1880 / 93 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 20 Apr 1880 18:00:01 GMT) scan diff

dungen des Vorredners gegen den zweiten Absaß anbelange, fo bleibe er dabei, daß von ciner Verschärfung des Gesetzes durchaus keine Rede sci und verweise er auf die ganze Hal- tung der Kommission, welche diesen Verdacht aus\schließe. Die Kommission habe im Gegentheil sich bemüht, das Geseß zu mildern. Er bitte also, in beiden Beziehungen dem Antrage der Kommission beizustimmen.

Der §. 1 der Kommission wurde angenommen, das Amen- dement Sonnemann abgelehnt.

Der 8§. 2 lautet nah der Fassung der Kommission :

Die Dauer der Geltung des Gesetzes gegen die gemeingefähr- lichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 (Neihs-Gesezbl. S. 351) wird, unter Abänderung des §. 30 dieses Gesetzes, bis zum 39. September 1884 hierdurch verlängert. (Die Neagterungêvorlage hatte die Dauer des Gesetes bis zum 31. März 1886 festzesett).

Hierzu beantragte der Abg. von Ludwig:

. Der Reichstag wolle bescließen: detn §. 2 noch folgenden Zu- sa hinzuzufügen: „Zugleißh wird das Geseh auf alle diejentgen DVestrebungen ausgedehnt, welhe, auch ohne sich als \pezifis{ \sozialdemokralisce, sozialistishe oder kommunistische darzustellen, in analoger Weise die Untergrabung der christlichen und mon- archischen Grundlagen der bestehenden Staats- und Gesellschafts- ordnung bezwecken.“

Der Neferent Abg. Dr. Marquardsen befürwortete den Kommissionsbeshluß. Jn Betreff des gewählten Termins habe die Rücksicht vorgewaltet, daß möglicherweise eine Auf- lösung des Reichstages zu einer Zeit erfolgen könnte, wo die Geltung des Sozialistengeseßes, wenn man etwa drei Jahre nähme, in Frage stände. Es würde für die Zeit der Wahlen dann möglicherweise eintreten, daß der Termin ablicfe, und um dies zu verhindern, sei in der Kommission noch eine Zeit von drei Monaten zugegeb.n worden. Das sei ein einstimmig gefaßter Beschluß, wie überhaupt der §. 2 einstimmig ange- nommen worden sei. Ueber das Amendement Ludwig habe er natürlich von Kommissionswegen dem Hause keine Be- urtbeilung zu unterstellen.

Der Abg. Frhr. von Marschall erklärte, die Frage, ob das Gesetz verlängert werden solle, hänge auch davon ab, ob die Befürchtungen begründet gewesen seien, die man gegen das Gesetz geltend gemacht habe, und ob es wirklih eine Waffe fei, die auch gegen andere Parteien und deren berechtigte Be- strebungen angewendet worden sei. Die Mehrheit der Kom- mission habe sich für seine Verlängerung ausgesprochen. Seine Freunde und er ständen den Bedenken nicht get gegenüber, glaubten aber, daß folchen Gefahren gegenüber die «nteressen aller Parteien gleiche seien. Der Abg. Hänel habe es sich Leicht gemacht; derselbe habe gesagt, die polizeilihen Maßregeln

_Hätten keinen Unterschied zwischen den berechtigten und den un- berechtigten Bestrebungen gemacht. Er sei auch der Ansicht, daß man den berechtigten sozialen Bestrebungen etwas mehr ent- gegenkommen sollte; allein er könne nicht anerkennen, daß die Sozialdemokratie, wie sie fih heute in Deutschland ent- wickelt habe, berechtigte Bestrebungen verfolge. Es sei bei ihr alles Mittel zuun Zweck geworden. Glaube man denn, daß die Sozialisten bei der Gründung von geselligen Vereinen jemals ihr Hauptziel aus den Augen verlören? Wenn man das verkennen wollte, so würde man eine furzsihtige Politik treiben. Der einzige Fall, wo eine andere Partei von dem Gesetze betroffen sei, sei der vom Abg. Sonnemann vorgetra- gene Münchener Fall. Er wisse nicht, ob die von der Polizei vorgebrachten Thatsachen wahr seien, der Abg. Sonnemann habe sie ja bestritten. Er sei weit entfernt, der deutschen Volkspartei sozialistishe Tendenzen unterzuschieben; aber das Eine könne man sagen, daß ihre Versammlungen stets die Sozialisten protegirt hätten und zum Theil aus Sozialisten beständen. Jn der Anwesenheit von Sozialdemokraten könne er nun keinen Grund erblicken, die Versammlung auf- zulösen. Das sei aber auch niht der einzige Grund der Auflösung gewesen. Bonn - die Führer dex Volkspartei mit den Führern der Sozialdemokratie eine Besprehung über die Bureaubildung gehalten hätten , so seien sie doch nicht ganz unschuldig. Höflichkeit sei eine sehr shöne Tugend, aber beim Bestehen des Sozialistengeseßzes liege do die Höflichkeit der Sozialdemokratie gegenüber etwas abjeits vom Wege. Jedenfalls würde die Volkspartei sich weiter ausdehnen, wenn sie den Höflichkeitsaustausch mit der Sozialdemokratie auf das engste Maß beschränken wollte. Die Münchener Parteiversammlung sei niht aufgelöst worden, weil sozialistishe Bestrebungen in ihr zu Tage getreten wären, sondern weil die Polizeibehörde darin die Abhaltung der verbotenen Volksversammlung erblickt habe. Dieser Münchener Fall sei der einzige, wo das Gesetz einer anderen Partei gegen- über zur Anwendung gekommen sei. Wenn man si auf den Boden des gemeinen Rechtes stellen wollte, wie dies der Antrag des Abg. von Ludwig, der alle gefährlichen Bestrebungen treffen wolle, beabsichtige, so würde jedenfalls ein viel s{hlimmerer Mißbrauch zu Tage treten, Seine Partei werde gegen die vorgeschlagene Gültigkeitsdauer einen Gegenantrag nicht stellen, indeß stehe feine Partei nah wie vor auf dem Standpunkte, daß dem Geseße eine längere Gültigkeitsdauer gegeben werden müsse, als die Kommission sie vorgeshlagen habe, nicht als ob seine Partei das Geseß zu einer dauernden Jnstitution machen wollte, sondern weil sie die Ueberzeugung habe, daß, je ernster die Absicht hervortrete, diese Agitatoren niht mehr zu dulden, desto größer au der Erfolg der Maßregeln sein werde. Wenn die sozialistishe Bewegung bestrebt sei, in den Arbeiterklassen Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zu er- regen, dann sollte man nit anstehen, solhen Agitationen gegenüber die Hoffnung zu beseitigen, daß die Stellung des Staates ihnen gegenüber jemals eine andere werden würde. Das Cs müsse aufrecht erhalten werden, um das zu halten, was gehalten werden müsse. Wäre es unzureichend, die Sozialdemokratie zu bekämpfen, so würde allerdings sein Fort- bestehen bedenklih sein. Wenn der Abg. Bebel neulich gesagt habe, die vom Abg. von aLODE bezeichneten positiven Maß- nahmen würden in den Kreisen der Arbeiter nur ein homeri- hes Gelächter erregen, so zeige ihm das gerade, daß man auf dem besten Wege sei, Wenn von Seiten der Sozial- demokratie gesagt werde, das deutshe Handwerk sei nicht A ebenso wie das Frachtfuhrwerk unhaltbar geworden ei gegenüber der Eisenbahn, dann sollte man sich doch in allem Ernst die Frage vorlegen, ob es wirklich ein Naturgesez Jjei, daß eine der wichtigsten Stüßen der aen Ordnung zu Grunde gehe, oder ob niht vielmehr falsche menschliche Ordnungen an dem Niedergange des Handwerks {huld seien. Wenn von Seiten der Sozialdemokraten über Ausbeutung der niht besißenden Klassen geklagt werde, so sollte man mit allem Eifer daran gehen, die Ausbeutung der nichtbe-

