1880 / 90 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 Apr 1880 18:00:01 GMT) scan diff

unter allen erhaltenen unbärtig bildeten. Daß endlich diese Reihe an der Nordwestecke begonnen haben müsse, erhält durch den Fundort dieses Kopfes eine neue Bestätigung.

Unter den neugefundenen Giebelköpfen ist der \chönste der der knieenden Lapithin aus der linken Giebelhälfte (E); ja es ist dieses überhaupt eins der schönsten Stücke unter unseren Tempelskulpturen. Die Geberde, mit der das knieende Mädchen ihr Haupt tief auf die Brust niederbeugt, um sih vor dex Umklammerung des Kentauren zu schüßen, der sie mit seinem Hinterbeine festzuhalten sucht; die vollen, großen Gesichtsformen, das gelöste Haar, welches das Haupt in ge- drängter Fülle umflattert alles dies ist in monumentaler Größe und Strenge der Auffassung zu packender Wirkung gebraht. Zwar fehlt uns noch viel zum vollen Verständniß dieser verwickeltsten und kühnsten aller Westgiebelgruppen aber ihre künstlerishe Wirkung namentlich wird doch dur diesen ueuen Fund mächtig gefördert.

Von der einzigen noch fehlenden Gestalt des Westgiebels, dem nun schon seit Jahren vergebens gesuhten Theseus, ist wiederum ein kleines Fragment, eine Hinterkopflamelle zum Vorschein gekommen. Man könnte dies als ein böses Omen für die Zerschellung des Kopfes auffassen. Allein wie wenig wir auch in diesem Falle auf die Hoffnung zu verzichten brauen, dergleichen zerschellte Köpfe allmählih zusammenzu- finden, also z. B. au der Paionios-Nike ihr Antliß wieder- zugeben, hat uns neuerdings wieder der Fund von dem Ge- sihte des knabenraubenden Kentauren gelehrt.

Auch von diesem hatten wir bereits früher Hinterkopf- stücke gefunden. Das Gesicht aber ist uns dennoch gerettet worden, und zwar dadur, daß ein später Ansiedler der Gegend im Süden des Philippeions das Grab seiner Ange- hörigen unter seiner Hütte mit einer zweiten Deckschihi aus Ziegelsherben, Porosbroden und Marmorfragmenten versah, in die erx au dieses Kopfstück mit einflickte.

Es ist eins der charakteristischsten Kentaurengesichter mit

wirrem, kurzem Haar, niedriger, gefurhter Stirn und dem Ausdruck thierischer Wildheit in den Zügen. Tief eingeschnit- tene, eigenthümlich schematishe Falten an Nasenwurzel und Nüjtern zeigen, daß der Kentaur sich durch Beißen seines Gegners erwehrte vom Munde selbst ist uns nur die Ober- lippe erhalten. Mit diesem Motiv ist aber auch der Play des neuen Fundes im Giebel gegeben. Denn nah der symme- trishen Entsprehung, welhe durch die ganze Komposition geht, kann das Gesiht nur dem Gegenstück des beißenden p erau der linken Giebelhälfte angehören, also dem Knaben- räuber. Der Tag dieses Fundes (20. März) traf mit der dies- jährigen Geburtstagsfeier unseres Kaisers zusammen, die in den Annalen der Expedition als ein besonderer Glüdstag ver- zeihnet steht. Damals nämlih traf hier die mit Fubel empfangene Nachriht von der Gewährung einer Schlußrate durch Se. Majestät ein; und noch an demselben Tage thaten wir außer dem obengemeldeten noch den großen, völlig uner- warteten Fund einer überlebensgroßen Apollonstatue.

In den Fundamenten einer anscheinend noch aus spät- römischer Zeit stammenden Halle im Süden des Philippeions waren Bruchstücke von Jnschristen und Skulpturen bemerkt worden. Der in Folge dieser Beobachtung sofort unter- nommene Abbruch der Fundamente ergab rihtig niht nur einige Jnschristen, sondern auh über dreißig Bruchstücke einer nackten männlichen Statue, die offenbar absichtlich zum Zwed der Einmauerung zerkleinert worden ist.

Der etwas mühsame Versuch ihrer Wiederherstellung ge- lang endlich, und ich konnte bei dieser Gelegenheit konstatiren, daß wir Hinterkopf und Hals der Statue bereits früher in der Nähe der sogenannten byzantinishen Kirche aufgefunden hatten. Bereits damals hatten wir aus dem Flehtzopf, welcher den Hinterkopf umgiebt, gefolgert, es müsse in Olympia eine Marmorwiederholung jenes bekannten archaisirenden Apollontypus gegeben haben, der in verschiedenen Exemplaren in den Museen von Athen, Neapel, Mantua, Cassel ver- treten ist.

Auch unser Exemplar stammt aus römischer Zeit. Ueber die feineren Stilnüanzirungen wird sich erst nach Auffindung des Gesichts und der noch fehlenden Unterarme und Unter- beine urtheilen lassen. Uebrigens sieht man schon jeßt, daß der von einer Chlämys locker umgebene linke Arm eine Leyer hielt, die Rechte also wohl ein Plektron. Das Haupt s{hmüdte fl Metallkranz; die sonst üblichen Schulterlocken {cheinen zu ehlen.

