1924 / 132 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 05 Jun 1924 18:00:01 GMT) scan diff

Präsident Wallraf : Nah der Geschäftsordnung steht es in dem freien Ermessen des Präsidenten das Wort zur Geschäfts- ordnung zu geben oder nicht. Die Meldung zur Ge¡cäjstZordnung darf sich nur auf den zux Erörterung stehenden Gegenstand be-

- giehen, aber nit auf vorangegangene Gegenstände. 7Fch nehme an, daß Sie in diesem Sinne sprechen wollen. :

Abga. Sh olem (Komm.): Unsere Tagung muß frei und un- beeinslußt vor sih gehen. Die kommunistishe Fraktion fühlt fih deshalb veranlaßt, zur Geshäftéordnung darauf aufmerksam zu

machen, daß das Haus heute unter eigenartigen Umständen tagt. !

Vor Beginn der Tagung hat nämli eine Hundertshaft Schupo die Eingänge beseßt, eine völlig krieaësmäßig ausgerüstete Hunderi- schaft (Beifall rechts), die aufmarschiert ist in militärischer For: und in das Haus hineingeführt wurde. (Beifall rechts.) Wir frcgen, zu welhem Zweck neben der Schupobelegung, die shon an sich eine Schande sür den Reichstag ist, noch eine be ondere Hundertschaft aufgeboten ist. Vielleicht gedenkt man sie in Erinne- rung an Herrn v. Oldenburg-Fanushau in den Sißungssaal ein- marjchieren zu lassen. Ferner machen wir dcrauf aufmerksam, daß neben diesen unifomierten Schupoleuten cin Heer von Spißeln in Tätigkeit ist, darunter etlihe Galgenvogelagesihter. (Stürmische Heiterkeit rechts. Abgeordnete auf der Rechten zeigen auf den Ab- geordneten Scholem. Die stürmische Heiterkeit dauert an. Glote des Präsidenten.) Jch nehme mit Vergnügen wahr, daß die Er- wähnung der draußen stehenden Galgenvögel bei einigen Mit- gliedern des Hauses auf sehr große Sympathie stößt. Also es stehen draußen eine Reihe von Galgenvögeln. (Stürmische Heiter- keit rechts, man zeigt dort auf Kommunisten.) Was is der Zweck dieser Galgenvögel? Sollen sie dieses Shandparlament vor der Anwesenheit des Abgeordneten Remmele s{hüten? Dazu hat man sih veranlcßt gesehen, einige Dutzend dieser Achtgroshenjungen hier aufmarschieren zu lassen. Wir protestieren gegen diese Vorgängz; wir verlangen, daß der Reichstag sih dem Protest anschließt und den Präsidenten auffordert, von derartigen unwürdigen Maß- nahmen abzusehen. (Ruf rechts: Cbolerc.kazillen!) Der Auss{luß des Abgeordneten Remmele ist eine Beugung des Rechts. Es geht nicht an, daß zur Unterstüßung dieser Rechtsbeugung der Präsident sih noch weitere Provokationen der kommunistischen Fraktion leisten kann. (Große Unrube rets.) Jhre Maßnahmen beweisen, daß die Mehrkbeit es darauf anleat, die DOvposition in diesem Hc:use zu ver- gewatligen und mundtot zu machen, Die kommunistishe Fraktion er- klärt erneut, daß fi& sich davon nicht abhalten lassen wird, die Rechte ihrer Wähler wahrzunehmen. (Beifall und Händeklctschen bei den Kommunisten.)

Prâsident Wallraf ruft den Abgeordneten Sholem wegen des Ausdrucks „Schandvarlament“ zur Ordnung (Beifall) und fährt fort: Fh habe Herrn Scholem zu erwidern, daß die Vorsichtsmaß- regeln leider Gottes haben angewendet werden müssen. Fch glaube, der Reichstag wird sih freuen, wenn derartige Vorsichtsmaßregeln für die Zukunft sih erübrigen. (Beifall.)

Das Haus tritt hierauf in die Tagesordnung ein: Fort- bung der Beratung des Berichts des Geschäftsordnungsaus- usses über den Antrag, betr. Einstellung des

Strafverfahrens und Aufhebung der Unter- suchungshaft gegen die kommunistishen Ab- geordneten Pfeiffer, Shlecht und Lindau.

Abg. Koenen (Komm.) seßt seine gestern unterbrochene Rede fort, Er wirst den Sozialdemokraten Knechtseligkeit gegenüber monarcistischen Präsidenten vor und wird vom Präsidenten Wallraf zur Sache gerufen. (Abg. S olem [Komm.] ruft: Kritik an S. M. Wallraf ist nicht gestattet! Gegenrufe rechis: Unver- chämtheit!) Abg. Koenen fährt fort: Der Präsident hat bewußt die SUhrung in der Kommunistenheße übernommen.

Präsident Wallraf: Stören Sie doch nicht systematish unsere Verhandlungen. Fchch bitte, sich an die Sache zu Halten.

