1880 / 84 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 Apr 1880 18:00:01 GMT) scan diff

E E E S u 2 M Err m E E E E

Lt Ee

die vorbereitenden Schritte der Regierung, die Gewährun von 10000 # für Wegeanlagen in den fiskalischen - Wal- dungen, die Anträge auf kräftigeren Betrieb der fiskalischen Braunkohlengruben und auf endlihe Jnangriffnahme der längst versprochenen Westerwälder Eisenbahn, sowie die Ge- währung von 10 000 6 Seitens des Ministers des Fnnern zur Unterstüßung der Nothleidenden. Er theilte mit, daß er bereits im Januar an Ort und Stelle 4 Unterstüßungs- bezirke mit Vorständen gebildet und das Unterstüßungswesen geregelt habe, und fkonstatirte, daß bei seiner Anwesenheit an dem Westerwalde in vergangener Woche ihm allseitig versichert worden sei, daß Niemand Noth gelitten. Inzwischen sei im Januar shon in Wiesbaden ein Co- mité zusammengetreten, um milde Gaben zu sammeln; es hätten Wohlthätigkeitsvorstelungen stattgefunden, und es sei auf diese Weise gelungen, außer den direkt auf den Wester- wald gesandten Liebesgaben circa 11 000 4 aufzubringen, und sei ihm von dem Comité diese Summe zur Beschaffung von Saatfrucht zur Disposition gestellt worden. Er habe für dieselbe, welher noch aus der Staatsunterstüßung 6000 M hinzugekommen seien, in der Provinz SaWsen Kartoffeln, Hafer und Gerste, lauter zeitigreifende Frucht bester Qualität, ange- kauft, und seien zur Zeit 2800 Ctr. sächsische Zwiebeikartoffeln, 800 Ctr. Hafer und 100 Ctr. Gerste bereits auf dem Wester- walde angekommen oder dorthin unterwegs. Die Vertheilung dieser Saatfrucht unter die einzelnen Gemeinden sei von ihm in voriger Woche geregelt worden, und hoffe er, daß auf diese Weise der Nothstand beseitigt sei.

Der Abg. Böhner erkannte gern an, daß für den Ober- westerwald ausgiebig gesorgt sei, glaubte aber, daß auf der mittleren Terrasse desselben noch Mangel an Saatsrucht sei. Hr. von Wurmb sprach die Hoffnung aus, demselben ebenfalls noch mit den vorhandenen Mitteln abhelfen zu können.

Der Böhnersche Antrag wurde hierauf der Eingaben- kommission zur s{chleunigen Prüfung überwiesen, ob noch etwas in dieser Angelegenheit zu thun sei.

Sachsen-Coburg-Gotha. Gotha, 8. April. (Goth. Ztg.) Der gemeinschaftlihe Landtag für die Herzog- thümer Coburg und Gotha is auf den 19. April d. J. nah Coburg einberufen worden.

Elsaf:-Lothringen. Straßburg, 7. April. (Els.- Lothr. 0 Der Landesaus\{chuß hat seine während dreier Wochen unterbrochene Session mit der gestern Nach- mittag abgehaltenen 37. Sißung wieder aufgenommen. Gegenstand der Tagesordnung war der Geseßentwurf über Erhöhung der Lizenzgebühren für den Kleinvetkauf von geistigen Getränken (Erste Lesung). Der Unter-Staatssekretär Dr. Mayr leitete die Diskussion durch eine ausführlihe Darlegung der der Regierung bei diesem Entwurfe vorshwebenden Ziele ein. Der vorgeschlagenen Reform liege ein doppel- ter Gedanke zu Grunde, einerseits \sittlich und ökono- mis bessernd vorzugehen, andererseits die Finanzquellen des Landes zu stärken. Bezüglih der ersten Absicht handele es sih vor Allem darum, die Gelegenheit zur Völlerei und zum Trunke zu vermindern, sodann dahin zu wirken, daß nicht diejenigen Beschäftigungsweisen, die als minder produktiv si darstellen, also der Zwischenhandel, im Staate überwuchern. Wenn nun das Geseh einen repressiven Charakter haben solle, so müsse es si, wie im Entwurf geschehen, in wenigen ZTarifabstufungen bewegen. Es handele sich auch nicht darum, nur eine Steuer mehr zu \{hafffen, sondern das Geseg sei gédaht im Sinne eines wichtigen Bruchstücles der wünschenswerthen Steuerreform, welche eine Beseitigung oder Herabseßung der drückenden Steuern (Mutationsgebühren, Weinsteuer) zum Ziele haben. Es wurde beschlossen, das Geseß einer Spezialkommission zu überweisen. Seitens des Mitgliedes Köchlin ist ein Antrag auf Erlaß eines Geseßes, betreffend die Ünverleßlichkeit der Abgeordneten, eingebracht worden.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 7. April. Die „N. fr. Presse“ meldet : Der Vertrag mit Serbien ist abgeschlossen und wird wahrscheinlih noch heute unterzeihnet. Die serbische Regierung verpflicztet si, den Vertrag innerhalb 6 Monaten der Skupschtir.a vorzulegen; dagegen is der serbische Stand- punkt in der bulgarischen Frage angenommen worden. Während die Linie Belgrad-Nish—türkische Grenze innerhalb drei Jahren ausgebaut sein muß, ist für Nisch—ungarische Grenze kein Termin festgeseßt, sondern es ist noch eine Vereinbarung mit Bulgarien zu treffen über die streitigen Punkte bezüglich des Brücenbaues, Bezüglih des Betriebsreglements wird eine besondere Verhandlung mit Ungarn stattfinden und eine be- sondere Konvention zwischen Serbien und Ungarn geschlossen.

8. April. (W. T. B.) Gutem Vernehmen nah erfolgt morgen die Unterzeichnung der österreihisch-serbischen Eisenbahnkonvention.

R, f April. Für Bosnien und die erzego- wina wird wie der „P. Lloyd“ vernimmt die Einfüh- rung einer Strafprozeßordnung geplant, damit im Ver- eine mit dem noch im vorigen Jahre dort eingeführten mate- riellen Strafgeseze das ganze Strafrecht in den ofkkupirten Provinzen auf civilisirten Ansprüchen genügenden Grundlagen ruhe. Die diesbezüglihen Verhandlungen werden unter Be- theiligung der ungarischen Regierung in Wien gepflogen.

