1924 / 122 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 23 May 1924 18:00:01 GMT) scan diff

‘Shnen verführten Arbeitermassen niht massenweise in die Ge- fänguisse wandern. (Stürmijcher -Veisall bei der Sozialdemokra- tischen Partei. Sehr richtig! und Bravo! bei den anderen Koalitionsparteien. Große Unrtthe und lebhafte Zuruse bei den

Komnmiuuisten.) Der Unterschied «zwischen sozialdemokraiishen Be=-

amten und Jhxen Parteigängern besteht daxin (Abg. Paul Hoffe mann: Däß Sie die Lakaien dex Vourgeoisie sind! Unruhe und Lachen), daß Sie ohne Skrupel die Arbeiter in Lagen herein- bringen, die in der Regel mit Landfriedensbruchprozessen enden, während Sozialdemokraten der Meinung sind, daß sie die Arbeiter vor diesex Gefahr zu shüyen häben: (Sehx ut!“ Bravo! bei der Vereinigten Sozialdemokxatischen Partei Zuruf des Abg. Paul Hoffmann. Lachen und Unruhe.)

Jch stelle vor dem ganzen Hause gegenüber der vont“ Herrn Abg. v. Lindeiner versuhten Geschihksklitterung fest (Zuruf des Abg. Paul Hoffmann Lachen und Unruhe), daß Ende 1922 das erste Verbot lokal für Berlin erlassen worden ist angesichts der herannahenden s{chweren wirtschaftlichen Gefahren. Jh stelle weiter fest, daß das Verbot von öffentlihen Umzügen und Ver- sammlungen unter freiem Himmel für ‘Preußen erlassen worden ist, als die Herren von der Kommunistishen Partei ihre Anti- faschiftentage angekündigt haben; und, meine Herren von der Deutschnationalen Partei, damals hat sih bei Jhnen niemand ge- funden, der gegen das Verbot protestiert hätte (sehr rihtig! bei dex Vereinigten Sozialdemokratishen Partei), damals haben Sie der Staatsregierung nit unterstellt, daß dieses Verbot er- lassen sie aus Angst vor dem Bestand der Republik. (Andauernde ¡Zurufe des Abg. Paul Hoffmanu Glocke des Prâästdenten.)

: Meine Herren, noch eiwas schr Merkwürdiges! Das Verbot der Versammlungen unter freiem Himmel und der Um- güge ist, als im September der militärishe-Ausnahmezustand ver- hängt wurde, ohne Aenderung in die Bestimmungen des militäris chèn Ausnahmezustandes übernommen worden. Es hat sich wieder kein Herr aus der Deutschnationäalen Partei gefunden, der gegen diese Beschränkung der verfassungsmäßig garantierten Rechte irgend etwas einzuwenden gehabt hätte. Fm Gegenteil, im Februar er- eignete sih folgendes: Als der Herr Reihspräsident und der Jn- haber der vollziehenden Gewalt, Herr General v. Seeckt, dur einen Briefwechsel schon im voraus ankündigten, daß mit Ende Februar der militärishe Ausnahmezustand aufgehoben werden sollte, haben die Herren von der Deutshnationalen Partei dagegen jprotestiert (hört, hört!) und -die Beibehaltung des militärischen Ausnahmezustandes verlangt. (Zuruf bei der Deutshnationalen Volkspartei: Das ist etwas ganz anderes!) Aber natürlich, das sist eiwas ganz anderes!

Jch muß es auch ablehnen, den Herrn Abg. v. Lindeiner- Wildau als Patron, als Protektor der Schußpolizei anzuerkennen. Der Stahlhelm, Herr Abg. v. Lindeiner, macht es niht allein. Der Swahlhelm gehört zur Ausrüstung der Schußpolizei was Sie jübex Sa&sen erzählt haben, wird nachgeprüft werden —, aber der Stahlhelm tut’'s niht. Die Shußpolizei bringen wir jeyt in diesen foitischen Zeiten in die übelste Situation, wenn das Rüsten zu den ‘sogenannen großen Deutschen Tagen, wenn das Rüsten zu ähnlichen ‘odex anders gearteten Kundgebungen der Konmunuistishen Partei micht endlih aufhört. Meine Herren, was glauben Sie denn eigentli, was mich insbesondere bestimmt, die Vorschriften des ‘piviken Ausnahmezustandes uit allor Schärfe durchzuführen?

———eranoen Stx; vaß es Lust an polizeilihen Schikanen sei? Glauben

Sie, daß ih besonderes Vergnügen darin Fd, Cin Westreben; ein odex Gesangvereine oder Fn 7 x P Tvest it ftr ct? Ach nein, meine Herren! Sie predigen e a immertwährend und ih erkenne an, daß Sie mit dieser Wehauptung recht haben —: Regieren heißt vorausshauen, und ih habe auf dean Posten, auf dem ih heute stehe, zu überlegen, was n den nächsten Monaten sein wird. Meine Herren, wix sind aus der Jnslationsnot heraus, wir kommen aber in die Folgen der Kreditnot, und ih bin der festen Ueberzeugung, daß die Folgen der ‘Kreditnot sich auch noch in großer Arbeitslosigkeit zeigen werden. Sehr wahr! Zurufe bei den Kommunisten.) Wenn wir in ‘diesen nächsten kritischen Monaten die Straßèn und öffentlichen Pläße freihalten wollen, dann müssen wir diese Frihaltung prakti- zieren niht nur gegenüber den Arbeitermassen, sondern gegenüber ‘allen Deutschen, denen es mit der Gesundung unseres Wirtschafts- lebens, unserer wirtschaftlihen Verhältnisse ernst ist. (Lebhafter Beisall bei derx Vereinigten Sozialdemokratishen Partei.)

