1880 / 60 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Mar 1880 18:00:01 GMT) scan diff

ih die roth drapirten Tribünen, deren Zugänge ebenfalls E schmüdckten. ajest

fi Bla! 1 . Auch das Denkmal Sr. Hochseligen M i ât des J. ónigs Friedrih Wilhelm 11], hatte, glei der Luijeninsel, Festshmud angelegt. Der den Festort umgebende Theil des Thiergartens war von dem gefallenen Laube gereinigt und theilweise mit grünem Moose belegt; gelber Sand deckte die zum Festort führenden Wege. : j Bald nach 12 Uhr sammelten sih die zur Feier Ge- ladenen auf der Fnsel. Zur rechten Seite des Denkmals nahmen die Mitglieder des Comités und die Deputirten der Kommunalbehörden, links sechs Ritter des Eisernen Kreuzes von 1813 sowie Damen des Luisen-Ordens Ausstellung. Die Zöglinge des Luisenstists stellten sich neben das Denkmal, während an der Freitreppe, den Eingängen zu einerseits die Chargirten der Universität, andererseits ie der lehnishen Hochschule, der Bergakademie und der Akademie der Künste sih ordneten. Auf der ersten Tribüne rechts vom Kaiserpavillon nahmen die Obersten und Ober- Neander sowie die Generalität, geführt von dem General eldmarschall Grafen von Moltke, Play. Auf der links vom Pavillon befindlihen Tribüne versammelten sich der Vize- Präsident des Staats-Ministeriums, die aktiven .und inaktiven Staats - Minister, die Excellenzen, die Staatssekretäre und Unter - Staatssekretäre, die Präsidenizen des Reichstages, Mitglieder des Auswärtigen Amtes , die geladenen Herren vom diplomatischen Corps, sowie die Vertreter der Uni- versität und der beiden Akademien. Die beiden anderen Tribünen füllte bereits vor 12 Uhr ein zahlreiches distin- guirtes Publikum. | / : l Kurz vor 1 Uhr erschienen im Kaiserpavillon Se. Kaiser- lihe und Königliche A der Kronprinz, Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz Wilhelm sowie die anderen hier anwesen- den Prinzen und Prinzessinnen des Königlihen Hauses, Jhre Königliche Hoheit die Großherzogin Mutter von Mecklenburg- Schwerin, Jhre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog von Medllenburg-Streliß, der Prinz August von Württemberg, Se. Hoheit der Erbprinz nebst Fhrer Königlichen Hoheit der Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen und Se. Durchlaucht der Prinz und die Prinzessin Friedrih von Hohenzollern. Kurz darauf erschienen Se. Majestät der Kaiser und Jhre Majestät die Kaiserin, von den Mitgliedern des Comités empfangen. ; : i

Auf Allerhöchsten Befehl begann nunmehr die Feier mit dem vom Domdchor, begleitet von Blasinstrumenten vorge- tragenen Chor aus dem Oratorium „Paulus“ von Mendels- sohn: „Siehe, wir preisen seelig, die geduldet haben, denn ob der Leib gleich stirbt, doch wird die Seele leben.“ Hierauf hielt der Vorsißende des Comités, Wirklihe Geheime Rath Hobrecht, folgende Festrede:

Ein hoffnungsreicberes Fest bat Preußens Hauptstadt selten ge- feiert, als den glüdckverheißenden Einzug des bräutlichhen Schwestern- paares, der beiden deutschen Prinzessinnen, die an demselben Weih- nachtstage des Jahres 1793 zweien Königs\öhnen des Hauses Hohen- zollern die Hand am Altare reichten. Jhrer künftigen Königin waren die Bürger Berlins jauchzend entgegen gegangen. Reicher, als es die Phantasie der Hoffenden sich vorgestellt, ist die Wirklich- keit der Erfüllung gewesen, aber die Wege der Vorsehung haben zum Lichte durchH dunkle Nacht geführt.

Wenige Schritte von hier steht unter überhängenden Bäumen am Rande des Wassers ein einfaher Steinwürfel, den jährlih am 10 März, dem Geburtstage der hochseligen Königin Luise, treue Hände mit frishen Blumen \{mücken. Es is ein Altar, vor 70 Jahren errihtet von hiesigen Bürgern - zur Erinnerung an einen zweiten Einzug nicht ärmer an Hoffnungen, aber begleitet von tief schmerzlichen Empfindungen. Die Gewalt eines harten Feindes hatte unser Volk niedergeworfen, unsern Staat zertrümmert. Jnnerlich und äußerlich unvorbereitet wurde das Va- terland nach kurzem Kampfe eine Beute d¿s Eroberers. War Je- mand \s{uldlos an diesem Verhängniß, so war es die junge Königin. úIn einer Zeit des Uebermuths und der Ueppigkeit hatte sie am Throne, an der Seite ihres Hohen Gemahls, das Muster eines anspruchslos reinen und frommen Haushalts geschaffen, nie, bei aller Lebhaftigkeit des Geistes und troß aller Versuchungen, die festen Schranken überschritten, die in öffentlichen Angelegenheiten des Staats dem Wirken der Frau geseßt sind, stets mit herzgewinnender An- muth und ungekünstelter Würde die Pflichten ihres hohen Berufs erfüllt. Und doch als über die Schuld des ganzen Volks das Verhängniß hereinbrah, entzog sie sich ihm nicht. Mit den leßten Schaaren der WValterlandévertheidiger bis an die äußerste Grenze des Reichs, harrte sie treu aus an der Seite des Königs, theilte Noth und Sorge mit den Bedrängten, und, was Alle fühlten, Alle fühlen sollten, damit hat sie innerlich gerungen.

