1880 / 65 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 16 Mar 1880 18:00:01 GMT) scan diff

heim, die Sache durch Jnterpellation oder förmlihen Antrag zur Sprache zu bringen, so würde er die Diskussion ee gelassen haben. Bei der Auskunft aber, die dem Hause ge

geben worden sei, könne man sich unmögli beruhigen. Also entweder habe man Seitens des Bundesraths heute die Güte, dem Hause ju sagen, weshalb der österreihishe Handelsver- trag nit als ein solher ersheine und worin dieser Vertra fih wesentlih unterscheide von dem andern Vertrage, so da derselbe nicht vorgelegt zu werden brauche, oder er würde wahrscheinlich gezwungen sein, die Frage auf einem anderen Wege zur Verhandlung zu bringen. Zunächst aber habe er die mehr entgegenkomimende [Form einer Anfrage an die Re- gierung wählen zu sollen geglaubt. Seiner Meinung na entspreche der vorliegende Vertrag seinem wesentlihen Fnhalte s der sogenannten Erklärung, d. h. dem Vertrage mit Oesterreih, und möchte er nur Seitens der Regierung die untexscheidenden Merkmale zwischen beiden Verträgen und den Grund hören, weshalb der eine vorgelegt werden müsse und der andere niht. Das sei doch eine rein technishe Frage, über die, wie er glaube, der Vertreter des Buydesraths auch ohne Jnstruktion dem Hause Aufs{luß zu geben in der Lage gewesen wäre. ;

Demnächst nahm. der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Wirkliche Geheime Rath von Philipsborn das Wort:

Meine Herren! Jh mö{te nür zur Vorbeugung etwaiger Miß verstäudnisse, die aus der eben gehörten Rede des Herrn Abgeord- neten entstehen möchten, Einiges bemerken.

Ich habe es durchaus nicht überhaupt abgelehnt, daß die Grklärung vorgelegt werden solle. Zweitens, ih habe es Erklärung genannt, nicht um arammatikalishe Studien hier zu treiben und den Unterschied gegen Vertrag hier hervorzuheben, sondern ih habe es „Erklärung“ ge- nannt, weil es so heißt. Jch habe drittens gesagt, dckß es der Regierung ferne gelegen habe, bei Gelegenheit der Erklärung mit Desterreih irgendwie in ‘die Befugnisse dieses hohen Hauses eingreifen zu wollen Findet es sih also bei weiterer Erwägung und bei einem anderen Anlasse, den ih ja heute nicht bestimmt zu bezeihnen im Stande bin, so wird das Haus davon ebenso gut Kenntniß erhalten und ebenso gut Gelegenheit finden, seine Meinung darüber auszu- sprecken, als wenn es gleich geschehen wäre.

Ich méiñe, daß diese Bemerkungen ‘genügen werden, um au@ch das geehrte Mitzlied, Herrn Lasker, zu befriedigen. -

Der Abg. Dr. von Bunsen sprach der Reichsregierung seinen Dank dafür aus, daß es derselben gelungen sei, zu einem festen Vertragsverhältniß mit den hawaiishen Jnseln zu gelangen, und knüpfte an Artikel 3, der eine Bestimmung über die Küstenfrachtschiffahrt enthalte, die Bitte an die Re- gierung, si über die Frage der Küstenfrachtfahrt an deutschen Küsten, die den Bundesrath beschäftigen solle, auszusprechen ; es habe sih eine gewisse Aufregung der weitesten Kreise be- mächtigt, so daß ein beruhigendes Wort der Regierung E sei.

er Abg. Dr. Gareis erklärte, was den deutsch-österrei- chischen Handelsvertrag anlange, so sei auch er der Ansicht, daß derselbe dem Reichstage vorgelegt werden müsse. Der vorliegende hawaiishe Handelsvertrag, dessen Art. 22 (über qie Befugnisse der Konsuln an Bord von Handelsschiffen) er für ein völkerrehtlihes Meisterstück halte, charakterisire ih als ein Reziprozitätsvertrag. Einem größeren Staatswesen egenüber, als es die Hawaii-Jnseln seien, würden die Be- immungen dieses Vertrages zu bedenklichen Konsequenzen fia Derselbe enthalte nämlih einen Bruch mit der Kon- ulargerichtsbarkeit.. Dié eigene Jurisdiktions8- und Terri- torialhoheit Deutschlands werde damit durchbrohen. Das sei ein Punkt, der sich zu einem Reziprozitätsvertrage nicht eigne. Dennoch könne er dem Hause die Annahme des Ver- trages nur empfehlen.

Der Gra Ld Hofmann erklärte, daß die Reichs- regierung sich über die einzelnen Anfragen Aufklärung zu oe für die zweite Lesung vorbehalte. Dem Abg. von

unsen gegenüber bemerke er {hon heute, daß ein Geseß- entwurf über die Küstenschiffahrt an deutschen Küsten dem Bundesrath bereits vorliege, welcher darauf abziele, die vielen partikularrechtlichen Vorschriften abzuschaffen und einheitliche Normen zu \chafffen. Das Bedürfniß dazu nachzuweisen und die Art und Weise, wie dem Bedürfniß genügt werden solle, f rechtfertigen, werde Aufgabe der Regierungen sein, wenn ieser Entwurf im Reichstage zur Berathung komme.

Damit {loß die erste Berathung ; die zweite Berathung, welche im Plenum stattfinden wird, wurde auf Antrag des Abg. Freiherrn zu Frankenstein von - der heutigen Tages- ordnung abgeseßt.

Hierauf wurde die zweite Berathung des Reichshau s- halts-Etats pro 1880/81 fortgesetzt.

Die Einnahmen des Reiches aus den Zöllen, Ver- brauchssteuern und Aversen werden veranschlagt: 1) aus den Zöllen auf 166 851 000 446 (gegen das Vorjahr 62 446 960 #4, mehr) ; 2) aus der Tabaksteuer auf 369 000 46 (gegen das Vorjahr 530 590 # weniger); 3) aus der Rüben- uCerstéuer auf 46 780 700 é (4 642 150 A weniger); 4) aus èr Salzsteuer auf 35 740 790 M. (1188 010 M mehr); 5) aus der Branntweinsteuer auf 35726 620 # (gegen das Vorjahr 3872670 # weniger); 6) aus der Braustèuer auf 15 327 760 A6 (627 540 A6 oed und 7) aus den Aversen auf 6.400 600 # (gegen das Vorjahr 1 519 230 4 mehr).

