1880 / 125 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 31 May 1880 18:00:01 GMT) scan diff

meinerseits lasse derselben alle Gerecbtigkeit widerfahren , aber id für meine Person bin der Meinung, daß außerdem zu einer gedeihliwen Leitung der Staatsgeshäfte des mir anvertrauten Ressorts noch ein mehreres gehört, nämlih eine weit- herzige Beurtheilung der im Lande vorbandenen Schäden und der feste Entsbluß alles zu thun, was in Menschenkräften steht, diesen Schäden Abhülfe zu vershaffen. Jh habe gestern {hon die Ehre gehabt, auseinanderzuseßen, ich verbinde beides vollkommen mit ein- ander, idie politishe Verantwortlichkeit und die moralisbe Verant- wortlichkeit. Daß die erstere das den Staatsmann Beherrschende sein muß, das versteht sich ganz von selbst. Hier aber ift die Frage : giebt es nicht einen Weg, beide Verantwortlihkeiten harmonis zu verbinden mit dem Erfolg, daß wir einen friedlihen und versöhn- lihen Zustand herstellen ?

Ginge es, meine Herren, weiter fort, unentwegt nach den ftarren Grundsäßen, die der Hr. Abg. Dr. Falk uns geftern auseinander ge- seßt hat, so werden wir nicht über Jahr und Tag, auch viht über fünf Jahre, auch nicht über zehn Jahre den kirh- lihen Frieden haben, sondern wir werden ihn niemals erhalten. Das ift eine Situation, meine Herren, die die Staatsregierung nicht wünschen kann, und insofern unterscheide ih mi allerdings prinzi- piel und sehr weit von dem Standpunkte, welchen der Hr. Abg. Dr, Falk uns geftern entwideli hat. Ih weiß nicht, ob es die S{lußworte des Hrn. Abg. Dr. Falk waren, aber jedenfalls kam es in seiner Rede vor: diese Vorlage ist so verwerflih, daß selbst im pee ihrer Verwerfung der Schaden nit wieder gut gemacht werden ann, den ihr Einbrirgen verursacht hat. Jch, meine Herren, sage umgekehrt: diese Vorlage ist so vortrefflich, daß selbst im Falle ihrer Verwerfung die Vortheile nie wieder aus der Welt geschaft werden können, die ihr Einbringen verursacht hat, den Vortheil, daß sich im Laude die Ueberzeugung verbreitet: die Regierung hat alles gethan, was in ihren Kräften steht, um dem Lande den inueren Frieden wieder zu

verschaffen.

Der Abg. Dr. von Stablewski erklärte sich Namens seiner politischen Freunde gegen die Vorlage. Der Kultus-Minister habe soeben ausführlih darzuthun gesuht, daß der recursus ab abusu ein von der katholishen Kirche anerkanntes Jnstitut sei. Die von demselben zitirte Aeußerung des Erzbischofs Geißel beziehe sich nur auf die Theorie. Der Kirchenrehts- lehrer Schulte erkenne in seinem Werke an, daß dem Staate über die kirhlihe Amtsführung des Bischofs ein Aufsichts- recht nicht zustehe und daß der Bischof dafür dem Staate nicht verantwortlih sei. Derselbe sage ausdrücklic, daß es einen recursus ab abusu nur dann gebe, wenn ein solhes Reht gemäß besonderer Vereinbarung festgestellt sei. Wenn der Abg. von Zedliß hervorgehoben habe, daß das Prinzip der individuellen Glaubensfreiheit in dem Saße sei- nen Ausdruck finden möge, daß in Preußen Jeder nach seiner Façon selig werden könne, so acceptire er das für seine Partei mit Freuden, denn sie wolle ja nur nach den Lehren der rômish-katholischen Kirche selig werden. Troß des großen Nothstandes des katholischen Volkes sei diese Vorlage keine erfreulihe. Daß derselben der Abg. Dr. Falk entgegengetreten sei, wundere ihn nit; derselbe sei ja ein Kampfes-Minister gewesen und stets vom Niederwersen des Gegners gesprochen ; die staatsmännishen Gesichtspunkte der Vorlage habe der- selbe freilih nicht begreifen können. Daß aber au der jeßige Kultus-Minister, der, wie derselbe selbst sage, den Frie- den wünsche, meine, durch die Maigeseße würden Dogmen nit verleßt, klinge seltsam, denn dann wäre ja der weitere Kampf berechtigt. Den Mangel an Verständniß dafür, daß die Geseßgebung Dogmen verleßt habe, beweise auch die Rede des Dr, Falk, die Entrüstung, welche derselbe zur Schau ge- tragen, daß das katholische Volk seinen Seelsorgern anhänge. Es sei eben Glaubenspflicht für die Katholiken, die Oberen zu respektiren. Den religiösen Nothstand habe der Abg. Dr. Falk ein mo- dernes Znterdikt genannt. Es sei au ein Jnterdikt, aber verhängt durch Dr. Falk über das arme fkatholishe Volk, er erinnere nur an die Ausdrücke, wie Gehalts\perre, Vereins- sperre U. st. w. Wenn hier die Rede sei von den kirhlichen Wirren im Jahre 1839 und 1840, so möchte er darauf hin- weisen, mit welher Ahtung man den damals gefangen ge- seßten Bischöfen begegnet sei, wie anders sei der Abg. Falk verfahren! Die katholischen Bischöfe hätten mit Spißbuben unter einem Dache gesessen. Der Erzbischof von Ledochowski habe im Gefängniß gesessen und als seine zwei Weihbischöfe die Weihe vorgenommen hätten, seien auch fie ins Gefängniß geworfen. So scharf sei das Schwert des Gesetzes gehandhabt worden. Man habe den Polen reihsfeindlihe Be- strebungen vorgeworfen. Worin beständen sie denn ? Jn den Bemühungen, die durch völkerrehtlihe Ver- träge den Polen zugestandenen Vorbehalte für ihre Nationalität zu wahren. _Die Einheit Deutschlands hätten die Polen nirgends bekämpft. Dem Centrum mache man den Vorwurf, daß es die Regierung in der polnischen Frage an-