pflanzen, von- denen {on mehrfach gesprochen worden sei. Die Stellung der Sozialdemokratie, welche sie endlich und das sei auch für ihn der wichtigste Punkt der Religion gegenüber einnehme, die zeige, wo man vornehmlich einseßen müsse, wenn man die Sozialdemokratie besiegen wolle. Er beschränke sih auf diese kurzen Andeutungen bezüglich der positiven Wirksamkeit gegenüber der Sozialdemokratie. Hier sei der Boden, auf dem man den Vernichtungskampf gegen die Sozialdemokratie führen müsse und hier allein werde man ihn siegreih zu Ende führen können.

Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, nachdem das hohe Haus sämmtliche von ihm gestellte Anträge abgelehnt habe, sei er sür seine Person nicht in der Lage, für das Geseh stimmen. zu können. Die abgekürzte Dauer, welches es nach den Kommissionsbeschlüssen habe, bestimme jedoch manche sei- ner Freunde, für dasselbe zu stimmen. Diese Aus- nahmegefeßgebung, in ihren Wirkungen: s{limmer als der ordentlihe Belagerungszustand, habe die Sozialdemokratie vielleicht äußerlich niedergedrüct, aber innerlich gestärkt, indem es die Erbitterung verwehrt habe. Ein Geslwür heile aber am besten, wenn es geöffnet werde. Er freue sich, daß der Abg. von Marschall so sehr die Nothwendigkeit positiver Maßregeln für das Wohl der Arbeiter betont habe, und er bedauere, daß die Regierung die Jnitiative zu dieser Geseßgebung in so hohem Maße dem Reichstage überlasse. Sehr zweckmäßig wäre in dieser Beziehung eine allgemeine Nevision der Ge- werbegeseßgebung, während man sich hier in jeder Session mit einem Stück abmühe. Die vereinigten Kassen der Arbeiter hätten die leßteren gut unterstüßt. Er zweifle niht, daß die- selben geseßmäßig aufgelöst scien ; sei das aber der Fall, dann müßte sofort nöthigenfalls aus Staatsmitteln für dieselben Zwedle Vorsorge getroffen werden. Es sei aber nichts in dieser Beziehung geschehen. Er glaube, daß die Negie- rung viel în dieser Richtung durch freie Vereinbarung mit den nicht-sozialdemokratischen Arbeitern hätte erreihen können. Aber sie habe die christlih-sozialen Bestrebungen stets scheel angesehen. Die polizeilihe Repression allein nüße gegen die Sozial- demokratie nihts, Auch die Fabrikgeseßgebung bedürfe einer Aenderung. Er fordere deshalb die Regierung auf, ernsthaft die Jnitiative zu einer richtigen Lösung der fozialen Frage zu ergreifen. Eine Hauptursache der Sozialdemokratie sei auch der unrichtige Schulunterricht, der in den leßten zehn Jahren, namentlich in Preußen, mehr Sozialdemokraten erzogen habe, als alle Agitatoren zusammen. Der Abg. von Marschall habe auch die Religion als Kampfmittel gegen die Sozialdemokratie erwähnt. Bei der tiefen und richtigen Auffassung dieser Frage, wodurch sih dieser Abgeordnete von vielen seiner Fraîtions- genossen vortheilhaft unterscheide, hätte er gehofft, daß derselbe diesen Punkt näher spezialisiren würde. Der Abg. von Mar- schall sei offenbar daran gehindert worden, wodur, das wisse er niht. Wenn die Konservativen den Kulturkampf för- derten oder si demselben gegenüber passiv verhielten, wenn sie sagten, theoretishe Zugeständnisse nüßten nichts, man wolle erst praktishe Schritte abwarten, dann würde man die Sozialdemokratie nicht bezwingen. Die Sozial- demokratie finde keinen Boden, wo der -Katholizismus Und der positiv gläubige Protestantismus herrshten, sondern nur unter dem größten Unglauben. Der falsche Liberalismus sei der Vater der Sozialdemokratie. Gebe man den Katholiken die geistlichen Orden wieder, und erx stehe der Regierung da- für, daß sie in deren Bezirken keinen Sozialdemokraten zu fürchten haben solle. Der Antrag von Ludwig verdiene keinen Spott, obwohl derselbe nicht annehmbar sei. Derselbe zeige deutlich, daß gegen die jezige Sachlage ein solches Geseg nichts helfe. Man mache ein Gefeß gegen die Symptome, der Antrag Ludwig wolle ein Ges.ß gegen die Ursachen. So lange man die leßteren nicht heben wolle, werde man die Symptome nie beseitigen. Erst wenn man die Quellen des Unglaubens und des Sozialismus auf den von ihm dargelegten Wegen ver- stopft habe, werde man den Nückgang der Sozialdemokratie herbeiführen.

