1880 / 90 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 Apr 1880 18:00:01 GMT) scan diff

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* Etat

6) Von der Uebungspflicht können die Mannschaften uach Maßgabe des §. 59 des Reichs-Militärgeseßes befreit wer- den. Jede Einberufung zum Dienst im Heere zählt für eine Uebung. Schiffahrt treibende Mannschaften sollen zu Uebungen im Sommer nicht eingezogen werden. a Die Jahreszeit, in welcher die Uebungen ftattfinden \cllen, wird zwiswen Militär- und Civilbehörden unter Berücksichtigung der bürgerlirben Interessen vereinba' i. 8) Uebungs- pflichtige Ersaßreservisten untersteben in Bezug auf Auswanderungs- erlaubniß, Entlassung aus der Staatsangehörigkeit, Befolgung des Einberufungsbefehls, sowie als Angehörige des aktiven Heeres während einer Uebung den für Reservisten und Wehrleuten gel- tenden Vorschriften. Zu §8. 3 lagen folgende Anträge vor: Vom Abg. von Schlieckmann: : Der Reichstag wolle beschließen: 1) in §. 3 der Nr. 2 folgende Fassung zu geben: „Zunächst sind die Frei- geloosten nah der Reihenfolge ihrer Loosnummern heran- zuziehen, sodann diejenigen Mannschaften, welche wegen geringer körperlicher Fehler an die Ersaßreserve erster Klasse über- wiesen werden, nah Maßgabe des Lebensalters und der besseren Dienstbrauchbarkeit. Die Auswahl der leßteren «erfolgt bet ihrer Veberweisung zur Ersatreserve erster Klasse im Auéhebungs- geshäftz“ 2) in §. 3 Nr. 3 im zweiten Saße an Stelle der Worte „im Aushebungsgeshäft“ zu seßen: „bei der Ueber- weisung zur Ersaßreserve“. Vom Abg. Freiherrn von Schorlemer-Alst :

Der Reichstag wolle beschließen: im Artikel 1 §. 3 erstes Alinea hinter „finden“ einzuschalten: „soweit dieselben nicht auf Grund der Ordination oder der Priesterweiße dem geistlichen Stande angehören.“ :

Von den Abgg. Dr. Windthorst und Ruppert:

Der Reichstag wolle beschließen: im Falle der Annahme der vom Abg. Freiherrn von Schorlemer-Alst und Genossen zum Ein- gange des §. 3 beantragten Einschaltung dieser Einschaltung nach dem Worte „angehören“ noch anzufügen: „oder insoweit die- selben nicht jüdische Religionédiener sind“. :

Der Abg. Dr. Boretius empfahl, den vom Abg. Windt- horst motivirten Antrag abzulehnen, weil zu demselben kein Bedürfniß vorliege und weil die Annahme ein kleiner Schritt nach Canossa wäre. Der Abg. Frhr. von Heereman wies diese Annahme als unrichtig zurück; mit der Annahme der Centrumsanträge würde nur die ristlihe Grundlage des Staates dokumentirt. Der Staats-Minister von Kameke wies darauf hin, daß die sub 1 und 2 gestellten Anträge praktisch ohne jede Bedeutung seien, daß sie dagegen die Einheitlichkeit des Geseßes stören würden, und bat, sie abzulehnen. Den Antrag Schorlemer befürworteten noch die Abgg. von Kleist- Réezow und Marcard, während sie den Antrag Windt- horst bekämpsten. Der Abg. Frhr. von Schorlemer- Alst trat den Ausführungen des Kriegs - Ministers entgegen. Ueber die Definition des Begriffes „Ordination“ entspann sich eine kurze Debatte zwischen den Abgg. Dr. Hinshius und Dr. Windthorst. Mit dem Antrage von Schlieckmann erklärte sich Namens der Militärverwaltung der Major von Funck einverstanden. Jn der Abstimmung wurde der Antrag Windthorst mit 185 gegen 116 Stimmen ab- gelehnt, dagegen der Antrag von Schorlemer mit 161 gegen 151 Stimmen angenommen. Der Antrag von Schlielmann wurde ebenfalls genehmigt und mit demselben §. 3. (S&hluß

des Blattes.)

Nath einer Allerhöchsten Bestimmung vom 31. v. M. soll vom 1. April d. J. ab allen Personen, welche im Wege der Beförderung oder der Neuanstellung in eine Stelle als tehnishe oder Verwaltungsbeamte bei den Kaiserlichen Werften eintreten, im Frieden die Eigenschaft als Civil- beamte der Marineverwaltung beiwohnen. Dagegen ändert die aus Veranlassung der Neuorganisation des Werst- verwaltungspersonals in Aussicht genommene Ernennung von Werstsekretären und Werftbureauassistenten zu Werftbetriebs- sekretären beziehungsweise Werftschreibern nichts in deren Eigen- schaft als Militärbeamte. Jm Uebrigen soll es dabei bleiben, daß im Kriege oder während des mobilen Zustandes sämmt- liche Werftbeamte Militärbeamtenqualität erhalten.

Zur Bestrafung einer Person wegen Müßiggang aus §8. 361 Nr. 5 des Strafgeseßbuches genügt, nach einem Erkenntniß des Reichsgerichts, Ill. Strafsenats, vom 21. ige 1880, nit die Thatsache, daß - diese Person Ange-

örige, zu deren Ernährung sie verpflichtet ist, ohne Hülfe läßt, sondern es muß die durch Müßiggang herbeigeführte Unfähigkeit zu einer solhen Unterstüßung festgestellt sein.

Die Strafverfolgung von Preßverbrechen und -Ver gehen verjährt nach §. 22 des Reichspreßgesezes in sechs Monaten. qn Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, 1. Strafsenats, durch Erkenntniß vom 23. Fe- bruar 1880 ausgesprochen, daß dieser Verjährung ebenso die im Auslande erschienenen Druckschriften unterliegen, wie die im Jnlonde erschienenen Drucschriften.

