Reichstag eine ähnlihe Erweiterung der Kompetenz der un- arishen Regnikolar- Deputation fordern, wie sie die kroatische eputation bereits besißt. Dann sollen die Verhandlungen
der beiden Deputationen wieder ausgenommen werden.
Großbritannien und Jrland. London, 10. Mai. (Allg. Corr.) Der neue Vizekönigvon Fndien begiebt sich am nächsten Donnerstag auf seinen Posten. e
Hr. Göschen tritt den bis jeßt getroffenen Dispositionen zufolge am 17. d. die Reise nah Konstantinopel über Venedig an. Er wird von Mr. Jervoise, dem Chef des türkischen Departements im Auswärtigen Amte, und seinem Bruder W. E. Göschen begleitet sein.
Die englische Admiralität hat die Sand eines neuen Ge} hüßes in die Schiffsartillerie beschlossen, wel- ches in seiner Konstruktion darauf berechnet ist, die sih den größeren Schiffen nähernden kleinen Torpedoboote mit Massen- feuer zu übershütten und in den Grund zu bohren. Als zu diesem Zwecke am besten geeignet wurde das von Nordenfeldt konstruirte Mitrailleusengeshüß befunden, welches aus seinen vier Läufen in der Sekunde 12 Schüsse, in der Minute dem- nah 720 Schüsse abzugeben vermag. Die benußten Projektile bestehen aus Stahl. Der Entscheidung der Admiralität war eine Reihe umfassender Schießversuhe vorhergegangen, welche die Ueberlegenheit des Nordenfeldt-Geshüßes über ähnliche Konstruktionen wie z. B. das Hatling-Kartätshgeshüß und die Hothkiß-Mitrailleuse unzweifelhaft gezeigt haben.
Die Admiralität veröffentlicht folgende Mittheilung: Das Kanalgeshwader kam heute (9. Mai) in Berehaven an; Ad- miral Hood meldet: Keine Kunde von der „Atalanta“.
Das Jndische Amt hat vom Vizekönig von Jndien nachstehende Depesche vom 9. d. erhalten:
General Roberts is am 8. d. mit einer starken Truppenmacht von Kabul na dem Logarthale und Maidan abmarschirt, wo er Halt machen, das Land beruhigen und Vorräthe sammeln wird. Aus Kurram trafen Berichte ein, welhe große Zusammenzüge von Stäm- men in Thormat und Umgebung melden, voraussichtli%, um die Wiederhe: stellung unserer Verbindungen über den Shutargardan zu verhindern. Die Aufregung in Flogar (Logar ?) hat sich gelegt. In Kohistan herrs{t Ruhe. Einer unserer Truppentheile hatte in der Nähe von Khelat-i-Ghilzai ein erfolgreihes Scharmüßel mit Nachzüglern. Die Nachrichten über den Aufstand in Badakshan gegen Abdul Rah- mans Autorität bestätigen sih. Shahzada Hussan, der ehemalige Mir befand sih im April in Gilgil.
Den „Daily News“ wird unter dem 9. ds. aus Kabul gemeldet:
Eine Gesandtschaft Abdul Rahmans hat den Hindu Kush auf dem Wege über den Purwan Paß passirt. Die Kavallerie der Logar-Truppen hat den Allimur Paß — ohne auf Widerstand zu ftoßen — recognoszirt. Es gehen Gerüchte von feindlihen Zusammen- zügen in Khurmur und Thurmat, jenseits Allimurs. Alam Khan reist nah Kabul, um si für die feindlichen Häuptlinge ann Ghuzni zu verwenden. In Ghuzni herrsht Ruhe. Die Lughmanis haben in Dschellalabad 1000 Stück Vieh geraubt. General Roberts *Ab- theilung ist 5000 Mann ftark in Charasiab im Lager.
— 11. Mai. (W. T. B.) Jn der heutigen Sizung des Unterhauses bekämpfte Wolff den von Cavenish in der Sizung vom 3. d. eingebrahten Antrag, betreffend die Ein- seßung eines Ausschusses zur Entscheidung der Frage wegen der Eidesverweigerung Bradlaghs, und beantragte den Ueber- gang zur Vorfrage. Dieser Antrag wurde indessen mit 171 gegen 74 Stimmen abgelehnt. Hierauf wurde der betreffende Ausschuß gewählt. — Das Haus vertagte sih bis zum 20. d. Mts.
— 12. Mai. (W. T. B.) Bei Gelegenheit eines in Chelsea stattgehabten Bankets hielt der Unter-Staats- sekretär im Departement des Auswärtigen, Dilke, eine Rede, in der er hervorhob, daß die Politik des Ka- binets eine Politik der Festigkeit sei, gepaart mit Achtung für die Rechte der fremden Staaten. Die Ziele der Politik des neuen Kabinets seien die Einführung von Reformen in der Türkei und die Ausführung der noch unerfüllt gebliebenen Theile des Berliner Vertrags. Das Kabinet werde diese Ziele durch die gemeinsame Aktion der europäishen Mächte zu er- reichen suchen.
Der „Times“ zufolge werden in dem englischen Cirkularschreiben die montenegrinische, die griechische und die armenische Frage als diejenigen Fragen speziell aufgefü„rt welche das Ermessen des englishen Kabinets und die Auf- merksamkeit der Großmächte beschäftigen sollten.
Fraukreih. Paris, 10. Mai. (Cöln. Ztg.) Jin leßten Ministerrathe zeigte der Kriegs-Minister, General Farre, an, daß die neuen Fahnen für die Armee fertig seien. Der Ministerrath beshloß hierauf, daß am 20. Juni die feierlihe Vertheilung der Fahnen erfolgen folle. — Der Prä- sident des Senates, Martel, dessen Grsundheit sih bedeuten ck verbessert hat, trifft morgen in Paris ein. — Der Deputirte Godet, der das Departement der oberen Vienne vertrat, ist gestorben.
Der Ausschuß für den Elementarunterricht trat heute zusammen, um die Lesung der Berichte von Paul Bert t vernehmen. Der Bericht über die Unentgeltlihkeit spricht ih für die Annahme des Regierungsentwurfs aus. Der zweite Bericht betrifft den Schulzwang und den Laienunter- riht. Leßterer soll sich nur auf die Programme und nicht auf das Personal beziehen.
_— 11. Mai. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer berieth heute den Geseßentwurf, betreffend die Freiheit des Versammlungsrechts. Bei der Diskussion über Art. 8, über den die äußerste Linke das Scrutinium verlangte, kam es zu einem heftigen Zwischenfall, in Folge dessen Perrin (radikal) zur Ordnung gerufen wurde. Der Art. 9 des Geseßentwurfs, betreffend die Jntervention des Aa in den Versammlungen, wurde an die
ommission zurückverwiesen. Der Art. 10, nah welchem die Präfekten die Befugniß haben sollen, die Versammlung zu vertagen, falls Ruhestörungen zu befürchten seien, wurde mit 255 gegen 131 Stimmen abgelehnt. Die Abstimmung über das ganze Gese wurde für später vorbehalten. Bert legte den Bericht über den Gesetzentwurf, betreffend den Elementar- unterricht, auf den Tisch des Hauses nieder.