Nun komme ih zu den „Deutschen Tagen“, zu den Aus- führungen und Anfragen des Herrn Abgeordneten Dr. Waentig. Meine sehr verehrten Damen und Herven, die Erlaubnis zu einem Deutschen Tage ist nicht erteilt worden. Anfang März hatte mih Hier im Hause der Kollege Heidenreih von der Volkspartei ge- prochen und mir gesagt, daß in Halle die Absicht bestände, das in dex Neujahrsnaht 1923 zerstörre Moltkedenkmal feierlich ein- „zuweihen. Er hat mich gefragt, wie ih mih zu einer Feier auf ‘dem Playe des Denkmals stellen würde. Jch habe ihm erklärt, daß gegen eine Feier in engem und würdigem Rahmen nichts ein- zuwenden sein würde, daß ih sehr gern bereit wäre, eine Aus- ¿mahme zu bewilligen. Der Kollege Heidenreih möge sich. mit dem „Polizeipräsidenten Runge in Halle in Verbindung segen, mit ihm litbber die einzelnen Modalitäten sprehen und ihn auffordern, mir ¿darübev zu berihten. (Zurufe bei den Kommunisten.) Sie, meine ¿Damen und Herren von der Kommunistishen Partei, haben gar ‘Feine Ursache, sih über diese meine Haltung zw beschweren. Fh „erinnere Sie an folgendes. (Zuruf bei den Kommunisten: Wir ‘toundern uns nit!) Jch weiß nicht, ob es gevade Anerkennung einer Selbstverständlichkeit war, was Herr Schnetter vorgetvagen hat. Als Lenin gestorben war, in einer Zeit, in der in Deutsch- ‘Tand der militärishe Ausnahmezustand bestand, haben die Herren von der Kommunistishen Partei. die Absicht gehabt, troy des Ver- ‘bots ihrer Partei und öffentlicher politisher Versammlungen eine WGedenkfeier für Lenin zw vevanstalten, (Zuruf bei dem Kom- „\munisten: Reichstags- und Landtagsfvaktion!) Sie hatten die Absicht, durch eine große öffentlihe Kundgebung die Trauer der Kommuanistishen Partei Berlins zum Ausdruck zu bringen, und, meine Damen und Herren, wissen Sie, zu wem die Herren von der Kommunistishen Partei gekommen sind, um die Ausnahme- ¡genchmigung für diese Feier zu erwirken? Zu mir sind sie ‘gekommen, (Heiterkeit) Jch habe mi sofort bereiterklärt, mih mii dem JFnhaber dex vollziehenden Gewalt in Verbindung gzu eyen, um den Herren von der Kommunistishen Partei die Ab- Heltung diesex Trauerfeier zu ermöglichen. Die Feier hat statt- gefunden. Aber, meine Dameu und Herren, wenn ich füv einen ih spreche das unumwunden aus wenn ih für einen Großen

Fhrer Weltanshauung, Fhrer Parteihewegung eine Ausnahme- bewilligung- bei dem damaligen Chef der vollziehenden Gewalt er- wirkt habe glauben Sie, daß ih mih hätte ablehnend verhalten müssen, wenn es sich um die Ehrung eines großen deutschen Toten handelte? (Bravo! rechts. Zurufe bei deu Kommunisten.) Jh habe in einex Bejsprehung mit dem Polizeipräsidenten Runge, die kurz nah der Besprehung mit Herrn Heidenreich stattfand, dem Polizeipräsidenten erklärt, daß ih die Genehmigung zu einex Feier am Denkmal, zu einer engen und shlihten Feier erteilen würde; ih exivartete von ihm die Berichte. Dann kam die Wahlbewegung dazivishen. Jh hatte ein Juteresse daran, nicht nux nah langer Zeit in meinem Wahlkreise zu erscheinen, sondern auch die Wahl- bewegung zu benuyen, um in der Provinz Hannover den Stand- punkt der preußishen Regierung und meinen Standpunkt als Jnnenminister zur Welfenfrage darzulegen. Fn dieser Zeit ge- langten die im einzelnen begründeten Anträge an das preußische Ministerium. Meine Mitarbeiter haben die einzelnen Anträge ge- prüft und haben sofort die lebhastesten Bedenken geäußert. Sie waren nicht imstaude, die Genehmigung in dem vorgeschenen Um- fange zu geben, und das Verbot des öffentbihen Umzuges mußte bestehen bleiben. Sie glaubten aber niht verantworten zu können, eine Feier gänzlich zu verbieten, und haben mir dies dann in einem Schreïben nach meinem damäligen Aufenthaltsort mitgeteilt. Jch habe gegen den damals {hon erheblich eingeshränkten Umfang noch die lebhaftesten Bedenken geltend gemacht, weil ih wußte, daß un- zählige Berufungen auf diese Genehmigung hin erfolgen würden. Jch habe mih- s{ließlich aber bewogen gesehen, meine Bedenken zurückzustellen, und die Feier- in dem damals vorgesehenen Umfange genehmigt. (Rufe bei den Kommunisten: Und die Sonderzüge ?) Die Streichung der Sonderzüge war vom Ministerium des Juneru als eine Bedingung aufgesührt worden, unter-.der die Ge- nehmigung zum Feste erteilt würde. (Zurufe bei den Kom- munisten: Aber sie sind ja doch gefahren worden, und da wundern Sie sich, wenn die Avbeiter auf Jhve Anordnungen pfeifen!) Aber, Herr Abgeordneter Dr. Meyer (Ostpreußen), ih sege mi mit Jhnen verhältnismäßig gern auseinander, weil sie der verhältnismäßig Vernünstigste Jhrer Fraktion sind. (Große Heiterkeit.) Jch muß aber Fhnen doch sagen, Herr Abgeordneter Dr. Meyer, wenn Sie es den Behördenorganen selbst überlassen würden, die sogenannte faschistishe Gefahr abzuwenden (Zurufe bei den Kommunisten), im Effekt käme etwas Besseres dabei heraus.

