1880 / 145 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 23 Jun 1880 18:00:01 GMT) scan diff

—SummariscbeUebersichtüber die Zahl der Studk- renden auf der Königlichen Universität-zu Kiel im Sommer-Semester 1880. Beim Abschluß der summarischen Uebersicht im Winter-Semester 1879/80 betrug die Zahl der Stu- direnden 242, im Laufe des Winter-Semesters dazugekommen 5, zu- sammen 247. Nach Ablauf des Winter-Semesters abgegangen 63, demnach geblieben 184, dazu gekommen neu immatrikulirt 86, zurück- gekehrt 31, zusammen 117, Die Gesammtzahl der im:natrikulirten und geger wärtig hier anwesenden Studirenden beträgt demna 301. Die theologische Fakultät zählt: Preußen 52, Nichtpreußen 3, zu- sammen 55. Die juristisbe Fakultät zählt: Preußen 27, Nicht- preußen 7, zusammen 34. Die medizinische Fakultät zählt: Preußen 76, Nichtpreußen 23, zusammen 99. Die philosophische Fakultät ¿äbli: a, Preußen mit dem Zeugniß der Reife 84, b. Preußen ohne Zeugniß der Reife 10, ec. Nichtpreußen 19, zusammen 113, Gesammt- summe der immatrikulirten Studirenden 301. Außer diesen imma- trikulirten Studirenden haben die Erlaubniß zum Hören von Vor- lesungen nahgesuht und von dem Rektor erhalten bei der theolo- gischen Fakultät Hörer, bei der juristis@en-Fakultät 1 Hörer, bei der medizinischen Fakultät Hörer, bei der philosophischen Fakultät 82 Hörer, Summa der Hörer 83. Es nehmen mithin an den Vor- lesungen überhaupt Theil 384.

Kunst, TVissenschaft und Literatur.

Die beiden neuesten Lieferungen, die 52, und 53., des Pracht- iieferung8nerls „Unser Vaterland in Wort und Btld“ (Stuttgart, Verlag der Gebrüder Kröner) führen den Leser weiter „in den Bergen“, und zwar zurächst in Oberbayern nah Fischbachau vi¿.d Baytrischzell, nah Miesbacb, an den Chiemsee und {ließli nach Berchtesgaden und dem herrlichen Königésce. In der 53. Liefe- rung beginnt dann die Wanderung durch Schwaben. Wurde der Leser bisher von Herman von Schmid geführt, so übernimmt nun K. Stieler die Leitung, welcher zunächst das Allgäu s{ildert. Die Aus- stattung des Textes durch Holz;schnitte nach Originalzeihnungen be- währter deutscher Künstler ist an dieser Stelle hon öfter gewürdigt worden. Besonderes Lob verdienen die großen ganzseitigen xylo- ctaphischen Blätter, welche (ohne Zusammenhang mit dem Text der jedeëmaligen Lieferung) diesmal den Obersee, die Ramfau, die Mühl- \sturzhörner und Salzburg (sämmtiih von G. Cloß gezeichnet) in künstleriswer Ausführung wiedergeben. S :

Von Prof. Birlingers „Alemannia“, Zeitschrift für Spvrawe, Literatur und Volkslunde des Elsasses, Oberrheins und Schwabens (Bonn, bei Adolph Ma: cus. 3 Heste jährlih à 2 4), ist kürzlih das erste Heft des 8. Bandes erschienen. Wir haben nicht verfchlt, vom Anfange des Unternehmens an auf die wichtigsten Mittheilungen derselben Über südwestdeutsches Völker-, Literatur- und Sprachleben aufmerksam zu machen. Ju diesem Hefte hat das Thema „Die Hohenzollerishen Orts», Flur- und Waldnamen“ in Vezug auf die Ortsnamen seinen Abschluß gefunden. Es ift also in den nächsten Publikationen die Reihe an den Flur- und Waldnamen, In den Ortsnamen Hohenzollerns wiederholen sh die Ortsnamen ganz Süddeutsc(lands, und E e Oa e Guenvel statuirt zu sehen, wie man auch auf kleinem Gebiete sprach- und tulturgeshichtlich arbeiten kano, und zwar so, daß die Arbeiten für halb Deutschland maßgebend sind. Interessant sind auch die Mittheilun- gen xon Prof. H. Teusch in Bonn : „Drei deutsche Predi:er auf dem Index“, Geiler v. K., Tauber und Wild (Mainz). Der Heraus- geber seßt seine Studien zn Scchillers Wallenstein fort; Diesmal handelt er vom Studentenhunde dem „Pudel“ und weist na, daß der ursyrünglihe Pudel und Wasserhund nur bei besseren Bürgern und Herren, nicht aber bei Studenten als Luxushund sich findet. Die Feindschaft des Löwen und Hahnes ist aus Aelian und Plutarch, Agrippa von Nettesheim, Achilles Tatius, Fisccart nachgewiesen. Ueber den verkommenen Bauer mit den fal- schen Würfeln, über den Kapzziner, das Dictum Wallensteins von Stralsund, den langen Peter aus Itzehoe, der dem langen Friß im Regimente Rheingraf entnommen ist, über das Marketenderwesen, die höllishe Salbe, die Kroatenscene, den Anachronismus in den Kostü- men des Laynos über all diese Dinge findet der Leser danken8werthe Belehrung. Eine reiche Literatur und Nachweise zu den Liedern in des Knaben Wunderhorn sowie Ungedrucktes aus J. P. Hebel (von Längin) bilden den Schluß des Heftes. Das Gocthe-Jahrbuch hat die Mittheilung über eine Gößhandschrift zu Mannheim im vorigen Bande der „Alemannia“ übersehen.

Land- und Forfiwirthschaft.

Kasach (Gouv. Jelissawetpol). Im Kreise Kasah sind die Heuschrecken auf einem so ungeheuren Flächenraum und in solchen Massen ausges{chlüpft, daß man, um die von ihnen eingenommene Strecle Landcs zu umfahren, mindestens 7 Tage die Tagfahrt zu 60 Werst gerechnet nöthig hätte. Mit der Ausrottung dieser Landplage waren, wie der „Kawkas“ meldet, bis jeßt über 4500 Menschen beschäftigt, zur Zeit aber arbeiten bereits über 5000. Täg- lich werden mehr als 5000 Pud von diesen Insekten vernichtet, so daß von dem Tage an gerechnet, wo die Arbeiten ihren Anfang nah- men, bis zur Stunde ungefähr 200 000 Pud vertilgt worden sind.