Großbritannien und Jrland. London, 8. April. (W. T. B.) Bei den heutigen Parlamentswahlen haben die Liberalen in den Grafschaften Carmarthen, Donegal und South-Leicester je einen Siß gewonnen. Jn der Grafschaft Leitrim verloren die Homeruler einen Parlamentssiy an die Konservativen.

8, April, ¿Nachts. (W. T. B.) __Es sind jeßt 554 Parlamentswahlen bekannt. Gewählt wurden 317 Li- berale, 198 Konservative und 39 Homeruler. Die Homeruler gewannen in Sligo einen A von den Konservativen.

(Allg, Corr.) Die „Navy List“ für April zeigt mehrere Véränderungen. Admiral Hornby figurirt nicht mehr als“ Commandeur en chef des Mittelmeergeshwaders und ist dur den Vize-Admiral Sir Beauhamp Seymour erseßt wor- den, der die „Alexandra“ zum Flaggenschiffe gewählt hat. Sir G. Hornby hat bereits die Mittelmeerflotte verlassen, und der einzige andere Flaggenoffizier in jenen Gewässern ist der Contre-Admiral M'Crea, Admiral-Superintendent in Malta. Die Mittelmeerflotte besteht jeßt aus 20 Fahrzeugen, von denen schs, „Und zwar die_ „Alexandra“, der „Jnvin- ble“, r ; „Rupert“, „Téméraire“ und „Thunderer“

Panzerschiffe den „Achilles“, „Agincourt“, „Minotaur“, und „Northumberland“ und 1 Avisoboot ; Contre-Admiral Hord führt den Oberbefehl ; aber in der Person des Contre- Admirals Waddilove befindet sich ein zweiter Flaggenoffizier bei dem Geschwader. n China ist eine sehr starke britische Seemacht stationirt. Die Stahlkorvette „Comus“, welche auf jener Station entweder schon angekommen ist oder in Kurzem dort eintreffen wird, bringt die Zahl der dortigen Schiffe auf 21 numerisch die größte Flotte unter irgend einem unse- rer Admirale. Allein das chinesische Geshwader besitzt nur ein einziges Panzerschiff, den „Jron Duke“, der die Flagge des Vize- Admirals Robert Coote trägt; es zählt jedoh mehrere starke Korvetten und kräftige Kanonenboote, welhe ausgedehnte Kreuzerdienste zu leisten haben. Das nordamerikanische und ostindishe Geschwader. besißt zwölf Schiffe, ausschließlich der „Bacchante“, an deren Bord die Königlichen Prinzen si be- finden, und steht unter dem Befehle des Vize-Admirals Sir Leopold M'Clintock, der seine Flagge auf dem „Nordhampton“ aufgehißt hat. Die Stille-Meer-Flotte umfaßt die zwei Panzerschiffe „Triumph“ und „Shannon“ und aht andere Schiffe unter dem Befehle des Contre-Admirals Stirling, während die ostindishe Flotte kein Panzerschiff aufzuweisen at, aus zwölf Kriegsschiffen besteht und vom Contre-

dmiral Cor befehligt wird. Die australishen und afrikanischen eschwader werden nur von Kommodoren befehligt; - ersteres besteht aus neun, leßteres aus zehn Schif- fen. An der südöstlihen Küste Amerikas befinden \sih vier Schiffe unter einer Art Unterkommando. Mit dem Ver- messungsdienste sind sechs Schiffe betraut. Besonderer Dienst beansprucht in diesem Augenblicke die etwas hohe Zahl von 15 Schiffen, während neun Schiffe heimberufen sind. Das Kriegsschiff „Dragon“ hat den Befehl erhalten, sich von Mauritius nach Madagascar zu begeben, da der unge- régelte Stand der Angelegenheiten auf leßterer Jnsel den Schuß britisher Jnteressen erheisht. Der Ursprung der Ruhe- störungen ist die gewaltsame Wegführung eines Häuptlings dur den Kommodore eines französischen Kriegsschiffes, nah: dem der Häuptling das Eigenthum eines Händlers franzö- e Nationalität in der Bai von St, Augustine zerstört hatte.

Ein Telegramm des „Standard“ aus Bombay dementirt das Gerücht, Mahomed Jan sei im Kampf mit den Hazaras gefallen, und fügt hinzu: Der Mustaufi ist in Kabul eingetroffen und berichtet, Mahomed Jan befinde \ich in Maidan und habe den Entschluß ausgedrückt, bis zum lezten Mann zu kämpfen, Falls die von den britischen Be- hörden angebotenen Bedingungen nicht annehmbar für ihn sein follten.

Veil „Times“ wird aus Kabul vom 6. d. M. ge- meldet:

„Der Mustaufi wird morgen mit ciner beruhiaenden Botschaft an die Häuptlinge von Ghazui nah Maidan zurückehren. Er gr- denkt, bet seiner Rückkehr hierher dieselben mitzubriagen, und wür- den alsdann deren Ansichten in Erwägung gezogen werden. Es steht nunmehr unzweifelhaft fest, daß Abdurramen in Tur*estan eine gute Aufnahme gefunden hat. Wie ein Gerücht besagt, ist derselbe den Engländern nicht unfreundlich gesinnt.“

Frankreich. Paris, 8. April. (W. T. B.) Die Sprache und die 4 4 dex bonapartistishen Jour- nale bestätigen, daß diébeiin Erscheinen des Schreibens des Prinzen Napoleon vorhergesehene Spaltung zwischen den kon- servativen und den vorgeschrittenen Bonapartisten bereits ein- getreten ist, Die Journale „Ordre“ und „Estafette“ bringen sehr lebhafte Erwiderungen auf den Artikel Graniers de Cassagnac im „Pays“ und konstatiren, daß zwishen dem Jm- perialismus Graniers de Cassagnac und derjenigen Partei, n A der Prinz Napoleon sei, keinerlei Gemeinsam- eit bestehe.

Die katholischen Journale veröffentlihen mehrere Schreiben, welche von Erzbischöfen und Bischöfen bezüg- lih der Dekrete vom 29. v. Mts. an den Präsidenten ge- rihtet worden sind.

Der Generalrath von Marseille nahm mit 18 von 22 Stimmen die Vorfrage an, dur welche jedes Votum gegen die E vete bezüglih der Kongregationen zurückgewiesen wird.