Meine Damen und Herren, das, was ich dem Hertu Ab- geordneten Meyer soeben gesagt habe, das wird am treffendsten aus folgendem erwiesen. Es waren Umzüge, wie der Herr Vbg. Waentig das eben zutreffend bemerkt hat, - verboten. Die Um- züge zur Rennbahn sind unterblieben, aber der Abzug von der Rennbahn is zum Teil in geschlossenen Umzügen erfolgt, und das war verbotswidrig. (Rufé bei den Kommunisten: Was tat die Schugpolizei?) Jch habe dazu folgendes zu erklären: (Erneute Zu- rufe bei den Kommunisten.) Lassen Sie mih doch das aussprechen, damit endlih einmal die Legende zerstört wird, als ob in Halle mit zweierlei Maß gemessen sei. (Lachen und Zurufe bei den Kommunisten.) Es ist richtig, es haben diese Umzüge verbots- widrig stattgefunden. (Zurufe bei den Kommunisten: Na, also!) Es ist richtig, daß die Polizeikräfte niht in vollem Umfange ein- geseßt worden sind, um die Umzüge zu zerstreuen. Wo der Versuch

gemacht worden ist, hat sich herausgestellt, daß. dio..warhanderen Polizeikräfte niht gelangt haben, um den Anordnungen ihrer G taa axe 3Orichafiprm , Ahor tnonn Sis uun isse wollen, warum die Polizei nicht eingeschritten ist, so habe i

folgendes zu sagen: Die Vorgänge nah der Beendigung der Feier auf dex Rennbahn, von denen ih eben sprach, die auch ih beklage und verurteile, haben sich in den späten Nahmittagsstunden ab- gespielt. Die Polizei ist aber an verschiedenen Punkten der Peri- pherie Halles vom frühen Morgen an festgehalten worden, und zwar durch Jhr (zu den Kommunisten) Verschulden. (Sehr richtig! bei der Mehrheit Lachen bei den Kommunisten.) Wären diese Polizeikräfte in den Nahmittagsstunden des 11. Mai verfügbar gewesen, dann wäre es sehr viel leihter gewesen, die verbots- widrigen Umzüge der Teilnehmer vom Deutschen Tage aufzulösen,

als nur mit den Kräften, die zum Schuß der inneren Stadt übrig

blieben. Wenn Sie. jeßt vom Volkspark sprehen der Abg. Waentig hat auch davon gesprochen, und in der Anfrage der Sozialdemokratishen Partei ist auch davon die Rede —, so klingt das alles, wenn man die Dinge vorträgt, als eine Beeinträchti- gung der persönlichen Freiheit. (Zurufe bei den Kontmunisten.) Aber, meine Damen und Herren, das können Sie heute leiht sagen. Jh bin überzeugt, daß viele der Volksparkbesucher über diese Einkesselung sehr froh gewesen sind. (Heiterkeit.) Der Polizeipräsident von Halle hat die sogenannte Einkesselung des Volksparxks erst angeordnet, nahdem die Vorgänge in Böllberg ihm zur Kenntnis gekommen waren, und weiter, nachdem ihm bekannt geworden war, daß auch die Besucher des Volks3parks die Absicht hatten, sih zur Rennbahn zu begeben, um dort Störungen zu verursachen. (Zurufe und Lachen bei den Kommunisten.) Nun, meine Damen und Herren von der Kommunistishen Partei, Sie haben ja das muß Jhnen der Neid lassen in der Presse

und durch außerordentliche publizistishe Mittel alles versuht, um

die Aufmerksamkeit und das Juteresse Jhver Anhänger auf Halle zu konzentrieren. Aber das haben Sie doch nicht fertig gebracht, eine annähernd so große Zahl von Besuchern Jhres Avrbeitertags auf die Beine zu bringen wie die Herren von der Deutshnatio- nalen Volkspartei. (Rufe bei den Kommunisten: Sie haben ihnen ja dabei geholfen, nach Halle zu kommen! Große Unruhe; Glocke des Präsidenten.)

Meine Herren, gestatten Sie mir, daß ih aus dieser soeben getroffenen Feststellung die Schlußfolgecung ziehe. Jh erlaubte mir, zu bemerken, daß die Herren von der Kommunistischen Partei nicht vermocht hätten, ihre Anhängerschaft zu einem An- marsche nach Halle in so großer Zahl zu divigieren, wie die Ver- anstalter der sogenannten vaterländishen Demonstration es getan haben. Wenn die Männer vom Volkspark ihre Absicht wahr gemacht hätten, zur Rennbahn vorzustoßen oder die 500 Männer von Böllberg aus auf die Rabeuinsel hätten gelangen können, dann, fürchte ih, hätte es eine Keilerei oder ein Blutbad gegeben, bei dem JFhre Anhänger in der, Hauptsache unter die Räder ge- kommen wären. (Lebhafte Zustkmmung Große Unruhe und Zurufe bei den Kommunisten: Severing sorgi für uns! Fovt- geseßte Unterbrechungen; Glocke des Präsidenten.) Die Polizei ist dazu da, Ruhe und Ordnung ausrehtzuerhalten und jedem Staatsbürger Schuy gu gewähren, ganz gleich, ob er sich Kom-

“ist _nicht wahr!

munist oder- Deutschnationaler nennt. Der Polizeipräsident hat gerade in Anerkennung dieses Grundsähßes den Leitern der Vey- sammlung im Volkspark angeboten, dié Versamm{ungsbesucher am späten Nachmittag in Trupps von 100 Mann unter polizeilichey Begleitung aus dem Volkspark herauszulassen. Begleitung der Polizei war aus dem Grunde angeboten, damit niht die Faschisten, wie Sie sie nennen, etwa Lust bekommen würden, Jhre Leute zu verprügeln. Der Versammlungsleiter -des Volksparkes hat - dieses Anerbieten des Poligzeipräsidenten ah, gelehnt. (Lebhaftes Hört, hört!) Der Polizeipräsident ist weiter gegangen. Er hat Lastwagen zur Verfügung gestellt, um den Ah- transport vom Volkspark in die Wege zu leiten. Auch dieses Anerbieten is zunächst abgelehnt worden. Erst in später Abend- stunde sind die Besucher des Volksparkes unter Anerkennung der Bedingungen des Polizeipräsidenten entfernt worden. (Zuruf bei den Kommunisten: Aber ohne polizeiliche Bedeckung!)— Nein, mit polizeiliher Bedeckung. (Zuruf bei den Kommunisten: Dag Das war keine Polizei, sondern das waren Ordnungsbestien in Halle! Große Heiterkeit. Abg. Rogg: Das war die Mordpolizei, und Sie sind der’ Mordpolizeiminister! Glocke des Präsidenten.) Herr Abg. Waentig hat weiter davon gesprochen (Fortgeseßte Rufe bei den Kommunisten und dex Vereinigten Sozialdemokratishen Partei. Glocke des Prâ- sidenten.)