Wera, 21. Un, (Qr. S) Die ExLnteausstch{ten, die auch in Thüringen recht bederklih sich gestaltet hatten, sind in Folge der günstigen Witterung der leßien Wochen sehr viel besser

gewcrden. Gewerbe und Handel.

Berlin - Hamburger Eisenbahngesellschaft. Die am 22. d. M. in Ludwigslu st abgehaltene ordentlibe General- versammlung war von 27 Aktionären besucht, welche 1406 Stimmen vertraten. Nach Entgegennahme des Geschäftéberichts genehmigte die Versammlung den Antrag der Verwaltung, die für Herstellung des Anschlusses der Berlin-Hamburger Eisenbahn an die Berliner Stadt- bahn erforderlihen Mittel aus dem noch dispoziblen Reste der Prioritätsanleihe dritter Emission zu entnehm-n.

Die Kottbus-Großenhainer Eisenbahn-Gesell- \chaft kündigt ihre © prozentigen Prioritäts-Obligationen von 1872 zum 2, Januar 1881 und erklärt sich bereit, die gekündigten Stücke in 43 prozentige umzuwandeln. Diejenigen Besitzer, welche die Kon- vertirung nmünschen, werden ersucht, in der Zeit vom 1. bis 30. Oktober cr. ihre Stüde zur Abstempelung einzureichen; als Konvertirungs- prämie offerirt die Verwaltung die Zahlung der am 1. Januar 1881 fälligen Zinsen vom 1. Oktober ab. Der Betrag der Prioritäten beläuft sih auf 675 000 A ; eine fernere ò prozentige Prioritätsanleihe der Gesellschaft (Privilegium vom 24. Dezember 1876) im Nominal- betrag von 3 Millionen Mark bleibt vorläufig unkonvertirt, da eine Gesammtkündigung derselben vor dem Jahre 1883 ausgeschlossen ist.

Dem Zahresberiht der Oberlausitzer Eisenbahn für das Jahr 1879 entnehmen wir folgende Daten: Die Einnahmen aus dem Betriebe der Bahn sind auch im Jahre 1879 noch nenig zufriedenstellende gewesen. Die aus dem Betriebe der Stammbahn Kohlfurt - Falkenberg erzielten Einnahmen pro 1879 betrugen in Summa 740 721,87 M. ; hierzu traten die Einnahmen aus deu Betrieb der Zweigbahnstrecke Ruhland-Elsterbrücke-Lauhhammer, in Summa 22 588,89 4; daher betrug die Gesammt-Betriebseinnahme der Oberlausißer Eisenbahn pro 1879 763 310,76 46 Es entfielen hiervon auf Cinnahmen für Perfonen- 2c. Beförderung 214 858,30 4

Es wurden ausgegeben 1, Kl, 334 Billets, 2. Kl. 9882 Billets, 3, Kl. 62 586 Billets, 4. Kl. 135 437 Billets, Militärbillets 6435, in Summa 214674 Billets und dafür 205 405,07 A eingenommen); 2)fürGüter- 2c. Beförderung 535 385,17 (6(Eswurden befördert: 644,5 t Eilgut, 10 863,8 t Stückgut, 18 701,7 Wagen. - Transport à 5 t, 176 930,8 Wagenladungen à 10 t, 442 Pferde, 17 Füllen, 138 Ochsen, 4889 Kühe, 371 Kälber, 3605 Schweine, 5550 Schafe, 10 300 Stück Geflügel, in Summa 25 312 Stück Vieh, 59 Eisen- bahnwagen.) In Felge der pems Mugen Betriebseinnahmen war die von der Berlin - Anhaltischen Eisenbahngesellschaft nah den Be- \ftimmungen des Betriebs - Ueberlassungsvertrages der Oberlausiger Eisenbahn zu gewährende Rente auf 20 000 A beschränkt geblieben, zu diesen trat der Uebershuß des Jahres 1878 mit 82,28 4 und

der eigenen Verwaltung \sch auf 2013823 4 bezifferte. - Die Ausgaben betrugen inkl. 887,93 #Æ#Æ Restauégaben pro 1878 în Summa 861248 , so daß ein Uebershuß von | 11 525,75 A zum Vortrag für 1880 verblieb. Dem Reserve- fonds sind pro 1879 die demselben statutarish zustehenden 9000 A. ! zugeführt worden; Ausgaben sind aus demselben nicht geleistet wor- den. Der Fonds {loß ult. 1879 mit einem Bestande von 62 314,16 M Der Erneuerungsfonds, welcher. wie bekannt, von der betriebs8führenden Direktion der Hauptbahn, der Direktion der | Berlin-Anhaltishen Eisenbahn-Gesellschaft, verwaltet wird, hatte ' nach der Rechnungélegung dieser Bahn ult. 1879 einen Bestand von 348 906 M - | Metcklenburgische Hypotheken-Pfandbriefe. Vom | 1, Juli cr. ab hört die Verzinsung dieser gekündigten nicht konver- tirten 5% Pfandbriefe auf. j « IV. Deutscher Brauertag in München. Das Lokal- | comité des IV. deutschen Brauecrtags hat im Glaspalaste in München seine Thâtigkeit begonnen, und das vorliegende quantitative und qualitative Material dieser Spezialaus\tellung gestattet jeßt schon, derselben ein günstiges Resultat nach jeder Richtung hin in Aussicht zu stellen. Von den bis jeßt eingelangten 400 An- meldungen haben bereits 340 Aussteller aus den verschiedensten Län- dern mit ca. 3000 Gegenständen, welchen ein Raum von über 9000 qm zur Verfügung gestellt wurde, die definitive Erklärung zur Beschickung der Ausstellung abgegeben. Außer einer reichaltigen Kollektion von Nohprodukten werden in Thätigkeit geseßte Maschinen der Brau- industrie in nennenswerther Anzahl vertreten sein, zu deren Betriebe vier Lokomobilen ron 32 Pferdekräften mit einer Tran8missionslänge von 200 m zur Aufstellung gelangen; ebenso find weitere zwei Loko- mobilen dazu bestimmt, den im größeren Quantum erforderlichen Dampf für das Wasser zur Speisung der Kühlapparate 2c. abzugeben. An diese reihen sich Sudwerke, Braukessel, Malzdarrhorden, Strot- mühlen, Bierkühlapparate, Bieraufzüge, Eistransporteure, Eis- \chränke, Gasmotoren, Telegraphen, Fässer, Holz-, Gummi-, Glas- und Pechwaaren, und viele andere technische Artikel für Brauerei, | Zeitschriften, Fachbläiter, Pläne 2c. 2c. Diese Syp:zialausstellung wird demnach bei ihrer Reichhaltigkeit sowohl für den Facbmann als auch für den Laien von großem Interesse sein, namentlich für ersteren, da demselben Gelegenheit geboten wird, beispielsweise einem ganzen Brauverfahren neuester Methode beiwohnen, oder seine Auf- merksamkeit dcm Resultate der neuen Keimmaschine bei noch so erhöhter Temperatur oder den in Gang geseßten Sudwerken zuwenden zu können. Zum Schlusse sei noch erwähnt, daß die Aut stellung an dem festgeseßten Tage in ihrer ganzen Vollendung «röffnet werden wird, Jena, 22. Juni. (W. T. B.) Eine keute stattgehabte Vor- versammlung der Aktionäre der Saal bahn beschloß einstimmig, weil verfrüht, die der Generalversammlung zugehende Konvertirungs- vorlage, sewie jedes etwzige hierzu gestellte Amendement abzulehnen.

