Dinge gemacht habe, und es wird gleichzeitig beigefügt eine Depesche des Kardinals-Staatésekretärs vom 23. März, an den Nuntius, in welcher die rihtige Inte: pretation des Breve enthalten ist. Bei der hohen Bedeutung dieses hohen Aktenstückes kann ich in dem jeßigen Augenblick keinen Anstand nehmen, Ihnen dasselbe mitzu- theilen, weil es meiner Auffaffung na die eigentliche Vertheidigung der Vorlage enthält. Jh lese es Jhnen in deutscher Uebersetzung vor, das Original ift in italienisher Sprache. Also der entscheidende Passus diefer Depesche lautet folgendermaßen :
Als Gegenleistung für die Bortheile, welche die Kirche begehrt, erklärt sih Se. Heiligkeit von jebt ab geneigt, die Verordnung, daß die Ordinarien, welche wieder in den Besi der Freiheit der Aus- übung ihres Hirtenamtes getreten sind, sofern es sih um eine Er- nernung inamoviblex Pfarrer ‘handelt, si an die Regierung wen- den können, um deren Ansihten oder Einwendungen in Betreff der Kandidaten, um die es sich handelt, kennen zu lernen.
Die vollständige Kenniniß dieser Materie, welhe Ew. 2c. bet- wohnt, érspart es mir, darauf hinzuweisen, daß eine solche Kon- zession niemals anders gesehen kann, als für die inamoviblen Kuraten, da niemals einer Regierung, auch nit denen, die \ich am esten um die Kirche verdient gemacht haben, mehr zugestan - en ist.
Es wird gar nicht {wer sein, nachzuweisen, daß dies eine histo- rishe Unrichtigkeit ift. 5
_Um ferner mögliche Mißverständnisse zu vermeiden, wird Se.
Heiligkeit Sorge tragen, darzulegen, daß die fragliche Untersuchung der Ansicht der Regierung niemals anders betrachtet werden könne, denn als eine Ermittelung des Agréments des Staats. So sehr also auch die Autorität der Kirche alles Verlangen habe, und so sehr es auch in ihrem Interesse sein wird, in den fraglichen Fällen den Staat zufrieden zu stellen, wird doch das leßte Urtheil über die Geeignet- heit, die betreffenden zu erneuern, immer den Bischöfen zustehen, und im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwishen ihnen und dem Staate, dem Oberhaupt der Kirche.
Meine Herren, die Kundgebung, die also die authentische Inter- pretation der Konzession vom 4. Februar enthielt, hat nun der Re- gierung die allerernstesten Erwägungen auferlegen müssen, denn wäre eine von der fkirchlihen Seite immer geforderte organische Revision der Maigeseßgebung möglich, wenn gerade kei diesem ersten fundamentalen, das innere Leben der Kirhe nicht berüh- renden Punkt ein Standpunkt eingenommen wird, der für uns völlig unacceptabel ist? Also ih sage, bei diesem Punkt trat bei uns die Krisis in der Ernägung ein, was weiter zu geschehen habe: sollten wir nun alles als abgebrochen ansehen , auf jede fernere Institution verzichten und die weitere thatsächliche Ent- wickelung abwarten, oder sollten wir im Interesse der Herstellung des inneren Friedens selbständig und ohne uns nah ‘einem Einver- O n anderer Seite umzusehen, die gesetzgeberishe Initiative ergreifen ‘
Die Kurie hat ihrerseits den ersten Weg von ihrem Stand- punkt aus vorgezogen, wie si in der Kundgebung zeigt, wonach alles zurückgenommen wird. Meine Herren! Die Kurie befindet sich in dieser Beziehung in einer günstigeren Lage wie der preußische Stadt, das erkenne ih an, für sie ist der preußische Kirchenkonflikt eine Phase in ihrem Kampf um die Weltherrschaft, sie kann ihre Maßregeln in concreto treffen, je nach ihr:m Belieben , sie kann ihrerseits abwarten, sie kann unter Umständen au den Nothstand von Millionen Katholiken für eine Zeitlang unterordnen den obersten Gesichtspunkt ihrer vatikanischen Universalpolitik.
Meine Herren, auch der Staat könnte sich auf diesen Stand- punkt stellen, warum nicht, und daë ift auch jeßt häufig mit großem Nacdruck betont worden, warum wollen wir nicht auch ruhig das Weitere abwarten? Wir haben ein völlig unanfehtbares System welches wir jeden Augenblick in Konsflikts- wir sind tn einer unangreifbaren
kirhenpolitischer Gesetze, fällen in Bewegung seten können, Defensivstellung.
Hâlte die Königliche Staatsregierung sh auf diesen Standpunkt
estellt, in ronstitutionellem Sinne wäre das vollkommen korrekt ges
andelt gewesen, das erkenne i an, aber die Regierung hat nicht nur eine politish-kon ftitutionelleVerantwortlikeit, sie trägt auch cine sehr schwere moralische patriotisbe Verantwortlichkeit und diese erblickt sie darin, daß es ihre Pflicht ift, bis an die äußerste Grenze dessen, was mit den unveräußerlichen Rechten des Staats vereinbar ist, zu gehen, um ihre katholischen Mitbürger aus ihren gegenwärtigen geistlichen Nothständen zu befreien.
__ Und, meine Herren, soll ich etwa hier auf diesen Nothstand kein Gewicht legen? Jst er denn niht vorhanden? Erlauben Sie mir, Ihnen davon eine kurze Schilderung zu machen. Von zwölf Diözesen sind nur vier unter einer ordnungsmäßigen oberkirchlichen Leitung. Die Domkapitel \hrumpfen von Tag zu Tag zusammen, über tausend Pfarrgeiftlihe fehlen. Ih werde Ihnen gleich aus- einanderseße1, wie wir die Verantwortlichkeitsfrage in diesem Punkte beantworten, so daß in ganzen Di!:rikten eine geordnete Seelsorze kaum oder Üüberhoupt niht mehr möglich is; akademische Lehcstühle der katholishen Fakultäten veröden, der Nachwuchs ‘an jungen Priestera fehlt, der katholische Religionsunterricht an höheren L:hr- anstalten fann häufig niht mehr ertheilt werden. Mèeine Herren, das sind alles Dinge, die in einem überaus ernsten Lichte erscheinen lassen müssen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß diese Zustände nicht ein oder zwet Jahre, fondern Jahrzehnte fortdauern, und in ihren noch vorhandenen Wirkungen von Tage zu Tage sich steigern müssen, wenn wir nit zu einer Beruhigung der Lage gelangen.