_— (C. Zla) Dex Minister des Fnnern hat an die Präfekten folgendes Rundschreiben gerichtet :

Paris, 2. April. Herr Präfekt! Im Augenblick, wo die Ver- öffentlihung der beiden Dekrete vom 29. in der Presse cine so leb- hafte Polemik hervorruft und die Gegner unserer republikanischen Staatseinrihtungen zu den heftigsten und ungerechtesten Angriffen veranlaßt, bin ih der Ansicht, daß es Ihre Pflicht ist, die Bevöl- kerungen über den Sinn und die Tragweite dieser Dekrete aufzu- klären und sie vor gewissen Verleumdungen zu warnen, welche die feindlihen Parteien sich zu verbreiten bemühen. Wenn man alle Verleumdungen zu analysiren versucht, so lassen sie sich leicht auf zwei Behauptungen zurückführen, denen Sie s{chnell ein Ende machen können. Einerseits klagt man die Regierung an, daß sie die Rechte und Vorrechte der katholishea Religion angreife; an- dererseits wirft man ihr vor, eine Klasse von Bürgern zu verfolgen. Keine dieser beiden Anklagen hält eine ernste Prüfung aus; aber mit List und Perfidie dargestellt, könnten dieselben, wenn Sie betreffs dieses Punktes nicht genügend wachsam wären, bei der Landbevölke- rung Glauben finden. Dadurch, daß die Regierung die nicht erlaub- ten Ordensgesellschaften zur Beobachtung der Gesetze auffordert, ver- leßt sie, so sagt man, die Rechte der katholishen Kirche. Nichts ist umitiger, ‘als diese Behauptung. Die Rechte der katholischen Kirche in Frankreich sind durch das Konkordat, die organischen A und die zur Ausführung dieser Gesegze erlassenen Reglements und Dekrete bestimmt. Die Regiernng kann an die aus diesen ver shiede- nen Akten hervorgegangene Lage nicht die Hand anlegen. Sie können im Gegentheil laut erklären, daß das einzige Ziel, welches sie in dieser Hinsicht verfolgt, ihre strenge und auf- rihtige Ausführung ist. Weder das Konkordat noch die organischen Geseße seßen die Existenz von Ordensgesellshaften in Frankreich vor- aus. Die Ordensgesellshaften gehören in der That nicht zur Wesen- heit der Kirhe. Ihr Bestand oder ihr Nichtbestand stehen nicht im Zusammenhang mit der freien Ausübung des Kultus. Portalis war das getreue Cho der wahren Lehren in dieser Sache, als er in- dem Bericht, der dem Dekret vom 3. Messidor des Jah- res XII. voranging, sagte: „Die Bischöfe und die Priester sind von Gott ausersehen, um die Völker zu unterrichten und die Religion den Gläubigen und Ungläubigen zu predigen. Die Ordensgefellschaften gehören nicht zur Hierarchie; es sind der Fundamentalregierung der Kirche fremde Einrichtungen.“ Er fügte dem hinzu: „Heute ift das große Interesse der Religion, die Hirten, welche des Tages Last und Hiße zu ertragen haben, zu beshüßen, anstatt neben ihnen und über ihren Köpfen Männer Stellung nehmen zu lassen, welcbe sie unterdrücken können." Die von der Regierung betreffs der nicht erlaubten Ordensgesell haften verfügte Maßregel greift also in keiner Weise die Religion an. Es it eine rein politisde Maßregel. Alle Rechte der schon anerkannten und ermähtigten Ordensgesellshaften werden voll-

Pangzerschiffe sind. Das Kanalgeshwader, welches zuleßt in der Natbarschaft von Lissabon gekreuzt hat, zählt vier

werden aufgefordert, die Ermächtigung na&zusuGen. Was thut also die Regierung ? Sie beschränkt si darauf, die Ordensgesellshaften zur Achtung des Pcinzips zurüczurufen, von dem Pafquier sagt: „Hier giebt es nur ein Geseß : das ewige und unabhängige Prinzip des positiven Geseßes, das nicht gestattet, daß si irgend eine Ge- sellshaft im Staate ohne die Billigung der großen Staatsgewal- ten bildet.“ Und Dupin sagte: „daß es dem souveränen Pontifex zusteht, eine Ordensgesellshaft zu stiften, daß aber diese Ordens- gesels{aft nur allein durch die weltlihe Matt im Staat bestehen fann. Wenn eine Ordenszesellschaft gegen den Willen derselben ertihtet und aufrecht erhalten werden könnte, so würde die weltlihe Macht zu bestehen aufhören.“ Der Beschluß der Re- gierung enthält also nichts, was den Rechten der Kirche zuwider- läuft; er ist im Gegentheil durch das Gefühl des Bedürfnisses der Ordnung und der Ruhe in der Kirche wie im Staat eingeflößt wor- den. Jch komme hierauf zu der gegen die Dekrete vom 29. März erhobenen Beschwerde. Diese Dekrete greifen die persönliche Freiheit an so fagen die Feinde der Regierung es sind Verfolgungs- maßregeln. Es bedarf keiner langen Auseinandersetzung, um festzu- stellen, daß diese Anklage ni&t mehr gerechtfertigt ist als die vorhergehenden. Um auf dieselbe zu antworten, genügt es, darauf hinzuweisen, daß die Mitglieder der nicht ermächtigten Ordens- gesellshasten am Tage, an dem die Auflösung ihrer Assoziation aus- ge\prohen wird, sih genau in dec nämlichen Lage befinden werden, wie alle anderen französischen Bürger; daß sie der nämlichen Vortheile und der nämlichen Vorrechte genießen werden unter den einzigen Be- dingungen, daß sie fih den Gesetzen unterwerfen und si nicht in die unterdrückte Körperschaft aufnehmen lassen. Tie Leute nöthigen, in den Bereich des gemeinen Rechts zurüczutreten, hieß niemals dieselben verfolgen, und die, wele dieser Aufforderung den Gehorsam versagen, würden niht den Namen von Opfern, sondern den von Rebellea ver- dienen. : Es steht mir nicht zu, im voraus zu sagen, welche späteren Entsc{lüsse der Gesetzgeber über die ernste Frage des Assoziationsrechts fassen wird; ih weiß uicht, in welhem Maße die Ordensgesell schaften daraus Nußen zichen können. Aber ih weiß, daß die Assoziationen, welche aus mehr als 20 Mitgliedern bestehen, verboten sind, selbst dann, wenn diese Assoziationen sich in Abtheilungen zersplittern, die weniger als 29 Mitglieder zählen. Jch weiß au, daß mehrere gerichtliche Ur- theile festgestellt haben, daß die religiösen Assoziationen diesen Bestim- mungen unterworfen sind, selbs wenn es sch um anerkannte Kulten handelt. Es wird den ehemaligen Mitgliedern der aufgelösten Ordens- g¿sellshaften nicht mehr gestattet sein, das zu thun, was den übrigen Bürgern verboten ift. Dies ilt die einzige Verleßung der persönlichen Greiheit, welche die feindliche Presse bis jeßt gegen die Regierung aufgefunden hat. Dies wird nicht hinreichen, um das öffentliche Mitleid wachzurufen, an das man sih nun wendet. Der allgemeine gesunde Menschenverstand wird diesem Geschrei ein Ende machen, sobald der wirkliche Charakter der Lage dargestellt ift.