Mo 22 U (W T. B) Wollmarkt, Die ZU- fuhr an Wolle bctrug etwa 2:00 Ctr. Der Markt war animirt nnd wurde bereits in den Vormittagsitunden fast vollständig ges räumt. Der Durchschnittspreis belief sh auf 55 bis 56 4; für einige Posten wurden bis zu 60 M bezahlt. 5 Due, 22 Un (W L V) Qeutle hat A biex die „Compagnie générale des chemins de fer seconda!res“ mit einem Kapitale von 74 Millionen Francs konstituirt. Da? Con- sortium besteht aus den Firmen Gebr. Sulzbach, dem Frankfurter Bankêoereine, der Centralbank von Antwerpen, Philippson, Horwiß & Co. und anderen Häusern.

Verkehrs-Anstalten. -

Weimar, 21, Juni. (Dr. F.) Der Eröffnung dexr Sekundär E bahn von Salzungen nah Kaltenvordheim im Eisenacher Obe rlande in ihrem vollen Umfange am 24. d. M. folgt demnächst die Eröffnung der Sekundärbahn von Wutho nah Ruhla im Thüringer Walde. Das Scienengleis ist bereits fertig gesteUt.

I De, 22 n Q L O) Dee Dampfer „Erin“ von der National - Dampfschtffs - Compagnie (C. Messingsche Linie) ift hier eingetroffen.

Berlin, 23. Juni 1880. Preußische Klassenlotterie. (Dhne Gewähr.)

Bei der heute fortgeseßten Ziehung der 3. Klasse 162. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen:

1 Gewinn von 6000 6 auf Nr. 69 733.

2 Gewinue von 3000 #4 auf Nr. 39 762. 43 413,

1 Gewinn von 900 6 auf Nr. 14 448.

11 Gewinne von 300 /6 auf Nr. 10 020. 17 725. 23 075. 24 949. 30328. 47740. 62594, 57 590. 62402. 65748. 92 079,

Ueber die Entwickelung der König Wilhelm - Stiftung für hülfsbedürftige erwachsene Beamtentöchter entneh- men wir dem neuesten Heft der Monatsschrift für deutshe Beamte, daß der auch in unserer Zeitung mitgetheilte Aufruf an sämmtliche höhere und Subaltern-Beamte erlassen worden ist Das Comité, welches aus Vertretern aller Verwaltungszweige besteht, und dem auch sämmtliche Ober - Präsidenten beigetreten sind, hat si für das Unternehmen zunächst der Zustimmung dec Staatsregierung versichert. Diese ist bereitwillig ertheilt worden, indem sämmt- lihe Minister durch Circular - Reskripte an die ihnen ge- \{chäftsmäßig unte: stellten Behörden niht nur die Beamten auf die Stiftung aufmerksam gemacht, sondern zum Theil auch die Versendung und Vertheilung der Aufrufe selb übernommen und sich ferner damit einverstanden erklärt haben, daß seitens der Vorsteher der Provinzialbehörden die Provinzial- und Spezialkassen zur Annahme von Beiträgen ermächtigt werden. Nicht minder hat der preußishe Beamtenverein, welcher in dem Comité durch drei Mitglieder vertreten ift, ter Gründung der Stistung ein sehr warmes Interesse zugewendet, und sämmtlichen Zweigvereinen die Sache zur Förderung und Berücksichtigung empfohlen. Fnzwischen haben nun, nachdem sämmtliche preußische Civil-Staatsbehörden mit den Auf- rufen verschen worden sind, die Sammlungen begonnen. Aus den bereits zurückgereihten geschlossenen Sammellisten ift zu ent- nehmen, daß die beabsihtigte Stiftung in allen Be- amtenkreisen eine sehr günstige Aufnahme gefunden hat. Die Betheiligung, sowohl was die Zahl, als was die Höhe der Beiträge betrifft, ist eine recht erfreuliche und giebt den besten Beweis dafür, wie sehr das Bedürfniß einer solhen Stiftung allerseits empfunden wird. Liegt auch zur Zeit erst das Scluß- ergebniß von einer verhältnißmäßig geringen Anzahl von Behörden vor, so darf doch schon jeßt an dem Zustandekommen der Stiftung nicht mehr gezweifelt werden. Immerhin wird es aber auch ferner noch, wenn die Stiftung nur einigermaßen den Anforderungen ent- sprechen soll, welhe an sie werden gestellt werden, der thatkräftigen Unterstüßung bedürfen, und wir möchten deshalb allen Beamten die Bitte an das Herz legen, auf die möglichste Verbreitung des gemein- sinnigen Unternehmens, sowie auf eine recht rege Betheiligung an den Sammlungen nah Kräften hinzuwirken.