Der Referent Abg. Dr. Frhr. von Hertling empfahl die unveränderte Annahme dieser Titel; in der Kommission sei allèrditigs, ein Antrag auf Erhöhung derselben um zusammen 6/000 000 6 ‘eingebracht, abéxr von der Regierung entschieden Ln und: von der Mehrheit der Kommission abgelehnt worden.

Der Abg. Richter (Hagen) führte aus, die Frage. des östexreichishen Handélsvertrages sei vorher hon von dein Abg. Lasker angeregt worden, und hoffentlich werde si bei der zweiten Lesung des Vertrages mit Hawaii noch Gelegenheit finden, das Thema eingehènd zu erörtern, denn es handele ih nit blos um eine interessante Débatte, sondern um die Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte des Reichstages und Seitens der Regierung sei dem Hâuse niht blos nachzuweisen, gu der Vertrag zweämäßig, sondern auch, daß die Rechte des Réè diu niht geschädigt seien. Die Genehmigung des Reichstages sei aber nach * Artikel 4 und 24 der Ver- fassung für alle Verträge, welche die Zoll: und Han- delsgéseßgebung und die für die“ Zwecke des Reichs zu verwendenden - Steuern argen: nöthig. pu diesen erei falle ohne Zweifel die Méistbegünstigungsk. aufel, da sie zwar nicht O Gesehe abändere, aber die künstige Géeseßgebung vinkulixe. Wenn dies dur den einseitigen Aft eines Réichskänzlers möglich: wäre, so würde die Jnitiative in der Gesehgebung für den Gag, dei Bundesrath und! je- den späteren Reichskänzlèr thatsählih aufhören. Wenn man auf eîne andere Gelegenheit warten wolle, diese Säche im

dahin der Handelsvertrag {hon 6 Monate abgelaufen sein. Rechtlih mache es keinen Unterschied, ob dex Vertrag auf 6 Monate oder auf längere Zeit gelten solle. An der baldigen Vorlegung des Vertrages hätten die Od Uner vielleicht noh ein größeres Jnteresse als die Freihändler. Die Meist- begünstigungsfklausel sei in der Handelspolitik immer die Las e gewesen, um Differentialtarife zu erzielen. Diese age sei auch für die Verlängerung des belgishen Handels- vertrages von praktischer Seins Deshalb wolle er Alzanaen mit dée Abg. “Lasker ‘béi der zweiten Be- rathung des Vertrages mit Hawaii beantragen, den Reichs- kanzler aufzufordern, dem Reichstage den Handelsvertrag mit Oesterreih-Ungarn vom 31. Dezember 1879 zur verfassungs- mäßigen Genehmigung vorzulegen. Was seinen Jnhalt be- treffe, so solle derfeldé nach der Erklärung des Bundesraths- Bevollmäthtigten ein politisch begründetes Verhältniß pflegen. Nun seien ja die äußeren politischen Beziehungen zu ODester- reih so günstig, wie kaum jemals zuvor. Bei der Jnter- pellation wegen der russischen Kornzölle habe der Reichskanzler betont, daß die allgemeine äußere Politik und Handels- politik zwei ganz getrennte Dinge seien, ein Standpunkt, den er niht sür möglich halte. Hier sollten nun umge- kehrt die innigsten politischen Beziehungen und auch ein ähnliches materielles Verhältniß zur Pflege empfohlen werden. Er meine aber, die allgemeinen politishen Be- iehungen hätten nur dann Dauer, wenn sie sih auf eine enge erflehtung der materiellen Jnteressen gründeten. Troßdem die Handelsbéziehungen / Deutschlands zu Oesterreih so günstige gewesen seien, sei es um so auffallender, daß nicht etwa blos das Vertragsverhältniß ' über den 1. Januar hinaus aufrect- erhalten, sondern daß es in diesem neuen Vertrag erheblich eingeshränkt sei. Wenn diese Handelsvertragsbeziehungen also ein Abbild der allgemeinen politishen Beziehungen sein sollten, so müßten leztere nicht eine Ausbildung, sondern einen Rückgang erfahren haben. Es sei nun die Meinung verbreitet gewesen, daß die 6 Monate dazu dienen sollten, um inzwishen das Vertragsverhältniß auf einer breéiteren Bais anzuknüpfen und zu vereinbaren. Man habe auch Anfangs von Konferenzen gehört; aber jeßt seien die 6 Monate ziemlih nahe gerückt, ohne daß die Sache einen Fortgang gehabt habe. Die Politik Deutschlands der Pflege der Sonderinteressen sei eben nicht als Basis für Handelsverträge geeignet, die nux auf dem Boden der Gemeinsamkeit gediehen. as Schußzollsystem sei das Gegentheil der internationalen" Arbeitstheilung, auf der allein die Handelsverträge erwüchsen. Wenn man, wie die „Provinzial-Korrespondenz“, die Export- industrie für etwas Künstliches halte, womit man nur Hand- langerdienste für auswärtige Zwecke leiste, so komme man nicht dazu, Handelsverträge von einiger Bedeutung abzuschließen. Entgegen der Verheißung des Reichskanzlers in jeinem De- zemberbriefe, daß man erst nah Durchführung des autonomen Tarifs günstige Handelsverträge abschließen können werde, sei man mehr als je von einem Handelsvertrage mit Oesterreich entfernt, der nur entfecnt den Werth der früheren Handels- verträge für Deutschland haben könnte. Auf dem Prinzipe der Stabilität sei kaum ein Vertrag zu machen. Von der Anregung einer Zollerhöhung habe selbst der Centralverband der Fndustriellen in vertraulihen Cirkularen seinen Leuten abgerathen. Die Oesterreicher wüßten auch ganz gut, daß an eine Zollerhöhung in-Deutschland niht mehr zu denken sei. Er „fürchte, daß man nicht, “einmal den! Veredelungs : verkehr in einem neuen Vertrage aufrecht erhalten und schüßen werde. Die Benahtheiligung und Ein- s{hränkung der FJndustrie durh die eingeführten Veredelungszölle verursahten immer lautere Klagen. Was nun die Folgen der néuen Zollpolitik Deutschlands an- lange, so höre man troß der kurzen Wirksamkeit des neuen Tarifs doch {hon Klägen genug. Besonders beklage man sich auch an den Grenzen über die Einschränkungen, die der Jn- dustrie auferlegt - seien, und diese Beshwerden nähmen fort- während zu. Der Abg. Lasker habe heut s{hon den Flachszoll gestreift. Bereits vor drei Wochen habe er eine auf die Auf- hebung desselben bezügliche Anfrage an den Abg. Windthorst gerichtet und hätte erwartet, daß längst “die entsprechende Jnitiative von Seite des Abg. Windthorst ergriffen worden wäre. Er wolle demselben noch bis morgen Zeit lassen, andernfalls müßte er einen bezüglichen Antrag stellen. Denn die Mas wolle endlih beruhigt sein und wissen, woran sie sei. Es sei ein Jrrthum, wenn gesagt werde, daß der Schußzoll , welcher der Leinenfabrikation gewährt worden sei, den Nalhtheil des Flahszolls paralysi-e. Jm vorigen Fahre seien die Abschlüsse der Leinenindustriellen nur darum ut gewesen, weil das Rohmaterial, der Flachs, in Rußland ehr gut gerathen und in Folge dessen billig geworden fei, die Qualität des russischen Flachses sei au eine bessere, als die des deutschen. Durch eine Ershwerung der Leinenindustrie würde nur den Baumwollproduzenten in die Hände gearbeitet. Noch einen Punkt möchte er hier hervorheben. Die Regu- [lative für den Transithandel mit Holz und Getreide seien noch nicht definitiv festgestellt, die bisher bekannt gewordenen Entwürfe fänden aber durchaus nicht den Beifall der ele So habe man ganz besonders in Danzig große Besorgnisse. Die Danziger Kaufmannschaft führe aus, daß es ja eigentlih Getreidetransitlager überhaupt nicht gebe, da das Getreide nicht direkt auf den Speicher des Exporteurs oder Kommissionärs komme, um zur Sue be- stimmt zu werden. Es müsse sich je M der Konjunktur erst immer entscheiden, ob das lagernde Getreide zur Ausfuhr komme oder im Jnlande verbleibe. Reine Transitlager hätten also gar keinen Werth. Was aber die anderen Lager betreffe, so ‘sei deren Einrichtung so ershwert, daß die Kaufmannschaft behaupte, es heiße eigentli die vorhandenen allmählih unter- drücken und diesen Handelszweig aussterben lassen. Noch leb- haster klagten die Müller über das auf die heutige Mühlen- industrie gar nicht passende Regulativ, welches von der Vor- aussezung ausgehe, daß in jeder Mühle ‘der Getreidespeicher und die eigentlihe Mühle räumlih getrennt seien, was viel- fah nicht der Fall sei. Das Regulativ gehe von noh anderen falschen Voraussezungen aus, auch von der, daß man die Mischung eines bestimmten Getreides zum Mahlen nur vorher bestimmen könne, während die Mischung oft nihl eine Stunde vorher bestimmt werden könne, da sie ' von Witterungs- einflüssen und plößlihen Bestellungen und anderen Umständen abhängig sei. Nach der, wie er glaube, rihtigen Ausführung der Müller könne dem ZFnteresse der Exportindustrie nur ge- nügt werden, wenn man Jeden ein solhes Quantum zollfrei A lasse, wie derselbe nahweislich wieder Getreide aus- re. unausführbar; dann führe dieser Getreidezoll zur Vernichtung