Die Bestimmung des §. 275 der deutschen Straf- ao eßordnung, daß die Urtheile in Strafsachen von allen leer, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben sind, ist, nah einem Erkenntniß des Reichs8gerichts, 111, Strafsenat, vom 18. Februar 1880, nicht auf Gerichtsbeschlüsse auszudehnen; bei diesen genügt S G des Vorsißenden im Namen des beschließenden erihts,

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Fürstlich reu- ßishe Geheime Regierungs-Rath von Geldern-Crispen- dorf ist von Berlin wieder abgereist.

Der General-Lieutenant Graf von Brandenburg, General-Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Commandeur der Garde-Kavallerie-Division, hat sih mit Urlaub nach Muskau begeben; der General-Lieutenant Freiherr von Schlotheim, beaustragt mit der Führung des XI1. Armee- Su ist nah Abstattung persönliher Meldungen wieder ab- gereist.

Posen, 14. April. Jn der heutigen 6. Plenarsißung erledigte der Provinzial-Landtag folgende Gegenstände: 1) Zur Errichtung einer Landeskultur-Rentenbank für Drainage ist die Geneigtheit erklärt, und wird eine zu errichtende Kom- mission ein geeignetes Statut entwerfen resp. ein solches mit der Auseinanderseßzungsbehörde und der Landschaft verein- baren und dem nächsten Provinzial-Landtage zur endgültigen Beschlußfassung vorlegen. 2) Jn Betreff der Aufnahme eines Jnventariums der Baudenkmäler der Provinz wird ein Er- suchen an den Landtagskommissar um S ERCIaIg der Ver- vollständigung der vorgelegten Verzeichnisse gestellt. 3) Jn

olge des von der provinzialständishen Verwaltungs- r r über die provinziellen Anstalten und An- gelegenheiten erstatteten Berichts i} beschlossen; " a. den Owinsf um 4016 M

der Jrrenanstalt zu

gegen den bisberigen Etat zu erhöhen, b. dem Vertrage wischen dem Königlichen Provinzial - Shulkollegium und der

rovinzialständischen Kommission über die Erwerbung des ehemaligen Schullehrerseminars für die hiesige Taubstummen- Anstalt die Genehmigung zu ertheilen und die dazu erforderlichen Mittel mit 52 000 6 zu bewilligen, c. die an diesem Gebäude be- reits ausgeführten Reparaturarbeiten werden anerkannt und über die Verwendung der dazu erforderlih gewesenen Mittel in Höhe von 10 521 H die- Jndemnität ertheilt, d. zum An- kauf des Karstshen Grundstücks für die Taubstummen-Hülfs- anstalt in Bromberg der Betrag von 32 000 4 der Pro- vinzialständishen Kommission zur Disposition gestellt, e. der Etat der Taubstummen - Hülfsanstalt in Bromberg auf 19 500 „M festgestellt, f. über die Schlußrehnung des Neubaues der Provinzial - Blindenanstalt in Brom- berg, mit 109114 F abshließend, Decharge ertheilt, g. der Etat der Blindenanstalt in Bromberg auf 24 000 festgestellt, h. zur Unterstüßung der aus der Blindenanstalt entlassenen Zöglinge dem Kuratorium 600 4 jährlih zur Disposition gestellt, i. der Etat der Gärtnerlehranstalt in Koschmin is unverändert nach dem Vorschlage der provinzial- ständishen Verwaltungskommission auf 8750 H jährlich fest- gestellt, k. zur Vertiefung eines Brünnens und zum Ankauf einer Ackerparzelle für die Gärtnerlehranstalt in Koschmin werden der provinzialständishen Kommission 9100 6 zur Disposition gestellt, 1, an Zuschüssen für die Ackerbauschulen zu Forbah und Thalheim werden je 4500 6 jährlich be- willigt, m, wegen Abänderung des Reglements vom 12. No- vember 1875 in Betreff der Erhebung der Beiträge zu dem ore zur Unterdrückung der Viehseuchen soll die provinzial- tändishe Verwaltungskommission zum Behufe der Minder- belastung der kleinen Besißer geeignete Vorschläge dem nächsten Provinziallandtage unterbreiten, n. der Restbe- trag des Fonds zur Vertilgung der Heuschrecken in Höhe von 22549 6, wird als erspart in Abgang gestellt, 0. der provinzialständishen Verwaltungskommission die Ermächtigung ertheilt, bedürstigen ehemaligen Alumnen des Seminars für Erzieherinnen rückständige Alumnatsstipendien zu erlassen oder zu ermäßigen, p. die der provinzialständi- hen Verwaltungskommission zum Ankauf des ehemaligen Squllehrerseminars, zum Ankauf des Gebäudes für die Taub- stummen-Hülfsanstalt in Bromberg und die einmalige Aus- gabe bei der Gärtnerlehranstalt in Koschmin zur Disposition gestellten Beträge im Betrage von 93 100 /6 sollen aus den kapitalisirten Beständen der zur Durchführung der Kreis- ordnung bestimmten Rente als Vorshuß entnommen und die- sem Fonds in 9 Jahren zu 10000 4 und die leßte Rate mit 3100 A aus den auffommenden Provinzialbeiträgen wieder zugeführt werden. 4) Dem vaterländischen Frauenverein zu Posen und Bromberg is eine Unter- stüßung von resp. 3000 / und 1500 (A bewilligt. 5) Die Creirung von 40 Freistellen bei dem Samariter-Drdens- stift zu Cxaschniß sür Jdioten und der vereinbarte Betrag von 9600 M jährlih ist genehmigt. 6) Der Erziehungs- und Waisenanstalt in Rokitten ist eine einmalige Unterstüßung von 300 6 zugewendet. 7) Dem St. Josephsstift ist zur Unter- haltung eines Kinderhospitals eine fortlaufende Unterstüßung von 300 #4 jährlih und zur Us desselben eine ein- malige Stibvention von 1000 #6 bewilligt. 9) Dem Dr. Wicherkiewicz zu Posen ist zur Erweiterung seinèr Klinik für arme Augenkranke der Provinz Posen eine jährlihe Unter- stüßung von 3000 gewährt.