Der Ober-Präsident v. Seydewiß hat, wie aus Görliß gemeldet

wird, am 14. und 15, d. die von der Uebershwemmung be- troffenen Ortschaften Küpper, Berna und . Bollmannëdorf besucht, um sich von dem Umfange des Uebershwemmungsshadens zu über- zeugen und hiernach die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Wie |} Berlin: die „Görl. Nachr. u. Anz.“ erfahren, sind für die Hülfsbedürftigen j im Laubaner Kreise als erste Gabe von Seiten des Ober-Präsi-

der „Laubaner Anzeiger" berichtet, {on Berichte an den Mi- nister des Innern u. st. w. abzegangen. Die Vorstände der unter- balb der verwüsteten Gegend belegenen Orte sind angewiesen

' worden, die besonders von Gerlahsheim aus in großer Anzahl

fortgerissenen urd im Queis hinabgetriebenen Mobilien nah

} Möglichkeit zu bergen und durch Auffindung und Wiedererlangung | verlorenen Eigenthums den Geschädigten thunlich Unterstüßung zu

gewähren. Ebenso sind die Vorstände der von der Hochfluth geschä- digten Gemeinden vom Königlichen Landrath angewiesen worden, eine Nachweisung des angerichteten Shadens nah besonderem Schema

| anzufertigen. Die vorgenommenen Lokalrecherhen ergaben an ganz ! oder do zum größten Theil zerstörten Wohnhäusern und an umge-

kommenen Menschen in Seidenberg 5 Wohnhäuser, 3 Menschen,

: Küpper 16 Wohnhäuser, 8 Menschen, Berna 25 Wohnhäuser, 18 | Menschen, Ober-Bellmannsdorf 12 Wohnhäuser, 5 Menschen, Mit-

tel-Bellmannsdorf 4 Wohnhäuser, Heiderédorf 6 Wohnhäuser, 7 Menschen, Ober-Halbendorf 3 Wohnhäuser, 3 Menschen, Nieder- Halbendorf 1 Mensch, Nieder- Linda 20 Wohnhäujer. 1 Mensch, Ober-Linda 1 Mensch, Ober-Gerlachsheim 3 Wehnhäuser, Mittel- Gerlachsheim 9 Wohnhäuser, 4 Menschen, Mieder-Gerlachsheim 2 Menschen; Summa 105 Wohnhäuser, 51 Menschen. Außerdem ist eine größere Anzahl von Wirthschaftsgebäuden und Wohnhäusern mehr oder weniger beschädigt.

Die württembergische Stadt Biberach beabsichtigt, ihrem be- rühmten Sohne, dem Dichter Wieland, ein Denkmal zu seten und hat den Bildhauer Theodor Scheerer in Stuttgart, einen Schüler Donndorf's, beauftragt, die Büste des Dichters zu modelli en. Die- selbe foll in anderthalbjacher Lebensgröße in carrarischem Marmor aufgeführt und auf einem Postament von gelblihem Sandstein auf- gestellt werden.

Cöln, 19, Juni. (Cöln. Ztg.) Vier große. mit buntem Zier- rath ausgestattete Bäume und zwei mächtige Fahnen s{chmüdcken seit heute Vormittag das riesige Baugerüst unserer beiden Domthürme als erfreuliches Zeichen, daß d.r Holzbau jeßt vollendet ist und daß Hr. Dombaumeister Voigtel und seine wackeren Bauleute nunmehr in nächster Zeit die letzte Hand anlegen werden, um die steinernen Kronen als Abschlüsse der himmelanstrebenden Helme auf die Thürme aufzusezen, Das Gerüst der beiden Thürme ift der höchste von Menschenhand bis jeßt aufgerihtete Bau; er mißt vom Straßen- pflaster des Domklosters ab 165 m oder 525 Fuß rheinisb, und die Spißen der Flaggenmaste ragen 178 m oder 567 Fuß rheinis{ch über das Pflaster empor.

Dem „Pr. Tgbl.“ wird aus Teplitz, 20. d. M, telegraphirt: „Soeben reist im Auftrage der Statthalterei der hiesige Bezirks- Hauptmann nab Prag in Angelegenheit der hiesigen Therme. Die- selbe war durch die fortschreitende und bis zum ersten Horizonte ge- diehene Entwässerung der inundirten Schächhte bei Dux gefährdet, und wurde diese bis auf Weiteres behördlih untersagt.“

Die größte Hängebrücke der Welt, die Brücke über den Cast River zwishen New-York und Brooklyn, geht ihrer Vollendung entgegen. Der Plan zu der Brüdcke ist von dem aus Thü- ringen stammenden und durch seine großartigen Brückenbauten über den Niagara und über den Ohio bei Cinctunati bereits bekannten Ingenieur Johann Röbling entworfen worden, welcher auch die Arbeiten vom Jahre 1869 ab b!s zu seinem kürzlich erfolgten Tode geleitet hat. Jn den Händen seines Sohnes ruht jeßt die Voll- endung des Baues, dessen &esammtkosten 20 Mill. Dollars betragen, Ueber einen Meeresarm gespannt, der an der Ebbe und Fluth Theil nimmt, zeigt die Brücke eine Länge von 1052 m bei einer Gesammtbreite von 25,91 m und einer Höhe über dem Wasserspiegel , welche den hôöôcbsteu Schiffen bi quemen Durchgang gestattet. Die Brücke wird, außex von den beiden Landpfeilern, von zwei im Wasser errichteten thurmartigen Pfeilern getragen, so daß drei Oeffnungen entstehen, von denen die mittlere 486 m Spannweite hat. Die Brücckenbahn mit zwei Eisenbahn- und vier Pferdebahngeleisen und einem erhöhten Fußgängersteig wird von vier gewaltigen Kabeln aus Stahldraht ge! halten, die zwischen den Pfeilern so ausgespan it sind, daß zwei innen ziemlich nahe bei einander und die beiden anderen an den Außenseiten liegen. Der Durchmesser der Kabel beträgt fast 0,5 ra, ihr Umfang mit der Schußhülle gegen Witterungseinflüsse 1} m,

London, 19, Juni. Auf der Eisenbahnlinie Hereford- Hay und Brecon (Midland Bahn) hat sich vorgestern Nacht ein {reckliher Unfall ereignet. Die Brücke über den Fluß Wye zwischen Hay und Brecon stürzte ein, während ein Güterzug dieselbe passirte; der ganze Zug fiel in die Tiefe. Der Lokomotiv- führer blieb auf der Stelle todt, während der Heizer so {were Ver- wundungen davon trug, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Der Passagierzng, der die Brücke kurz vor dem Unfalle passirte, hatte zwishen 50) bis 600 Passagiere enthalten, welche von der in Hay abgehaltenen Ausstellung des landwirthschaftlichen Vereins Here- fordshires zurückgekehrt waren,