Zusammenhang mit einer andêren zu erörtern, so könne bis

Wolle man das nicht, sei die ganze Sache überhaupt |

Richter vollkommen einverstanden, daß es ein unglückŒlicher des deutshen Zwischenhandels, des Geschäfts, welches die i i (

deutshen Mühlen im Export noch hätten. Eine Amendirung des Geseßes über den Getreidezoll nah dieser Richtung hin erscheine thm demnach unerläßlich, Er giaude ferner, es müßte dies die Majorität Abervongs bedenklich machen gegen die Aufrechterhaltung des Getreidezolls, fut dessen Unhaltbarkeit die ehrlihe Probe täglich mer Thatsachen zu Tage fördere. Es sei noh neuli gesagt worden, troß Eintritt des Zolles am 1, Januar sei do keine Preiserhöhung eingetreten. Die Sta- tistik zeige das Gegentheil ; darnach hätten fih, und zwar gerade im Januar, die Preise mindestens um den Betrag des Zolles erhöht. Der Weizenpreis für 100 Kilo sei im Durchschnitt des preußischen Staates gestiegen vom Dezember auf Januar um 1 M, der Roggenpreis um 2 4, der Gerstenpreis um 1 Diese Preisbewegung seße sih fort, theils weil allmählich die Vorräthe der Ernte zu Ende gingen, theils weil der Zoll an- fange mehr seine Wirkung zu üben, indem die vor Eintritt es Zolles eingeführten Vorräthe zur Aufzehrung gelangten. Jn Berlin habe man z. B. zur Zeit einen Roggenpreis, wie derselbe bisher seit dieser Ernte überhaupt in der Höhe noch niht gewesen sei. Genau in dem Verhältniß des gestiegenen Roggenpreises verkleinere sih das Fünsgroshcnbrot. Er fönne ganz genau konstatiren, daß eine solhe Verminderung des Brotes genau im Verhältniß zum Steigen des. Roggenpreises erfolge. Der Roggenpreis sei gestiegen seit vorigem Sommer um 50 Proz., man bekomme aso für 100 jeßt nur so viel Roggen wie früher für 662/z, Nun sei auch genau im Ver- hältniß von 100 : 66?/; das Gewicht eines Fünfgroschenbrotes in Berlin gefallen ; denn das leßtere habe noch bis in den September hinein 5 Pfund gewogen und wiege jeßt 3,30 Pfund, also 31/z Pfund. Das Gewicht sei also von 5 auf 3!/; zurück- gegangen, d. h. genau in dem Verhältniß, wie der Roggen gestiegen sei. Dabei vertienten Müller und Bäcker keineswegs fo besonders viel, daß ihnen die Thaler nur so aus den Rockschößen ge- flopft werden könnten. Die besonders gut situirte hiesige Aktienbäckerei, die zugleih vermahle und backe, habe im vori- gen Fahre auf - den Centner Roggen cinen Geschäftsgewinn von 30 Pfennigen gehabt, also an Mühle und Bäckerei nur 3/5 von dem verdient, was der Zoll betrage. Daher sei in dieser 1/; Mark auch_ noch die Verzinsung des Aktienkapitals einbegriffen, Man sche daraus, wie falsh die Bestrebungen der sogenannten Steuer- und Wirthschaftsreformer seien, welche eine Aenderung dieses Zustandes durch polizeilihe Taxen und Beschränkungen herbeiführen zu können glaubten. Nach Allem, was er höre, seien Müller und Bäcker jeßt in keiner so be- neidenswerthen Lage, daß sie irgend welche Einschränkungen noch weiter, vertragen fönnten. Aber nicht nur kleiner sei das Brod geworden, es habe sih auch in der Qualität bedeutend vershlehtert. Zum Beweise für diese Lehauptung verlas Redner die Zuschrift des Vertreters eines Berliner Mühlen- etablissements, das ungefähr den dritten Theil des in ganz Berlin konsumirten Roggens 2500 Centner täglich vermahle und aus dem hervorgehe, daß seit ca. 3 Monaten für die geringeren Mehlsorten, die im Allgemeinen nur als Schweinefutter und zur Herstellung von Kleie benußt würden, eine so allseitige, außergewöhnlih starke Nachfrage eingetreten sei, daß diese Nummern augenblicklih gänzlih fehlten. Mit dieser Nachfrage sei auch der Preis (Zweimehl von 12 auf 19 M, Dreimehl von 11 auf 171/,—18 M) gestiegen, und gleichzeitig sei der Absaß des eigentlihen Brodmehls 01 zurück- gegangen. Dies zeige, daß man volkswirthschaftlich die Preis- steigerung zu übertragen suhe durch Verschlehterung der Qualität. Das sci die bedenklihste Ersheinung und eine Folge in erster Linie der ungünstigen Ernte, in zweiter Linie aber der Preissteigerung dur die Zölle. Er halte es für ehrlich, diese Thatsachen hier hervorzuheben gerade gegenüber den- jenigen, welche jeßt dem Reichskanzler Dankadressen darbräch- ten für den angeblih großen Segen, den das neue System überall im Lande hervorbringe. Natürlich rührten alle diese Dankadressen nur aus den bekannten Kreisen der Schußzoll- agitatoren her, welchen Deutschland zum großen Theile diese Segnungen verdanke.