Der Abg. Stumm erklärte, ter Vorredner habe behauptet, daß die Fortschritte der Sozialdemokratie durch den Kultur- kampf gefördert scien, während doch das Centrum es am besten in der Hand habe, zur Beendigung desselben beizutragen, in- dem es sih den Geseßen des Landes unterwerfe. Der Vorredner scheine sich seiner (des Nedners) Ueberzeugung nach in einem Zirkel bewegt zu haben. Wenn derselbe auseinandergeseßt habe, daß nach seiner Ueberzeugung das Sozialistengeseß nicht blos nicht seinen Zweck erreiche, sondern umgekehrt eine große Erbitte- rung hervorrufe, fo hätte der Vorredner von seinem Stand- punkte aus seine Anträge hierzu gar nicht stellen müssen. Denn wenn er (Redner) den Abg. Windthorst richtig verstanden habe, dann sei es seine Auffassung gewesen, daß, wenn das Haus seine Anträge annehme, erx schließlich für die ganze Vorlage stimmen würde. Der Abg. Windthorst werde doch nicht behaupten wollen, daß, wenn seine Anträge angenommen würden, das Geseß dadurch an Wirksamkeit gewinnen würde. Die Wirkung wäre jedenfalls nur dieselbe; er (Redner) könne also nicht begreifen, wie man unter der Vorausseßung der Annahme für das Gese stimmen und doch behaupten könne, das Gesetz sei geradezu wirkungslos. Was nun den 8. 2 anlange, so befinde sih seine Partei in derselben Zwangslage wie der Abg. von Marschall. Er und seine politishen Freunde stän- den prinzipiell noch auf dem Boden der Regierungsvorlage von 1878, sür welche sie von den Wählern hergesandt seien. So lange das Uebel vorhanden sei, müsse man auch Mittel dagegen haben. Je länger der Schuß vorhanden sei, desto cher werde der Angriff aufhören. Wäre man {hon 1878 nah diesen Grundsäßen verfahren, dann hätten sih jezt schon die wohlthätigen Folgen des Gefeßes mehr gezeigt und man hätte vielleicht heute hon eine bestimmte Zeit für seine Aufhebung vereinbaren können. Das Septennat fir man aber für dies:5 Geseß ebenso bewilligen können, wie sür die Präsenzstärke des Heeres. Der innere Feind sei ebenso gefährlich wie der äußere. Die stete Agitation mit dieser Frage bei den Wahlen beeinträhtige auch ihre sachliche Behandlung und gefährde den Zweck des Gesetzes selbst. Der Termin 1884 sei das Mini- mum, welches die Regierung acceptiren könne, seine Partei stimme dafür in der Hoffnung, daß erforderlichenfalls der Reichstag seiner Zeit eine weitere Prolongation beschließen werde. Seine Partei stimme auch dafür in der Absicht, daß die kurze Geltungsdauer ein Sporn für die Gesehgebung und die Arbeitgeber sein werde, positive Maßregeln für das Wohl der Arbeiter zu treffen. Er billige die Pläne der Katheder- sozialisten nicht, einen Theil der sozialdemokratischen For- derungen zu bewilligen. Keine dieser Forderungen sei

sißenden Klassen da zu beseitigen, wo sie wirklih bestehe, er erinnere an die Aktienfreiheit, er erinnere an das wucherische

berehtigt, mit Ausnahme derjenigen, die auch jede andere Partei stelle, Die Sozialdemokraten woll-