Die Nachricht des „Figaro“, daß der Ministerpräsident, de Freycinet, Waddington mit einer Mission beim Vatikan beauftragt habe, wird formell für unrichtig erklärt.
Italien. Turin, 11. Mai. (W. T. B.)- Jhre Kai- ie d und Königliche Hoheit die Kronprinzessin ictoria, Höchstwelhe gestern Abend hier eintraf, bejuchte Le e ind Kunstausstellung und verweilte dort mehrere unden.
FiTúrkei. Konstantinopel, 11. Mai. (W. T. B.) Ein Telegramm des englischen Konsuls in Burgas an den eng-
lishen Botschafter Layard meldet, bulgarische Soldaten seien in den Pre Aidos eingedrungen und hätten mehrere türkishe Dörfer geplündert und mehrere Personen getödtet und viele Frauen mißhandelt.
Numänien. Bukarest, 12. Mai. (W. T. B.) Das Amtsblatt veröffentlicht die Ernennung Slaniceano'’s zum Kriegs-Minister an Stelle Lecca’s, dessen Entlassungs- gesuch angenommen wurde.
__ Serbien. Belgrad, 10. Mai. (Pol. Corr.) Der in Aussicht genommene Besuch des Fürsten Alexander von Bulgarien in Belgrad ist auf drei Tage bemessen. In der Begleitung des Fürsten werden sich zwei Adjutanten, aber kein Mitglied des Kabinets befinden, — Nah Schluß der außerordentlihen Skupschtinasession wird eine Kom- mission im Kommunikations-Ministerium zur Entgegennahm- und Prüfung der für den Bau der serbilchen Bahnen vo:- liegenden Offerten eingeseßt werden, deren Vorsiß wahrscheinlich der Minister z. D. Maric führen wird, falls bis dahin seine Reconvalescenz eine vollständige sein wird.
— 11. Mai. (W. T. B.) Die vier Kommissionen zur Regelung der Agrarfrage in den neuen Gebie: s- theilen werden ihre Arbeiten am Donnerstag beginnen.
Montenegro. Cettinje, 10. Mai. (Wien. Z.) Der montenegrinische Staatsrath Simo Popovic und der Fürst- lihe Adjutant Niko Matanovich find vorgestern nah Ra- gusa zur Delimitations-Kommission abgegangen.
Nußland und Polen. St Petersburg, 12. Mai. (W. T. B.) Auf Lord Granville's Cirkulardepesche an die englischen Vertreter bei den Signatarmächten des Ber- liner Vertrages ist bisher von hier eine Antwort noch nit
ergangen.
Moskau, 11. Mai. (W. T. B.) Der General- Gouverneur hat das Urtheil, welches das hiesige Militär - Kreisgericht am 24. April gegen 5 wegen geseßzwidriger Propaganda angeklagte Personen gefällt hatte, gemildert, indem er bei zweien derselben die Strafe
der Zwangsarbeit in Verbannung und Zuchthaus umwandelte; die übrigen, welhe zu Festungsstrasen verurtheilt waren, wurden zu kürzerer Gefängnißstrafe und Einstellung in eine Strafcompagnie begnadigt.
Neichstags - Angelegenheiten.
Die in der vorgestrigen Sißzung des Reichstags bei der zweiten Berathung der am 7. Mai 1880 zu Wien unter- zeihneten revidirten Elbschiffahrtsakte von deim Be- vollmächtigten zum Bundesrath, Staats-Minister Hofmann gehaltene Rede hat folgenden Wortlaut :
Meine Herren! Die Berathung hat einen Umfang gewonnen, der weit über die Elbschiffahrtsakte hinausgeht. Es ist dies nach der Rede des Herrn Reichskanzlers ja nicht anders zu erwarten gewesen und cs ist namentlich dém Hrn. Abg. Virchow, der sich 13 Iahre lang von dem Reichstag ferngehalten hat, nicht zu verdenken, wenn er die erste Gelegenheit benußte, um sein Herz auszushütten. Jch bin überzeugt, der Reichstag war ihm sehr dankbar für die- Erläu- terung, daß der Unterschied zwischen der Fortschrittspartei und den übrigen Parteien dieses Hauses darin besteht, daß die Fortschritts- partei ideale Ziele verfolgt, die übrigen Parteien materielle. Jch sage, das Haus wird ihm sehr dankbar- für diese Erklärung sein. Wenn aber der verehrte Herr Abgeordnete nun, nachdem er sich 13 Jahre lang von dem Reichstag und damit von der |(Sntwiccklung des Verfassungslebens im Reich, fern gehalten hat, mit! dem Anspruch auftritt, hier als ein besserer IÎnterpret der Reichsverfassung zu erscheinen, als der Herr Reichskanzler, so finde ih das eine etwas starke Zumuthung.
Der Hr. Abg. Virchow meinte, das Herz schlage nicht kräftig genug im Reich und, wenn der Herr Reichskanzler, statt der Augen- blicképolitik, die er nach der Ansicht des Herrn Abgeordneten verfolgt, eine kräftige, herzlihe — das war sein Auêëdruck — deutsche Politik verfolgen wollte, dann würde der Herr Reichskanzler auch den Hrn. Abg. Virchow * und scine Freunde auf seiner Seite haben. Ja, meine Herren, wie steht es mit der Augenblicks8politik des Herrn Reichskanzlers? — ih glaube, der Herr Reichskanzler hat bisher gezeigt, daß er feste Ziele fest ins Auge faßt. Er hat diese Ziele bisher erreicht, troy des Widerstandes, der ihm von Seiten des Hrn. Abg. Virchow und seiner Freunde geleistet worden ift, und ich glaube, der Herr Reichskanzler wird auch in Zukunft, mag seine Politik dem Hrn. Abg. Virhow noch so sehr als Augenblickspolitik erscheinen, die Ziele, die er fortwährend fest im Auge hält, erreichen, troß des Widerstandes der Fortschrittê- partei. Meine Herren, der Hr. Abg. von Bennigsen hat dem Hrn. Abg. Virchow in dieser Hinsicht bereits so sck&lagend erwidert, daß ih auf dieses Thema nicht weiter eingehen will, Jh möchte viel- mehr das hohe Haus bitten, mir für einige Augenblicke seine Auf- merksamkeit zu sbenken, wenn ih auf die Sache selbst wieder ein- gehe. Ich hoffe und rechne dabei namentli auf die Herren vom Centrum, daß das Haus mir diese Aufmerksamkeit nicht versagen wird, wiewohl es ja {wer ist, wenn eine Debatte einmal eine all- gemeine politische Wendung genommen hat, wieder auf den Ge2gen- stand selbst, auf die sachliche Seite der Frage zurücklzukommen. Ich rechne dabei hauptsächlich auf die Herren vom Centrum, weil wir von ihrem hervorragensten Führer am Sonnabend gehört haben, daß es nur immer sachlide Motive seien, die das Centrum bei seiner Ab- stimmung leiten. J hoffe also, wenn ich durch sahliche Crörterung Jhnen nachweise, daß der Kommissionsantrag unberechtigt, daß er in seinem Zwecke auch vollkommen verfehlt ist, so werden die Herren vom Centrum dieser Erörterung vielleicht mit einiger Aufmerksam- keit folgen.