Also ein leyerspielender Apollon in Olympia, den Pau- sanias, wie fast alles aus rômisher Zeit Stammende über- gangen. Vielleicht das Weihgeschenk eines Dichters, der sieg- reih den olympishen Hymnus gesungen, wie auf einer der Dichterbasen steht, die wir in leßter Zeit hier gefunden.

Unsere übrigen plastishen Funde seien hier nur in aller Kürze erwähnt. Sie bestehen aus einem überlebensgroßen nackten männlihen Torso römischer Arbeit und dem Körper eines Satyrknaben, der, an cinen Baumstamm gelehnt, die Flöte bläst auch dies eine mittelmäßige römische Wiederholung eines bekannten Typus.

Wichtig ist der Fund eines fast lebensgroßen, leider aber

sehr beshädigten Terracottakopfes, der in Darstellung und Stil große Uebereinstimmung mit dem Haupte des Heraion-Kultbildes zeigt. ___ Unsere Ernte an Inschriften und Bronzen, unter denen sih wiederum einige archaishe Statuetten feinsten Stils be- finden, muß ich hier völlig übergehen, da dieser Bericht die ihm gesteckten Grenzen so wie so bereits weit überschritten hat. / ch {ließe denselben mit der Meldung von dem glück- lihen Eintreffen und dem festlihen Empfange der Herren Geheimräthe Curtius und Adler.

Olympia, den 2. April 1880.

Georg Treu.

Witterungsersheinungen im nördlichen und mittleren Deutshland während des März 1880,

Der Uebergang, welcher sich meistentheils im März von winter“ liher Witterung zu Frühlingswetter zu vollziehen pflegt, zeigte \ich in diesem Jahre nicht, es war vielmehr, in Anschluß an den [lebten Februar mit der an diesem Tage hervortretenden milderen Witte- rung, während des ersten Drittheils des März das Wetter verhält- nißmäßig sehr warm und es herrschte die äquatoriale Windes- \trôömung mit Hangen Niedershlägen vor. Die Ausficht, welche hierdurch für ein baldiges Erscheinen des Frühlings fi zeigte, trat

anz zurüdck, als mit dem Ende der zweiten Märzpentade eine Neihe eiterer, bei vorherrschendem Ostwinde sehr trockener, dabei aber kalter Tage sih einstellte. Jn den östlihsten Provinzen erreichte die Kälte eine bedeutende Höhe und es stellten fich auch wieder Schnee- fälle einz je weiter nah Westen war der Gegensay gegen das milde Wetter des Monatsanfangs immer geringer.

Mit niederm Luftdrucke begann der März auf dem ganzen Be- obahtungsgebiete, und es nahm am 3. oder 4. März das Barometer den niedrigsten Stand im ganzen Monate ein. Die äquatoriale Windesstrômung trat überall mit großer Lebhaftigkeit auf. Es gab feine Station, an welcher während der ersten fünf Monatstage die Windfstärke nicht ein- oder einigemal durch 4*) hätte be- zeihnet werden müssen. Ganz besonders heftig war der Südwestwind an den westliben Stationen, wo zu verschiedenen Malen die Zahl 5 zur Bezeichnung seiner Stärke gewählt wurde ; ja in Münster fügte der Beobachter am Morgen des 4, März dem W., und in Lingen am Abend des 2. und am Morgen des 3. März dem 8W. die Zahl 6 bei, und cinen cbenso starken Orkan aus West beobahtete man in Görliß am Miitage und Nachmittaze des 4. März. Der heftige Aequatorialstrom führte in den ersten Tagen des März überall Niederschläge herbei; an den meisten Stationen regnete «cs täglich, an einigen war der Regen von Graupeln (in Putbus am 2. und 3. März von Hagel), an den Gebirgsstationen

