1924 / 151 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Jun 1924 18:00:01 GMT) scan diff

I E E T C I

material und den angestellten Bereuukgia wenig Bedeukung bei-

messe. Er forderte zunächst, daß der Weinbau durch Wiederherstellung der Zollgrenze geschüßt werde, weil sonst dieser ärmste Teil der deutschen Landwirtschaft, der vor dem Kriege hwere Zeiten durch- gemacht habe, völlig ins Elend gerate. Ferner sprach er sich aus gegen eine weitere Herabjeßung des Tabakzolls, den namentlich die badischen

Pflanzer nicht entbehren könnten. Die von dem Reichsernährungs- minister dargelegten Gründe für die Spannung zwischen Erzeuger- preis und Konsumentenpreis erachtete er nit für ausreichend. Die Spannung aber sei es gewesen, die die Bauern noch mehr erbost habe als die niedrigen Preise, die sie für ihre Produkte bekämen. Natürlich könne der Bauer nicht bestehen, wenn gleichzeitig das, was er brauche, abgeschen von einem Teil der Düngemittel, weit über Friedenspreis stehe. Die Steuern seien mes für die kleinen Bauern gefähr- lich, da sie sie selber berechnen sollten und doch nicht könnten, und sie immer in Gefahr seten, daß ihnen bei Verzug ein lebenswichtiges Stück ihres Betriebes weggenommen werde, Ur, dessen Wieder- gewinnung sie lange Jahre Arbeit brauchten. Einfachheit in den Steuergeseßen, richtige Veranlagung und Herabseßung auf ein trag- bares Maß seien unbedingte Forderungen. In der Kreditfrage sei ebenso wichtig wie die Delhaffung die vage der Zinsen und der Wiederabtragung. Er U e, das die leßtere enorme Schwierig- feiten bereite, da die Darlehnsinhaber oft über den Umfang der erwachsenden Zinsen nicht im klaren seien. Auslandskredit sei für die Landwirtschaft nur zu bekommen auf dem Umwege über Pfandbriefe. Die drohende N der Landwirtschaft sei dur Verbilligung der Düngemittel zu bekämpfen. Im übrigen ei die Agrarkrise eine internationale und diese sei wiederum ein Teil der Weltwirtscafts- Frise. Die Konkurrenzierung der deutschen Landwirtschaft sei so [un daß kleine Mittel nicht helfen würden. Seine Partei sel ih der Bedeutung der Landwirtschaft und speziell der Bauern voll- auf bewußt und werde alles tun, einen leistungsfähigen Bauernstand zu erhalten. Sie stehe auch der Zollfrage nicht doëftrinär gegenüber.

_ Siagatssekretär im Reichsministeriuum des Innern weigert teilt mit, daß der Landwirtschaftsverband für E wegen des vom Abgeordneten Schmidt-Cöpenick erwähnten Falles seine Mit- glieder bereits angewiesen habe, ihren Arbeitern während etnes Streiks das Futter für das Vieh der Arbeiter zu geben. Tie Technische Nothilfe mache keinen Unterschied zwischen dem Vieh der Arbeitnehmer und dem der Arbeitgeber. E i

Abg. Lang (B. Vp.): Die Regierung hat sich bisher viel ju wenig bemüht, den berechtigten Beschwerden der Landwirtschaft ad- zuhelfen, Auch das Sachver|tändigengutachten weist auf die Belastung der Landwirtschaft hin. Es war fast ein Unglück für die, Landwirt- saft, daß der Landwirtschaftsminister in der Inflationszeit auch Ér- nährungsminister war Die Opfer der Inflation hätten von allen Kreisen der Bevölkerung in gleichem Maße getragen werden müssen. Man kann den Beamten die Sehaltéaufbesserungen wohl gönnen, aber auch die Landwirtschaft und der Mittelstand bedarf der Aufbesserung; sie sind aber durch Steuern überlastet. Ein Hauptübel für die Land- wirtschaft ist die Kreditnot und die hohe Zinsenlast, Wir verlangen, daß von der Rentenbank Darlehen An die landwirtschaftlichen Ge- nossenscaften zu billigem Zinssaß gegeben werden. Wir müssen aber auch wieder langfristige Hypothekenkredite bekommen. Es ift heute in der Landwirtschaft unmöglich, neue Familien zu bilden. Die Dand- wirtschaft ist der Jungbrunnen des Volkes, der nicht verdorren darf. (Fin Zuschlag von fünf Prozent für gestundete Steuern ist der neue Wudber, er macht im Jahre 120 Prozent aus. Noch mehr als beim Getreidebgu gilt er beim Weinbau, da das Jahr nur eine Ernte hat. Der Weinbauer muß also Kredite haben, um seinen Betrieb aufrecht- zuerhalten. Die Nentenbankkredite müssen auf die Länder und Pro- vinzen nah dem Maßstab ihrer Belastung verteilt werden. Den mittleren und kleineren Bauern muß jeßt eine Atempause gelassen werden, er wird dur die btutale Steuerlast erdrückt, und auf der anderen Seite muß er leine Kredite hoh bezahlen. Hat der Bauer wieder Geld, dann hat's die ganze Welt. Beifall.)

Abg. Dr. Bayersdörfferx (Bayer, Vp.) schildert die Not- lage des Weinbaues in der: Pfalz. Aus Mangel an Barmitteln werde die Wirtschaft unrationell, die Düngung vernalässugt. Cine Hilfs- aktion durch ausreichende Kredite zu medrigem Zinsfuß sei dringend notwendig.

Neichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Graf v orn Kanigt: Bloß ein Wort zur Richtigstellung! Der Herr Abg. Lang hat vorhin gesagt, ih könnte in der bayerischen Bauernschaft kein Vertrauen haben, weil die Rentenmarkkredite ungleih verteilt seien. I sielle hierbei fest, daß ich auch nit den geringsten Einfluß auf die allgemeine landwirtschaftlihe Kreditverteilung habe und haben fann. Ich habe nur Einfluß auf die Verteilung eines fleinen Aus- witterungskredits gehabt. Die Bayerische Volkspartei hat hierüber eine Anfrage an mich gerichtet, die ih beantwortet habe.

Mas ten Auswitterungskredit betrifft, möchte ih kurz folgendes sagen: “Es ist mir vorgeworfen worden, daß große Landesteile von diesem Auswitterungskredit keinen Nutzen gehabt haben. Die Dinge lagen o: Wenn ih die 20 Millionen für das ganze Neich, die der Reichsbankpräsident zur Verfügung gestellt hatte, ihrem Zweck zu- führen wollte, nämlih der Besäung ausgewinterter Flächen, konnte ih dies natürlich nur tun auf Grund des statistischen Materials, welches Anfang Mai in der Hauptbestellungszeit vorlag. Nun sind beretigterweise, was ih gern anerkenne, noch lange hinterher bis in den Juni hinein Nachforderungen aus allerlei Landesteilen gekommen. Diese konnten beim besten Willen nicht mehr berücksichtigt werden. Ich hoffe, daß es möglich sein wird, diesen besonders bedrohten, beschädigten Gegenden bei der Zur-Verfügungstellung weiterer Kredite besonders unter die Arme zu greifen. Aber an diesen 20 Millionen konnten beim besten Willen nur die Länder und Provinzen teilhaben, über die das statistische Material einen ganz besonderen Notstand vorgab. Von irgendwelchen anderen Beweggründen habe ich mi nit leiten lassen.