An demselben Tage, an dem ceirft die Hauptstadt der einziehen- den, boffnungsreichen Braut zugejubelt hatte, kehrte nun die Schwer- arte hierher zurück und alles Volk bezrüßte sie als Vürgin einer

éfreíung von unerträglichém Ioche, einer Erlösung, die niht aus- bleiben könne. Es schien eine Forderung der ewigen Gerechtigkeit, daß auf fo viel unve. shuldete Trübfal doppelte Freude folgen, daß so feste Zuversicht dessen, das man hoffet und nicht sieht, auch zum Schauen dessen führen müsse, das man gehofft hat. Es war anders bestimmt in Gottes Rath. Nur noch wenige Monate widerstand das tiefershütterte Leben, bis zum leßten Athemzuge allen Anderen liebevollen Trost und heitere Hoffnung spendend; man sagt, fiè hâtte zu viel geweint. © So \tarb die Königin, Ihre Hand follte es nicht mehr sein, die dem Sieger den Kranz auf die Stirn drücken würde, ihr Auge sollte ibm nicht entgegen lächeln. Aber König und Volk wußten, daß: ihnen oblag, den Lorbeer zu erringen, um den Sarg der früh Entshlafenen zu \{müdcken, denn, wie in jenen leßten blutigen Kämpfen auf den Fel- dern Ostpreußens der Muth der Helden an ihrem Muthe fih ge- hoben hatte; so hatie sie dort auch, als Alles verloren schien, die Par des Glaubens und der Hoffnung aufgepflanzt. Ihre Schön- eit und. Anmuth waren nur der Abglanz des reinen Strebens nach der Wahrheit. „Es kann nur gut werden in der Welt“ das waren ihre Worte „nur gut werden durch die Guten.“ Wo im Lande ein Vater zu seinen Söhnen sprac, wo Töchter an den Lippen der Mutter hingen, da- hörten fie die Mahnung, und weit über den damaligen Erfolg hinaus ist fie uns Allén tief eingeprägt geblieben mit dem Bilde der edelsten Frau. So lebt die Königin!

Als die stille Jahresfeier ihrem 100, Geburtstage galt, da sind Männer und Frauen aus allen Kreisen zusammengetreten, in dem Wunsche, ein Standbild zu errichten, das mit den Zügen und der Gestalt der Verklärten, so wie sie hier wandelte, noch zu den kom- menden Geschlechtern sprächez; und ein seltenes Glück machte es den Verbundenen mit Hülfe der Gemeindebehörden dieser Stadt möglich, dem Sohùe der geliebten Königin, der der Mutter prophetishes Wort über mensch{liches Erwarten und Hoffen zu erfüllen bestimmt war, unserm allverehrten Kaiser und Herrn zu seinem 80. Geburtstage dies Denkmal heiliger Erinnerung zu widmen. Nun hat des Künstlers Hand das Werk vollendet. Wenn die Bewohner und Besucher der Hauptstadt des Reichs jene stolze Siegesftraße zum Königésch{loß, wo von dcn Zinnen die Helmbüsche der Trophäen niederwinken, wo die Standbilder unserer Heroen in Erz und Marmor auf. sie herabschauen, verlassen wenn sie eintreten in den Frieden dieses Waldes, so empfängt sie die ernste Weihe anderer Erinnerungen : dort, umgeben von Bildern stiller Naturfreuden, der its König, das milde Antliß dieser Insel zugewendet

von den Gestältken eines kriegerisÞ bewegten

ier, getragen Volks, die lieblihste Landesmutter. Aus den fill redenden Zügen

vernehmen wir die Mahnung: über zeitlihem Vortheil nie die ewigen Mächte zu vergessen im Triumphe nicht die Demuth, im Besiße nit die Ideale zu verlieren! Wir hören sie, wie wenn es die treue Stimme der eigene: Eltern wäre, und denken des Gebots, das uns gegeben ist: Du sollt Deinen Vater und Deine Mutter ehren, auf daß Dir's wohl gehe und Du lange lebest auf Erden!

Auf erbetenen Allerhöchsten Befehl fiel sodann die Hülle des Denkmals, dessen überwältigender Eindruck den Versammel- ten einen Ausruf der Bewunderung entlockte. Zu gleicher Zeit stimmten der Domchor und die Versammelten den Choral : „Lobe den Herren u. . w an.

Zum Schlusse der Feier brachte der Ober-Bürgermeister von Forckenbeck Sr. Majestät dem Kaiser und König ein Hoch aus, Die Festversammlung nahm dieses Hoh mit Begeisterung auf und stimmte sodann die Nationalhymne an.

Die Allerhöchsten Herrschaften unterhielten Sih, während Sie das-Denkmal eingehend besichtigten, längere Zeit mit dem Bildhauer Encke und dem Wirklichen Seheimen Rath Hobrecht. Gegen 2 Uhr verließen Jhre Majestäten, von der Menge mit erneuten Hurrahrusfen begrüßt, den Festplaß.

Jn der am 9. d. Mts. unter dem Vorsiße des Staats- Ministers Hofmann abgehaltenen Sißung des Bundesraths wurde Mittheilung gemacht von der Ernennung des D Ober-Regierungs-Raths und vortragenden Raths in der Reichs- kanzlei Tiedemann zum preußishen Bevollmächtigten, sowie von der unveränderten Annahme des Gesetzentwurfs wegen Ergänzung des Militär-Pensionsgeseßes vom 27. Juni 1871 durch den Reichstag.

Von der Seitens des Präsidiums mitgetheilten Nach: weisung über die den einzelnen Bundesstaaten bis Ende De- zember 1879 überwiesenen Beträge an Reichs-Silber-, Nickel- und Kupfermünzen nahm die Versammlung Kenntniß.

Der Entwurf eines Gesehes, betreffend die Erhöhung der Lizenzgebühren für den Kleinverkauf von geistigen Getränken in n Neichslanden, wurde den zuständigen Ausschüssen über- wiesen.

Die Ergänzung des Entwurfs zum Reichshaushalts-Etat (Etat der Reichs:Post- und Telegraphen-Verwaltung) für das Etatsjahr 1880/81, sowie die dem Reichstage noch nicht vor- gelegte Berehnung der nah dem Reichshaushalts-Etat für 1880/81 zur Dedlung der Gesammtausgabe aufzubringenden Matrikularbeiträge (Anlage XX. zum Reichshaushalts - Etat) gclangten zur Annahme. Ebenso erhielt, dem Gut- achten des berihtenden Ausschusses für Handel und Verkehr entsprechend, der zwishen dem Deutsh:.n Reih und dem Königreich der Hawaiischen FFnseln abgeschlossene Freund- [E E, l und Konjsularvertrag d. d.

erlin, den 25, März 18 a : Honolulu, den 19, September 1879 nebst zugehöriger Dekla ration vom 10. Februar 1880 die Zustimmung, auch erklärte die Versammlung sih damit einverstanden, daß über den Ab- {luß eines Freund)chafts-, Handels-, Schiffahrts- und Kon- sularvertrages zwischen dem Reih und Madagaskar mit der Hova-Regierung in Verhandlung getreten werde.