Meine Herren! Die Fragen, die zwishen der Regierung und der Mehrheit der Kommission streitig sind, lassen sich auf zwei Hauptpunkte zurückführen. Es ift erstens die Auffassung des jeßigen Rechtszustandes hinsichtlich der Frage, wer die Zollgren¡e festzustellen hat, ob die Zollgrenze durch Bundesrathsbeshluß oder nur durch Geseh festgestellt werden könne, und es ift zweitens die Frage, ob in dem jeßigen Rechtszustand, man mag ihn nun nach der einen oder anderen Seite entscheiden, durch die vorliegende Elbschiffahrtsakte eine Aenderung eintritt.
Was die erste Frage betrifft, so geht die Regierung von der Ansicht gus, daß die Grenze zwishen dem Zollvereinsgebiet und Hamburg durch Bundesrathsbes{chluß festgestellt werden könne na Maßgabe der Verfassungsbestimmungen. Wenn für den Bundesrath diese Befugniß in Anspruch genommen wird, so ist damit keineswegs gesagt, daß der Bundesrath in souveräner Willkür diese Grenze fest- stellen könne, wie es ihm beliebt, Fch wiederhole nur, was der Herr Reichskanzler von diesem Plaß aus am vorigen Sonnabend gesagt hat, wenn ih erkläre, es denkt Niemand daran, die ver- fassungsmäßige Freihafenstelung von Hamburg anders als auf An- trag Hamburgs, wie es nah Artikel 34 der Verfassung rechtens ift, zu beseitigen. Aber, meine Herren, so weit können wir allerdings niht gehen, daß wir Hamburg auch ein Veto einräumen bei der Fehstèllung des Bezirks, der zum Freihafengebiet gehört. Nun liegt die Sache bezüglih der Elbe so: es ist in der Elbschiffahrtsakte vom Jahre 1821 den Einzelstaaten das Ret vorbehalten, ihre Zölle zu erheben von den Waaren, die auf der Elbe verfrachtet sind, sobald diese Waaren ans Land gebracht werden. Es ift also mit anderen Worten gesagt, daß die Befahrung der Elbe selbs von den Einzelstaaten
nur durch den damals vereinbarten Elbzoll getroffen werden könne, und daß kein Landzoll erhoben werden dürfe, so lange ein Schiff seine Waaren nicht ans Land ausladet. Daraus, meine Herren, wird nun die sogenannte Auslandsqualität der Elbe gefolgert, und es werden daran Konsequenzen geknüpft, die mit dem jeßt that- \ählich und rehtlich bestehenden Zustand absolut unverträglich sind.
Der Herr Berichterstatter der Kommission hat am 4. Mai bei der ersten Berathung der Vorlage, allerdings nicht in seiner Eigen- {haft als Berichterstatter , sondern als Abgeordneter, wörtlich Folgendes bemerkt:
Es habe sich auf Grund der Bestimmungen der Wiener Kon- greßakte durh die später abgeschlossenen einzelnen Schiffahrtsakte der rechtliche Zustand [e gestellt, daß die konventionellen Flüsse, also insbesondere auch die Elbe, in ihrem konventionellen Lauf als Ausland hrgetezen werden, daß also eine Befugniß der Uferstaaten, die Elbschiffahrt mit Rücksicht auf ihre Landzölle einer Revision oder Beschränkung zu unterwerfen, nicht vorhanden is, sondern daß die Aktion der Zollverwaltung erst eintritt, wenn ein Schiff anlegt an das Ufer und Waaren ausladet oder einladet. Dieser Grundsatz besteht in Bezug auf die Elbe geseßlich noch heute.
Meine Herren! Es konnte nach dieser Aeußerung angenommen werden, daß der hier bezeichnete angeblich geseßliche Sultan auch der thatsächliche sei. Ih habe damals {on Widerspruch dagegen erhoben. Ich hab: damals \chon erklärt, es sei nicht richtig, daß die Schiffe auf der Elbe eingehen können, ohne einer zollamtlichen Be- handlung zu unterliegen. Ih habe mich seitdem bei praktischen Zoll- beamten erfkfundigt und kann meinen Widerspruch von damals mit der vollsten Entschiedenheit aufrecht halten. Jedes Schiff, welches auf der Elbe bei Schandau über die Zollvereinslinie eingeht, wird einer zoll- amtlichen Behandlung unterworfen, ebenso jedes Schiff, was \strom- aufwärts kommend bei Hamburg die Grenze passirt. Wenn dieser Zustand nicht ein rechtlicher wäre, würde vor allen Dingen der Mitkontrahent Deutschlands an der Schiffahrtsakte diesen Zu- stand nicht dulden, ih meine Oesterreich. Oesterreich hat sich aber während der Verhandlungen über die Elbschiffahrtzakte große Mühe gegeben, es dahin zu bringen, daß die von Oesterreich kommenden Sciffffe bei Schandau nicht mehr abgefertigt zu werden brauchen ; es hat mit uns verhandelt über die Errichtung einer deutscben Zoll- abfertigungsstelle in Letshen, damit die österreichishen Schiffe, wenn fie in Tetscen abgefertigt sind, bei Schandau niht mehr anzuhalten brauchen. Wäre die Ansicht des Herrn Abgeordneten Delbrück richtig, so hâtte die öôsterreichishe Regierung ganz einfach sagen können : wir haben auf Grund der Elbscbiffahrtsakte das Recht, daß unsere Schiffe bei Schandau nicht angebalten werden, wir bestehen einfach auf diesem unseren Rectt.
Meine Herren, die Sache hat sich Bistorisch, wie folgt, entwickelt. Als die Elbschiffahrtsakte im Jahre 1821 abgeschlossen wurde, und zwar auf Grund der Wiener Kongreßakte, welhe den Regierungen ausdrücklich die Erhebung der Landzölle vorbehalten batte, da haben die einzelnen Elbuferstaaten keineswegs auf ihren Landzoll verzichten wollen. Es wäre aber ein solcher Verzicht gewesen, wenn man sich der Möglichkeit, den Waarenverkehr auf der Elbe im Interesse der Sicherung des Landzolls zu überwachen, beraubt hätte, Nun bestanden nach dér Elbschiffahrtsakte von 1821 14 Hebestellen, an denen die Schiffe angehalten und revidirt wurden zum Zweck der Erhebung des Elbzolls. Diese Einrichtung diente zugleich zur Kontrole für den Landzol. Schon in der Elbschiff- fahrtsakte war die Kombination des Schußes der Landesabzaben mit der im Interesse der Elbzollerhebung stattfindenden Kontrole vor-
esehen worden. Es heißt dort im Artikel 25, Absay 2, daß wenn
K bei der Revision der Schiffe, bezüglih des Elbzolls eine beab- sichtigte oder erfolgte Hinterziehung von Landesabgaben herausftellen sollte, der Schiffer auch hierfür nach den Bestimmungen der Ab- gabengeseße des Landes in Anspruch genommen werden könne. So lange die 14 Zollstellen bestanden, war es hiernah nicht nothwendig, noch besondere Kontrolmaßregeln für den Landzoll auf der Elbe ein- zuführen. Nachdem aber und zwar 1863 durch Vereinbarung unter den Elbuferstaaten der Elbzoll nur noch an einer Stelle und zwar in Wittenberge erhoben wurde, trät die Nothwendigkeit ein, neben der Revision der Elbzollerhebungs stelle besondere Revisionen der Schiffe im Interesse der Sicherstellung des Landzols stattfinden zu lassen.