Portugal. Lissabon, 8, April. (W. T. B.) Die Regierung hat nah Macao (China) Truppenverstärkungen abgehen lassen.

Türkei. Konstantinopel, 9. April. (W. T. B.) n das vom Sultan nunmehr genehmigte Budget sind für die Unterhaltung von türkischen Gesandtschaften in Brüssel, Haag, Stockholm und Washington keine Etats- positionen eingestellt.

__ Philippopel, 31. März. (Wien. Ztg.) Die Pro- vinzialversammlung entwickelt eine eifrige Thätigkeit, weil die sür die außerordentliche Session anberaumte Zeit eine kurze ist. Abgesehen von dem Finanzgeseße, bilden die die Aufnahme einer Anleihe zur Hebung der Landwirthschaft \o- wie den Bau der Bahn Burgas-Jamboli-Philippopel betreffen- den Vorlagen die wichtigsten Berathungsgegenstände. Die Lage der Landwirthschaft is eine traurige, die größere Hälfte ' des Acerlandes, etwa 500000 Joch, lag in den leßten Jahren völlig brach, weil es an Arbeits- kräften und Zugvieh fehlte. Die Folgen dieses bedauer- lihen Zustandes treffen niht nur den Einzelnen, sondern auch den Provinzschaßg. W gen Mangels an Zugvieh wurde das Erträgniß der Getreideernte im vorigen «zahre um eine Million Kilo beeinträchtigt, wodurch die öffentlichen Einnahmen einen Ausfall von 60- bis 70 000 Goldlire erlitten. Die von der Regierung beabsichtigte Unterstüßung der Landwirthe erweist sih daher nah jeder Richtung als eine Nothwendigkeit. Von nicht geringerem Einflusse dürste sih die Bahn Burgas- Philippopel für den Wohlstand der Provinz erweisen ; diese Bahn würde niht nur den Handel Ost-Rumeliens von der türkishen Metropole emanzipiren, sondern der eigentlichen Kornkammer von Rumelien und Thrazien, der Mariha-Ebene, zu der ihr gebührenden naturgemäßen Bedeutung verhelfen. Die Annahme der in Rede stehenden Vorlagen scheint sonach keinem Zweifel zu unterliegen.

Numäánien. Bukarest, 3. April. (W. Pr.) Die Regierung ist darauf bedacht, eine praktikable Kommunikation mit der Dobrudscha herzustellen und überhaupt diese Provinz zu heben. Küstendsche, das jeßt rumänish Kenstanza ge- nannt wird, ist vor Allem Gegenstand der gouvernementalen Aufmerksamkeit. Uebcr die Donau soll zur Bahnlinie Ts\cher- nawoda-Küstendsche eine Brücke gebaut und an dem leßteren Orte ein komfortables Seebad errichtet werden. Wie mit der Lemberg-Czernowißer Bahn, s\o hat die Regierung auch mit der Dobrudschabahn Verhandlungen wegen Verstaatlichung derselben begonnen, doch stellt der Vertreter dieser Gesell- schaft solhe Bedingungen, daß der Staat dieselben nicht er- füllen kann.

8. April. (W. T. B.) Jn der heutigen Sigung der Deputirtenkammer interpelliree bei der Be- rathung des Budgets für das Ministerium des Aus- wärtigen der Deputirte Jonesco den Minister des Aus- wärtigen, Boerescu, über das VerhältuißRumäniens pu den auswärtigen Mächten. Der Minister erwiderte, ie Beziehungen zu allen Mächten seien gute, den Beweis da- für liefere die Anerkennung der Unabhängigkeit Rumäniens Seitens aller Mächte und der Umstand, daß in volkswirth- schaftlicher Beziehung neue Vereinbarungen abgeschlossen wor- den seien. Der Minister fügte hinzu, er glaube, eine wirklich rumänische Politik zu befolgen, wenn cer sih angelegen sein lasse, die guten Beziehungen zu allen Mähten aufrecht zu er- halten, ohne sich zum Werkzeug einer einzelnen derselben zu machen. Der Minister zeigte \{ließlich die demnächst bevor- jiehende Veröffentlihung von diplomatischen Aktenstücken mit dem Bemerken an, daß die Kammer sich daraus überzeugen würde, daß das Kabinet beharrlich die Vertheidigung der Landesinteressen sih angelegen sein lasse, Der mit England ab ahne Handelsvertrag wurde der Kammer heute vor- gelégt.

Bulgarien. Sofia, 7. April. (W. Pr.) Das neue Ministerium ist in folgender Weise gebildet: Der bisherige diplomatische Agent in Konstantinopel und der politische Ge- nosse Balabanows aus dem Jahre 1876, Dragan Zankow, hat das Minister-Präsidium und das Portefeuille des Aeußern erhalten. Professor Petko Karawelow, der Kanimer-Präsident

ständig aufrechterhalten, Die nicht erlaubten Kongregationen

und Führer der Radikalen, wird Finanz-Minister; der bis-

: der Gouverneur von Varna, Stojanow, Justiz- inister. Nachdem der Vertheidiger des Schipkapasses, Radezky, das Kriegsportefcuille abgelehnt hatte, wurde es Erenroth, einem im leßten Kriege mehrfah genannten russi- schen General, übertragen.

ußland und Polen. St. Petersburg, 9. April.