Meine Damen und Herxen, ih sagte, däß inder Anfrage dey! -

Herren von der Soziakldemokratishen Partei sih auch der Saß findet: Aber gegenüber - Arbeitern, die fie im Verdacht hatte, die völkishe Demonstration stören zu wollen, hat die Schußpolizei mit rücksichtslosex Energie durchgegrissen.

Jch müß sagen, daß ih diese Formukierüng für sehr euphemistish

halte: „die sie im Verdacht hatte“. Nein, meine Damen und Herren, das möchte ih den Herren von der Soztaldemokratischen Partei exklären: auf bloße Verdachismomente hat sich die Polizei bei ihrem Vorgehen nicht gestüht (Widerspru bei den Kommu nisten), sondern es lagen Tatsachen vor, die ein Einschreiten der Polizei zur Pflicht machten. (Sehr richtig!) Es heißt nämli in den „Richtlinien für Ordner zum Dentshen Arbeitertag“:

Versucht die Sipo oder Faschistenbanden den Anmarsch zu ver“

hindern, haben die beaustragien Ordner unbedingt den Au- marsh nah Halle troydem zu bewerkstelligen. (Sehr richtig! bei den Kommunisten.) Da és sich nur um Stundenmärsche handelt, sind handfeste „Eithenstöcke“ mitzuführen. (Sehr richtig! bei den Kommunisten.) Auf keinen Fall darf eine Rücckwärts- bewegung eintreten. Gelingt es nicht, in geschlossenen Trupps nah Halle zu gelangen, dann müssen die Teilnehmer einzeln sich nah Halle bewegen.“ (Sehr gut! bei den Kommunisten, Zuruf bei der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei: Hat Scholem die Armee geführt? —- Große Heiterkeit Erneuter Zuruf bei der Vereinigten Sogzialdemokratishen Partei: Dr neue Moltke von Halle! Andaunernde Heiterkeit.)

Meine. Damen und Herxen, im „Klassenkampf“, dem Organ der Kommunisten Halles, heißt es weiter: „Und wagen es dit republikanishen Behörden, die Maidemonsiration und den allge meinen deuishen Arbeitertag in Halle zu ‘verbieten, während sit den völfishon Faschistenbandon alle Kundgebungen in Uniform und Waffen gestatten, dann wird sih die mitteldeutshe Avbeiterschaft gleichjalls das Recht auf die Straße erzwingen. a A R)

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und Sammelplaÿ faschistisGer Horden werden, sondern es muß ein Kampf- und Siegestag des revolutionären klassenbeiwußten Pro- letariats Deutschlands sein.“ (Sehr richtig! bei den Kommunisten) Alle diese Aeußerungen lagen vor, und man konnte sich desivegen darauf gefaßt machen, daß ein Teil dex kommanistishen Pariei- gänger dieser ausgegebenen Parole Folge geben würde, (Zurufe bei den Kommunisten: Sehr rihtig!) Die Polizei hat am 13. Mai, zivei Tage nach den beklagenswerten Vorgängen, auch noch einzeluc Wasfenläger ausgehoben (Zuruf bei den Kommunisten: Bei den Faschisten? Lachen), die ebenfalls Zeugnis dafür ablegten, dh Gewalttaten von jener Seite geplant waren (huhu:!! bei den Kon- munisten), und die Vorgänge im Böllberg, wo es tatsächlich zum Schießen gekommen ist, haben sih doch auch so abgespielt, daß man wirklih von einem rigorosen Vorgehen der Shubpolizei gegen dit eine Seite nicht gut reden kann. (Sehr richtig! bei der Deutschet Volkspartei.) Jm Bericht des Polizeipräsidenten heißt es über die Vorgänge in Böllberg:

Der Polizeioberwachbmeister Bröggelwirt erhielt den Auf trag, mit einer Gruppe von aht Mann die Straße freizumacen/ ging mit seiner Gruppe vor und drängte die Menge, die sid auf der Straße angesammelt hatte, und die zurügeiviesenn Radfahrex bis an den Schnittpunkt Böllberger Weg—Hutkew straße zurü.

Dort lagerten bereits größere Menschenmengen auf den Aeckern und in den Gräben, die sich nun erhoben und mit dem Zuge, der auf der Huttenstraße zurückkam, eine drohende Haltung gegen die Beamten einnahmen, Der Gruppenführer (Poliz& oberwachtmeister Bröggelwirt) forderte die Mengen mit lauter Stimme mehrmals auf, auseinanderzugehen, da ev befehlsgemäß ein gewaltsames Vordringen auf Halle unter allen Umständen, eventuell mit der Waffe zu verhindern hätte. Zugleich ließ l um dieser mehrfachen Aufforderung mehr Nachdruck zu verleihen die Seitengewehre aufpflanzen und eine Sperrkette quer übet

die Straße bilden. Das Aufpflanzen der Seitengewehre geschah

au aus dem Grunde, um die Herandrängenden nicht allzu naht herankommen zu lassen.…ff.. Jnzwishen war auch der geschlossew Demonstvationszug von Ammendorf mit seiner Spiye am Dorf ausgang von BVöllberg angelangt und drängte vor. Unier dem sich nun immer mehr verstärkenden Druck wichen die Beamten Schritt für Schritt weiter zurück und waren auf diese Weise {hon etwa 100 Meter zurückgedrängt, ohne von der Waffe Gebrau gemacht zu haben. Sie bekundeten damit angesichts der übevaut bedrohlichen Lage, in der sie sich der Uebermacht gegenüber be- fanden, und obwohl die geseßlihen Vorausseßungen für den Waffengebrauh schon lange gegeben waren, da der wiederholten Aufforderung, sih zu zerstreuen, von der Menge uit Folge s geben wurde, eine Rüsichtnahme, die von unbeteiligten 2 shauern bei ihrer polizeilihen Vernehmung als unverständliß bezeihnet worden ist. Plöplich auf V Feststellung des Polizerpräsidenten lege ih besonderel Wert, sie zur Kenntnis des Hauses zu bringen