egriffen habe. Jhm sei es zwar genug, daß der RNeichs- anzler eine polnische Frage anerkannt habe; fo viel er si erinnere, habe das Centrum in den Verhandlungen über die Verdeutshung der Ortsnamen und die Er- haltung der ‘polnishen Sprache in den polnischen Volksschulen seine Partei unterstüßt, aber niht blos das Centrum, sondern alle Parteien seien damals moralisch auf Seite seiner Partei gewesen, Die Zeit, wo man si für den Kulturkampf begeistert habe, sei vorüber und grade die besseren Elemente wollten den Kampf aus der Welt geschafft haben. Der Abg. Falk möge sich freilih von seinem Jdeal nicht trennen! Die Zuversicht auf den Sieg der mate- riellen Macht im Kampf mit dem Gewissen sollte doch auch durch die Erfahrungen der Geschichte herabgestimmt werden. Gesetze, deren Ausübung das Gewissen verbiete, müßten un- wirksam sein, weil sie niht von der öffentlihen Ehrfurcht ge- tragen würden. Was habe man denn mit diefen Gesetzen er- reiht? Nur materielle Zerstörung sei diesen Gesetzen ge- lungen. Wie viele Priester hätten sich denn dem Gericht8- hof gestellt? Wie viele Domftapitel seien denn zur Wahl eshritten, wie viele Staatspfarrer habe man denn über- aupt? Das Volk sei niht länger geneigt, die Seelsorge zu entbehren. Zwei Millionen Katholiken seien ganz oder zum großen Theil ohne Seelsorge. Die Folge davon sei, daß selbst in religiós angelegten Herzen Ünmuth und Bitterkeit sih festseze, während die leihten Elemente der Jrreligiosität in die Arme fielen. Die Presse fast aller Parteien e die Maigesegze für verfehlt erklärt und man verlange, daß seine Partei die Majestät solcher Gesetze anerkennen jolle, die selbst zum Theil von anderen Parteien als ungerecht bezeichnet seien ? Müßte die Regierung nicht selbst sofort diese Gesetze abschaffen ? Werde dur sie niht die Achtung vor den Gesetzen überhaupt diskreditirt ? Die Geduld des fkatholishen Volkes unter dem Drucke dieses Nothstandes, die Ergebnng und Opferfreudigkeit sei die {hönste Palme des christlihen Sinnes im Kulturkampf. Ein Staatsmann müßte sih über eine solhe Erscheinung freuen! Jn Rußland, welches {on seit

lismus geschaffen.

Brodkorbgesez müsse aufgehoben, die verwaisten Pfarreien wieder beseßt werden. Der Abg. Graf zu Limburg-Stirum spra zunächst dem Minister seinen Dank aus für die gestern und heute gespro- enen Worte; dieselben würden die Majorität des Landes überzeugen, daß dieser Minister der geeignete Mann sei, die Sache zu einem glücklihen Ende zu führen; derselbe werde die Rechte des Staats nicht aufgeben und alles Mögliche thun, um der Kirche zu ihrem Rechte zu verhelfen. Er (Redner) selbst habe mit großer Entschiedenheit bei der Schöpfung der Maigeseße mitgewirkt; ihren Grundgedanken halte er auch heute noch für rihtig. Aber er habe sich da- mals glei gesagt, daß bei dem zu erwartenden großen Wider- stand der katholishen Bevölkerung T aan häts- ten aufgenommen werden müssen, die wieder außer Kraft zu seßen wären, sobald der Friede wieder einträte. Wahrlich aus Freude am Kampf sei seine Partei nicht in den Kampf ein- getreten. Man hätte diesen Kampf aber besser auf dem Ge- biete der Verwaltung geführt; nur ungern habe seine Par- tei die Nachtheile geseßliher Bestimmung mitnehmen müs- sen, um den höchsten Vortheil, die Feststellung der Rechte des Staats gegenüber der Hierarchie, zu erreichen. Die wesentlihen Punkte der Maigeseße würden bleiben müssen ; nämlich, daß die Geistlihkeit neben ihrer speziellen Ausbil- dung auz diejenige bekomme, die die Gesammtheit der preu- bischen Unterthanen habe, daß dem Staate der Einspruch gegen die Anstellung von Geistlihen und die Zurückweisung von Uebergriffen der Geistlichkeit auf das Gebiet des Staats im Bereiche der Disziplin gewahrt bleibe, und daß endlich die kirchlihen Orden von dem Boden des preußischen Staates fern blieben. Das Centrum appellire an die konservativen Gefühle seiner Partei, die Herren hätten allerdings selbst viel von konservativen Grundsäßen gesprohen und au mitunter Gedanken ausgeführt, die ihm (dem Redner) sehr gefielen, z. B. die gestrige Aeußerung des Abg. Windthorst, daß der König nicht wie ein wesenloser Schatten über den Dingen s{hweben, sondern ein willenskräftiger Faktor der Regierung sein solle. Aber in der praktishen Ausführung der Sache habe er die Hülfe des Centrums fast immer und \{chmerzlich vermißt. Es habe leider bei allen Fragen, in welchen es die Autorität des Königs und der Regierung zu wahren gegolten habe, seine Macht in die andere Wagschale geworfen, und immer nur ge- fragt, was nüße und fromme der Kirche? So habe auch der Abg. Windthorst gestern wieder erklärt, daß bei der katho- lischen Bevölkerung jedes andere Jnteresse hinter dem der Kirche zurüstehen müsse. Der Vorwurf des Centrums, daß die Kon- servativen feindselig gegen die Kirche seien, oder die Rechte des Staats preisgäben, berühre seine Partei daher nicht ; die Vor- lage sei der einzig möglihe Weg zu einem dauernden und sichern Frieden. Der Ruf nah Frieden habe \sich im ganzen Lande geltend gemacht; Konsecvative und Liberale hätten den Frieden in ihren Wahlprogrammen versprochen. Darum habe ih die Regierung gesagt, wie komme man zum Frieden und wie denke die Kurie darüber? Daher sei der einzig richtige Weg dieser akademischen -Besprehungen in Wien gewesen. Dieselben hätten zwei große Resultate ergeben : Klarheit über die gegenseitigen Ansprüche, während früher jeder Theil, die Kurie aber mehr als die Regierung, nur Nachgiebigkeit von der anderen Seite erwartet hätte; die Kurie wisse jeßt, daß gewisse Dinge nicht preisgegeben werden könnten; zweitens den be- stimmten Ausspruch der Kirche, daß das, was er als ersten Schritt zum Frieden bezeihnen müsse, die Befolgung der An- zeigepflicht niht gegen das innere Wesen der Kirche verstoße. Werde der Anzeigepflicht genügt, so könnten in den beseßten Diözesen geordnete Zustände bestehen und sowohl in die blos staatsrechtlihen, als auch in die nah kanonishem Necht vor- handenen Sedisvakanzen die Wahlen vorgenommen werden. Man habe nun in Rom es mit einer Macht zu thun, die in diesen Dingen, die das innere Wesen der Kirche nicht berührten, freie Hand habe, für statthaft oder unstatthaft zu erklären, was sie wolle. Jm Staate habe man sich aber in den leßten De- zennien gewöhnt, Alles, was praktischer und mit geringem Beil- aufwand besser durch die Verwaltung geordnet werden könne, geseßlich zu regeln und dadurch mehr Starrheit in die Dinge gebracht, als vielleiht nöthig. Solle nun die Regierung der Kurie gegenüber in gleiher Weise vorgehen, wie diese es könne, so müsse die Regierung möglichst große Fakultäten er- halten; und aus diesem Grunde sei es nothwendig, der Re- gierung die in der Vorlage geforderten Vollmachten zu geben. Man behaupte, daß die im Art. 4 enthaltene Erlaubniß Zur Wiedereinseßung der abgeseßten Bischöfe die Meinung erregen könne, der Staat sei vollflommen unterlegen und die Kirche seße den Fuß auf seinen Nacken. Aus den Erklärungen des Ministers gehe aber unzweifelhaft hervor, daß die Bischöfe nicht zurückehren könnten, wenn sie nicht die Anzeigen zu leisten versprähen. Könne da von einem Triumph der Kirche die Rede sein? Das Diskutiren, wer gesiegt Habe und wer nit, entsprehe überhaupt niht dem Ernst und der Würde der Sache. Es frage sch nur, gebe man dur Annahme dieser Vorlage unveräußerlihe Rechte des Staates preis oder niht? Das Volk würde diesen Eindruck nicht gewinnen, son- dern mit Vertrauen auf die Männer blicken, die das Geseßz handhabten. Der Abg. Falk habe gestern hauptsächlih das Gefühl des Mißtrauens in das Volk zu bringen gesucht. Er könne nur dem Gefühl des Befremdens Ausdruck geben über die Art, wie derselbe gegen die Vorlage gesprochen habe; sie würde den Eindruck machen, daß der Abg. Falk nicht in dem Maße der intellektuelle Urheber und Leiter der Maigeset- ebung gewesen sei, wie man bisher geglaubt habe, daß der- elbe vielmehr nur ein shneidiger und geschickter Ausführer von dem gewesen sei, was von anderer Seite beschlossen sei. Er habe in den Ausführungen des Abg. Falk jede Spur einer staatsmännischen Ader vermißt. Jmmer nur aus dem Mißtrauen heraus deduziren, das könne er nur als eine kleinliche Art Politik zu treiben, bezeichnen. Man sei diese Auffassung bei der Fortsrittapartei gewohnt, bei der der Abg. Falk des- halb auch gestern den größten Beifall gefunden habe. Der Abg. Falk habe sih an die Divergenz zwischen dem Ministerial- bef{chluß und der Vorlage geklammert. Der Grundgedanke in Beiden sei aber derselbe: Preußen könne mit Rom kein Kon- fordat machen, aber die Regierung wolle pari passu mit Akten der Geseßgebung vorgehen, je nachdem ihr durch Erfüllung der Anzeigepfliht die Möglichkeit zum Entgegenkommen ge- boten werde. Wenn man freilih so deduzire, als wenn der böse Feind an der Spitze der Dinge in Deutschland stehe, so könne man etwas anderes von dem Geseß erwarten. Aber