Treiben und erinnere insbesondere an rer’chiedene Gift-

ten diese Forderungen durhsezen gegen die Arbeit- geber, während es nur gemeinsam mit diesen mögli sei. Fn positiver Beziehung habe die Geseßgebung gegen die Sozial- demokratie ihre Schuldigkeit nicht voll gethan, jedoch seien hen erheblihe Anfänge auf dem Gebiete der Gewerbe-Geseßgebung gemacht. Der Schutz der Arbeiter, namentli der jugendlichen und der Srauen und die Aufhebung des sogenannten Trukf- paragraphen seien unter diese Anfänge zu zählen. Auch hätte jeine Partei den Arbeitern die Sonntagsruhe geschafft, wenn die fozialdemokratishen Abgeordneten am Plaße gewesen wären. Sein diesbezügliher Antrag sei durch Annahme des Antrages Rickert mit einer Stimme Majorität beseitigt. Die Vehauptung des Abg. von Kardorff, daß die Arbeitslöhne gestiegen seien, habe man nur negirt, niht mit Beweisen widerlegt. Der Lusammenhang dieser Thatsache mit der neuen Wirthschaftspolitik “fei {wer nahweisbar, aber doch vorhanden. Für die Krafiken, Jnvaliden, Frauen und Kinder der Arbeiter sci aber bisher noch nichts geschehen und er müsse der Regierung die Bitte wiederholen, auf diesem ‘Gebiete im nächsten Jahre dem Hause eine Vorlage zu machen. Seine Fnterpellation habe leider auf der linken Seite dieses Hauses nicht das nöthige Entgegenkommen gefunden. Er glaube dem Abg. Bebel nicht, daß die Arbeiter diese Bestre- bungen mit homerishem Gelächter begrüßt hätten, vielleicht sei das der Fall bei den unter dem Druck der Führer stehen- den sozialdemokratischen Arbeitern, nicht bei dem größten Theil der auf gesundem Boden stehenden. Die Geseßgebung könne in dieser Frage allein niht helfen, die Arbeitgeber müßten mitwirken durch Herstellung eines persönlichen, patriarchali- schen Verhältnisses zu ihren Arbeitern, die sie nicht als Maschinen betrachten dürften. Das fei in der großen Stadt ebenso mögli, wie in der einsamsten Werkstätte, es werde aber dur die Sozialdemokratie verhindert. Dex Fabrikherr werde nit Unterstüßungen geben, die für Agitationszwecke verwendet würden, oder Arbeiter unterstüßen, die lieber seine Fabrik verbrennen würden. Der Arbeitgeber müsse auch den gesunden Geist seiner Arbeiter s{hüßzen durch Strenge und Milde zur reten Zeit. Die Entlassung sozialdemokratischer Arbeiter sei von gutem Erfolg gewesen. Die Sozialdemokratie sei keine berechtigte Partei, sie sei eine Krankheit, die vernihtet werden müsse. Um dazu anzuspornen, stimme seine Partei für die Kommissionsvorlage. Ueber den Antrag von Ludwig brauche er nicht zu sprechen, das werde das Haus thun. Der Abg. von Ludwig vertheidigte seinen Antrag. Jn der Sozialdemokratie liege ein ganz entschieden berechtigter Kern, das sei der Umstand, daß der moderne Staat den niederen arbeitenden Klassen absolut keinen geseßlichen Halt gebe. Es gebe ja gute Arbeitgeber, die hätten Christenthum im Leibe, andere aber sorgten wohl für ihre Pferde und Ochsen, seßten aber die Arbeiter ohne irgend welche Rücksicht an die Luft. Eine Sicherheit nah dieser Richtung habe er durch den Flahszoll schaffen wollen. Der Glaube an die ausgleihende Gerechtigkeit {winde mehr und mehr. Das Sozialistengeseß sei eine große Halbheit, es treffe nur die Schüler und honorire die Lehrer. Es gebe neben der rothen eine petvrne Internationale, welche man frei und unbehelligt umher- aufen lasse. Diese Ungercchtigkeit müsse vollends erbittern. Sein Antrag solle zeigen, in welhes vacuum man mit diesem Sozialistengeseß hineinsteuere, Deshalb möge man seinen Antrag an eine Kommission verweisen. Alle verständigen Menschen müßten dem Antrage zustimmen, vor Allem die Konser- vativen, die doh zunächst für die Monarchie eintreten müßten, wenn sie nur noch einen Tropfen konsfervatives Blut im Leibe hätten, ebenso das Centrum, das sich die Vertheidigung des Christenthums zur Aufgabe gemacht habe; aber es sei doch bedenklih, daß man ihn, dem cinsamen Wilden, die Sache überlasse. Es fehle an entshlossenen, festen Charakteren, Alles verkrieche sih hinter Dpportunitätsrücksichten. Fnzwischen vérblasse das Chrisienthum in Deutschland mehr und mehr, und dur solche Taktik werde bewirkt werden, daß die Sozial- demokratie immer mehr zunehme. Der Redner ging dann zu einer Schilderung der Macht des Geldsacks über, die besonders seit dem Bestehen der Parlamente gewachsen sei. Die Wahr- heiten des Sozialismus seien viel s{öner s{chon vor 2000 «ahren dur Christus gepredigt worden; die heutigen Ge- lehiten sähen vor purer Wissenschaft den Wald vor Bäumen niht. Wo blieten denn die versprochenen positiven Maß- regeln ? Als die Wogen hochgegangen, scien Regierung und Parlament mit Versprehungen gar nicht karg ge- wesen. Jebt sei man scchon mit kleinen Anfängen ganz zufrieden. Wo bleibe die Beendigung des Kulturkam- pfes ? Was der Abg. Stumm heute dazu gesagt habe, beweise nur, daß derselbe von der Religion sehr eigenthümliche Be- griffe habe. Wie stehe es mit den versprochenen Steuer- reformen? Hier wäre es so recht für die koaservative Partei angezeigt gewesen, die Jnitiative zu ergreisen. Was solle ferner für Nußen von der neuen Gerichtsorganisation er- wartet werden? Durch ihre Vertheuerung der Gerichtskosten mache sie einen großen Theil des Volkes rechtlos. Den eigentlihen Siß des Uebels, die Börse, die wage man gar nicht anzufassen. Es bedürfe einer durchgreifenden und konse- quenten Reaktion gegen die gesammte liberale Geseßgebung, wenn es besser werden solle. Die Sozialdemokratie sei weniger der Gegensaß des Proletariats zur Bourgeoisie, als der der rothen zur goldenen Fnternationale, zur Jnternationale des Geldsats. Die krankhafte Humanität der Gegenwart lasse einen fremden Volksstamm in der deutschen Nation weiter gewähren, der nur auf die Ausbeutung des Volkes, theils durch die Börsenspekulationen , theils durh noch \{limmere Manipulationen seine Thätigkeit rihte. Er bitte aus den angeführten Gründen seinen Antrag anzunehmen.

Hierauf ergriff der Bevollmäcttigte zum Bundesrath Staats-Minister Graf zu Eulenburg das Wort:

Wie si voraussehen licß, hat die Debatte über den gegenwär- tig zur Diskussion stehendcn Paragraphen nochG einmal Erörterungen hervorgerufen, nicht allein über die Frage einer Verlängerung des Gesetzes, sondern von Neuem alle die Erwägungen, welche in Be- trat fommen in Bezug darauf, ob ein solches Geseß überhaupt zu erlassen zweckmäßig sei. Es ijt nicht meine Absicht, in eine aus- führliWe Erörterung dieser Frage, die so viel {on ventilirt worden ist, in dem jeßigen Stadium der Debatte noch einmal einzugehen. Zwei Punkte indessen werden Sie mic erlauben noch hervorheben zu dürfen, zunächst ankaüpfend an das, womit der leßte Herr Redner geshlossen hat. Er hat den Appell an den Reichstag und an die Regierungen gerichtet, ob sie nicht im Wesentlichen mit seinen Anführungen und mit seinem Antrage einverstanden wären und nicht lediglih sih sceuten, dies auszusprehen. Was die verbündeten Re- gierungen anbetrifft, so kann ih darauf offen und frei mit Nein ant- worten. Die verbündeten Regierungen sind mit dem Antrage des Herrn Vorredners nicht einverstanden und zwar aus folgenden Grün- den: Sie erkennen mit ihm an, daß außer den \sozialdemokratischen

Bestrebungen noch andere vorhanden sind, welhe den Bestand der

von anderen Parteien angewendet werden.

staatlichen und gescllschafili&en Ordnung zu gefährden geeignet sind; sie erfennen aber ten großen und entscheidenden Unkerschied zwischen derariigen und den sozialdemokratischen Bestrebungen in den Mitteln und Wegen mit und auf welchen sie fich geltend macken. Gemalt und Umsturz sind die Mittel, welbe die Sozialdemokratie nicht heut ; Diskussion und Polemik find die Mittel, welce gew Gegen die leßteren reichen die Mittel der gewöhnlichen Geseßgebung aus, gegeu die er- E E Dies ist der Grund, auf welhem das ganze Gesetz beruht.