Man schreibt der „Allgemeinen Zeitung“ aus München, 18. d, M,.: „Bei günstigem Wetter hat gestern die elfte Aufführung des Passionsspieles in Oberammergau sich vollzogen. Alle Zuschauer konnten auf gedeckten Sißpläten untergebracht werden; waren deren 2100 bcseßt. So große Bewunderung die Mitwirkenden bei dem Spiele verdienen, so großen Tadel findet das geschäftliche Gebah'en des Comités. Uater dem 19. Mai d. I. zeigte das Comité offiziell in dea Blättern an, daß Vormerkungen auf Billete nit mehr bethätigt werden können; jeßt aber, gewöhnlih am Vorabende des Hauptspieles, muß man schon Nachmittags 4 Uhr erfahren, daß alle Logen durch Vormerkungen, wozu sogar gedruckte Formuïiare ausgegeben werden, bereits vergriffen und auch Plaßbillete niht mehr zu haben sind. Bisher war es Uebung, die Kasseneröffnung zwischen 4 und 5 Uhr vorzunehmen; am 15. d, M. gefiel es der maßgebenden Persönlichkeit, die Kasse hon um 12 Uhr eröffnen zu lassen, wo kanm über 500 Fremde am Platze waren, während der Hauptzuzug erst um 4 Uhr eintrifft. Die Folge war, daß die Anwesenden, zu nächst Ortsbewohner, die Billete aufkaufen konnten und die An kommenden gezwungen waren, durch zweite Hand die Billete theurer bezablen zu müssen, die Agiotage also in die \{önste Blüthe ge' bracht wurde.“

Wien. Der Kaiser hat die Enthebung des Direktors Franz Jauner von der Leitung des Hofopern-Theaters bewilligt und demselben bei diesem Anlasse den Orden der eisernen Krone dritter Klasse verliehen. Gleichzeitig hat Se. Majestät die Betrauung des Hofrathes Frhrn. v. Dingelstedt mit der artistishen Leitung der beiden Hoftheater genehmigt.

Die Direktion des Belle-Alliance- Theaters hat, den Winken der Kritik Folge leistend, in dem Lustspiel „Das herrenlose Gut“ einige Längen, welche sih bei der ersten Aufführung zt:izln, streihen lassen, sodaß das Stück hierdurch bei seinen Wieder holungen einen größeren Erfolg erzielt hat. Die komischen Situa/ tionen sind dadurh mehr zusammengedrängt und drastischer hervor

ehoben ; das sehr erheiterte Publikum ließ es am Beifall nicht feh! en. Der Erfolg des ersten Sommer-Nachts-Festes war ein del artiger, daß am nächsten Sonnabend ein zweites arrangirt werden soll.

I

Redacteur: Riedel. Verlag der Expedition (Kessel). Druck; W. Elsner,

aufgekommene Zinsen mit 55,95 #4, so daß die Gesammteinnahme

bereits in den ersten Tagen der vorigen Woche bereist hat, sind, wie

diums 1000 6 überwiesen worden. Durch den Königlichen Landrath v. Saldern, welc:er die im Uebers{wemmungsgebiet liegenden Orte |

Fünf Beilagen (einschließlich Börsen-Beilage).

Â

Srste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Slaais-Anzeiger.

M 145.

ÉtinEirarE ———— E

Nichtamflithes.