Der Abg. Udo Graf zu Stolberg-Wernigerode bemerkte, mit Recht habe der Abg. Richter darauf hingewiesen, daß die Kern- frage des deutsch: österreihishen Handel3vertrages der Vered- lungsverkehr sei. Denn daß die zollfreie Rohleineneinfuhr nicht wieder eingeführt werden würde, dürste kaum mehr zweifelhaft sein, Deutschland sei auf dem Standpunkte an- gelangt, wo Desterreih bei dem Veredlungsverkehr einen Vor- theil habe, niht Deutschland. Freilich werde dies bestritten, es hätten sich ja Fabrikanten an das Handels-Ministerium oder an das Reichskanzler-Amt gewendet, und um die Auf- rechterhaltung des“ Veredlungsverkehrs gebeten. Es sei aber vollständig falsh, wenn man denke, derselbe sei eine Kon- zession, die Desterreih Deutshland mache. Was den Flachs- zoll angehe, so finde er es begreiflih, daß alle diejenigen, welche im vorigen Jahre gegen die neue Wirthschaftspolitik gewesen seien, jede Gelegenheit“ benußten, um dieselbe wieder abzuändern. Aber alle diejenigen, welhe mit seiner Partei zusammen den neuen Zolltarif zu Stande ge- bracht hätten, sollten doch das größte Bedenken tragen, an den Dingen schon jeßt wieder zu ändern; man müsse den neuen Tarif ers wirken lassen und sehen, was daraus werde; den Flachszoll sollte man doch wenigstens ein Jahr lang bestehen lassen, dann werde sih zeigen, daß derselbe durhaus nicht A wirké. Der Abg. Richter habe oen, der Flachszoll brächte der Landwirthschaft einen Vortheil, einmal, weil derselbe zu gering sei, und dann, wéil der deutshe Flachs mit dém russishen niht konkurriren könne. Das sei dieselbe Beweisführung, die im vorigen Fahre jedén Tag gegen seine Partei ins Feld geführt sei, sobald es sich um folhe Zölle gehandelt habe. Beim Roggenzoll, beim Sala habe es immer geheißen, der Zoll helfe der Land- wirths{haft nichts, derselbe sei zu gering; außerdem habe der russishe Weizen und Roggen ganz andere Qualität, mit dem- Me könne der deutsche nicht - konkurriren. Bei dem Hol abe man si ebénso geäußert. Er gehe darum heute Bräu nit weiter ein. Der Reichstag habe: sich im vorigen Jahre über! diese Frage {lüssig gemaht. Wenn das rithtig - wäre, wás der Abg. Richter über Flahszóll sage, so hätte man den U D I übérhaupt nicht einführen dürfen. Er behaupte auch, daß der Flahszoll der Leinenindustrie keinen Schäden thue; er habe mit Sachverständigén' berehnéet, daß bei den groben’Nummern, bei Nr. 16 und 20, immér noch ‘gegen frü- hèr für die Spinner eine erhebliche Zollerhöhung stattfinde. Es könne’ sich natürlih nur üm das Fnteresse der Spinner handeln, denn den 'Wébern sei die Sache vollkomnién glei A Bei feinen Garnen aber sei die Sache auch für die

pinner vollkonimen irreleyänt. Darin sei er mit dem Abg.

Gedanke sein würde, der Leinenindustrie jeßt noch aufhelsen

u wollen dur eine Erzeug der Garne- oder Gewebezblle.

Has sei aber seiner Auffassung nach gar nicht nöthig, denn die Leinenindustrie gee ih s dem Anfang dieses Jahres bedeutend gehoben ; sie werde sich noch weiter heben, und dazu sei nihts Anderes nöthig, als daß man an dem autonomen Ta- rife festhalte und sich auf gar keine Zugeständnisse und in- sonderheit niht auf den Veredelungsverkehr einlasse.

