Den Klagen über Mangel an Silbermünzen in Süddeutschland N sih die Reichsregierung entschlossen abzuhelfen. Es seien eshalb auch in den Motiven die beiden Zahlen gegenüber- gestellt hinsihtlich Preußens und Sachsens am Ende des Jahres 1878 und 1879, um zu zeigen, daß in diesen Jahren eine auffällige Verschiebung stattgefunden habe. Die Regie- rung habe insbesondere au portofreie Beförderung dieser Silberbestände aus süddeutshen Bankkassen nach Norddeutsch- land verfügt. Mit diesen Maßregeln sei es A gelungen ge- wesen, z. B. für Preußen etwa 4 Millionen Mark mehr zu beschaffen als für Sachsen, wo besonders die Klagen erhoben seien und auch heute noch erhoben würden, wie bei der Be- rathung im Bundesrath ausdrücklich von dieser Regierung konstatirt worden sei, und sei ihr deshalb gelungen, au für Sachsen eine Summe von 1 300 000 4 mehr zuzuführen, als es vorher bekommen habe. Damit sei aber auch dieses Mittel nunmehr erschöpft erschienen, es lasse sich nicht mehr erwarten, daß Norddeutshland mehr Silbermünze zugeführt werden könnte. Denn in der That sei auch aus Bayern wieder die Er- klärung gekommen, daß man dort niht mehr abgeben könne i Gegentheil noch mehr Ein- und Zweimarkstücke zu haben wi? Nun glaube er nicht, daß mit diesen Zahlen der ziffernm Beweis für die Nothwendigkeit geführt sei, die Reichssilbermünzen von 10 auf 12 pro Kopf zu erhöhen. Das habe auch die Regierung nicht gesagt, es sei nur ihre Absicht, sich die Vollmacht
gen zu lassen, uÉm nah Maßgabe der an sie herantretendey; nforderungen Abhülfe zu hafen. Man wolle nur alimäß N
lih und dem faktishen Bedürfniß entsprehend von der Voll- macht Gebrauch machen. Die Berechtigung der Regierung auf Grund der höheren Bevölkerungszahl ohne Mitwirkung der Geseßgebung zu einer größeren Ausgabe solher Sheidemünzen zu \{hreiten, könne er nit anerkennen. Die Thatsache, daß die Bevölkerung \sich vermehrt habe, sei ja niht zweifelhaft, bevor aber eine neue Volkszählung stattgefunden habe, bleibe das Ergebniß der Zählung von 1875 für die Regierung maß- gebend. Die Bemerkungen des Abg. Bamberger über die Verwerthung der Silberbarren und die Warnung vor Be- strebungen nach einem kleineren pekuniären Nußen seien, wie er glaube, nicht an die richtige Adresse gerichtet. Es handele sh um feinen kleinen Nugen, sondern um ca. 30 Millionen Mark, die zinslos dalägen, d. h. Zinsen kosteten und es sei doch wirthschaftlich sih zu fragen, wie man etn solhes zinsfressendes Kapital von der Reichskasse abwerfe. Nun sei gesagt worden, man müsse dann in demselben Maße Silberthaler einziehen, damit der A niht ver- mehrt werde. Dabei werde übersehen, daß es sih bei diesen 30 Millionen um eine kurz vorher bereits stattgefundene Ver- minderung durch Thalereinziehung handle. Dem Abg. Grafen u Stolberg müsse er erwidern, daß es ihm nicht verständlich sei, wie sich nah seiner Auffassung der status quo durch dieses Gesetz ändern solle. Der Abg. Graf zu Sag glaube, man würde, wenn man jeßt ein Mehr von Scheidemünzen mache, für den Fall der Rückehr zur Doppelwährung einen Verlust erleiden. Die verbündeten Regierungen würden doch aber auch in diesem Falle nichts veräußert haben und noch besißen, was sie besessen hätten; ein Verlust könnte daraus dem Reiche nicht erwachsen. N
Der Abg. von Lenthe bemerkte, er habe mancherlei Be- denken gegen die Vorlage. Die Ausprägung von zu viel minderwerthigem Silbergeld- könne namentlih in Kriegszeiten eine große Gefahr herbeiführen. Es sei auch bedenklih, der Regierung die Vollma@ht zu ertheilen, auch die vorhandenen Thaler in minderwerthige Silbermünzen umzuschlagen. Die Vorlage stehe allerdings ganz auf dem Boden der jeßigen Münzgeseßgebung und die Freunde derselben, die Abgg. Bam- berger und Delbrück, begrüßten sie deshalb mit Freuden. Deshalb müßten aber auch diejenigen, welche anderer Meinung seien, um so mehr bedenklich dagegen werden. Es sei endlich angezeigt, daß der Reichstag eine klare Stellung zur Münz- frage nehme, namentlich zu der Frage, wie man si verhalten solle gegenüber der kolossalen Entwerthung des Silbers, welche eine Weltkalamität geworden sei. Denn die Hoffnung, daß die asiatishen Staaten durch Annahme der Silberwährung die Silberpreise wieder auf den normalen Standpunkt bringen würden, habe \ich als trügerish erwiesen. Auch diese Staaten seien genöthigt, allmählih dem Beispiele Europas zu folgen, zur Goldwährung überzugehen und die Demonetisirung des Silbers und seine Entwerthung noch zu vermehren. Mit dem Sinken der Silberpreise stiegen aber die Gold- preise ungeheuer, wodurch \{chließlich eine große Welt- kalamität herbeigeführt werden müsse. Deutschland trage daran Mitschuld, denn unrichtiger Weise habe es die Be- schickung der einen vernünftigen Bimetallismus anstrebenden Münzkonferenz in Paris abgelehnt, obwohl auch Hoffnung vorhanden sei, daß England sich diesen Bestrebungen anschließe. Deutschland müsse dazu beitragen, ein besseres Verhältniß in diesen Dingen anzubahnen, dazu müsse aber der Reichskanzler die Stellung des deutshen Reichstages kennen, welche am besten durch eine kommissarishe Berathung der Vorlage zum Ausdru komme.