Abg. Koenen toirft weiter den Sozialdemokraten vor, daß le sih an dieser Kommunistenhete beteiligten. Der „Vorwärts“

be an den Vorbereitungen für die Herausgabe der im Reichstag angeregien Spivelsumpf-Broshüre {hon seit langem gearbeitet. «Fadash habe aus München telegraphiert, gestern jei er zwar aus der Haft entlassen worden, aber heute frith um vier Uhr sei bereiis wieder die Polizei bei ihm gewesen (hört! hört! bei den Kommunisten.) Und der Reichstag seße die Emmingerei fort. Das bayerische Beispiel geige, daß es auf diesem Wege niht gehe. Der Reichstag solle si vor der gleihen Blamage hüten. Es ftehe fest, daß Wulle, Graefe, Reventlow mit Mordbandidten in Verbindung stunden, aber von einer Anklage habe man noch nichts gehört. Nur Kommunisten würden verfolgt. Auch der nationalsozialistishe Abg. Kube stehe mii Mordbuben in Beziehungen, das sei durch Briefe einwandfrei stait, Kube habe die Unterlagen beschaffi, auf Grund deren eutnant Müllen dann erschossen worden sei, Abg. Kube [Natsog.]: Du bist qut ortentalisiert!) An dem Fall Gilbert sche man, daß ein aXdeblidber rommunistisher Spißel im Reichs8wehrministerium ein- und ausgehen könne. Das sei bezeihnend dafür, wie dunkel all diese Spitelgeschichten seien, Der Jude Weiß lose die Deutsch- vö!kishen laufen, hinter den Kommunisten aber shicke er Spigel er. (Abg. Kube [Naïtsoz.]: Das müssen Sie Severing sagen!) «Fa, Severing verstehe das Spivßeln am besten. (Abg. Kube nickt mit dem Kopf: Da haben Sie recht!) Aber Severing und Weiß seien sich mit Hitler und Ludendorff einig. (Gelächter.) Der Staat, der sie alle verbinde, sei der Tapitalistisbhe Ausbeuterstaat; ie wollten den Staat nur unter vershiedener Farbe. Einerseits shimpfe Ehrhardt die Arbeiter, andererseits wollten die Deutsch- völkishen Arbeiterinteressen vertreten, (Große Unruhe bei den Nationalsozialisten. Zuruf: Wir sind die sharfsten Gegner Ehr- ardts.) Fn der Notwehr würden die Ln ihre politi- en Aktionen fortseßen. (Zuruf bei den Nationalsozialisten: Die olge davon ist, die 12- und 14stündige Arbeitszeit! Widerspruch ei den Kommunisten.) Nachdem Vizepräsident Dr. Rießer den Redner mehrmals aufgefordert hat, zu schließen, erklärt dieser, es pandle sib um das Schicksal der Kommanistischen Partei, und der „Vorwärts“ habe ohnehin {on dem Redner vor o! hat er habe keine Argumente. Als der Redner fortfährt, {wel en bei der Mehrheit die Rufe: „Schluß! Schluß! immer“ mehr an. Unter oßer Unruhe der Mehrheit {ließt der Abg. Koenen seine andert- bstündige Rede. (Die Kommunisten klatshen in die Hände.)

Vizepräsident Dr. Rießer macht darauf aufmerksam, daß

zi den Gepflogenheiten des Hauses entspriht, in die Hände

chen. Wenn diesem Wunsch des Präsidiums nicht nahge-

werde, müsse er geshäftsordnungsmäßige Mittel ergreifen.

va. Dr. Bekl (Ztr.): Tumultuarishe Szenen und tief- rlihe Ausschreitungen entbinden uns niht von dex genaueren Prüfung der vorliegenden Frage, ob und welche durchshlagenden Gründe für Aufhebung oder Aufrechterhaltung der Fmmunität spre&zen. Fhnen (zu den Kommunisten) liegt ja gar nichts daran, hnen ist es nur um den Skandál zw tun. (Lärmender Wider- vei den Kommunisten.) Wix treiben weder Kommunistenhete

at der Aus\chuß mit zweierlei Maß gemessen (fortdauernder

irm und Unterbrechungen bei den Kommunisten. VizeÞpräsident r. NRießer ersuht den Abg. Koenen, doh einmal einen anderen Redner zu Wort kommen zu lassen.) Wir würden ja niht nur

parteiïs, fondern auch politisch unklug handeln, wollten wir die !

Kommunistenfraktion hier aushalten oder mundtot machen. (Ge-

lähter bei den Kommunisten.) Der NOA fugnis, den Beweis der Behauptungen des Reichsanwalts selbst n führen oder fie glaubhaft zu machen; er würde ja dadurch in ie Recht2pflege cingreifen. Also kann auch den Kommunisten nur an einer schnellen Gerihtsentsheidung gelegen sein. Das Parlament ist kein Tribunal. Es fragt sich, ob das Staatsinteresse oder ob das Juteresso des Reichstags überwiegt. Es handelt si: hiex nicht

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hat feinerle; Be- |

bloß um politishe Verbrechen, es kommen auch gemeine Verbrechen *

nach der Darlegung des Reihs2anwalts in Frage. Herr Koenen spra davon, daß kein Ausnahmerecht und kein Ausnahmeverfahren gegen die Kommunisten statuiert werden dürfe. Ganz unsere

einung: aber aub nicht zugunsten der Kommunisten. (Erneuter roßer Lärm bei den Kommunisten.) Wenn die Kommuamrtisten die

rfassung gewaltiam umstürzen wollen, und uns den Kampf aufs Messer amiagen, so wird in diesem Kampfe, davon bin ih überzeugt,

mit der Majorität des Volkes auch die Staat3autorität siegen! Wir stimmen dea Auëshußantrag bei.

Abg Brodauf (Dem.): Wenn auh nur ein kleiner Teil der Beschuldigungen erwiesen wird, so haben wir es mit der schlimmsten Gefährdung der Verfcssung und des Staates zu tun. Wir werden uns durchaus freucn, wenn die Zentrale umd ihre Mitglieder durch die Unterjuchung entlastet werden, aber das Verfahren gegen die beiden Angeshuldioten muß ihren Gang gehcn. Das Interesse der H:rren Kommunisten an dem ungestörten Fortgang der Reichs- tagsverhandlungen scheint mir übrigens, nach ihrem ganzen Auf- treten hier und besonders nach dem Debut der Frau Ruth Fischer niht allzu groß zu sein. (Lärm bei den Kommunisten.) Die Ge- rechtigleit und Unparteilichkeit gebietet uns, den gleihen Stand- punkt gegen die Herren auf der Rechten einzunehmen, die si, ivie die Deutschvölkishen, auf dem gleihen sittlihen Niveau be- finden. (Großer Lärm bei den Nationalsozialist-n.) Dort ist unter anderem das Schandwort „Fudenscirein“ gefallen, das ist kenn- zeihnend für dieje Herren. Wir Demokraten wollen gleihes Ret für diz HoŸverräter von links wie von rets.