Gegen die Vorlage habe er dieselben Be- denken wie der Abg. Windthorst. Er werde für die Ueber- weisung der Vorlage an eine Kommission stimmen. Das

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viele Jahre seine ganze Kraft daran geseßt habe, das Deutsche Reich zu schaffen und den kirchenpolitishen Konflikt hätte auf- nehmen müssen, um eben das Deutsche Reich fest zu gründen. Der Abg. Falk sollte fich doch hüten, seine Autorität gegen die des Reichskanzlers auszuspielen! Wenn das Haus dem Reichs- kanzler das Gesey verweigere, so sei das gerade so, als wenn ein Geschäftsführer von seinen Sozien die Möglichkeit ver- lange, in ein gewisses Geschäft einzutreten, und diese ihm dazu die Mittel- verweigerten; er glaube niht, daß das Volk damit einverstanden sein werde. Möge die gemäßigt liberale Seite erwägen, wohin es führe, wenn man das Volk daran gewöhne, alle Vorlagen aus dem Gedanken zu beurtheilen, was könnte ein böser Mensch damit Böses anfangen? Wie solle es dann werden, wenn an die Stelle des Reichskanzlers Leute kämen, die weit mehr als derselbe darauf angewiesen seien, Vertrauen zu suchen. Er {ließe sich dem Antrage an, die Vorlage einer Kommission von 21 Mitgliedern zu über- weisen, und hoffe, daß man zu einem allseitig befriedigenden Resultate gelangen werde.