Dan», meine Herren, is vom Hrn. Abg. Wintthorst und ebenso aub {on fräher von anderer Seite ein gewisser Gegensaß auf- gestellt worden ich will die Worte des Hrn. Abg. Windthorst da- Hei gebrauchen zwischen dem Kampf gegen die Symptome des NVebels und gegn die Ursacen des Uebels. Ich glaube mit Unrecht. Von diesem Tische aus ist noch niemals etwas Anderes behauptet und erörtert worden, als daß Hand in Hand mit den Vorbeugungë- maßregeln alle diejenigen Bestrebungen gehen müssen, welche darauf gerichtet sind, das Uebel an der Wurzel anzufassen. Die Meinungsverschiedenheit, welhe heute auch wieder hezvorgetre- ten U, Pesteht/ also iht Darin, ob neben den NBorbeugung2maßregeln auch die humanitären Bestrebungen zur Geltung kommen, fendern umgekehrt darin, ob neben leßteren auc die Vorbeugungt maßregeln zur Anwendung kommen follen. Jh glaube, es läßt fic nit bestreiten, daß wir einem Mavne nicht Recht geben würden, der, wenu ein mächtiger Strom seine Ufer an- greift, zunächst darauf Bedacht nehmen würde, den Strom abzu- lenken, ohne zuzleih daran zu denken, einen Damm oder eine Mauer aufzurichten, welche seine Ufer so lanze {üßt, bis jene andaien weitergehenden und lange dauernden Arbeiten vollendet find. Dies zur prinzipiellen Seite der Frage.

Im Uebrigen bin ih genöthigt, auf einige thatsähliGße Anfühs- rungen, welche auf die Handhabung des Geseßes Bezug haben und in der Sitzung vom Sonnabend angeführt worden sind, mit einigen Worten einzugehen. Meine Hirren, es ist die Hand- Habung dieses Geseßzes einer Kritik unterzogen worden in der Richtung, daß dieselle der Sozialdemokratie gegenüber f nicht in den vom Gesetze gezogenen Grenzen gehalten habe. Jch habe diese Behauptung bereits im Allgemeinen bestritten, und habe auch kein Material finden können, welcbes diese Behauptung bewiese, soweit nämlich die angeführten Thatsachen richtig find; sie find es aber entweter gar nicht, oder nur zu cinem sehr kleinen Theil. In

dieser Veziehung ist auf die Entscheidungen der Reichskemmission 4

Die Entscheidungen ciner Behörde oder eines Gerizts, welde mit einer auëführlichen Begründung versehen sind, im Einzelnen in einer parlamentarischen Ver- handlung einer Kritik zu unterziehen, is außerordentlich \{chwieria, und ich werde es nicht untkernehmen, den Ver- sud zu machen, cinige von diesen angegriffenen Entscheidungen Ihnen vollständig vorzulesen, und den Veweis zu liefern, daß sie die Vor- würfe, die ihnen gemacht worden sind, nicht verdienen; das kann an einer anderen Stelle geschehen, ist, da diese Entscheidungen fast au3- nahmélos ia die Oeffentlichkeit gelangt find, bereits viclfah ge- {hen und wird auch ferner geshehen. Aber dagegen muß ih ent- schieden Verwahrung einlegen, daß hier aus einizen ab» gerissenen Säßen einer solhen Entscheidung versucht wird, der- selben den oden zu entziehen und dieselbe als ungeret- fertigt darzustellen. Außerdem, meine Herren, bitte ich Sie, nicht zu vergessen, daß die Möglichkeit des Irrthums und selbst - einer unzutreffenden Entscheidung auch bei der allersorgfältigsten Behande lung der Sade nicht ausgeschlossen is. Ein wirklicher Vorwurf gegen das Verfahren der Neichskommission würde nur dann Legrün- det sein, wenn nachgewiesen werden könnte. daß sie bei ter Begrün» dung ihrer Entscheidungen von den Prinzipien, welcbe als die rich- tigen und den Intentionen des Gesetzes entsprebenden anzuerkennen sind, abgewichen sei, und dics zu beweisen, ist bisher mit Erfolg nicht versucht worden.

Auch die Handhabung dieses Gesetzes durch die Polizeibeß örden Fat ebenfalls eine äußerst abfällige Kritik erfahren, namen!lich bin ic ge- nöthigt, auf einige von den Thatsachen zurückzukommen, welche der Abg. Hasenclever in der Sißung vom vorigen Sonnabend vorzetragen hat. Es betrifft dies zunächst eine Broschüre, welche in Magdeburg ver- breitet worden ist in einem rothen Umschlag mit einem Viereck ver- sehen und welche ih die Bekämpfung der sozialdemokratischen Bc- itrebungen zum Zwecke macht. Dieser Broschüre ift vorgedruckt ein Schreiben des dortigen Polizei-Präsidenten, in welhem er guf er- gangene Anfrage erklärt hat, daß seinerseits polizeilich gegen diese Broschüre nichts zu erinnern sei und zweitens eine Ankündigung un- züchtiger Shriften und Bilder beigegeben worden. Beides , meine Herren, verdient volle Mißbilligung ; es ist aber ges{chen ohne irgend welches Zuthun dec Polizeibehörde und der Polizeibehörde fann îin- folze dessen irgend cin Vorwurf daraus niht gemacht werden.

Sodann ist in Beziehung auf den „Schlesishen Erzähler“ be- hauptet worden, daß die Verfügung, durch welche das gegen cine Nummer disselben ergangene Verbot aufgehoben worden, zu spät er- gangen und in Folge dessen der betreffenden DrucCerei in Breslau Shaden zugefügt sei. Ih muß in Beziehung hicrauf bemerken, daß zunächst die Behauptung unbegründet ist, daß dem Gefeß cnt- gegen der Beschcid zu \pät ergangen sei. Der Bescheid über eine Be- {werde gegen eine Beschlagnahme soll innerhalb „einer Woche er- folgen, Sowohl nah der Straf- wie nah der Civilprozeßordnung wird die Woche gerecbnet bis zem gleihnamigen Tage der nächsten Woche und werden Sonn- und Fesitage hierbei nicht mitgerechnet, fal!s das Ende der Frist auf dieselben fällt. Diese Grundsäße auf

vielfa hinccwiesen worden.