Abg. Henning (Nat. Soz.): Sehs Kommunisten läßt man frei, unser Freund Kriebel, ein Ehrenmann (Lärm bei den Kom- munisten), muß in Haft bleiben. Dcs ist die Gerechtigkeit- des Reichstags. Fm Ausschuß hat das Zentrum sich für uns erklärt, um so größer war unser Erstaunen über seinen Umfall im Plenum. Auch Herr Dittmann sprach si dort grundsävzlih für die Fmmuni- tät aus; im Plenum hoben die Sozialdemokraten ihren Grundsaß „Recht soll Recht bleiben!“ auf. Ausgerehnet ein Mann von der Vergangenheit Dittmanns maßt sih an, von Kriebels Landesverrat zu sprehen! (Stürmische Zustimmung bei den Nationalsozialistei; Rufe: Novemberverbreher! Hocverräter!) Wir treiben keinen Kuhhandel wie die Sozialdemokraten. (Große Unruhe links und andauernde Erregung im ganzen Hause; Ruf: Jdioten!). Es f der Stolz unserer Deutschvölkishen Fraktion, deß sie auch niŸ einen Tropfen jüdishen Blutes in ihren Reihen aufweist. - (Stür- misher Widerspruch und betäubender Lärm.) Ein Hochverräter ist auch ein Vaterlandsloser. Wenn die Herren Stresemann und Marx die Wirtschaftspolitik unenmvegt weitertreiben, die das deutshe Volk zum Erliegen bringen muß, so sind auch sie vater- landslose Männer, mögen sie ihre Vaterlandsliebe noch so sehr beteuern. Wir werden unsere Arbeit um Deutschlands Rettung unbeirrt und unerschroen fortseßen. (Lärmende Zurufe aus den Reihen der Deutshen Volkspartei und des Zentrums.) Wer tritt denn hier immer so beredt als Anwalt des Ultramontanismus auf, Herr Fehrenbach? Wir werden Rechenschaft fordern cuch für München. Wir können Sie als Mitarbeiter an der Wieder- aufrihtung Deutschlands niht anerkennen; wir Haben für Ihre Kampfeäaweise nar Verachiung, seit Sie bei der Frage Kriebel gegen uns gestimmt haben. Die Mehrheit hat uns auch vom Shrift- führeramt ausges{lossen, obwohl wir 32 Mitglieder sind, und daran hat sih die deutichnationale Volkspartei mitsculdig gemacht. Welche dunklen Machenschaften müssen vor sich gegangen jein, wenn eine Regierung ohne Völkishe zustande kommen fonnte, nachdem fih Millionen für uns erklärt haben! Die Kommunisten haben ia faum einen wirklichen Arbeiter oder einen echten Proletarier unter sich. (Lachen und andauernde Zurufe bei den Kommunisten.) Was wird die neue alte Regierung tun, um das deutsche Vaterland zu retten? Regierung und Reichstag sehen nicht die Not des Reiches, sie sehen nur die Not der drei eingefperrten kommunistishen Hoh- verräter! (Tosender Lärm bei den Kommunisten; Rufe: Luden- dorff! Lindström!) Das Auswärtige Amt hat sogar über Herrn Radek seine schüßende Hand gehalten. (Zurufe bei den Kommu- nisten.) Herr Radek und ih kennen uns sehr gut. (Große Heiter- keit.) Herr Radek war damals mit Wissen und Billigung des Herrn v. Maltzahn in Berlin! (Stürmisches Hört! Hört!) Die Diktatur des Proletariats is längst durch die j¡üdishe Diktatur gegen das Proletariat erseßt worden. (Lachen. bei. den Kommunisten, immer wiederholie Nufe: Ludendorff! Abg. Thälmann ruft: Schuft! Heuchler! und wird zur Ordnung gerufen.) Der Kampf geht allein darum: Hakenkreuz oder Sowjetstern! (Lärm bei den Kommunisten.) Retten kann das deutshe Volk nur eine Diktatur der Deutschvölkischen. (Beifall rechts, Lärm bei den Kommunisten.)