Der Abg. Mosle führte aus, er stehe auf dem Boden des jeßigen Münzgeseßes und beharre bei der Goldwährung, welchen Standpunkt diese Vorlage auch nicht durchbrehe. Er behaupte aber, daß die Vorlage bei einer richtigen Vertheilung der Scheidemünze überflüssig wäre. Da indessen ein Bedürfniß nach mehr Scheidemünze vorhanden sei, so stimme er für die Vor- lage, damit Unverständige diesen Mangel niht der Goldwäh- rung in die Schuhe shöben. Wenn aber die Strömung in allen Staaten nah der Goldwährung gehe, so müsse er au dafür sein, daß das Deutsche Reih si möglichst s{hnell des überflüssigen Silbers entledige, um den dadurch entstehenden Vex- [ust niht noch zu vergrößern. Nicht die Masse des deutschen Silber- verkaufs habe die Silberpreise so gedrückt, sondern die Art und Weise des Verkaufs in kleinen Posten, und deshalb sei die vorjährige Sistirung der Silberverkäufe ganz berechtigt. Es sei auch kein Unterschied, ob die 48 Millionen aus Silber- barren oder Silberthalern geprägt würden. Daß die Gold- währung zunächst Verluste verursachen würde, hätten Alle vor- ausgesehen, dieselben hätten allerdings vermindert werden kön- nen, wenn wian vor der geseßlihen Einführung der Goldwäh- rung viel Silber gegen Gold umgetauscht hätte. Er warne davor, auf diesem Gebiete zu experimentiren, das sei gefährlich. Es stehe fest, daß England troß aller Broschüren niht von der Goldwährung abgehen könne. Diese Vorlage sei von keiner großen Tragweite, wünsche das Haus aber dieselbe kommissa- rish zu berathen, so habe er nichts dagegen.
Der Abg. von Helldorff-Bedra wünschte vor Allem eine genaue Feststellung der noch vorhandenen Silberthaler, da man, ohne hierüber informirt zu sein, in der ganzen Frage keine sichere Stellung nehmen könne. Sedenfalls sei die Ge-
fahr, zu viel unterwerthige Scheidemünze auszuprägen, nicht zu untershäßen. Auch er sei für Aufrechthaltung des status quo. Er bitte daher daher die Regierung um Auskunft. Auch manche andere Frage bedürfe noch einer eingehenden Beleuch- tung, weshalb er sich dem Antrage auf kommissarische Bera- thung anschließe.
Der Abg. von Kardorff erklärte, er habe der Regierung nicht suppeditirt, daß sie wissentlich mit dieser Vorlage das Pro- gramm Soetbeers auszuführen beginne, sie thue das nur un- wissentlih. Er bestreite dem Abg. Mosle, daß irgend ein Mensch die Größe der Verluste, die Deutschland die Gold- währung gebracht habe, vorausgesehen habe. Er werde in der Kommission eine Resolution, welche die Stellung des Reichs- tages zux Münzfrage klar stelle, beantragen, und ebenfalls eine Enquete über die deutschen Silbervorräthe und die deutsche Silbergeldcirkulation überhaupt.
Der Bundeskomissar Regierungs-Rath Schraut beantwor- tete die „Frage des Abg. von Helldorff dahin, daß im Ganzen
de 280 Millionen Mark an Thalerstücken ausgeprägt un nehme man an, daß 20 Proz. durch Einshmelzung dere Art zu Verlust kämen. Auf diese Weise bliebe etrag von einer Milliarde und 23 Millionen Mark.
Vo seien bisher eingezogen worden 613 Millionen. Es würde also der Umlauf noch 410 Millionen Mark in Thalern be- tragen. Nach anderen Schäßungen sei der Verlust nicht so hoh und man käme dann zu einem Umlauf von 450 Mil- lionen. Wieviel davon in der Reichsbank sich befänden oder außer allem Verkehr seien, könne er niht angeben.
