1847 / 124 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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Marschall: Wir würden uns doch wohl zunächst über die erste Disposition zu bestimmen haben. :

Abgeord. Camphausen: Sie wünschen die Debatte auf die erste Disposition zu beschränken? Dann würde ih {ließen und vor= zuschlagen haben, daß der Eingang des Artikels so laute:

„Als bescholten sind diejenigen Personen zu erachten, welche dur ein Kriminalgericht wegen nicht politisher Verbrechen

a) zu dem Verluste der Edrenrèdte rechtsfräftig verurtheilt.“

- Landtags=-Kommissar: Auf denjenigen Theil der eben ge- e Rede, welcher sih auf die allgemeine Beurtheilung des Ge- ees bezieht, glaube ih niht antworten zu dürfen, weil die Diskus- sion über den allgemeinen Theil des Gesebes gestern geschlossen wor- den is. Was die spezielle Bemerkung des Herrn Redners betrifft, daß in öffentlihen Aemtern sich Personen befänden, auf welche der zur Berathung stehende Passus volle Anwendung finde, wglche durch ein Kriminalgeriht zum Verluste der Ehrenrehte rechtskräftig ver- urtheilt oder zur Ableistung eincs nothwendigen Eides rechtskräftig für unfähig erklärt worden seien, so muß ih diese Behauptung so lange als eine unrítige bezeihnen, bis sie speziell erwiesen i, Jh seße dabei voraus, daß dami: nicht jolche Personen gemeint siud, welche ein Straferkenutniß getroffen hat, die aber im Wege der Be- gnadigung in alle bürgerlichen C zren restituirt worden sind. Solche Personen können allerdings in der Verwaltung sein, sie würden aber auch nach der Bestimmung im Art. V. des Geseßes ibren Plah in der Ständeversammlung einnehmen können. Jst Jemand zum Ver= luste der bürgerlichen Ehren u. \. w. verurtheilt und Se. Majestät begnadigen ihn pure und vollständig, so versteht es sich von selbst, daß alle rechtlichen Wirkungen der Verurtheilung aufgehört haben und er niht mehr unter die Kategorie fällt, die hier vorgesehen ist. Nichtsdestoweniger wäre es möglich, daß ein solcher Begnadigter we- gen des allgemeinen Eindrucks, den seine Verurtheilung gemacht hat, wegen der Fakta, welche seine Verurtheilung herbeigeführt haben, als bescholten anzusehen sei. Das wäre aber ein Fall, der unter Art. T. Nr, 4 gehört. Es würde Jemand in der Versammlung auftreten und sagen missen: der Mann hat dieses oder jenes Verbrechen be- gangen, er is zu dieser oder jener Strafe verurtheilt worden, Se. Majestät der König habe ihn zwar begnadigt, es hört daher die recht- lihe Wirkung der Kriminalstrafe auf; nichtsdestoweniger halten wir ihn für bescholten und tragen darauf an, daß die Vorschrift sub T, 4. zur Anwendung komme. Das is die Ansicht, welhe dem Gesehß= Entwurf zum Grunde liegt, und die ih zur Erläuterung mittbeilen zu müssen glaubte. : /

Marschall: Es haben sich mehrere Redner gemeldet und ihre Ansicht mir mitgetheilt, daß sie theils über Art. 1., theils über Art. Il. und TI. sprehen wollen. Bestimmt ausgedrüdckt, über Art. 1. spre- en zu wollen, hat nur der Herr Abgeordnete Gier. Den Art. Il. werden wir noh ausseßen. Es is also jeßt die Berathung über I. 1.

Eine Stimme: Sollte es dem Herrn Landtags-Marsqall nicht belieben, die Amendements, welche zu Art. I. eingegangen sind, \sämmt= lich befannt zu machen, damit man bei der Diskussion Rücksicht darauf nehmen fann?

Marschall: Ich will sehen, ob ih sie zusammenfinde.