(W. S B) Der Zeitung „Molwa“ ist die erste Verwar- nung ertheilt worden. Die russische „St. Petersbur- er Zeitung“ erfährt, die Zahl der hiesigen Polizei- L vier-Aufseher solle von 250 auf 1000 erhöht werden. Betreffs der von ausländischen Blättern gebrahten Nachricht, die russishe Grenze sei von einer 30 000 Mann zählenden inesishen Armee überschritten worden, will das nämliche Blatt wissen, es handle sfich nur um eine größere Anzahl von hinesishen Arbeitern, die die russishe Grenze im Ússurigebiete überschritten hätten, und unter welchen si mög- licherweise au frühere cchinesishe Soldaten befinden könnten. Charkow, 8. April. (W. T. B.) Vor dem hiesigen Militär-Kreisgericht haben heute die Verhandlungen in dem Prozesse gegen den dem Adelstande angehörigen ehe- maligen Lehrer Alexander Winogradoff begonnen. Die An- Ilage lautet auf Verbreitung verbotener Schriften zum Zweck des Umsturzes der bestehenden Regierungsform jowie der

sozialen Ordnung.

dne Gouverneur von Tirnowo, Tischew, Minister des

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Aus dem Wolffshen Telegraphen-Bureau.

St. Petersburg, Freitag, 9. April. Das Befinden des ienen Fürsten Gortschakosf ist in den leßten Tagen ein weniger befriedigendes gewesen; ein gesteigerter Katarrh verursachte Athmungsbeshwerden. | :

St. Petersburg, Freitag, 9. April. Die „Agence Russe“ erklärt, daß die chinesishe Regierung von feiner fremden Macht zu cinem feindlichen Verhalten gegen Rußland aufgereizt worden sei; die bezüglih des russisch-chinesishen Vertrages entstandenen Schwierigkeiten, sowie die Gefahren, welhen der chinesishe Gesandte Thoung-Kao ausgeseßt ge- wesen wäre, seien allein durch die zur Macht gelangte alte chinesishe Partei verursacht worden, welche allen Europäern gleihmäßig feindselig gesinnt sei. Es wäre indeß verfrüht, ernsthafte Verwickelungen zu besorgen, da ja die Propositionen der hinesishen Regierung noch gar nicht bekannt scien. Ruß- land wäre nicht gewohnt, einen bereits abgeschlossenen Ver- trag als nicht vorhanden zu betrahten und wenn neue Ver- handlungen nothwendig werden sollten, so würden dieselben unter Da H E geeigneter wären, die

1sführung des Vertrages zu nchern. : : | M S S Freitag, 9. April. Die Newa ist bei Sghlüsselburg auf 2 Weist eisfrei. Bei Riga kam gestern das Eis der Düna in Bewegung. Jn dem Hafen von Reval sind gestern fünf Dampfer, welche von Baltishport aus einen durch das Eis geschlagenen Kanal passirten, eingelaufen.

Neichstags - Angelegenheiten. i i

je XI, Kommission des Reichstages zur Vorberathung des das betreffend die Abwehr und Per A von Viehseuchen, hat sich wie folgt konstituirt: von Wedell- Malchow, Vorsizender, Hall, Stellvertreter des Vor- fißenden, von Bethmann-Hollweg (Ober-Barnim), Schrift- führer, Dr. Mendel, Schri ftführer, von Schalscha, Scrift- führer, Graf von Behr-Behrenhoff, von Below, Bieler (Franken- hain), Graf von Chamaré, Freiherr von Dalwigk-Lichtenfels, Graf von Flemming, Graf von uar eiber l Dr. Groß, Haerle, Graf von Holstein, von Lenthe, Pabst, Freiherr Nordeck zur Rabenau, von Reden (Lüneburg), Richter (Meißen), von Saudcken-Tarputschen, Graf von Saurma-Jeltsch, von Schlieckmann, Graf zu Stolberg- Stolberg (Neustadt), Tölke, Freiherr von Wendt, von Werner (Cß-

lingen), Dr, Zinn.

Statistische Nachrichten. L tach Mittheilung des statistischen Bureaus der Stadt Bert sind bei der hiesigen Standesämtern in der Woche vom 27. März bis inkl. 3. April cr. zur Anmeldung ge- fommen : 359 Ebeschließungen, 829 Lebendgeborene, 35 Todtgeborene und 560 Sterbefälle. Gewerbe E E L O Die „Leipz. Zta." bringt folgenten, vom 8s. d, M. dalrker Bericht von u A Messe: Die Garledermesse zeigte dieselbe Physiognomie, wie ihre Vorgänger, einen ziemli rashen Verlauf und lebhaften Verkehr. Die Anwesenheit auslän- disher, besonders österreihisher Käufer trug dazu ‘bei, die gute Stimmung aufrecht zu halten, so daß die Preise der meisten Ledersorten gegen diejenigen der leßten Michaelismesie eine ansehnliche Erhöhung erfuhren. Es scheint, daß mit dem Behaupten dieser Position für die nächste Zeit eine wesentlihe Schwankung der Werthverhältnisse auf dem Garledermarkte niht zu erwarten ist. Ausländische Ar- tikel, besonders Unterleder aus den größeren Fabriken der Schweiz und Belgiens, aus England und Amerika, kônnen gegenwärtig wegen des seit 1. Januar 1880 dreifach höheren Zollsaßes nur in bescheidenen Partien auf den Markt gelangen ; es zeigt sih in Folge dessen eine größere Beliebtheit für die dasselbe erseßenden deutschen Fabrikate. Die letzteren finden in allen besseren Appreturen erfreulich guten Absatz, besonders Vacheleder und feine Gattungen Brandsfohl- leder stehen in guter Frage, desgleichen leichtes Sohlleder in geshickt gestellten Häuten, während dergleichen \chwere, starke Waare vernahläs- sigt blieb. Fahlleder und Kalbleder, sowie Kipse und alle Sorten Blankleder waren unverändert und behielten ihre Preise, wie solche bereits zur diesjährigen Neujahrsmasse bewilligt wurden. Die speziellen Preise aller dieser verschiedenen Artilel variiren ganz außer- ordentlih je nah der besseren oder geringeren Gerbung, Zurichtung und Trocknung der Waaren. Leider waren auch zur gegenwärtigen -Oster-Ledermesse erhebliche Quantitäten sehr gering gegerbter und unsolid trockdener Waaren zugeführt, welde nur mit Schaden verkauft werden konnten. Ein äußerst reges Leben beherrschte den Schaf- ledermarkt in den Räumen der Georgenhalle. Die Forderungen der Eigner waren zumeist sehr hoh; troßdem fanden dieselben Gehör, ein deutliher Beweis für E Aen animirte Nachfrage und den lebhaften Bedarf in diesem Artikel. Z s gas Die A: Le Hdls.-Ztg.“ äußert sich in ihrem vom 26. März datirten ochenbericht über die Geschäftslage folgendermaßen: Der vollständige Zusammenbruch der Produkten- ipekulation kann, nachdem der Geldmarkt, deren bisherige Stüype, zu wanken begonnen hat, niht mehr lange auf sich warten lassen. Be- reits sind diese Woche auf westlihen und östlihen Märkten Preise in erfreulih starkem Grade gefallen; große Quantitäten Brodstoffe, Provisionen 2c. für Export gekauft worden und unsere neuesten Aus- fubrlisten repräsentiren einen weit höheren Totalwerth, als den wöchentlih¿n Dur(schnittsbetrag seit Anfang dieses Jahres; wäre vit gleichzeitig eine Steigerung der Oceanfrachten, welchbe den reisabfall theilweise paralysirt, eingetreten, so würden die Ver-