Abg. Levi (Soz.): Die Deuts{völkishen haben sich im Wahl- kampf vorgestellt als die Partei der geistig und materiell Enterbten. Der Abgeordnete Henning is diesem Progranum beute nichts shu!dig geblieben. Gegen die verhafteten Abgeordneten liegen bis jeßt nur einseitige Darstellungen des Reich#anwalts vor. Wenn aber nur ein Teil der Anschuldigungen wahr sein sollte, so können wir eine solche Kampfesweise niht nur nit billigen, fondern wir betrachten sie auch als eine tiefgehende Schädigung des deutschen Proketariats. (Lärm bei den Kommunisten.) Was i} denn dieser „deutsche Geist“, von dem uns Herr Henning einen Hauch hat verspüren lassen? Der Generalqartiermeister Ludendorff, der von 1916 bis Ende 1918 die ganze Macht Deutshlands in Händen gehabt hat, hat ein großes Spiel gespielt und das Sdiel verloren. (Zurufe bei den Nationalfozialisten: Durh Eux& Schuld, durch die Friedensentshließung des Reichstaas.) Jch rede von dem Luden- dorff, der 1920 eines Morgens § Sor vor dem Brandenburger Tor ershien. Er hätte den Mut Sen müssen, vor Gericht zu er- scheinen. Er log vor dem Geriht wie ein erwvishter Schulbub. (Lebhafte Vfuirufe vechts.) Oberstes Geseß politischer Verbrecher ist, daß sie die Treue halten denen, die thnen halfen. Fch rede niht von dem Abgeordneten Ludendorff, sondern von dem Luden- dorff, der vor dem Volksgeriht in Mimchen im leßten Augenblick die Brücke betrat, die ihm der Vorsißende baute. Jst der deutsche Geist etwa zu Haufe bei den Grandel und Thormann? (Zuruf bei den Nationalsozialisten: Seipelmörder! Zuruf links: Rathenau- mörder! Bei weiteren Ausfithrungen des Redners wird von einem nationalsozialistishen Abgeordneten gerufen: Adler!) Wir verleugnen Adler nit, wir bekennen ums zu ihan. (Zuruf: Weil er ein Jude ist!) Adler hat keinen Pfennig Geld bekommen, wie die Ankermann und Weichardt, die Geld für das Attentat gegen Harden erhielten. Jch rede von dem Ludendorff, der im November 1923 in München marschiért ist und nachherx auf dem Bauche ge- legen hat. (Zuruf bei den Nationalsozialisten: Schuft! Unver- amer Lügner! Vizepräsident Dr. Rießer ruft den sih auf seine Arfforderung meldenden Zwischenrufer zur Ordnung.) Dex Redner erörtert dann die Fälle Urbahns und Frick, die juristish und politisch völlig gleih seien. (Zuruf bei den Nationalsozialisten: Un- erbört!) Urbahns hat aus durchaus anständigen Motiven gehandelt. (Zuruf bei den Nationalsozialisten: Das ist ein Moskowiter!) Beide Fälle sind erwachsen aus der ungeheuren Notlage des Volkes. Der Redner begründet die Stellungnahme der Sozialdemokraten für Haftenlassung der Abgeordneten Lindau und Pfeiffer, die jeßt nicht cinmal der Reich2amwalt mehr mit all den Hochverrats- und Mord- geshihten in Zusgmmenhang bringen könne. Es würde sich nit um eine Aufhebung der Fmmunität, sondern um eine Vogelfrei- Erklärung zweier Abgeordneter handeln. Der deutshe Arbeiter hat nit die Neigung zum politischen Mord. Gelernt hat er den Gebrauch der Sprenastoffe und des Dolches bei Euch (nach rechts). (Buruf bei den Nationalsozialisten: Moskau!) Was er in vier- jährigem organésizrien Mord gelernt hat, das verlernt er so {nell nicht wieder. Der Redner -verlangt gleihes Recht für alle: Für Kommunisten wie Nationalsozialisten. Wo ist der rähende Staats- anwalt? (Zuruf bei den Nationalsozialisten: Sie sind der Anwalt von Mosfau!) Turmboh über der von Jhnen gerügten sittbihen Berwirrung erhcbt sih die sittlihe Verworfenheit der deutschen Fustiz. (Vizepräsident Dr. Rieß er rügt diesen Ausdruck.) Auch die Kommunisten müssen auf gleichem Fuß, nach gleihem Recht behandelt werden.

Abg. Thälmann (Komm.): Zur selben Pei, wo hier diese Sache verhandelt wird, stehen 80 unserer Genossen in Mainz vor dem französishen Militärgeriht wegen antimilitaristischer Pro- paganda. Das isst ein eigentümliher Zufall. Die Regierung hat

noch niht gewagt, ihr Programm vor dem Reichstag zu entwideln, dieselbe Regierung, die damit einverstanden ist, daß nah dem Sach- verständigengutahten 40 Prozent unserer Eisenbahner entlassen werden sollen. Mit von Spißeln zusammengetragenem Material

will man uns bekämpfen, es soll ein Sensationspro A Bec Wir fürchten ihn nit, wir werden für unsere Jdeen eint . Vor

einigen Tagen wurde in der Dunkelkammer der Regierung davon gesproden, ov man ünsere Partei nicht shon jeßt verbieten solle. Die Sozialdemokraten. sind mit einem jolchen Verbot einver- “u Ad E A Blu, S marschieren, wir Ren die Irbeiter nit in usion, man mit dem Stimmzettel die poli- tische Macht erobern kann. Wir werden unser Ziel Hie verleugnen, wir haben als Ziel die Organisation der Revolution. Fm bürger- lih-kapitalistishen Staat ist der Klassenkampf unvermeidlich. Unsererfeits wäre es geradezu ein Frevel, zu erklären, daß wir den ere gs e ablehnen. (Sehr wahr! bei den Kom- munisten.) Der Feind steht für uns im kapitalistishen Lager und im Lager auch derjenigen, die kg mit den Kapitalisten aussöhnen. Die Fragen des bewaffneten Aufstands und der Diktatur des Pro- letariats hängen Pemmen . Des Bekenninis zum beraffneten Aufstand Pa der Pri ein für Y proletarishe Partei. Wir werden nit still halten, wenn Sie (nah reis) sich bewaffnen, um die Monarchie wieder herzustellen. Das Gewehr in der Hand des Proletariers bedeutet Jo Freiheit. Jm revolutionären Kriege muß die Bourgeoisie niedergekämpft werden (Händeklatshen bei den Kommunisten). Wenn die Nationalsozialisten ihren Kriebel frei haben wollten, mußten sie grund es auch für die Frei- lassung unserer Abgeordneten stimmen; sie sind selbst {uld daran, daß Kriebel nicht freigekommen ist. Die Methode ihrer Judenheße zeigt ihre Verlogenheit. Ludendorff hat 1914 in Polen einen Auf- ruf zum Schuße der Juden erlassen und einmal auch den Schuß eines Juden für fih in Anspru genommen, weil er zu feige war.