Nach dem Antrage des Ausschusses für Zoll- und Steuer- wesen wurde ferner beschlossen, daß fortan feines trockenes Seifenpulver nur nach vorgängiger vorschriftsmäßiger Prüfung der Reinheit zur Denaturi-ung von Bestellsalz perwendet werden dürfe. \ i

Weiter wurde, gleichfalls nah dem Gutachten des berih- tenden Ausschusses, über die Bescheidung einer auf die Zoll- tarifirung von Kunstbutter bezüglihen Eingabe befunden und shließlich über die geschäftliche Behandlung der neuerdings eipgelaufenen Petitionen Bestimmung getroffen.

Amtlicher Mittheilung zufolge findet im April d. J. in Amsterdam auf Anregung der dortigen Gesellschaft Arti et Amicitiae eine Ausstellung goldener und silberner Kunstgegenstände älterer Zeit statt. An- a sind an den Sekretär der genannten Gesellshaft zu richten.

—- So lange ein Ehemann seiner Frau und seinen Kin- dern standesgemäßen Unterhalt gewährt, hat nach einem Erkenntniß des Reichsgerichts, 1. Hülfssenat, vom 2. Ja- nuar 1880, die Frau im Geltungsbereih des Preußischen All- gemeinen Landrechts kein Recht auf Rückforderung ihres Eingebrachten, selbst wenn bereits Gläubiger des Ehe- mannes die Einkünfte des Eingebrachten in Anspruh nehmen. Ein zwischen den Eheleuten geschlossener Vertrag, durh welchen der Ehemann dem Nießbrauch des Eingebrachten entsagt, kann von den dadurch benachtheiligten Gläubigern angefohten wer- den. Erst wenn thatsählih durch die Entziehung der Ein- fünfte aus dem Eingebrachhten Seitens der Gläubiger der Mann außer Stand geseßt wird, seiner Unterhaltungspflicht zu genügen, hat die Frau das Recht, ihr Eingebrachtes zurüd- zufordern und zu dem Zwele auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen ihres Mannes anzutragen.

Der bei den preußischen Gerichten bestehende Ge- brau, die Geschäfte des Gerichts\chreibers, besonders bei den Verhandlungsterminen als Protokollführer, dur Referendare wahrnehmen zu lassen, wird, nah einem Er- kenntniß des Reichsgerichts, III. Strafsenats, vom 10. Ja- nuar 1880, durch das neue Reichs-Prozeßrecht und die sih daran s{chließenden preußishen Geseße niht berührt; Refe- rendare können in Preußen jeßt wie früher die Gerichts- schreibergeshäfte wahrnehmen.

Bayern. München, 8. März. (Allg. Ztg.) Se. Maj. der König hat den Abgebrannten in Donaustauf 3000 M aus der Kabinetskasse zugewendet. Heute Nachmittag 5 Uhr fand bei Sr. Majestät dem König eine Hoftafel zu 50 Gededten statt.

Nachdem sich das Bedürfniß einer Revision der bestehen- den Bestimmungen über den Transport entzündlicher, äßender und giftiger Stoffe auf dem Rhein ergeben hat und die hierüber von den Bevollmächtigten der Rhein-Ufer- staaten in der Sißung der Rheinschiffahrts-Centralkommission vom 2. September v. Js. getroffene Vereinbarung allseitig genehmigt worden ist, wird die beschlossene neue Verord- nung auf Grund Allerhöchster Ermächtigung Sr, Maj. des Königs durch einen Ministerialerlaß mit dem Beifügen im „Geseg- und Verordnungsblatte“ zur öffentlichen Kenntniß ge- bracht: daß dieselbe an die Stelle der mit Ministerial- Bekanntmachung vom 5. Juli 1869 veröffentlichten Bekannt- machung zu treten hat.

Sachsen. Dresden, 9. März. (Dr. J.) Beide Kam- mern hielten heute ihre Schlußsißungen ab, in welchen an erster Stelle Vorträge über stattgefundene Vereinigungs-

verfahren erstattet wurden. Der Geseßentwurf, beireffend die Abänderung einer Bestimmung der revidirten Städteordnung 2c., wurde in der Art festgestellt, daß die Erfte Kammer dem jen- seitigen Beschlusse, daß die von Wanderlagern für die Woche und von Waarenauktionen für den Tag zu erhebende Gemeindeabgabe dem Jahresbetrage der Steuer für den Ge- werbebetrieb im g t A gleich sein soll, zwar beitrat, zu gleicher Zeit aber festgeseßt wurde, daß die Abgabe die Summe von 60 4/6 nicht übersteigen soll. Fn Bezug auf das Königliche Dekret, fortgeseßte Erörterungen über das Be- dürfniß eines Waldshußgeseßes betreffend, einigte man sih zu dem gemeinsamen Beschlusse, zur Zeit sih mit dem an die Stände gelangten Nachweise befriedigt zu erklären und von weiteren in dieser Richtung fortgeseßten Erhebungen abzusehen. Bezüglich des Antrags des Abg. Walter auf Aufhebung des 8. 18 der Justiz-Ministerialverordnung vom 31. Juli 1879, der Petition der Liquidatoren ter Centralbank für Land- erwerb und Bauten in Dresden um Rückgabe der Schanze Nr. 4 an die frühere Besißerin und der bei der Beschluß- fassung über das Königliche Dekret, die Benußung des Kam- merguts Kalkreuth zur Anlage einer FoblenaufnGtanstalt betreffend, zwischen den beiderseitigen Beschlüssen entstandenen Differenz sind die Vereinigungsverfahren erfolglos geblieben. Ferner gelangten einige Petitionen zur Erledigung.