Dann hat Herr Lang bemängelt, daß der Ministerialdirektor Heukamp in meinem Amt abgebaut worden ist. Meéine Herren, du die Abbhaukomwision sind von vier Abteilungen in meinem Amt zwei gestritzen. Nach den Richtlinien über den Abbau ist auf die Familienverhältnisse des Abzubauenden Nücksicht zu nehmen. Von vier Abteilungsleitern waren drei verheiratet mit einer großen Anzahl von Kindern. Der Ministerialdirektor Heukamp war der einzig unverheiratete. És war deshalb für mich garnicht anders mögli, als den Ministerialdirektor Heukamp abzubauen. Ich wünsche keinem der Herren die Nöte und die Schwierigkeiten für den Chef eines RNeichsressorts bei dem unseligen Abbau, der notwendig geworden ift.

Abg. Bachmeier (Wirts. Vp.) betont, daß die Erkenntnis der Notlage der Landwirtschaft erfreulicherweise bei allen Parteien dairchdringe. E s Ehe

Abg. Kunze (D. So9.) bekämpft den Zinswucher.

Abg. Freiherr v. Richthofen (D. Nat.) hält die Negierungs- erklärung für nicht ausreichend.

Abg, Schmidt -Cöpenick (Sos.) zieht sih einen Onrdnungsruf zu, indem er erklärt, der Abgeordnete Kunze bewege_ sih wohl im allgemeinen unter Zuhältern, da er gesagt hätte, die Sozialisten seien im den lebten Jahren die Zuhälter der Lis gewesen. i

Abg. K unge (D. Sog.) erhält nabträglih gleichfalls einen Ordnungsruf.

Abg, Weidenhöfer (Nat. Soz.) spricht seine Unzufriedenheit mit ver ihm nicht genügenden Negierungserklärung aus.

Damit schließt die Aussprache.

Bei der Festseßung der Tagesordnung stellt sich die Be- “pi P ea des Hauses heraus. _BVizepräsident Dr.

ießer -berúift die nächste Sißung etn für Sonnabend,

10 Uhr vormittags. Fnterpellationen und Anträge über die Not der Ausgewiesenen aus dem beseßten Gebiet und über die

Aufwertungsfrage. Schluß 94 Uhr.

Parlamentarische Nachrichten.

Im Steuerausschuß des Reichstages fand gestern eine Aussprache über die Finanzlage statt. Abg. Dr. Beer - Hessen (D. Vp.) regte nah dem Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher AMEE eer an, die bestehenden Stundungsvorschriften auf alle Besibsteuern auszudehnen, namentlih im beseßten Gebiet die Zahlungsfriiten, Zahlungsziele und Zahlungstermine hinauszuschieben, da dort diese Termine besonders ungünstig liegen. Das Reich möge au auf die Länder in diesem Sinne einwirken, da dort der Steuer- druck vielfah noch s{werer sei als der Druck der Reichs\teuern. Ferner müßte der Ra der evt bis zu 120 % betrage, überall dort ermäßigt werden, wo die Zahlung der Steuern infolge wirtschaft- licher Notlage nicht geleistet werde. Gine Stundung, von Sieuern müßte für das Reich jeßt wohl mögli sein, da es ja zur eit über gewisse flüssige Mittel verfüge. Reichsfinanzminister Dr. Luther wandte sich zunächst gegen die auf Grund des leßten NReichsbank- ausweises in der Oeffentlichkeit bestehende Auffassung, daß das Reich ein hohes Guthaben habe. Von den 636 Millionen öffentlichen Geldes seien R dex 392 Millionen, von diesen seien aber nur 41 Millionen reichseigenes Geld, die restlihen 351 Millionen seien fremde Gelder Hiervon entfielen 100 Millionen Mark auf NRenten- markfredite, die aus den 300 Millionen Rentenmark für die Papier- gers übrig geblieben und die am 28. Juli zurückzuzahlen seien. Die restlichen 251 Millionen seien Rentenmarks{haßwejel, die dazu dienten, der Neichsfinanzverwaltung einen gewissen Betriebsfonds zu E Vor dem Kriege habe ein Betriebsfonds von sechshundert

illionen bestanden, jeßt sei aber bei der allgemeinen Verarmung auch ein Bettiebsfonds von 251 Millionen Mark zu hoh und werde allmählih abgebaut, indem ein erheblicher Betrag der Wechsel nicht mehr verlängert werde. Jn einem Blick in die Zukunft wies der Minister darauf hin, daß die Steuern niht_in der Höhe der ehr \chwièrigen Voreinschäßungen eingingen, zum Teil weniger, zum eil mehr; bisher hätten aber die Mehreingänge überwogen. Diesen Mehreingängen stünden, aber auch Mehrausgaben gegenüber. Es bestehe ein Loh von 470 Millionen, hauptsächlich infolge der Aus- führung des Friedensvertrages. Ein Kassenplan, der zum 1. Oktober aufgestellt sei, weise ein Defizit von 100 bis 150 Millionen auf, das durh die 100 Millionen Rentenmarkkredite und den Nest der Rentenmarkshaßanweisungen gedeckt werden müsse. Die Goldanléihe habe vom Reich gehalten werden müssen, um den