¿ 8 P aInferat e für den Deutschen Reichs- und Königl. Preuß. Staats-Anzeiger und das Central-Handel3- register nimmt an: die Königliche Expedition des Deutschen Reichs-Anzeigers und Königlich Yreußischen Staats-Anzeigers : Berlin SW., Wilhelm-Straße Nr. 32.

Steebriefe und Untersuchungs - Sachen. | (9828] [10009] Steckbrief. :

Gegen den Holzhändler Fürchtegott Wilielm Drechsel aus Ebersdorf ist wegen Verdachts des Meineides die gerichtlie Haft beschlossen worden. Seine Festnahme hat nicht au?geführt werden können. Es wird ersucht, den 2c. Drechsel im Betretungs- falle festzunehmen ur.d mit allen Bei ihm si vor- findenden Gegenständen und Geldern an uns ab- zuliefern.

Beschreibung. Alter! 34 Me Statur: groß und kräftig gebaut. Augen: blau. e | gewöhnlich. aare: braun und stark grau untermengk. Sprache: deuts. i Besondere Kennzeichen : Keine. Guben, den 15. April 1880. i Königliches Landgericht, Untersucßungsrichter.

geladen. Bei

anwaltscchaft.

Der binter den Stellwathe sohn Joseph Bulsla aus Rosenberg O./S. unterm 3, Dezember 1879 in Nr. 293 des Blattes erlassene Steckbrief wird bierdurch erneuert. Rosenberg O./S., den 6, April 1880, Kgl. Amtsgericht. Dr. Wanjeck.

[9513]

* wähnen, welche wiederholt in der Debatte gemacht worden ist, näm-

ten vorliegenden Fall angewandt, ist die Veshwerde rechtzeitig er- ledigt worden und der Bescheid rechtzeitig ergangen. Es liegt also formell ein Grund nicht vor, in dieser Bezichung einen Vorwutf gegen die Polizeibehörde zu erheben, Nicbfsdeftoweniger ist aus diesem Falle Anlaß genommen worden, von Neuem die thunlisie Beschleunigung solcher Entschcide anzuemtfehlen, damit unnüye Schädigungen der Betheiligten vermieden werden. j Endlich, meine Herren, habe ih zurückzukommcn auf die Ve- \{lagnahme von zwei Flugblättern, welche gelegentlih der jüngsten Wahlen im hiesiaen zweiten Reichätagswaklkreise stattgefunden hat, Das eine tieser Flugllätter enthielt, wie Ihnen der Hr. Abg. Hasen- clever au8einandergesecht hat, einen längeren Aufruf zur Wahl, ia welchem die Grundsäße des als Kandidaten empfoblenen Hrn. Körnec des Nâäheren erörte:t wurden. Dieses Wahlflugblatt ist auf Grund des Sozialistengeseßzes verboten, eine Beschwerde ist dagegen iht erhoben worden, das Verbot is also rechtskräftig geworden. In diesem Flugblatte wurden in der That Bestrebungen kund gegeben, welche unter das- Geseß falle, und unterlag in Folge dessen d.n Vorscæriften desselben mit vollem Recht. Es ist dann noch ein zweit:s Flugblatt mit Beschlag belegt worden, worauf der Hr. Abg. Hasenclever als auf etwas Uncrh3rtes hingewiesen und mit Beziehung darauf dies ist der Hauptgrund, weshalb ih noch ein- mal darauf zurückfomme der Hr. Abg. Hänel gesagt hat, das wäre ein flagranter Erzeß in Bezug auf die Anwendung des Geseges. Nun ist aber in Beziehung auf das zweite Flugblait das Sozialisten- geieß gar nit angewandt worden, denn diefes Flugblatt ist nicht {eines Inhalts wegen mit Beschlag belegt werden; der Inhalt be- \chränkt si auf tie Empfehlung ter Wabl des Körner mit mehreren Unterschriften. Dieses Flugklatt ist mii Beschlag belegt auf Grund des Preßgeseßes, wonach auf jeder Drulschrist außer dem Drucker auch der Name des Verlegers oder des Herausgebers angegcken werden soll. Das Fehlen dieser Angabe war der Grund der Bes \chlagnahme. Sie sehen, daß in dieier Beziehung irgerd ein Erxzef in Bezug auf die Vorschriften des Sozialistengeseß:s in keiner Weise vorliegt,

Jch benut:e diesen Anlaß, um noch eine Aeußerung zu er-

lich daß das Vertëauen in die Reichskommission fo sehr verioren gegangen oder nie vorhanden gewescn set, daß - eichwerden bei der- selben überhauxt nicht mehr erhoben würden. Jh mache Sie darauf aufmerksam, daß diese Behauptung insbesondere von dem Herrn Abg. Hasenclever aufgestellt worden ift, während in diesem Augen- bli von ibm sclbst eine Besbwerde über das Verbot des „Lämpylein“ vorliegt. Meine Herren! ich will aber glauben, daß die Neigung, Beschwerde bei ter Reichskcemmission zu erheben, keine fehr große sein mag. Es liegt das eben darin, daß die Reichs- kommission in Erfüllung ihrer Pflicht nicht sebr oft hat in die Lage kommen können, erhobenen Beschwerden Folge zu geben ; sie hat in Kenntniß der Verhältnisse und Thatsachen allen Versuchen, das Gesey zu umgehen und an demselben vorbeizukommen, überall da, wo greifbare Thatsachen vorlagen, nicht stattgegeben, und darüber ist eine begreiflihe Euttäuslzung bei Denjenigen eingetreten, welche geglaubt hatten, auf diese Weise das Geseß umgehen zu könren. Beiläufiz will ih erklären, daß wenn hier cine Argakbe bestritten wordea ist, in Bezug auf die Zahl der auf Grund dieses Bcseßzes erfolgten Ausweisungen während des sogenannten kleinen Belagerungs» zustandes, i das nicht acceptiren kann. Bis zu Anfang April d. J., bis wohin die amtlichen Nachweisungen mir vorliegen, sind aus Ber- lin 92 und aus den übrigen Bezirken 13, zusammen 105 Persoren ausacwiesen worden, also, wie ich vorhin sagte, ctwa die Hälfte von derjenigen Zahl, die vou einem der Herre Abgeordneten heute angs geben worden ift.