auch von Schneegestöber- begleitet. Einige Stationen hatten Wet- terleuchten, Torgau am 2. März, Görliß, Shreiberhau und Wang den 4. März, Abends 7 Uhr, Gewitter. In Clausthal be- obahtete man am 2. März, siriÞ 4 Uhr, bei heftigem Schnee- turm im Westen Elmsfcuer. Die Menge der Niederschläge in den einzelnen Tagen war an mehreren Stationen nur unbedeutend, an einigen aber groß, namentlich in den westlihen Provinzen und im Gebirge. Aachen hatte am 3. März 18 mw, Cöln 21,9 mm, Hannover am 4. März 28 mm Regenhöhe. Denselben Tag fiel in Görliß 25,5 mm, in Wang 39,9 mm, in Sreiber- hau 514 mm hoh Regen, während an demselben Tage in Breslau die Regenhöhe nur 34mm, ja im ganzen Monate nur 9,3 mm betrug. Das größte Regenquantum hatte, und zwar ebenfalls am 4. März Großbreitenbach im Thüringer Waldez hier gab es an diesem Tage eine Regenhöhe von 62,4 mm. Troß der häufigen Niederschläge in den ersten Märztagen sank das Thermometer mit Ausnahme von ein Paar Gebirgsftationen niht unter den Ge- frierpunkt, die erste Monatspentade war in den öftlihen Provinzen die wärmste des ganzen Monats und in den westlichen stand ihr nur die zweite gleich; sie hatte im äußersten Often eine mittlere Tempe- ratur von 2 bis 4, in den mittleren Provinzen von 5 bis 7, in den westlien von 8 bis 10 Gradea. Bald darauf, nachdem das Baro- meter (am 3. und 4, März) seinen niedrigsten Stand erreicht hatte, fing auf dem ganzen Beobachtungs8gebiete der Luftdruck zu steigen an, so daß die westlihen Stationen bereits am 8. März das barometrische Monatsmarimum beobachteten, während dasselbe weiter nach Osten erst einige Tage später eintrat. Es stand das Barometer am 8. März etwa 25 bis 35 mm höher, als am 4. März. Es wurde nun die äquatoriale Windesströmung, an- fangs nur zeitweise, von dem Polarstrome verdrängt, der Himmel bellte sich mehr und mehr auf, und die Niedershläge wurden immer seltener. In den westlichen Provinzen trat jeßt eine Wärmevermin- derung noch nit ein, es war vielmehr die zweite Müärzpentade an manchen Stationen noch etwas wärmer, als die erste, dagegen fing weiter östlih das Thermometer an, unter den Gefrierpunkt zu sinken. Am 12. und 13. März erreichte der Luftdruck au in den mittleren und östlichen Provinzen sein Monatsmarimum. Es wurde von nun an der Polarstrom nur in den östlihen Provinzen ab und zu von der äquatorialen Strömung verdrängt, weiter westlih blieb ersterer fast ohne alle Unterbrehung vorherrshend. Jn Folge des hâu- figeren Wecsels der äquatorialen und polaren indesströmungen fielen auch in der Mitte des Monats östlih der Oder ab und zu ncch Niederschläge und zwar bei der im Allgemeinen verminderten Temperatur zum größeren Theile als Schnee. Fast ganz frei von Niedershlägen blieben aber während der leßten zwei Monatsdritt- theile die Stationen in den Provinzen Brandenburg, Sachsen und den noch weiter westlih gelegenen Provinzen. Nebel, und, da wäh- rend der Nacht der unbedeckte Himmel die Wärmeausftrahlung sehr begünstigte, des Morgens Reif wurde an manchen Stationen täglich beobachtet, Regen oder Schnee aber nur an ein paar Orten und auch da nur in ganz unbedeutenden Mengen. Nachdem theils in der dritten, theils in der vierten Monatspentade die Temperatur ihren niedrigsten Punkt erreicht hatte, hob sie sich wieder bis zum Ende des Monats, wie für einige Stationen folgende Tabelle zeigt, indem sie die mitt- lere Wärme der sechs Pentaden angiebt:

1.—6. 7.—10. 11.—16. 17.—21. 22.—26. 27.—31.

Claußen 2. 0.8 —49 —5.5 —3,5 Königsberg j : ; —2,7 Bromberg ; i; i; —1, Breslau ¿ ; 2. —1, Berlin i ; Münster i : i; f

Cöln ; ; iz j Ê DLIeLn f 9,6 9,5 O Di : 8,1.

Die Tage in den zwei leßten Pentaden, namentlich die vom 23, bis 29, März, waren in den mittlern und westilichen Provinzen fast ohne alle Himmelsbedeckung und bei der vorherrschenden östlichen Windesstrômung zeigte die Luft Nachmittags 2 Uhr fo geringe rela- tive Feuchtigkeit, wie sie nur äußerst selten vorkommt. Niederschläge fielen in dieser Zeit auch an den östlihsten Stationen nicht, erst in den zwei leßten Monatstagen zeigte sich an ein paar Stationen ganz unbedeutender Sprühregen.

Mittlerer Barometerstand im März 1880 nebst den Erxtremen, Ae in Millimetern. Mittl. Ba-

Seehöhe rometer- Maximum

in Metern stand Tag Stand Tag Königsberg 2E N 12 (82,8 Conißtz 157 „C 12 70,0 Lauenburg 29,4 i 12 83,4 Bromberg 47 12 81,9 Breslau 147,4 13 69,8 Görliß 217,2 12 624 Torgau 102 23 75,3 Breitenba ch 630,5 7 12 20,7 Berlin 49 z 12 79,1 Putbus 92,9 12 79,7

amburg 19 81,4

annover 61,5 410,0

ingen 29,0 74,0 Münster 56,9 70, Cöln 60,5 69,5 Aachen 177 54,7 Trier 150,5 58,8 3T,C Darmstadt 148,4 13 55 5 32,2 Hechingen 513

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00° aag es I b o

Minimum Stand 740,4 29,8 38,8 41,4 31,8 28,5 37,4 692,0 741,4 34,8 40,7 39,7 40,9 39,6 44,5 31,6

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19 S0 08,3

*) Auf den Stationen ist für die Stärke des Windes die sehs- theilige (die sogenannte Land-) Skale eingeführt. Aus den Wirkungen des Windes auf die Gegenstände der Umgebung oder auf das Gefühl des e E beurtheilt leßterer, welher Grad der Windstärke erreiht ift. Stärkegrad. Wirkungen des Windes.

0 (Windstille). Der Rauch steigt grade oder fast grade empor;

kein Blätthen bewegt fich.

Für das Gefühl bemerkbar; der Wind bewegt einen Wimpel oder leichte Blätter.

Der Wind fstreckt einen Wimpel, bewegt die Blätter und fleinere Zweige der Bäume.

Der Wind bewegt größere Zweige der Bäume.

Der Wind bewegt ganze Aeste und {wächere Stämme, er hemmt das Gehen im Freien.

Stämme, entwurzelt kleine Bäume.