Der Abg. Dr. Bamberger wandte sih gegen die Ausfüh- rungen der Abgg. von Kardorff und von Lenthe. Der Abg. von Kardorff habe sich geirrt, als derselbe ihm vorgehalten habe, er (Redner) hätte die sranzösishen und englishen Ver- hältnisse der Ausprägung von Kleingeld vorgebracht, um dax- aus zu beweisen, daß die gegenwärtige Maßregel begründet sei; er habe aber gerade das Gegentheil gesagt; er habe die gemachten Anführungen zu entkräften gesucht, indem er nach- gewiesen habe, daß England und Frankreih mehr Kleingeld hätten als Deutschland. Dem Abg. von Lenthe gegenüber müsse er bemerken, daß er sowohl als der Abg. Delbrüd die Vorlage nicht mit Beifall begrüßt hätten, sondern nur aus gewissen Rücksichten keine Opposition gegen dieselbe machen wollten. Nun hätten verschiedene Redner den Wunsch ausge- \sprochen, daß die große Frage, ob Gold- oder Doppelwährung end- li vom Reichstage verhandelt und zu der Sache Stellung genommen werde. Er habe dagegen nichts ein- zuwenden, ihm könne es nur erwünscht sein. Es sei aller- dings eine eigenthümliche Erscheinung, die seines Wissens in keiner anderen Nation vorgekommen sei, daß man diese Frage der Münzgeseßgebung vom Gesichtspunkt anderweitiger FJnter- essen betrachtet habe, als derer, die aus der Münzgeseßgebung an si zu ziehen seien. Die Herren von der rechten Seite dieses Hauses bekämpsten die Münzgesebgebung, weil sie glaubten, sie shade ihnen in anderer Beziehung. Er glaube, diese Herren täuschten sich über den Effekt der Münzgeseß- gebung vollständig, und würden nach einer Veränderung derselben die Klagen, die sie beseitigen wollten, genau ebenso noch vorfinden. Ob in Zukunft Gold genug vorhanden sein werde oder nit, könne kein Mensh wissen. Jm Jahre 1849/50 habe man eine Ueberschwemmung mit Gold gefürchtet, alle diese Vor- aussagen hätten sich als falsch erwiesen. Auf derartige Kon- jekturen könne inan sich bei einem sv wichtigen Geseß nicht einlassen. Den Abg. von Lenthe, welcher geglaubt habe, sich gegen den Umlauf von unwerthigen Silbermünzen ver- wahren zu müssen, bitte er, zwei Dinge zu unterscheiden, nämlihch die Unterwerthigkeit der Silbermünzen durch Aus- bringung, durch Legirung und die Unterwerthigkeit, welche dadur entstehe, daß der Silberwerth auf den Weltmarkt gefallen sei. Die mit der Ausbringung verknüpfte Unter- werthigkeit stehe mit dem, was in der ganzen übrigen Welt existire, nicht in so großem Wider- \spruch. Bringe doch England seine Silbermünzen zu 66 Schilling Münze aus. Es existire also bei Vergleihung der Silberwerthe gar keine faktishe Differenz. Aehnlich verhalte es sih in Frankreih. Er wolle noch hervorheben, daß die Unklarheit, welche die Zukunft biete, niht ins Gewicht falle, da ja der Geldwerth in Deutshland nicht gestiegen sei. Die Preise hätten vielmehr eine ganz einseitige Bewegung unah- hängig von den Silberpreisen gehabt und der Zinsfuß, wel- her den sicheren Maßstab bilde, der Preis von Geld sei nie so niedrig gewesen, als seit Deutschland die Goldwährung ein- geführt habe. Die Argumente seien also hinfällig, daß auch jeßt ein solcher Effekt Hervorgebraht würde. Er habe nichts gegen eine kommissarische Berathung, aber der dafür angeführte Grund sei nicht stihhaltig. Diese Fragen müßten im Plenum coram publico debattirt werden. Wolle man denn beschliéßen, daß Deutschland die europäishen und außereuropäischen Staaten zu einem internationalen Kongreß auffordern solle, um das Zahlenverhältniß zwishen Silber und Gold festzustellen ? Solche Verträge würden nie gehalten der Natur der Verhält- nisse nah. Der praktische staatsmännische Sinn des Reichs- kanzlers werde eine solche Politik nie acceptiren. Er bitte, die Vorlage im Plenum zu verhandeln.
Der Abg. Udo Graf zu M a erinigerode konstatirte, daß ex nur deshalb den fiktiven Verlust hervorgehoben habe, welcher bei einer Umkehr zur Doppelwährung aus der Um- prägung minderwerthiger Silbermünzen in vollwerthige ent- stehen müsse, weil die Regierung stets den Gewinn betone, der aus der umgekehrten Operation résultire.
Der Abg. Mosle erläuterte seine frühere Aeußerung von der fehlerhasten Vertheilung der Scheidemünzen- in Deutschland dahin, daß dieser Fehler in dem Vertheilungsmodus nach der Einwohnerzahl der Einzelstaaten liege. Dieser Modus sei für das einheitliche deutshe Verkehrsgebiet falsh. Jundustriereiche aeb: e ‘litten bei demselben Mangel an Scheidemüngzen, während sie anderswo im Ueberfluße vorhanden seien. Eine Ausgleihung könne nur dur eine Accumulation der Scheide- münze bei der Reichsbank und durch eine sofortige Befriedi- gung jedes hervorgetre'enen Bedürfnisses durch dieselbe ver- mittelst der Post und der verschiedenen Reichsbankstellen er- folgen. Die Reichsbank müsse sich dieser Mühe unterziehen, aber man müsse Ps auch im erat ihrer Aktionäre zu die- sem Zwecke die Portofreiheit gewähren. Durch solche-Maß- regeln würde das Geseß überflüssig, Die Kommission müsse diesen Punkt erwägen. :
_ Hierauf wurde die Diskussion geschlossen und war damit die erste Lesung der Vorlage beendet. Die Abstimmung über die Frage, ob die Vorlage einer Kommission von 14 Mit- gliedern überwiesen werden solle, blieb zweifelhaft ; die deshalb vorgenommene Zählung ergab 75 Stimmen für, 68 Stimmen gegen die Ueberweisung an eine Kommission. Das Haus war
mithin nit bes{chlußfähig, 21/2 Uhr.
und vertagte sich hierauf um
— Jn der heutigen (38.) Sißung des Reichstage,
welcher der Staats-Minister Hofmann und mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien desselben beiwohnten, trat das Haus in die zweite Berathung der einer besonderen Kommission zur Vorberathung überwiesenen An- träge des Abg. von Seydewiß und Genossen, betreffend die weitere Abänderung der Gewerbeordnung, und zwar zunächst des Antrages, betreffend den Gewerbe- betrieb der Shauspielunternehmer, ein. Derselbe lautet nach den Kommissionsbeschlüssen :
Der Reichstag wolle dem nachstehenden Geseßzentwurfe die
Zustimmung ertheilen: Gs
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betreffend die Abänderung des 8. 32 der Gewerbeordnung. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser 2c. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstages, was folgt: Cinziger Artikel. Der §. 32 der Ses wird wie folgt abgeändert :
Schauspielunternehmer bedürfen zum Betriebe ihres Gewerbes der Erlaubniß. Dieselbe ist zu versagen, wenn die Behörde auf Grund von Thatsachen die Ueberzeugung gewinnt, daß der Nach- \suchende die zu dem beabsichtigten Gewerbebetriebe erforderliche Zuverlässigkeit, insbesondere in sittlicher, artistischer und finanzieller Hinsicht nicht besitzt.