Beide Kammern ermächtigten ihre derzeitigen Direktorien, wenn am 4. September 1881 die Stände des Landes nicht versammelt sind, sie bei den etwaigen Feierlichkeiten zu Ehren des 50 jährigen Bestehens der Verfassung zu vertreten.

Vaden. Karlsruhe, 10. März. (W. T. B.) Die „Karlsruher Zeitung“ ist ermächtigt, gegenüber den Gerüchten Über eine beabsichtigte Aenderung des Ministeriums und des Regierungssystems zu erklären, daß solhe Absichtén höchsten Ortes nicht bestehen.

Meeklenburg. Schwerin, 9. März. (W. T. B.) H ute sind hier die kommissarish-deputatishen Ver- handlungen über die Reform der Landesverfassung eröffnet worden.

Elsaß - Lothringen. Straßburg, 7. März. (Els. Lothr. Ztg.) Der erste Gegenstand der Tagesordnung der (27.) Sibßung des Landesausschusses vom 5. d. Mts. war die dritte Lesung des Gerichtskostengeseßes. Das Gesetz wurde en bloc angenommen

Eine lebhafte Debatte entspann sich bei dem 2. Gegen- stande der Tagesordnung, dem Antrage Fuchs und Genossen, betreffend das niedere Schulwesen. Das Mitglied Fuchs be- gründete seinen Antrag, der folgende Wünsche enthält:

1) Wiedereinseßung der Bezirks-Schulräthe; 2) Vermeh- rung der Kleinkinderschulen ; 3) zusammengeseßte Kommissionen für die Examina an den Präparandenshulen und Lehrer- seminarien ; 4) an diesen Anstalten sind nur Solche zuzulassen , die entweder geborene Elsaß-Lothringer sind oder ihren Wohn- siß im Lande haben; 5) die jungen Lehrer sollen während eines Jahres unter Aufsicht eines ältern Hauptlehrers unter- rihten; 6) mindestens sechsstündiger Unterricht. im Französi- schen die Woche in den bezeichneten Anstalten; 7) Verpflich- tung zum Schuldienst für die Lehrer auf 10, für die Lehre- rinnen auf 7 Jahre.

Zu diesem Antrage {lug Pfarrer Winterer folgendes Amendement vor und begründete dasselbe: „Der Landes- aus\{chuß wolle beschließen, die Regierung zu erfuchen, die er- forderlihen Maßnahmen zu E daß die gegenwärtige Schulgeseßgebung in einer dem Rechte der Familien und dem alten Zustande mehr entsprehenden Weise abgeändert werde.“ Der Staatssekretär entgegnete, die deutshe Verwaltung habe den Zwangsunterreiht eingeführt und damit etwas gethan, was das Elsaß seit Menschengedenken gewünscht und verlangt habe. Seit den 30er Jahren sei der Wunsch danach in den Berichten der conseils généraux immer und immer wieder- gekehrt. Auch suche Frankreih gegenwärtig diesen Schritt zu erreichen, wenn auch unter dem Widerspruche Derer, die in dem obligaiorishen Unterricht einen Eingriff in die Rechte der Kirche sehen. Die deutshe Regierung habe ferner die Dauer der Schulzeit verlängert, die Lehrziele weiter gesteckt und darauf gehalten, daß nur geprüfte Lehrer an den Schulen thätig würden. Obedienzbriefe und hbrevets de capacité dürften den Nachweis der Bekähigung nicht mehr erseßen. Die neue Geseßgebung solle nun eine diktatorishe und gleihmachende sein. Es sei aber ein Correlat des Schul- awanges, die Pflicht des Staates, dafür zu sorgen, daß die Kinder etwas Tüchtiges lernen, und hiermit sei die absolute Freiheit jedes Familienvaters, über den Unterricht seiner Kin- der zu bestimmen, unverträglih. Diese Freiheit führe zur Jgnoranz, weil nicht jeder Familienvater im Stande sei, seine Kinder selbst zu unt.rrihten, und nicht jeder Erfahrung und Zeit genug habe, sich um die beste Schule für seine Kinder zu kümmern. Der Erfolg des obligatorishen Unter- rihts sei gewesen, daß namentlih in großen Fndustriebezirken viele Kinder, die früher nicht einges{hult waren, jeßt zur Schule gehen. Von maschinenartigem, abgerihtetem Wesen in den Schulen könne man nit sprechen. Die gesammte Lehrerschast er- fülle ihre Aufgabe mit großer Berufsfreudigkeit. Die Schule greife niht in die Rechte der Familie ein. Die bestehenden Vorschriften über die örtliche Aufsicht der Schule seien un- berührt geblieben. Die Lokalräthe beständen in allen Gemein- den Über 2000 Seelen und auch in kleineren Gemeinden, so- weit Anträge gestellt werden. Allerdings könne auch nah der Auffassung der Regierung die Erziehung eine gedeihlihe nur Lr wenn Schule und Familie Hand in Hand gehen, und es ei nur zu wünschen, daß die Gemeinden und die Familien- väter den Zielen der Schule ein lebhaftes zznteresse widmeten. Die gemischte Schule sei keine Erfindung der deutschen Ver- waltung. Sie habe deren 1114 vorgefunden; die Zahl habe sih um etwa 400 seitdem erhöht. Die Vereinigung von Knaben und Mädchen in den Schulen sei im zarten Alter unter der Aufsicht eines aufmerksamen Lehrers unbedenklich. Die Ver- einigung habe innerhalb bestimmter Grenzen große finanzielle und pädagogische Vortheile. Ein Bericht des Generalraths des Niederrheins aus dem Jahre 1836 legé mit überzeugender Wahrhastigkeit die Unschädlichkeit der gemischten Schulen dar. Einen Zwang in dieser Beziehung habe die Verwaltung übrigens nicht geübt, Was die Sprache anbetrefsfe, so liege der deutschen Verwaltung eine Unterschäßgung des Französischen oder eine Feindschaft gegen diese Sprache ferne. Die eigenen Verhandlungen des Landesausschusses gäben Zeugniß dafür, daß die Regierung nicht beabsichtige, auf diesem Gebiete Zwang zu üben. Wo die amtliche Geschäfts\prache französisch, sei es auch die Unterrichtssprache; das gelte für 435 Gemeinden mit 283 000 Seelen. Wenn der Regierung die Absicht der Ger-