Der Wind deckt Häuser ab, wirft feftgemauerte Schornsteine um, brit und entwurzelt große Bäume. | age, an denen in den Monatstabellen die Stärkc des Windes |

1 2 3 4 5 Der Wind rüttelt die ganzen Bäume, bricht Aeste und mäßige 6 T 4, 5 oder 6 zu bezeihnen war, werden Sturmtage genannt.

mit

Mittlere Temperatur des März 1880 nebst dzn absoluten Erxtremen in Graden nach C. Marimum: Minimum: Mittlere - .. Tem- peratur:

. —1,4 (—1,2) 0

Stand Stand Eis-

Claußen . Königsberg GomiB Hela Lauenburg . BDrombérg . Breslau Ana a: É Landskrone Oraa Breitenba ch Berlin.

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Höhe der Niederschläge im März 1880, ausgedrückt in Millimetern.

Beigefügt ist der Monatstag, am welchem die größte Menge der Niederschläge fiel, die Höhe der leßteren, die Anzahl der Tage mit Niederschlägen, sowie die Anzahl der heitern und trüben Tage.

Höhe der Größte Höhe Tage mit Heitere Trübe

Niederschläge Tag Höhe Niederschl. Tage Tage C) 18 80 16 3 (30,8) 8

(35,4) 12

(35,6) 13 (30,4) 10 (37,9) 13 (76,5) 12 37,9) 10

Claußen . Königsberg Conißt. Hela N Lauenburg. Bromberg -. Breslau . Wang . Go. Landstrone 29,4) Sau (33,5) Breitenbach O Berlin 50,0 Putbus . (29,6) Hamburg (43,3) Uner Me) lausthal , (118,3 Lingen.

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(47,5) (46,7) (26,4)

53,3) (40,8) (46,1)

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Hechingen .

Die Berliner ärztlihe Unterstüßungskasse hat soeben den Bericht über ihre nunmehr 2öjährige Thätigkeit eröffnet. Die Einnahmen betrugen während dieses Zeitraumes 61181 A, die Auszaben 59120 M, darunter 43281 K Unterstüßungen, und zwar 8447 46 gezahlt an 34 Aerzte in 85 Jahrgängen und 54835 M. gezahlt an 54 Wittwen in 342 Jahrgängen. Die Mitgliederzahl, die 1855 fi auf 183 belief, betrug im Jahre 1879 573, die Ein- nahme in diesem Jahre 4343, die Auëgabe 3844 .. Das Vermögen hat 1879 durch die Wilhelm-Augusta-Stiftung einen Zuwachs von 15 000 M erfahren.

Die Blumen- und Pflanzen-Ausstellung der Gesell- \cchaft der Gartenfreunde Berlins wird, wie bereits mit- getheilt, am Sonnabend, Sonntag, Montag, Dienstag und Mittwoch, den 17,, 18., 19,, 20. und 21. d. M. in der Reitbahn des König- lichen Kriegs-Ministeriums, Wilhelmstraße 81, stattfinden.

Hirschberg, 12. April. (Schles. Ztg.) Die im Frühjahre vorigen Jahres begonnene Änpflanzung von Cdelweiß imNRiesen- gebirge hat glückliherweise troy der Strenge dieses Winters nicht gelitten, und so beabsichtigt man in den verschiedensten Gebirgs- theilen weiter damit vorzugehen und dem Edelweiß noch die Alpen- rose zuzugesellen, von der man größere Posten beziehen will. Die Bohrarbeiten in dem neuen Kurbrunnen in Warmbrunn sind bis auf 80 Fuß Tiefe geför.ert. Zur Zeit arbeitet man Tag und Nacht weiter, um noch einige harte Granitschihte zu durchbohren. Bei 150 Fuß Tiefe hofft man das erwünschte Resultat zu erreichen.

Straßburg, den 13. April 1880, ‘(Els.-Lothr, Ztg.) Die nunmehr erfolgte Feststellung und amtlihe Genehmigung des Be- bauungsplanes der neuen Stadttheile bildet in der Geschichte Straßburgs unstreitig einen höbst wichtigen Abschnitt. Mit Ausnahme des Theiles rechts der JU zwischen der Altstadt und Ruprechtsau sind nun alle Schranken gefallen, und die Bauthätigkeit kann sonach be- ginnen. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß im Laufe dieses Jahres {on in den neuen Stadttheilen neue Gebäude erstehen werden, Der städtischen Verwaltung soll vielfache Gelegenheit ge- boten sein, städtishes Bauterrain zu annehmbaren Preisen an Baulustige verkaufen zu können. Von nicht zu untershäßendem Werthe dürfte die Nachricht sein, daß die Tage der Finkmattkaserne, welche in einer Länge von über 300 Meter, gleichsam eine Scheidemand zwischen der Altítadt und dem östlichen Theile der Neustadt bildet, gezählt sind. Wie wir von zuverlässiger Seite hôren, sind von Seiten der Militärbehörde bereits die Pläne zu der zwishen dem Stein- und dem Schiltigheimer Thore zu erstehenden neuen Kaserne, welche zum Ersatze der Finkmattkaserne dienen soll, angefertigt und es dürfte sona der Bau dieser neuen und großartigen Kaserne wohl noch im Laufe dieses Jahres in Angriff genommen werden, Die Her- stellung dieser Kaserne soll eine Bausumme von zwei Millionen Mark erfordern. Ein geräumiger Hof bei der Kaserne wird den Truppen als Uebungsplaßz dienen, dagegen ein größerer Exerzierplaß vor dem Schiltigheimer Thore errichtet werden. Die Größe des lehteren wird 7 ha betragen. Schon vor dem Abbruche der Finkmattkaserne dürften die alten Festungswälle zwischen dieser und dem Fischerthore zur Stleifung gelangen. Nicht wenig dürfte zur Hebung der Baulust der Umstand beitragen, daß die Stadt hauptsächlich auf dem ihr von der Militärbehörde überlassenen und ihr in Eigenthum gehören- den Gelände die erforderlichen Straßen, wozu auch diejenige, wle von dem neuen Steinthore nah dem neuen Kehler Thore führt, ge“ hôrt, möglichst bald herstellen lassen wird.