Der Abg. Dr. Virchow bemerkte, wenn man den Vor- redner höre, so meine man in der That, die staatsmännischen Eigenschaften in konzentrirter Gestalt vor si zu sehen. Vielleicht dürfe er aber in dieser Beziehung daran erinnern, daß es eine Zeit gegeben habe, wo Niemand dem Abg. Dr. Falk mit größerer Begeisterung gefolgt sei und dessen Ver- dienste mehr glorifizirt habe, als der Abgeordnete, der eben ausgesprochen habe, daß in dem früheren Minister Falk keine staatsmännische Ader sei. Wenn man von seiner Partei, die dem Treiben der Parteien unbefangen zushaue und ein unabhängiges Urtheil habe, verlange, die Fortschrittspartei solle den Herren nahgehen auf den Wegen, die \ie staats- männish nennten, dann würde man in der allerkürzesten Frist zu einem Wirrwarr gelangen, der keinen An- pru mehr auf den Namen „konstitutionelles Staats- leben“ hätte. Man s\prehe {hon jeßt vom Minister- tisch, von den Vänken des Centrums und der Frei- konservativen aus mit einer gewissen Jronie von dem „tonstitutionellen Wesen“. Man fordere das Haus auf, von solchen Formalien abzusehen. Das Haus habe hier auf dem Recht zu bestehen, welches demselben die Verfassung gebe und welches es seinen Nachfolgern ungeshmälert überliefern müsse. Eine solche Vollmacht, wie die jetzt verlangte, sei seit Gründung der preußischen

Konstitution niemals beantragt worden. Er könne der Regierung eine Dispositionsbefugniß nicht geben, ohne daß im Gesetze stehe, wann diese Befugniß angewendet werden solle (Wider- spruch rechts). Die Herren von der rechten Seite seien wahrscheinlich klüger, als er; und wüßten {on jeßt, wann die Regierung gnädig oder ungnädig sein werde. Nehme man einmal den Fall mit den Bischöfen. Glaube man denn wirkli, es werde ein Bischof zur preußischen Regierung kom- men und sagen: Er habe gesündigt pater peccavi? Dieser Fall sei ganz undenkbar. Oder gesebt, die Regierung träte an den Bischof mit einer solchen Aufforderung heran; wenn dann der Bischof aber sage: er danke bestens, er wolle sein Recht haben, niht aber begnadigt werden, was dann? Man zer- brehe sich den Kopf über die beste Fassung dieses Artikels und dabei habe derselbe gar keinen Sinn ; so lange die Geseß- gebung überhaupt aufrecht erhalten bleibe, kriehe kein Bischof zu Kreuze. Jhm mache die Sache überhaupt den Eindruck, als handle es sih mehr um ein äußeres Gefecht, als handle es sih darum, mehr Worte zu geben, auch in Form eines Ge- seßes, die nah oben und unten den Eindruck großer Fried- fertigkeit und fester Grundsäße maten sollten. Der Neichs- kanzler indessen sprehe in den Depeschen gar nihts von Friedensbedürfniß des Landes, wie der Kultus-Minist:rx hier ; der leßtere sei also ein wenig weniger staatsmännisch, als der Reichskanzler. Der Reichskanzler sei so sehr staatsmännisch, daß derselbe die ganze Frage nur auf das Verhalten des Centrums ansehe. Sei das Centrum U, ber willige es viel neue Steuern, dann lasse \ih auch mit dem Papste unterhandeln, verweigere das Centrum aber das Scanksteuergeseß, wolle es Beeren und Pilze nicht den Ritter- gutsbesizern ausliefern, dann sei die Sache zu Ende und die Unterhandlungen würden abgebrochen. Darum drehe sich die ganze Korrespondenz: Der Papst solle das Centrum koramiren. Dieser Zustand sei eine wahre Abnormität im preußischen Staatsleben, aus dem alles Andere cher als Friede hervor- gehen dürfte, namentlih weil auch das Verhältniß der anderen Parteien zur Regierung \sich fortwährend ändere. Die Kon- servativen hätten bezüglih der protestantischen Kirche nicht einmal ein fertiges Programm, sie wüßten niht recht genau, was sie mit der Kirche wollten, sie hehaupteten jeßt, daß der Kulturkampf die protestantische Kirche auch furchtbar ges{chä- digt habe, ohne es beweisen zu können. Die kleine Fort- schrittspartei habe wenigstens den Vorzug eines festen und bekannten Programms, welches weder die protestantishe noch die katholische Kirche als die vollberehtigte anerkennen wolle, sondern die Gemeinde als das Glied Brat welcd;es der Staat anzuerkennen habe, dessen weitere Gestaltung derselbe frei gebe. Wenn man aber eine Art von katholischer Staats- kirche privilegirt vor allen übrigen und dirigirt von Rom aus, wolle, so könne seine Partei sich niht dazu entschließen. Die Schwierigkeit liege darin, daß der Staat sih nicht ent- {ließen könne, von dem bestehenden Verhältniß abzugehen, obgleich der Reichskanzler selbst anerkannt habe, daß zu einem erträglihen Verhältniß mit Nom keine Möglichkeit vorhanden sei. Troßdem eröffne man die Verhandlungen mit Rom. Wie müßte die preußische Geseßgebung gestaltet werden, um einen dauernden Frieden herbeizuführen? Der Weg, deu die Vorlage einschlage, führe niht dahin. Der Minister habe es abaclébnt: daß dies der Weg nah Kanossa sei; nun auf den Namen des Ortes komme es nicht an, wenn man dem Papst entgegenkomme und seinen Willen thue. Die Depeschen seien nux im Auszuge mitgetheilt und wenn man einmal in den Besiß eines Originals komme, finde \sich gleih eine Stelle darin, die alterirend auf den Tenor einwirke. Solche Mitthei- lungen seien sehr wenig lehrreih, namentli, wenn fie nicht in einer würdigeren Form zur Kenntniß kämen, sondern bloß durch die Zeitungen. Es seien doch auch manche Stellen recht dunkel. Er wolle noh einen Passus berühren, der die Fort- schrittspartei betreffe. Jn dem vom Fürsten Hohelohe gezeich- ten Erlaß vom 5. Mai sei davon die Rede, daß das Centrum immer verbündet gewesen sei mit den sozialistishen und fort- schrittlihen Republikanern. Es handele sich dabei um ein amtlihes Schriftstück, welches der Botschafter der fremden Macht mittheilen solle. Das lasse man nachher noch abdrucken, freilich überreihe man es nicht persönli, aber man lasse es in der Zeitung druckten. (Nufe: Zur Sache !) Er hoffe doc, daß die

langer Zeit seine Maigeseße habe, hätten dieselben den Nihi-

wer würde"das von dem Reichskanzler glauben, kder selbst so

Herrn von der rechten Seite dieses Hauses bei dieser höchst ernst- haften Sache, wo es si um die politische Ehre anderer Abgeord-