__ Die Regierung weiß fich ihrerseits von jeder Verantwortung für das Entftehen dieser Zustände frei — (Große Unruhe. Wider- \prub). — Ja, meine Herren, wenn Sie mir einen Widerspruch eutgegenseben, dann bin ih genöthigt — fehr ungern — hinzuzufügen, daß die Regierung sih nit nur von dieser Verantwortung frei weiß, sondern ganz sicher ist, daß diese Verantwortung auf anderen Seiten beruht. Ich komme immer wieder darauf zurü: der ganze Kampf dreht ih in seiner Genesis und Entwickelung um rein äußere Fra- gen, die das innere Leben der Kirche nit berühren und in welchen wir absolut kein irgendwie für unsere Stellung würdiges Zugeständ- niß haben erkennen fönnen.
=* Mille Herren! Sie haben mi provozirt, ih würde sons in diese Polemik nicht eingetreten sein. Also ich wiederhole, die Re- gierung weiß \ich von jeder Verantwortung für das Entstehen dieser Zustände frei, aber das ‘erschöôpft in ihren Augen ihre Pflichten nit; hier wiegt die moralische Verantwortung kaum leichter als die pólitishe, und wenn sie einen Weg finden kann — und sie erblickt ihn in dieser Vorlage — der ohne die politishe Verantwortung preié- zugeben, die moralische erfüllen kann, so hält se fich verpflichtet, die- fen Weg zu betreten, und sie hält unsere gewissenhafte und politische Volkêvertretung verpflichtet, ihr auf diesem Wege zu folgen.
_ Meine Herren! Wer diesen Standpunkt theilt, den bitte ih ih nit irre führen zu lassen dur die außergewöhnliche Form, welche der Vorlage hat gegeben werden müssen nah Lage der Sache, auch nicht durch die formale Abweisung von dem Ministerialbeschlusse vom 17. März, wel{er in ihr liegt, und vor allen Dingen nicht dur das Nichteinverständniß der Kurie in dieser Frage. Jch muß auf diese drei Punkte noch etwas näher eingehen !
__ Es handelt sich bei Erwägung der Möglichkeit zu einem fried- lichen Verhältnisse der Staatsgewalt zu den kirchlihen Organen wieder zu gelangen, hauptsächlich um drei große Gesichtspunkte, erstens um die Möglichkeit der Wiederherstellung einer geordneten Diöze- fanverwaltung, zweitens um Abhülfe des eingetretenen Priestermangels und drittens um diè Möglichkéit, dieauf dem Gebiete der lirhenpolitischen Gesetzgebung täglih si vollziehenden Kollisionen uud Konflikte in einer \c{onenden, den béiderseitigen Interessen entsprehenden Weise möglichst zu mildern und zu ‘beseitigen. Jh habe vorhin die Ehre geralt auszusprechen, daß diescs Ziel in diesem Augenblick jedenfalls
urch keinerlei organische Nevision unserer Maigeseße, ‘abgesehen von den Punkten, die in der Vorlage enthalten find, erreicht werden kann, und daß nur die Möglichkeit dazu gegeben ift, wenn die Volks- vertretung sich ents{ließt, den, wie ih anerkenne, nicht leiten Schritt zu thun, sei es dauernd, sei es eine Uebergangeperiode der Regie-
rung alßetotdentlihe Vollmachten durch piel Vötlagen in die. Hand zu geben. enn man diesen Standpunkt theilt, meine Herren, dann glaube ich, kommt-man um das formale Bedenken, daß die Vorleistung, wélche der Tei E DUniRerialhefGluß vom 17. März fordert, noch nicht eingetreten sei, do eigentli seh: leiht hiniveg, vorausgeseßt, daß unsere Geseßgebung, die wir jeßt machen wollen, auch ihre Hand- habung, die Garantie dafür bietet, daß den Rechten des Staats nihts nachgegeben wird, und daß wir diese Leistungen allerdings un- bedingt in Anspruch nehmen und au erhalten werden.
Und nun das Nichteinverständniß der Kurie! Daß alle unsere, und wie Sie ja wissen, treulich nah Wien mitgetheilten Erwägungen und Absichten, die ih hier rekapitulirt habe, an - der entscheidenden Stelle im Vatikan keine Sympathie finden würden und gefunden haben, ja, meine Herren, das wußten wir längst, die veröffentlichten Dokumente haben Ihnen das gezeigt. Aber wir sind der Meinung Sin daß es sich hier bei dem jeßigen Stadium um
onzessionen und Gegenkonzessionen niht mehr handelt, fon- dern daß es sich Handelt um den Entschluß der preußischen gesetzgebenden - Faktoren auf den ihnen eigenthümlich und auss{ließlid gehörenden Gebiete in der Gesetzgebung einen ent- {eidenden Schritt zu thun und daß wir ina dieser Hinsicht weder RNücksicht zu nehmen haben, auf fremde Entschließungen noch uns von diesen besonders imponiren lassen.
Meine Herren! Man is nun, nachdem die Aufnahme, welche unsere leßten Entschließungen in Rom gefunden haben, veröffentlicht worden ist, wonach also ein förmlihes Zurückziehen der in de:n Breve gegebenen Versprechungen stattgefunden hat, auf die, ih kann wirklich nur sagen, absonderlihe Idee — gekommen, nun werde doch die Regierung schleunigst ihre Vorlage zurückziehen. Ja, meine Herren, wer uns dessen für fähig hält, muß doch ganz wunderbare Begriffe von der Selbständigkeit der Regierung eines großen Staates haben, welhe zielbewußt und in voller Unabhängigkeit ihren Weg dahinschreitet, um zu einem bestimmten Endresultat im Interesse der Bevölkerung zu gelangen. Die Ent- \{ließungen der obersten kirhlihen Behörden werden natürlich für uns und alle unsere Schritte von dem allergrößten Interesse sein, weil sie in ihrer faktischen Konsequenz es entscheiden, ob wir von gewissen Fakultäten, die wir erhalten, Gebrauhß mahen können oder nicht; aber die geseßgeberishe Arbeit selbst gewissermaßen zu binden, ein vorher eingeholtes Einverständaiß der Kurie, wer uns das zumuthet, glaube ih, bringt uns recht sehr auf den verhängnißvollen Weg, von dem wir zu meinem großen Erstaunen dieser Vorlage gegenüber in den Zeitungen gelesen haben. Ncin, meine Herren, wir verlangen weder, noch erwarten wir Konzessionen von der Kurie, soudern wir erwarten eine weise und verständige Erwägung der Hülfsmittel die wir in der Vorlage hier gegeben haben, um aus dem unglücklichen Zustande herauszukommen. Aber wir werden in voller Selbst- ständigkeit unseren Weg einhergehen und mit Got!es und Ihrer Hülfe an das Ziel gelangen, ohne uns irgendwie irre machen zu lassen dur eine Meinungsäußerung von jens-its der Alpen.