re Gegner Erzberger und Rathenau haben Sie feige ermorden ajsen; auch das Attentat auf Scheidemann_ zeigt Jhre Feigheit. Wenn Sie offen kämpfen wollen, kommen Sie zu mir. Ni i in den Kreisew der Arbeiter, sondern der Schwerindasstrie sißen die Landesverräter. Die Micum-Verträge sind abgeschlossen worden ohne daß die Regierung davon in Kenntnis gejseßt wurde. (Leb- hafter iderspruch rets.) Wir s{üßen die Fmmunität unserer Abgeordneten au, weil die reaktionáre deutsche Fustiz nicht gere{cht und objektiv urteilen kann. Sonst ete Ludendorff in München nit freigesprohen werden können. Remmele ist auf 20 Sißungs- tage hier ausgeshlossen, das is der Beginn des Vorgehens gegen uns hier im Hause, das mit dem Vorgehen draußen gegen uns giammenauge zenn Sie unsere Führer und Funktionäre in®

fängnis bringen, müssen wir unsere Anhänger in den Reichstag bringen, wo sie gut aufgehoben sind. Wir haben bei der Reichs- tagswahl in vielen Gegenden die Mehrheit gehabt, in Hindenburg jogar eine so große Mehrheit, daß der Antrag gestellt werden onnte, Hindenburg in Leningrad umzutaufen (große Heiterkeit rechts). Wir werden das Gewehr nit bei Tus lassen, sondern übernehmen. (Lebhafter Beifall und Händeklatshen bei den Kom- munisten.) / E

Fat Rießer maht wiederholt darauf aufmertsam, daß das Händeklaischen im Reichstag nicht zulässig ift.

Abg. Dr. Kahl (D. Vp.): Wenn etwas den Beweis erbracht hat, daß der Reichstag energule) gegen fommunistisce Ausschreitungen vorgehen muß, so war es die Rede des Vorredners, der den Kampf mit allen Mitteln, au den verbreceris{sten, empfahl. Es war eine Brandrede mit Aufreizung zum Mord und allen verbrecherischen Taten. Da haben die Been ihr wahres Eehht gezeigt. (Zuruf bei den Kommunisten: Sie wollten ja die rheit hören!) In einem Punkt berührten \iŸ freilich die Darlegungen des kommunistishen und sozialdemokratischen Redners. D Dr. Levi- sprach von der Verworfenheit der deutshen Justiz. muß _ich entschieden zurü weisen. Nun zu den Deutschvölkishen! Es ift bedauerlich, daß die Deutsche Volkspartei diese aare dulden In En bei den Nationalsozialisten. Zurufe der E it den Herren von links beschäftige ih mich nicht weiter, denn man muß d schämen, mit ihnen zusammen hier zu siven. Die Deutscvölkischen aber haben ein nahezu kommunistisces Programm entwidelt. (Un- ruhe bei den Nationalsozialisten.) Sie treten ja auch für den Acht- stundentag ein. Die Rede des Herrn Henning war das Höchstmaß

olitisher Minderwertigkeit. Mit Bezug auf diese Rede trifft das

Wort eines Ihrer Anhänger (zu den Nationalsozialisten) zu: „Wir ind die geistig Enterbten!“ (Lebhafter Beifall bei der Deutschen Zolkspariei.) ai E Dittmann (Soz.) betont, eine ei au tro der Rebe des Abg. Al lon für die Haftentlaffung dieser kom- munistishen Abgeordneten eintreien werde. Der Redner weist die Behauptung Thälmanns als erstunken und erlogen zurü, daß au die Sozialdemokratische Partei sih bereit gefunden habe, die Kom- munistische Pariei zu verbieten.

Damit ist die Besprechung geschlossen. J :

Abg. Kube (Nat.-Soz) Ds Ei fest, daß von ciner Verbindung mit Grütte-Lehder keine Rede sei. Gt Ù

Aba. Most (D. Vp.) fragt auf einen Zuruf aus der nationalfozialistishen Fraktion, wo es denn gestanden habe, daß er ein Jahr für das Vaterland 1m Gefängnis gesessen und stets gegen die Separatisten gelämpft habe. L , G as

Abg. Henning (Nat.-Soz.) weist die hauptung zurüd, è fein R Des sich nit viel von dem kommunistishen unterscheide.

Der Reichstag beschließt gegen die Stimmen der Sozial- demokraten und Kommunisten, die Freilassung der kommu- nistishen Abgg. Lindau und Pfeffer abzulehnen, ebenso die Freilassung des Abg. Schle ch t (Komm.), dessen Fall aber weiter geprüft werden soll.

Damit {ließt um 4 Uhr die erste Sißung, und der Prä- sident beraumt auf 5 Uhr eine neue Sißung an mit der Tages- ordnung: - Entgegennahme einer Erklärung der Reichs- regierung.

7. Sitzung 4. Juni 1924, Nachmittags 5 Uhr.

Das Haus ist gut t, die Tribünen sind start gefüllt. Jn der Di Leine ie teht man die Vertreter der fremden Mächte.

Um 5,00 Uhr erscheint der Reich c Mäxx im Saal. Mit ihm R Miiantcife des Auswärtigen Dr. Stresemann, der Reichsminister des Fnnern Dr. Farres, der Reichspostminister Dr. Höfle, der Reichs- arbeitsminister Dr. Brauns, Reichsverkehrsminister Oeser, der Reichswehrminister Dr. Geßlex, der Reichs- wirtschaftsminister Ham m und der Reichsminister für Er- nährung und Landwirtschaft Graf Dv. Kami.

Präsident Wallra f eröffnet die Sißung um 5,29 Uhr und gibt Kenntnis von einer Dan ng der österreichischen Regierung für die Beileidskundgebung des Deutschen Reichstags. : i

Auf der Tagesordnung steht nur die Entgegennahme einer Erklärung der Reichsregierung.