Urkundlich 2c.
Nach einem einleitenden Vortrage des Referenten Abg. Frhn. von Soden begrüßte der Abg. Dr. Löwe (Bochum) es mit Freuden, daß durh diesen Antrag die öffentlihe Auf- merksamkeit auf einen wichtigen Punkt der öffentlichen Bildung und der öffentlihen Moral gelenkt werde. Er bezweifele aber, daß der Verfall der Schauspiel- funst weniger von den nach der Theaterfreiheit ent- standenen Theatern seinen Ursprung herleite, als vielmehr von der mangelhaften Pflichterfüllung der höheren und Hofbühnen ; deshalb könne das Uebel auch nit durch Beschränkung der ersteren geheilt werden. Der Staat müsse öffentliche Bildungsanstalten sür die Schauspieler schaffen. Das Bedürfniß nah Theatern in den unteren Klassen werde durch eine Beschränkung der Theater nicht beseitigt. Er stimme deshalb gegen den Antrag. E des Blattes hatte der Abg. von Kleist-Reßow as Wort.
__— Wenn die in dem Vorverfahren einer Strafsache eidlich vernommenen Zeugen in der Hauptverhandlung vernommen werden und ihre Aussage auf den früher geleisteten Eid nehmen, dann aber wiederholt vorgerufen und befragt werden, ohne die Bezugnahme auf den Eid zu erneuern, jo gelten sie, nach einem Erkenntniß des Reichsgerichts, IIT. Strafsenats, vom 25. Februar d. J., in Bezug hierauf als unbeeidigt, und das auf die Aussagen gestüßte Urtheil kann durch die Revision angefochten werden.
— Nach §8. 370 Nr. 5 des Reichsstrafgeseßbuchs ist die Entwendung von Nahrungsmitteln von unbedeuten- dem Werte oder in geringer Menge zum alsbaldigen Ver- brauche nit als Diebstahl, sondern nur als eine Uebertretung B bestrafen. Jn Bezug auf diese Bestimmung hat das
eihsgerit, II, Strafs., durch Erkenntniß vom 24. Fe- bruar d. J. ausgesprochen, daß auch die Entwendung von Nahrungsmitteln in rohem, noch nit genießbarem Zustande (z.- B. von Kartoffeln), um sie nah erfolgter Zubereitung zu verzehren, nur als Uebertretung zu bestrafen ist.
-—— ur Ausführung des Gesebes, betreffend die Aus- pes von Reichskassenscheinen, vom 30. April 1874, ist is Ende März d. J. der definitive Antheil an Reichskassen- scheinen mit 120 000 000 44 voll angewiesen worden. Auf den aximalbetrag der Vorschüsse (54889 941,72 A) sind 54 082 14086 A angewiesen worden, so daß noch 807 800,86 M rüdständig blieben. Auf diese Vorschüsse waren bereits 14 637 280 / zurügezahlt, so daß im Ganzen seit März d. J. 159 444 820 M in Reichskassenscheinen in Umlauf waren.
— Für die Zeit vom 1. April 1879 bis zum Schlusse des Monats März 1880 sind im Reiche an Einnahmen (einschließlich der kreditirten Beträge) aus Zöllen und gemein- schaftlihen Verbrauchssteuern sowie anderen Einnah- men (verglichen mit der Einnahme in demselben Zeitraum des Vorjahres) zur Anschreibu n g gelangt: Zölle 141 330 718 M (+ 27 045 298 A6), Rübenzudersieuer 53 642 047 # (—- 1 603 631 M6), Salzsteuer 36 276 657 M (-+ 629317 Æ#), Tabaksteuer 1 074 202 4 (+ 117 475 4), Branntweinsteuer 41 280 336 M (— 2406 832 M), Uebergangsabgaben von Branntwein 131 420 M (+ 20353 M), Brausteuer 16 397 843 M e 242 669 M6), Uebergangsabgaben von Bier 995319 M + 54898 M), Summe 291 128 542 M (+ 26 821 471 4), Spielkartenstempel 1095 316 # (+ 443 571 #4). Die zur Reichskasse gelangte JFst-Einnahme abzüglih der Bonifika- tionen und Verwaltungskosten betrug bis Ende März 1880: Zölle 134 893 790 M (+ 34210489 M), Rübenzudckersteuer 46 124362 M (+4356 813 A), Salzsteuer 35 671618 M (+ 413/010 6), Tabafksteuer 898 717 M4 (+ 117076 M), Branntweinsteuer und Uebergangsabgabe von Branntwein 36 351 636 M (— 582 047 F), Brausteuer und Uebergangs- abgabe von Bier 14 756 783 #( (— 161 506 46), Summe 268 696 906 M (+ 38 353 835 M), Spielkartenstempel (ein- \{ließlich der Nachsteuer) 1 130 036 M (+ 825 054 #6).
— Dur Allerhöchste Ordre vom 12. d. M. ist der Ge- meinde Tengern im Kreise Lübbecke zu dem von ihr be- schlossenen Bau einer Gemeindechaussee von Tengern über Huchzen bis zur Herforder Kreisgrenze in der Richtung auf Remerloh das Enteignungsrecht für die zu dieser Chaussee erforderlichen Grundstücke verliehen und zugleih genehmigt worden, daß die dem Chausseegeldtarife vom 29. Februar 1840 angehängten Bestimmungen wegen der Chaussee-Polizei-Ver- gehen auf die gedahte Straße zur Anwendung kommen.
_— Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich hessishe Staats-Minister Freiherr von Starck is hier an- gekommen, und die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Staatssekretär für Elsaß-Lothringen Herzog, Herzoglich anhaltisher Staats-Minister von Krosigk und Landes- Direktor von Waldeck und Pyrmont von Sommerfe! sind von Berlin wieder abgereist.
__— Der General der Jnfanterie von Tresckow, General- Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs und komman- dirender General des IX, Armee-Corps, ist von Altona hier
tingeirosfen und heute Abend nach St. Petersburg weiter gereist.
— Der General der Jnfanterie von Pape, fomman- Mee General des V. Armee-Corps, ist nach Posen zurück- gele ri.
— Der General-Lieutenant Graf von Wartens leben, Commandeur der 17. Division, bisher Kommandant von Berlin, hat sich zur Uebernahme des Kommandos über die genannte Division nah Schwerin begeben.
— Nath Beendigung des seit dem 2. d. M. hier statt- gehabten militärärztlihen Operations- resp. anato- mischen Kursus haben si die zu demselben kommandirt gewesenen Ober-Stabsärzte der Armee und Marine in ihre resp. Garnisonen zurückbegeben.
— S. M. gedeckte Korvette „Bismarck“, 16 Geschüße, Kommandant Kapitän zur See Deinhard, hat, telegraphischer Nachricht zufolge, am 24. d. Mts. Auckland auf der Reise nach Valparaiso verlassen.
Wiesbaden, 23. April. Nah Verlesung des Proto- folls und Vertheilung der Eingänge an die betreffenden Kom- missionen gelangte in der heutigen (8.) Plenarsißung des Kommunal-Landtags zunächst der Bericht der besonders zur Begutachtung des Entwurfs über Abänderungen und ZU- säße zu dem Reglement der nassauishen Brandversicherungs- anstalt gewählten Kommission zum Vortrag. Nachdem der Landesdirektor an der Hand statistisher Nachweise über die Zunahme der Schadenfeuer und die Erhöhung der Brand- steuern die Nothwendigkeit der Verschärfung einzelner Bestim- mungen erörtert hatte, damit die Gemeinden zu besserer Or- ganisation der Löscheinrihtung und die Einwohner zu größerer Thätigkeit bei der Dämpfung ausgebrochener Brände ver- anlaßt würden, erfolgte die einstimmige Genehmigung des vorgelegten Entwurfs und einiger von der Kommission vor- geshlagener Zusäße. j A
Sodann wurde auf Antrag der Finanzkommission über ein Gesuch des evangelishen Rettungshauses zu Wiesbaden um Gewährung einer ständigen Unterstüßung aus ständischen Mitteln Uebergang zur Tagesordnung beschlossen, weil eine Uebersicht über den Finanzstand der Anstalt niht vorgelegt und das Bedürfniß nicht nahgewiesen fei.
Ein weiteres Gesuh der Gemeinderäthe zu Aßmanns- hausen und Aulhausen, daß der fommunalständishe Verband das Marienhauser Kloster erwerben und eine zweite Frren- anstalt daselbst errihten möge, wurde dadurch als erledigt er- klärt, daß der Besißer angezeigt habe, das Kloster sei nicht verkäuflich. E i :
Die Eingabenkommission berichtete sodann zunächst zu dem Gesuche des Bürgermeisters Freund und Genossen zu Niederseelbah, des Vorstandes des landwirthschaftlichen Kasinos zu Idstein und des Karl Kettenbah und Genossen zu Ober- libbah um Erhaltung des bestehenden Jagdgeseßes. Da kein besonderes provinzielles Jnteresse in Betracht komme und den Petenten überlassen bleibe, sih mit ihren Anträgen an das Abgeordnetenhaus zu wenden, so wurde Uebergang zur Tage8- ordnung beschlossen. i : :
Zu dem Entwurfe eines Gesebes über die Radfelgen- beshläge im Kommunalverband des Regierungsbezirks Wies- baden beantragte die Wegebaukommission Ablehnung des ganzèn gemachten Vorschlags, da derselbe zur Belästigung der der Fuhrenbesizer und zu vielfachen Unzuträglichkeiten führen würde. Der Landesdirektor Wirth begründete die Noth- wendigkeit, in der einen oder anderen Weise s{härfere Bestime mungen zu treffen, da die ausgeseßten Fonds zur Unterhal- tung der Straßen nicht hinreichten, leßtere vielmehr bedeu- tend höheren Kostenaufwand erfordert hätten und daß dies nah dem Gutachten der ständischen Wegebaubeamten _wesent- lih durch den Mangel geseßliher Bestimmungen über die Radfelgenbreite und die zulässige Belastung der Fuhrwerke herbeigeführt werde. Der Kommunal-Landtag {loß ih dem Antrage seiner Kommission an und lehnte die ganze Vor- lage ab.
Endlich wurde zu den vorgelegten Rechnungen Decharge ertheilt, nahdem die dazu gezogenen Notate vorher erledigt worden waren.
Württemberg. Stuttgart, 23. April. (St. A. f. W.) Die berittenen Truppen unserer Armee werden in näch- ster Zeit an Stelle der bisherigen Pistolen mit Revolvern ausgerüstet werden; der für das hiesige Armee-Corps er- forderlihe Bedarf von Revolvern is} in der Fabrik der Ge- brüder Mauser u. Comp. in Oberndorf in Bestellung gegeben worden. — An der vom 18. Juli bis 7.- August d. F. an der unteren Elbe bei Bus stattfindenden größeren Pontonier- übung werden sich auch 2 Compagnien des Königlich württem- bergishen P:onier-Bataillons Nr. 13 betheiligen. :
Ludwigsburg, 2. April. Die „Ludw. Ztg.“ shreibt : In den ersten Tagen des Monats Mai werden Zhre König- lichen Hoheiten der Prinz und die Frau Prinz:\sin Wilhelm mit der Prinzessin Pauline zu längerem Aufenthalt auf der Villa „Marienwahl“ hier eintreffen. Seit der kurzen Ab- wesenheit der hohen Herrschaften wurden auf der Villa wieder verschiedene baulihe Veränderungen und Verschönerungen, insbesondere auch die Erstellung eines neuen größern Garten- pavillons vorgenommen. Die das Anwesen umgebenden Obst- Anlagen machen Ne bei der gegenwärtigen Blüthenpracht zu einem reizenden Siß.