Entwickelung des Erports, die 40 Millionen Dollars, um welche

Summe der Import der ersten drei Monate dieses Jahres den der

Parallel-Periode vorigen Jahres übersteigt, zu decken. Hat nun auch

im Laufe dieser Woche, theilweise wegen des wieder eingetretenen

kalten Wetters, der Verkehr in einzelnen Zweigen etwas azagenommen,

ist ferner die Situation des Geldmarktes nit geeignet, um zu neuen

Untecnehmungen größerer Tragweite einzuladen, fo stehen wir doch,

auf Grund der verbesserten Aussichten unseres Erporthandels nicht

an, die allgemeine Geschäftslage als eine befriedigende zu bezeihnen.

Die Strikes, deren Ausdehnung die einheimishe Industrie mit ciner

empfindlichen Stagnation bedrohte, haben hier in New-York dur

ein Kompromiß zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorläufige

Erledigung gefundeo, dagegen sind in verschiedenen Fabrikdistrikten

neue Differenzen ausgebrochen. Das Geschäft am Waaren- und

Produktenmarkt hat auch in dieser Woche wieder einen ret befriedi-

genden Verlauf genommen. Das Befrachtungsgeshäft war animirt,

und wurden 32 Swiffe für volle Getreideladungen gechartet. In

Brodstoffen fand eine allgemeine Baisse statt, die für Weizen

und Mais zu einem lebhaften Exportgeshäst führte. Baumwolle

in disp. Waare war ftill, und das Termingeshäft belebte sich erst

gegen Ende der Wodhe. Für Rio Kaffsees machte sih eine ver-

trauensvollere Stimmung geltend; das Geschäft in reinschmeckenden

Sorten war beschränkt. Für Schmalz und Schweinefleisch herrschte ziemlih reger Exportbegehr, Rindfleisch *und Talg fanden dagegen nur wenig Beachtung. Petroleum, nah anfänglich fester Hal- tung, {ließt flau und niedriger. Terpentinöl konnte sich_ nit behaupten, während Harz für die gewöhnlichen und mittleren Soeten

fest und für die feineren Sorten etwas höher war. Der Hopfen- markt blieb ruhig. Fremde Manufakturwaaren find un- verändert. Der Import von Webstoffen betrug während der heute beendeten Woche 2 806 376 Doll. gegen 2267 560 Doll. in der Pa- rallelwoche des Vorjahres.

| Verkehrs-Ansftalten. : ; Ueber die Veränderungen im österreihis{ch-ungarischen Eisenbahnnete im Jahre 1879 enthält eine Uebersicht in der „Wien. Ztg.“ u. A. folgende Angaben: Im Jahre 1879 wurden in beiden Theilen der österreihisch-ungarishen Monarchie im Ganzen 142,268 km neue Lokomotiv-Eisenbahnen (gegen 261,905 km im Vor- jahre) mit 20 neuen Stationen und Haltepunkten und 9 Anschlüssen an die Linien anderer Bahnverwaltungen dem öffentlichen Verkehre übergeben. Die Uebergabe zum Betriebe erfolgte in 7 Theil- \trecken, von denen 4 Eigenthum der beiderseitigen Regierungen und die Übrigen von drei verschiedenen Gesellshaften waren. An das Aus- land wurden 3 neue Anschlüsse gewonnen und zwar in Pontafel-Porteba, in Predeal und in Orsova-Verciorova. Anläßlich der am 28. Okto- ber stattgehabten Eröffnung der Streckte Oedenburg - Neufeld der Raab-Oedenburg-Ebenfurther Bahn wurde in der Strecke Gbenfurth- Neufeld der Wien-Pettendorf-Wr.-Nenustädter Bahn der Lokomotiv- betricb eingeführt. In diesem Jahre ist auch eine Betriebseinstellung zu verzeihnen, indem der Verkehr auf der 10 km langen Strecke Schaboglück-Priesen der Eisenbahn Pilsen-Priesen-(Komota) am 1. Juli gänzli eingestellt worden is. Die bereits am 23. Novem- ber 1878 dem Militärverkehre übergebene Linie Dalya-Brod der KönigliÞ ungarishen Staatsbahnen wurde in ihrer Theilstrele bis YJrvekova am 1. Februar und in ihrer ganzen Ausdehnung am 1. März 1879 für den allgemeinen Verkehr eröffnet. Von den neu eröffneten Streckten entfallen auf die im Reichérathe vertretenen Länder 4 Theilstrecken mit 77,161 km Bahn- länge, 77,502 km Betriebslänge und 14 Stationen; auf die Länder der ungarischen Krone 3 Theilstrecken mit 65,107 km Bahnlänge, 65,107 km Betriebslänge und 6 Stationen. Die Bahnen in Boë- nien sind die Verbindungsbahn Brod-Bussud mit 7 Tarif-Kilo- metern, die 189,6 km lange \{chmalspurige Bosna-Bahn und die 102 km lange Bahn von Banjaluka nah Doberlin. Erstere wurde am 17. Dezember 1879 für den Betrieb eröffnet; die Eröffnung der Bosna-Bahn erfolgte n Juni v. I., die der Bahn Banjaluka- berlin am 24. März 1879.

e Triest, 8. Al E. L D) E Lloyddampfer „Medea“ ist heute Mittag aus Konstantinopel hier angekommen.

Berlin, 9. April 1880.