Münster, 14. April. Jn der heutigen 3. Sißung des Provinzial-Landtags wurden zunächst die Etats für den allgemeinen Unterstüßungs- und Wohlthätigkeitsfonds für den Regierungsbezirk Arnsberg und des Waisenhausfonds für den Kreis Siegen festgestellt. Sodann ist der Provinzial-Landtag {chlüssig geworden über die Anträge bezüglich: der Kinder- Heilanstalt zu Sassendorf, auf Uebernahme der Siegbahn und Werne-Camenstraßen; der Neubauprämien für die Straßen: von Arnsberg nah Beverungen, von Gütersloh nach Verl, von Borken nach Erle bezw. Hecheltj n, von Südkirhen nach Nordkirchen, von Castrop nah Henrichenburg und des Neu- baues ciner Chaussee zwischen dem Eder- und Hundemthale. Schließlich wurde das Reglement für die Bewilligung von E zur Förderung des Gemeindewegebaus durch- berathen.

Wiesbaden, 14. April. Fn der heutigen 5. Plenar- sibung des Kommunal-Landtags wurden nah Verlesung des Protokolls und nah Vertheilung der Eingänge an die be- treffendèn Kommissionen zurächst vier Berichte der Wegebau- Kommission über beantragte Wegebauten verlesen. Der Landtag beshloß: a, dem Gesuch der Gemeinderäthe zu Caub- Weisel 2c. um Weiterbau der Caub-Weiseler-Straße bis zum Aarthale, soweit es auf den Weiterbau einer Bezirks3- straße gerichtet ist, niht stattzugeben, wohl aber den ständishen Verwaltungsauss{huß zu beauftragen, die zweckmäßigste Wegelinie von Weisel nah dem Aarthale im Allgemeinen feststellen, Pläne und Kostenanschläge aber nur für solhe Gemeinden anfertigen zu lassen, welche dann die Straße als Vicinalweg mit kommunalständisher- Unter- stüßung ausbauen wollen; b. das Gesuch der Ge- meinde Hattenheim, den Bau einer Brüdcke über den Aarbach an den kommunalständishen Auss{huß abzugeben, c. das Gesuch der Gemeinde Hermannstein um Uebernahme des Wegs von dort nah Niederweisbah als Bezirksstraße ab- ueInen; d, das Gesuch der Gemeinderäthe zu Bischoffen,

ber- und Niederweisbach um Verlegung der Bezirksstraße oberhalb des Dorfes Offenbach zur Begutachtung und Aeuße- rung dem kommunalständishen Ausschusse zu überweisen. Seitens der Finanz-Kommission wurde zuerst in Betreff der Vergrößerung der Heil- und Pflegeanstalt Eichberg resp. Er- bauung einer zweiten Jrrenanstalt berichtet, Der Landtag be- \{loß, vorerst die Anstalt zu Eichberg bis zur Aufnahme von 400 Irren zu vergrößern. Ein Gesuch der Besißer der Kuranstalt zu Johannesberg um Ankauf dieser Anstalt als Jrrenhaus, wird abgelehnt. Seitens des Landraths des Mainkreises, Grafen Matuschka, ist der Antrag auf Subventionirung einer Uen Untersuhungsanstalt für Nahrungsmittel gestellt.

uf Grund desselben werden für das Fahr 1880 zu dem be- regten Zweck 1000 A bewilligt, Die Eingabenkommission berichtete sodann über die Errichtung von Landeskultur-Ren: tenbanken ; der Bericht wurde jedoch in Folge neuer Ausfüh- rungen an die Kommission zurückverwiesen.

Württemberg. Stuttgart, 14. April. Das heute über den Gesundheitszustand des Königs aufgelegte Bulletin lautet :

Se. Majestät der König hatte eine bessere Nacht und | Partei entfallen.

fühlt sih heute freier.

Baden. Karlsruhe, 14. April. Das Gesehes- und Verordnungsblatt verkündigt das, Aenderungen des Geseßes über den Elementarunterriht betreffende Geseß vom 1. April, das sich auf die Verwendung weibliher Lehrkräfte beim Elementarunterriht, auf die Anstellung von Jndustrie- Lehrerinnen und auf die Versorgung der Wittwen und Waisen der Hauptlehrer bezieht. Jn ersterer Beziehung können an Volksschulen mit mindestens drei Lehrstellen auch auf Grund einer abgelegten Prüfung für fähig erklärte Frauen als Lehre- rinnen verwandt werden, und zwar zu 5 bis höchstens 6 Pro- zent aller Volksshullehrstelen und in der Beschränkung auf die Klassen der vier ersten Schuljahre; die Stelle des ersten Lehrers kann einer Lehrerin niht übertragen werden.

Baden-Baden, 15. April. (W. T. B.) Zhre Majestät die Königin Victoria hat mit der Prinzessin Beatrice Baden-Baden heute Abend 73/4 Uhr verlassen und sich mittelst Extrazugs über Straßburg und Luxemburg nah Brüssel be- geben, wo sie morgen früh 9'/, Uhr einzutreffen gedenkt. Die Königin hat sih vor der Abreise über ihre hiesigen Aufenthalt sehr befriedigt geäußert und für mehrere Vereine und für die Armen reiche Geschenke zurückgelassen.