Abgeordn. Gier: Meine ganz kurze Erklärung über 8. [. Punkt 1 erlaube ih mir damit einzuleiten, daß ih von ver Ansicht ausgel)e daß die Bedürfnißfrage gestern festgestellt worden ist, und ich möchte dringend bitten, daß auf Allgemeinheiten und auf jene Frage nicht wieder zurückgegangen werden möchte. Die Zeit ist kostbar, mir we= nigstens wird es bange vor der Masse der Geschäfte, Wir missen nicht blos mit Jdeen fehten und auf Möglichkeiten eingehen, \ondern praktisch an die einzelnen Fragen uns halten, damit wir vorwärts fommen. /

Ich habe nur zu bemerken, daß der Vorschlag des Ausschusses : „durch ein rechtskräftiges Urtheil‘“/ zu dem Verluste der Ehrenrechte zu verurtheilen, wenigstens in dieser Fassung nicht sprachgebräuchlich ist, und daß es heißen müßte: „welhem dur ein rehtsfräftiges Ur- theil der Verlust der Ehrenrehte zuerkannt worden ift.“ Jusofern bin ich damit einverstanden und behalte mir meine weiteren Bener- fungen zu §. I. Punkt 3 vor.

Referent Graf Sto sch: Es liegt das auf der Hand, und die Abtheilung is auh darauf eingegangen, daß das Wort ¡¡Aber- fanut“’ weggestrichen werde.

Marschall: Zu Art. I. 1. finde ich hier blos ein Amende- ment, wonach statt „Kriminalgericht““ nur „Bericht“, zu seßen wäre.

(Eine Stimme aus der Rheinprovinz wird weder von ten Ste- nographen, noch von einer großen Anzahl der Mitglieder der Ver- samnlung verstanden.)

Viele Stimmen: Es wird nichts verstanden.

Marschall: So viel ih verstanden habe, bestcht der Antrag darin, daß das ganze Gesebß auf einen Paragraph zu beschränken sei.

(Dieselbe Stimme aus der Zahl der Mitglieder der Rhein-Pro- vinz, welche sich eben vernehmen ließ, spriht wieder, if aber eben so wenig zu verstehen.)

Abgeordn. von Byla: Jh kanm dem Gutachten der Abthei lung nur vollkommen beistimmen, und zwar aus einen Grunde, der leider in der Erfahrung bei mir häufig bittere, sehr bittere Täuschung hervorgerufen hat. Es kommt nämlich in der Negel der Fall- vor, daß, wenn von einem Civilrichter auf die Unfähigkeit, einen nothmwen= digen Eid zu leisten, erfannt wird, dieses Erkenntniß dem Publikum, ja. den nächsten Bekannten diéses Maunes oder dieser Person, gar nicht zur Kenntniß gelangt, und daß man sehr häufig eínen solchen Mann für einen Ehrenmann anerkennt, wenngleih ihm durch Er- kenntniß diese Befugniß und Berechtigung aberkannt ist. In der That, das kann einem nicht gleichgültig sein, und da es namentlich in dem vorliegenden Falle noch viel s{limmer wäre, wenn in unserer Mitte ein solher Mann sich befände, \o glaube ih, daß mit Fug und

Recht die Abtheilung darauf hingedeutet hat, diese Bestimmung müsse

noch ad I. 1. qgufgenommen werden.

i Abgeordn. Hansemann: Ih äußere mi blos über I, ai, weil ich voraussebe, daß die übrigen Unterabtheilungen später einzeln zur Sprache kommen werden. Jun dieser Hinsicht nun trete ih dem Amendement. der Abtheilung, nah welchem statt: „durch ein Krimi- nalgericht“ gesagt werden soll: „dur ein rechtsfräftiges Urtheil“ uicht bei. Fh lege näâmlich Werth darauf, daß, so wie es im Ge. seß-Entwurfe auch ausgedrüdt is, der Ausdru: ,Kriminalgericht“ beibehalten werde, damit niemals ein Zweifel darüber entstehe, daß andere, als durch Kriminalgerichte gefällte Urtheile diesen gleich ge- halten werden können. Wir könen uns z, B. den Fall denken, daß in der Verwaltung Verfügungen getroffen werden fönnten, nach wel- hen ein Verwaltungs-Gericht au über einen Verwaltungs - Beam- ten zu erkennen hätte, und daß auch diese Urtheile als retéfräftig zu betraten wären. Jch wünsche deshalb, daß der Ausdruck des Gesetzes vollkommen beibehalten werde, und wünsche das um so mehr, weil durch das Amendement nicht eíne Einschränkung, sondern eine Ta der Bescholtenheit möglicherweise stattfinden kann.