(Zurufe.) Diese

rangen nach der Bekundung eines uubeteiligten, im Hause Böllberger Weg Nr. 61 wohnhasten Augenzeugen, zwei Arbeiter aus der Menge vor und \chlugen mit ihren Eichenstöcken auf einen Beamten ein. Gleichzeitig fiel aus der Meuge ein Schuß. achen und Zurufe bei den Kommunisten.) geht erst, in Hödhster Notwehr, machten auf Befehl des Gruppen- rers die Beamten von ihrer Wasse Gebrauch und eröffneten jhrerseits das Feuer auf die vorstürmenden Kommunisten. Die ruppe ging nun, lebhaft beschossen und aus den Häusern auch mit Steinen (und nah Angabe eines beteiligten Schußzpolizei- beamten auch mit Eierhandgranaten, die jedoch nicht explodierten) heworfen, vor der brüllenden und tobenden Menge shießend bis etiva zum Hause Nr. 59 zurück und hatte hierbei 6 Mann Ver- luste. Hier kam der Kampf zum Stehen. Qas weitere interessiert augenblicklich nicht. Wenn Herx Abgeord- mter Schuelter vorhin behauptei hat, daß die Polizeibeamten, hrigens eine Gruppe von aht Mann, mit gefälltem Bajonett „marsch, marsh“ vorwärtsgegangen sei, so ist das nah den Schilde- nungen der beteiligten Beamten eine direkte Unwahrheit. Die Be- qten haben sih vor der vielhundertköpfigen Menge zurückgezogen id diesen Rückzug damit motiviert, daß sie ein Blutbad nah göglichkeit vermeiden wollten. (Zuruf von den Kommunisten.) Frau Wolfstein, Sie haben kein Recht, von Lügen zu sprechen! (Sehr richtig! Zurufe und audauernde Unruhe bei den Kom- munisten, Glocke des Präsidenten.) Wenn es eine Partei gibt, die die Lüge zu ihrem Kampsmittel erhoben hat, dann ist es die sommunistishe Partei. (Stürmishe Zurufe und andauernde Un- ruhe bei den Kommunisten. Gegenrufe. Glocke des Prä- sdenten.) J kann den Beweis sofort antreten. (Zurufe vou den sommuinisten.) Hier ist ein Aufruf der Veraustalter des Deutschen rbeitertages, also der Kommunisten. Jch werde ihn nicht in allen sinen Teilen zu Jhrer Kenntnis bringen, aber eine Stelle ist iberaus bezeihnend für die Wahrheitsliebe, für die Objektivität der erren von der Kommunistischen Partei. Es heißt hier: "Fie Zusammenziehung der konterrevolutionären Mörderbanden in Halle is eine unerhört frehe Provokation des deutschen Proletariats. (Ehr richtig! bei deu Kommunisten.) Sie bedeutet die offene Kampfesansage an die deutshe Arbeiter- fasse (sehr richtig! bei den Kommunisten und nun kommt's

¡m die Durhführung des Sachverständigenplanes zur Auspressung -

der Arbeiterschaft sicherzustellen. (\nhaltende stürmische Heiterkeit.)

- Die Herren von der Komntrunistishen Partei haben auch in bezug auf ihre Haltung zur Schuhpolizei ihren Fanuskopf. Als herr Abg. Schnetter davon spra, daß die Shuppolizei und die Angehörigen der Reichswehr eigentlih proletarische Elemenie seien, hat Frau Wolfstein dagegen energish protestiert. Als Herr Abg. Waentig einige anerkennende Worte über die Schugpolizei sagte, hat Frau Wolsfstein ebenfalls protestiert. Jhre Einstellung ¡ur Schußpolizei ist von reinen Opportunitätsgründen diktiert. Venn Sie die Schußpolizei für sich gewinnen wollen, dann um- shmeihelu , Sie sie nach allen Regeln der Kunst. (Zuruf von den Kommunisten.) Aber seßt sih die Schußpolizei ein, um Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten (erneute Zurufe bei den Kom- munisten), dann stößt sie dabei (andauernde Zurufe bei den Kommunisten Glocke des Präsidenten).

Meine Damen und Herren, ih sagte: Wenn die Shußpolizei

itu im dosor AHwgs. n erung auf den Midorstas—-&—— fommunisten stößt, dann wird hne l

mit einemmal tin die Wolfs- {lucht geworfen, danu gehört sie zu den Mörderbanden.

Wie notwendig es aber ist, daß die Shuyhpolizei den Kom- munisten entgegeutritt, das beweist wieder ein Zitai aus dem „Klasseukampf“, dem Organ des Herrn Kilian. (Zurufe bei den Kommunisten.) Jh schenke den „Klafsfenkampsf“ auch Herrn Echnetter oder Herrn Shumann, wie Sie wollen. Also das be- weist ein Zitat aus der Halleshen kommunistishen Zeitung. Der „Kassenkampf“, der die Vorgänge in und um Halle in den Tagen nah dem 11. Mai beschrieben hat, hat u. a. geäußert, bei dem Juge mah Halle hätten Kommunisten in Schkeudiß 30 Faschisten angetrossen, sie hätten ihnen das Fell gegerbi und sie von dex Prüde ins Wasser geworfen. An diese Bemerkung wird die weitere geknüpft: Bei jeder Gelegenheit handelt so! (Zuruf bei deu Kommunisteu: Das ist doch keine Provokation!) Ach nein, dabei ist von Provokation gar uicht die Rede, denu Jhre stärkere Uuppe hat die 30 Mann umzingelt, verhauen und ins Wasser eivorsen, d. h. nach Jhren Berichien. (Zurufe bei den Kommu- nislen.) Bitte, nehmen Sie das einmal zur Kenntnis: nah Jhren Berichien, von. denen 90 Prozent abzuziehen ist. (Heiter- fat) Weun Sie si damit brüsten, daß Sie 30 Faschisten ins Vasser geworfen haben, kann man damit renen, daß es höchstens drei gewesen sind. (Große. Heiterkeit.)