Meine Herren! Gestatten Sie nun. nach diesen einleitenden Be- merkungen noch auf den Inhalt der Vorlage selbst einzugehen. Fch werde, da ja vermuthlich die weiteren Berathung-n, namentlich die zweite, die technischen Gesichtspunkte noch auf das Auzsgiebigste be- leuten wird, um Ihre Zeit nicht zu lange in Anspruch zu nehmen, mi darauf beschränken, die dominirenden politischen Gesichtspunkte der Borlage Ihnen in ganz kurzen Zügen, soweit das nicht schon vor- her geschehen ist, an der Hand der einzelnen Bestimmungen vor- zuführen versuchen.
Ich sagte {hon vorhin: der Hauptgesi&tspunkt, welcher uns jeßt beschäftigen muß, wenn wir den augenblicklihen Zuständen einen Ab- {luß gewähren wollen, ist die Frage nah der Wiederherstellung ge- ordneter Diözesanverhältnisse, Wir mögen uns eine Lösung denken welche es sei, hier licgt der Kernpunkt der Frage. Ohne Erledigung qer Sedisvakanzen ist der Ausglcih unmöglich und deshalb werden Sie es nicht nur begreiflih, sondern absolut nothwendig finden, daß die Vorlage sich in ihren wichtigsten Bestandtheilen mit dieser Frage beschäftigt.
_ Nun, meine Herren, 12 Biêthümer haben wir in Preußen, von ihnen sind 5 dadur erledigt, daß durch das Urtheil des kirblichen Gerichtshofes ihre bisherigen Inhaber aus ihrem Amte entlassen find; eine andere Anzahl ist dur den Tod erledigt; eine kleine Minder- zahl, Kulm, Ermeland und Hildesheim sind augenblicklih noch ord- nungsmäßig beseßt und Fulda genießt den Vorzuz ciner geord- neten Verwaltung eines {on vor den Maigeseßzen eiu- geseßten Kapitelverwesers. Nun wollen Sie sich vergegen- wärtigen, daß die noch unter wirkli oberhir!licher Leitung stehenden Viözesen sowohl der Größe als der Seelenzahl nach eine ganz ver- shwiadende Minderzahl bilden; die Mehrzahl entbehrt ihres Ober- hirten, und es ist also die erste Folge, sich die Frage vorzulegen: wie ist diesem großen kirhliden Nothstande abzuhelfen ?
__ Die Regierung hat bei Erwägung dieser Frage die Möglichkeit, einen oder den anderen der aus dem Amte entlassenen Bischöfe in sein Amt zurückehren lassen zu dürfen, absolut niht außer Er- wägung lassen können, Und dies zu ermözlihen is der Zweck des Art. 4, der sih nah seinem Wortlaut ausdrücklih darstellt als cine ledigli auf diese Herren berechnete Vorschrift, denn er spricht nur von denjenigen katholishen Bischöfen, welhe durch ein Urtheil des kirhlichen Gerichtshofes aus ihrem Amte bereits entlassen find. Wer überhaupt die Meinung theilt, daß der Staat das leisten könne, einen der entlassenen Bischöfe auf seinen früheren Siy zurückkehren zu lassen, der wird au die Form billigen, in der die Regierung diese Möglichkeit zu realisiren beabsihtigt. Die Regiernng ift der Meinung gewesen, daß die Befugniß, dieses auzzusprechen, aus dem Rahmen des lardesherrlichen Begnadigungsrechtes herausfalle, daß es dazu einer besonderen landesgeseßlihen Bestimmung bedürfe.
__Meine Herren! Sie werden ja diese Bestimmungen forgfältig
prüfen und danah Ihre Ents{lüsse fassen. Jch habe hier nur her- vorheben wollen, daß die Möglichkeit, einen oder den anderen der entlassenen Bischöfe auf seinen Siß zurückkehren zu lassen, nah Lage der Sache unbedingt aus dem Kreise der ganzen Erwägungen nicht ausges{lossen werden kann, und deshalb muß die Regterung auch auf die Annahme dieses Artikels in dieser oder einer amendirten Form ein ganz entscheidendes Gewicht legen. He Der Art. 5, der sich auch mit diesem Theil des Dilcmma be- [häftigt, ist ja auch von großer Bedeutung, wenn auch nit von so fundamentaler, wie der Art 4. Es wird ja möglicher-, vielleicht wahrscheinliherweise der Fall eintreten, daß es mit der ordnungs- mäßigen Erledigung der Sedisrakanzen niht so rasch gehen wird, und daß, „wie auch die Geschichte der kirhenpolitishen Beziehungen der katholishen Kirche in Deutsthland genügend zeigt, man zu dem temporären Auskunftsmittel von Bisthumsverwésern wird schreiten müssen. Das, meine Herren, . ist der Zweck des Art. 5, welcher den Hauptanstoß, den die katholisch-kirhlihen Orgäne in dieser Beziehung nach ihrer ganzen Stellung nehmen müssen, zu beseitigen versucht, indem er die Möglichkeit gewährt, die etwaigen Bisthumsverieser von dem vorgeschriebenen Staatseide zu entbinden.
Fecner ist es nothwendig, dem eingetretenen und von Tag zu Tag ih vergrößernden Mangel an geistlihem Personal ein Ende zu machen. Diesem Gesichtspunkt dient der Art. 1 mit denjenigen Dis- pensbefugnissen, welche durch ihn in die Hand der Regierung gelegt werden sollen, und zwar ist jede Fürsorge getroffen, daß einseitige Anschauungen in der Beziehung niht zum Durchbruch kommen kön- nen, indem mit Königlicher Ermächtigang durch das Staats-Mini- sterium diejenigen Grundsätze festgestellt werden sollen, nach denen zu verfahren ist. Meine Herren! Was diesen Punkt betrifft, so ist es ja sehr interessant, abgesehen von dec Ziffer, um die es sich hier handelt, und die ih Ihnen vorhin mittheilte, sich ein- mal die Kategorie von Krlerikern zu vergegenwärtigen , welche eventuell unter Art. 1 fallen würden, das heißt zu Gunsten deren Dispenbbefugnisse von dem Maturitätszeugnisse, von dem akademischen Triennium und eventuell auch von der wissen- \{aftlichen Staatsprüfung gegeben werden sollen, Es würden bei der Wiederausfüllung der Lücken im geistlichen Stande, vorauszesett,
daß wir im Stande sind, Art. 1 der Vorlage iu Anwendung zu
bringen, folgende Kategorien in Betracht kommen:
erstens diejenigen Geistlihen, welche bis zum Snkrafttreten des Geseßes vom 11; Mai 1873 si ihre theologische Ausbildung vollstän- . erworben, aber noch keine Berufung zu einem geistlihen Amte erhalten haben, 2) Diejenigen, welche nah Inkrafttreten des erst- genannten Geseßes und bis zur Schließung der Klerikalseminare diese besucht ha"en, aber mit Rücksiht auf den firchenpolitishen Kon- flikt eine Anstellung nicht finden konnten,
sodann diejenigen Geistliben — und deren Zahl ift eine große — welche zwar auf deutscden Universitäten ein theologishes Studium absolvirt, aber ihre weitere Ausbildung demnächst außer Landes ge- nofsen haben,
ferner diejenigen Geistlichen, welche ihre Vorbildung von An- fang an in ausländishen Universitäten oder Anstalten genossen haben, aber welche {chon, nachdem der Konflikt ausgebrochen war, ihre Ausbildung geno}\sen haben, und
endlich solche jungen Kleriker, welhe nach dem eventuellen In- Érafttreten der Vorlage in die Stadien ihrer theologischen Ausdil- dung erst eintreten würden.