bgeordn, Neumann: Jch kann dem leßten Herrn Redner nur darin beistimmen, ‘daß es sich zunächst um Ausdehnung der“ Beschol- tenheit bei diesem Antrage handelt und dieses an sih bedènklich ist, Es {eint mir auf der anderen Seite auch, daß das Gutadhten der Abtheilung rein bens A Fragen ‘in ‘das öffentliche Recht mische. Wir haben in Beziehung auf dgs Verhältniß der Bescholtenheit ein-

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zig und allein es mit der Frage des öffentlichen Rechts zu thun, Die besonderen Nachtheile, welche die Prozeß-Ordnung bei einzelnen Handlungen festseßt, die in dem Prozesse vorkommen, sind rein pri- vatretliher Natur. Es können besondere nachtheilige Folgen nam- haft gemacht werden für jede einzelne Handlung, für jede einzelne Unterlassung, für jede Nichtbefolgung der richterlichen Anweisung. Jn unserer Prozeßordnung hat die Sache dadurch eine besondere Wich- tigkeit erlangt, weil dieselbe dem Untersuchungsverfahren folgt und der Richter von Amts wegen die Verfügungen zu erlassen hat. Nach dem Gemeinen Rechte ‘ist es rein Sache unter den Parteien, und da ein civilxehtlihes Erkenntniß lediglih das Recht unter den Parteien festseßt, so is es bedenklich, hier etwas festseßzen zu lassen, was da- durch aus dem Civilrehte in das öffentliche Recht überginge. Jch würde daher lediglih gegen den ausdehnenden Antrag der Abtheilung mich erklären. }

__ Abgeordn. von Bonin: Jch erlaube mir, nur zur Beseitigung eines Mißverständnisses darauf aufmerksam zu machen, daß der geehrte Redner aus der Rhein-Provinz, der cben die Gefahr schilderte, die daraus entstehen könnte, wenn au die BVerwaltungs=Behörden in den Stand gescbt. würden, Entscheidungen zu treffen, die auf die politi- schen Rechte von Einfluß sein könnten, übersehen hat, daß niht von Entscheidungen, welche die Verwaltungs - Behörde in ibrem Ressort treffen fann, fondern von rechtéfräftigen Erkenntnissen die Rede ist, Rechtskräftige Erkenntnisse können aber nicht die Verwaltungs = Be- hörden, sondern die richterlichen Behörden allein abfassen- Die Be- denken, welche also daher gegen den Abtbeilungs-Vorschlag zu I. 1. gemacht worden sind, scheinen mir demnach durchaus nicht begründet.

Abgeordn. Mevissen: Hohe Versammlung! Jh glaube, daß durch die eben gehörten Bemerkungen die Einwendungen des Redners aus der Rhein - Provinz uicht widerlegt worden sind. Der Redner hat darauf hingedeutet, daß selbs ein rechtsfräftiges Urtheil Perso= nen ihrer Ehrenrechte berauben fonn, die dennoch in den Augen des Volkes als unbescholten gelten dürften, Ein solches rechtskräftiges Urtheil kann über politische Vergehen, 7. B. über Duelle, ergehen. Ich glaube, daß gerade deshalb, weil es inöglich ist, daß ein rechts kräftiges Urtheil den Verlust der Ehrenrechte ausspriht und dennoch die Bescholtenheit in den Augen des Volkes nicht eintritt, nothwendig ist, den Paragraph anders zu fassen, und ih komme auf das gestern Ihnen vorgeschlagene Amendement zurück. Nach diesem Amendement schlage ih vor, zu sagen: „Als bescholten sind diejenigen Personen zu erachten, welhe durch ein Kriminalgeriht zu einer entehrenden Strafe rechtskräftig verurtheilt sind. - Der Begriff „entehrende Strafe“ ließt nothwendig cin, daß damit shon der Verlust der Ehrenrehte verbunden sei, daß das Kriminalgeriht auf diesen Verlust mit erkannt habe. Es dehnt also dieser erste Saß meines Amende- ments den §. 1 aus. Um nun die nöthige Beschränkung eintreten zu lassen, habe ich vorzuschlagen, §. 1 mit §, 4 in Verbindung zu seben und zu sagen, daß bescholten derjenige ist, der dur ein rechtsfräfti= ges Urtheil zu einer entehrenden Strafe verurtheilt ist, und dem seine

-

Standesgenossen das Anerkenntniß unverletßter Ehrenhaftigkeit ver- sagen. Durch die Verbindung dieser beiden Paragraphen wird der Zweck erreicht, der dem vorigen Redner aus der Rhein-Provinz vor- geshwebt hat, nämlich daß eine Garantie gegen diejenigen Urtheile geboten werde, die irgend eine Person der Ehrenrechte verlustig er= klären und doch in den Augen des Volkes keine Bescholtenheit be- gründen, |