ter handele, ein Herz dafür haben würden. Das sei ja wirkli un- nier O in dieser Weise behandelt zu werden ; die rehte Seite dieses Hauses könne vielleiht auch einmal als Feind des | Vaterlandes einer auswärtigen Macht denunzirt werden. Die- es Haus sei versammelt auf Grund der beschworenen BVer- | assung, niemand habe der Fortschrittspartei sagen können, | daß sie gegen die Geseße des Landes gehandelt habe, daß sie die Ehrerbietung gegen den König verleßt habe; die Tenden- zen seiner Partei seien dem ganzen Volke bekannt, die Stellung derselben sei nah oben und unten volllommen flar. Es sei ja leiht zu verdächtigen, aber er wünsche doh nicht, daß die deutshen Gesandten dazu gemiß- braucht würden, um fremden Regierungen LEMREEE über Mitglieder dieses Hauses mitzutheilen. Nun sage der Kultus-Minister: die Regierung wolle Frieden und reund- haft nah allen Seiten. Da müsse man doch die Parteien niht entwürdigen und sie betraten als Dinge, mit denen man handeln könne. Man habe seine Partei früher besser beurtheilt. Bezüglich des Wahlaufrufs der Fortschrittspartei vom 23. März 1872, als die staatsmännischen Eigenschaften der rehten Seite etwas niedergegangen gewesen seien, da habe die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ bemerkt, die Fortschrittspartei habe sich den kirhenpolitishen Gesezen angeschlossen, um im Verein mit den andern liberalen Parteien die Regierung in einem Kampfe ; zu unterstüßen, der mit jedem Tage mehr den Charakter eines großen Kulturkampfes der Menschheit annehme. Jetzt stelle man die Fortschrittspartei mit den Sozialisten zusammen als die Schlimmsten der Schlimmen dar. Es sei ihm gleichgültig, wie man ihn im Auslande darstelle, man kenne ihn da schon auf andere Weise. Mache man sich doch nicht gegenseitig \{lecht; er wünshe von den Konservativen follegialish behan- delt zu werden. Einer Gesehgebung, die in solhem Maße den Charakter der Willkürherrschaft trage, werde er und seine politischen Freunde niemals zuftimmen. Wenn noch das Geseß \ich nur auf die katholische Kirche bezöge ; aber das sei nirgend ausgesprochen; er wolle aber die liberale Richtung in der pro- testantischen Kirche nicht der orthodoxen Richtung preisgcben. Aber auch wenn das Gesez nur für die katholische Kirche gelten solle, so müßte man doch zur Ablehnung desselben kom- men. Denn es lasse sih ein gemeinsamer Rehtsboden zwischen Staat und Kirche nicht finden ; es bleibe nichts übrig, als daß der Staat si entschließe, eine vollständig unabhängige Kirchen- geseßgebung hinzustellen. Die Vorlage lasse sich nicht amen- diren ; deshalb wolle er und seine politishen Freunde auch feine Kommissionsberathung, sondern Erledigung der Vorlage im Plenum. Hierauf nahm der Minister der geistlichen 2c. Angelegen- heiten von Puttkamer das Wort: Meine Herren! Auf alle diejenigen Gesichtépunkte, welche der Hr. Abg. Dr. Virchow in seiner Rede ausgeführt hat, hier no ein- mal zu antworten, das sei mir {on um deswillen erlassen, weil ih ja bereits zweimal in dieser Debatte das Wort genommen habe; aber ih glaube, er selbst wird wünschen, einige Aufklärungen von mir zu erhalten, und die will ih ihm doc gebon. j u j er Herr Vorredner hat mit einer für mich volllommen be- A a s von einer Depesche gesprochen, welche die An- klage enthält, daß das Centrum sich mit den Sozialisten und fort- \chrittlihen Republikanern verbündet. Meine Herren! Ich will darauf nur erwidern, daß ich es für selbstverständlich halte, daß in dieser Depesche keine parlamentarische Partei gemeint sein konnte. Aber, wenn die Herren wünschen, daß ih ibnen von dieser Stelle aus den Kommentar zu demjenigen politischen Gedanken gebe, der in dieser Depesche wohl gelegen hat, so will ih das versuchen. Ich glaube, wenn die Regierung in die Lage kommt, die Thätigkeit gewifser Par- teien im Lande zu beurtheilen, so hat sie die Verpflichtung und jeden- falls das Recht, auszusprechen, auch in amtlichen Schriftstücken, wie sie sich die direkte und indirekte Folge der Thätigkeit dieser Parte ien im Lande denkt, und da halte ich es nicht für ausgescblossen, daß dieser Depesche der Gedanke zu Grunde gelegen hat, daß die Kon- sequenzen der politischen Thätigkeit der Hortschrittspartei im Lande allerdings unvereinbar E n einer gedeihlichen monarchischen iterentwicklung unserer Zustände. : E n Wort biv, will ih noch auf einige andere Gesichtspunkte des Hrn. Abg. Virchow zurückkommen. Gr sagt, er könne nicht finden, daß der Weg, den die Vorlage eins{lägt, zum dauerhaften Frieden führt. Erftens ift ja {on wiederholt hervor- gehoben, daß dieser Ausdruck „dauerhafter Frieden vielleiht nur ein uneigentlicher ist, es handelt sich hier um Anbahnung thatsächlicher Friedensverhandlungen, aber es klang aus den Worten des Hrn. Abg. Nirchow namentli im Zusammenhange mit der Streifung seines kirhen- politischen Programms doch hindur, daß er wohl seinerseits einen fol- chen Modus wijse, wie man zu eincm dauerhaften Frieden kommen könne, und da kam denn der von ihm so sehr oft und mit solcer großen logishen Schärfe betonte Gedanke zum Vorschein: _Lrennung der Kirche vom Staat, d. h. er hat es heute so ausgedrückt: man gebe blos einzelnen Gemeinden absolute Unabhängigkeit, die mögen h dann ihre Bischöfe machen wie sie wollen. * Das ift ein Theil des Programms, das der Herr Abgeordnete notorisch seit langer Zeit vertheidigt. | Nuz, meine Herren, mit dieser Trennung der Kirche vom Staat hat es doch eine ganz eigene Bewandniß, und ich glaube, die Ge- schichte lehrt uns das. Wenn in unserem auf Jahrhunderte langer Entwicklung beruhenden monarchischen und historishen Verhältniffen dieser Grundsaß der Trennung der Kirhe vom Staat durhzeführt wird, meine Herren, wem wird es zu Gute kommen ? Gs t 10 will einmal den Ausdruck gebrauchen auf übertrieben katholischer Seite sehr häufig in Parlamenten und außer den Parla- menten auszesprohen worden: wir wären mit dieser Trennung sehr zufrieden. Meine Hekren, da liegt ein fehr wahrer Gedanke zu Grunde. LTrennen Sie in Deutschland die Kirche vom Staat, dann haben Sie u 20 res a R an Kleri- , darüber können Sie ganz beruhigt sein. : E sagt der Hr. Abg. Virbow: Wie denkt sich denn die Re- gierung die Ausführung dieser Vollmacht, was will fie denn mit der auptklausel machen, welche die Wiederkehr des einen oder anderen ishofs ermöglicht ? Da stellt er denn folgendes Dilemma: entweder muß der Bischof sagen: pater peccavi, ih werfe mi zu Füßen, oder d.r Staat muß sagen: ach komme do, wir möchten dich so gern wieder haben. Meine Herren! Jh glaube, auf diesem Gebiete wenn ih auch nicht der Meinung bin mit dem Hrn. Dr, Virhow, daß die Diplomaten blos dazu da find, um die anderen Leute zu überlisten könnte der Hr. Abg. Virchow wirklich von den Diplo- maten etwas lernen. Daß die Verhältnisse und die Verhandlungen #ch nur in diesem aut aut bewegen könnten, das ift doch in der That nicht zu denken, und ih habe {hon vorhèr die Ehre ge» habt, an einen in Preußen historishen Fall zu erinnern: die Wiederkehr des Erzbischofs; da ist aber vom pater peccavi einer- seits und dem empressement andererseits gar niht die Rede. Wenn also der Hr. Abg. Virchow sagt, die Regierung zerbriht sich den Kopf darüber, wie das künftig werden wird, so möchte ih ihm rathen, sich doch nicht seinen Kopf darüber zu zerbrehen, oder ih