Also 1863, nachdem die ganze Erhebung des Elbzolles auf Wittenberge konzentrirt war, wurde die Vercinbarung unter den Ufer- staaten von 1863 anerkannt. Dieselbe bestimmt, daß wegen des Elb- zolls nur noch in Wittenberge eine Revision stattfinde, und daß diese Revision wegfalle, wenn eine folbe schon früher bei einer dazu be- fugten Vereinszoll- oder Steuerstelle erwiesenermaßen stattgefunden habe, und zugleih jeder Veränderung hinsichtlih der Identität und Quantität der Ladung dur Aulegung des Verschlusses oder in sonst geeigneter Weise vorgebeugt ist.
Meine Herren! Sie schen, diese Vereinbarung unter den Elb- uferstaaten seßt voraué, daß außer der Elbzollstelle bei Wittenberge Vereinézollstellen bestehen, die zum Zweck der Sicherung des Vereins- zolles die Schiffe einer Revision unterwerfen. Es ift ja auch gar nicht anders denkbar, als daß der Zustand so war; die Elbe wäre ja nur cine offene Straße für den Schmuggel gewesen, man hätte, wie ich hon neulich bemerkte, das ganze Elbufer auf beiden Seiten E L Zollbewachung versehen müssen, und daran hat nie jemand gedacht.
Fch kann also nur wiederholt sagen, daß die Behauptung, die der Hr. Abg. Delbrü bei der ersten Berathung aufge1nellt hat, wo- nach der geseßliche Zustand der wäre, daß die Aktion der Zollver- waltung erst eintritt, wenn das Sciff anlegt und Waaren am Ufer auéladet, daß diese Behauptung mit dem thatsählichen Zustand und mit dem geseßlichen Zustand, wie er jeßt besteht, niht harmonirt.
Nun, meine Herren, hat der Herr Berichtersto1ter der Kommis- sion diese sogenannte „Auslandéqualität“ der Elke allerdings nit mehr in dem Umfang behauptet, wie er es bei der ersten Berathun als Abgeordneter gethan hat, der Kommissionsantrag beschränkt si tro seines allerdings nicht ganz klaren Wortlautes doch nah der Erläuterung, die der Herr Berichterstatter gegeben hat, lediglich auf die Zollgrenze auf der Elbe bei Hamburg, und es wird nunmehr ge- sagt, wenn auch auf der Obkerelbe ein Anhalten der Schiffe zum Zweck der Revision im Zollinteresse stattfinden darf, so darf das doch nicht stattfinden bezüglich der Unterelbe, das heißt abwärts von Hamburg. Meine Herren, worauf dieser rechtlihe Unterschied zwi- {hen Ober- und Unterelbe beruhen soll, das uns klar zu sagen, hat der Herr Referent unterlassen.) Die'-Elbschiffahrtsakte selbst macht diesen Unterschied nicht. Die Deduktion aber des Herrn Berichterstatters ist die: es hat eine Elbzollerhebung früher nur oberhalb Hamburgs stattgefunden. Auf der Unterelbe ist niemals ein Elbzoll, abgesehen von dem 1861 abgelösten Brunê- häuser oder Stader Zoll, erhoben worden, und weil nie ein Elbzoll auf der Unterelbe erhoben worden ift, darf dort auch kein Schiff an- gehalten werden im Interesse der Zousicherheit für das Vereinszoll- gebiet. Diese Deduktion hat in der Elbschiffahrtsakte kein Funda- ment, denn es ift nirgends in derselben gesagt, a ein Schiff nicht angehalten werden dürfte im Interesse der Sicherstellung des Land- ¡olls, es wird das zwar immer unterstellt, als ob es in der Glb- {hiffahr18akte gesagt sei, aber es fehlt der Paragraph, in dem das stünde ; im Gegentheil geht aus dem, was ih vorhin über die Vercinbarung vom Jahre 1863 bemerkt habe, hervor, daß die Elbuferftaaten selbst eine Revision außerhalb der Elbzollstellen und im Interesse des Landzolls für zulässig gehalten haben.
Thatsächlicb ist allerdings der Zustand auf der Unterelbe jeßt der, daß dieselbe als Vereinsauëland behañdelt wird. Las beruht aber keineswegs auf einer vertragsmäßigen oder geseßlichen oder ver- fassungsmäßigen Bestimmung, sondern fs beruht einfa darauf, daß hier die Elbe früher zwei Staaten treunte, daß die Ufer nit im Besitz eines einzigen Staates waren. Auf der einen Seite E mark für Holstein, auf der anderen Seite' Hannover, hatten kee
ollgemeinshaft. Jeder der beiden Staaten sah sein Land und ollgebiet dur die Elbe begrenzt. Diese Verhältnisse haben sih aber jeßt vollständig geändert. Nach der Reichsverfassung bildet, wie das in der Diskussion {hon mehrfah herrorgehoben
wurde, die Grenze des Reichs au die Grenze des Zollgebiets, soweit niht besondere Ausnahmen festgeseßt sind. Meine Herren, wenn auch die Elbschiffahrtsakte den Sinn hätte, den der Herr Referent ihr unterlegt, so würde doch die bestehende Elbschiffahrtéakte immer- hin kein Reich8gesetz, sondern nur Landesgesey sein; die Elbschiffahrts- akte ist in den einzelnen Staaten als Lañdesgeseß publizirt und wenn sie im Widerspruch mit der Reichsverfassung steht, so geht nah Art. 2 der Verfassung die Reichsaesegebung der Landesgeseßgebung vor, — aber es besteht kein Widerspru, sondern das, was die Reichéverfassung festgeseßt, ist vollkommen vereinbar mit dem, was die Elbschiffahrtsakte ihrem wahren Inhalt nah bestimmt. Die Reichsverfassung hat zwei Fälle vorgesehen, in denen ein Theil des Rei chsgebiets nicht zum Zollvereinsgebiet gehört; sie sagt in Art. 33:
Ausgeschlofsen bleiben die wegen ihrer Lage zur Einschließung
in die Zollgrenzen nicht geeigneten einzelnen Gebietstheile. "a fommt der Art. 34 über die Freihafenftelung der Hanse-
e.