Preußen. Berlin, 23. Juni. Im wei der gestrigen (81.) Sizung seßte A E geordneten die zweite Berathung des Gesegentwurfs, be- treffend Abänderungen der kirhenpolitishen Ge- seve, mit der Diskussion des Art. 5 fort. Der Abg. Klotz erklärte, seine Partei würde gegen diesen Artikel stimmen weil derselbe den Kampf nur verlängern würde. Es sei schon bei der Berathung der Maigesege den Kennern der römischen fet ta nicht verborgen gewesen, daß der kirhenpolitische Kon- flift durch die Maigeseßze nicht würde beseitigt werden und die jevt hervorgetretenen traurigen Folgen haben werde. Die Fortschrittspartei habe aber dabei auf die Festigkeit der Staatsregierung gerechnet, welche so lange die Gesetze aufrecht erhalten würde, bis auch auf der anderen Seite eine gerechtere Würdigung derselben eingetreten sein würde. Dann habe seine Partei gehofft zu einem E HrLen E wenigstens 2u einem dauernden modus vivendl zu gelangen. Die jeßige Nachgiebigtkei Regierung sei durch Fein S der A r S die Verhandlungen würden nur an ein einziges, nit ein- mal direkt an die Regierung gerichtetes Wort des Papstes ge- fnüpst, daß derselbe die Ausübung der Anzeigepflicht dulden wolle. Dur diese Vorlage werde die Kurie in ihrer Zurül- haltung noch bestärkt und noch weniger geneigt für eine Ver- ständigung. Denn mit Necht habe der Kultus-Minister gesagt daß für die Kurie dieser Konflikt nur eine Phase in ihrem Kampf um die Weltherrschast sei und dap ste diesem obersten Gesichtspunkte die geistlinde Noth von Millionen Katholiken unterordnen würde. Die römische Kurie lrage auch die Hauptschuld an diesem Kon- flift, denn die Anzeigepflicht der Geistlihen mit dém dur 5. 16 des Geseßes beschränkten Einspruchsreht des Staates sei für die fatholishe Kirche niht unannehmbarer als das weniger beschränkte, aber unbestrittene Veto des Staates gegen einen dem Staate nicht genchmen Bischof. Es würde behauptet, kein Kirchenfürst könne einen promissorishen Eid für die Beobachtung von Tünftigen Geseßen leisten, In Oldenburg sei das aber thatsächlich bereits seit langen Jahren . der Fall. Seine Partei fönne die im Art. 5 verlangte Fa- fultät der Entbindung von der Leistung der promifssorischen Eide der Regierung nicht geben. Man könne über die Bedeu- tung solcher Eide streiten, aber wenn sie einmal vorgeschrieben seien als Garantie für die Sicherheit des Staats gegen die staats- feindlichen Tendenzen der Kurie, welche die Bischofsstühle be- seße, dann erscheine ihm das jeßige Entgegenkommen als eine Schwäche der Regierung, vor der seine Partei den Staat be- wahren wolle. Wenn ein Geseg {lecht sei, dann ändere man es, niemals würde seine Partei aber die Anwendung der Gesetze in die Willkür der Regierung legen. Der Abg. von Schorlemer habe seincr Partei die Beseitigung beschworener Verfassungsartikel vorgeworfen, diese Beseitigung sei aber auf dem legalen, von der Verfassung selbst für diese Dinge an- gegebenen Wege geschehen, um künstliche, zum Nachtheile des Staates aufgestellie Jnterpretationen der Verfassung zu besei- tigen. Wenn die Kurie wirkli ein Herz habe für den geist- lihen Nothstand der deutschen Katholiken, dann bedürfe es nur eines Spruches von Rom zur Beendigung des Streites. Der Staat könne jeßt nicht nachgeben, deshalb würden erx und seine politishen Freunde auch gegen den Art. 5 stimmen. _ Der Regierungs-Kommissar Geheime Ober-Negierungs- Rath Dr. Hübler entgegnete, nah der Auffassung des Abg. Dr. Brüel sei eine eidlihe Verpflichtung der Geistlichen mora- lis unmögli, sittlih unhaltbar! Wenigstens habe der Abg. Dr, Brüel mit diesen Worten in der Kommission seinen An- trag auf Abstrich motivirt. Diese Anschauung sei gruitdfalsch und stehe im Widerspruch mit {wer wiegenden Thatsachen; in Bayern hätten die katholischen Geistlichen seit 1817 alle einen Staatseid geleistet,§in welchem sie sih zum Gehorsam gegen die Staatsgesehße verpflichteten. Sei das moralisch unhaltbar, so hätten seit 1817 die fatholischen Geistlihen lauter unmora- lische Handlungen begangen. Fn Oldenburg und in St. Gallen finde das Gleiche statt. Das seien zwar nur niedere Geistliche, aber er erinnere an den am 29. November 1877 von einem französi- {hen Bischof in die Hände des Präsidenten der Republik niedergelegten Eid, der ebenfalls den Gehorsam gegen die Ge- sebe und die Regierung der Republik in sich geschlossen habe. Vas Argument des Abg. Dr. Brüel könne also niht aufrecht erhalten werden. Andererseits aber lasse sih nicht verkennen, daß diese seit 1873, respektive 1874 bestehende Verpflichtung von dem hergebrahten Zustande innerhalb der preußiscen Monarchie abweiche, auch eine gewisse Härte durch die bc- gleitenden Umstände erhalte. Zu einer definitiven Verständi- gung über die Eidesleistung zu gelangen erfordere vielleicht ¡oh Jahre. Während des Provisoriums müsse eine Erxpediens in der Dispensation gefunden werden. Der Eid sei zwar ein gutes, aber nicht das einzige Mittel. Gegen den Abände- tungévorschlag der Abgg. Stengel und Genossen sih absolut ablehnend zu verhalten, habe die Regierung keine Veranlassung. Der Ubg. von Eynern bestritt dem Centrum das Recht, obwohl es 46 rheinishe Abgeordnete zähle, im Namen aller, ggmentlih der intelligenten rheinischen Katholiken zu sprechen. g ollte das Centrum, daß Preußen die Herrschaftsgelüste der urie nach der Stimmung der Rheinprovinz befriedige, ann müßte sich dort die der Kurie günstige Stimmung “F in ganz anderen Zahlen dokumentiren, als das if leßt geschehen sei. Die intelligenten rheinischen Katho- nen wollten nicht das Steinhen ins Rollen brin- gen, das den Koloß zertrümmere. Troß des ständi- Men Wahlmodus sei im rheinischen Provinzial-Landtage keine ramontane Majorität, ebensowenig in den meisten städtischen ollegien, wie in Trier, Gladba, Crefeld, Coblenz, Bonn, N en, Deuß u. st. w. (Nuf: Aachen !) Aachen sei eine Aus- Welte? welche die Regel bestätige. Selbst bei politischen ü alen zeige si die intelligente rheinishe Bevölkerung nicht Gilegonttan, das zeige die Landtagswahl in dem vom Centrum Q eyt eroberten Wahlkreise Crefeld. Dort sciea in der ersten aje 276 liberale gegen 78 ultramontane, in der zweiten