Elsaß -: Lothringen. Straßburg, 14. April. (Els\.- Lothr.-Z.) Jn der heutigen Sißung des Landesaus- \chusses wurde in dritter Lesung der Entwfrf des Jagd- geseßes nach der Fassung der zweiten Lesung n "% einem Amen- dement dcs Mitglieds Rißenthaler und Genossen, Uebergangs- bestimmungen enthaltend, mit 36 gegen 8 Stimmen ange- nommen. - Es folgte die Berathung über den Antrag des Mitgliedes Frhrn. Zorn von Bulach, Vater, über Ortbililagen und Ruhegehälter der Landesbeamten. Die Kömmission hat die Regierung ersucht, ihr eine detaillirte Uebersicht aller Be- amten von Elsaß-Lothringen sowie ihrer Gehälter, Ortszu- lagen und der Kompetenzen, welche zur Berehnung der Ruhe- gehälter dienen, mitzutheilen. Der Staatssekretär Herzog er- flärte, die Regierung werde eine Untersuchung der ganzen Frage gern in die Hand nehmen. Nach einer Bemerkung des Präsidenten wird die Session noch in dieser Woche, wahr- \cheinlih am Freitag, ihren Schluß finden.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 14. April. Die „Wien. Pa E heute folgendes Allerhöchste Hand-

reiben:

Lieber Tisza! Um sch{chon im Frieden eine gemeinsame Spitze zu \ affen und dadurch die Möglichkeit zu bieten, über das Wesen und den Umfang aller von der freiwilligen Sanitätspflege beider Reichs8hälften getroffenen Vorsorgen in steter Kenntniß zu bleiben und gewisse, allen Zweigen des freiwilligen Sanitätsdienstes gemein- same Aufgaben, mittelst Einberufung der obersten Ordens-, be- ziehungêweise Bundes- und Vereinsspißen planmäßig zur Besprechung und Auëêtragung bringen zu können, habe Ich die Ernennung eines Protektor-Stellverireters für zweckentsprechend erachtet und für diesen Posten Meinen Herrn Bruder Erzherzog Karl Ludwig designirt. Ich seße Sie hiervon in Kenntniß.

Wien, 5. April 1880.

Franz Josef.

Zur heutigen Sißung des Abgeordnetenhauses waren, wie die „Presse“ meldet, die Minister wie gewöhnlich er- schienen. Es wurde die Budgetberathung beim Voranschlage des Ministeriums des Jnnern fortgeseßt.

Ueber die mit dem ökumenischen Patriarchen in Konstantinopel getroffene Vereinbarung bezüglihdergr ie hi \ ch- nichtunirten KirheinBosnien und der Herzegowina erfährt die „Budap. Corr.“, daß die Bischöfe in den okkupir- ten Ländern in Zukunst von dem Kaiser ernannt und daß sie das sogenannte heilige Del vom Patriarchen in Karlowiß er- halten werden. Als Entschädigung für die bisher aus Bos- nien und der Herzegowina bezogenen Taxen und Sporteln er hält der Patriarh eine fixe Pauschalsumme. Wie der „Pol. Corr.“ aus Belgrad gemeldet wird, ist die Nachricht, daß die serbishe Regierung der österreichischen Staatsbahngesellshaft die Garantie des Staates für die serbische Eisenbahn zugesagt habe, vollständig unbegründet. Die österreichishe Staatsbahngesellschast habe keine solhe Ga- rantie verlangt, mithin sei kein Anlaß für die serbishe Re- gierung zu einer solhen Zusage gewesen.

Pest, 14. April. Nach der „Budap. Corr.“ wird mit der Enthebung des bisherigen Kommunikations-Ministers Pechy niht auch gleichzeitig die Ernennung eines neuen Kommunikations-Ministers erfolgen, sondern es wird Finanz- Minister Graf Julius Szapary provisorisch mit der Leitung des Kommunikations-Ministeriums betraut werden. Eine definitive Entscheidung bezügliÞh der Besetzung der Stelle eines Kommunikations-Ministers werde erst später erfolgen. Heute befaßte sich der Munizipal-Aus- \{chuß in der außerordentlih zahlreih besuhten General- versammlung mit der Frage des deutschen Theaters. Allgemein ging das Bestreben dahin, die odiose Angelegenheit aus der Welt zu schaffen, Die Generalversammlung entschied sih für die Ertheilung der bis Ende Mai erbetenen Spiel- bewilligung und damit ist die gehässige Frage vorderhand in befriedigender Weise erledigt.

15. April. (W. T. B.) Das Unterhaus hat die auf die Rekonstrution Szegedins bezüglichen vier Ge- seßesvorlagen in der General- und Spezialdebatte ohne we- sentlihe Aenderung angenommen.

Großbritannien und Jrland. London, 14. April. (Allg. Corr.) Die gestrigen Parlamentswahlen be- reicherten die Liberalen um weitere drei Siße. Zwei ge- wannen sie in Ost-Worcestershire, wo Mr. W. H. Gladstone, der älteste Sohn des früheren Premiers, und Mr. Hastings

ewählt wurden, und einen in Nord-Lincolnshire, wo der iberale Kandidat Laycook den Sieg über den bisherigen kon- servativen Vertreter, Sir J. D. Asiley, davontrug. Für Nord-Leicestershire wurde der General-Postmeister, Lord John Manuers, mit 3213 Stimmen wiedergewählt. Der zweite konservative Vertreter der Grafschaft, Oberst Burnaby, erhielt 2991 Stimmen. Bisher sind 645 Unterhausmitglieder gewählt ; es fehlen also nur noch 7. Die Liberalen haben jeyt eine Mehrheit von 57 Stimmen über die vereinigten Konserva- tiven und Homeruler. Jhr Reingewinn an Sißzen stellt fi auf 111, Der Homeruler Parnell wurde gestern zum dritten Male gewählt und zwar für die Grafschaft Mayo. Er wird wahrscheinlih für Meath optiren, so daß für Mayo und Cork Ersaßwahlen stattfinden müssen. Die Wahlen in Frland haben mit dem gestrigen Tage ihren Abschluß gesunden. Es wurden 103 Unterhausmitglieder gewählt, von denen 61 auf die Homerule, 25 auf die konservative und 17 auf die liberale Die Konservativen verloren 9 Sitze, von

denen 6 die Homeruler und 3 die Liberalen gewannen. Die politische Fraktion „Konservative Homeruler“ wird im neuen Parlamente gänzli fehlen.