Nun, meine Herren, daß über die Frage, ob irgend ein Gebiets- theil jeiner Lage wegen niht in das Zollgebiet eingeschlossen werden könne, nur der Bundesrath zu bestimmen habe, das ist, wenn ich nit irre, au von der Mehrheit der Kommission nicht bestrit- ten worden. Eine solche Bestimmung hat denn auch in einer Reihe von Fällen stattgefunden, und es ift niemals Widerspruch dagegen erhoben worden, daß der Bundesrath zu bescbließen habe, ob irgend ein Theil z. B. des preußischen oder badiswen Staatsgebiets als Zollerklave ane: kannt werden solle, weil es seiner Lage wegen nicht mögli ift, den Zoll dort zu erheben. (
Was sodann den Art. 34 wegen der Zollfreiheit der Hansestädte betrifft, so habe i bereits zu bemerken mir erlaubt, daß die Frage, ob die Zolllinie, wenn sie unterhalb Hamburgs verlegt würde, die Freihafenstellung beeinträchtigt, selbstverständlih, wenn der Bundes- rath einen solchen Beschluß fassen sollte, sehr ernstlih in Erwägung gezogen werden müßte. An und für sich ist es nit ausgeschlossen, die Freihafenstellung bedingt nur, daß die Waaren, die auf der Elbe in den Freihafen gelangen, unverzollt bleiben, daß also kein Zoll erhoben wird zwischen dem Meer und dem Freihafen; aber, meine Herren, daß eine Zolllinie im Interesse der Si cherstellung der Zolleinnahmen des Reichs zwishen Hamburg und dem Meer gezogen werde, das ist gewiß mit der Freihafenstelung voll- ständig verträglich. Ich könnte als Beweis dafür, wenn es noth- wendig wäre, die revidirte Rheinschiffahrtsakte vorlegen, wo au von einem Freihafen die Rede ist, die an verschiedenen Pläßen, z. B. iu Mainz, bestehen, deshalb liegt aber doch die Zollvereinsgrenze über den Rhein bei Emmerich und es werden dort die Schiffe ebenso wie auf der Elbe zollamtlih behandelt. Meine Herren, ein rehtliches Fundament dafür, gerade bei der Zollgrenze an der Unterelbe die Mitwirkung des Reichstags in Anspruch zu nehmen, zu sagen, gerade an diesem Punkt fängt die Reichb8geseßgebung an, während bei der Oberelbe der Bundesrath beschließen kann, ein rechtliches Funda- ment befteht für diese Auffassung nit. .
Ih möchte in dieser Hinsicht nur noch das Eine bemerken: der Herr Referent hat in seinem Vortrag Ihnen {on mitgetheilt, daß der Bundesrath im Jahre 1869 durch einen Beschluß die jeßige Zollgrenze festgestellt hat; er hat in diesem Vorgehen eine Inkorrekt- heit selbst gesehen; er ist der Meinung und muß — indem er die Ansicht der Mehrheit der Kommission vertritt, — der Meinung sein, daß damals {on ein Geseh hätte vorg legt werden müssen. Nun sagt der Herr Referent: dieser Präzedeazfall kann nicht entscheiden, weil der Reichstag damals keine Kenntniß von der Sache hatte. Hiergegen muß ih denn do darauf aufmerksam macen, daß im Sahre 1869 dem damaligen für Zollsachen zuständigen Reichstag, d. h. dem Zollparlament, das Vereinszollgeseß vorgelegt wurde, das in 8. 16 über die Zollvereinsgrenze disponirt, und zweitens, daß auch ein Geseßentwurf damals vorgelegt wurde zur Sicherstellung der ZoUvereinsgrenze in den vom Zollverein ausgeschlossenen bhambur- gischen Gebietétheilen. In den Anlagen, die diesem Geseßentwurf beigefügt waren, ist allerdings diz Grenze selbst niht bezeichnet, wie sie damals im Bundesrath festgeseßt war, aber es lag doch wirklich sehr nahe für den Reichstag, wenn man ihm ein Gesetz vorlegte, welches die Sicherstellung der Zoll vereiusgrenze gegenüber Hamburg bes traf, au zu fragen, wie und von wem denn diese Zollveceinsgrenze fest- geseßt sei, wenn der Reichstag überhaupt daran gedacht hätte, ein Mitwirkungsrecht in Anspruch zu nehmen. Der Bundesrathsbeschluß von 1869 it ja nit geheim gehalten worden, er is durch die Re- gierungen von Preußen und Hamburg seiner Zeit veröffentlicht und zur Ausführung gebraht worden. Der Reichstag konnte davon wissen, und ih darf fast sagen, er mußte davon wissen, indem er das Gesetz über die Sicherstellung der Zollvereinsgrenze gegenüber Hamburg votirte. i
Aber meine Herren, die Retéfrage mag augenblicklih kiegen wie sie will, Sie mögen annehmen, der Bundésrath sei allein zu- ftändig, die Zollvereinsgrenze bei Hamburg zu verlegen, oder Sie meinen, ein Reichsgeseß sei dazu nothwendigs, so kommt doch nun die zweite Frage, auf die ih noch Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte: ist es denn wirklich richtia, daß dur den vorliegenden Vertrag, dur den Art. 4 in diese Verhältnisse eine Aenderung eingeführt werde ? Meine Herren, i{ darf den Sat, auf den es ankommt, an den die ganze Deduktion der Kommission sih anknüpft, nochmals verlesen, es heißt da ganz einfach: i:
Die Zollpflichtigkeit der Waaren tritt beim Ueberschreiten der Zollgrenze auf der Elbe in gleiher Weise cin, wie beim Ueber- \chreiten der Zollgrenze auf dem Lande.