Baden. Karlsruhe, 24. April. Die „Karlsr. L meldet: Heute Mittag ist Se. Königliche Hoheit der Erhb- großherzog wieder hier eingetroffen. — Anfang nächster Woche wird Jhre Königliche Hoheit die Großherzogin sich nah Wiesbaden begeben und während der Dauer des Aufenthaltes Sr. Zalestat des Kaisers, voraussihtlich etwa 14 Tage, dort verweilen.
Hessen. Darmyjtadt, 22. April. (Darmst. Ztg.) Nach dem Ausschreiben Großherzoglichen Ober - Konsistoriums an die GroßherzoglichenKreisämter vom 13. April hat das Groß- herzogliche Ministerium des Jnnern und der Justiz genehmigt, daß den evangelishen Kirhenvorständen allgemein gestattet wird, Kapitalien der Lokalkirchenfonds mit Ipezieller ustimmung des betreffenden Großherzoglichen Kreis- amts im Falle mangelnder Gelegenheit zu einer geeigneten und vortheilhaften hypothekarishen Ausleihung außer in, den bis jeyt zugelassenen Werthpapieren auch in Obliga? tionen anderer deutsher Staaten, nämlich in Königlih preußishen, Königlih bayerischen, Königlich württembergishen und Großherzoglich badishen Staats- papieren auf Jnhaber anzulegen. Jndem das Ausschreiben hiervon Kenntniß giebt, bestimmt das Ober - Konsisto-
rium allgemein, daß die für die evangelishen Lokalkirchen- fonds anzukaufenden Staatspapiere der genannten Art in leiher Weise, wie dies für andere, in den Besiß von okalkirchenfonds gelangende, auf Jnhaber lautende Werth- papiere bereits früher angeordnet worden ift, durh Abstempe- lung bei ihm „außer Verkehr geseßt“ und, wenn dieselben wieder veräußert werden sollen, „dem Verkehr zurückgegeben“ werden. Da erfahrungsmäßig dergleichen abgestempelte Staats- obligationen in ihrem Courswerthe keinerlei Einbuße erleiden, somit auch im Falle ihrer erfolgten Ausloosung deren Rück- zahlung bei der betreffenden Staatskasse keinen Anstand fin- den wird, ist es nicht erforderlich, die Zustimmung zu solcher Abstempelung bei der einschlägigen Staatsregierung vorher einzuholen.
Elsaß-Lothringen. Straßburg, 24. April. (Els.- Lothr. Ztg.) Der Kaiserlihe Statthalter ist gestern Abend von seinem Ausflug nah dem Oberelsaß hierher zurückgekehrt.
Hesterreich-Ungarn. Wien, 24. April. (W. T. B.) Jn der heutigen Sißung des Abgeordnetenhauses befür- wortete in fortgeseßter Budgeidebatte der Abg. Meznik die Resolutionen betreffs der slavishen Mittelf hulen. Der Abg. Gompergzz beantragt die Resolution, die Regierung aufzufordern, bei der Uebernahme der Mittelshulen in Mäh- ren und Böhmen auf den Staatsetat nur nah strenger Prü- fung des reellen Bedürfnisses vorzugehen. Der Redner be- merkt, daß für die Minorität hierbei zunächst die Rüsicht auf die Staatsfinanzen maßgebend gewesen sei. Die Resolu- tion wird in namentlicher Abstimmung mit 157 gegen 149 Stimmen abgelehnt; die Ausschußresolution dagegen ange- nommen.
— Der Auss\chuß des Abgeordnetenhauses zur Vorberathung der österreihis{ch-ferb ischen Eisenbahn- konvention hat die Konvention angenommen, ebenso der betreffende Aus\huß des Unterhauses in Pest. ;
— Der „Polit. Corresp.“ wird von authentisher Seite mitgetheilt, daß die österreichishe Regierung mit der Verwal- tung der Kai serin-Elisabeth-Westbahn keine Verhand- lungen wegen einex Verstaatlihung dieser Bahn eingeleitet habe. Solche Verhandlungen seien von deu Handels-Minister auch nicht in Aussicht genommen. : A
— Der genannten Correspondenz wird aus Cettinje gemeldet, der Adjutant des Gouverneurs von Skutari, Jzzet Pascha, habe, entaegen der in der türkisch- montenegrinishen Konvention stipulirten 24 stündigen Frist für die durh die Montenegriner zu effffektuirende Dkku- pation der türkischerseits zu räumenden Positionen in Podgorißa, nur eine siebenstündige Frist für den Abmarsch der türkishen Truppen zugestanden. Da es den Montenegrinern unmöglih gewesen sei, innerha:.b dieser kurzen, dem Vertrage zuwiderlaufenden Frist die Dkkupation zu bewerkstelligen, hätten sih die Al banesen nah dem Ab- marsh der türkishen Truppen aller früher von türkischer Seite beseßt gewesenen befestigten Stellungen be- mächtigt. Die montenegrinischen Truppen seien in beobach- tender Stellung verblieben und erwarteten weitere Befehle.