Kurs der kleinen Stüde aufrehtzuerhalten; s{ließlich habe die

Gosldanleihe eingelöst werden müssen, weil die Fälschungen überhand genommen hâtien. Die Einlösung jei auf Grund der Rentenmark- fredite erfolgt zurzeit Tiefen no vierzig Millionen große Stüdke und elf Millionen kleine Stüdte Goldanleihe um. Unmöglich sei eine generelle Steuerstundung für gewisse Grwerbss\tände oder Landes- teile. Die Stundungen müßten individuell behandelt werden, da durchaus nicht alle Steuerzahler gewisser Erwerbsstände oder Landes- teile zahlungsunfähig seien. Der Minister rectfertigie in diesem Sinne einen Erlaß an die Finanzämter vom 6, Juni, der die Stundungen behandelt. Die fünf Prozent Verzugszinsen beschränkten sih auf die Fälle unberechtigter Steuerstundungsanträge und fahr- lässiger Nichtzahlung. Eine Wirtschaftsvernichtung solle nicht ein- treten, aber über dieje Grenze hinaus eine generelle Steuerermäßigung oder Stundung zu bewilligen, sei nit möglih, weil dann die Zah- lungsunfähigkeit des Staates vor der Tür stehen würde. Abg. Dr. Klönne (D. Nat.) trug einen Einzelfall aus der Tabakindustrie vor, - der eine besondere Härte darstelle. Neichsfinanzmimster Dr. Luther betonte demgegenüber, daß, so wie die Dinge lägen, Härten nicht \{hlechthin vermieden werden könnten, vermieden würden nur Wirt\chaftsvernihtungen. Unsere Ppafstve Handelsbilanz von einer Milliarde Goldmark in vier Monaten ßecube zu einem erheb- lichen Teil auf Tabakeinkäufen. Es müsse vermieden werden, daß diese Industrie große Steuerkredite in Anspruch nehme und auf Grund diefer Steuerkredite ihrer Kundschaft langfristige Kredite gewähre, was zu eiter unproduktiven Festlegung des Kapitals. in aren führe. Abg. Keinath (Dem.) wandte sich dagegen, daß Neichsgelder langfristig als Privatlkredite angeboten würden, während auf der anderen Seite weite MWirtschafiskreise niht wüßten, woher sie das Geld für die Steuern nehmen sollten. Eine generelle Stundung auf lange Sicht könne der Reichsfinanzverwaltung nicht zugemutet werden, aber bei der individuellen Stundung werde nicht genügend entgegenkommen. Abg. Dr. Hugo (D. Vp.) bedauerte, daß dur den NReichsbankausweis der fälschliche Eindruck einer ge- wissen Woblhabenheit des Reichs erweckt worden sei, und wandte sich dagegen, daß eina 620 Millionen Mark Goldschaßanweisungen ein- gelóst seien, für die das Geld aus der Wirtschaft habe herausgenommen werden müssen. Das Reichsfinanzministerium müsse eine schriftliche Bilanz des Reichs vorlegen. Aus dem Verkehr dürfe das Neich nicht mehr Geld durch Schaßanweisungen ziehen, als es selbst brauche, um das übrige flüssige Geld der Wirtschaft zu erhalten, Der Steuer- zinssaß müsse ermäßigt werden. Abg. Dr. Hilferdin g (Soz.) betonte, daß unsere Wirtschaft, namentlich der Export, die Umsaß- steuer in ihrer gegenwärtigen Höhe auf die Dauer nicht #rtragen könne. Im Interesse der Volkswirtschaft liege ‘eine möglichst baldige Abdeckung der kurzfkistigen Anleihen des Reichs durch Begebung von Rentenmarkwechseln, um den Markt für langfristige Kapitalsanlagen wieder zu beleben. Der gegenwärlige Sieuerzinsjah sei als Straf- sab berechtigt. Die Regierung müsse die jeßige harte Stéuerpolitik beibehalten, sie sei die einzige Möglichkeit zur Verhinderung einer neuen Inflation. Sobald«die Verhältnisse sch besserten, müsse ‘eine Erleichterung eintreten, besonders bei der Umsaßsteuer. MNeiths- finanzminister Dr. Luther erklärte, daß das Guthaben des Reiches außer den 41 Millionen bei der Reichsbank noch Außenstände hätte Steuerstundungen usw.; insbesondere hätte das Branntweinmonopol cinen Vorschuß von 50 Millionen erhalten, bei dem der Mig, termin zweifelhaft sei. Abg. Koenen (Komm.) forderte die Besoitigung der Umsaßsteuer, der Lohnsteuer und der Mtietss\teuer. Aba. Hóôlle in (Komm.) wünschte eine Zusammenstellung der monatlichen Einnahmen und Ausgaben seit Januar d. J. scwie Aus- funft über die Steuereinnahmen des Reiches aus dem alt- und neu- beseßten Gebiete vor und nach Einführung der Sieuernotverordnungen dort. Abg. Dr. Be cker (D. Vp.) stellte fest, daß der Erlaß der Finanzverwaltung über Steuerstundungen sih auf alle Steuerarten bezóge, und wiederholte seinen Wunsch auf Ermäßigung des Steuer- inlalies: Nächste Sihung unbestimmt.

Der Rechtsausschuß des Neichstags behandelte in seiner gestrigen Sißzung unter dem Vorsiß des fommunistifchen Abg. Kay zunächst den Entwurf einer weiteren Verordnung über die Gerichtskosten unddie Gebühren derNechtsanwälte. Um die den Landesjustizverwaältungen bei der Herstellung des Schreib- werks erwachsenden Selbstkosten zu decken, wird in dieser Ver- ordnung eine Erhöhung der Schreibgebühren von zehn Goldpfennig auf zwanzig Goldpfennige für die Seite festgeseßt. ‘sich die Höhe der dem Rechtsanwalt zustehenden Screibgebühren nach dem für die gerichtlihen Schreibgebühren geltenden Satze ‘ridtet, erhöhen sich auch die anwaltlien Schreibgebührensäße ents \predend. Der Ausschuß nahm, dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungéverleger zufolge, den Verordnung8entwurf ohne Widerspruch an. Alsdann würden die Anträge der verschiedenen Parteien zur Amnestiefrage beraten. Abg. Dr. Rosenfeld (Soz.) begründete den \ozialdemokratishen Antrag, der Straffreiheit verlangt für Strastaten, 1. die im Jahre 1919 im Zusammenhang mit den Unruhen in Bayern geschehen sind, 2. die im Jahre 1923 im Zusammenhang mit den dürch die Inflation oder dur die Lebens- mittelknappheit hervorgerufenen Unruhen oder zwecks Abwehr monar- chistisher Bestrebungen oder im Zusamménhang mit Kundgebungen für die republikanische Staatsform oder im Kampfe um die Lohn- und Preis- gestaltung begängen wurden, 3. wegen Bekanntgabe des Bestehens ver- botener Örganisalionen, was bekanntlih von den Gerichten öfter als Landesverrat usw. bestraft wurde. Der Antragsteller verwies darauf,