Darüber, wo die Zollgrenze liegt und wer* das Recht hat, sie zu verlegen, sagt dieser Artikel auch nicht eine Silbe. Er dispo- nirt über dieses Verhältniß gar nicht; das liegt vollständig außerhalb dieses Artikels. ¡Nun wird zum Beweise dafür, daß hier eine Aende- rung des Rechtszustandes beabsichtigt sei, oder doch bewirkt werde, auf eine Stelle in der Denkschrift Bezug genommen, worin von der Aus- landsqualität der Elbe die Rede ist. Mein Herr Nachbar zur Rech- ten hat über die Entstehung dieser Stelle der Denkschrift vorhin schon das Nöthige mitaetheilt. Wenn darin gesagt ist, daß man die Auslandéqualität der Elbe beseitigen wolle, so is damit nur auf ein Verhältniß hingewiesen, welches ich {hon vorher nur zu arakteri- firen mir erlaubt habe. Es bestand in der Elbschiffabrt lediglich das Verbot, von Waaren, die noch auf dem Wasser sind, Landzoll zu erheben, aber man hat daraus fkünstlich eine Aus- landêqualität deduzirt, die nun nach allen Seiten hin gewissermaßen ihre Strahlen in die Zollyerwaltung hineinwarf und zu einer Reihe von Mißverständnifsen Anlaß gab. Jch werde Ihnen dafür nur ein Bei- spiel anführen. Als im Jahre 1872 bei Dömitz eine eiserne Brüde Über die Elbe gebaut werden sollte, da war die Zollbehörde der Mei- nung, weil diese Brücke in der Elbe stehe, und die Elbe Auslands- qualität besitze, so könne das Eisen, welches zu der Brücke gebraucht werde, zollfrei eingeführt werden. Zu solwen Konsequenzen also führte die Auslegung des Wortes Audlandsqualität, eines Wortes, vas in den Elbschiffahrtsverträgen selbst nirgends gebraucht worden it. Aber, wie es so kommt, um ein bestimmtes, etwas komplizirtes Rechtêverhältniß mit einem einfachen Wort zu bezeihnen, wählt man eiren prägnanten Ausdruck. Man gewöhnt sich daran, diesen Auidruck zu gebrauchen und so wird derselbe im Laufe der Zeit zu eincm feststehenden Begriff, zu einer Rechtsquelle, aus der man Normen {chöpft, die sich von dem ursprünglichen Sinn. des Vertrages sehr weit entfernen. Bei Gelegenheit der Frige der Zollfreiheit des Eisens, welches zum Bau der Clb- brüde lei Dömiß gebraucht wurde, hat der Bundesrath entschieden, daß eini Auélandéqualität der Elbe in dem seitens der Zollbehörde angenomnenen Sinn nicht bestehe, und so war es doch sehr natür- li, daß der damalige preußishe Finanz-Minister, um alle diese
- Mißverständnisse und Zweifel zu beseitigen, die aus der supponirten
Au:landsqualität der Elbe noch entstehen konnten, bei Gelegenheit der Elbschiffahitsakte die Beseitigung dieses künstliben und in den Ver- trägen nit begründeten Begriffs wünschte. Auf Hrn. Camphausens Wunsch wude der entsprehende Sah in den Art. 4 des Entwurfs der Elbschiffihrtêakte aufgenommen. Nur ein einziges Wort wurde von dem Bindesrath geändert. Um nämlich den Pleonasmus
„Wassergrenze auf der Elbe* zu beseitigen, wurde geseßt: „Zollgrenze auf der Elbe“, im übrigen ift der Vorschlag des Herrn Finanz- Ministers pure anaenommen worden.
Meine Herren! Der tuen! der Elbsciffahrtsakte mit der Denkschrift, worin darauf hingewiesen ist, daß die Auslandsqualität der Elbe beseitigt werden solle, wurde seiner Zeit den Elbuferstaaten, er wurde dem Bundesrath vorgelegt, und es ist niemals von irgend jemand in den Worten des Art. 4 eine Veränderung des bestehenden Rechtszustandes gefunden worden. Der Hr. Abg. von Bennigsen hat vorhin gefragt, ob denn Hamburg Widerspruch dagegen erhoben habe, daß die Elbscbiffahrtsakie in dieser Faffung abgeschlossen wurde ? Meine Herren, dies ist niemals geshehen. Hamburg hat gegen die Akte keinerlei Einspruh erhoben. Weder im Jahre 1874, als der Entwurf dem Bundesrath zur vorläufigen Prüfung mitgetheilt wurde, noch neuerdings, nachdem der Vertrag mit Oesterreich unterzeichnet war und dem Bundesrath zur Zustimmung vorgelegt wurde, ist es der Regierung von Hamburg oder einem an- deren Mitgliede des Bandes eingefallen, gegen den Artikel 4 der Elbschiffahrtsakie als gegen eine Veränderung des bestebenden Rets- zustandes Widerspruch zu erheben. Meine Herren, es ist au in der That gar uicht verständlich, wie das möglich sein soll. Glauben Sie denn, daß, wenn der Vertrag von Ihnen genehmigt und fo, wie er hier steht, ratifizirt würde, dann die Regierung sagen könnte: hier ist von der „Zollgrenze auf der Elbe“ die Rede und deshalb ist der Bundesrath befugt, die Zollgrenze dur seinen Beschluß festzustellen ? Das ift ganz undenkbar.
Ich kann mi also dahin resumiren: der bestehende Zustand auf der Unterelbe ist der, daß keine Durchgangsabzaben erhoben werden dürfen zwishen dem Meer und Hamburg für Benugzuag der Elbe, daß man also keine Zollgrenze in dem Sinn errichten darf, daß man eiwa etnen Wasserzoll erheben könnte, der auch {on nach unserem Vereinszollgesep als Durchgangsabgabe ganz unzulässig wäre; aber vorbehaltlich dieser Beschränkung und vorbehaltlich der Rücksicht auf die Freihatfenstellung Hamburgs hat der Bundesrath zu beschließen. Das leßtere Moment, xämlich das verfassungsmäßige Sonderrecht Hamburgs würde selbstverständlich auch der Reich8geseygebung gegen- Über zur Geltung kommen müssen; in dieser Beziehuog würde mit- hin dur den Vorbehalt der Kommission gar nihts geändert. Mag aber der jeßige Rechtszustand sein, wie er will, — durch den vor- liegenden Artikel wird er in keiner Weise berührt, also aub nicht verändert.
Nun, meine Herren, nur noch ein Wort zum S{lüß über die Zweckmäßigkeit des Verfahrens, welches Ihre Kommission Ihnen vorsblägt,. Hr. von Bennigsen hat bereits erwähnt, daß dieses Verfahren ein ungewsöhnlihes sei. Meine Herren, ih hatte die Ehre, den Berathungen Jhrer Kommission beizuwohnen und ich kann auch nur sagen, daß ich in hohem Maße überrascht war, als der Antrag so formulirt wurde, wie er vorliegt. Der Herr Berichterstatter hatte im Eingang der Kommissionsberathung erwähnt, er wolle der Elbscbiffahrtsakte an si keine Scbwierig- keit machen, aber er halte es für nöthig, das Recht des Reichstages gegenüber dem Art. 4 in irgend einer Form fklarzustelen, — in welcher Form, darüber behielt er sih seine Meinung noch vor. Es wurde dann lange hin und her diskutirt über die Rechtsfrage, und ziemlich am Schluß der Berathungen der Kommission überreichte dann der Herr Referent seinen Antrag formulirt. Zu meiner Ueber- rashung sah ich, daß die Genehmigung an einen Vorbehalt geknüpft war, während ih nah den vorhergehenden Erörterungen nicht anders geglaubt hatte, als man würde den Vertrag genehmigen, aber eine gesonderte Rehtsverwahrung in Gestalt einer Resolution anschließen. Ich bin überzeugt, daß auch in Jhrer Mitte dieser Vor- behalt eine gewisse Ueberraschung hervorgerufen hat, denn es ist ein ganz ungewöhnlihes Verfahren, nicht blos einen Vorbehalt an die Genehmigung eines Vertrages zu knüpfen, sondern auch der Inhalt dieses Vorbehalts ist ganz eigenthümliher Natur. Der Bundesrath hat im Jahre 1869 einen Bes luß gefaßt, die Zollvereinsgrenze näher bei Hamburg in einer gewissen Weise festzustellen. Nun beschließt der Reichstag einseitig, daß dieser Beschluß des Bundesraths ein Geseh sein sol. Meine Herren, Sie können, wenn der Bundesrath Ihnen einen Geseßentwurf vorlegt, * dur Ihre Zustimmung diesen Geseh- entwurf zum Geseß machen, aber Sie ïönnen einen früheren Bundes- rathsbes{chluß, der Jhnen gar nicht vorgelegen hat, niht zum Gefeß \stempeln. De; Bundesrath würde damit überrascht werden, wenn der Reichstag nachträglih durch cine einseitige Erklärung einen folhen Beshluß zum Geseß machen wollte, und die Folge würde die sein, daß jede Aenderung dieses Beschlusses der Mitwirkung des Reichstags bedarf.