kann es noch anders ausdrücken: Er zerbriht sich heute {ou ;

f darüber! Das ist denn doch eine Fürsorge für uns von S R b Ma, Virchow, die ih in aller Bescheidenheit ab-

' Maigeseß, a : e den Les ln der übrigen abzuhelfen; noch niht der Friede sei es, aber der Waffenstillstand, zwar noch kein modus vi- vendì, aber S nicht mehr der modus pereundi. Vorlage sei eine l

| R Kirche. Preußen werde den Frieden haben, weil es ihn haben müsse. Der große Streit, der durch die ganze | Jeßtzeit hindurhgehe, der Kampf z1 ( zwischen Ordnung und Unordnung könne nur, wenn Frieden

werden. Der Abg. Falk habe mehr als der Vertreter einer

Stöcker erklärte, dieser Entwurf sei wieder ein

a ge f das befte aller Maigeseße, da es dazu diene,

Die riedensphase in dem großen Kampfe zwischen

wishen Böse und Gut, auf firhlichem Gebiete bestehe, seinem Ende entgegengeführt

vergangenen Epoche, als im Namen seiner Fraktion gesprochen. Der R a Sbaden, den derselbe in der Einbringung dieser Vorlage sehe, werde geheilt durh ihre Annahme. Er halte diesen Geseßentwurf für das Brod, das der Existenz des preußischen Staates nothwendig sei, entgegen der vom Abg. Windthorst ausgesprochenen Ansicht, der denselben für Gift ansehe. Ein Kampf gegen den Glauben sei der Kampf der Maigeseße eigentlich nicht gewesen; derselbe sei es aber durch die Umstände geworden. Daß aber die Anschauung, man könne außer dem Schatten der Kirche leben und sterben, unrihtig sei, das sei allen Denen klar, die mitten in dem Leben und Treiben des Volks ständen. Jn Journalen und Versammlungen habe man die christliche Kirche zu einem Sturm- bock gegen die christlihe Weltanshauung gemacht. Gegen diese Mißstände sei eine gemeinsame Verbindung beider Kirchen nothwendig. Daran könne Niemand zweifeln, der mit Klar- heit in die Abgründe des Volkslebens sehe. Die Fortschritts- partei habe hierfür kein Auge, sie habe die Gabe nicht, die Bedürfnisse der Gegenwart zu verstehen, sie fühle nicht, daß die Weltgeschichte über sie zur Tagesordnung übergehe, sie bilde die Arrièregarde der Geschichte, was allerdings kein Fortschritt sei. Die Fortschrittspartei habe sih gegen die Bezeichnung „republikanish“ gewehrt. Er habe zu seiner Jn- formation das vornehmste Blatt dieser Partei gelesen, und dieses habe vor 2 Jahren am 18. März geschrieben: „Wer am 18. März 1848 thätig oder duldend Theil genommen, habe eine Bürgerpflicht erfüllt, und die Erinnerung daran sei eine Art Gottesdienst.“ Das et mt republikanisch, das sei revolutionär durh und durch. Zum Kampf gegen solche Tendenzen sei die Verbindung beider Kirchen ein gutes Werk. Zwar scheine in der leßten Zeit in den Regionen der hohen Politik etwas Sturm ge- herrsht zu haben, er sehe aber doch in den Wolken den Friedensboten. Seine Partei wolle im Verein mit der Re- gierung das Beste thun zur Herstellung des Friedens, gleich- gültig, ob jegt die Kurie ihre Zustimmung dazu gebe oder nicht. Nach der gestrigen Erklärung des Ministers scheine durch die Vorlage die Stellunz der Kurie nicht besser zu werden, wohl aber die des Centrums und der Katholiken Deutschlands. Er sei überzeugt, hätte der Kurie dieser Geseßentwurf arge: legen, sie hätte die legte Depesche nicht geschrieben. Es sei nußlos zu fragen, wer Schuld sei am Kulturkampf. Die Frage nah der Schuld sei unnüg in Sühneterminen, und Staat und Kirche lebten ja auch gewissermaßen in einer Ehe. Lasse man das Vergangene vergangen sein. Ohne das Vati- kanum wäre der Kulturkampf nicht entstanden und ohne die Härten und Fehler der Maigefeze nit so erbittert ge- worden; ohne daß sich die öffentlihe Meinung so sehr seiner bemächtigt hätte, wären so viel Schäden nicht ent- standen. Diese Schäden ließen si statistish nachweisen. Jn Berlin seien nach dem städtishen Fahrbuch mehr Kinder aus rein katholishen Ehen ungetauft geblieben als aus rein evan- gelishen. Der Abg. Virchow frage, worin die evangelische Kirche dur den Kulturkampf geschädigt werde. In Berlin stehe man vor einem Bankerott des kirchlichen Lebens. Das Civilstandsgeseß stehe im engsten Zusammenhang mit dem Kulturkampf, es sei aus diesem Grunde so übereilt und für die Kirche zu schnell, zu unvorbereitet eingeführt worden. Wenn man die Macht des Centrums als so groß schildere, sei es nicht gerade der Abg. Falk, der das Meiste dazu gethan habe? Allerdings müsse der Staat seine eigenen inneren An- gelegenheiten autonom ordnen, aber nimmermehr werde id die romanische Jdee von der absolut freien Kirche im absolut freien Staat in Deutschland durchführen lassen. Die Autonomie des Staates mache denselben aber nicht absolut. Nah der Erklärung des Ministers sei der Abschluß eines Konkordates bei der prinzipiellen Verschiedenheit der beider- seitigen Ansichten unmöglich. Die bloße Stellung der Kirche unter das Vereinsreht halte er bei der engen organischen Verbindung, in welcher in Deutshland Kirche und Staat ständen, und bei dex Rivalität der beiden Hauptkirchen nicht für möglih. Wenn man vom status quo ante spreche, fo handele es sich darum, ob man den von 1850 oder von 1870 meine. Die Zeit von 1840 bis 1860 sei vielleiht eine Zeit des nationalen Niederganges für den preußischen Staat ge- wesen, aber sür die Kirhe sei die Lage nicht \{lecht gewesen. Ein Zwang, sih dem Prinzipe der Autonomie des Staates zu widerseßen, sei für die evangelische Kirche nicht vorhanden, aber auch für die katholische Kirche scheine ihm dieser Zwang nicht vorzuliegen, nur müsse eben die Geset- gebung der Kirche gegenüber nicht blos gereht, sondern au billig sein. Man berufe sich nun auf die Majestät des Ge- sches, das gehalten werden müsse und wolle dem Kultus- Minister nicht so elastishe Geseße bewilligen. Aber man habe doch früher auf liberaler Seite sehr leiht die Verfassung ge- ändert. Wo war damals die Scheu vor der Majestät des Geseßes? Und bei der Schulaufsicht habe man dem früheren Minister Falk nicht nur elastishe, sondern gummiartige Geseße zugestanden, Mit diesem Gesetze habe die Regierung das Möglichste gethan, um den von Allen gewünschten Ausgleich herbeizuführen. Der Abg. Virchow habe sih als der Generalpächter der poli- tishen Moral gerirt und diese OOGR eine Abnegation des konstitutionellen Prinzips genannt. Ohne diskretionäre Ge- walt könne keine Regierung auskommen. Das Haus habe sie der Regierung ilatbin für das repressive Sozialistengeseß,