Der Abg. Dr. Karsten hielt nah wie vor daran fest, daß die A viel zu niedrig normirt seien. Die Berehnung der äge mit 71 Mill., die er im Verein mit dem Abg. Dr. Delbrü in der vorjährigen Kommission aufgestellt habe, habe um so mehr Begründung, als sie ohne Rücksicht auf die höhe Tabak- steuer und eine Anzahl später vorgenommener Zollerhöhungen, B. des Roggens, vorgenommen sei. Der Vorschlag des Abg. Dr. Delbrüdck, den Anschlag von 66 Mill. um 6 Mill. zu er- höhen, könne also nur gebilligt werden. Die von der Regie- rung gegen solche Erhöhung vorgebrachten Einwände seien nicht stihhaltig. Ein dunkler Punkt in der neuen Zoll-Geseß-

eseßgebung seien noch die Export-Bonifikationen, namentli

für Mühlenprodukte. Jm vorigen Jahre sei sehr warm A eingetreten worden; jeßt mache der Bundesrath Schwierigkeit und stelle für die Transitlager reglementarische Bestimmungen auf, die O bei der Berathung des Zolltarifs inten- dirten Erleichterungen'illusorisch machten. Die niedrige Bemes- snuqa der Helene schaffe der Regierung eine Reserve, die gegen die Bewilligung neuer Steuern sehr vorsihtig machen müße.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Di- reftor im Neihs-Schaßamte Burchard das Wort:

Meine Herren! Der Hr. Abg. Richter hat mehrere Punkte von genereller Bedeutung hervorgehoben ; bezügli einiger derselben ift bereits von dieser Seite (rechts) des hohen Hauses erwidert worden, und ih möchte namentli auf den ersten Gegenstand, den der Hr. Abg. Richter berührte, nämli den Handelsvertrag mit Oesterreich, jeßt nicht näher eingehen, da derselbe bereits bei der ersten Nummer der Tages- ordnung zur Sprache gebracht worden ist und außerdem ein bezüglicher Artrag angekündigt worden ist, der demnächst zur Berathung kommen wird. Auch hinsichtlich des Flachs8zolles ist von dieser Seite (rets) des Hauses aus {hon auf das, was der Hr. Abg. Richter angeführt hat, geantwortet worden. Meine Herren, ih hatte {chon bei der ersten Berathung dieses Etats die Ehre, anzugeben, vop im Schooße der verbündeten Regierungen ein Antrag auf Auf- hebung des Fla8zolls nicht gestellt sei. Es ist ja wohl auch natür- li, daß, wenn im vorigen Jahre unter großer Mühe und mit Hin- gebung aller Kräfte ein Tarif vereinbart ist und diese Vereinbarung nach hôhsstt \chwierigen Kämpfen zu Stande gekommen ist, man gut thut, nicht an den Einzelheiten einer solchen Vereinbarung zu rühren, sondern erst abzuwarten, wie si der Tarif im Großen und Ganzen be- währen wird. Die Industrie bedarf der Stabilität, es muß erst eine gewisse Zeit rergehen, ehe diese neuen Zölle ihre Gesammt- wirkung äußern können, erst dann wird sich übersehen lassen, ob und in welcher Weise die Abänderung und Ausfeilung im Ein- zelnen nothwendig und zulässig sein wird. Jch glaube also nit, daß aus dem Kreise der verbündeten Regierungen heraus ein Antrag auf Aufhebung des Flachëzolles an das hohe Haus gelangen wird, zweifle aber niht daran, daß, wenn ein solcher Antrag aus der Mitte des Hauses hervorgehen wird, die verbündeten Regierungen ihn in die unbefangenste Erwägung ziehen werden.

Ferner hat der Hr, Abg. Richter und auch der Hr Abg. Dr. Karsten die Ausführung des §. 7 d:8 Zolltarifgeseßes berührt, also die Regulative, welhe dazu dienen sollen, den Lransithandel mit Getreide und Holz und die Ausfuhr von Mühlenfabrikaten zu er- leihtern. Jch habe über diesen Gegenstand {on in der Budgetkommis fion einiges zu erklären gehabt. Es ist außerordentlich s{chwierig, diese Bestimmungen festzustellen; auf der einen Seite sollen die Wünsche der Industrie möglichst weitgehende Berücksichtigung finden, auf der andern Seite ist es aber auch unerläßlich, daß das finanzielle Interesse, so weit es. mit diesen Wünschen irgend vereinbar ift, ge- wahrt bleibt. Die richtige Mitte hierbei zu finden, ist gewiß außerordentlich \chwierig. Ih kann versichern, daß an der Ausarbeitung dieser Negulative von verschiedenen Seiten emsig

earbeitet, daß es aber noch nicht völig gelungen ist, sie zur GFefst-

ellung zu bringen. Es beweist dies eben, daß man allseitig bemüht ist, des Wünschen der Industrie möglichst Rechnung zu tragen, und ich glaube, daß es nicht mehr sehr lange Zeit dauern wird, bis auch diese Regulative Seitens der Bundesre- gierungen festgeftellt sein werden. Inzwischen hat die Industrie meines Erachtens wenig Anlaß zu Beshwerden. In den größeren Staaten, namentlich in Preußen, sind provisorishe Bestimmungen erlassen, welche die Absicht haben, diesen Punkt unter Vorbehalt der Gntsheidung des Bundesraths so zu regeln, wie es richtig zu sein s{eint. Diese Bestimmungen bieten gerade die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln, und auf Grund derselben zur definitiven Feststellung der Regulative und Bestimmungen zu gelangen.

Wenn der Hr. Abg. Dr. Karsten auf meine Erklärung in der Kommission gesagt hat, daß jene Bestimmungen über die Mehlaus- fuhrvergütung in gar keinem Zusammenhang mit den Bestimmungen über Getreide: Privattransitläger ständen, I muß: ih das doch bestreiten. Es ift allerdings \{chwierig, auf diesen Gegeustand hier aäher einzu- gehen, weil er gewisse technishe Erläuterungen vorausseßt. Man versteht im Zollwesen unter Transitlägern niht blos solche Läger, in denen der Gegenstand lange aufbewahrt wird, sondern auch die Form, in der allgemein die Veredelung kontrolirt wird. Es ist deshalb von vorn- herein als nothwendig anerkannt worden, daß diejenigen Mühlen, welche bei ter Ausfuhr von Mehl, das aus ausländischem Getreide herge- stellt ist, eine Begünstigung im Zoll verlangen, au ein Privatlager von. ausländischem Getreide besißen müssen, sonst würde sich über- haupt eine Form der Kontrolirung dieses Verkehrs kaum finden lassen. Also insofern ist es doch zutreffend, was ih damals erklärt habe, daß die Schwierigkeiten, Bestimmungen

ür die Ausfuhr von Mehl zu erlassen, wesentlich da-

utch bedingt seien, daß über die Formen, unter denen ein Transit- lager für Getreide zuzulassen sei, zur Zeit eine Klar- stellung noch nicht gewonnen sei. Daß man natürli bei den Bestimmungen über die der Mehlausfuhr zu gewährenden Erleichterungen niht wird davon ausgehen können, eine Vertauschung zwischen inländischem und ausländischem Getreide für die Mühlen allgemein zuzulassen, ist schon bei der Berathung der vorjährigen N hervorgehoben worden. Diese e a atr können und wollen die Regierungen nit zulassen, und demgemä ist auch vom Reichstage beschlossen worden, Es ist davon auszu- gehen, daß die Müller, welhe ausländishes Getreides zu Mehl ver- arbeiten, bei der Ausfuhr desjenigen Mehls, welches aus aus- ländishem Getreide hergestellt it, eine Zollvergünstigung haben ik aber nicht eine Zollvergünftigung für jedes Mehl, welches sie a ren.