manisfirung zugeschrieben werde, so wünsche dieselbe allerdings, daß das Land deutsch lerne und spreche. Dieses Jnteresse trete aber zurück hinter dem pädagogischen, zu verhindern, daß, wie es jeßt überwiegend der Fall sei, die Bevölkerung keine Sprache vollständig beherrshe. Die deutsche Sprache sei für die Be- völkerung, insbesondere für junge Leute, die in die Armee oder Verwaltung eintreten sollten, unerläßlich. Für alle höheren Lebensstellungen sei ausreichende Gelegenheit zur

rlernung des Französischen gegeben. Es liege in dem Be- streben der deutschen Eng, niht blos zu germanisiren, jondern das Land glücklich und wohlhabend zu machen und auch im Bereiche der Erziehung Alles aufzuwenden, was zu diesem Ziele führen könne. Uebrigens wünsche auch sie eine Organisation zu finden, welche im Anschluß an frühere Ein- rihtungen der Schulverwaltung einen Beirath an die Seite seze. Nach einigen weiteren Erörterungen wurde der Antrag Fuchs angenommen.

Dritter Gegenstand der Tagesordnung war die zweite Lesung des Etats des niederen Unterrichts. Die Aus- gaben für das niedere Unterrichtswesen wurden ange- nommen. Zu Kap. 13, Taubstummenanstalt zu Mey, lenkten die Mitglieder Baron Zorn von Buïiach Sohn und Grad und von Schauenburg die Aufmerksamkeit der Regie- xung auf das vor der Stadt Straßburg seit Jahren be- stehende Fnstitut Jacouteau, welchem sie das höchste Lob zollten. Sie baten die Regierung, hier keine Konkurrenz- ansialt für das uneigennüßzige Werk eines Menschenfreundes zu schaffen. Der Unter-Staatssekretär von Pommer Esche er- theilte beruhigende Zusicherungen. Zu Kap. 15 Tit. 7, Ver- legung des Lehrerseminars zu Met, wurde auf den Vorschlag des Mitgliedes Antoine beschlossen, fünf Kommissionsmit- glieder zu näherer Jnformation an Ort und Stelle abzuordnen.

Desterreich-Ungarn. Wien, 8. März. Mit Bezug auf die Verlobung Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen Rudolf mit der PrinzessinStephani e von Belgien äußert sich die heutige „W. Abendpost“ in folgender Weise :

„Die Nachricht dieses frohen, beglückenden Ereignisses, welche gestern in den Abendstunden bekanat wurde, hat sich blißgleih in der Reichshauptstadt verbreitet, und von hier trug sie der Telegraph bis in die entfernteste Stadt der Monarchie. Sie hat, auf das Freu- digste überraschend, alle Herzen in Wien tiefinnerst berührt, hech aufshlagen gemacht. Ein Segen#wunsh, ein Glücckwunsch, die dem Wohle des Hohen jugendlihen Brautpaares galten, bebten auf allen Lippen, und das freudige Mitempfinden des Glückes Shrer Mazjestäten des Kätsers Und. der Kaiserin bewegte tief die Gemüther. So wie die Bevölkerung Wiens ist heute jene der ganzen Monarchie freudig erhobenen Em- pfindens. Ein Familienfest des Kaiserhauses ist ein Familienfest für ganz Oesterreih. Die s{chöaen Namen: Landesvater, Landesmutter find in Desterreih von erhabener patriarchalisher Bedeutung, und das Band der Treue, Liebe und Anhänglichkeit, das die Völker an die Erlauchte Dynastie \{chließt, gestaltet jedes Ereigniß am Kaiser- lihen Hofe zu einem eigensten Feste jedes österreichischen Hauses. Die Feier der silbernen Hochzeit Jbrer Majestäten im verflossenen Jahre hat der Welt das glänzende und erhebende Schauspiel eines Volkes gegeben, das mit seiner besten politishen Empfindung in seinem Regentenhause lebt, und heute is es die \chöône Frühlingsfunde dieses Jahres, die Nachriht von der zukünftigen Glückesblüthe des österreichishen Kronprinzen, auf den Alles im Vaterlande mit Hoffnungsfreude, mit gerechtem Volkes- stolze blickt, welche das chöône österreihische Nationalbild: Herrscher- haus und Volk, umsch{lungen von unveränderlicher Liebe, Treue und Anhänglichkeit, so rührend, so ergreifend vor Augen führt. Mit dem Kaiserhause auf immerdar! dieses österreihishe Nationalgelöbniß wird heute allerorten laut, wo sich Herzen zu der jubelnden Empfin- dung zusammenfinden: Gott segne, Gott {üße, Gott erhalte Ihre Majestäten den Kaiser und die Kaiserin, den Kronprinzen und dessen Hohe Braut!

Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Stephanie ist die zweite Tochter und das dritte Kind Ihrer Majestäten des Königs Leopold Il. und der Königin Marie Henriette. Sie wurde in Laeken, dem Königliben Sommerschlosse bei Brüssel, am 21. Mai 1864 ge- boren. Ihre Geschwister sind die Prinzessin Louise, geb. 1858, seit 1875 vermählt mit dem Prinzen Philipp von Coburg, und Prin- zessin Clementine, geb. 1872. Ein Bruder, Kronprinz Leopold, ift vor mehreren Jahren im Knabenalter gestorben. Die Königlichen Eltern, Leopold 11, König der Belgier, Herzog zu Sachsen, aeb, zu Brüssel, den 9. April 1835, Sohn des Königs Leopold 1. und der Königin Louise, Prinzessin von Orleans, und Königin Marie Henriette, Erzherzogin von Oesterreich, geb. den 23. August 1836 zu Budapest, Tochter des Erzherzogs Joseph, Palatins von Ungarn, und der Erzherzogin Maria Dorothea, ge- bornen Herzogin von Württemberg, vermählten sfih am 10. August 1853 durch Prokuration zu Wien und am 22: August in Person zu Brüssel, als Se. Majestät der jeßige König Leopold 11. noch Kron- prinz war. Er folgte seinem Vater, dem ersten Könige der Belgier, am 10. Dezember 1865 auf dem Throne. Se. Majestät ist, wie sein Königlicher Vater, der sich 1813 als Prinz von Coburg in der Schlacht bei Kulm das Theresien-Kreuz erkämpft hatte, es vor ihm war, Inhaber des K. K. Junfanterie-Regiments Nr. 27,"

9. März. (W. T. B.) Das Abgeordnetenhaus und das Herrenhaus haben beschlossen, den Kaiser und den Kronprinzen anläßlich der Verlobung des Leßteren zu begluückwünschen. Jm Abgeordnetenhause ist vom Finanz-Minister die Vorlage über Kreditoperationen zur Deckung des Defizits im Jahre 1880 eingebracht worden.