Nun, meine Herren, hat der Herr Berichterstatter in seinem Vortrage am Sonnabend gesagt, dieser Vorgang sei nicht der erste, — wenn ich nit irre, waren das seine Worte und man hätte danach wohl annebmen können, daß schon eine ganze Reihè von Präzedenz- fällen vorläge. Meine Herren, es is ein einziger Präzedenzfall bis jeßt da, ein Präzedenzfall aber, der, wie ih gleich nachweisen werde, mit dem vorliegenden Vertrage materiell gar keine Aehnlichkeit hat.
Als im Jahre 1867 dem Norddeutschen Reichstage der Vertrag mit den süddeu!shen Regierungen über Gründung des Zollbundes vorgelegt wurde, — der Zolleinigungsvertrag vom Juli 1867, — beantragte der Abg. Braun (Wiesbaden), diesem Vertrag die Geneh- migung nur zu ertheilen 1:nter der Bedingung, daß die süddeutschen Staaten die Bündnißrerträge, die außerhalb dieses Vertrags mit ihnen ges{blossen waren, aufrecht erhalten würden. Der Herr Reichs- kanzler hat sich damals mit dieser Bedingung einverstanden erklärt und der Reichstag beschloß demgemäß.
Hier, meine Herren, lag also die Sache so, daß zwischen dcn Kontrahenten eines Vertrags nov andere Verträge geshlo\ssen waren und daß die Genehmigung des einen Vertrags geknüpft wurde an die Bedingung, daß auch die anderen Verträge aufrecht erhalten bleiben müssen. Die Bedingung berührte mithin das Verhältniß zwischen den Kontrahenten. Es war ganz selbstverständlih, daß der Zoll- einigungsvertrag nicht mehr gehalten werden würde, gegenüber einer süddeutschen Regierung, welche ihr in dem Bündnißvertrag gegebenes Wort brechen sollte. Insofern verstand sih die Bedingung von selbft, und es war nicht daran zu zweifeln, daß der andere Kontrahent, die süddeutschen Regierungen, darauf eingehen würden. Es war also faktish die Genehmigung do pure ertheilt.
Yteine Herren, es sind noch andere Fälle vorgekommen, in denen der Reichstag mit dem Inhalt eines ibm vorgelezten Vertrags nit einverstanden war und da hat der Reichstag in Form von Reso- lutionen seine Bedenken gegen den Inhalt d.s Vertrags geltend ge- macht. Es ist beispielsweise bei dem Konsularvertrag mit den Ver- einigten Staaten von Amerika vorgekommen, daß der Reichstag ge- wisse Ausdrücke des Vertrags in gewissem Sinne deklarirt zu sehen wünschte. Der Reichbtag ertheilte damals dem Vertrag, wie er laa- tete, die Genehmigung und ersuchte zugleih den Reichskanzler, bei der Ratifikation auf eine authentische Interpretation des Vertrags hinzuwirken. Das ist geschehen in einem Schlußprotokoll wurde die von dem Reichstag gewünschte Erläuterung beiderseitig vereinbart.
Meine Krren, warum hat der Herr Referent nicht in der Kom- mission, warum nicht hier Namens der Mehrheit der Kommission eine Erläuterung des Art. 4 beantragt? Er sagt: bei Staatsver- trägen ist eine Amendirung ausgeschlossen. Meive Herren, das kann man doc nicht so ohne weiteres behaupten. Es ist richtig, daß wenn der Reichstag eine Amendirung beschließt, mit der die Reichsregierung einverstanden is, wieder verhandelt werden muß mit dem anderen Staat, und es ist leiht mögli, daß der andere Kontrahent mit der Amendirung nicht einverstanden ist. Absolut ausgeschlossen aber ist cs nicht, daß der Neichstag beispielsweise hier sagen würde, wir ge- nehmigen den Vertrag, jedoch unter der Bedingung, daß derjenige Sat in Art. 4. der uns zu Bedenken Anlaß giebt, gestrichen wird, Dann könnten wir der österreichischen Regierang erklären, der Reichstag hat die Genehmigung ertheilt, sieht aber in diesem Say eine große Schwierigkeit; wir fragen die österreichische Re- gierung, ob sie einverstanden ist, die Elbscbiffahrtsakte zu ratifiziren mit Ausnahme dieses Saßes. Das wäre ein an sih mögliches Ver- fahren, urd ich bin vollständig überzeugt, daß die österreichische Re-
gierung auf diesen Sah keinen Werth legt. Unmöglih wäre dieses Nerfahren nicht, und es würde sich vielmehr an bisherige Vorgänge anschließen. Aber, meine Herren, der Zweck würde dabei allerdings nit erreiht, den die Kommission: im Auge hatte. Dieser Zweck ist: ein Präjudiz füc die Frage zu schaffen, ob in Zukunst die Zollgrenze durch Bundesrath und Reichstag festgestellt werden kann. Es ift kein Versuch der Amendirung gemacht, weil es unmözlich ift, dur Amendirung des Vertrags das zu erreichen, was die Kommission er- reichen will: Eine innere staatsrechtlihe Frage, bei Genehmigung cines Vertrags mit einem fremden taat zur Löfung zu bringen. Ich bitte die Herren, zu überlegen, wie wir den Bertrag formuliren müßten, wenn wir die Genehmigung troß des Vorbehalts ertheilen wollten. Es müßte dann É diesem Vertrag ausgedrückt werden, daß in Zukunft die ZoUvereinEgrenze für Hamburg nicht ohne Gen- hmigung des Reichstags vorgelegt werde, wir müßten der österreihishen Regierung versprech2n, in Zu- kunft niemals durch Bundesrathsbeschluß die Zollgrenze zu ändern, ohne die Zustimmung des Reichstags, und, meine Herren, wenn wir das thâten, wenn wir dann einmal einen Bundesrathsbeschluß in dieser Richtung faßten, ohne ihn zum Geseh werden zu lassen, so würde die österreichische Regierung sagen können: jeßt ift die Elb- \chifahrtsakte nibt mehr gültig, die Bedingung, unter der sie rati- fizirt war, ift hinfällig geworden. Weil der Reichstag in einem be- stimmten Fall nit zur Feststellung der Zollgrenze unterhalb Ham- burgs mitgewirkt hätte, wäre die österreihishe Regierung beretigt, den Vertrag als ungültig anzusehen. Das sind die Folgerungen, die sih ergeben, wenn man den Versuch macht, eine ftaatsrechtliche h or rvahs auf dem von der Kommission vorgeschlagenen Wege zu lösen.