Fch will dann nicht näher eingehen auf die allgemeinen Bemer- kungen, die der Hr. Abg. Richter bezüglich der Wirkung des Getreide- zolls gemacht hat; ich möchte nur auf eine Behauptung hinweisen, die nur das nicht zu beweisen hien, was sie I sollte. Der Hr. Abg. Richter sagte, das nage hätte bis zum 1. Sep- tember 5 (he gewogen , seitdem wäre das Gewicht des Brodes auf

ca. 3 Pfd. heruntergegangen. Er fügte hinzu, das sei die Wirkung des Zolls. (Ruf: Das hat er nicht gesagt!) Ih habe es wenigstens 10 verftanden. Wenn das behauptet worden wäre, so wäre es meines Erachtens nit zutreffend. Gerade daß am 1. September bereits dieser Rückgang eingetreten is, beweist, daß leßterer nicht zusammenhängt mit dem Zoll, sondern mi: anderen Verhältnissen, nämlich mit der Steigerung der Preise in Folge der allgemeinen Konjunkturen.

Ich darf mic wohl \{ließlich noch gestatten, auf die Ausflih-

rungen des Hrn. Abg. Karsten einzugehen. Derselbe hat im Allge- meinen vermißt, daß Seitens a Regierung keine Spezial- berechnung über die Mehrerträge der Zölle vorgelegt sei. Es ist ein bezügliher Wunsch, so weit ich virnommen habe, bisher nicht ausgesprochen worden; würde er ausgesprochen worden sein, so würdé die Regierung es für ihre Pflicht gehalten haben, eine solhe Berechnung vorzulegen. Wenn die Komtiissión davon abgesehen hat, einen solben Wunsch zu äußern, so ift. dies, wie ih annehme, in der Erwägung geshéhen, daß {hon die Er- füllung ‘dieses Wunsches mit einigem Zeitaufwande verbunden wäre, und daß es jedenfalls zu einer sehr langwierigen Berathung kommen würde, wenn man über die einzelnen Positionen des von der Re- gierung zu Grunde gelegten Anschlags im Gegensaße zu dem An- schlage, den die drei Herren im vorigen Jahre vorgelegt haben, in Berathung treten würde. Aber falls der Wunsch ausgesprochen wird, so glaube ich die Erfüllung desselben durchaus zusichern zu können. Es hat dann der Hr. Abg. Karsten geäußert, wir hätten .ver- muthlih schon ‘die statistishen Ausweise pro Februar. Mir liegen sie, wie ih versichern kann, nicht vor und dem Me apa ans auch nit; ob sie überhaupt {on vollständig fertiggesteUt sind, ver- mag ih jeßt niht anzugeben. Da der Hr. Abg, Karsten über den Mehrertrag der Zölle einen Antrag, der von dem Seitens Ihrer Kom- mission eti¿lltén abweicht, nicht eingebracht hat, so kann ih mich wohl enthalten, auf die Spezialitäten der Veranschlagung näher ein- zugehen; es würde das mit dem Zeitaufwande in keinem richtigen Verhältniß stehen. Ih will abec noch diejenigen Punkte berühren, von denen schon in der ersten Lesung die Rede war, nämlich die Veranschlagung des Kaffeezolls, des Salzzolls und des Korinthenzolls. Beim Kaffeezoll, glaube ich, kann ih mich sehr kurz fassen. Wenn die Herren bei einer Erhöhung des Zolls von 17§ auf 21 pro Centner einen gewissen Konsum des Kaffees zu Grunde gelegt haben, so glaube ich, kana man unmöglich nun einen wesentli an- deren Konsum zu Grunde legen, wenn man von einer Erhöhung von 174 auf 20 M ausgehen muß; sonst würde ja die Sicherheit jener Veranschlagung außerordentlich in Srage gestellt sein. Es ist aud keine Merffenhe Behauptung, daß der Kaffee eins{ließlich der Surro- gate sih während der leßten Jahre fortwährend gesteigert hat. Ich glaube, die Majorität der Budgetkommission hat in der That wenig Zweifel darüber gehabt, daß bei dieser Pasition 1990000 4 in Ab- zug zu bringen seien. : i: : Was nun das Salz betrifft, so weicht die Aufstellung der drei Herren O des hohen Hauses in dieser Beziehung vollständig ab von den Grundlagen, die sonst bei Aufstellung dieser Berechnungen eingehalten worden sind. Ich muß mir erlauben, auf den Gegen- stand etwas näher einzugehen. i Es heißt die Ueberschrift der Spalte 4 jener Berechnung: e Zoll» salz pro Centner früher —, jeßt —“. Nun ist bei Salz angeführt : „Zollsalz pro Centner früher frei, künftig 04 #“. Das ist that- \ächlich nicht zutreffend, es giebt auch ein vollständig falshes Bild. Es mag diese Angabe vielleiht für den Sachverständigen, der mit allen Einzelnheiten ganz genau Bescheid weiß, erklärlich sein, aber für den, der diese Einzelnheiten nicht vor Augen hat, ist es unter keinen Umständen verständlih. Es ist auch in keiner Weise etwa in einer Anmerkung hinzugefügt, weshalb in diesem einzigen Punkte von der sonst unverbrühlih eingehaltenen Regel der Aufstellung abgewichen sei. Es hätte doch mindestens gesagt werden müssen: hier bei dieser Position ist noch 1 600 000 oder 1 700 000 M. als ein Plus eingestellt worden, es ist dieses Plus aber nicht Zoll-, sondern Salzsteuer und muß dahin gehören. Es würde eine solche Anmerkung freilih auch der Ueberschrift widersprochen haben. Diese heißt: spezielle Abshäßung der Minimalecträge nah dem neuen Zoll- \vystem, also es ist beabsichtigt worden, die Zollerträge zu fixiren. Wenn man es aber auch verstehen könnte, daß die Rechnung damals so aufgemacht ist, so ist es doh vollständig E jeßt also, wo wir den Etat vorliegen haben, wo wir wissen, daß bei der Salzsteuer ein Betrag von ciner Million in Zugang gebracht worden ist, nun von jener Berechnung der drei Herren auszugeben, während diese selbe Million anderweitig in Zugang gebracht ist, so daß wir diesen Betrag doppelt berechnet hätten, einmal bei der Salzsteuer und das zweite Mal beim Zoll. Das würde entschieden zu einem unrichtigen Resultate führen müssen. i ; Bezüglich der Korinthen und Rosinen habe ih das Erforderliche bei der ersten Berathung gesagt. Es ist {on bei der zweiten Bes rathung des Zolltarifs der frühere Zollsaß für Korinthen und Ro- finen beibehalten worden. Die Position, die in der Berechnung unter 25 h aufgeführt worden ist, besteht aus getrockneten Datteln, Korinthen und Rosinen. Es ist das für die Gesammtmenge der Ein- fuhr dieser Artikel die Zollerhöhung von 12 auf 15 # angegeben worden, während die Erhöhung nur bezüglich der getrockneten Datteln ein- etreten ist. Die Einfuhr der leßteren bildet aber nur einen kleinen Theil dieser ganzen Tarifposition. Die Erhöhung des Zolls auf ge- trocknete Datteln war nicht für ca. 380 000, sondern nur für etwa 80 000 Ctr. zu berechnenz; 300 000 Ctr. fallen eben auf die Korinthen. Meine Herren! Ueber die Veranschlagung der Getreidezölle möchte ih Näheres nicht ausführen. Ich glaube in der That, daß man bei unbefangener Betrachtung der Sacblage, wenn man erwägt, daß der oll für Getreide erst am 1. Januar zur Einführung gekommen ist, erner daß die Export-Länder, namentlich Rußland und Desterreich fich naturgemäß bemüht haben, die Ueberschüsse der vorjährigen Ernte nah Deutschland noch vor dem 1. Januar einzuführen, nicht annehmen können wird, daß aus diesen Ländern und auch aus Amerika noch ein erheblicher Betrag der vorjährigen Erute nach dem 1, Zanuar d. J. eingehen wird. Es läßt si in der That nur, oder wenigstens vorwiegend nur, auf die E der künftigen Ernten renen, und daß damit eine Verringerung der infuhrmengen gegen das Normale herbeigeführt sein muß, liegt auf der Hand. Der Hr. Abg. Karsten hat auch die Getreidevorräthe besprochen, die si bei uns angesammelt habea. Jch habe nicht recht verstanden, weshzlb diese Vorräthe, die \sich unzweifelhaft nah der Statistik im Inlande be- finden müssen, bei der Veranschlagung unberüd sichtigt bleiben sollen. Es hat im Jahre 1879 beim Roggen eine Mehreinfuhr über die Ausfuhr von ca. 26 600000 Ctr. stattgefunden, dagegen be- trägt der Durchschnitt der Mehreinfuhr in den Jahren 1874— T7, welcher der Berechnung der drei Herren zu Grunde gelegt worden ist, nur etwa 16 800 000 Ctr., es ist das eine Differenz von nahezu 10 Ar d 5 Las bei anderen Getreidearten fteut sich ein ähnliches Verhältniß heraus. y ch glauve hiernach, daß die überwiegende Mehrheit des hohen e sich zu der Ansicht bekennen muß, daß der Anschlag des ehrertrags der Zölle, wie er im vorliegenden Etat enthalten ift, keineswegs zu niedrig gegriffen ist, sondern vielleiht eher zu hoh. Fch weiß nicht, ob ih noch näher eingehen soll auf die Ertrags- berechnungen, die seiner Zeit in Bayern Uen worden sind und die wunderbarer Weise, troßdem sie ganz unabhängig angelegt worden find, in ihren Ie nahezu übereinstimmten mit dem von den verbündeten Regierungen aufgestellten Anschläge. Die bayerische Regierung verans{lagt die Summe der Cinnahmemehrung für 1880 auf überhaupt 60 150 000 Æ aus den Zöllen und der abak|teuer. Dabei is au eine Berechnung des Mehrertrags für den Zeitraum des Gtatsjahrs des Reichs vom 1. April 1880 bis 1. April 1881 aufaestellt. Danach würde der Mehrertrag sich berehnen auf 68 750 000 Æ, im Etatsentwurf ijt aber auf einen Mehrertrag von 69 300 000 A gerehnet worden. Ich glaube deshalb, daß es keinem Anstand begegnen wird, daß das hohe Haus den Etatéanschlägen der verbündeten Regierungen in dieser Beziehung zustimrt. Der Abg. Stumm trat den heutigen Ausführungen des Abg. Richter gegen die neue gZollpolitik entgegen. Es sei rihtig, daß mit einer Verthèuerung des Kornes eine Ver- theuerung des Brodes, resp. eine Verkleinerung anes hänge. Der Abg. Richt:r habe nur nicht nahgewiesen, daß die Kornvertheuerung von den Kornzöllen komme; sie zeige sich auch in Ländern, die keine Kornzölle hätten. Klagen