daß die wegen der Räteunruhen Verurteilten noch heute, nah fünf Jahren, ihre Strafe verbüßen müßten. Bedingt Entlassenen wird don der Bayerischen Regierung die Verpflichtung auiertegt sih jedes agitatorischen politischen Auftretens zu enthalten Als jolches wird bereits angesehen die Bekleidung einer Sefietärstelle im Leipziger Arbeiterbildungs-Institui. Dr. Rosenfeld führte Beschwerde über die s{lechte Behandlung der Niedershönenfelder Gefangenen, insbefondere Erich Mühsams. Weiter verwies er auf die zahlreichen Landfriedens- bruchprozesse, die weniger auf Gemalttätigkeiten der Verurteilten als auf die Nôte der Inflationszeit zurückzuführen seien, Abg. Dr. Ka hl (D. Vp.) führt aus, daß seine Partei feine un«- billigen Härten, keine ungerechten Urteile aufrechtzuerhalten wünhe, aber das Richtige sei keineéfalls eine allgemeine Amnestie in dem großen Umfang, wie vorgeschlagen; denn dadurch würden die Grund- vfeiler der Nechtspflege erschüttert werden. Vielmehr empfehle fich zur Ausmerzung etwa gesehenen Unrechts oder zu großer Härte der Weg der Be Deo ung. Redner legte dann feine Stellung ins- besondere zum Fa 'Fechenbach dar, dessen harte Bestrafung er nicht billigen könne. Seine Gegnerschaft gegen dieses Urteil habe sich noch gesteigert durch Vergleich mit anderen außergewöhnlih milden Urteilen, die in der späteren Zeit wegen der gleichen Delifte, aber politis anders denkenden Peri önlichkeiten gegenüber in Bayern ergangen seien. Seine Partei stehe durchaus auf dem polittshen Boden, der dur die Er- flärung des Vertreters des Reichéjustizministeriums im Reicbstag zum Ausdru gebraht worden sei. Der bayerische Gesandte Dr. von Preger bezeichnete alsdann den Standpunkt der bayerischen MNe- giecung dabin, daß er betonte, cine Amnestierung sei aus allgemein friminalpolitischen und politisden Gründen nicht am Platze. Am- nestierungen ershütterten im allgemeinen das Nechtsbewußtiein und seien Meilensteine auf dem Wege der Revolution. Auch könne eine wie hier beantragte MReichéamnestie nur Urteile betreffen, die von Neichsgerichten ergangen seien. Denn die Verfassung erkläre, daß die Amnestie ein Hoheitsreht der Länder ei. Zwar wisse er, dies sei nicht der Standpunkt der Reichsregierung, aber die preußische Regierung. sowohl wie die württembergische und \ädsische teilten die Nechtéansicht der bayerischen Regierung in diefer Frage. Eine Amnestie von seiten des Reichs sei also nur auf dem ege einer Verfassungsänderung zu erreichen. Der Gefandte gab dann eine Statistik der Begnadigungsakte zur Kenntnis, die in Bayern geschehen seien. Wegen Beteiligung an der auf die Ein- führung der Räterepublik in Bayern gerichteten Umsturzbeweguñg seien insgesamt 2209 Personen verurteilt, und zwar 65 zu Zucht» haus, 1737 zu Gefängnis und 407 zu Festungshaft. Hiervon hätten von den zu Festungshaft Verurteilten 73 vH von der Gelamt- zahl aller Verurteilten rund 1100, d. i. also de e einen Gnadens aft erfahren. Die Zahl derer, denen die Verbüßung der Strafe voll- ständig erlassen sei, betrüge 283. Zurzeit befänden sich von den an der Näterepublik des Jahres 1919 Beteiligten noch 38 Personen in Straf- haft, und zwar 23 im Zuchthaus, 2 im Gefängnis, 13 in der Festung Niedersönenfeld. Bei diesen noch in Strafhaft Befindlichen handle es sich aber um die chwersten Fälle. Von den 38 Stra!gefangenen büßten 5 Personen wegen Widerrufs der ibnen früher bewilligten Bewährungs- frist, 5 Personen verbüßten eine Gesamistrafe wegen gleihfalls begangener, mit politischen Motiven nicht zusammenhängender gemeiner Straftaten (z. B Diebstahl, Betrug usw.), 13 Perjonen seten wegen Beihilfe zum Mord, Totschlags oder Beihilfe hierzu verurteilt, der Nest seße ih haupt)\ählich aus den Führern des MNäteaufstands zujammen. Aus diesen Zahlen gehe doch gewiß hervor, daß die bayerische Me- gierung den an der Rätebewegung Beteiligten in weitem Maße Gnade habe zuteil werden lassen und ihre feinerzeilige Zusage, berüdfichtigungs- würdige Fälle im Wege der Einzelbegüadigung zu berücksichtigen, in loyaler und weitgehender Weise eingelöst habe. Was die jeßt noch übrigen 38 Fälle anlange, so werde die bayerische Negierung gerne prüfen, inwieweit in einem oder dem anderen berücksihtigungswerten Falle eine Begnadigung an- gezeigt und möglich fei, eine allgemeine Amnestierung oder Begnadigung in allen diefen sck{weren Fällen eintreten zu lasjen, sei aber niht möglih. Des weiteren führte der bayerische Gefandte größeres Material an zur Frage der Krankheit des Festungsgefangenen Mübiam. Der Sachverhalt sei folgender: Im Herbst 1921 habe ih Mübsam zum Anstaltsarzt gemeldet, weil er auf dem rechten Ohre s{werhörig sei. Er habe dabei diejem Arzt, wie |pâter auch anderen Aerzten angegeben, daß er {on seit einer Reihe von Jahren, etwa feit 1915, auf diesem Ohre s{lecht hôre und daß ihm etwa im Fahre 1918 ein Münchner Arzt, an dessen Namen er sih nicht mehr erinvere, den Bescheid gegeben habe, daß es fi um alte Verwachsungen im Ohr handele und der Zustand weder besser noch_ s{limmer werde, Fn Genebmigung des Ge)uches beflimmte die vorgesezte Behörde die Zulassung eines sehr angesehenen Augsburger Facharztes für Ohren- Frankbeiten. Mübsam habe sich mit diesem Arzt auch ausdrüd1ich einverstanden erklärt, aber von der Genehmigung der JInansyruch- nabme dieses Arztes bis heute keinen Gebrauch gemacht, auch während der ganzen Zwischenzeit keinen ärztlichen Rat wegen Ohrenbeschwerden in Anspruch genommen oder sonst irgendwie über solche geklagt. Jm &uli 1922 sei Mühsam von seinem Bruder Dr. Mübsam, einem braftishen Arzt in Berlin, untersucht. Auf Grund eines Schreibens des Dr. Mühsam habe der, Nnstaltsarzt den Festungsgefangenen Mühsam einer neuerlichen Untersuchung unterzogen und festgestellt, “daß die Gehörstörung zurzeit nit sehr erheblich sei. Dieser Befund sei am 25. April 1923 durch einen Vertreter des beurlaubten Anstaltsarztes, zu dem ih Mübsam zur Untersuchung gemeldet hatte, bestätigt worden. Dabei sei, wie es auh {hon früher geshehen, Mühsam eingehend darauf hingewiesen, daß der starke Nikotin- und Koffeingenuß im wesentlichen an den Ohrenbeshwerden und der im Anfaugéöstaoium befintlichen Adernverka!kung s{uld sei, und daß er seinen starken Kaffeegenuß und das Nauchen unbedingt einschränken müsse. Jm September 1923 babe bei ciner weiteren Untersuchung der Arzt festgestellt, daß das Aligemeinbefinden - Mühsams ein gutes sei und ‘daß objektiv gegenüber dem im Akte festgelegten Befunde früherer Unter- juhungen nichts Neues festzustellen sei. Anfang Mai 1924 babe Mühsam über einen eigentümlihen Druck auf der Brust und in der. Herzgegend geklagt, sowie über Schwäche und &chwindelanfälle. Eine ihm angebotene - Untersuhung durch den Anstaltsarzt habe er abgelehnt. Im Interesse des Kranken sei ein praktischer Arzt aus Rain geholt worden, der Mühfam au! das sorgfältigste untersucht - habe. Das Ergebnis wäre: chroniidhe tifotin- und Koffeinvergiftung, wobei eine vorhandene, objektiv nach- weisbare Verhärtung der oberflächlihen Arterien ein erfchwerendes Moment bilden könne. Mit Rücksicht darauf fei Mühfam au!- gefordert, einen Arzt seines Vertrauens zu benennen und seinem Wunsche auf Herbeirufung eines angesehenen Herzspezialisten aus Augsburg entsprochen. Wegen Beginn ‘des Plenums des Neichstags mußte ih hierauf der Auss{chuß vertagen. Die. nächste Sizung er folgt drei Tage vor Wiedereinberufung des Neichstags. “A Der Geschäftsordnungsaus\chuß des Reichs tags beschloß gestern gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten sowie der nationalistischen Freiheitspartei, dem Er- suchen des Untersuhungsrichters beim Landgericht Hamburg vom 30. Mai cr., betr. Genehmigung zur Verhaftung des kommunistischen Abg. Thälmann, zu ent])prehen. Abg. Thälmaun ist Vorsitzender der fommunistisGen Neichstagsfraktion. Weiter beschloß der Aus- {chuß, die Regierung zu er uchen, 208 die Untersuchungshaft des kommunistischen Aba. S chlecht aufgehoben werde.