Der „Standard“ und der „Daily Telegraph“ erfahren, daß das Kabinet bald nah der Rückkehr Jhrer Majestät der Königin demissioniren werde. Die Führer der Liberalen haben die für nähsten Donnerstag anberaumt gewesene Berathung vertagt.

Bezüglich der vershollenen Uebungsfregatte „Ata- lanta“ giebt man si der Hoffnung hin, daß sie während der jüngsten heftigen Stürme nur ihre Masten eingebüßt haben und über kurz oder lang wohlbehalten in Portsmouth ankommen werde. Nach einer Mittheilung der Admiralität hatte das Schiff bei seiner Abfahrt von Bermuda 109 t Wasser und reihlihen Mundvorrath an Bord. Die Gerüchte, daß das Schiff nicht ganz seeeühtig ge- wesen, als es seine Uebungsfahrt antrat, werden von Amts- wegen dementirt. Man hofft, die auf der Rückreise von Ber- muda nach England befindliche Korvettte „Bacchante“, an deren Bord sih die beiden ältesten Söhne des Prinzen von Wales befinden, werde dem vermißten Schiffe begegnen, falls leßteres seine Masten eingebüßt haben sollte.

E „Limes“ wird unter dem 11. d. aus Cabul ge- meldet:

Das wichtigste Ereigniß der lezten Woche war die heute erfolgte Ankunft in Cabul von Maidan der hervorragendsten Häuptlinge und Sirdars, welche zur Oppositionspartei in Ghazni gehören, näm- li der Sirdars Tahia Khan, Mahomed Alam Khan, Mahomed Sarwar Khan, General Gholam Hyder und vieler anderer Chefs der Wardak- und Ghilzai-Stämme. General Mahomed Jan ist noch nicht eingetroffen, beabsichtigt aber demnächst zu kommen. Ob Ma- homed Jan kommt oder nit, ist von geringer Bedeutung, da die große Majorität der Partei, welche ihm anhing, hier eingetroffen ist und er, als Anhänger des Mustaufi und Stammetgenosse desselben , vorausfichtlich nachfolgen wird. Von den Larakzai Sirdars , welche \ich eingestellt haben, um ihre Angelegenheiten der Regierung zu unterbreiten, ist keiner ein Mann von Einfluß; die Partei war eben nur gefährlich, weil sie der Opposition angehörte. Da sie durch ihr Ersbeinen und Vorbringung ihrer Anliegen that- sählih ihre Unterwerfung anerkannt haben, werden sie der Achtung der Afghanen im Allgemeinen verlustig werden, und sollten ihre For- derungen kein Gehör finden, so dürsten sie kaum wieder im Stande sein, eine ftarke Partei gegen uns zu bilden, Ohne Zweifel werden sie in erster Linie die Wicdereinseßung Yakub Khans, und wenn sie damit nicht erfolgreih, die Einseßung feines Sohnes Musa Khan verlangen. Man wird ihnen entgegnen, daß die Regierung sich gegen Ersteren entschieden hat und Leßteren wohl kaum annehmen dürfte. Die unter diesen Chefs berrshenden Meinungsverschieden- heiten haben zu häufigen MReibungen Veranlassung gegeben, insbesondere zwiswen Vahomed Jan und dem Sirdar Mahomed Alam Khan. Keiner der Chefs is geneigt, den Sirdar Hassan Khan als Emir anzuerkennen, obgleich die Regierung viel- leiht im Nothfalle dazu sich verstehen würde. Die Schwierigkeit, diese Chefs nach Kabul zu bringen, war in Folge ihrer gegenseitigen Eifersüchteleien eine sehr große. Sie weigerten sich zu kommen, ehe man ihnen einen Freipaß unterschrieben und mit Siegel versehen hatte und verlangten, daß ein Offizier nah Maidan komme, um sie zu beruhigen. Diese Forderung wurde sofort zurückgewt. sen, ebenso das Verlangen, daß der Vormarsch der Kandahar-Armee auf Ghazni eingestellt werde. Morgen \oll ein Durbar abgehalten werden, zu welchem die aufständigen Chefs und Sirdars und das Volk von Kabul eingeladen werden, um eine entscheidende Antwort auf ihre aa wi entgegenzunehmen. Am Dienstag soll eine starke

rigade von Kabul nach der Rihtung von Maidan abgehen, um im Nothfall mit General Stewarts Kandahar-Armee zu kooperiren.

Von gestern berichtet die „Times“ aus Kabul: General Roberts erklärte den versammelten afghanishen Häupt- lingen, die englishen Truppen würden zurückgezogen wer- den, sobald die Häuptlinge über die Ernennung eines Emirs einig seien, dessen Regierung Dauer versprehe und welcher England gegenüber freundlich gesinnt sei.

15. April. (W. T. B.) Der Schaßkanzler North- cote und der Generalpostmeister Manners sind zu Rittern des Großkreuzes des Bath-Ordens ernannt worden.

Frankreich. P aris, 15. April. (W. T. B.) Dufaure hat sih gegen eine Jnterpellation im Senate wider die Dekrete vom 29. v. M. ausgesprochen und is der Ansicht, daß die Kongregationen ihre Zufluht zu den Gerichts- höfen nehmen müssen.

Jtalien. Nom, 15, April. (W. T. B) Jn der heutigen Sißung der Deputirtenkammer wies der Mi- nister-Präsident Cairoli auf die Nothwendigkeit einer Regelung der parlamentarischen Arbeiten hin, da- mit die Session eine möglichst fruhtbare werde, und beantragte zu dem Ende, daß alle Jnterpellationen bis nah der Be- rathung des Budgets zurückgestellt würden, daß ferner nur eine einzige Finanzdebatte bei Gelegenheit der Berathung des Einnahmebudgets fattfinde, und daß endlich wöchentlich drei Vormittagssißzungen abgehalten würden. Der Antrag Cairoli’s wurde mit einer großen, aus Mitgliedern aller Fraktionen bestehenden Mehrheit angenommen.