Das Wort erhält sofort der Reichskanzler Marx, der von den Kommunisten mit den Rufen „Amnestie! Fveilassung der politishen Gefangenen!“ empfangen wird.

Reichskanzler Mar x : Meine Damen und Herren! Jch habe die Ehre, dem neugewählten Reichstag die Reichsregierung bvorzu- stellen. Der Herr NReichspräsident hat alle Mitglieder der bisherigen Reichsregierung in ihren Aemtern bestätigt.

Die auch bei dieser Kabinettsbildung zu bewältigenden Schwierig- keiten sind Jhnen bekannt. Ihren tiefsten Grund haben sie in der ernsten und bedrängten außenpolitishen Lage des Reichs. _Es is durchaus verständlich, daß nach den langen, bergeblichen Bemühungen Deutschlands, zu einem wahren Frieden zu gelangen, der Meiungs- | streit über den einzus{lagenden Weg bewegter und-heftiger ausgetragen

wird, als die Einmütigkeit über das zu erreiGente Ziel der Be- freiung Deutschlands es zu rechtfertigen scheint.

Seit Jahren steht die deutsche Politik unter dem Druck der außenpolitishen Verhältnisse. Jm besonderen Maße is das jeßt der Fall, da die beherrshende Frage der großen internationalen Politik die Stellungnahme der be- teiligten Völker zum Gutachten der Sachverständigen über das Reparationsproblem ist. Nach der Ueberzeugung der Reichsregierung ist das für Deutschland die Lebensfrage. (Zustimmung in der Mitte.) Die Lage unserer Wirtschaft ist trostles, wenn nit gar verzweifelt. (Sehr richtig!) Die Kenner unseres Wirtschaftslebens sind darin einig, daß in allerkürzester Frist eine Entspanmang auf dem Gebiete der Geld- Inæppheit erfolgen muß, wenn nit die gange Wirtschaft erliegen soll.

Einen Auâwveg aus der {on zu lange andauernden \daveren witt- schaftlichen Krisis, die Deutshland durhlebt, sah die Reichsregierung in dem Gutachten, das eine Reihe namhafter ausländischer Sab- verständiger der Neparationskonanission erstattet hat. Sie hat des- halb durch ihre Note vom 17. April die Anfrage der Reparations- Tommission dahin beantworiet, daß sie in dem Gutachten eine praf- tishe Grundlage für die shnelle Lösung des Reparationeproblems erblide, und daß sie deshalb bereit sei, ihre Mitarbeit an den Plänen der Sachverständigen zugusichern. (Unruhe und Zurufe von den Kom- munisten.)

Im Einklang mit dieser Erklärung wird die jeßige Reichs- regierung die bereits im Gange befindlihen und, wie ih ausdrüdlich bemerken möchte, durch die Kabinettsbildung niht verzögerten Vor- arbeiten zur Durchführung des Gutachtens fortseßen. Die Organi- sationskomiices für die Goldnotenbank, für die Reichsbahn und für die Industrieobligationen haben ihre Arbeiten bereits aufgenommen. (Hört, hört! bei den Nationalsozialisten.) Es wird Aufgabe dieser Komitees sein, die in dem Sachverständigengutaßten noch vorhandenen Lüden auszufüllen und Unklarheiten sowie tertlide Widersprüche auf- zuklären. Es müssen dabei die Befugnisse der Kommissare völlig Tlargestellt und abgegrenzt werden. (Andauernde Zurufe von den Kommunisten. Glocke des Präsidenten.)

Insbesondere müssen auch die Zweifel beseitigt werden, die hin- sihtlih der deutsGen Mehrheit im Venwaltungsrat der Reichsbahn vorhanden sind. E

Wenn die Arbeiten dieser Komitees zu einer Einigung geführt haben, wird die Reichsregierung alsbald die für die Negelung dieser drei Materien noiwendigen Geseßentwürfe den gesetzgebenden Körper- schaften vorlegen.

Ferner müssen auch die Fragen, die mit der Inanspruchnahme der Dôlle und Verbrauch8abgaben im Zusammenhang stehen, mit der Gegenseite erörtert und die Befugnisse des Kommissars dafür klar- gestellt werden. (Wiederbolte Zurufe von den Kommunisten.) Meine Herren (zu den Kommunisten), will nit für mi irgendeine For- derung an Sie richten, aber id möchte Sie bitten, in diesem Augen- bli, wo die Aufmerksamkeit des ganzen- Auslands auf diese unsere Sißung gerichtet ist, etwas wenigstens dem deutsben Namen und der der deuisben Ehre Rehnung zu tragen. (Stürmisber Beifall. Wiederholte erregte Zurufe von den Kommunisten. Glode des Präsidenten.)

Außerdem muß die Tätigkeit des Agenten für die Reparations- dahlungen noch in Einzelfragen geregelt werden.

Das Gutachten kann nach der Absicht der Sachverständigen selbst mur als Ganges angenommen oder venvorfen werden. Die Neichs- regierung ist bereit, alles, was an ihr Legt, zu tun, um die in Angriff genommenen Vorarbeiten zu beschleunigen (Zurufe von den Komnnmisten) und das Sachverständigengutachten in die Wirklich- keit umzuseßen. Sie hofft dabei auf die schnelle Mitarbeit des Neichs- bags. Die von unserer Seite zu erlassenden Gesetzentwürfe und An- ordnungen werden erst in Kraft treten, wenn klar und eindeutig fest- steht, daß auch die Gegenseite das Gutachten als ein unteilbares Ganzes und unverändert annimmt, und wenn Gewißheit dafür gegeben ist, daß die Gegenseite gleichzeitig alle die Maßnahmen trifft, die in dem Gutachten als notwendig bezeichnet sind, um die deutsche Leistung8- fähigkeit wiederberzustellen.