— %6. April. Bei dem zu Ehren des Kaisers und der Kaiserin heute stattgehabten Sänger fest wurde dem Kaiser im Stiftersaale des Künstlerhauses das Erinnerungs- bild an die Feier der silbernen Hochzeit des Kaiserlichen Paares vom 27. April v. P: überreicht, darauf wurde von
egen 2600 Sängern die Volkshymne vorgetragen. Der Kaiser E den Sängern und dem Vorsißenden des Festcomités jeinen Dank in herzlihen Worten aus.
— 96. April. Das S ängerfest verlief vollkommen dem Programm gemäß. Am Schlusse desselben wurde gestern Nach- mittag die Festhymne auf dem inneren Burgplaße gesungen. Der Kaiser und die Kaiserin wohnten der Feierlichkeit mit dem Kronprinzen und den übrigen hier anwesenden Erz- herzögen auf dem Balkon bei; ein nach vielen Tausenden zählendes Publikum füllte den Burghof. Das Kaiserliche Paar war von dem imposanten Effekte des Sängergrußes sihtlih befriedigt und dankte dem Comité mit herz- lichen Wortcn. Später nahmen die Sänger als Gäste des Kaisers einen IJmbiß im Redoutensaale ein. Der hierbei auf den Kaiser, die Kaiserin und den Kronprinzen ausgebrahte Trinkspruch wurde mit Begeisterung aufgenom- men, ebenso der Vorschlag, der Prinzessin Stephanie die schriftliche Huldigung der Sänger darzubringen. Den Schluß des Festes bildete ein Sängerkommers in dem Sophiensaale. Der Festredner Weiß hielt eine patriotische Ansprache, welche er mit einem dreifachen Hoch auf das Kaiserliche Paar und das österreihishe Herrscherhaus s{chloß. Dem Hoch, welches mit stürmishem Beifall aufgenommen wurde, folgte der Ge- sang der Volkshymne. Der hiernach von dem Dichter Saar ausgebrahte Trinkspruch auf Oesterreih und seine Zukunft wurde ebenso wie ein Hoh auf die Prinzessin Stephanie mit Enthusiasmus aufgenommen. 28 E
Ragusa, 24. N Von montenegrinischer Seite wird behauptet, daß die albanesishen Bergstämme {hon am 21. und 22. d. im Einvernehmen mit den türkischen Komman- danten alle von den türkishen Truppen zu räumenden Posi- tionen übernommen hätten. Osman Pascha sei nah Nieder- brennung des Barackenlagers von Tusi nah Hum abmarschirt R ands Hoda Bey in Tusi als Chef der Bewegung zurüd- gelassen.
Großbritannien und Jrland. London, 23. April. (Allg. Corr.) Das „Hofjournal“ veröffentliht heute wieder zahlreihe, Ordensverleihungen. Mr. Gould, der Minister-Residend in Belgrad, und Major Henry Trotter, der englishe Konsul für Kurdistan, erhielten die dritte Klasse der Civilabtheilung des Bath-Ordens; General-Major Biddulph, dex Ober-Kommissarius von Cypern, empfing das Komthur- kreuz des St. Micael- und Georgs-Ordens, und Oberst Lieutenant Calarke, der ehemalige britishe Kommissär für die Berichtigung der türkischen Grenze in Asien, das Ritterkreuz desselben Ordens. L a
Ein Rundschreiben der Admiralität macht be- kannt, daß alle Beamten der Marine den Staatsdienst ver- lassen müssen, wenn sie das 60. Lebensjahr erreicht haben. Nur unter besonderen Umständen, wenn es das Gemeinwohl erheischt, dürfen sie bis zum 65. Lebensjahre im Amte bleiben. Bisher war der Dienstaustritt erst im 70. Lebensjahre bedingt,
In Portsmouth erwartete man gestern die ersten Nachrichten von dem Admiral des zur Aufsuchung der „Atalanta“ abgegangen Kanalgeshwaders, Der Umstand, daß kein Telegramm anlangte, hat die aa des verscholle- nen Schulschiffes gehegten Be}jorgnisse we)entlih erhöht.
__ Der König von Siam verläßt, den bis jeßt getroffenen Dispositionen zufolge, seine Hauptstadt vor Ende dieses Mo- nats, um seine langgeplante Reise nach Europa und Amerika anzutreten. i /
Den „Daily News“ wird aus Kabul vom 21. d. M. telegraphirt :
„Die nah Maidan abgegangene Streitkraft hat die Thürme der feindseligen Chefs zerstört, ohne auf Widerstand gestoßen zu sein. General Roberis hat den Befehl erlassen, keine Dörfer niederzu- brennen. Nachdem auf das auf der Straße nah Ghuzni vorgerüdckte De geschossen worden, kehrte dasselbe gestern zurück. Generak
oß marschirte heute ab. In dem heutigen Durbar erklärten sich neunzig kohistanishe Chefs mit der britishen Politik einverstanden. Sie gaben zu, von Abdurrahman ein Rundschreiben erhalten zu haben; dies habe sie jedoch nicht am Kommen verhindert. Mir Batcha, Surwar Khan und andere kohistanishe Chefs werden gleih- falls hier erwartet. Man glaubt, die Bewohner Kohistans seien Abdurrahman günstig gesinnt.“ : :
Aus der Capstadt liegen unterm 5. d. via Madeira fol- gende Nachrichten vor : :
Oham, der Bruder Ketshwayo's, bestreitet die gegen ihn erhobe- nen Beschuldigungen, daß er Menschen getödtet und die Zulus am Heirathen verhindert habe. Der „Cap Argus“ mißbilligt die von der Regierung, im Basutoland eingeschlagenen Politik. Sein dortiger Berichterstattec behauptet, daß die Lage der Dinge sich in kritischer Verfassung befände, aber anderen Berichten zufolge gehen die Basutos ruhig ihren üblichen Bes&äftigungen nah. : f
— 26. April. (W. T. W.) Lord Granville ist zum Staatssekretär des Auswärtigen, Lord Hartington zum Staätssekretär für Jndien, Childers zum Staatssekretär des Kriegs, Lord Northbrook zum ersten Lord der Admiralität und Lord Selborne zum Lordkanzler ernannt.