Numänien. Bukarest, 11. April. Den „Times“ wird von hier gemeldet: „Der englisch-r umänishe Handels- vertrag enthält die Meistbegünstigungsklausel, und zwar niht nur in Bezug auf den Handelsverkehr, sondern auch in Bezug auf die Schiffahrt und die Konsulatsrehte. Der „Ro- manul“ versichert, es seien bereits 85 pCt. der früheren ru- mänishen Eisenbahn - Obligationen zum Umtausche gegen ru- mänische sechsprozentige Staatspapiere, wie er in dem Eisen- bahn-Rückkaufsvertrage stipulirt ist, deponirt. Die rumänische Kammer is} noch in der Budgetdebatte begriffen; die Ausgaben- budgets mehrerer Ministerien sind bereits erledigt. Die Mi- E ist behoben; Herr Boeresco hat sein Demissions- gesuch als Minister des Aeußern zurückgenommen, und die vier Vize-:Präsidenten der Abgeordnetenkammer haben ebenfalls von ihrer Resignation Abstand genommen.“

Schweden und Norwegen. Stockholm, 12. April, (Hamb. Nachr.) Die Erste Kammer beendete am Sonn- abend die Lesung des Armeegeseßes und genehmigte sämmt- lihe Paragraphen in der vom Justizaus\{uß vorgeschlagenen

orm. Nachdem der §. 1 angenommen und hiermit das ganze Sdhidfal der Vorlage entschieden war, mattete das Interesse sowie die Debatte sihtlich ab. Die Sizung erhielt aber durch folgende Aeußerung des Minister-Präsidenten Barons, von Geer, eine hervorragende Bedeutung:

«Nachdem die Erste Kammer nunmehr das in Vorschlag ge- brate Wehrpflichtsgeseß gut geheißen, bitte ih, eine Erklärung ab- geben zu „dürfen, damit meine Handlungsweise nicht mißverstanden werden möge. Man würde vielleiht annehmen können, daß i einen Beifall der Ersten Kammer nicht ebenso beahte, wie einen Abschlag der Zweiten Kammer, wenn i, im Fall der Ausgang daselbft ein er Vorlage ungünstiger ift, die Enthebung von meinem Vertrauent- posten nahsuche. Das ist jedoch niht der Fall. Bei mehreren ähn- lihen Geleg-nheiten habe ih früher keinen Grund gefunden, mein Amt niederzulegen, und ich habe mi im Allgemeinen überhaupt

nicht von einer allzu großen Empfindlichkeit leiten lassen. liegt aber ein tieferer Grund vor. Meine Bemühungen waren darauf gerichtet, eine ruhige Entwickelung dadurch zu fördern, daß ih die Regierung außerhalb der Fraktionen stellte, und durch Vermittelung zwischen beiden Häusern mih au auf beide zu stüßen. Wenn aber die Kammern in einer Frage, die so tief in die Verhält- niffse des Landes eingreift, wie dies bei der Heeresordnungsfrage der Hall ift, wiederum von einander abweihende Beschlüsse fassen, dann sehe ih mich außer Stande, dieses Programm ¡länger beizubehalten. Vielleicht kann dies von einem Andern bewerkstelligt werden. Wenn niht, dann dürfte es nöthig sein, daß sih die Regierung der einen oder anderen Gruppe des Reichstages mehr nähert. Aber in einem konstitutionellen Lande erheischt es die Würde des Reiches und der Minister, daß einem Prinzipwesel ein Personenwechsel vorangeht.“ __ Heute hat nun die Zweite Kammer das Armeegeseß mit großer Majorität abgelehnt und das Ministerium in Ee dessen (wie schon gemeldet) seine Entlassung ein- eir.

Jett

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

_St. Petersburg, Freitag 16. April. Se. Majestät der Kaiser hat auf die Vorstellung des Grafen Loris-Melikoff die wegen verbrecherisher Propaganda zur Verbannung nach Sibirien verurtheilten Studenten der Universität Charkow, Wantschakoff, Sudjekin und Tschugujewiß, vollständig begna- digt. Das Militärkreisgeriht hatte angesihts des von den Universitätsbehörden konstatirten guten Verhalten der Ge- nannten während des Lehrkursus darum nahgesuht, daß die Strafe derselben gemildert und die Verbannung nah Sibirien dur eine zweimonatliche Zuhthausstrafe erseßt würde, welches Ersuchen au Seitens des Generalgouverneurs von Charkow unterstüßt worden war. Die Begnadigten befinden \ich bereits auf freiem Fuße. :

Neichstags - Angelegenheiten.

Die XIII. Kommission des Reichstags zur Vorberathung des Geseßentwurfs, betreffend die Küstenfrachtfahrt, hat ih, wie folgt, konstituirt: Udo Graf zu Stolberg-Wernigerode, Vorsiten- der; von Kehler, Stellvertreter des Vorsitzenden; Dr, Roggemann, Schriftführer; Schlutow, Stellvertreter des Scriftführers; Graf von Hompes, Dr. Karsten, von König, Meier (Schaumburg-Lippe), Meyr (Offenburg), Möring, Mosle, Schön, Freiherr von Schorlemer-Vehr, Staudy.

__ Statistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des statistischen Bureaus der Stadt Berlin find bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 4. April bis inkl. 10, April cr. zur Anmeldung ge- kommen: 378 Gheshließungen, 872 Lebendgeborene, 31 Todtgeborene und 547 Sterbefälle.

Gewerbe und Handel.