Alle diefe Kategorien, meine Herren, wenigstens die allermeisten — ich brauche hier auf ein Detail nicht einzugehen — würden folche darstellen, zu deren Gunsten die Regierung von den Vollmachten des Art. 1 Gebrauch machen würde.
Nun, meine Hcrren, handelt es sich ja ferner noch um die Frage, die Möglichkeit zu schaffen, diejenigen Härten und Kollisionen zu vermeiden, welche eine unbedingte Anwendung der koerztiven Bestimmungen der Maigeseßgebung zur Folge haben. Wollen der Staat und die kirhlihen Organe es erreichen, in einem freundlichen und wohlwollenden Verhältnisse zu stehen und zu bleiben, und kann dies nicht gesehen in einer auf gemeinsamer Rechtsüberzeugung be- rnhenden organischen Gestaltung unserer Geseßgebung, so bleibt in der That doch nichts anderes übrig, als die Sache vom politischen Gesichtspunkt aus zu betraten und der Regierung diejenige Mög- lihkeit zu verschaffen, welhe nöthig ist, um die große Mehrzahl dieser Bestimmungen in einem Sinne zu handhaben, der nit den Konflikt täglih aufs neue auf die Bühne bringt.
Das, meine Herren, sind die wesentlichsten, ih möchte sagen, die aus\{ließlihen Tendenzen der Art. 2, 7 und 9, Namentlich der leßte Artikel ist ja einer, von dem ih allerdings sagen muß, daß er eine starke Zumuthung an einen gewissenhaften Gesetgeber telt. Es foll die Möglichkeit konstruirt werden, von der ordnungsmäßigen Handhabung der Strafjustiz im öffentlichen Interesse abzusehen, gewissermaßen also auf diesem Gebiet die Justiz der Verwaltung unterzuordnen. Es läßt si dies aber nit vermeiden. Jeder weiß, worum es ih handelt. Wenn die Regierung sih dazu entschlossen hat, diesen Schritt Ihnen vorzuschlagen, so ist es auch wiederum lediglich die Grwägung, daß es si in diesem ganzen Cyklus von Geseßen doch ganz wesentlich um solhe Handlungen handelt, die an sich von dem moralischen Gefühl aus meist nichts strasbares enthalten, fondern die dazu gemacht werden müssen, im Interesse einer korrekten Regulirung des Grenzzebiites zwishen Staat und Kirche. Wenn man das anerkennt, dann glaube ich, wird man sehr leiht — und ih habe das ja auch in diesem hohen Hause {hon vor mehreren Monaten unter dem Beifall der Majorität des Hauses ausgeführt — zu der Erwägung kommen können und kommen müssen, daß die Strafgeseße, welche in der Matigeseßgebung sanktionirt sind, doch in der That sih ihrem ganzen Wesen nach von dem reinen Strafrecht ungemein weit unterscheiden, daß sie im wesentlichen auf politischen Momenten beruhen, und daß die Möglichkeit vorhanden sein muß, namentlich ehe man im Stande ist, sih über eine allgemeine Aende- rung der Gesehgebung zu verständigea, wenn überhaupt der tägliche Zusammenstoß und das Aufladen des Konflikts in jedem Falle und an jedem Orte vermieden werden soll, auch vom politishen Stand- punkt aus die Frage zu beurtheilen, ob in dem einzelnen Falle ge- straft werden soll oder niht. Weil Vollmathten in diesem Sinne im Interesse der Wiederherstellung friedlicher Zustände in der jetzigen Zeit nicht zu entbehren sind, aus diesen Gründen muß die Regierung auf dea Art. 9 entshiedenes Gewicht legen. Ich will hier gleich beim Art. 9 eine Einschränkung und Einschaltung machen, nämlich dahin, daß der Artikel niemals, dazu lassen Sie mich den Ausdruck ges brauchen — gemißbraucht werden wird, um diejenigen Aktionen kirchlicher Oberen zu_decken bei ihren künftigen Amtshandlungen, die geradezu gegen das Staatsinteresse und die ihnen gesetzlich obliegen- den Pflichten etwa angehen sollten. — Ich will alîo sagen, die Strafen von ihnen fern zu halten, wenn sie der geseßlichen Anzeige- pflicht nicht genügen. Das betrachte ih als selbstverständlich, und unter diesem Vorbehalt würde ih wenigstens, so lange ich verant- wortliher Minister bin, den Art. 9 nur zur Anwendung zu bringen vermögen. Nun enthält die Vorlage außerdem noch einzelne Ver- besserungen im Interesse der katholishen Bevölkerung, die ih hier übergehen werde. Jh will nur noch erinnern an den Art. 10, der wohl im hohen Hause ungetheilten Beifall finden wird, indem er Gelegenheit giebt, die gemeinnützige Thätigkeit der der Krankenpflege si widmenden Orden nach Kräften zu fördern und zu erweitern.
Nun, meine Herren, werden Sie mich \chließlich fragen, welchen Gebrauch die Regierung eventuell von mir gewährten Vollmachten zu machen gedenke, und wie sie sich die prattische Esatwickelung und die fernere Gestaltung unserer kirchenpolitiscen Verhältnisse nah eventueller Annahme der Vorlage vorstellt. Hierauf möchte ih mir erlauben, Folgendes zu erwidern: Zunächst liegt in der Annahme der Vorlage ein ganz eminenter Vortheil, sei es, daß Sie sie in unver- änderter, sei es, daß Sie sie in amendirter Form annehmen, vorauê- geseßt, daß ihre welentlichen Bestimmungen unberührt bleiben. Die Vorlage bringt nämli in dieser Beziehung den unläugbaren Vor- theil mit fi, daß die Regierung dadurch in den Besitz einer ganz festen, landesgeseßlih fixirten Basis gelangt, von der aus sie für künftige Fälle ihre Vorschläge mit der Wirkang machen kann, daß gegebenen. Falls die Ausführung der Vorschläge sofort und unverzüg- lich eintreten kann, daß namentlich die fkonkrete Behandlung der Fälle in den einzelnen Diszesen, die ja der Zeit na au einander- liegen wird, je nah der Lage des Falles {sich wird gestalten können, je nah der Laze der Verständigung über gewisse Fundamentalpunkte. Werden ihr diese Vollmachten versagt, meine Herren, so entbehrt sie dieser Grundlage und ist in jedem einzelnen Fall hingewiesen auf den unbestimmbaren unsicheren Weg der Einholung einer künftigen par- lamentarishen Bewilligung, die vielleicht erst nah Monaten eintreten kann und die zur Folge bat, daß die ganze Konjunktur, die man zu benutzen in der Lage sein würde, zum großen Nachtheil der Regelung der Sache verloren ginge.