__— Die im Abgeordnetenhause vom Finanz-Minister eingebrahte Vorlage über Kreditoperationen zur Deckung des Defizits im Fahre 1880 verlangt die Er- mächtigung zur Ausgabe einer Goldrente im Betrage von Nominell 20 Millionen.

Nah einer Meldung der „Pol. Corresp.“ aus Kon- stantinopel hat die türkishe Regierung offiziell bekannt ge- macht, daß die Steuerzahlungen vom 13. März ab in ÜUingender Münze zu erfolgen haben.

Prag, 8. März. Die in einer Separatausgabe er- schienene „Prager Zeitung“ begrüßt die Verlobung Sr. K. und K. Hoheit des Kronprinzen Erzherzogs Rudolf mit s{wungvollen Worten, indem fie dem Wunsche Ausdruck

iebt, daß der R, der gestern unter den glücklichsten

uspicen geschlossen worden sei, heilbringend für das Kaiserhaus und dessen treue Völker sein möge.

__ Pest, 8. März. Sämmtliche Blätter begrüßen mit be- geisterten Worten die Verlobung Sr. K. und K. Hoheit des Kronprinzen Erzherzogs Rudolf.

Velgien. Brüssel, 8. März. (Cöln. Ztg.) DemSenat wurde heute von dem Minister der Auswärtigen Angelegen- heiten im Auftrage Sr. Majestät des Königs die I Mittheilun Gemars daß gestern im E Laeken die V er- lobung JZhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Ste- R mit Sr. Kaiserlihen Hoheit dem Erzherzog Rudolf, dem österreichisch-ungarishen Thronerben, vollzogen

worden ist. Frère-Orban fügte hinzu: „Diese Verbindung, welche die Prinzessin einer hohen Bestimmung zuführt, findet fichere Gewähr des Glücfes in dem erhabenen Charakter des Erzherzogs Rudolf wie in den Eigenschaften der anmuthigen Braut; gleichzeitig wird sie durch neue Bande Belgien an die alte und mächtige Monarchie s{hließen, die uns unsere viel- geliebte Königin gegeben hat. Der Senat, der seine Ergebenheit der nationalen Dynastie so oft bezeugt hat, wird mit Freude ein Ereigniß erfahren, welches so glücckverheißend ist für die Königliche Familie und für das Land, das gewohnt ist, die Freuden seiner Herrscher als seine eiger.en zu betrachten.“ Baron d'Anethan, als Präsident des Senats, antwortete darauf: die Mittheilung habe Alle mit lebhafter Befriedigung erfüllt ; eine besondere Deputation werde Jhren Majestäten die Glüdwünsche des Senats überbringen. Auch der Bürger- meister von Brüssel hat dem Gemeinderath heute Meldung von der Verlobung gemacht und sofort eine Glückwunschadresse beantragt, die denn auch unter großem Beifall beschlossen worden ist.

9, Närz. (W. T. B.) Jn der heutigen Sißung der Repräsentantenkammer wurde bei der Berathung des Budgets des Ministeriums des Auswärtigen der Antrag auf Beibehaltung der belgishen Gesandtshaft beim Vatikan mit 97 gegen 8 Stimmen angenommen.

London, 10. März.

Großbritannien und Jrlaud. Forster,

(W. T. B) Das Unterhausmitglied welcher seiner Zeit dem Kabinet Gladstone als Vize- Präsident des Erziehungscomités angehörte, hat einen Wahlaufruf erlassen, worin er die Erhebung einer An- flage gegen Lord Beaconsfield ablehnt und die Aufrecht- erhaltung der Union zwischen England, Jrland und den Kolo- nien. für eine Nothwendigkeit erklärt. Die Macht Englands, glaubt Forster, könne nur durch eine weise und gerechte Politik in den auswärtigen und in den Kolonialangelegenheiten, #\o- E durch eine Politik innerer Reformen aufrecht erhalten werden.

(Allg. Corr.) Jhre Majestät die Kaiserin von Desterreih hat sich am 7. Abends in Dublin an Bord eines Spezialdampfers nah Holyhead eingeschifft ; eine große Menschenmenge wohnte der Abfahrt bei und begrüßte die Kaiserin aufs herzlihste. Von Holyhead reist die Kaiserin mittelst Extrazuges nah London, wo Jhre Majestät in Claridge's Hotel sich einige Tage aufzuhalten gedenkt.