_Berlin, Mittwoch, den 23. Juni

geben und erst in der dritten Klasse habe es eine veränderte

nicht mehr Crefeld hier vertrete. Bei der leßten Neichstags- wahl seien in der Rheinprovinz 351 721 uliramontane gegen 211 501 nationale und 29 723 sozialistishe Stimmen abgegc- ben. Die ultramontanen Stimmen verhielten sich also zu den nationalen wie 3:2. Er habe zu der Rheinprovinz das Ver- trauen, daß die nationale Minorität bald zur Majorität wer- den würde, indem die liberalen Jdeen p A die unteren Volks- klassen durchdringen und demgemäß bei den nächsten Wahlen auch hier mehr Vertretung finden würden. Das werde aber sehr {wer sein, wenn die staatstreuen Katholiken die Unter- stügung der Regierung entbehrten. Die Regierung könnte dann leicht, wie die „Kölnische Zeitung“ richtig schreibe, wenn es der Kurie demnächst gefallen jollte, einen neuen Konflikt zU provoziren, nicht fo viele staatstreue Katholiken wie dieses Mal zu ihrer Unterstüßung bereit finden, wenn die demagogisch hegende Kaplanspresse die Massen durch verlockende Pro- gramme în den Kampf treibe. Wenn der Kultus- minister behaupte, nationalliberale rheinische Blätter hätten diese Vorlage befürwortet, so hätten diese Blätter mit der parlamentarischen Fraktion weniger Fühlung als die „Ger- mania” mit dem Centrum nah des leßteren Vehauptung. Jene Blätter seien vielleiht von der Ansicht ausgegangen, daß die unter den Auspizien des Reichskanzlers zu Stande ge- kommene Vorlage weniger nacgiebig sei als es oberflächlih scheine, aber die leitenden; rheinischen?! Blätter, dies M0 nische Zeitung“, die „Elberfelder Zeitung“, ja sogar die „RKRheinish-Westfälische Volkszeitung“ hätten sich von Anfang an gegen die Vorlage ausgesprohen. Man frage: Warum concediredie Kurie Preußen nicht ebensoviel wie Württemberg ? Diese Frage beantworte der Ausspruch des Kardinal Wije- man: Die Schlacht zwischen Protestantismus und Katholi- zi18mus werde auf märkishem Sande geschlagen. Die Kurie werde durch keine Nachgiebigkeit befriedigt. Jn Belgien herrsche troß des katholishen Volksshulunterrihts, der freien Univer- sitäten, der vielen Kirchengüter, der zahlreichen Orden und Kongregationen und “der Zesuiten der heftigste Kulturkampf. Das sei der Fall, weil die Kurie immer die politische Herr- schaft änstrebe, und wenn man ihr den kleinen Finger gebe, die ganze Hand nehme. (Der Präsident rief den Nedner ZUr Sache.) Die katholische Bevölkerung seines Wahlkreises, welche dort die Minorität bilde, sei mit Artikel 5 wohl zu- frieden. Die Katholiken seien, wenn sie in der Minorität seien, überhaupt sehr liebenswürdige Leute, mit denen man ganz ut fertig werde. Aber selbst dann erlaubten e sih mancher- ei fTleine Scherze, z. B. Stimmenthaltung bei der Stich- wahl zwischen einem Sozialdemokraten und einem National: liberalen, wodurch seine Vaterstadt im Reichstage durch den Abg. Hasselmann vertreten} werde. Seine Partei habe auf einen leichten Sieg im kirhenpolitischen Konflikte nicht gehofft. Die Nationalliberälen lebten auch iht von diesem Konflikt, wie man ihnen vorwerfe, sie lebten von der praktishen Mit- arbeit an den Aufgaben des Staatslebens. In dieser Arbeit habe jeine Partei dem Reichskanzler in seinem noth- wendigen Kampfe gegen die Herr@gelüste der Kurie ge- holfen, Eine Schlaht werde zwar nie gewonnen ohne eigene Verluste, aber die Artikel 4 und 5 machten im Volksglauben und im Volksinstinkt den Eindruck einer verlorenen Schlacht, und mit diesen Faktoren müsse man auch staatsmännisch rechnen. Der Kultus-Minister habe auf den ¿Fall Dunin verwiesen; er halte auc diesen für eine Nieder- lage des Staates. Man mache seiner Partei den Vorwurf der Unfriedferligkeit, aber der Mann sei doch nicht unfried- fertig, der cinem anderen den Stock entwinde, mit dem dieser ihn s{lagen wolle.

Wahlkreiseintheilung möglich gemacht, daß der Abg. Seyffardt | d

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\lofsen habe, politisch thätig zu werden in Opposition zu ‘dent 'amaligen Regiment in Hannover vorher das ihm persön- lich lieb gewordene rihterlihe Amt als Mitglicd des Ober- gerichts zu Göttingen niederg&{egt, um in seiner politischen

e durch keine Pflichten des Amts, durch keine Rück- sicht in seiner Bewegung gehemmt zu werden. Was dann die angebli übernommene Verpflichtung anlange, so habe ja zum Theil schon der Abg. von Sybel genügend nach- gewiejen, daß auf die Bundesverfassung: Niemand, weder in Hannover, noch au in Preußen, eine eidliche Verpflich- tung übernommen habe. Die Agitatior. des National- vereins, die man hier als revolutionär zu charakierisiren ver- sucht habe gestern fei es von dem Abg. Windthorst, heute von dem Abg. von Schorlemer geschehen sei darauf ge- richtet gewejen, auf dem Wege friedlicher Verständigung zwischen den Fürsten und Völkern Deutschlands das Vorzu= bereiten, was heute herbeigeführt sei und zwar leider nicht auf ¡riedlihem Wege, weil der Widerstand zu groß gewesen fei. Wenn der Abg. von Shorlemer sich nit gescheut habe, in niht mißzuverstehender Weise ihn und den Nationalverein ver= antwortlih zu machen, daß in der Krisis von 1866 Staaten Und Königreiche, au das Königreich Hannover untergegangen seien, so weise er für sich und seine Freunde diejen Vor- wurf auf das Entschiedenste zurück. Er hâtte das nicht nöthig, wenn hier nur Hannoveraner wären, welche die Vorgefchichte von 1866 und die Geschilte von 1866 in Hannover kennten. Er thue dics aus Achtung gegen die andern Mit- glieder des Haufes, welche die Vorgänge in Hannover so genau nicht kennten. Dem Abg. von Schorlemer würden seine. welfishen und ultramontanen Freunde und deren Führer in Hannover sagen, weshalb damals das Königreich Hannover untergegangen sei. Er habe öffentlich in den leßten Tagen in der hannoverschen Kammer vor der Krisis dringend gewarnt, den Verlockungen und Ansprüchen Oesterreihs auf Anschluß in dem Kampf gegen Preußen Raum zu geben, aber die Führer, die Mitglieder „der ultramontanen und welfischen Partei in Hannover hätten so lange gedrängt und den unglück= lichen König Georg dahin gebracht, daß derselbe das natur- widrige Bündniß mit Desterreih dem naturgemäßen Anschluß an den Nachbarstaat Preußen vorgezogen habe, Preußen, welches damals „niht wie Oesterreich ein Bündniß, sondern nur die Neutralität verlangt habe. Durch diese Rathschläge und die unselige Befolgung derselben sei das Königreich Han-=- nover unkergegangen, welhes nah den Bestrebungen des Nationalvereins in dem Bundesstaat Deutschland ebenso hätte fortbestehen können, wie die Königreiche Württemberg, Bayern, Sachsen und die anderen Mittelstaaten.

__Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, der Abg. von Ben- nigsen habe von ultramontanen und welfishen Führern in Hannover gesprochen, er wisse niht, welche derselbe darunter verstehe. Sollte er (Redner) glauben, daß der Abg. von Ben- nigsen ihn damit gemeint habe, so müsse er dem Abg. von Vennigsen sagen, daß er die Bewegung des Nationalvereins nicht für so unschuldig gehalten habe, wie es dem Abg. von Bennigsen beliebt habe, sie darzustellen. Er werde si darüber zu anderer Zeit weiter unterhalten. Die Geschichte werde zei- gen, welchen Antheil der Nationalverein an den Ereignissen von 1866 und seinen Folgen gehabt habe. Die eidliche Ver- pflichtung, welche man gegen ein Land übernommen habe, er- löse nicht, wie der Abg. von Bennigsen anzunehmen scheine, mit der Niederlegung des übernommenen Amtes. Die Be- hauptung von dem Drängen nah einem Bündnisse Hannovers mit Desterreih sei unrichtig.