Frankreih. Paris, 24. April. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer genehmigte heute einen Zoll von 1,20 Frcs. für Kohlen und einen solchen von 6 Frcs. für Stahlschienen und beendete die Berathung der Zolltarifsäße für die Erzeugnisse des Bergbaus. Die Abstimmung über die gesammte Vorlage wurde auf nächsten Donnerstag vertagt.
— 95. April. (W. T. B.) Auf der Reise des Unterrichts- Ministers Ferry nach Lille haben mehrfach öffentliche Kundgebungen stattgefunden, von denen einige auch gegen die Dekrete vom 29. März gerichtet waren.
Lill e, B. April. (W. T. B.) An der Demonstra- tion, welhe gegen die Dekrete vom 29. März während der Anwesenheit des Ministers Ferry gestern hier vorge- kommen ist, waren ctwa 80 Studirende betheiligt, die größten- theils der katholischen Fakultät angehörten; etwa 12 derselben wurden verhaftet, aber alsbald wieder in Freiheit geseßt. Der Minister besuhte heute die Schulanstalten, ohne daß irgend welcher bemerkenswerthe Zwischenfall vorgekommen wäre.
Spanien. Madrid, 24. April. (W. T. B.) Der Antrag, auf ausländishe Spritwaaren einen Zoll von 60 Pesetas per Hektoliter zu erheben, ist von der Depu- tirtenkammer zur Erwägung angenominen worden.
— (Allg. Corr.) Jn New-York eingegangenen Nachrichten aus Havanna, vom 21. ds., zufolge haben die spanischen Truppen die Gebirgs-Verbindungslinien zwischen den Jnsur- gentenbanden in den Provinzen Santiago und Guanta- namo besetzt und lehtere somit in das ofene Feld getrieben. Der Erfolg dieser Operation wird als ein harter Schlag für die Jnsurrektion betrachtet.
Türkei. Konstantinopel, 23. April. (Wien. Ztg.) Der englische Botschafter Sir H. Layard hat jede Betreibung der zwishen der Pforte und England schwebenden Ver-
andlungen bis zum Empfange neuer Fnstruktionen aus èondon sistirt. Man glaubt, daß .die Pforte, ohne das voraus\sichtliche Einschreiten des künftigen englischen Kabinets abzuwarten, demnächst die Jnitiative zur Wiederaufnahme der Verhandlungen in der griechishen Frage ergreifen werde.
—— 94. April. (W. T. B.) Me Pforte hat eine. o Le an die europäishen Mächte gerichtet, in welcher sie den Zusammentritt der europäishen Kommission für O. - rumelien verlangt, um die von der Pforte gemäß Artikel 23 des Berliner Vertrages für die europäishen Pro- vinzen der Türkei ausgearbeiteten Reformentwürfe zu
rüfen.
Y Phi lippopel, 24. April. Der Generalgouverneur hat das Entlassungsgesuh des Finanz-Direktors Schmid t ange- nommen.
Serbien. Belgrad, 25. April. (W. T. B.) An Stelle des Generals Alimpitsch, welher von einem Schlaganfalle betroffen worden ist, soll Oberst Zdravkovits zum Ministec für öffentlihe Arbeiten ernannt werden.
Rumänien. Bukarest, 24. April. (W. T. B.) Jn der Deputirtenkammer erklärte in Beantwortung einer Anfrage wegen der Gerüchte über angeblihe Aenderungen im Kabinet der Ministerpräsident Bratiano, daß zwei oder drei Minister wegen ihrer Privatangelegenheiten ihre Demission geben wollten. Dies werde jedoch die politische Fär- bung des Kabinets nicht ändern. Der Deputirte Fleva erklärte, daß die Antwort des Ministerpräsidenten ihn nicht vollständig befriedige. Er erinnere daran, daß das gegenwärtige sogenannte Fusions-Ministerium unter abnormalen Verhältnissen entstanden ei. “Jett, wo der Gang der Geschäfte wieder ein regelmäßiger geworden sei, müsse sich die Regierung ganz besonders mit den inneren Jnteressen des Landes beschäftigen ; dies sei aber \hwierig, wenn die Regierung ferner aus Politikern bestehe, die verschiedenen Prinzipien huldigten. Der Minister - Präsi- dent antwortete iaE daß die Minister die Portefeuilles nicht übernommen haben würden, wenn sie niht die Anschauung der Majorität getheilt hätten. Der Minister des Auswär- tigen, Boerescu, erklärte, er habe stets in liberalem Sinne gehandelt. Wenn die Kammer glaube, daß das Ministerium niht mehr bestehen könne, so werde er als der Erste seine Demission geben. Der Deputirte Fleva beantragte hier- nah die Annahme einer Motion, dur welhe der Mi- nister-Präsident Bratiano aufgefordert wird, das Ministerium des Jnnern zu übernehmen. Nachdem der Präsident der Kammer erklärt hatte, die Motion an die Sektionen verweisen zu wollen, wurde dieselbe von Fleva wieder zurückgezogen. Eine weitere Debatte wurde von der Majorität des Hauses abgelehnt. Schließlih wurde von dem Justiz-Minister eine Botschaft des Fürsten verlesen, durh welche der Shluß der außerordentlichen Session der Kammer aus- esprochen wird. — Während der Debatte über die von Fleva beantragte Motion war der Minister des Jnnern nicht zu- gegen. G — 25. April, Nach hier eingegangenen Nachrichten wurx=- den gestern in Fokshani über 300 Häuser dur eine.