Frankreich. Paris, 9. März. (W. T. B.) Bei Fortseßung der Berathung des Art. 7 des Gesezent- wurfs über den höheren Unterricht imSenat erklärte der Conseils-:Präsident de Freycinet, daß durch den Art. 7 keineswegs die Freiheit verleßt werde. Nach Ansicht der Re- gierung hätten Congregationen, die nicht autorisirt seien, gleichviel ob religiöse oder nicht, kein Recht, zu existiren. Hr. de Freycinet stellte weiter in Abrede, daß der Geseßentwurf die Religion antaste, und betonte, daß die Regierung zwischen alten und neuen Fnstitutionen einen Unter- schied machen werde; sie würde die neuen untersagen, wenn sie niht legal seien, und den alten gegen- über die geseßlihen Bestimmungen in Anwendung bringen. Man werde von ihnen verlangen, sich die staatliche Autorisation zu verschaffen und ihre Statuten mitzutheilen. Es werde eine Untersuchung angestellt werden, und diejenigen Fnstitute sollten auch fernerhin geduldet werden, deren Unterriht zu keinem Vorwurf Anlaß gebe. Zum Schluß wies der Conseils-Prä- sident darauf hin, daß die etwaige Ablehnung des Art. 7 schwere Folgen nah sih ziehen würde. Die Exrekutivgewalt würde in Stand geseßt werden, die geseßlihen Bestimmungen noch viel strenger in Anwendung zu bringen. Die Annahme des Art. 7 sei eine "Cuba und er richte an den Senat das dringende Ersuchen, demselben seine Zustimmung zu ertheilen. Nach dem Conseils-Präsidenten nahm Dufaure das Wort. Derselbe erklärte, der Art. 7 sei in der That eine Kriegs- waffe gegen die Religion; der Unterrichts-Minister Ferry habe dies selbst in seinen Reden, welche er auf seiner Rundreise durch Frankreich gehalten, erklärt. Der Unterrichts-Minister Ferry erhob gegen diese Behauptung Einspruch. Du- faure fuhr fort: der Geseßentwurf sei ohne jeden ernst- haften Grund erlassen; wenn die Verantwortlichkeit der Minister dabei in Frage käme, so wäre dies der gleiche Fall mit der des Senats, „denn“, so führte der Redner aus, „wir müssen uns im Voraus die Folgen der Oa des Art. 7 vergegenwärtigen und müssen gegen Gesetze Opposition machen, welche wir für gefährlih erahten, wie beispielsweise diejenigen über die rihterlihen Beamten, ohne daß wir uns dabei durch die Stimmung der Deputirten- kammer präoccupiren lassen.“ Dufaure unterzog den Geseß- entwurf sodann einer genauen Prüfung und kam zu dem Schluß, daß derselbe die Religion erniedrige, die Freiheit ver- lege und an die Gesetze despotisher Regierungen erinnere. Die Sitzung wurde hierauf suspendirt. Nah Wiederauf- nahme der Sißzung wurde der Art. 7 mit 148 gegen 129 von 277 abgegebenen Stimmen abgelehnt. Die drei leßten Artikel des Gesetzentwurfs über den höheren Unterricht wurden angenommen und die zweite Berathung desselben auf nächsten Montag festgeseßt.

10. Veärz. (W. T. B.) Die verschiedenen Gruppen der republikanishen Partei der Depu- tirtenkammer werden heute zusammentreten, um über eine Fnterpellation zu berathen, welhe in Folge der gestri- gen Abstimmung des Senats über den Art. 7 des Unterrichts- geseßes an die Regierung zu rihten wäre. Die Morgen- blätter besprehen sämmtlih die Abstimmung des Senats. Die „Répubvlique française“ schreibt: der Krieg beginne von Neuem, man müsse den Senat auch gegen seinen Willen retten. Das „Journal des Débats“ fordert das Kabinet auf, Terrain für eine Transaktion zu suchen. Die Fournale der radikalen Partei verlangen die Anwendung der bestehenden Gesetze gegen gewisse Kongregationen. Die Journale der Rechten beglückwünschen den Senat und erklären sein Votum Bi Sieg der liberalen Politik über die Jakobinische

olitik.

Türkei. Konstantinopel, 7. März. (Pol. Corr.) Der ge Gesandte Conduriotis hat gestern der Pforte die Note übergeben, welhe den Abbru der direkten gri e- hisch-türkischen Grenzverhändlungen zu notifiziren und zu begründen bestimmt ist. Die griechishe Regierung er- klärt die von türkisher Seite als Aus8gangspunkte der Grenz- trace in Vorschlag gebrahten Punkte : Theben am Golfe von Volo und Anino am Busen von Arta für unannehmbar und

fügt bei, sie theile vielmehr vollständig die Ansicht ihrer Be- vollmächtigten, daß eine direkte Verständigung zwischen den

beiden verhandelnden Regierungen unmöglih sei. Sie sehe sih daher veranlaßt, zu erklären, daß sie die Fortführung der Verhandlungen sür nußlos erachte. Essad Bey wird dem Könige von Shweden im Auftrage des Sultans den Großkordon des Osmanié-Ordens überreichen. 9. März. (W, L. D) Said Pasha hat deut Sultan behufs einer Verminderung dées Defizits von 5 000 000 Pfd. Sterl. auf 3 000 000 Pfd. Sterl. Vor- schläge über finanzielle Nes unterbreitet, nach welcher namentlich eine Beschränkung der Gehaltsbezüge der Staatsbeamten eintreten soll. Said Pascha hat von der An- nahme seiner Vorschläge sein Verbleiben im Amte abhängig emacht; die Entscheidung des Sultans is noch nicht be- annt, indeß soll derselbe einer Entlassung Said Paschas ab- geneigt sein.

hilippopel, 7. März. Al eko Pascha und General Streder, der Kommandant der Miliz, haben sich persönlich nach Hermanli begeben, um den zwischen ‘der mohameda- nischen und bulgarischen Bevölkerung entstandenen Konflikt beizulegen und den Ausbruch neuer Reibungen zu verhindern. Sie werden diesbezüglih im Einvernehmen mit et Pascha, dem türkischen Gouverneur von Adrianopel, vorgehen.