Zu Anfang Februar d. J. wurde auf den europäischen Sternwarten eine hochgespannte Erwartung erregt dur ein von der Sternwarte zu Cordoba in der Argentinischen Republik ausgegangenes Telegramm, welches kurz besagte: „Großer Komet passirt die Sonne nordwärts.

Schon nach einigen Tagen wurde diese Erwartung ent- täuscht durch ein zweites Telegramm desselben Ursprunges, welches eben so kurz lautete: „Komet geht jüdwärts.“

Der Widerspruch wurde dahin gedeutet, daß es sich um einen Kometen gehandelt habe, welher der Sonne so nahe gekommen sei, daß er, wie der große Komet von 1843, inner- halb weniger Tage bei seinem überaus {nellen Umshwung um die Sonne A Wechsel der Bewegungs-

ihtungen erfahren habe. j :

Ri B find A den leßten Wochen nähere Nachrichten über die von den Sternwarten der südlihen Halbkugel, ins- besondere am Kap der guten Hoffnung, angestellten Be- obahtungen jenes Kometen eingegangen, “und es hat si herausgestellt, daß er sich in der That in ganz derselben Bahn bewegt hat, wie der große Komet von 1843, wenngleich er bei Weitem nicht so hell geworden ist, wie jener, welcher bekanntlih zur Zeit seiner größten Sonnennähe am Tage dicht neben der Sonne wahrgenommen wurde. Der dies- jährige Komet ist aber sonst dem großen Kometen von 1843 auch darin ähnlich gewesen, daß er einen mächtigen, étwa 40 bis 50 Grad langen Schweif entwickelt hat. i

Es wird noch der näheren Untersuhung bedürfen, ob der diesjährige Komet mit demjenigen von 1843 identisch ist, oder ob ¿r blos in derselben Bahn wie jener einherwandert.

In den leßten Jahrzehnten ist es nämlich {hon vorge- fommen, daß die große Aehnlichkeit der Bahnen zweier Kometen die Annahme ihrer Jdentität nahe legte, während doch die verhältnißmäßig kurzen Zwischenzeiten zwischen ihren Erscheinungen in Anbetracht der bedeutend längeren Umlaufs- zeiten, welche der ganze Charakter ate Bahnen unwider- leglih bedingte, jene Annahme aus chlossen und zu der Folgerung nöthigten, daß die Aehnlichkeit der Bahnen nur von der Gleichheit des Ursprungs der betreffenden Kometen

rrührte. E ei der Berehnung der Bahn des großen Kometen von 1843 hatte sih bisher als das wahrscheinlihste Ergébniß herausgestellt, daß derselbe eine Umlaufszeit von einigen hun- dert Jahren besißen müsse, während, wenn der diesjährige Komet mit iym identish wäre, eine Umlaufszeit von nur 37 Jahren herauskommen würde. Es ist möglich, daß ‘die schwierigen und nur verhältnißmäßig kurze Zeit umfassenden Beobachtungen von 1843 sich auch mit einer Umlaufszeit von

dann bei der so auffallenden Beschaffenheit dieser Bahn und

dem es nur zu bedauern ist, daß er nit früher kam, beseitigt fürs | vorher öfter gesehen worden ist. Man findet nämlih, wenn Erste alle Geliecbtangen einer ungünstigen Geftaltung unserer Han- | man zurückrechnet, erst im Jahre 1106 nah Christi eine Ko- dels-Bilanz, denn es bedarf jet nur ciner weiteren gleihmäßigen | metenersheinung, deren Verlauf an den Kometen von 1843

erinnert. Diese Erscheinung würde sich übrigens mit einer Umlaufszeit von 36,85 Fahren unter der Annahme von 20 Umläusfen zwischen 1106 und 1843 vertragen. E Es wird jedenfalls von Wichtigkeit sein, den diesjährigen Kometen so lange wie möglich mit genauen Messungen zu verfolgen. Er wird in den nähsten Wochen, falls er noch nicht in Folge stark zunehmender Entfernung von der Sonne und der Erde bereits zu lihtschwach geworden ist, auch auf der nördlichen Halbkugel beobachtet werden können; aber von der großen Schweifentwickelung wird vermuthlich nichts mehr wahrzunehmen sein. i i :

Die ganze Sache gewinnt an allgemeinem wissenschaft- lihen Jnteresse noch dadurch, daß die Bahn der in Rede stehenden Kometen von 1843 und 1880 beinahe die Sonnen- oberfläche berührt, und daß daher alle Wirkungen der Soanen- nähe auf die Kometen sih hier in ganz ungewöhnlihem Maße bemerklich machen müssen.

Auf Allerhöchsten Befehl ist das Reiterfest in Rathenow vom 10. April auf den 14. April verlegt.