_ Meine Damen und Herren, gestatten Sie. uun eine grund- „sôhlihe Bemexkung zu den Festen in der nächsten Zeit. Wenn versucht worden ist und versucht werden wird, in dieser Frage tine Meinungsverschiedenheit zwischen der Reichsregierung und der Preußischen Regierung zu konstruieren, möchte ih an dieser Stelle erklären: das ist ein vergebliches Bemühen. Der Reichs- minister des Innern hat mich autorisiert, zu erklären, daß er in der Frage des Verbots der öffentlihen Umzüge und der Ver- sammlungen unter freiem Himmel durchaus meinen Standpunkt kilt (hört, hört!), und ih bin überzeugt, daß das ganze Reichs- libinett hinter der Auffassung der Preußishen Regierung steht. Vir werden selbstverständlich in den nächsten Tagen überlegen nissen, wie wir kleinliche polizeilißhe Schikanen vermeiden lnnen. Wenn eine Schübßengilde oder ein Turnverein odex ein erwehrverein in der nächsten Zeit Feste feiern will; dann nuß, wenn die öffentlihe Ruhe und Ordnung von der Orts- volijeibehörde garantiert werden kann, es selbstverständlih der hörde gestattet sein, Ausnahmebetwilligungen zu erteilen. Aber wir werden untér allen Umständen darauf halten müssen, daß folitishe Demonstrationen in dieser Zeit nicht stattfinden. Dje Ermächtigung, nach einer Seite hin erteilt, ruft Berufungen der Anderen Seite hervor, und wix sind niht in der Lage, uns den Urs zu gestatten, daß wir, um Demonstrationen an jedem Sonntag voneinander fernzuhalten, ein größeres Aufgebot unsever Shubpolizei bereitzustellen. Leben und Gesundheit unserer Yubpolizei und die Geldmittel des preußischen Staates sind in gesen harten Zeiten zu s{hade, als daß wir sie für derartige ede verzetteln, (Zuruf bei den Kommunisten: Warum haben in Halle den Aufmarsh gestattet?) Jch habe Jhnen gesagt,

unter welchen Umständen es zu einer bedingten Genehmigung i Halle gekomnien ist und unter weihen Umständen die Veranftalter in Halle zu einer Ueberschreitung gekommen sind. Halle ist eine Lehre, nit allein für mich, sondern für alle Ministerien, für alle Behörden, die es angeht, eine Lehre, die ih auch Herrn v. Lind- einer ins Gedächtnis zurückrufen möchte. Herx v. Lindeiner hat meines Erachtens heute mit dem Feuer gespielt, als ex davon sprach, daß, wenn seine politisjhen Freunde die Gewalt über die Mitglieder der vaterländishen Verbände verlören, das preußische Staatsministerium dann sicher diese Gewalt nicht bekommen würde; es könnte die Zeit kommen, wo die Deutshhnationale Partei es ablehnen müsse, die Rolle des Bremsers so ungefähr ist der Sinn gewesen bei derartigen Gelegenheiten zu über- nehmen. Meine Damen und Herren, ih halte diese Ausführungen des Herrn v. Lindeiner für außerordentlich bedauerlih. (Sehr wahr! bei den Deutshen Demokraten und bei der Vereinigten Sogzialdemokratishen Partei.) Eine Partei, die auf Staatsautorität hält, eine Partei, die das tagtäglich erklärt, jollte den Staat schüßen, wie ex ist. Gerade in diesem Augenblick, wo Sie si an- shicken, die politishe Macht in einzelnen Staaten Deutschlands und im Reiche selbst zu übernehmen, sollten Sie mit solchen Aeußerungen sehr vorsichtig sein. (Sehr wahr! bei den Deutschen Demokraten und der Vereinigten Sozialdemokratishen Partei.) Es könnte in den nähsten Monaten, wo Sie hiex oder dort viel- leiht in einer Machtiposition siven, der Vertreter einer anderen großen Partei aufstehen und erklären: Wir lehnen es ab, daß wir uns derx Diktatux und den Vorschristen des Staatsministeriums beugen, wir lassen unseren Anhängern und denen, die uns nahe- stehen, freie Hand. (Lebhafter Widerspruch bei der Deutschnatio- nalen Volkspartei.) Das ist dex Sinn Fhrer Ausführungen gewesen. Meine Damen und Herren, davon kann jeßt gar keine Rede sein, wir sind aus dem Gröbsten noch niht heraus. Wenn ivir wieder einmal Boden ' unter den Füßen haben, wenn wir wissen, wie wir mit den Juteralliierten stehen, wenn unser Wirtschaftsleben wieder in Gang geseht ist, dann wird die Zeit kommen, wo wieder unumschränkte politishe Freiheit gegeben werden kann. (Lebhafie Zurufe bei den Kommunisten.) Zer- brechen Sie sich doch niht meinen Kopf! Wenn ih meine Gesundheit behalte und ich hoffe, ih behalte sie noch länger —, dann werde ih noch sein, ob ich auf der Ministerbank size oder auf dem Ab- geordnetenplay. Wenn ih da sige, glaube ih Fhnen noch un- angenehmer zu werden, als ih JFhnen Heute schon bin. (Sehr gut! bei der Ver. Sozialdem. Partei, den Deutschen Demokraten und große Heiterkeit.) Meine Damen und Herren, ih sagte Fhnen: die Polizei allein kann Ausschreitungen micht verhindern. (Lebhafte Zuruse bei den Kommunisten.) Die Polizei kann Aus- shreitungen der Faszisten verhindern, wenn Sie sich nicht be- teiligen, Herr Scholem! (Erneute lebhafte Zurufe bei den Kom- munisten.) Jch weiß, daß ih auch jeht wieder als unverbesser- licher Optimist vershrien werde, wenn ih Jhnen folgendes sage. JIch hoffe, daß troy der parteipolitishen Zerrissenheit unseres Volkes, troy des Bestvebens, alles nah vrechts und links ausein- anderzureißen, doch die politishe Einsiht in unsere wirtschaftlichen und politishen Verhältnisse s{ließlich alle streitenden Parteien dahin führen wird, einzusehen, daß wir im nächsten Sommer ohne Zuchi und Ordnung, und (mir wäxe das am liebsten) ohne freiwillige Zuht und ohne freiwillige Unterordnung niht auskommen werden. Fe mehr diese freiwillige Zucht, die olEt ava alp g tee aler he elf are Du grrifut ic yeuDt Wird, um so weniger braucht-die Polizei als Büttel, als Vormund auf- zutreien. Mir als Polizeiminister leisteten Sie den denkbar größien Dienst, wenn Sie diese Selbsterziehung in die politischen Parteien Hineinbringen. J& fürchte, daß die nähsten Wothen uns noch einmal ganz deutlih den Ernst der wirtschaftlichen und politishen Situation vorx Augen führen werden, hoffe aber, daß dieser Ernst s{hließlich dazu beitragen wird, die politishen Par- teien zusammenzuhalten und nicht auseinanderzutreiben. (Lebhafter Beifall bei der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei, den Deutshen Demokraten und dem Zentrum Zischen bei den Kommunisten.) 312. Sißung vom 22. Mai 1924, Mittags 12 Uhr.