über besonders s{lechtes Brod seien ihm niht zu Ohren ge-

kommen; aber das Faktum zugegeben, so fehle doh der Nach-

weis des Caufalkonnexes mit den Kornzöllen, d keit er entschieden bestreite. Der Abg. er. auch niht nachgewiesen, wie derselbe es als Mitglied der Antikornzollliga immer versprochen habe, daß die Vertheuerung des Brodes für die Konsumenten sehr fühlbar eworden sei. Die Erwerbsthätigkeit des Landes habe fih- o gehoben, daß die Konsumenten diese geringe Ver- theuerung gern bezahlten. Mit der Aufhebung des Flachszolls [aube er nicht das vorjährige Kompromiß zu brechen. Der ntrag Windthorst-Varnbüler, welcher den: Einführungstermin dieses Zolles auf den 1. Juli d. J. festgeseßt habe, sei ein- stimmig zu dem Zwecke angenommen worden, bis dahin die völlige Aufhebung des Flachszolles durchzusezen. Die heutige Handelspolitik verhindere nicht, wie der Abg. Richter glaube, den Abschluß von Handelsverträgen überhaupt, sondern nur solcher, wie sie bisher zum Schaden Deutschlands Mode ge- wesen seien. Er müsse auch entschieden die kalkulatorische Richtigkeit der Behauptung des Abg. Karsten bestreiten, wona die Regierung die Einnahmen aus den Zöllen und Verbrauchs- steuern um jechs Millionen zu niedrig veranschlagt habe. Die Schäßung der Regierung sei eher zu hoh. Die Etats- aufstellung müsse aber der Wahrheit möglichst nahe zu kommen suchen, man dürfe dabei nicht das Motiv haben, der Regie- rung die Mittel für künftige Ausgaben schon im Voraus ab- schneiden zu wollen.