_Der Herr Reichskanzler hat Ihnen bemerkt, daß auf die Flb- \chiffahrtsafkte an sich ein großer Werth nicht zu legen sei. J kann von meinem Standpunkt aus nur bedauern, wenn die Elb- \c{hiffahrtéakte nicht zu Stande kommt, denn es ist immerhin ein Vertragéwerk, welches die jeßt in einer Menge von verschiedenen Akten zerstreuten Bestimmungen in klarer Weise zusammenfaßt. Aber wenn dieser Vertrag auch seinem ganzen Inhalte na weit bedeutungsvoller wäre, als es die Elbschiffahr!s8akte ift, die Kaiser- liche Regierung würde \sih doch nicht darauf einlassen können, einen Präzedenzfall dafür zu \chafen, daß man einen Vertrag mit einem auswärtigen Staate benußt, um in einseitiger Weise eine staats- rechtliche Streitfrage zur Entscheidung zu bringen. Ich kann nur dringend bitten, den Kommissionsantrag zu verwerfen und entsprehend dem Antrag, der von der rechten Seite dieses Hauses gestellt ist, die Elbschiffahrtsakie pure zu genehmigen.
— Nas der von dem Präsidenten in dec Schlußsißung verlesenen statistishen Uebersicht über die verflossene Session war dieselbe die dritte in der vierten Legitlaturperiode, in welcher der Reichstag vom 12, Februar bis 10, Mai, im ganzen 89 Tage, versammelt war. Es haben während dieser Zeit 50 Plenarsitßungen stattgefunden; die Abiheilungen haben 94 Sißungen, die verschiedenen Kommissionen zusammen 109 Sitßungen abgehalten,
Dem Reichètage wurden folgende Vorlagen gemacht : 21 Geseßt- entwürfe einschließli des Reichshaushalts-Etats für das Etats- jahr 1880/81 nebst Ergänzungen, 1 Verordnung, 7 Verträge, 1 all- gemeine Rechnung über den Reich8haushalt für das Jahr 1875, 1 Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben des Etatsjahres 1878/79, 1 Zusammenstellung der fernerweit liquidirten, aus der französischen Kriegékostenentshädigung zu erseßenden Beträge, 1 Bericht der Reics\chuldenkommission, 5 Shreibea des Reichskanzlers wegen Gr- theilung der Ermächtigung zur Einleitung von strafrechtlichen Ver- folgungen, 9 Denkschriften, Berichte und sonstige Mittheilungen.
Von diesen Vorlagen haben die Zustimmung des Reichstages erhalten: 12 Geseßentwürfe, die Verordnung und 6 Verträge; der Bericht der Neichs\{huldenkommission ist durch die Ertheilung der Decharge, die Uebersihten der Ausgaben und Einnahmen u. \. w. durch vorläufige Genehmigung der nachgewiesenen Etatsüberschreitun- gen erledigt; die Liquidationen der aus der französischen Kriegskosten- Entschädigung zu erseßenden Beträge sind genehmigt worden; die Denkschristen, Berichte u. f. w. haben durch Abdruck und Vertheilung an die Mitglieder, bezw. durch die Beschlüsse des Reichstages ihre Erledigung gefunden; ein Gesetzentwurf wurde abgelehnt; unerledigt bleiben 8 Gesetzentwürfe, die allgemeine Rechnung über den Reichs- haushaltsctat für das Jahr 1875, ein Vertrag sowie ein Schreiben des Reichskanzlers, betr. cine strafrehtlihe Verfolgung wegen Belei- digung des Reichstags, /
Zwei von der Gewerbeordnungskommission, bezw. von Mitglie- dern des Reichstags vorgeschlagene Geseßentwücfe erhieltev die Zu- stimmung des Reichstags. ;
Von den Mitgliedern des Reichstags wurden eingebraht: 3 Jn- terpellationen, 11 Anträge und 5 besondere Anträge über Fragen der Fortdauer der Reichstagsmandate.
Die Interpellationen sind von den verbündeten Regierungen sämmtlich beantwortet; von den gestellten Anträgen sind 9 im Plenum erledigt, 2 Anträge sind unerledigt geblieben.
Die Zahl der eingegangenen Petitionen beträgt 1479, darunter 608, welche sih auf die Abänderung des Zolltarifs beziehen; 362 betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, 117, welche die Reichsstemp-:labgaben betreffen. :
Davon wurden 4 später zurückgezogen, 9 sind dem Herrn Reichs- kanzler überwiesen, 59 dur die bezüglichen Reichstagsbeschlüsse für erledigt erklärt, und 172 zur Erörterung im Plenum nicht für geeignet erachtet worden; 952 Petitionen, über welche die Kom- missionen bereits Beschluß gefaßt, beziehungsweise Bericht erstattet haben, kamen im Plenum niht mehr zur Berathung ; 283 Petitionen haben wegen zu späten Einganges, beziehungsweise wegen des bevor- itehenden Schlusses der Session, au in der Kommission niht mehr zur Berathung gelangen können. :
Die Kommissionen haben 24 \chriftlihe und 33 mündliche Be- richte, die Abtheilungen einen mündlichen Bericht erstattet.
Bei den im Laufe der Session stattgehabten Wahlprüfungen wurde die Wahl von 37 Mitgliedern für gültig, eine Wahl für un- gültig erklärt, fünf Wahlen blieben beanstandet und sind damit die \ämmtlichen vorgelegenen Wablprüfungen erledigt.
Vier Mandate wurden auf Grund des Art. 21 der Reichs- verfassung für erloschen erklärt. |
Zusammen sind 11 Mandate erledigt und die nöthigen Schritt: zur Herbeiführung der erforderlichen Ersaßwahlen geschehen.
Landtags - Angelegenheiten.
Von den dem Hause der Abgeordneten zuc
nahme gestellten Vorlagen sind folgende noch unerledigt : A, Regierungsvorlagen.
1) II. und IIl. Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, be- treffend die Aufbringung der Gemeindeabgaben, . ;
2) IL, und III, Berathung des Entwurfs eines Gesehes Über die Organisation der allgemeinen Landesverwaltung. j
3) 11. und 11]. Berathung des Entwurfs eines Gesehes über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichte. (In der XVI, Kommisfion.) :
4) 11. und UII. Berathung des Eatwurfs eines Gesehes zur Ab- änderung und Ergänzung des Geseßes, betreffend die Verfassung der Verwaltungsgerihte und das Verwaltungsstreitverfahren vom 3. Juli 1875 und Einführung desselben in dem gesammten Umfange der Monarchie. (In der XVI. Kommission.)
5) Il. und III. Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, be- treffend die Abänderung von Bestimmungen der Are odann für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Sch esien und Sacsen vom 13. Dezember 1872 und die Ergänzung derselben. (In der XVI. Kommission.)
6) IL. und 1III. Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, be- treffend die Verwerthung von Forstnußungen aus den Staatôswal- dungen in den vormals kurhessischen Landestheilen.
Beschluß-