(Bericht des Nachrichienbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *).)

Auf der Tagesordnung steht die erste Lesung des Haus- alia ia ge 1g steh rste Lesung des H

Finanzminister Dr. von Richter bringt den Etat mit nachstehender Rede ein:

Finanzminister Dr. von Richter: Meine Damen und Herren! Wenn ich erst heute am 22. Mai d. I. in der Lage bin, namens der Staatsregierung den Haushalt vorzulegen, so bat das, wie Sie wissen, sehr erklärlihe Gründe, Gründe, die früher nit vorgelegen haben und die zu beseitigen außerhalb der Möglichkeit lag, Gründe, die im wesentlichen darin liegen, daß im Gegensaß zu dem vorigen Jahre, als ich die Rede bei Einbringung des Haushalts halten konnte, wir uns ingwiscen finanziell auf eine ganz andere Grundlage, auf die der Rentenmark, gestellt baben, und daß es selbstverständlich war, daß die Staatsregierung Ihnen keinen Haushalt vorlegen konnte, der auf der Papiermark beruhte, einem Gelde, das irgend- welche wirtschaftliche Bedeutung nichb mehr beanspruchen konnte. Es war also selbstverständlih, daß wir mib der Vorlegung des Haushaltsplanes warten* mußten, bis die Stabilisierung der Währung durh Einführung der Rentenmark umd die gleichzeitige Stillegung der Notenpresse erveiht war. Die Folge ist gewesen, daß wir Ihnen einmal einen Haushalt haben vorlegen können, mit dem jemand, der sih dafür interessiert, überhaupt wieder irgendeinen Begriff verbinden kann, wähvend die früheren Haushalte, wamentlich der des lebten Jahres, eine Fülle von Zahlen enthielt, deren Bedeutung niemand erkennen konnte. Es waren Zahlen, die sich infolge der Geldentwertung im Laufe des Jahres \o verschoben hatten, daß irgendeine Uebersicht über die Lage der staatlichen Finanzen, über die Nichbung, in der die Staatsverwalbung im neuen Jahre geführt werden sollte und konnte, überbaupt nicht möglih war. Meine Damen und Hevren, wir haben, obglei die Entwertung unserer Mark ia {on früher, allerdings in einem etwas langsameren Tempo einsebte, doch gerade in dem vorigen Jahre, wie Jhnen allen bekannt ist, eine so katastrophale Entwerkung unserev Mark erlebt, wie wir sie niemals für möglich gehalten häbten. Ich darf gang kurz auf die Tatsache hinweisen in unserer sehr \{nellebigen Zeit vergißt man ia ole Tatsachen ziemlich

___*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben find.

{nell —, daß, während vom Jahre 1915 bis zum Jahre 1922 im ganzen eine 2000 fache Entwœertung unserer Mark siattaefunden hat, wir allein in den 11 Monaten des vorigen Jahres, vom Januar bis aum November 1923 eine 500millionenfache Entwertung der Mark erlebt haben. Meine Damen und Herren, Sie haben cs ja alle am eigenen Leibe oft gespürt, wie das Geld, das der Beamte, das der Arbeiter, oder wer es auch war, bekam, {on am nächsien Tage ihm und seiner Frau unter den Händen zerrann, und Sie alle entsinnen \ich der Unrube, die infolgedessen entstand. Sie wissen aber auch gleichzeitig und das ist neben der rein finanziellen Wirkung eigentli das Traurige, möchte ih sagen, bei dieser Sache —, daß durch diese Inflation, bei der ieder durch ungeheure Zahlen ge- täuscht wurde, bei der die Gehälter und Löhne auf dem Papier eine schwindelhafte Höhe erreichten, tatsählich nur eine Scheinblüte hervorgerufen wurde, hinter der sich nichts verbara als die nadteste

Armut. Als nun am 15. November vorigen Jahres die Notenpresse

stillgeleat und die Rentenmark eingeführt wurde, da wurde erst all- mählih klar, was wir an wirklihem Vermögen in der Zeit der Inflation, in der Zeit dieser Scheinblüte gehabt hatten, was wir in Wirklichkeit verloren hatten, wie arm mweiteste Kreise des Volkes und namentlich der Mittelsband geworden war. Trobdem, glaube i, kann gar kein Zweifel daran sein, daß es, wenn wir auch jet diese aecringen Zahken, die aus dem Haushaltsplane hervorgehen, die aus der Bemessung der Beamtengchälter hervorachen, betrachten, es doch in weitesten Kreisen unseres Volkes als ein unsäaliches Glü empfunden werden wird, daß es gelungen ift, von der Papiermark, die uns, wie gesagt, unter den Fingern zerrann, {ließlich, wenn aud mit gewissen Schwierigkeiten, wieder zu einer stabilen Währung zw gelangen, zu einer Währuna, auf Grund deren sih wieder bestimmte Berechnungen für den einzelnen, für die Familie, für die Gemeinde und für den Staat anstellen lassen. Allerdinas müssen wir uns darüber klar sein, daß wir nur in der Lage sind, mit diesen vor- handenen Geldmitteln das Aeußerste, was wir brauen beim Privatmann, bei der Gemeinde, beim Staat usw. au bestreiten. Wir müssen hoffen, daß uns die Entwicklung der Verhältnisse, auf die ich nachher kurz einzugehen mir erlauben werde, allmählih zw besseren Verhältnissen bringt.