Die Chronik des Germanishen Museums zu Nürnberg für Februar-März (Beilage zum „Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit“) meldet, daß Se. Königliche Hoheit der Prinz Otto von Bayern die Gnade hatte, d:m {hon im Vorjahre zur Herstellung der monumentalen Uhr bewilligten Beitrage von 1000 A neuerdings eine Gabe von 600 M folgen zu lassen, so daß das Werk nunmehr bald wird fertig gestellt werden können. Dagegen haben die Sammlungen einen {hweren Verlust zu beklagen, indem der der Wolfg. Paul Merkel- \chen Familienstiftung angehörige Tafelaufsaß von Wenzel Jamniger, welcher seit mehreren Jahren im Musum aufgestellt war, von dex Familie des Stifters zurückgenommen wurde. „Dem Vernehmen nah wurde er“, heißt es, „ohne daß wir eine Ahnung von dem beab- fichtigten Verkaufe gehabt hätten, um 609000 4 an die Kunst- händler Gebr. Löwenstein in Frankfurt a /M. verkauft“. Dec An- regung des preußischen Gesandten, Grafen von Werthern in München, die hervorragenden thüringishen Adelsgeshlehter zu S'iftungen zu vecanlafsen, haben neuerdings die Herrea Graf Brühl in Pförten, Graf Marschall in Dresden und die Herren von Wurmb Folge ge- geben und je 300 M zur Stiftung von Fenstern zur Verfügung ge- tellt. Für das Handelsmuseum sind wieder eine Anzahl Antheil- scheine gezeichnet worden. : : , j Die Märznummer des „Anzeigers“ selbst enthält an literarisch- artistishen Beiträgen zunächst den Schluß des „Inventars eines Würzburger Domherrnhofes vom Jahre 1557“ von A. Mösrath in Schwarzenberg, dann ein JInitial vom 11. Jahrhundert aus der Miiniaturensammlung des Museums, Hol;schnitt mit begleitendem Text von Dr. A. Essenwein. Dasselbe ist ein treffliches Beispiel der Butdhverzierung der romanishen Kunstperiode. Der Charakter des Ornaments erinnert noch an die zur Zeit der Ottonen üblihe Orna- mentik der Jnitialen; die um den Stamm des B kriehenden Drachen, ein aus Ornament gebildeter Mensch, die Frayen und Thierklauen sind außerordentlich charakteristisch. Daran reihen sich zwei Ab- bildungen von „Wundermenschen", dem „Einfuß“ und den „Cy klopen“, die einem Bruchstück von Enenkels Wel1chronik, einer Papierhandschrift des 14. Jahrhunderts (in der Bibliothek des Museums) entnommen sind. Weitere von Dr. Essenwein mitgetheilte und erklärte Zeichnungen stellen dar: ein Liebespaar, Paris und Helena, aus dem Kodex des trojanishen Krieges von 1441, vollständig in der Lracht der höheren Stände jener Zeit und deshalb von kulturhistorishem Inter- esse, und Herkules, Nessus und Dejanira, aus dem {hon früher er- wähnten Kodex der Zerstörung Troja's (ebenfalls im Museum). Le:btere Darstellung ist insofern besonders interessant, als sie die höchst naive Art der Auffassung der Antike noch in dem zu Ende gehenden Mittelalter veranshauliht: Herkules und Dejanira find durhwez Gestalten des 14. Jahrhunderts in dem Kostün der vor- nehmen Welt jener Zeit; selbs der Kentaur ist in seinen mens{- lichen Theilen bekleidet. Endlich wird noch aus dem oben ge- dachten Koder von 1441 eine Abbildung reproduzirt, wele einen Ritter zu Pferde darstellt, dem ein Bote die Ladung zum Turuiere überbringt. Die Nummer {ließt mit einem Aufsaß von Hans Bs\{ch in Nürnberg über Margareta von Schwangau, Gemahlin Oswalds von Wolkenstein.

Aus Bad. Gastein wird der „Allg. Ztg.“ geschrieben : Nach einer alten Chronik sollen im Jahre 678 drei Männer von Goldegg (Bauern, Jäger oder Bergleute) einen angeschosse- nen Hirs über die Bergrücken oberhalb der „Klamm“ der Gebirgs8partie zwischen Lend und Gastein verfolgt und denselben in einem warm rau{qualmenden Bächlein badend und seiner Wunde pflegend gefunden haben. In der Nähe der aufgefundenen Warm- quelle wurden nun im Jahre 680 einige hölzerne Hütten zur Unter- kunft von Badenden errichtet und so der Grund zu dem heutigen in allen Ländern der Erde bekannten und berühmten Badeort gelegt. Als erste Bewohner der Gebirg8gegend, in welcher das heu- tige Gastein liegt, nennt man die celtogallishen Taurisfer, von welchen eine kleine Genossenschaft, die „Pifontier“ (die heutigen Pinzgauer), ia unvordenklichen Zeiten das Thal beyöl- kerten. Von dem der Sprache dieses Volkes entstammenden Namen „Fast“ (die aufwallende Kraft oder den herabstürzenden Fall des Wassers bezeichnend) entstand der Name Jastuna oder, nach dem vor 1000 Jahren als Curialstyl gebrauhten römischen Idiom Gastuna, woraus sich später Castein und Gastein bildete. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle ausführlihe Details darüber zu geben, daß in der That das heutige Weltbad Gastein seine Geschichte bis in die Zeit vor 1200 Jahren zurückzuführen vermag. Es möge hier ge- nügen, hervorzuheben, daß s{chon 940 die Grafen von Plaien îm Salzburgischen herrshten und 1170 bei Güterverhandlungen Plaien- {cher Ministerialen ein Marchardus de Kastuna erwähnt ift, daß 1180 ein Luitoldus de Gastun als Zeuge in Urkunden des Stiftes Admond und in einer Verkaufsurkunde Diepoldus de Gaftun als wappenfähig (mit dem noch heute geltenden Wappen von Bad Gastein erschein. Im Jahre 1219 kam das Gasteiner Gebiet an die Herzoge von Bayern, welche es {on 1279 an das EGrzbisthum Salzburg verkauften, 1389 wurde das Gotteshaus zu St. Nikolaus am Badberge (die noch heut existirende alte Kathe- drale von Gastein) erbaut, 1436 suchte Erzherzog Friedri IIL. von Oesterreih, nachmals römischer Kaiser, als erster, namentli bekannter Badegast folch’ hohen Ranges mit bestem Heilerfolge das Bad auf, 1490 gründete der Gasteiner „Wechéler“ Conrad Strocner das Armenspital daselbst, und 1509 erbaute der Baumeister von Böôl- stein, Veit Maier, auf dem Felsenstode zwischen dem donnerähnlih tojenden Wasserfall und den heißen Quellen ein geräumiges hsölzernes

aus für Curgäste, welches 1632 in den Besiß der Familie Strau- iat gelangte. Die höchste Blüthe Gasteins fällt in die Zeit von 1450—1560, während welcher der Bergbau, insbesondere auf Gold, sowie der Handel, eine heute kaum zu ahnende Ausdehnung er- langte und die Quelle großer Reihthümer wurde. Leider versiegte zu Ende tes 16. Jahrhunderts diese Quelle wieder aus den in der Ge- chidte näher dargestellten Ursahen, und an die Stelle des kalten Dtctalis trat eine andere Segen spendende Gabe der Mutter Erde, nämlich die belebende Wärme, Kraft und Gesundheit bringende Therme von Bad Gastein. Im Jahre 1880 werden es also zwölf Fahrhunderte scin, daß das in der Geschichte der Balneologie

37 (genauer 36,9) Jahren vertragen würden, wenngleih es | inzig dastehende Bad Gastein seinen heilbringenden Quell der

Menschheit \pendet, und daher will, wie uns mitgetheilt wird, die

\hiffungen noch viel umfassender gewesen sein. Dieser Umshwung, von

i i i te Säculum des igkeit, die der Komet im Jahre 1843 entfaltet | Curkommission auch Alles aufbieten, um das zwölf p e R Airen sein würde, daß der Komet nicht shon ! Weittades in folenner Weise zu feiern.

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