1 3400, meine Herren, das kommt Ihnen wahrscheinlich etivas stark diplomati vor, aber es ist so; Sie können die Regelung nicht an- ders als auf diesem Wege erlangen, und deshalb trage ib gar fein Bedenken, Ihnen die Gedanken vorzuführen, die in dieser Beziehung die Regierung erfüllen. Aber, wird man nun sagen, ja mcin Gott, nah diesen Crfahrungen, die ihr ja gemaÞht habt, nachdem alles ab- gelehnt ift, nahdem Ihr selbst hier erklärt, es sei die Hoffnung einstweilen aufzugeben, auf die Basis einer faktischen Verständigung zu gelangen, nah diesen Erfahrungen glaubt Ihr nun mit Cff (ft eine Vorlage gebrauchen zu können, die Cuch auf diesem Wege weiter bringen fotl? Es wird ja gar niht mögli sein, daß, nachdem jeßt durch die leßten Kundgebungen festgestellt ist, daß auc die kleinste Konzession ¿urückgegangen ist, man sich zu einer Verständigung auf jener Seite wird entschließen können. Meine Herren, das ist môg- i, aber ih gebe keine8wegs zu, daß die Voraussetzungen, von denen die Regierung ihre"seits ausgeht, unter keinen Umständen eintreten werden, Meine Herren, die Kurie hat in ihrem bisherigen Verhalten gezeigt, daß sie ihre Entslüsse ändeit je nah der veränderten Sit ation, und weshalb follte nicht bei weiser Grwägzung der Satlage auch eine folche Aenderung wieder zu Gunsten friedlicher Auffassungen eintreten und zwar bakd ein- treten? Und dabei bitte ih, das Eine noch besonders ins Auge zu fassen, diese legte Kundgebung, welche also ia nicht mißzuver stehender Weise die Thür der Verhandlungen zuzuschlicßen scheint, ist geschehen vor Kenntniß unserer Vorlage. Die Depesche, welche den Pro-
nuntius anweist, unserem Botschafter zu erklären, daß der von der preußischen Regierung vorgeshlagene Weg der Fakultäten nicht den Beifall der Kurie habe und daß auf Grund dessen die Zusage des Breve rom 24. zurückgenommen sei, datirt vom 14. Mai und ift bereits am 19. hier in unseren Händen gewesen, bevor ih die Ehre hatte, die Vorlage einzubringen, woraus Sie auch \ch{on ersehen Fönnen, daß wir mit vollem Bewußtsein der Sachlage uns zur Ein- bringung entshlofsen haben. Da bin ih doch wohl berectigt, zu fragen, - wird es denn fo ganz ausges{lossen sein, daf, wenn die Landesvertretung die Regierung in die Lage seßt, faktisch auf dieser Basis vorzugehen, und wenn die Regierung demgemäß nach der anderen Seite hin ihre geeigneten Eröffnungen macht, daß dies auf fruchtbareren Boden als bisher fällt? Es muß deshalb betont werden, daß die Regierung den allergrößten Werth darauf legt, die Möglichkeit zu Le, auf ein solches Entgegenkommen von der anderen Seite zu provoziren. :
Was nun die praktische Entwikelung der Dinge auf dem Boden der Vorlage betrifft, so tritt ja in allererster Reihe die Frage heran: wie werden diejenigen Prälaten, welche auf Grund dieser Norlage in den Diszesen fnngiren werden, ihre Stellung zur Regie- rung auffassen? In dieser Beziehung habe ih zu bemerken, daß, so weit umfassend auch die Vollmachten find, welche die Regierung von JFhnen verlangt, doch diejenige sich nit darunter befindet, daß von der Anzeigepflicht dispensirt werden kann.
Sie wissen ja Alle, m-ine Herren, daß der Streit um die An- zeigepflicht der \prinçende Punkt in unserem kircenpolitishen Kampfe ist, weil die kirhlihen Organe si nicht dazu entschließen können, diesen - einfachen Akt zu begehen, den sie fast allen anderen Staaten gegen- über zu befolgen kein Bedenken tragen. Daher sind alle Wirrnisse entstanden, daher die Sedisvakanzen, die Lücken in den Reihen der fatholishen Geistlihen und der Verfall der kirchlihen Zustände.
Also, wenn wir so Vieles und so Schweres haben über uns er- gehen lassen, um den Preis dieser fundamentalen Errungenschaft der neuesten Zeit nit fallen zu lasen, so können Sie sich wohl denken, daß wir vnter keinen Umständen uns darauf einlassen können oder eingelassen haben, jemals darauf zu verzichten. Aber es wäre auch ein \solher Verzicht deshalb niht möglich, weil §. 17 des Geseßes vom 11, Mai 1873, der unberührt bleibt, ausdrücklich erklärt:
Die UVebertragung eines geistlichen Amtes, welche der Vor- rift des §. 1 zuwiderläuft, oder welche vor Ablauf der im §. 15 für die Erhebung des Einspruchs gewährten Frist erfolgt, gilt als nicht geschehen. S
Also die Regicrung würde, selbs wenn sie so nachgiebig wäre, in einzelnen Fällen von der Anzeigepflicht dispensiren zu wollen, da- mit einen rechtsungültigen Zustand {afen müssen und davon kann nun und nimmermehr die Rede sein. :
Nun glaube ich, daß ein jeder kirhlider Obere, der vor die Frage gestellt wird, ob er oberhirtliche Funktionen in den Diözesen ausüben will, nah diesen meinen Erläuterungen und wenn dieses Gese zu Stande kommt, sich die Frage wird vorlegen müssen : Wie werde ich mein Verhalten der Staatsregierung gegenüber ein- zurichten haben, und die Regierung wird — ih bekone dies aus- drücklih — sich in jedem einzelnen Falle die Gewißheit und Ga- rantie dafür verschaffen müssen, daß dieser Pflicht auch genügt wird. Meine Herren, ich sollte meinen, ein Bischof, welcher unter solben Umständen in seine Diözese zurückkehrt, thut es nicht — wenn ih mich eines transzendentalen Ausdrucks bedienen darf, der in diesen Tagen durch die Zeitungen gegangen ist — wahrhaftig nicht als Triumpha- tor, sondern als ein Mann, dem ernste Erfahrungen der früßeren Zeit die Ueberzeugung aufgedrängt haben der Nothwendigkeit, sich mit der Staatsregierung in friedliches Einverständniß zu seßen. Wäre es denkbar, meine Herzen, daß diese Erwägung în irgend einem Falle niht Play griffe, so würden wir ja — darauf können Sie sich fiber verlassen, daß wir dieser Pfliht genügen wür- den — vollkommen die Fakultät in der Hand haben, dem Geseß volle Geltung zu verschaffen. Jch glaube Ihnen alfo Gage zu Vaben, Dig vie Borlace, wie le 11G íöIhnen darstellt, alle Elemente dazu enthält, um einerseits ein fried- liches Weiterleben im Staate und im Verhältniß des Staates zur Kirche zu garantiren und dem Nothftande, welcher sich auf dem katholischen Kirchengebiete geltend gemacht hat, im Interesse unserer Bürger ein Ende zu bereiten und zugleich der Würde und der Macht- stellung des Staates nicht das Mindeste zu vergeben. Daß diese Norlage ernstliche Bedenken ihrer außergewöhnlicen Form wegen hervorrufen wird, das weiß die Regierung und sie ist. bereit, in die forgsamste gemeinschaftlihe Erwägung mit Ihnen darüber einzu- treten, wie und in welchem Theile diesem Bedenken Abhülfe ge- {hafen werden kann, aber auf Annahme des Kerns — das wieder- hole ich — bleibt sie bestehen und muß darauf den äußersten Werth legen. Und so, meine Herren, empfehle ih Ihnen denn die Annahme der Vorlage, Wir bieten sie unsererseits an dem Friedensbedürfniß unserer katholischen Mitbürger, der Friedensliebe aller politischen Parteien im Lande und der reifen Erwägung derjenigen Stelle, von welcher in leßter Instanz das Verhakten der katholischen kirclihen Organe abhängig ist. Wir unsererseits möchten nicht gerne vor der Geschichte und vor unserem Gewissen die Verantwortung dafür über- nehmen, irgend etwas unterlassen zu haben, was unter Wahrung der
Machtstellung des Staats geschehen kann, um den inneren Frieden L herzustellen, dessen unser Vaterland wahrhaftig dringend genug edarf.