(Fortsepung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr«T yroo l, Charlottenburg Verantwortlich für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Menge 7 bng in Berlin.

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Drúutck der Norddeutshen Buchdrucerei und Bersagsatalt, Berlin, Wilhelmstr. 32; Vier Beilagen

(einschließlich Börsenbeilage.) j und Erste und Zweite Zentral-Handelsregister-Beilage.

zum Deutschen Reichsa

M

Erste Beilage

Berlin, Sonnabend, den 28. Funi

nzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

_1924

Nichtamtliches. (Fortseßung aus dem Hauptblatt.)

Breußzischer Landtag. 320. Sigung vom 27. Juni 1924, Vormittags 11 Uhr.

(Bericht des Narichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *).)

Die allgemeine Aussprache zur zweiten Lesung des Fustizhaushalts wird O tacea

Abg. Eihhoff (D. Vp.) bedauert die Herabsezung der Alter®grenze 2 R von 68 auf 65 Jahre. An dem Grundsag der Unábhangigkeit .der Richter muß unbedingt festgehalten werden. Die Reichs justizreform hat eine Entlastung der ihter gebracht; sie muß erhalten bleiben. Für die Assesjoren sind alle Anstellungs- möglihkeiten auszunuyen;- besonders zu berücksichtigen sind die Kriegsteilnehmer. Die Verordnungsgeseßgebung war für ‘die Reform erforderlich, darf aber. nicht zur Norm werden. Die Neu- ordnung des Sdæwurgerichts wird sih schr bald einleben., In, der Perjonalpolitik “muß die Leistung entscheiden. Der Hre e) e Richterverein hat bisher im Gegensaß zum t via vf ra Richterbund darauf verzichtet, ju versuchen, mit dem Gewicht seiner Mitglieder auf die Perjonalpolitik--des Justizministers einzuwirken. Sämtliche Amnestieanträge lehnen wir ab; das Vertrauen. in die Strafrechtspflege wird dadurch Jy tit Unsere Gerichte tun tros der sozialdemokratishen und ommunistishen Kritik, die nur immer ein paar Ausnahmefälle vorzubringen weiß, vollauf ihre Pflicht. Das Justizministerium is mit großem Erfolg bemüht, Mängel Wen Mit den agitatorishen Anträgen. der Kom- munisten wird nicht geholfen. Bezeichnend is der sich von Fahr zu Jahr wiederholende Autrag der Kommunisten, für die Un- ezieferbekämpfung weitere 100000 # zu bewilligen, als F die Lause in ihrer Vermehrungsfreudigkeit nah den Etats- kosten richteten (Heiterkeit). Die bürgerlichen Parteien sollen nur den E ablehnen, damit die Antragsteller Agitation treiben können. Die hingebende Arbeit der Strafvollzugsbeamten und das eifrige Bestreben des Justizministeriums au humane Aus- gestaltung des Strafvollzugs kann nicht hoch ' genug anerkannt werden. (Beifall rechts.)

va von Wangenheim (D. Hannov.) leat die Stellung (éfner Kartei zu den eingehen Anträgen dar. Der Redner spricht dem Minister sein Mißtrauen aus, da seine Beamten politisch in den hannovershen Abstimmungskam eingegriffen hätten. Das erweije bejonders klar das Verhalten s Oberlande3gerichtspräsi- deuten in Celle sowie das Aushängen von Plakaten in den Justiz- ebäuden. Durch jolche Vorkommnisse würde das Vertrauen in ie Unparteilichkeit der Gerichte aufs schwerste erschüttert.

Justizminister Dr. am Zehnhoff : In bezug auf die von dem Herrn Abgeordneten vorgetragene Kostenfrage verweise ih auf meine abgegebene Erklärung. Was den leßten Punkt anbelangt, {o kann ih darauf folgendes sagen:

Die in Hamover erst wenige Tage vor der Abstimmung seitens der Verwaltung des Innern an alle Staatsbehörden der Provinz zum Aushang in den Staatsgebäuden verteisten Plakate sind nah Art und Inhalt mir erst nachträglich bekanntgeworden. Jch habe vor der Abstimmung keine Gelegenheit gehabt, zu prüfen, ob die Plakate zur Anbringung gerade in Gerihbsgebäuden 9- eignet waren, soit. hätte ih bezüglich : der beiden bildlichen Dar- stellungen Bedenken zur Geltung gebracht.

Das einige Tage vor dem Abstimmungstermin an mich gelangte drabtlide Ersuchen der BVertrauensmänner der deutsh-hannoverschen Partei um Amweifung zur Entfernung der Plakate aus den Gerichts- gebäuden konnte nah Lage der Sache ¡nsbesondere bei der Kürze der Zeit, von mir nur an die Vorstandébeamten des Oberlandesgerichts zur weiteren Veranlassung im Benehmen mit dem Oberpräfidenten abgegeben werden. Die Entscheidung der Vorstandsbeamten is nach Benehmen mit dem Oberpräsidenten dahin gefallen, daß die Plakate in den Gebäuden der Justiz zu- belassen seien. Dies vermag ih nit zu mißbilligeau. Nachdem auch der Reichsabstimmungskommissar die Fräge auf Veranlassung des Oberpräsidenten geprüft und erklärt batte, er sähe feine Veranlassung zur Beseitigung der Plafate, hätte deren Wegnahme aus den Gerichtêgebä äuden leiht zu der Mißdoutung

einer Parteinahme der Justizverwaltung für die Abstimmung geführt.