Heft 2 des Jahrgangs 1880 der Annalen der Hydro graphie und maritimen Meteorologie, Organ des Hydro- graphischen Amtes und der Deutschen Seewarte, herauëgegeben von dem Hydrographishen Amt der Admiralität, Verlag von Ernst Siegfried Mittler u. Sohn in Berlin, hat folgenden Inhalt: Ueber einige Ergebnisse der neueren Tiefseeforshungen. IV. Indischer Ocean. Ueber die täglihe Ungleichheit in den Gezeiten und eine Abhängigkeit derselben von der Geschwindigkeit des Mondes in seiner Bahn. Von Dr. C. Börgen. Aus den Reiseberihten S. M. Kbt. „Albatroß“, Kcrv. Kapt. Mensing 1.: 1) Klippe an der Ost- spive von Upolu (Samoa-Inseln). 2) Hafen von Levuka, Fiji- Inseln. 3) Statistische Notizen über die Fiji-Jnseln, Levuka und Suva. 4) Reife von Levuka nah Sydney im Oktober 1879, Aus den Reiseberihten S. M. Kbt. „Comet“, Kapt. Lieut. Freih. von Senden-Bibran. Bemerkungen über die Witterungs- und Strom- verhältnisse im Bosporus. Eingänge von 19 meteorologischen Jour- nalen bei der Deutschen Seewarte im Monat Oktober 1879 (Be- richte von 10 Schiffen). Ueber einige Häfen an der Nordküste von Südamerika, Zusäße zu den Segelanweisungen für die Südküste von Australien. Mauritius-Orkan und orkanartige Erscheinungen im östlichen Theile des Indischen Oceans im März 1879, (Mit- theilung von der Deutschen Seewarte.) Cyklone bei den Maskare- nen am 26. und 27. Februar 1879. Vorkommen von Eis im In- dischen und Südatlantischen Ocean. (Mittheilung von der Deutschen Seewarte.) Vergleichende Uebersiht der Witterung des Monats November 1879 in Nordamerika und Centralcuropa. (Mittheilung von der Deutschen Seewarte.) Kleine hydographische Notizen: 1) Un- tiefe Schuyler bei der Spiße Sakonnet. Rhode Island. Vereinigte Staaten. 2) Veränderungen in der Mündung des Tabasco-Flusses. Osft-Merxico. 3) Ansegelung von Tongatabu durch die östliche Passage. 4) Strömungen an der Südküste von Frankreih. Tabellen: 1) Mit- tel, Summen und Extreme für den Monat Januar 1880 nah den meteorologischen Aufzeihnungen der Normal-Beobahtungs-Stationen der Deutsh.n Seewarte. 2) Meteorologische und magnetishe Beob- achtungen, angestellt auf dem Kaiserlichen Observatorium zu Wil- helmshaven in dem Monat Januar 1880, Kartenbeilagen: 1) Zwei Tafeln zum Artikel: Der Mauritius - Orkan 2x. 2) Skizze einer Eisinsel im südlichen Indischen Ocean.

Nr. 6 des Central - Blatts der Abgaben-, Ges werbe- und Handelsgeseßgebung und Verwaltung in den Königlich Preußishen Staaten enthält: Anzeige der in der Geseßz- Sammlung und im Reih8-Geseßblatte erschienenen Geseße und Verordnungen. Allgemeine Verwaltungsgegenstände: Aufrücken der Bureaubeamten der Provinzial-Steuerdirektionen im Gehalte nah ihrer Anciennetät innerhalb der ganzen Monarchie. Anweisung zur Kassen- und Buchführung der unteren Hevestellen, Umände- rung des Namens der Stadt Limburg an der Lenne in Hohenlimburg. Behandlung der Portokoften bei zwangsweisen Beitreibungen von Gerichtskosten. Veränderungen in dem Stande und in den Be- fugnissen der Zoll- und Steuerstellen. FIndirekte Steuern: Buchung der Gefälle von Brauakten, welche erst in dem auf die An- meldung folgenden Quartale zur Ausführung gelangen. Verrech- nung von irrthümlich mit den Gerichtskosten vereinnahmten Stempel- beträgen. Personalnachrihten. Beilage: Anweisung zur Kassen- und Buchführung der unteren Hebestellen.

Statistische Nachrichten.

Die Invaliden des preußishen Bergbaus und Hüttenbetriebes. (Stat. Corr.) Während des leßten Jahr- zehnts haben fich die von den Knappschaftskassen des preußischen Staates zu unterstüßenden Invaliden mehr als verdoppelt und be- anspruchen bereits einen größeren Antheil der Jahreseinnahme, als die ganze Gesundheitspflege jener Vereine kostet. Auch wenn man berücksichtigt, daß im Jahre 1870 sechs Vercine des Ober-Bergamts- bezirks Clausthal, 1873 der Unterharzishe und Ilseder, 1874 der Hannoversche und 1876 der Thommer Knappschaftsverein mit ihren Invaliden hinzugetreten sind, muß die Gesammtzunahioe der invaliden Berg- und Hüttenleute bis auf ein Achtel der aktiven ständigen Mit- glieder doch Bedenken erregen. Es sind

a, Ganzinvalide 1869—72 1873—76 1877 1878 Anfangs vorhanden gewesen. . 7602 10241 15074 16454 mit ihren Vereinen zugetreten . 458 ab 39 Aud d A «D985 9 964 3 004 2 858 während der Periode geslorben . 3 407 4 203 1230 1'381 anderweit ausgeschieden . . . 419 893 394 399 am Schluß der Periode verblieben 10219 15070 16454 17532

b, Halbinvalide Anfangs vorhanden gewesen. . 104 411 636 646 mit ihren Vereinen zugetreten . 178 ab 1 A A G v ¿C REE 620 162 166 während der Periode gestorben . 100 135 38 46 anderweit au8geshieden .. . 282 255 114 68 am Schluß der Periode verblieben 374 640 646 698

Der Zugang erfolgt nicht allein aus den aktiven und beurlaub- ten Vereinsmitaliedern, sondern es wurden auch z. B. während des leßten Jahres 32 Halbinvalide garz- und dagegen 5 Ganzinvalide halbinvalid. Daraus, daß bei sünf Vereinen in demselben Jahre 35 Ganz- und 12 Halbinvalide als treaktivirt verzeihnt sind, darf man s daß nahezu alle übrigen als „anderweit“ ausgeschieden geführten Invaliden gleihfals zur Werksarbeit zurückgekehrt find.

Beim Eintritte der Invalidität war 1878 das Durchschnitts- alter der Halbinvaliden 50,3 und der Ganzinvaliden 47,4 Jahr. Letzteres, auch 1877 erreihte Alter bleibt hintec dem zehnjährigen Mittel des Alters beim Beginn der Ganzinvalidität um 14 Jahr und hinter dem 1870 erreihten Durschnittsalter um 34 Jahr zurückt; man darf demzufolge eine Zunahme der Lebensdauer im in- validen Zustande, d. h. eine größere als die bisherige Belastung der Vereinskassen erwarten.

Läßt man den Unterschied von Ganz- und Halbinvaliden un- berücksichtigt, und sieht man die Doppelzählung einiger Individuen, welche beiden Klassen angehört haben, als unerheblih an, so findet

man für das Lebensalter der Invaliden im Jahre 1878 solgende Uen: ias