Nah dem Geschäftsberiht der Weimarischen Bank für 1879 beliefen sich die Gesammtumsägze auf 661 613 387 M (1878; 473 182 446 f). Der Bruttogewinn beläuft \ich auf 583 962 4 (gegen 568 171 4 im vorigen Jahre) und ergiebt nach Abseßung von 56 540 M für gezahlte Zinsen auf Geldeinlagen, 134 638 M Verwaltungskosten, 3886 4 Abschreibung auf Inventar, 3300 4 Kosten der Staatsaufsicht, welche mit dem Jahre 1880 in Fortfall kommt, insgesammt 198 364 M, einen Nettogewinn von 385 597 M, von welchem in Abzug zu bringen sind 5% für den Reservefond 19 279 M4, 5% Tantième an den Aufsichtsrath und die Direktion 19279 Æ, zusammen 38559 #4, während von dem Reste von 347037 F nach Beschluß des Aussichtsraths auf das Aktienkapital von 6 750 000 M eine Dividende von 5% an die Aktionäre zur Vertheilung gelangt und restirende 9537 & auf neue Rechnung vor- getragen werden. /

__— Die Ergebnisse des leßten Geschäftsjahres der Nienburger Eisengießerei und Maschinenfabrik lassen eine wesentliche Besserung gegen das Vorjahr erkennen. Aus dem Bilanz-Konto ift ersichtlich, daß ein Bruttogewinn von 47 729 #4 erzielt wurde, so daß es möglich ist, rah Vornahme von 19445 #4 Abschreibungen und Zuweisung von 4800 6 an den Reservefonds noch eine Divi- dende von 33% zur Vertheilung zu bringen.

Mainz, 15. April. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Hessischen Ludwigsbahn beshloß heute, der Generalversamm- lung die Vertheilung einer Dividende von 4%/ vorzuschlagen.

: Verkehrs-Anstalten.

_ Q: Zürch. Ztg.) Der offizielle Beriht über die bis Ende März ausgeführten Gotthardtunnelarbeiten zeigt in der Er- weiterung des Stollens zur Calotte einen monatlichen Fortschritt von 122 m auf der Nordseite und einen solchen von 195,9 m auf der Südseite. Es fehlten an der im Programm vom 23, September 1875 auf Ende des leßten Monats in Auéësiht genommenen Arbeit 10274 m. Von der Gewölbemauerung auf der Nordseite sind 5600 m fertig. (Der Fortschritt des leßten Monats betrug 101 m), auf der Südseite 5505,66 m (Fortschritt im März 112,2 m). Es fehlten gegenüber dem Programme 2653,4 m, Vollständig fertige Tunnelarbeiten sind auf der Nordseite 3945 m, auf der Südseite 4285 m, 4990 m weniger als vorgesehen war. Immerhin zeigt der erste Monat nah Durchbohrung des Tunnels einen bedeutend größern Fortschritt, als der in den vorhergegangenen Monaten war.

Triest, 15, April. .(W. T. B) Der Llopddampbfer „Urano“ ift heute Nahmitag 24 Uhr aus Konstantinopel hier angekommen.

«Svriest, 16, April, (W. D. B) Der „Lloyd " wird eine chinesische Linie mit Anlaufpläßen in Pulo-Pinong und Hong- Tong errichten. :

Riga, 16. April. (W. T. B.) Die Passage bei Domes- nees ist seit heute frei vom Eise; die Rigaer Schiffahrt is daher als eröffnet zu betrachten.

Berlin, 16, April 1880.

Der gestrige „Reihs- und Staats-Anzeiger“ enthält unter : Coblenz, den 10. April, die der „Cöln, Ztg.“ entlehnte Mit- theilung, daß Jhre Majestät die Kaiserin und Köni- in vor Kurzem 200 4/6 für die Wiederherstellung der Rhein-

nlagen pee abe. Diese Nachriht muß dahin rektifizirt werden, daß Jhre Majestät niht 200, sondern 2000 4 zu dem genannten Zweck bestimmt hat, indem die erstere Summe weder der Größe der Rhein-Anlagen, noch dem Umfang der Us den Eisgang angerichteten Verwüstung entsprochen haben würde.

Die Ausgrabungen zu Olympia. XNRXRXRII, (S. Nr. 70 d. Bl. v. 22. März.)

Eine nach Umfang und Fnhalt reihere und mannig- faltigere Ernte, als dieses Mal, haben die Berichte der olympîi-

schen Ausgrabungen noch selten zu verzeihnen gehabt. Wir danken dieses vor Allem unserem Kaiter, dessen Munificenz

es ermöglichte, die Zahl der Arbeitskräfte fast bis zur dop- pelten Höhe zu steigern, um den nahen Abschluß der Aus-

zungen zu einem vollständigen und würdigen zu gsé- alten.

Vor allem ist der Kopf des Dionysosknäbleins ge- funden, das der praxitelishe Hermes auf seinem Arme trägt. Es ist dies ein ganz besonderer Glüdsfall. Alle an- deren noch fehlenden Theile der Gruppe, mit Aus- nahme etwa der rechten Hand, hätten wir allenfalls noch vershmerzen können dieser allein wäre für uns völlig unerseglih gewesen. Keine moderne Phantasie, kein vergleihendes Studium hätte uns zu zeigen vermocht, in welcher Weise Praxiteles einen Kinderkopf gebildet haben müßte. Und man durfte auf die Lösung dieses Problems um so mehr gespannt sein, als es ja bekannt ist, wie spät die griechishe Kunst die Schwierigkeiten der Kinderdarstellung erst vollständig überwindet.

Daß das S für sein Alter zu klein gebil- det, ja überhaupt als Nebenwerk behandelt sei, wohl um den Hermes um so mehr als Hauptgestalt der Gruppe wirken zu lassen, erfährt nun eine weitere Bestätigung. Der auffallend kleine Schädel, das zwar kindlihe, aber doch nichts weniger als puttenhafte pausbäckige Gesicht, das lange Haar, welches in zierlih geordneten Wellen durch eine Schnur zusammen- gehalten wird und über der Stirn ursprünglich, wie es scheint, zu einem kleinen knaufartigen Büschel zusammengefaßt war, verräth ebensosehr ein entwidelteres Kindesalter, als die Körperformen und die sihere Haltung. Wenn daher die Pro- portionen das moderne Auge auch nicht überall ganz kinder- haft anmuthen und die Einzelbildung des Gesichtes hinter dem des Hermes unleugbar ein wenig zurücksteht, so tosten wir dafür die Bewegung erst jet völlig in ihrem vollen Reize eht kindliher Lebensäußerung.