*) Die Angaben der Seewarte sind auf den Meereshorizont reduzirt.

E

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner.

Vier Beilagen (einschließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Slaals-Auzeiger.

Berlin, Freitag, den 16. April

Erste Beilage

Deutsches Neich.

Nachweisung i der Einnahwe an ‘Wechselstempelsteuer im Deutschen Reiche für die Zeit vom 1. April 1879 bis zum Schlusse des Monats März 1880.

L 2.

Einnahme

Ober - Post - Direktions -Bezirke. E,

Hierzu Einnahme in den Vormonaten.

M. E) M

3, 4. D. 6. Einnahme in vem- selben Zeitraume In 1879/80 des Vorjahres + mehr (Spalte 4). weniger M. | M | S

Zusammen.

|_S

x M [2 Fm Reichs-Postgebiete. |

1) Königsberg

9) Gumbinnen .

3) Danzig

4) Berlin . U, 5) Potsdam .-. 6 fronffuct a./D. . 7) Steitin. 8) Köslin .

9) Posen .

10) Bromberg -

19) Breslau

12) Liegniß .

13) Oppeln.

14) Magdeburg

15 La e 16) Erfurt . S 17) Ri. 16) annover . 19) Münster

90) Minden

91) Arnsberg -

29) Cat 93 1 d a./M. 9 R «ee 9 ) Aachen .

I | 9 553 | 80 3069 | 70 11517 | 91 45 642 | 90 3324 | 95 6741 | 10 8828 |15 2 062 | 00 4241 | 50 2793 | 00 14 232 | 90 7145 | 10 E, 6215 | 25 L 17 733 | 36 : i 6534 | 25 8954 | 75 4494 | 85 645€ | 30 1800 | 80 5 799 | 85 16 554 |. 30 3 562 | 70 26 868 | 70 14 319 | 85 7333 | 00 2 880 | 10 36 239 | 85 1960 | 85 11 308 | 05 32 585 | 80 13 985 | 70 4 501 | 60 10 975 | 45 1946 | 10 4065 | 25 4746 | 65 18 611 | 50 58 307 | 65 15 620 | 90 3305 | 30

4

95 ü

26) Coblenz

27) Düsseldorf

A) Ie: 29) Dresden

30) Leipzig -

31) Karlsruhe .

32) Konstanz .

33) Darmstadt . 34) Schwerin i./M.. 35) Oldenburg - 36) Braunschweig 37) Bremen

38) Hamburg . ._- 39) Straßburg i./E. 40) Mey E

146 796 | 45 34 096 | 60 133 767 | 44 567 194 | 40 36 964 | 0I 75 049 | 35 85 695 | 65 21 092 | 80 50430 | 15 33 572 | 80 165 715 | 65 77 625 | 00 67 106 | 409 194 762 81167 | 85 98 154 -| 95 64 708 | 40 68 330 | 95 21408 | 95 65 853 | 50 187 907 | 80 38 0093 | 70 299 120 | 30 150 531 | 20 76 906 | 95 31639 | 95 369 949 | 05 21 753 | 70 118 698 | 85 315 265 | 89 153 338 | 70 59 938 | 59 109 519 | 30 25 996 | 90 44018 | 85 51914 | 65 188 864 | 49 689 615 | 25 169 643 41181 | 65

| 14 477 | 30 53: | 65 6 40 3 600 | 35 2.826. 20 836 | 39 2 922 | 69 168 |. 15 1.729 | 29 1149 | 30 2 649 | 75 3815 | 95 4383 | 90 13022 | 15 2954 | 50 384 | 05 2.414/|:30 3102/30 3554 | 00 6892 | 35 857 | 10 420: | 25 10156 | 95 12 494 | 85 6 438 | 40 1878 | 95 20 038 | 15 845 | 30 3163 | 80 32 673 | 90 31398 | 45 C230 | 29 6576. | 65 8599| 909 4375 | 90 4488 | 55 11H66 | 29 653 | 90 3768| 50 3134 | 65

170 827 37 112

156 350 | 25 37 166 | 30 145 285 | 35 145 291 612 837 | 30 609 236 40 288 | 95 37 962 81790 | 45 80 954 94 523 | 80 91 601 23154 | 80 23 322 54671 | 65 52 942 36 365 | 80 35216 179 948 | 55 182 598 84 770 | 10 80 954 73 321 | 65 77 705 95 212 496 | 30 199 474 87 702 | 10 84 747 107 109 | 70 106 725 69 203 | 25 66 788 74788 | 25 71 685 23 209 | 75 19 655 71 653 | 35 64 761 204462 | 10 203 605 41 572 | 40 41 992 325 989 | 00 315 832 164 851 | 05 152 356 84 239 | 95 77 801 34 529 | 05 32 641 406 188 | 90 386 150 23714 | 55 22 869 129 916 | 90 126 753 347 851 | 65 315 177 167 324 | 40 135 925 64 440 | 15 57 203 120 494 | 75 113 918 27 943 | 00 27 083 48 084 | 19 43 798 56 661 | 30 52 172 207 475 | 90 196 359 747 922 | 90 748 5/6 00 185 263 | 90 189 032 44 486 | 95 41 352

466 822 | 24 768 | 05

Summe I. A 16 533 | 45

L Bavernf« pa e I1I. Württemberg .