ebe man dasselbe für diese befreiende Vorlage. Die Fort- hrittspartei nenne sich ja der Hort der Freiheit und ver- damme im Prinzip den Kulturkampf. Jn Oesterrei habe die Regierung in kirchlihen Dingen viel größere diskretionäre Gewalten, als diese Vorlage erstrebe, und das sei nöthig der diskretionären Gewalt der Kurie gegenüber. Der autonome Staat sei in dieser Vorlage billig gegen die Kirche, die RNe- gierung mache einen Anfang în der Revision der Mai- geseße , sie ; M, väterlih für die verwaisten “aut a und Pfarreien. Der Abg. Falk fürchte, daß die

lehnen will. Wir werden zur gelegenen Zeit, meine Herren, wissen, un wir mit den Vollmachten machen werden, die uns der Landtag giebt und wir werden die Vollmachten ausüben und benußen in dem patriotischen Sinne, in welchem die Vorlage selbft gemacht ift.

rung dadurch \{chwach scheinen könne; eine starke Regie- Bun fürdie den Schein nicht, sondern nur Realitäten.

tegie-

hohe kommunale Aemter, warum solle ein abgeseßter Bischof nicht in sein Amt zurückehren dürfen? Kirche sei der Regierung für diese Vorlage dankbar, welche die Möglichkeit der Beseitigung des sogenannten öffentlichen Kulturexamens biete. i :

ein solher Examinator seine Erfahrungen aus dem Examen in einem öffentlihen Blatte mittheile.