Als wir am Nachmittag des 27. März, kurz vor dem Sonnabendshluß der Arbeiten, das Köpfchen über 80m weit von seinem ursprünglichen Standorte der Gruppe ausgegraben hatten es lag ca. 40m nordwestlich von der Nordwest-Ecke des Zeustempels unverbaut auf einer Schicht von Thonscherben und Porosbroden und das unverkennbare dem Rumpfe sogleich aufpaßten, da war es vor Allem die Lebhastigkeit der Bewegung in der Kindesgestalt, deren wahrhaft Überraschender Wirkung \sich keiner von uns ent- ziehen konnte. So lebendig hatte sich Niemand das Kind gedaht. Diese naiv reizende Neigung des vorge- streckten Köpfchens zur linken Schulter hin, um an dem Hermeskopf vorüber zu dessen rehter Hand hinaufblicken zu können, ist von so frappanter Wahrheit, daß man das linke Aermhen förmlich zu sehen glaubt, welches sih bittend nah dem ausreckt, was Hermes in seiner Rechten hielt. Denn es unterliegt jeßt gar keinem Zweifel mehr, daß diejenigen Recht behalten werden, welche vorausseßten, der Gott halte seinem kleinen Gesellen eine Traube oder etwas dergleichen hin.

___ Und auch noch andere Hermes-Streitfragen, auf die hier nit näher eingegangen werden kann, werden dur diesen neuen Fund ihrer Lösung entgegen geführt.

Die Hauptfreude bleibt aber nicht die Lösung der wissen- schaftlihen Probleme, sondern die Wiederauferstehung eines Bewegungsmotivs voll anmuthigsten Lebensgefühles. Und dieser Genuß wird dur die Beschädigungen, welche der Kopf erlitten, wenigstens nicht allzusehr beeinträchtigt, da dieselben sih meist an der rechten, dem Beschauer abgewandten Kopfseite befinden, die linke Seite ist verhältnißmäßig gut erhalten. Wie zu erwarten war, seßt sich auch hier, ganz wie beim

ermes, das Haar rauh gegen die fein geglättete, weiße Ge- sichtshaut ab. Endlich aber hat es sich so glücklih gefügt, daß die Brüche des Halses dem Rumpfe genau aufpassen, fo daß die Zugehörigkeit auch äußerlich erwiesen ist, Richtung und Bewegung des Kopfes unverrückbar gegeben sind.

Unter unseren telegraphisch bereits gemeldeten März- funden sind demnächst die neuentdeckten Metopen und Giebelköpfe die bedeutendsten. Wir beginnen mit der Be- \sprehung des Herakleskopfes aus der Metope mit dem nemäischen Löwenkampfe.

Er ist ein Geschenk der endgültigen Aufräumung und sorgfältigen Reinigung des Zeustempel-Stylobates. ierbei nämlich erwies sih eine der Stylobatquadern als verschoben ; wie es scheint, hatte man den Versu gemacht, dieselbe weg- zuwuchten und dabei jenen Kopf als den näthstliegenden Stein zur Stüße daruntergeklemmt. Es muß dies ziemlich bald nach dem Sturze der Metopen geschehen sein, da der Kopf bei dieser Gelegenheit zwar die Spizen von Nase, Lippen und Kinn einbüßte, dennoch aber der einzige von allen bisher aufgefundenen Köpfen is, der sich die Bemalung von Haar und Augen in seinem Versteck erhalten hat. Sie ist nach dem sachverständigen Urtheil unseres Gastes, des Herrn Prof. Zimke aus Marburg, anscheinend in english Roth (Eisenoxyd) hergestellt, und an dem größten Theil des Haares, den Augen- brauen, den Liderrändern und dem Stern des rechten Auges in lebhaften und reihlihen Resten zu konstatiren. Die Gesichtshaut dagegen is auch hier weiß und glatt, während das Haar, das, wie bei allen Heraklesköpfen der Metopen als ungegliederte Masse behandelt is, eine rauhere Oberfläche zeigt. Ein Versuch, die cinzelnen Locken darzustellen, is auch in der Farbe nicht gemacht; es wäre aber -nicht undenkbar, daß uns blos die Untermalung erhal- ten geblieben ift.

Daß dieser Herakleskopf aus der Löwenmetope stammt, geht unwiderleglih daraus hervor, daß seine Wange auf die rehte, noch erhaltene Hand gestüßt ist. Diese Stellung sindet einzig in dem Pariser Bruchstücke des genannten Reliefs seine Erklärung, aus dem hervorgeht, daß Herakles, nah links ge- wendet, neben dem erlegten Löwen dastand und den rechten Fuß auf dessen Leib seßte. Der rechte Ellenbogen wird sih auf den Schenkel gestüßt haben. Es ist ein {höner und, so weit wir sehen, dem Künstler dieser Reliefreihe ganz eigenthümliher Gedanke, den mühbeladensten aller Helden nah seinem _ exsten Stege n dieser ¿uss drucksvollen Duldergeberde tiefen Sinnens darzustellen, als gedächte er aller der Kämpfe und Gefahren, die ihm noch bevorstehen. Derselbe Gestus kehrt zu neuem Zeugniß für den verwandten Ursprung von Metopen und Giebel in einer Greisengestalt des Ostgiebels wieder; in unserem Relief erhält er aber noch einen tieferen Sinn dadurch, daß eine zweite Ge- stalt, wahrscheinlih Athena als göttliche Helferin und Trösterin neben Herakles dastand dies glaube ih wenigstens aus den Raumverhältnissen der Metope und der Vergleichung ver- wandter Darstellungen {ließen zu müssen.

__ Daß die Künstler der Metopen mit ihrer Scenenreihe eine chronologishe Abfolge der Heraklesthaten einzuhalten unternommen hatten und den Löwenkampf wie gewöhnlich als die früheste derselben aufgefaßt wissen wollten, haben sie da- durch deutlich dargethan, daß sie unseren Herakleskopf allein