T1 5 233 218 | 84 412 588 | 05 191/671 | 75

179 962 | 85 34 542 | 70 60

"5 700 041 | 5 520.078 437 356 02.813 208 205 202 559

++|+1 1 +++++++++++++++ | ++++++++1 +1 ++1++++ 1+]

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Ueberhaupt Berlin, im April 1880.

508 124 | 21

Nichtamtli®es.

Preußen. Berlin, 16. April. Jm weiteren Verlaufe der gestrigen Get Sißung sehte der Reichstag die dritte Berathung des Geseßentwurfs, betreffend Ergänzungen und Aenderungen des Reihs-Militärgeseßes vom 9, Mai 1874, fort. Der Abg. von Kardorff erklärte, wenn die Herren vom Centrum unter den gegenwärtigen Verhält- nissen für die Vorlage nit stimmen könnten, dann dürften sie es au der konservativen Partei nicht übel nehmen, wenn dieselbe niht für den Antrag des Centrums stimme. Auf den Streit des Abg. von Schorlemer und des Dr. Baumgarten wolle er nicht eingehen, neu sei ihm nur gewesen, daß die Standesherren eine Berufsklasse seien; er müsse gestehen, daß es dann wenig- stens ein recht angenehmer Beruf sei. Der Abg. von Schorlemer habe d der Ansicht des Abg. Richter darin angeschlossen, daß die Versprehung der Steuererleihterungen vom vorigen Jahre nicht erfüllt worden . sei, Dem gegenüber müsse er doch das fafktishe Verhältniß nohmals flarlegen. Der Ne‘chstag habe im vorigen Sommer un efähr 100 Millionen Mehreinnahmen bewilligt; davon ollten jeßt nur 17 Millionen für militärische Mehrausgaben ver- wendet werden; man behalte also über 70 Millionen zu Zwecken der Steuererleihterung übrig. Er behaupte aber auch, daß das Land heute mehr in der Lage sei, die jebt ge- forderte Militärlast zu tragen als vor einem Jahre die da- mals bestehende. Es sei kein Zweifel, die A L Lage sei in einem Aufshwung begriffen, und man könne daher dem Lande wiederholt auf die zunehmende Auswanderung hingewiesen worden. Es sei ja mögli, daß unter dem Druck der wirthschaftlichen Verhältnisse, der übri- gens unter die Zeit des Freihandels falle, ein Ce der Be- völkerung den Entschluß zur Auswanderung gefaßt habe, er möchte aber doch darauf aufmerksam machen, daß oft ganze Gegenden ohne jeden politischen, wirthschaftlichen oder kirh- lihen Grund, lediglich vom Reiz der Neuheit ver- leitet, vom Auswanderungsfieber ergriffen würden. Die Arbeitslöhne seien A, in der Eisenfabrikation im Steigen begriffen, die Politik des Schugzolls sei nit nur den Arbeitgebern, sondern auch den Ar- beitern zu Gute gekommen, der wachsende Verkehr der Eisen- bahnen sei ein weiteres günstiges Symptom ; Niemand könne leugnen, daß das Vertrauen in den Verkehr zurückgekehrt sei und daher könne man mit Recht behaupten, daß Deutschland die geforderte Last jeßt leichter tragen könne. Auch die Gegner der Vorlage würden zugestehen müssen, daß sie bei der ersten Nachricht von der Mehrforderung der Regierung erwartet hätten, dieselbe würde weit höher gegriffen sein. Ein Vorzug der Vorlage sei es, daß sie dem Reichstage dur die kürzere Dienstzeit der Ersaßtreserve eine Perspektive eröffne, wie in künftiger Zeit die Militärlast erleichtert werden könnte. Er könne nicht sagen, in welcher Zeit das möglich sein werde, es ei aber wichtig, daß die O wenigstens eine solhe Mög- ihkeit in Aussicht stelle. Der Abg. Dernburg habe von der Lage der auswärtigen Politik ausführlich ge prochen ; : er gehe nur kurz darauf ein, weil der Abg. Richter

auch mehr zumuthen. Es sei

D 837 478 | 64

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6 345 602 | | 6 125451 | | 15

Haupt-Buchhalterei des Reihsschayz-Amts.