Nachdem ih die Bildplakate gesehen habe, erkläre ich aber, wie \chon angedeutet, gern, daß es meinem Geshmack nicht entsproch=n hat, daß sie in den Gerichtsgebäuden angebracht worden sind. (Bravo!)

Aba. Brückner (So4.): Die Bes unseres Fraktion enossen Kuttner gat gestern Herr Göbel, heute Herr Eichhoff ein- fach beiseite geschoben. Die von uns geübte Kritik soll do zeigen, wes Geistes manche preußische und deutsche Richter sind. Und wir hoffen immer noch, daß diese Kritik an maßgebender Stelle gehört und beachtet wird. Mit Herrn Obuh uns p uer auseinander» zuseßen haben wir keinen Grund. Die Einrichtung der Be- währuugsfrist muß weiter ausgebaut werden; alle Mngnihe und Strafanstalten sind überfüllt. Das Anwachsen der Krimina- lität ist do. auch cine Folge der Verheerungen, welce ber Krieg in der Volksmoral angerichtet hat. Unglaublih, daß in diesen Tagen ein Richter es fertig bekam, zu jagen, das Gnadenwesen 45 u ciner Pest ausgeartet. Und dabei ist dieser Richter selbst eauftragter in Gnadensachen! (Hört, hört! links.) Der Sträf- vollzug muß human gehandhabt werden; er soll doch bessernd, er- ieherisch wirken. Auch hier liegt der Grund des Uebels darin, die Strafanstalten in Brandenburg bis unter die Däther über- ult sind. Ein Vorbild für humanen Strafvollzug bildet die trafanstalt Fuhlsbüttel bei Hamburg. Die alten Hoheits- abzeihen des früheren Obrigkeitsstaates müsen endlich restlos be- seitigt werden. Es darf keine „königlichen“ [mtsgeri te und der- gleihen mehr geben (Mare rechts); es müssen dieje Abzeichen auch von den Müßen und Ie der rat en ee winden (Lärm redts; : ) ia, diese e en si nicht, si. von der his: Gt bezahlen zu e Redner führt dann Beispiele an, die dartun sollen, daß manche Richter gegen links- rihtete Angeklagte unverkennbar voreingenommen sind. Arbeiter rden wegen Deervrguns von Privatleuten zu 1500, 3000, 5000 Mark Geldstrafe verurteilt; ein Beleidiger des Reichspräsidenten fommt mit 30 #4 davon diese Rechtyfleae versteht das Volk nicht, es sicht darin Klassenjustiz. gen Verweigerung von Pflichtarbeit ist in Potsdam von einem Einzelrihter auf einen ‘onat ängnis erkannt worden ein völlig unfaßbares Urteil, Die Amnestie muß au diejenigen erfassen, die in der ärgsten Jn- E bei der Plünderung von Lebensmittelgeshäften be- offen und untershiedlih, auch wenn sie niht Gewalt angewandt hatten, wenn sie die Not getrieben hat, zu einem Fahr Gefängnis verurteilt worden sind; hier ist nicht nur Vernunft, bier is auch

*) Mit Ausnahme der dur& Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlante wiedergegeben find.

‘Musizieren generell. untersagt, die bereits erteilte Genehmigung

muß entsprechend sein: Die leyte Besoldunasreagelung hat ja die

das Recht Unsinn, geworden. Die Not der Gerichtsassessoren shreit zum Himmel. 1400 sind ohne jedes Einkommen. ‘Viele Meme sind auf Nebenverdienst als Musiker angewiesen. Den Beamten sollte: endlich die Genehmigung zum gewerbsmäßigen

zurückgenommen werden. _ Abg. Dr. Kaufma nu (D. Nat.) je t sich zunächst persönli mit dem Abg. Kuttner auseinander hinsihtlich des Vorwurfs, da die Anhänger des alten Regimes aim 9. November 1918 vor ingst ins Maujeloh gekrohen wären, und wendet sich dann dem Fustiz- haushalt zu. Was Herr Obuch îm Ausschuß vorgebracht hat, ent- spricht dem alten Spruch: Es kreisen die Berge und ein Mäuslein wird geboren. Er hat uns Binsenwahrheiten ‘vorgetragen und uns durch die. Langsamkeit seines Vortrags ermüdet, Neu war höchstens das Verlangen, daß Preußén ein Asylrecht A solle. Das ivar alles. Gestern aber trat Herr Obuch ierher und verlangte im Namen der Menschlichkeit Amnestie für alle Mörder und Ver- breher (andauernder Sturm der Unterbrehung bei den Koms- munisten der den Redner längere Zeit hindert, forizufahea. Erst allmählich, nachdem: Vizepräsident Barnich unausgeseut die Glocke geschwungen, tritt wieder etwas Ruhe ein). Das ‘ist der Höhèepunkt der polittihen Heuchelei! (Erneuter Sturm, in dem si Abg. Charpentier mit Zwishenrufen hervortut. Vizepräsident Garnich ermahnt die Kommunisten energish, Ruhe zu haltén, er- [en aber au den Redner, An mäßigen.) Die Vorwürfe gegen ie Klassenjüstis sind haltlos. an hat ungemein übertrieben und Einzelfälle verallgemeinert. (Andauernde Zurufe von den |Kom- munisten: Vier Fahre Mord!) Provokationen werden den Nechts- radikalen zum ‘Vorwurf gemacht. Auch das Aae einer roten Fahne ist ‘eine Provokation. Denken Sie. an die Funde von Sprengstoffen! Das Aergste ist von der äußersten Linken an Ver- heßung geleistet worden. Die: Einzelfälle von antisemitischen Exzessen verurteile auch ih; aber ist den Herren links nicht der justizministerielle Erlaß bekannt, daß bei allen Beleidigungen von Juden öffentlihes Interesse angenommen werden muß? Das antiantisemitische Vorgehen des Amtsrichters ender egen das Hakenkreuz des Abg. Henning hat die Bi iung maßgebender rihterlichex Jnstanzen niht gefunden. Jn der §renadierstraße Cas sich die echten Volksblutaussauger! (Abermaliger tojender ärm bei den Kommunisten, Rufe: Unverschämter Burshe! Der Lärm dáuert an und steigert si noch, als der “Redner auf die jüdishen Namen eingeht. Vizepräsident Garnich: So fommen wir nit weiter! Langsam beruhigt ih die Aufregung, und der Redner kann sih wieder verständlich machen.) Die Aus- ührungen der Linken stellten es so dar, als ob die heutige Recht- rechung keinen Schuß Pulver wert ist. Die Verquickung von Politik und Justiz 1st verwerflih. Gerade aus diesem Grunde ist die Existenz eines republikanischen Ricbterbundes ein Unding und ein Widerspruch in sich. Die Fustizreformen, die uns die jüngste Zeit Gr! hat, werden von uns durchaus gewürdigt und die Tätigkeit des Justizministeriums dabei wird von uns durchaus anerkannt. Wir bedauern nur, daß so viele noch arbeitsfähige Richter haben abtreten müssen, und als besonders beklagenswerte Opfer dieser durch die Zwangslage des Staats erzwungenen Re- form und S Abbaues erscheinen uns die Assessoren und die Referendare. Zum Schluß behandelt Redner die Fragen des Straf- vollzuges, des Strafzwecks und des Gnadenwesens, die man mcht nab* und mit Scblagworten beurteilen dürfe; er seßt ich | dabei ausführlih mit den Theorien des Strafrehtslehrers v. List au8ein- ander. Die konfusen Anträge der Kommunisten fönnten vor dem Forum der Auffassung der Strafe als ' eines Vebels nit bestehen; daß gleichzeitig die Strafvollstre&uug die Anforderungen der Humanität beahten müsse, sei selbstverständlih. Gegen die Am- nestie sprächen sehr schwere Bedéuken, Begnadigung sei angezeigt aegen den Geshäftsleuten und Händlern, die "wegen gering- fügiger Verleßung der Preistreibereiverordnungen verurteilt worden

