876—79, Diese leyteren sind deshalb wihtig, weil kein anderes bekanntes Land der Erde in dem Maße wie Grönland ein Analogon für die Ciszeit bietet, deren gewaltigen Vorgängen ein großer Theil des nord- und _mitteleuropäiicen Bo- dens seine gegenwärtige Gestalt, theilweise selbst seine Zusammen- seßung verdankt. Wenn über diese Episode in der geologishen Ge- schichte jener Länder im Einzelnen heute noch eine Menge von Mei- nungsverschiedenheiten bestehen, wie z. B. über den Grad erodirender Kraft der Eiszeitgletscher, über die Deutung des norddeutschen Diluoiums als Eisdrift- oder als Gletscherersheinung 2c., so hat man dort die erwünschteste Gelegenheit, alle solhe Fragen an der Quelle zu studiren. Auch darüber, wie das Pflanzen-, Thier- und Menschen- leben der Eiszeit zu denken ift, läßt sih dort eine ziemli deutliche Vorstellung gewinnen. Ja selbst in unsere unmittelbare Gegenwart reiht die Bedeutung jenes Landes hinein, denn da der nördliche Theil des Atlantischen Ozeans mit seinen Küstenländern und dem ganzen nördlihen und mittleren Europa ein in sich selbständiges meteorologishes Gebiet bildet, so liegt auf der Hand, daß ein so eigenthümlih geartetes Hochland, welches, mehr ‘als doppelt so groß wie Skandinavien, dem leßteren fast ge- nau im Westen gegenüberliegt, nicht ohe wesentlichen Einfluß auf die atmosphärishen Strömungen dieses Gebietes und demnach auch auf unsere Witterung sein kann. Jn dem vorliegenden Aufsaß find die Resultate der Steenstrurpshen Expeditionen in den Jahren 1876, 1877—79, sowie der Jensenschen Expeditionen in den Jahren 1878 und 1879 zusammengestellt. Beigefügt ist eine Karte nebst Ab- bildungen. Die geographische Nekrologie des Jahres 1879 weist sehr herbe Verluste auf, denn es finden sich darin die Namrn v. Cotta, Dove, Handtke, Keith Johnston, v. Roon, Siegfried, Wappaeus u. A. Dem letzteren hat Prof. Dr. Hermann Wagner am Schluß des Heftes einen besonderen ausführlichen Nekrolog gewidmet.

In Krolls Theater ging am Sonntag ein vieraktizer Schwank von Julius Rosen: „Starke Mittel“ zum erften Male in Szene. Das Stück hat Zeitungsnachrichten zufolge in Wien gut gefallen und auch hier wurde es freundlih aufgenommen wegen seiner harmlosen Lustigkeit, seiner geschickt erfundenen, Heiterkeit erregen- den Situationen. Auch dieser Shwank zeigt wiederum die gewandte Hand des Verfassers für das szenisch Wirksame und seine Erfindungs- gabe für komishe Effekte. Dazu kommt, daß der Dialog mit mehr Sorgfalt gearbeitet ist, wie viele andere Stücke dis: Verfassers. Kurz, das Stück ist wohl geeignet, für einige Abendstunden angenehm zu unterhalten, zumal, wenn es sich einer so guten Darstellung zu er- freuen hat, wie hier auf Krolls Bühne. Neue Motive und neue Si- tuationen wird man zwar vergeblich suchben; Rosen selb und viele Andere haben ähnliche Figuren und Szenen vielfach in anderen Stücken geschildert, indessen frish aufgepußt und etwas anders drapirt und masfkirt erkennt man in ihnen ni{ht sofort, wenn fie flinken Srittes an uns vorüber hüpfen, die längst bekannten Züge. Man amüsirt sih über fie als wären sie uns neu, weil man se immer wieder so bald vergißt. Dergleihen Schwänke, für einen kurzen Theaterabend geschaffen, wollen nicht auf ihren Gehalt geprüft fein; genug, wenn sie gefallen; daß dieses geschehen, davon gas die heitere Stimmung, in welche das Auditorium verseßt wurke, ein augenscein- liches Zeugniß. In den weiblichen Hauptrollen zeichneten sich die Damen Fr. Carlsen, Fr. Walter-Trost und Frl. Schwarz, welche ihre Rolle mit köstlihem Humor durhführte, in den männlichen vor- nehmlich die Herren Kadelburg, Kurz und Guthery mit dem besten

Erfolge aus.

en hingerichtet), über 2 Urkunden aus dem Jahre 1273, M einen Biberacher Heirathsprozeß aus dem Ende

die Versammlung mit Worten des Dankes für das Erscheinen Jhrer Majestäten. Die im Vorzimmer ausgelegten Listen zur Beitritts-