| ihm und dem Abg. von Bennigsen den Vorwurf ge- macht habe, sie hätten in der ersten Lesung die politische Situation zu {warz geschildert. Der in England einge- tretene Wechsel sei mindestens doch nicht als günstig für Deutschland zu bezeihnen, wenn er au glaube, daß Deutsch- land auch mit dem neuen Kabinet in England werde aus- fommen fönnen. Gegen die Ansicht des Abg. von Schorlemer, daß Frankreih mit seinen inneren Angelegenheiten zu sehr beschäftigt sei, um an einen Angriffskrieg denken zu können, sprächen die historischen C aus der Zeit der ersten französishen Revolution. Fn Rußland habe si in der leßten Zeit nichts geändert. Uebrigens sei ja mit Recht darauf hin- gewiesen worden, daß der Reichstag die Bewilligung nicht für ein momentanes Bedürfniß, sondern auf die Dauer machen solle. Der Abg. Rickert habe sehr rihtig betont, daß es vom größten Werth sei, daß die nationale Grundlage der deutschen Politik auf dem Zusammengehen der gemäßigt liberalen und der konservativen Partei beruhe. Er erkenne es dankbar an, daß die Nationclliberalen troß ihrer abweichen- den Ansicht in manchen inneren Fragen mit seiner Partei \0- fort für die Vorlage eingetreten seien. Der „Gaulois“ habe einen sehr merkwürdigen und übertriebenen Bericht über die Rede des Abg. Rickert gebracht, der Referent desselben habe aber doch in Beurtheilung der Gesammtsituation das Richtige getroffen. Die Thatsache stehe jevt für das Ausland fest, daß die aus- wärtige Politik des Reichskanzlers von fast dem gesammten Neichstage unterstüßt werde, daß die eng nicht auf einen frivolen Angriffskrieg sich rüste, daß aber, obald die Macht und das Ansehen Deutschlands bedroht werde, Deutschland sein Schwert in die Wagschale werfen werde und das ganze Land hinter der Politik des Reichskanzlers stehe. Aus diesen Gründen bitte er die Vorlage anzunehmen. Der Abg. Dr. Bamberger konstatirke, daß der von Abg. R von Stauffenberg gestellte Antrag auf eine dreijährige ewilligung der Präsenzstärke von keiner Seite als tehnisch unzutresfend widerlegt worden sei. Nur politishe Gründe seien vorgebraht, welche meistens in das hohe Gebiet der auswärtigen Politik hinübergriffen. Der Abg. Graf Stolberg habe gesagt, wenn der Reichstag nur auf drei Jahre bewillige, dann komme vielleicht nah drei Jahren schon die Forderung auf Erhöhung der Präsenzstärke, wenn man aber das Septennat bewillige, habe man wenigstens sieben Jahre Ruhe. Das Argument sei niht neu, vielmehr shon im hre 1874 vor- gebracht worden. Aber richtig sei es niht. Denn wenn auch auf sieben e eine Präsenzziffer festgestellt sei, darum müßten die Reichstagsabgeordneten als Patrioten doch, wenn innerhalb dieser Zeit die Nothwendigkeit dazu eintrete, eine Erhöhung eintreten lassen. Kein Patriot würde in solchem Falle mit Nein antworten. Dex Reichstag bewillige die Präsenzstärke do nit einer Regierung, sondern in Anbetracht der Situation dem Vaterlande. Wenn man überhaupt von einer Mitwirkung des Reichstages sprechen wolle, dann lägen portisae Gründe in keiner Weise vor, die Vei atna statt auf 3, auf 7 Jahre auszusprechen; aber au praktishe Gründe lägen niht vor. Die Motive, welhe auf die gegenwärtige Würdigung der nationalen Lage Einfluß hätten, seien verschiedener Natur,