Der Abg. von Benda erklärte, sich den Ausführungen des Abg: Dr. Karsten durchaus anschließen zu müssen, die vorjährige Abschähung der Abgg. Dr. Delbrück und Dr. Karsten sei ide aus richtig. Dieselbe sei vorgenommen worden ohne Rücksicht auf den erhöhten Getreidezol und ohne Rücksicht auf den Flachszol. Von einem bestimmten Antrage, die im Etat auf- geführten Zahlen zu erhöhen, stehe er ab, indessen werde die Zukunst die Aufstellung des Etats rektifiziren.

Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, den Ausführungen des Grafen Stolberg gegenüber in Bezug auf den österreichi- schen Handelsvertrag, daß er es nicht für opportun halte, über den materiellen Jnhalt desselben heute in eine Diskussion ein- zutreten. Er habe nicht die mindeste Veranlassung, zu glauben, daß die Reichsregierung die Jnteressen des Reiches vernach-. lässigen werde. Was den Flachszoll anbetresfe, so habe er {on seiner Zeit hervorgehoben, daß er den Antrag wegen Jnkrasttretens dieses Zolles zum 1. Juli nur gestellt habe, um demnächst den Antrag auf Aufhebung des Flachszolls daran zu knüpfen. Er habe wiederholt erklärt und erkläre es aue heute, daß er den Antrag einbringen werde, und freue s über die entgegenkommende Aeußerung des Bundeskommissars. Er hätte allerdings eigentlih gehofft, daß die Regierung selbst die Jnitiative dazu ergreifen würde. Die jeßigen Erörte- rungen über den Ertrag der Zölle seien völlig akademischer Natur. Es werde sih ja in diesem Jahre zeigen, was heraus- komme, er denke, daß man bis dahin warten könne, dann werde man ja sehen, wer reht gerehnet habe, wer nicht.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, der Abg. Stumm habe ihn heute wiederholt einen Begründer der Antikornzoll- liga genannt und ihn so dargestellt, als ob er in Dee einer geheimen Konspiration, einer geheimen Liga seine Aussührun- gen mache. Er e umgekehrt das einzige Mal, wo von der Bil- dung einer solchen Liga die Rede gewesen sei, derselben mit der Bemerkung entgegengetreten, daß das überflüssig sei, weil jede freisinnige Partei zuglei eine Antikornzollliga sein müsse. Die Preissteigerung des Getreides habe er niht blos auf die Getreidezölle zurückgeführt, sondern als eine Folge der \chlech- ten Ernte bezeichnet, die noh dur die Zölle vershärft werde. Er habe nichi zugegeben, daß die Erwerbsverhältnisse es er- möglichten, das theurer gewordene Brod zu kaufen,. sondern umgekehrt, daß man sih begnügen müsse, Brod aus. Mehl, welches sonst zum Kleister und als Schweinefutter benußt würde, zu net Der Abg. Windthorst habe gemeint, es käme ihm bei dem Flachszoll nur darauf an, es zum Klappen zu bringen. Er habe gesagt, ‘daß es deshalb nöthig sei, es zum Klappen zu bringen, damit die Leinenindustrie endlih von der Unsicherheit befreit werde, ob der Flachszoll eingeführt werde oder nicht. a

ierauf wurde Titel 1 bewilligt. }

u Titel 2 (Tabaksteuer) bemerkte der Abg. Richter (Hagen), er möchte die Aufmerksamkeit des Hauses auf die urrogatverwendung bei dem Tabak lenken, die in Folge der Steuererhebung hervorgetreten sei. Er sprehe niht von Weichsel-, Kirschblättern, gesalzenen Rosenblättern und an- deren legitimen Surrogaten, sondern von der zunehmenden Vermehrung dieser Surrogate durch andere, geseßlich nicht zulässige. Es zeige sih überhaupt, daß, je mehr man verstehe, etwas zu rauchen, was niht Tabak sei, das teuergesey um so mehr illusorish werde. So berichte der , Rheinische Kurier“, daß nah dem Sprihwort „die Noth mache exfinderish“ ein neues Tabaksurrogat in den G gefunden sei und vielfah geraucht werde. in Tabakfabrikant berichte, daß man in der Pfalz {hon damit umgehe, als neues Ersaßmittel die Runkelrübenblätter anzuwenden. Aus Süddeutshland werde gemeldet , daß dort die diden Tabakstengel für wenige Pfennige pro Centner auf- ekauft und zur Vermishung mit Tabak verarbeitet würden. ieses Produkt, welches absolut nichts weiter als feingeschnit- tenes Holz sei, jolle wahrscheinlih unter dem Namen „gewalzte Tabakstengel“ in den Handel gebraht werden, Dies Surrogat werde {werlih unter das Steuergesehß fallen. Es mache sich eben eine starke Reaktion der Raucher gegen diese Bes steuerung geltend, auf die man aufmerksam machen müsse, namentlih da man damit umgehe, den Tabak noch weiter für die Besteuerung nußbar zu machen. Was den Schmuggel anlange, so seien die aSiimaien Befürchtungen im Laufe dieses Winters im vollsten Maße eingetreten. Wie ihm ein Emmericher Fabrikant schreibe, seien die Grenzbezirke der dor: tigen Gegend von Kaldenkirchen bis nah Cleve, von Em- merih bis nach Münster mit holländischen s{hlechten Tabaks- fabrikaten überschwemmt, welche den Bauern des Nachts in die Häuser gebraht würden. Jn den Kreisen Bocholt, Ahaus U. . w. an der holländish-westfälishen Grenze sei der Höhe: punkt des Shmuggels. Troß der dort sehr qn, d und be-

Möali en G

deutenden Beshlagnahmen könne man annehmen, daß kaum 5 oder 10 Proz. des geschmuggelten abats in die Hände der Zollbehörden gelangten. Auch die „West- fälishe Provinzialzeitung“ und die „Elberfelder Zei- tuug“ führten Beispiele an, wie tolossal der Schmuggel in der leßten Zeit in dortiger Gegend überhand enommen habe. Beim Zusammenwirken der drei Faktoren Steuererhöhung, Schmuggel und Stro gion As es natürli, daß die Tabakindustrie stark zurückgehe. Obgleich man eigentlih kaum hätte erwarten können, daß die Folgen

jeßt schon eintreten würden , weil noch so viele vorher einge=