seien.

Abg. Me ye r - Herford (DVP.) fordert Tüchtigkeit als Maß- stab für die Auswahl der Richter. rsamfkeit wollen wir dulden, aber nit einen Eingriff in die Unabhängigkeit. ‘Die Besoldung

etwas gebessert. Unerträglih sind die Verhältnisse befonders auch bei den ZFustizsekretären, Gerihtsvollziehern usw. Die Stellen derjenigen Sfrafanstalthauptwachtmeister, die besonders wichtige Funktionen ausüben, sind in die Gruppe 6 überzuführen. Viele Wünsche auf Aenderung der Amtsbezeihnungen können wir ‘unter- stüßen. Hoffentlih kaun die s{hwierige Lage der Assessoren bald eine Besserung erfahren. Jm Strafvollzug ist das Besserungs- prinzip in den Vordergrund zu stellen; aufgeben soll man niemand: das ideale Ziel ist eine innere Umwandlung. Für Bewährungs- fristen find auch wir; der Strafvollzug darf aber nit so gemildert werden, daß eine Bestrafung überhaupt niht mehr gefürchtet wird. Besonders dürfen wir nicht nachlassen in der Fürsorge für die Entlassenen. Auch im Strafvollzug muß dos Wort gelten: Preußen in der Welt voran!

Abg. Me n zel - Halle (Komm.) fordert, daß : von dem Be- gnadigungsrecht umfangreich Gebrauch gemacht werde. Es sei unerhört, wenn ein Gefangener aus dem Gefängnis nur alle vier,

aus dem Zuchthaus nur alle aht Wochen an seine Angehörigen

schreiben dürfe. (Erregte Zurufe der Kommunisten.) Schreiben, die !

an die Kommunistishe Partei gerichtet seien, würden einfach zurüd- gehalten. Da sei der Strafvollzug in Wilhelminischer Zeit noch besser gewesen. Heute höve man sogar von Anträgen, Gummi- knüppel in den Strafanstalten einzuführen. Der Strafvollzug müsse von Grund aus geändert werden. Keinem Unterbeamten dürfe man mehr als 20 Gefangene unterstellen. Von dem Antrag seiner Fraktion, eine Staatsdomäne zum Zwecke der Strafvollzugs- reform zur Verfügung zu stellen, habe der Leiter des Strafvollzug3 im Justizministerium, Ministerialdirektor Klein, absolut nichts wissen wollen, denn wir hätten ja die Moorkultur! Fn den Mooren würden die Gefangenen, die in Baracken lägen, troß der schweren Arbeit durchaus ungenügend verpflegt und ernährt. Ebenso fehle es an hinreichender ärztlicher Aufsicht. (Zuruf v. d. Komm. : Mord- kultur!) Dos schlimmste Verbrechen werde an diesen Unglücklichen dadur begangen, daß man sie bei der Entlassung ohne Geld, ohne» brauGbare Kleidung, unter Umständen krank und wund auf die Straße seße. Und da wundere man sich über die Zunahme der Kriminalität. So könnte seine Partei denn auch dem neuen Straf- vollzug kein Vertrauen entgegenbringen. Fn Fuhrbüttel wehe ein ganz anderer Geist; dort suche man den Gefangenen auch mens{lich näher zu kommen. Fn den preußischen Strafanstalten aber würden die Jnsassen dur die Behandlung niht nur körperlich, sondern auch seelisch vernihtet. Nur der Sieg des Kommuni3mus könne vorwärts bringen. 5

Ein Regierungsvertreter erwidert, daß in den vom Vorredner angezogenen Fällen, wo noch keine Amnestie erfolgt sei, weder der Amnestieaushuß noch der Rehtsausshuß befürwortend eingeariffen habe. Der erstere Ausschuß habe die Befugnis gehabt, au Fälle, die an sih niht unter das Amnestiegeseß fallen, nah- zuprüfen, er habe aber von seinem Recht, das Amnestiegeseß für anwendbar zu erklären, in feinem Falle Gebrauch gemacht. Der Kommissar geht auf die einzelnen Fälle näher ein, wobei er fast andauernd durch erregte Zwischenrufe der Abg. Frau Wolfstein ute Mo r M eye r - Ostpreußen (Komm.) beantragt Verl

E, eyer - Ostpreußen (Komm. anbragi angerung

der Redezeit, um der Regierung auf diese unbvollständigen Auskünfte die gebührende Aniwort zu erteilen.

rg Antrag wird gegen die Stimmen der Kommunisten abe gelehnt. i

Abg. Kuttner (Soz.) envidert dem Abg. Dr. Kaufman daß er (Redner) in den erwähnten Fällen nit Mangel an bewiesen, sondern sein Wben in die Schanze geschlagen habe. E Lärm bei den Kommunisten.) Der Fall sei ja enstand gerihtli Gntscheidung gewesen. (Die Kommunisten lärmen weiter.) - Gericht habe festgettellt, daß er im Falle äußerster Notwehr gehandelb habe; dec von ihm Ershossene habe eine zahlreiche Menge i feiner nächsten Umgebung mit Handgränaten bedroht. (Der Lärm gegen

den Redner steigert sih immer mehr; Vizepräsident Dr. Por[ch

droht [härfstes Einschreiten an.) Die - Kommunisten undi Sozialdemokraten geraten in

heftige Erregung gegeneinander. Die Auseinandérseßung nimmt, als der Redner die Tribüne verlassen hat, zwischen den Mitgliedern beider Fraktionen der Linken immer ers

regtere Formen an und artet \{ließlich in so betäubendèn Lärm aus, daß Vizepräsident Dr. Porsh dem Hause die Ver- ang auf morgen 11 Uhr vorschlägt, die dann um 4 Uhr exfolgt.