Ich könnte, meine Herren, jeßt no sehr Vieles anführen, wenn ich alles das berichtigen wollte, was zu Unrecht über das Verfahren der Polizeibehörden hier vorgetragen worden ist, namentlich in der ersten Lesurg von dem Hrn. Abg. Bebel. Ich habe meiner Zusage gemäß über alle die einzelnen Behauptunçen, die er hier aufgestelt hat, cine so gründlihe Untersuchung anstellen lassen, als es nur möglich war, und dabei haben ih fast die sämmtlichen Behauptun- gen als gänzlich und die übrigen als zum größten Theil grundlos herausgestellt. Jch will beispielsweise nur zwei Fälle anführen, welche besonders s{lagend sind. Der Hr. Abg. Bebel haîte eritens behauptet, daß bei einer Haussuhung der betreffende Polizeibeamte verlangt habe, daß die Frau des Mannes, bei dem die Haussuchung stattfand, welch*, als der Beamte ersien, roch im Bette Aag, in seiner Gegenwart aufstehe und sich ankleiden solle. Diese Behaup- tung ist absolut unrichtig.

Der Hr. Abg. Bebel hat zweitens behauptet, daß ein junger Mann, der auf der Polizei vernommen worden ist, dort zunäcst durch Cigarren und Getränke berausht und dann, nachdem er das, was man wünschte, ausgesagt, entlassen worden sei. Die Thatsachen, welche diefer Erzählung zu Grunde liegen, sind folgende: Als der Betreffende auf dem Polizeibureau erschien, mußte er eine Zeit lang warten, und erhielt während dessen von einem Schußmann, der ihn zu beaufsictigen hatte, eine Cigarre, welche er zur Hälfte raucte, bis seine Bernehmung anfing; darauf entfernte er si, begegnete mehreren seiner Genossen, besuchte mit ihnen eine Anzahl von Nestau- rationen, wobei er zu viel trank, und behauptete dann, als er nach

die Getränke gereiht worden seien. Auch dieser Fall beweist, daß derartige Erzählungen von Uebergriffen der Polizei mit der größten Vorsicht aufzunehmen sind. Ich glaube in dec That, daß,

Hause kam, entschuldizender Weise, daß ihm auf dem Polizeibureau |

das crnsteste Bestreben darauf gerichtet ist, die nothwendig:zn Maß- regeln in ten geseßlihen und anzemessenen SHrazken zur Anwen- dung zu bringen, Ift dem aber so, meine Herren, dann liegt um so weniger ein Grund vor, der Verlängerung dieses Gesehes ent- gegenzutreten. Das ift au soweit zum Bewußtsein gekommen, daß, wiz ih ¿u meiner großen Genugthuung hervorheben kann, fogar ein Theil der Mitglieder des Reichztags, welche früher gegen das Geseh gestimmt Haben, nunmehr \ich entschlossen hakt, für die Verlängerung zu fstimmen. Es ift das în der That eine äußerst erfreuliche Erscheinung. Dann - aber, meine Herren, ist das gewiß nit woßlgethan, über den Zeitraum, für welhen das Gesetz weitere Geltung haben soll, si in ein- \chränkende Erörterungen einzulassen. Wohl hat der Hr. Abg. Windthorst mit Recht hervorgehoben, die Grenze, ‘oie vem Gesetz binzugefügt werde in Bezug auf die Zeit, könne nicht den Sinn haben, als ob damit der Augenblick vorau8gesagt werden solle, welhem das Geseg vollständig werde entbehrlißh werden, fondern es folle damit nur ein Markstein geseht werden, an welchem von Neuem eine Prüfung sowohl der Noth- wendigkeit der Verlängerung als der Att der Han*havung des Be- setzes rorgenommen werden könne. Aber, mzine Herren, dies zuzes aeben, kann ich nur dem Hrn. Abg. Stumm daria vollständig beis timmen, daß die von der Regierung beansprubte Geltung8dauer von fünf Izhren in der That so gering bemessen ist, daß ich nur wün- {hen fann, dieselbe möge angenommen werden. S Hierauf wurde die Diskussion geschlossen. Nach cinigen persönlichen Bemerkungen der Abgg. Sonnemann und Bebek befürwortete der Referent Abg. Dr. Marquardsen nohmals den Kommissionsbes{hluß. Die Kommission habe sih mit der größten Mehrheit für die im §. 2 festgeseßte Frist ausge- \sprochen. Er hoffe, daß die Vorredner, auch wenn fie sh theilweise gegen die Kommissionsfassung ausgesþrochen hätten, doch nicht gegen dieselbe stimmen würden, so daß es bei der Fristbestimmung, welche de Kommission vorgeschlagen, fein Bewenden haben werde. Jn Deutschland könne, ebenso wie Ur England, ein solhes Ausnahmegeseß immer nur auf Zeit, d. h. auf so lange gegeben werden, wie die dasselbe verursahenden Ausnahmezustände dauerten. Wenn diese Ausnahmeverhält- nisse nach Ablauf des Geseßes noch so lägen wie heute, #o werde auch der künftige Reichstag die Verlängerung des Ge- seßes beschließen müssen. Wenn aber, wie er wünsche, die Verhältnisse sich bis dahin \o gestaltet hätten, daß es der Ausnahmemaßregel nicht mehr bedürfe, so würden auc die Konservativen zum Zustande des gemeinen Rechts zurückkchren. Er empfehle dem Hause also, den §. 2 nach dem Vorschlage der Kommission anzunehmen. s

Nachdem der Abg. von Ludwig seinen Antrag zurück- gezogen hatte, wurde der 8. 2 in der Kommissionsfassung an- genommen, womit die zweite Lesung dieses Gesetentwurfs beendigt war. S

Es folgte die Berathung der Kommissionsanträge über die zu diesem Gesetze eingegangen Petitionen. Dice Kom- mission beantragte folgende Resolution:

Die Petition von Julius Hahn und Genossen, soweit fie si über den Erlaß des Königlichen Polizei-Präsidiums zu Berlin vom 6. November 1878 beschwert, in der Erwägung, vaß dab im 8. 16 des Sesetes vom 21. Oktober 1878 enthaltene Verbot sich ih nit auf die Sammlung von Beiträgen oder die öffentliche Aufforderung zur Leistung von Beiträgen erstreckät, welche nur füc die Unterstüßung folcher Personen bestimmt sind, denen in Aus- führung des 8. 22 oder 28 des genannten Geseßzes der Grnährer entzogen worden ist, dem Reichskanzler zur Berücksichtigung zu überweisen und im Uebrigen durch die Annahme des Gesegentwurfs für erledigt zu erklären.