Der Abg. Dr. Falk erklärte sich gegen die Vorlage. Der Kultus-Minister habe in zutreffendster Weise hervorgeboben, daß der Staats-Ministerial-Beshluß vom 17. März d. F. hohwichtig sei, Wenn man sih den Fnhalt desselben und das, was der Minister noch authentish über denselben mit- getheilt habe, vergegenwärtige, so werde man sofort die ¿Folgerung gerechtfertigt finden, daß der Standpunkt, der in dem Beschluß niedergelegt sei, durhaus mit dem Üübereinstimme, der an dieser Stelle in vergangenen
eiten mehr als einmal zum Ausdru gekommen jei Und daß dieser frühere Standpunkt in dem Ministerial- beshluß einen sehr prägnanten Ausdruck bekommen habe, denn es werde für das Vorgehen der Regierung als Vorausseßung gefordert der sihtlich und in Thatsachen ausgedrückte Beweis dafür, daß den versöhnlihen Absichten Sr. Heiligkeit des Papstes praktishe Folge gegeben würde. Vor Allem werde von einem Verhalten der Geistlichkeit gesproben, das eines Entgegenkommens würdig wäre. Der Minister habe weiter darin Recht, daß, mit Ausnahme einer einzigen, in allen Parteien dieser Beshluß volle Billigung ge- funden habe, und daß man jene Vorausseßungen nicht nur für das Eine oder das Andere in Anspruch nehmen müsse, sondern für das Ganze. Er habe daher auch nur gemeint, daß in Bezug auf das Ganze der frühere Standpunkt festgehalten worden sei. Die klare und präzise Fassung des Beschlusses, das energische und doch maßvolle Gefüge der Säße dränge zu der Annahme, daß bei seiner Formulirung die Feder des mächtigen Mannes thätig gewesen sei, der an der Spiße der Regierung stehe, und der es wiederholt ausgesprochen habe, daß, wenn die Lücken der Geseßgebung erst durch Geseße er- gänzt seien, die Regierung sih hinter diesem Bollwerk aus- dauernd und abwartend in die Defensive stellen könne, bis von der anderen Seite ein friedliebender einsihtigerer Mann käme, als der gewesen sei, der damals die Geschide der rô- mischen Kirche geleitet habe. Am 12. oder 13. April sei dieser Beschluß veröffentliht worden; damals habe derselbe un- zweifelhaft noch dem Standpunkt der Regierung entsprochen. Auch die Depesche vom 20. April stehe noch ganz auf dem-
spreche von Konzessionen, die pari passu gehen sollten. Was | hätte man also zu erwarten gehabt ? Eine Anweisung des Papstes an die Bischöfe, nah jenem Breve an den Herrn Paulus Mel- chers (Rufe im Centrum: An den Erzbischof!) Anzeige zu machen und sodann ein weiteres Entgegenkommen auf Seiten der Re- gierung. Sei die Geistlichkeit nun entgegengekommen? Denke man nur an die Dortmunder Versammlung! Von diesem Entgegenkommen sei aber gar keine Rede, im Gegentheil suche die neueste päpstliche Aeußerung jedes freundlihe Erwidern zu vermeiden. Die Vorausseßungen also, an welche jener Ministerialbeshluß eine ähnli he Vorlage wie die heutige knüpfe, seien in keiner Weise erfüllt. Der Entwurf wolle nun an die Stelle bestimmter Geseße das Ermessen der Ver- waltungsbehörden seßen. Dem könne er sih nit anschließen. Für jede Aenderung der kirchenpolitischen Geseße sei auch die Vorausseßung gewesen, daß man eine Garantie für den Er- folg haben müsse. Andernfalls — das sei wiederholt ausge- führt — würde man die gewonnene Position aufgeben und sich in derselben Lage befinden wie vorher. Es sei stets er- kannt worden, daß das von den bedauerlihsten Fol- gen sein würde. Das päpstliche Breve vom 24. April beweise z. B. klar, daß mit der Anzeige der designirten Geistlihen nihts gefordert werde, was irgendwie im Gegen- saß stehe zu den Anforderungen des kirhlihen Glaubens. Gleichwohl solle die Anzeige nicht erfolgen, weil eben die Kirche resp. deren herrshende Organe jedes Entgegenkommen perhorreszirten. Er frage si, welche Gründe für die Staats- regierung wohl vorgelegen hätten, die bisher inne gehabte Stellung aufzugeben. Er habe keine anderen gefunden, als die, welche er gestern in einem hiesigen Blatte gelesen habe, dessen Beziehungen zur Königlichen Staatsregierung wohl nicht geleugnet werden könnten, nahdem inzwischen die Publi- kation einer ganzen Reihe von kirchenpolitishen Aktenstücken Seitens der Regierung in diesem Organ erfolgt sei. Aber gerade nach diesem Briefwechsel sei es ihm unerklärlih, wie es möglih gewesen sei, das heutige Geseg dem Hause vorzulegen. Die Regierung fühle die Verpflihtung, ihre Liebe zum Frieden ernstlih zu bethätigen. Drei Momente sprängen aus jenem Communiqué der „Nordd. Allg Ztg.“ in die Augen. Das eine sei, die Regierung müsse doch dem Papste mit Sicherheit sagen können, was sie ihm entgegen bringen könne; darum die Vorlage und darum auch die Eile der Vorlage. Ob dieser Gesichtspunkt einmal in der Vergangenheit zugetroffen habe, wolle er niht untersuchen ; aber in diesem Augenblick, darüber seien wohl alle Parteien einig, treffe derselbe niht mehr zu. Sodann werde von der Pflicht der Regierung, ihre Friedensliebe zu bethätigen, ge- sprochen ; hierauf komme er später zurück. Endlich werde als Hauptgrund ein Gedanke bezeichnet, der auch heute, aber Gott sei Dank in einer andern Weise die Rede des Kultus-Ministers durh- zogen habe, nämlich, daß der Staat diese Dinge nur durch die Staatsgeseßgebung regeln könne. Es sei da gesagt, die Staats- regierung habe den Muth gehabt, sich lediglih auf den Boden der Staatsgefeße zu stellen. Aber wohin komme man, wenn man das schon als Muth bezeichne, was selbstverständlich sei ? Das sei und müsse unbestreitbar