Die wirtschaftliche und finanzielle Einheit Deutschlands und seine Verwaltungsrat müssen gleiczeitig wiederhergestellt werden, weil anders die Leistungen, die in dem Gutachten verlangt werden, nicht aufgebraht werden können. Die ungeheuren Opfer für das deutsche Volk sind nur tragbar, wenn allen Deutschen die Möglichkeit gegeben wird, in ihrer Heimat sih ungestört der Arbeit bingugeben. (Sehr wahr! in der Mitte.) Die innere Bereitschaft, die für die Steigerung der Produktivität und die Uebernahme so schwerer Lasten notwendig ist, kann nicht geschaffen werden, solange das traurige Schicksal vieler Tausender Vertriebener und ihrer Freiheit beraubter Deutscher die Nation belastet und beunruhigt. (Lebhafte Zustimmung.) Ihnen Sreibeit und Heimat wiederzugeben, ist ein unerläßliches Ziel, von dem die Reichsregierung nicht abgehen kann. (Beifall in der Mitte.) i Wenn so das Gutachten in dem Geiste ehrliher Verständigung, în dem es entstanden ist, als Ganzes von allen beteiligten Regie- rungen angenoînmen und durchgeführt wird, werden wir wieder auf eine vertraglihe Grundlage mit unseren Reparationsgläubigern fommen. Es ist nur folgerihtig und unerläßlih, daß dann die vertraglihe Basis überall wiederhergestellt wird (sehr ridtig!), sowobl bezüglich des auf Grund des Vertrages von Versailles beseßten links- rheinischen Gebietes, als auch bezüglich der über den Vertrag von Versailles hinaus beseßten Gebiete. (Sehr gut! im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten.) Das wird in sih schließen, daß in dem oltbeseßten Gebiet das Rheinlandabkommen wiederhergestellt und loyal gehandhabt wird und daß die über den Vertrag von Versailles hinaus beseßten Gebiete geräumt werden, (Lebhafter Beifall.) Die Regierung wird sih mit aller Entschiedenheit für die gerechte Lösung dieser Frage einseßen, (Bravo! bei der Deutschen Volkspartei, im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten.) Die Sachverständigen haben diese Fragen bewußt nar deshalb offen gelassen, weil thre Lsung über ibren Aufgabenkreis hinausgeht. Aber sie haben selbst ganz klar darauf bin-

gewiesen, daß die über ihre Zuständigkeit hinausgebenden politischen Fragen zwischen der deutschen Regierung und den alliierten Regie- rungen unmittelbar geregelt werden müssen. Die Reichsregierung sieht hierin eine ihrer vornehmsten und dringlihsten Aufgaben.

Nach der Ueberzeugung der Reichsregierung müssen vor diesen lebenawichtigen, für die Einheit des Reichs wie für die deutsche Wirt- saft gleih bedeutsamen Fragen der Außenpolitik alle innerpolitishen Fragen, mögen sie auch noch so wichtig erscheinen, vorerst zurüdtreten. (Sehr richtig! bei der Deutsben Volkspartei.) Jn voller Absicht unterlassen wir es deshalb, in der gegenwärtigen Stunde auf Fragen innerer Politik einzugehen. (Zurufe von den Kommunisten.) Bei den

ist es Pflicht, die gesamte Kraft der Nation für diese ernste und {were Aufgabe einzusegen; ist es Pflicht, aud die drückfenden Sorgen des Alltags in dem Bewußtsein zurüczustellen daß erst nah einer Klä- rung und Bereinigung unserer außenpolitischen Schwierigkeiten der Wiederaufbau im Innern auf staatlichem, wirtshaftlihem und sozial- politishem Gebiet in Angriff genommen werden kann. (Zustimmung bei den Deutschen Demsotraten, im Zentrum und bei der Deuischen Volkspartei. Unruhe bei den Kommunisten.)

Die Reichêregierung wird ihre ganze Kraft an die Arbeit seßen, die zur s{nellen Durchführung des Sacverständigengutachtens er- forderlih ist, und stets ihr Augenmerk darauf richten, daß die fi daraus für das ganze Volk ergebenden {weren Lasten nach Maß- gabe der Tragfähigkeit gerecht verteilt werden. (Bravo! im Zentrum.)

Angesichts der verzweifelten wirtschaftlichen Notlage, in der sich die deutshe Wirtschaft zurzeit befindet, beshwört die Reichsregierung den Reichstag und das ganze deutsche Volk, die in den leßten Monaten langsam, wenn auch unter Fiebersauern einseßende Gefundung Deutschlands durch Uneinigkeit und zerseßenden Kampf nicht wieder zu zerstören. (Bravo! in der Mitte.) Wer wird noch Hilfe bringen können, wenn Deutshland nech ein zweites Mal so dit an den Abgrund kommen sollte wie im November vorigen Jahres? (Zuruf von den Kommunisten: Dafür werden Sie s{on sorgen!) In den kommenden Wochen handelt es sih darum, den eingeleiteten Ge- sundungSprozeß (Lachen bei den Nationalsozialisten und bei den Kom- munisten) durchzuführen und die deutshe Wirtschaft zu retten. (Un- ruhe bei den Kommunisten.) AU die {weren Opfer, die das deutsche Volk in den leßten Monaten zur Rettung vor dem Zusammenbruch auf sih genommen hat, wären vergebens gewesen, wenn wir jebt bis zur Erreichung des Ziels nit stark blieben. Wir dürfen nit die unsühnbare, shwere geschichtliche Schuld auf uns laden, des Deutschen Reiches Untergang verschuldet zu haben, weil wir im entscheidenden Augenblick nit nationale Disziplin zu wahren wußten. (Sehr gui! im Zentrum und bei den Deutshen Demokraten.)