Der Abg. Auer wandte si in einer längeren Rede gegen diese Resolution, indem er auszuführen suchte, daß dieselbe cinerseits den erwarteten Erfolg niht haben werde, weil die preußischen Behörden sich um solche Resolutionen nicht zu kümmern pflegten, andererseits auch zu engherzig gefaßt sei, indem die Unterstüßung der Ausgewiesenen felbst, die dur die Ausweisung in das größte Elend geriethen, nah wie vor untersagt bliebe. Redner führte darauf verschiedene Fälle an, in denen Sozialisten weg?!n unternommener Szmmlungen zur Verantwortung gezogen und verurtheilt worden seien Das ganze Sozialistengeseß sei ein Unglück für die Nation. Er werde es si indeß ebensowenig wie seine Parteigenossen neh- men lassen, im humanitären Sinne den §8. 16 des Gesehes zu übertreten. (Die leßte Aeußerung wurde vom Präsidenten

erügt.

5 Bt, Nesolution wurde hierauf nach Befürwortung des Neferenten Abg. Dr. Marquardsen angenommen, und die übrigen zum Gegenstande eingegangenen Petitionen durch die gefaßten Beschlüsse für erledigt erklärt. Nachdem hierauf das Haus ohne Debatte in zweiter Lesung den Freundschafts-, Handels-, Schiffahrts- und Konsularvertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem E der Hawaiischen Jnseln genehmigt hatte, vertagte es sich

mögen Sie über das Gescß und seine Wirkungen denken wie sie

1. Steckbriefe und Untersuchungs-Sachen.

92, Subhastationen, Aufgebote, Vorladungen u. dergl, ¿

3, Verkäufe, Verpachtungen, Submissionen etc

4, Verloosung, Ámortisation, Zinszahlung

u. 8. W. von öffentlichen Papieren.

Der Kommis Herrmann 3, Februar 1855 zu Rogasen, mosaisch, leßter Auf- enthalt Posen, wird beschuldigt, als Wehr; flichtiger in der Absicht, si dem Eintritte in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte z11 entziehen, ohne Erlaubniß das Bundesgebiet verlassen oder nach erreichtem militärpflihtigen Alter sih aukßer- halb des e Ae A Bei zu haben Vergehen gegen S. i Derselbe wird auf deu 12. Juli 1880, Vor- mittags 9} Uhr, vor die Stra[kammer des König- lichen Landgerichts Poscn zur

derselbe auf Grund der nah §. 472 der Strafprozeß- ordnung von der Königlichen Regierung zu über die der Anklage zu Grunde liegenden sahen ausgestellten Erklärung verurtheilt werden. Posen, den 5. April 1880. Königliche Staats-

Subhastationen, Aufgebote, Vor- ladungen und

Der Hinrich Goßler in Frankeuneck bei. Neu- stadt, Haardt, in der Pfalz, hat das Aufgebot eines

wollen, Sie nicht verkennen können, daß sowohl hier wie anderswo,

um 41/2 Uhr.

RRTE D S Dr S r. a gi «* Vandginenzia aa E V : POVNNNRCIEIS SENEE B P E P ALMTI Eo A “n Desfentlî C €L Auzeiger. | Fuserate nehmen an: die Annoncen-Erxpeditionen L

5, Industrielle Etablissements, und Grosshandel.

7. Literarische Anzeigen.

9, Familien-Nachrichten.

E E L E ——

Ladung. Zadek,

den Giri's d:s8 Peter Gies

wechsels über 150 M beantragt. Nr, 1 Str.-G.-B.

dem unterzeihneten Gerichte, im Hauptverhandlung | gerits - Sißungéfaale ,

unentschuldigtemm Ausbleiben wird

osen | Urkunde erfolgen wird,

hat- Abtheilung Il,

Amtsrichter. Beglaubigt:

ergl.

Aufgebot. ;

6, Verschiedene Bekanntmachungen.

8, Theater-Anzeigen. In der Börsen- | beilage. A

11. De: ah r 1879 A M.-Gladba von Peter | [10028] \afFoantiidh ig. geb. am Gi eien Z eatné Ordre ausgestellt, auf den Bau- Oeffentliche Zustellung

Unternehmer H. Peter s daselbst gezogen, von die» sem acceptirt, am 25. März 1880 zaßltar und mit

Michels & Sohn, und der Firma Flammers- heim & Steinmann, sowie d.x Firma des Heinri Goßler versehen gewesenen

anberaumten Aufgebotê- termine seine Rehte anzumelden und die Urkunde vorzulegen, widrigenfalls die Kraftloserklärung der

M.-Gladbach, dea 6. April 1880, Königliches Amtsgericht.

(gez.) Lichter,

(L. 8.) Bartholomé, Amtsgerichts-Sekcetär.

ame i

„Juvalidendauk“, Nudolf Mosse, Haasenstiein

& Bogler, G. L. Daube & Co., E. S{lotte,

Büttuer & Winter, sowie alle übrigen größeren Annoucen- Bureaus,

Fabriken

Die Kuratel über das am 14. November 1378 außerehelich geborene Kind der ledigen Köchin Auna Maria Schlihter von Herzogenaurah, Namens Johann Paulus, klagt gegen den ledigen Bäckergesellen Jehanu Stirußof von Neundorf, nun unbekaunten Aufenthalts, mit dem Ans

t : N Beklagten zur Anerkennung der Vaterschaft

e, des Sol e7

Prima- Der Inhaber der

; g ; den h 1ng fta d an e H ormitans 9 Uhr, vot | du dem genannten Kinde, Einräumung des ges

seglih beschränkten Erbrechts, Zahlung eines wöchentlichen, vierteljährig voraus zu entrich- tenden Alimentationsbeitrages voa 3 M, des Shhulgelds und der Kur- und Leichenkosten bis zum 14. Lebensjahr, dann der Handwerkserlernungs8- Tosten fowie zur Tragung der Prozeßkosten zu verurtheilen, e und ladet denselben in die zur mündlichen Verhand« lung auf Samstag, den 29. Mai 1880, Früh 9 Uhr, im Sipungssaal Nr. 12 anberaumte Sitzung des K. Amtsgerichts Nürnberg. Nürnberg, den 15. Avril 1880,

Der geshätsleitende K. Gerichtsschreiber, Hater.

früheren Handels-