SSO,

theils unveränderliher Art, theils vorübe: gehender. Fest-

/ stehend sei aus weltbekannten Gründen die Situation Deutsch-

lands Frankreich gegenüber, die in absehbarer Zeit sich nicht bessern werde. Zu diesen feststehenden“ Verhältnissen gehöre auch noch die Stimmung der europäischen Nationen Deut)ck- land gegenüber überhaupt, welche Graf Moltke mit dem Aus- druck charakterisirt habe, daß Deutschl.nd von allen Nationen gefürchtet, aber von keiner geliebt werde. An wem die Schuld davon liege, wolle er jezt nicht untersuhen; aber daß etwas davon von den Deutschen verschuldet werde, habe sich au heute gezeigt. Zwei Redner hätten sich aae über Personen, welche “in Ländern, die mit Deutsch- and offiziell in freundschaftlichen Verhältnissen ständen, und ostehende öffentlihe Stellungen bekleideten, in einer eise ausgesprochen, die nicht zu den Artigkeiten der deutschen Polemik gehöre. Jede Regierung in Frankreich, welche mit Erfolg glaube an Deutschland Revanche nehmen zu können, werde zugreifen. Ebenso wenig werde die Stellung Deutsch- lands günftiger, ob in England die Whigs oder Tories am Ruder seien; es pflegten beide nichts zu verschenken. Aber man solle doch nit gegen eine fremde Regierung ohne jede Ursache aggressiv polemisiren. Jn England selbst sei man noch mit der Erklärung des erfolgten Umshwoungs besczästigt und noch ehe der von der großen Majorität einer respektablen Nation auf den Schild erhobene Mann seine Stellung Deutsch- land gegenüber klargelegt yabe, habe der Abg. Dernburg sehr auffällige Worte über den von England gefeierten Volks- mann gesprohen. Er bedauere dieses Vorgehen für Deutschland und für die deutsche Presse; denn die Deutschen seien in Europa zum Theil jo mißliebig, weil sie ohne jeden Grund jeden berühmten Mann des Auslandes anfeindeten. Denselben Vorwurf wie dam Abg. Dernburg mache er dem Abg. von Schorlemer-Alst. o wenig er Partei er- greife für Herrn Gladstone, so wenig thue er es für Herrn Gambetta. Er habe noch viel weniger Urfache dazu; aber er halte es niht für geshmackvoll, den Präsidenten einer aus- ländischen parlamentarischen Versammlung in der Weise zu charakterisiren, wie der Abg. von Schorlemer-Alst es gethan habe, mögen auch dessen politishe Anshauungen denen des Abg. von Schorlemer strikte entgegengeseßt sein. Bei der Ab- fassung dieser Vorlage seien ferner maßzebend die Verhältnisse der auswärtigen Politik, ein Gebiet, das er nur mit Wider- streben berühre, weil der Leiter dieses Ressorts nicht hier sei und weil dem Reichstage zur Beurtheilung ciner lezten Ge- heimnisse die Sachkenntniß fehle. Die Parlamente seien niht zur Leitung der auswärtigen Politik geeignet. Er glaube, daß es nicht in der Ordnung sei, jest Rußland wieder als Erbfeind hinzustellen. Auch liege die Frage doch nahe, wie es denn komme, daß die Beziehungen Deutschlanüs zu Rußland in den leßten Fahren einen folhen Umschlag hätten erfahren können! Andererseits wäre aber auc die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß die früheren guten Be- ziehungen wiederkchrten. Daß man das Bündniß mit Oester- reih nicht übershäßen dürfe, beweise der neuerdings vorgelegte Handelsvertrag. Die Gefahr allerdings dürfe man nicht unter- schäßen, daß, wenn es einmal dem Osten einfallen sollte, mit Deutschland anzubinden, kein Regiment in Frankreidpes unter- lassen werde, sih dem anzuschließen. Er möchte noch beson- ders davor warnen, daß niht in der Journalistik Stimmen fortwährend laut würden, welche gegen den östlichen Nachbar in ähnlicher Weise loszögen, wie es von dortigen Publizisten geschehen sei. Wenn in Deutschland die öffentliche Ens auh nicht die Macht jei wie in England und Frank- reih, so sei doch immerhin durch solchen Feder- krieg {hon manchmal ein Volkskrieg angesaht worden. Nach alledem würdige er die politishe Gesahr vollkommen, aber diese Einsicht könne ihn doch nit zu einer siebenjährigen Präsenz bestimmen. Auch die Verhandlungen des Fahres 1874 bätten darüber keinen Zweifel gelassen, daß nach der einmaligen Bewilligung der siebenjährigen Dauer eine Wieder- holung derselben niht ins Auge zu fassen sei. Der Abg. Miquel habe damals die Zuversicht ausgesprochen, daß nah Ablauf dieser T7jährigen Frist wohl der Kulturkampf beendet sein würde. Er würde sich darüber freuen, wenn das Essentielle des Kulturkampses heute bereits als beendet angesehen werden könnte; allein wie die Dinge au jeßt liegen mögen: . der Hoffnung dürfe man sih hingeben- daß nah drei Jahren von diesem Kulturkampf wie bisher niht mehr die Rede sein und der Friede zwischen Regierung und der die andere Seite vertretenden Partei vollständig sein werde, deshalb werde er nur für 3 Jahre stimmen. Der Abg. Rickert sei auf eine eigenthümliche Abirrung gerathen, als derselbe erklärt habe, er würde für 1, 5 und 7 Jahre stimmen, nur für 3 Jahre könne er nicht stimmen. Jn der Politik müsse man kompromittiren, es sei aber doch wahrlih fein Kompromiß, wenn die Regierung fordere, daß ihre Waxi- malforderung bewilligt werden müsse. Mit einer Regierung, die solches fordere, könne er (Redner) einen Kompromiß nicht abschließen. Redner berichtigte sodann die Berehnungen des Abg. Rickert bezüglih der Erhöhung der Präsenzziffer. Die Zustände in Frankreich seien mit denen Deutschlands gar nicht zu vergleihen. Schon der Abg. Richter habe darauf hin- gewiesen, daß dort die Vorsicht von Seiten des Parlaments egen die Exekutive ergriffen sei, während es si hier um eine Vorsicht der Exekutive gegen das Parlament handele. Was sei die ganze Geschichte jener Präsenzziffer, auf die sih der Abg. Richter berufe? 1872 sei im französischen FRekrutirungsgeseß eine feste grundsäßliche Organisation geschaffen, um die frühere willkürlihe Aenderung der Cadres zu beseitigen. Jn Frank- reih sei das Parlament Alles und eine französishe Ewigkeit sei niht so lang, wie die deutshen 7 Jahre. Er und seine politishen Freunde bestritten nicht die Erhöhung der Präsenz- zifffer, auch nicht die Einstellung der Ersaßreserven, er wolle auch nicht jeßt hon auf der alljährlichen Bewilligung bestehen nur das wolle er, daß die Frist nit auf 7, sondern auf 3 Jahre bemessen werde. Dasür werde ein Theil der Unter- eihner des Antrages Stauffenberg auch in dritter Zeus Mimnten: auch der Abg. von Stauffenberg habe erklärt, da er so stimmen werde. Dieser Antrag würde die Wehrhaftig- keit des Landes nicht s{ädigen. Hätte die Regierung, falls der