Kultur sei. 1 E A fei doch selbst hier im Hause vorgekommen, daß ein

Auch seine eigene

Es sei ein trauriges Schauspiel, wenn

Er zweifle, daß das Man könne da viele interessante Dinge erzählen,

ehr gelehrter Professor sih versprohen und gesagt' habe: MAe eo r in Wittenberg geboren. Er wünsche eine defini- tive Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche, aber bei dem innigen Zusammenhang der Kirhe mit dem Staat und dem Volksleben könne das nicht im Detail dur Geseßesparagraphen geschehen. Für einen dauernden Frieden müsse Rom seine Aspirationen auf die Weitherrschaft aufgeben, welche der vorige Papst selbst auf den Deutschen Kaiser auszudehnen versucht habe. Aber au auf der anderen Seite müsse das Streben nach Omnipotenz aufgegeben wer- den, hier auf Erden sei Macht mehr als Allmacht. Seine Partei gebe der Vorlage eine Geltungsdauer bis Ende nächsten Jahres, weil sie diese Frage niht in den Wahlkampf werfen wolle, und weil sie wünsche, daß man ein Auge auf die defini- tive Regelung der Angelegenheit behalte. Kirche und Staa müßten beide gemeinsam die großen sozialen Gefahren der Gegenwart bekämpfen, sonst werde der Umsturz beide ver- \{lingen. Hoffentlich gelte hier noch niht: Roma locuta est; das Centrum werde sich hoffentlih noch zur Annahme der Vorlage entschließen, getreu dem großen Grundsaße von dem matrimonium imperii et sacerdotii, i Der Abg. Dr. Reichensperger (Olpe) bemerkte, die Aus- führungen des Abg. Dr. Falk hätten shon ihre Widerlegung gefunden, ihm bleibe aber noch ein weites Feld, zu zeigen, was der Abg. Dr. Falk aus der so blühenden katholischen Kirche zu machen vermocht habe. Es sei ihm eine Besriedi- ung gewesen, zu sehen, daß der Abg. Dr. Falk der erste Sieter nach dem gegenwärtigen Kultus-Minister gewesen ei und daß dadurh dokumentirt worden sei, daß das System des Abg. Dr. Falk eine Verurtheilung erfahren habe, daß sein Werk ein Produkt des Leidenschaft, des Leichtsinnes und der Unkenntniß sei! (Der Präsident erklärte den Ausdruck Leicht- sinn auf eine Handlung eines dem M als Mitglied an- gehörenden Staatsmannes angewandt, für parlamentarisch nicht zulässig. Der Redner erklärte, daß er jenen Ausdruck nur in der Bedeutung von „[eihten Sinnes“ gebraucht habe.) Der Abg. Dr. Falk hätte allen Anlaß, den gegenwärtigen Minister, welcher den trostlosen Zustand der katholischen Kirche, der dur den Abg. Falk als Kultus-Minister geschaffen sei, mil- dern wolle, für seine Bemühungen zu danken, denn der Abg. Falk selbst habe nichts dazu gethan. Nichtsdestoweniger sei der Abg. Falk dagegen, daß an seinen Bestimmungen etwas geändert werde, und zwar, weil der Papst dem Staate noch nicht genug mit Konzessionen entgegengekommen sei. Der Abg. Falk habe bestritten, feindseligen Charakters gegen die katho- lische Kirche zu sein und habe daran erinnert, daß sie ihm die Wohlthat des Kirchengemeindegeseßes verdanke. Gerade dieses Gese thue die Richtigkeit seiner (des Redners) Behauptung dar, daß der Abg. Falk nicht Maß noch Pflicht geübt habe. Im Jahre 1873 sei eine evangelische Kirchen- und Synodal- ordnung verkündet; der Landtag habe aber nicht das Recht ehabt, sich mit den einzelnen Paragraphen des Statuts zu Bien Jn derselben Weise habe der frühere Minister Falk eine katholishe Kirhenordnung ausarbeiten lassen und dem Landtage vorgelegt. Jn solcher Weise sei über Rechte der katho- lischen Kirche disponirt worden, obwohl doch anerkannt werden müsse, daß die katholische Kirche fest organisirt gewesen sei. Das sei die Wohlthat, auf die sh der Abg. Falk berufe. Und wie stehe es mit dem Jnhalt dieser Kirchengemeindeordnung ? Während in der evangelischen Kirche das Alter zur Ausübung des aktiven kirhlichen Wahlrehts auf 25 Jahre festgeseßt sei, verlange man für die katholishe nur 21 Jahre. Habe der Minister etwa damit sagen wollen, daß die fatholishe Jugend früher reif sei? Durch das Altkatholikengeseß des Abg. Falk, welches die Verwaltung bercchtige, den Altkatholiken die Kirchen zum Mitgebrauh zu überweisen, seien oft Gemeinden von 50 bis 60 Personen gegenüber den nah Tausenden zählenden Katholiken Kirchen eingeräumt worden, die 04 zuvor mit den Sparpfennigen der Fabrikarbeiter aufgebaut eien. Dem Abg. von Zedliß bemerke er, daß eine Kirche, die 19 Jahr- hunderte hinter sich habe, ihre Natur nicht ändere. _Die ka- tholische Kirche sei auch nicht als Dienstmagd in Preußen aufgenommen, sondern als eine Korporation, garantirt durch Staatsverträge und, was er noch höher achte, durh Königswort. Man halte es für unbedenklih, daß Rom der Anzeigepflicht genüge, man vergesse aber, daß hinter dieser Anzeige das Veto des Ober-Präsidenten stehe. Auf diese Weise werde die Kirche auf den Aussterbeetat gesezt. Man habe Paragraphen der Verfassung unter Zustimmung der liberalen Parteien aufge- hoben, weil es sich ja blos um religiöse Garantien handelte. iese Art von Liberalen sollten bei dem Absolutisten Friedri dem Großen in die Schule gehen, der Jeden nah seiner Façon hätte wollen selig werden lassen. Noch nie habe einem geseßzgebenden Körper eine ähnliche Vorlage vorgelegen, das Wort von der Majestät der Gesege sei danah nicht mehr aufreht zu erhalten ; er erkenne nur eine Majestät der Person an, nicht eine Majestät der Geseße; man wisse ja, wie solche Man müsse nicht selbst in der Küche hn freue das

Geseße zu Stande kämen. ada d sein, wenn das Diner s{hmecken solle. das nerkenntniß, daß die A age lege ung niht blos das kirch-

liche, sondern auch das staatliche Jnteresse geschädigt habe; A wide doh sonst nicht einen Ausgleich versucht „haben. Der Reichskanzler habe früher gesagt, er werde seinen Frieden mit Rom über die Köpfe des Centrums hinweg machen. Wie vertrage sich das aber mit der gestrigen Aeußerung des Mi- nisters, daß die Konzessionen bezüglih der Maigeseße von der Zustimmung des Centrums abhängen würden? Das Centrum habe den Reichskanzler in allen Fragen unterstüßt, in denen es dies mit dem Wohl des Staates vereinbar gefunden habe. Das Centrum habe im Reichstage die innere Politik zum Frieden geführt; es habe 130 Millionen Mark Steuern bewil- ligt im vollen Bewußtsein, seine eigene Popularität dadurch aufs Spiel zu seßen. Das Centrum habe aber die Militär- vorlage nicht bewilligen dürfen, weil sie dem Centrum über die Grenze dessen zu gehen geschienen habe, was im Interesse der Gesammtheit möglich sei. Es sei unbillig und wider die Verfassung, daß von dem Verhalten des Centrums das Schicksal der Kirche abhängig gemacht werde. Das SNE würde ja grade eine Prämie auf die Fortjeßung des Ku Ee kfampfes aussezen, wenn es sich dadur politish dienstbar

| Wenn so viele rothe Demokraten hätten zurückehren dürfen in

machen ließe. Das Centrum sei die mit der Laterne

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