Der Abg. Dr. Brüel bestätigte die leßte Behauptung des Vorredners und beschwerte sih, daß man ihm nicht gestattet habe, seinen Antrag gegen die Angriffe des Regierungskom-

S L L ITEE - E Me R E ——— r ——- —--

Die Diskussion wurde geschlossen. ersönlih bemertt- der Abg. von Bennigsen, der Abg. von S anie bi thm vorgeworfen, ev und seine Freunde hätten bei Artikel 9 der Vorlage den Rückzug bereits angetreten. Das sci ein Jrrthum und ein Mißverständniß seiner gestrigen Ausfüh- rungen. Den Artikel 9 der Vorlage mit seinen Bestimmungen und willfürlicher Handhabung der Gesetze lehne seine Partei nach wie vor in seinem ganzen Umfange und Jnhalte ab. Dagegen Artikel 9, der mit derselben Nummex an dieser Stelle im Geseß aufgenommen werden solle dur den Antrag der Konservativen, werde von seiner Partei acceptirt. Das sei kein Widerspruch gegen die Ablehnung des ursprünglichen Artikel 9, weil derselbe eine definitive Milderung der Maigesete, eine Deklaration früherer Bestimmungen enthalte, wonach rite angestellte Geistlihe bei einzelnen Amtshandlungen in be- nachbarten Bezirken nicht bestraft werden solten. Dafür hätte er geglaubt, sich den Dank des Abg. von Schorlemer und sei- ner ¿Freunde zu verdienen, aber keinesfalls solche Anfeindun- gen zu erfahren, wie der Abg. von Schorlemer sie ihm eben gewidmet habe. Der Abg. von Schorlemer habe ihn aber serner in einer Weise und Jusinuation, die wohl alle im Hause verstanden hätten, in seiner Stellung im Nationalverein und als Präsidenten desselben persönlich angegriffen und verantwortlih gemacht; der Abg. von Schorlemer habe diese seine (des Nedners) Thätigkeit in Verbindung geseßt mit eid- lih von ihm und seinen „Freunden im Nationalozrein über- nommenen Verpflihtungen. Auf diese Jnsinuation und die darin unverkennbar liegende {were Angriffs". veise habe ev gweierlei zu erwidern, Einmal: als er im v,ahre 1857 seine politische Thätigkeit und eine sharfe Oppositi- n gegen das da- malige hannoversche Regiment begonnen "gabe, eine Oppo- sition, in deren Führung er beiläufig ges/ gt unmittelbar dem Abg. Windthorst gefolgt sei, dem der V,rlaub verweigert sei als pensionirter Minister in das hany (0versche Abgeordneten: haus einzutreten, als er ferner ».oenige Jahre danach die deuische Agitation wieder aufge10w' nen, den Nationalverein mitbegründet habe und an dessen Spiße getreten sei, sei er weder mit irgend welchen überno'.nmenen eidlichen Verpflich- tungen, no& auch mit den G&ezen des Landes in Wider- spruch getreten, dem er damals angehört habe. Er habe auch noch und das füge er persönlih hinzu wegen seiner Rechtfertigung und derx Gegenüberstellung, in die man

Klasse 652 liberale gegen 452 ultramontane Stimmen abge:

missars zu vertheidigen.

Der s E von Schorlemer-:Alst erwiderte, in der Kommission sei der Abg. von Bennigsen über den Antrag von Bandemer anderer Meinung gewesen als jeßt. Derselbe habe hier einen Nückzug angetreten. Die Wirkung eines Eides bleibe dieselbe, gleihviel, ob man ein Staatsamt habe oder nicht. Der Abg. von Sybel habe selbst gesagt, der National- verein habe im Fnteresse Preußens gearbeitet, und sein Prä- sident der Abg. von Bennigsen sei damals hannoverscher Unterthan gewesen. Nicht durch die Welfen sei der Thron von Hannover gestürzt, sondern durch den Nationalverein.

Der Abg. von Bennigsen bemerkte, er wolle kein Wort weiter über diese Art der Angriffe der Abgg. Windthorst und von Schorlemer gegen ihn und seine frühere Thätigkeit als Präsident des Nationalvereins verlieren, in denen ein ganz bestimmtes System mit einer bestimmten Absicht unverkennbar jei. Was jene Thätigkeit, die Niederlegung seines Richteramts und die Fortdauer seiner bei Uebernahme desselben übernom- menen oder nicht übernommenen eidlichen Pflicht betreffe, so sei zweifellos, daß einmal übernommene eidliche Verpflichtungen, die Geseßezuachten und der Regierung des Landes Treue und Gehor- sam zu schulden, durch die Niederlegung eines Amtes nicht hätten aufgehoben werden können. Das richterliche Amt habe er wesentlich deshalb niedergelegt, um in seiner politishen Thätigkeit nicht gehindert zu sein durch die rihterlihe Stellung, mit der er cine so oppositionelle und gewissermaßen agitatorishe Thätig- keit nicht vereinbar gehalten habe. Wenn der Abg. Windthorst sage, so unschuldig, wie er dargestellt habe, könne doch die Thätigkeit des Nationalvereins nicht gewesen sein, so behaupte. er dagegen, wenn die Thätigkeit des Nationalsvereins undy seine Thätigkeit als Präsident desselben mit den von ih” übernommenen Verpflichtungen gegen Gesetze des hannover” „en Landes in Widerspruch gewesen wäre, dann würde f ch der Minister von Borries, mit dem er sechs Jahre ang den heftigsten Kampf geführt habe, worüber °’enug wohl auch in Altpreußen bekannt gewordèn sei sich nicht genirt haben, mit den s{ärfssten Anklageg gegen ihn vorzugehen. Es sei aber unmözlih gewesen. vie Gesehe des Landes gegen ihn und den Natignalverein anzurufen. Und wenn es anders gewesen wäre, wenn & und der National- verein die Geseße des hanngorschen Lo“ ndes verleßt hätten, wo

sein Derhalten zu %en Bischöfen habe bringen wollen in der Avzführung dez Abg, von Schorlemer als er si ent: [

bleibe denn der Abg. E dex ",863—1865 während dieser s Thätigkeit ZW(tiz-Minister in Hannover gewesen fei, Würde der Abg, Windthorst seine Pflicht als Justiz-Minister

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