bleiben, daß lediglih der Staat innerhalb seines Gebietes zu bestimmen habe. Die Vorlage der Regierung habe in weiten Kreisen der Bevölke- rung tiefen Eintruck gemacdt und die größten Besorgnisse hervorgerufen, welche ihm aber durchaus gerechtfertigt erschie- nen. Bisher habe man von Seiten der Kurie nur Worte des Friedens vernommen, eine -entsprehende That sei nirgends wahrgenommen worden, obgleih der oben erwähnte Staats- Ministerialbes{hluß ausdrücklich deutlich erkennbares versöhn- liches Entgegenkommen von Seiten der Kurie verlangt habe. Nun aber erfahre man aus der leßten Kundgebung des Papstes sogar, daß es eigentlich für die Kurie sogar selbstverständlich sei, nicht nachzugeben und Alles zu fordern, um fast Alles zu er- reichen. Da sei es doch unbegreiflich, daß dem Hause die Vor- lage von der Regierung gemacht werde, welche der Kirche mehr zubillige, als sie je beanspruht habe. Da müsse man doch den Eindruck gewinnen, als ob der Staat niht mehr das Vertrauen zu sih selbst habe, als ob derselbe die zähe Aus- dauer verloren habe, welche der Staat ganz besonders brauche, durch welche gerade Rom so oft so große Siege erfochten habe. Die größte Erregung rufe es hervor, daß, als ein zwingender Punkt dieses Gesehes das Recht zur Rückberufung der ausgewiesenen Geistlihen angesehen werde. Die Motive begründeten diesen Artikel mit Bezugnahme auf das Begna- digungsrecht der Krone, und in der That liege die Gestattung der Rückkehr und die Anerkennung der Bischöfe in der Aus- übung Königlicher Gnade. Das Mindeste, was aber für die Ausübung einer Begnadigung gefordert werden müsse, sei doch die Gewißheit, daß in Zukunft ein geseßliches Verhalten eintreten werde. Diese Voraussezung sei aber in keiner Weise erfüllt, sie sei lediglih ein frommer Wunsch. Der Kultus- Minister habe zwar gesagt, irre man sih in der künsfti- gen Würdigung des Bischofs, so könne man ja auf Das zurückgreifen, was das Geseß Unfähigkeit im Amte nenne, um die Entfernung wieder herbeizuführen. Wer könne das aber für möglich halten? Sei es wirkli denkbar, daß man die Sache heute so und morgen so machen könne? Man denke an die Vergangenheit! Die Zeit der Kölner Wirren sei im Lande nicht vergessen und die Ereignisse der legten Jahre hätten das Gedächtniß an sie wieder aufgefrisht. Erinnere man sih an die Erzbischöfe Dunin und von Droste-Vischering und vergleiche man die Entseßungsurtheile mit denen aus den leßten Fahren. Wie wenig habe Droste gethan, und wie shwer hätten sich die andern versündigt! Und Droste sei nicht wieder auf seinen Stuhl gekommen, diese Bischöfe aber sollten wieder eingeseßt werden? Nach einem solchen Schritt sei es wohl erklärlich, daß sih die Ueberzeugung, die unbewußte Emfin- dung geltend mache, daß der Staat doch am Ende nit hoch genug von si selber denke — niht vom Jnhalt seiner Ge- seße, denn diese seien wandelbar —, aber nicht hoch genug von der Souveränetät seiner Geseße. Diese Bestimmung werfe einen Schatten auf das ganze Geseß. Er sei niht der Meinung, dieser Gesichtspunkt könne etwa nur in diplomatischen Kreisen — er wolle direkt sagen — von Eindruck sein, sondern er sei überzeugt, daß derselbe zul alle Selbstdenkenden Eindruck machen würde, insbesondere au denjenigen Theil der katholischen Bevölkerung, der bisher zur Staatsregierung gestanden habe. Das sei seine Ueberzeugung : Damit sei die Wirkung zu Ende und dahin trage sie nit, wo sie allein von Bedeutung sein könne, auf die große Menge der Katholiken in Deutschland, die bisher das Centrum in die parlamentarishen Versammlungen geschickt habe. Es sei ja s{limm, wenn man Wünsche, die man selbst gern theilen
keit der Haltung der Staatsregierung? Nun, liege es denn nicht, wenn man die Vergangenheit der legten 7 Jahre be- denke, vor aller Augen, daß es der politishen Centrumspartei, daß es der Geistlichkeit gelungen sei, die irrige Auffassung in der katholischen Bevölkerung zu erzeugen und zu festigen, es handle sich um einen Kampf gegen den katholishen Glauben. Es sei recht {wer geworden, die katholishe Bevölkerung in diesem Glauben zu erhalten, sie zu bestärken, daß man in Folge dessen kämpfen und dulden müsse, denn damit allein fomme man zum Ziele. Bis vor Jahr und Tag habe man keine Thatsachen bringen können, daß ein solches Verhalten zum Ziele führen könnte. Vor Jahr und Tag aber hätten fnich Entwickelungen gefunden, die dem Centrum allerdings seine Arbeit erleihtert und seinen Erfolg vermehrt hätten. Dies fkonstatire die Regierung selbst. Es heiße in einem Schreiben vom 20. April d. J., seit dem Antritte des jeßigen Kultus-Ministers seien erhebliche Kon- zessionen Seitens des Staates g macht worden, ohne daß die andere Seite etwas gethan hätte. Und nun sollte es dem Centrum nit das leihteste Spiel bereiten, dieser Bevölkerung klar zu mahen: Das sei der Erfolg des Kämpfens? Und man gebe sich solchen Thatsachen gegenüber der Hoffnung hin, es könnte ein Dankgefühl der katholishen Bevölkerung für den Jnhalt der Regierungsvorlage kommen. Es sei traurig, daß man solche Hoffnungen nicht hegen könne, aber es sei nothwendig, auf diese Täushung in der Argumentation des Kultus-Ministers aufmerksam zu machen. Als einen Erfolg werde man es auffassen, als einen ersten Schritt des Gegners, der endli seine Schuld einsehe. Daraus entspringe dann auf jener Seite die Ueberzeugung, daß das weitere Aus- harren auch weitere gute Früchte bringen müsse, dar- aus entspringe nicht Friede, sondern weiterer Kampf. So weit er die Stimmen der gegnerischen Seite sehe, bethätige si diese Auffassung bereits. Es sei vorx kurzer Zeit ein an- geblihes Wort des päpstlihen Nuntius zu Paris durch die Zeitungen gegangen: „Die Kurie habe den Fürsten Bismarck mürbe gemacht, solle man sich da vor Grévy und Gambetta fürchten?