Das Ausland muß sehen, daß das deuishe Volk geschlossen den sih ihm bietenden Weg in die Freiheit gehen will. (Zurufe von den Nationalsozialisten.) Das Ausland aber muß endlih auch den Be- weis erbringen, daß es zu ehrliher Verständigung bereit ist. (Zu- stimmung im Zentrum, bei der Deutschen Volkspartei und bei den Deutschen Demokraten.) Nur dann wird \{ im deutshen Volke der durch zahllose Entiäus{bungen und Demütigungen ers@ütterte Glaube an wahren und dauernden Fricden wieder festigen.

Meine Damen und Herren! Es geht um deutsbe Brüder (Zu- rufe von den Kommunisten: Politische Gefangene!), es gebt um deutshes Land, es gebt um Deutschlands Rettung in leßter bötster Not. Das Rheinland und unsere bedrängten Landsleute an der Nubr sehen erwartungsvoll auf Sie und verlangen von Jhnen, daß Sie ihnen {nell Rettung und Hilfe bringen. (Lebhafter Beifall bei der Deutschen Volkspartei, im Zentrum und bei den Deutschen Deme- kraten. Lärm und Zurufe bei den Kommunisten: Wo bleibt di

Amnestie? Erneuter Beifall in der Mitte. Forigesette von den Kommunisten: Amnestie! Glode des Präsidenten.)

_ Prâsident Wallraf {lägt vor, die Besprehung der Re- gierungséertlärung auf morgen zu vertagen, und morgen um 10 Ubr außer der Boïprechung der Regierungserflärung noch den weiteren Nothaushalt in allen drei Lesungen zu beraten.

Abg. Koenen (Komm.) widerspribt der zweiten und dritten Beratung des Notetats.

_ Abg. Mask owsk i (Komm.) verlangt, morgen auch den Antrag seiner Fraktion wegen des Bergarbeiterstreiks zu verhandeln.

Abg. L öbe (Soz.): Die dritte Beratung muß abgeseßt werden, wenn ein Mitglied widerspricht; darüber, ob die erste und zweite Lesung gleizeitig stattfinden sollen, entscheidet die Mehrheit. Der Antrag, betr. die Bergarbeiterfragen, kann {on bei der Besprechung der Regierungserklärung mitverhandelt werden.

Das Haus beschließt, von dem _weiteren Notlaushalt morgen die erste und zweite Beratung vorzunehmen. Der An- trag Maskoivski wird gegen die Stimmen der Kommunisten abgelehnt. Jm übrigen verbleibt es bei den Vorschlägen des Präsidenten. i

Schluß 54 Uhr.

Nufe

Heraus mit den Gefangenen!

Nr. 22 des „Reichsverkehrsblatts* vom 3. Iuni hat folaenden Inhalt: Verordnung vom 12. Mai 1924 zur Cifenbtabn- verfebrsordnung, betr. die Offenhaltung der Fahrkartenschalter und der Warteräume sowie die Auflieferung des Reisegeväcks. Erlaß vom 20. Mai 1924, betr. Verwendung von Hochofenzement. Nach-

4 rihten.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die amilihe Großhandelsinderxziffer vom 3. Juni und fürden Durchschnitt Mai 1924.

Die auf den Stichtag des 3. Juni berechnete Großtandelsindex- zifer des Statistisen Reick£amts ist gegenüber dem Stande vom 27. Mai (120,2) weiter um 1,5 vH auf 118.4 zurückgegangen. Von den Hauptgruppen sanken im gleichen Zeitraum die Lebentmittel von 103,4 auf 100,9 oder um 2,4 vH, davon die Gruppe Getreide und Kartoffeln von 89,5 auf 87,8 oder um 1,9 vH, die Industrie- \toffe von 151,6 auf 151,1 oder um 0,3 vH (davon die Gruvve Koble und Eisen mit 144,7 natezu unverändert): die íInlands- waren gaben von 109,8 auf 108,7 cder um 1 vH und tie Eintuhr- waren von 172 auf 166,8 oder um 3 vH na.

Für den Durchschnitt des Monats Mai ergibt #& ein Rückgang der Großbandelsindexziffer von 124,1 auf 1225 oder um 1,3 vH. Von den Hauptgruvpen sanken in der gleidhen Zeit die Lebenêmittel von 109,7 auf 106,6 oder um 2,8 bH, wäbrend die FIndustriestoffe von 150,9 auf 152,2 oder um 0,9 vH anzogen. Die Inlantswaren sliegen von 111,7 auf 112,2 oder um 0,4 vH, die Einfubrwaren tanten von 185,6 auf 173,8 oder um 6,4 vH.

Berlin, den 4. Juni 1924.

Statistisches Reichsamt. J. V.: Klingler.

Getreidepreise an deutschen Börsen und Fruchtmärkten in der Woche vom 25. bis 31. Mat 1924. In Goldmark (Nentenmark) für 50 kg.

Städte Handelsbedingungen

Wöchentliche | | Gerste Notierungen | Roggen

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Worms . bahnfrei Worms ..

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Würzburg *) R Großhandelseinkaufspreise ‘ab fränk. Station . 7

Anmerkung: Crefeld, Duisburg und Köln notieren in Papi 1) Weizen 1 und Hafer 2 Nallerungen n in Papi

*) Durchschnitt. Berlin, den 4. Juni 1924.

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Statistishes Reichsamt.

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Kartoftelpreise in deutschen Städten in der Woche vom 25. bis 31. Mai 1924.

Städte 1) Handelsbedingungen

Wöchentliche Notierungen

Zahl | am

Preise in Goldmark für 50 kg

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Berlin *) . Breslau . Hamburg *)

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: 1) Für die sonst Notierungen niht vor. *) Durchschnitt.

Berlin, den 4. Juni 1924.

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2,58 München liegen Statistijhes Reichsamt. J. V.: Klingler.