Handel und Gewerbe, Berlin, den 28. Juni 1924.

In der gestrigen Sißung des" Zentralaus\chusses der Neichs bank gedachte der Reichsbankpräsident Dr. Schacht in ehrenden Worten der beiden jüngst verstorbenen Mitglieder des Zentralausschusses, der Herren Paul Mankiewig, Direktox der Deutschen Bank, der seit 1915 dem Zentralausshüß als stellvertretender Deputierter angehört hat, und des Geheimen Kommerzienrats Wilhelm Kopeb ki, der bereits im Fahre 1889 in den Zentralausschuß der Reichsbank berufen wurde.

Alsdann berichtete der Bankpräsident an der Hand des soeben fertiggestellten Wochenausweises der Reichsbank vom 93. Juni über die Entwicklung des Status der Bank während der abgelaufenen vier Wochen, die sowohl hinfichtlich ‘der -Ge- staltung der Anlage wie des Zahlungsmittelumlaufs ein bes friedigendes Bild ergibt. Weiterhin bemerkte er:

În Uebereinstimmung mit dem Beschluß des Zentralaus\chusses in seiner legten Sitzung find inzwischen die gesetzlichen Bestimmungen über die Geschäftsaufsicht in der Richtung geäudert worden, daß der mißbräuclihen Anwendung ein Riegel vorgeschoben ist. Nach den SFeststellungen der Reichsbank handelt es fich bei den Konfkursen, Beblungseinstellungen und Geschäftsaufsihten der leßten Monate ganz überwiegend um Nachkriegëgründungen und von diesen wieder in der Hauptsache um Firmen, die in der Zeit der stärksten Inflation entstanden sind. Die Peichsbank wird wie bisher jeden Fall, wo sie um Hilfe in Kapitalnot angegangen wird, sorgfältig prüfen und, soweit es mit den währungspolitischen Interesten vertretkar ifl, helfen, wie dieses auch in den verflossenen Wochen geichehen ist. Eine generelle Aenderung der biëher befolgten Kreditpolitik kann indes vore- läufig nit in Aussicht genommen werden. Á

Der dem Reichstag vorgelegte Geseyentwurf über die Verteilun des Gewinns der Reichsbank für das Jahr 1923 wird Voranäsichtlicd im Reichstag nicht bis zu der am 9. Juli stattfindenden Genetal- Bersammiung der Reichsbank zur Verhandlung kommen, fo daß die Beschlüsse der Generalversammlung nux unter Vorbehalt gefaßt roerden fönnen.

Die auf Grund des Sachverständigengutahtens zu errichtende Wüährungsbank wird die Reichébank sein, die in einer den Vorschlägen der Expertèn entsprehenden Form weiter bestehen bleibt und für die, soweit sich bisher übersehen läßt, eine Zusammenlegung der Aktien im Verhältnis von 2:1 in Aussicht genommen werden fann. Das Mindestkapital der Reichsbank wird 300, das Höchstkapital 400 Mil-

lionen Goldmark sein, wobei die Anteilseigner der Golddiökfontbank ein gewisses Umtauschreht für ihre Aktien in Reicbsbankaktien erhalten sollen. Die Festlegung des Diékontsazes der Reichsbank bleibt nach wie vor allein in den Händen des Reichsbankdirektoriums. ;

Alsdann teilte der Geheime Oberfinanzrat Schneider den Mitgliedern des Zentralausshusses die wesentlichen Ziffern und Daten aus dem Abschluß der Neichsbank für das Jahr 1923 mit. Der Deputierte des Zentralausshusses Herr Dr. von Schwabach erstattete gemäß § 32 des Bantgeseßes das Gutachten des Zentralaus\schu}ses über die Bilanz und die Ge- winnberechnung dahin, daß der Zentralaus\{chuß nichts zu erinnern habe und mit der vorgeschlagenen Dividende von 10 Billionen Mark für je 1000 .4 Anteil sowie mit der im Geseßentwurf vorgeschlagenen Gewinnbeteiligung des Reichs in Höhe von 10,3 Trillionen Mark einverstanden jei.

Schließlich ist hervorzuheben, daß der Präsident an die Banken erneut die dringende Bitte richtete, bei der Einreichung der Zweimonatsbilanzen möglichste Pünktlichkeit innezuhalten.

Aus Geschäftsberichten von Elektrizitätsgesellschaften: Die Bergmann-EÉlektricitäts-Werke, Afktiengesell- schaft, Berlin, war im ersten Halbjahr in nahezu allen Abteilungen bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit beschäftigt, während im zweiten Halbjahr in einigen Abs teilungen der Werke Betricbseinschränfungen stattfanden. Dies Abteilung für Zentralen war im Berichts]ahr an dem Ausbau der Leitungsneße für die Elektrifizierung Deutschlands wieder in größerem Umfange betoiligt; hierunter fallen die Bestellung von mehreren hundert Kilometer Fernleitungen für die Elefktrifizierung Ostpreußens, die durch die Geländeverhältnisse besonders \chwierigen 110 KVs- Stredten für das Bayermwerk und die Gerüstfkfonstruktionen am Walchenseewerk. Von der Abteilung für Schaltanlagen wurde eine Reihe größerer Umspannwerke sowie umfangreihe Anlagen für e in industriellen Werken fertiggestellt. Der vor- iegende Auftragsbestand sichert für die nächste Zeit eine gleihmäßige Beschäftigung. Die Jn ustrieabteilungen wurden von den Folgen des Ruhreinbruhs besonders betroffen, da die westlichen Bergwerks« und Hüttenunternehmungen mit der Erteilung von Aufträgen zurück- hielten. Ein gewijser Ausgleich ließ sih durch regeren Bestellungs« eingang, insbesondere seitens der mitteldeutshen Montanindustrie und! des Auslandes, erzielen, Der Eingang neuer Aufträge seitens der Gevutden, Textil-«, Zucker-, Papier-, Maschinen- und anderer r trien war befriedigend. Die Elektrifizierung der Nohrzuckers abrik Casa grande in Trujillo (Peru), die 4500 Tons Zuckerrohr

pro Tag verarbeitet, wurde im verflossenen Geschäftsjahr durchgeführt. Die Bahnenabteilung hat eine größere Anzahl von elektrischem Schnellzugslokomotiven einer neuen Type gebaut. Sie ist mit Er« ledigung von weiteren Bgleigen auf Lieferung von elektrischen

Schnellzugs- und Güterzugslokomotiven beschäftigt. Der Bau bon mehreren in- und ausländischen Fahr- und Speiseleitungen für elef- trishe Vollbahnen wurde so gefördert, daß dieselben demnächst betriebs- fertig übergeben werden Fönnen. Der Umsay der Abteilung für

Snstallationsmaterialien und Jsolierrohre wie für Heizg- und Kochs

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