“ Er wisse niht, ob der Nuntius das gesagt habe, er wisse aber, daß das mit dem Mürbemachen des Fürsten von Bismarck eine Thorheit sei. Sehe man doch die Depe schen, die derselbe geschrieben habe, an ; aber auf das, was wirklich sei, komme es hierbei nicht an, sondern auf die feststehende Ueberzeugung der Menge, von dem was sei, und dies scheine ihm der Standpunkt der Depeschen, die würdig seien der Staats- regierung und des Mannes, der sie geschrieben. Die katho- lishe Bevölkerung, von der er gesprochen habe, lese diese Depeschen nicht, sie sehe ein Nachgeben des Staates gegenüber den Drohungen des Papstes, sehe, daß der Papst auf seinem Standpunkte beharre, und ziehe daher den Schluß, daß auch die Regierung auf dem ihrigen beharren müsse. Er wisse nicht, was aus der Vorlage werden würde, aber selbst, wenn sie verworfen würde, so fürchte er, daß damit der Schaden, der durch die thatsählihe Einbringung der Vorlage verursacht werde, nit geheilt sei. Wer von allen Mitgliedern dieses Hauses möchte in Bezug auf den Mangel an Seel- sorgern, der vorliege, nicht die Sympathien haben, die in dem Schreiben vom 20. April ausgesprochen seien, und die der Kultus-Minister weiter dargelegt habe, obwohl ex nicht umhin könne, einen Zweifel dagegen zu äußern, ob das ziffermäßige Ergebniß der Vakanzen in der That ein adäquater Ausdru für den wirklihen Mangel an Seelsorgern sei. Die Vor- lage bleibe ein unauslös{lihes Zeugniß für die Nachgiebigkeit des Staates. Bemühe sich der Staat, die Schuld der anderen Seite auszugleichen, so komme derselbe leiht in den Ver- dacht, er sei der schuldige Theil. Wie sehr aber die Kurie huld sei, beweise der Ausspruch eines im Kirchenrecht und in der Kirchengeschichte sehr erfahrenen Mannes, daß die Behin- derung der Seelsorge durch die Kurie eine Art modernen «Interdifts sei. Die Kurie richte allerdings ihre Politik nach den Thatsachen ein, wenn aber die einsihtigere Beurtheilung noch soweit im Felde stehe, und wenn der Kultus-Minister dieses selbst zugebe, warum ziehe man es denn nicht vor, noh etwas zu warten ? Der Kultus-Minister habe gesagt, er er- warte von der Gewissenhaftigkeit und dem Patriotismus, daß man si seiner Auffassung anschließe. Er (Redner) hätte ge- wünscht, dieser Ausdruck wäre nicht gebraucht worden; es liege darin, daß die Gegner der Vorlage niht das Maaß von Patriotismus besäßen, er habe es für seine unausweichliche Pflicht gehalten, mit allen Kräften gegen die Vorlage zu sprechen. Selbst der Gesichtspunkt für die Vorlage, daß sie geeignet sei, das Centrum zu sprengen, sei nah der Ermittelung der leßten Tage, nachdem die Stellung des Papstes klar sei, bedeutungs- los geworden. Der Hinweis auf Oesterreich, einen katholischen Staat, treffe bei Preußen, einem paritätishen Staate, nicht zu. Besorgniß errege ihm nur die Aeußerung des Reichs- kanzlers, daß nah seinem Rücktritt ein konservativ-klerikales Ministerium den Gang nah Canofsa antreten könnte. Sein Wünschen, sein Hoffen, sein Glauben gehe dahin, daß diese Perspektive Preußen nicht eröffnet werde, ebenso aber sei er davon durchdrungen, daß alle hier ertheilten Fakultäten bis auf den leßten Titel unwirksam blieben. Er sei völlig davon über- zeugt, daß die Unterhändler der Kurie ein bedauerliches, riesen- | haftes Unverständniß für diepreußishen und deutschen Verhält- hältnisse bewiesen hätten; aber wenn es sih darum gehandelt habe, Vortheile für sih zu erwerben, dann hätten die Diener der Kurie immer gewußt, durch ausdauernde Energie, Ge- wandtheit, Auffindung der mannigfaltigsten Pläne, au solcher, die niht vor Jedermanns Augen lägen, ihre Zwecke zu erreichen. Sollte jeßt die Kurie denn auf einmal diese Eigenschaft verloren haben? Als nach Erlaß der oktroyirten Verfassungsurkunde der Staats-Minister von Ladenberg die Bischöfe aufgefordert habe, sich mit ihm ins Einvernehmen darüber zu seßen, wie die bekannten Verfassungsartikel wirk- lihes Recht werden sollten, da hätten dieselben erwidert, daß die Verfassungsartikel selber hon gegenwärtiges Recht gäben, und daß sie, die Bischöfe, nach denselben verfahren würden. Es sei nicht leicht, gee Bestimmungen, die man lange unangewendet gelassen habe, wieder anzuwenden. Jn der Möglichkeit, von den niedergelegten Es zu jeder Zeit wieder Gebrauch zu machen, liege kein Mittel, einen Konflikt aufzuhalten. Die Waffen seien rostig geworden. Man sehe dies an dem Beispiel Frank- reihs. Die Bestimmung einer Frist gebe keine Garantie da- für, daß man nah Ablauf derselben die Vollmachten zurüdck- geben könne. Sei denn die Vollmacht nicht in der That ein Definitivum? Wenn innerhalb eines Jahres die Bischöfe wiederkämen, was bleibe dann für die Verlängerung der Voll- machten übrig? Man wolle eine geseßliche Bestimmung treffen, die ohne das Entgegenkommen der Kurie kein Leben finden
möchte, nicht theilen könne, sondern als fromme bezeihnen müsse.
ben Standpunkt, sie nehme auf den Beschluß Bezug und
Warum beginne an jener Stelle die Grenze für die Wirksam-
könne, Betrahte man doch die gegenwärtige Sachlage,