Meine Damen und Herren, ein Zweites is das. Jch giaube, es ist bei feinem darüber ein Zweifel gewesen, daß die Rentennark auf den Grundlagen basiert, wie sie durch das Rentenmarkgeses acsdiaffen sind, unter allen Umständen eiwas Vorübergehendes und nit eiwas Dauernds \seir kann, daß wir vielmehr unter allen Umständen zu ciner Währung gelangen müssen, die auf Gold, nicht auf den Grundbesiß, und der Industrie stabilisiert ist, wie es die NRenten- mark ist. Jedenfalls hat die Rentenmark aber man mag über ste denken, wie man will zunächst das gehalten,, was man sih damals von ihr versprochen hat, und ih glaube, es is durhaus richtig ih will auf den Streit über die Vater- oder Muttershhaft hier niht eingehen —, wenn man auch an dieser Stelle bei der Vorlegung des ersten preußisben balancierenden Haushalts mit Dank derjenigen Männer und derjenigen Stellen im Reiche gedenkt, die mit. ihrer ganzen Kraft, mit allen ihren Kenntnissen und mit ihrer ganzen Energie es erreicht haben, daß wir seit dem 15. November v. J. stabile, reguläre; solide Verhältnisse in der Finangwirtschaft Haben,

Das war ja das Furchibare an dem früheren Zustande, daß wir uns eigentli den Kopf darüber, mie wir Mittel beschaffen, um eiwas zu bestreiten, überhaupt nicht zu zerbrehen brauchten, daß e Matonpros\o in einom anorbörien Umf ur fil f wurde und zur Verfügung stand und S e um die Bedürfnisse zu bestreiten, wodurch selbstverständlih das Gelb immer weiter entwertei wurde, bis es {ließli zu dem Zeitpunkt fam, zu dem die Mark auf dem absoluten Nullpunkt angekemmen war. Meine Damen und Herren, wir waren \{chließlich ih darf kurz an die Zeit erinnern, die damals innerhalb der preußischen Fimanzverwaltung und des preußischen Haushalts bherrshten dahin gekommen, daß unfere eigenen Einnahmen fo flossen, daß wir sie voUl- temmen entwertet bekamen. Es galt das zunäcbst von unseren eigenen geringen Einnahmen aus eigenen Steuern, von den Einnahmen aus unseren werbenden Betvieben, es galt aber vor allen Dingen von den- jenigen Steuern oder Ginnahmen, die bei uns jz die Hauptrolle spielen, von den Ueberweisungssteuern des Reichs, und weil das Reich uns und den Gemeinden ebenso diese Einnahmen verhälinismäßig spät in entwertetemn Gelde zukommen ließ, zu einem Zeitpunkt, wo dieses Geld oder diese Steuern micht mehr entfernt das wert waren, was sie eigentli geseblich für uné hätten wert sein sollen, deshalb traten wir natürlih an das Neich mit der Bitte heran, uns diesen Unter- ied auszugleichen, und das führte {ließli ich will Sie mit der Schilderung dieser Zustände hier niht allzu Tange aufhalten dahin, daß unsere wesentlihsten \taailihen Bedürfnisse durh die Inanspruchnahme der Notenpresse, durch die Kredite des Reichs bestritten wurden, und daß von unseren gesamten Staatsautgaben {ließli nur 1% dur unsere eigenen Einnahmen, dagegen : 99 %| dur die Notenpresse des Reichs bestritten wurden. Meine Damen und Herren, daß das auf die Dauer ein Zustand war, der absoluk unhaltbar war, bei dem die staatlihen Finanzen absolut zugrunde gehen mußten, darüber kann ja gar kein Zweifel sein.

Wir haben uns damals bemüht, in der verschiedensten Weise dem entgegenguwirken. Es ist das nicht ganz leiht gewesen.

Wir haben zunächst versucht, unsera eigenen Einnahmen auf wertbeständige Grundlage zu stellen. Namentlich die Einnahmen aus den Forsten und Domänen sind damals auf wert beständîge Grundlage gestellt worden. Wir haben unsere eigenen Steuern auf wertbeständige Grundlage gestellt. 20

Wir sind, foweit es sich um Ausgaben handelte, die gësehlih nach der Verfassung durh Anleihen gedeck werden konnten; zum Typus der wertbeständigen Anleihen übergegangen, Es war selbstverständlih, daß kein Mens mehr das Nisiko auf sckÆ nehmen wollte, dem Staat oder einem anderen Geld zu borgen, vou dem er sih mit Sicherheit sagte, daß er es in völlig entwerteten Geld verzinst und zurückgezahlt bekam. Wir haben, wie Sie s entsinnen, mit Ermächtigung des Landtags, um uns keinem Vorwurf, au8zusehen, zu früh zu wertbeständigen Anleihen übergegangen zw sein es war damals die Zeit, wo die Entwertung noch nicht fo weit fortgeschritten war, und man immer noch hoffte, auch auf nich# wertbeständiger Anleihe Geld zu erhalten —, damals au eine nik wertbeständige Papiermarkanleihe ausgegeben mit dem Erfolg, daß wir jedenfalls nichts bekommen Haben, was irgendwie zu Buche {klug Wir haben Roggenanleihen, Kalianleihen mit dem. Erfolg ausgegeben, daß immerhin eine gange Menge gezeinet worden und eingekommen ist, Aber die Entwiklung dieser wertbeständigen Anleihen ist jeden- falls für denjenigen, der sie damals gezeichnet hak, wider Erwarten