Abgeordn. Frhr. vonManteu ffel: Jch will mich gegen das Amen-

dement erklären, welches wir so eben gehört haben, eben \o aber auch gegen das eines geehrten Abgeordneten aus der Rhein-Provinz, velches früber gestellt worden is. Das letztere ging dahin, daß dem Pasils?a. ‘ein Zusatz dahin gemacht werde, daß die wegen politisher Verbrechen zum Verlust der Ehrenrechte verurtheilten Persônen 1ticht ansgeschlossen sein s\ollten aus ständischen Versammlungen, Es wird also hier ein Kriterium hingestellt, welches eine Unter-Abtheiling ‘machen will unter denjeni- gen Leuten, welche zu dem Verlust der Ehrenrechte verurtbeilt sind, Meine Herren, ih kenne in unsexer Geseßgebung den Begriff: „po- litische Verbrechen“/ überhaupt nicht. Jch weiß nicht, wo die Gränze gezogen i, wo sie anfangen, wo sie aufhören, Man hat viel von politischen Untersuchungen, von politischen Tendenzen u. #. w. gespro- enz aber ein geseßliher Begriff is dics nicht, und chou aus dem Grunde muß ih mi gegen eine solche Abgränzung erklären. Das andere Amendement aber hält ein gerichtliches Urtheil, welches die Chrenrechte aberfennt, nicht für genügend, es rekurrirt noch an das Volk in diesem Falle. Es trifft ungefähr mit dem zusammen, was wir in der gestrigen Sibung zu hören Gelegenheit hatten. Es könne Jemanden die National - Kokarde aberkaunt sein, und dennoch müsse die Stände-Versammlung cs sih zur Ehre {chäben, ihn in ihrer Mitte zu schen, Meine Herren, ein geehrtex Redner ‘aus der Rhein-Provinz hat gestern mit beredteren Worten, als ih es vermöchte, auseinanderge= seßt, wie die Ehre sich theile in innere und äußere, Ueber die innere Ehre könne Niemand auf der Welt urtheilen, diese unterliege dem Urtheile eines höheren Richters. Diese wollen wir aus dem Spiele lassen, sonst befassen wir uns mit etwas, was über unsere und aller Menschen Kompetenz hinausgeht. Es handelt sih um äußere, bür- gerlihe Ehre. Diese 1 durch gewisse Geseße festgestellt. Was heißt es also, einen Unterschied zu machen zwischen dem Verlust der Ehren= rechte, welche das Geseß hinstellt, dem wir Alle unterworfen sind, und zwischen der äußeren Ehre, wie wir sie in ständischen Versamm- lungen verlangen wollen? Heißt es nicht, die Stände-Versammlung außer dem Geseß, dem Geseß gegenüber stellen? Meine Herren, da= gegen wollte ih mich verwahren, ih bitte Sie, diesen Gesichtspunkt festzuhalten.

Abgeordn. von Brünneck: Meine Herren, ih werde mich nicht einlassen auf spätere Amendements, deun ih glaube, es is da- durch der Debatte vorgegriffen worden. Jch habe es ganz allein zu thun mit dem Vorschlage der Abtheilung, und ich muß mich gegen den Vorschlag der Abtheilung erklären, {on aus den Gründen, die der Herr Justiz-Minister angeführt hat, insbesondere aber auch des- halb, weil, so viel ich weiß, auch ein Einzelrichter ein solches rehts= kräftiges Urtheil fällen könnte, und das is der Hauptgrund, warum ih mi streng an den Entwurf, wie er vorliegt, halten zu müssen glaube, Jch weiß wohl, daß jeßt andere Maßregeln genommen werden dürften, die für die Folge die Gefahren, die damit verbun- den sein könnten, abwenden, Aber für jeßt haben wir noch die Einzelrichter, und diese sind befugt, rechtskräftige Urtheile aufrecht zu erhalten und retsfräftige Erkenntnisse abzufassen, daher muß ich mich an den Geseß-Entwurf halten. : j

Abgeordn. Camphausen: Nur eine kurze Bemerkung. Der Herr Landtags-=Kommissar hat geglaubt, die Motivirung meines Vor= sclages: „politische Vergehungen“/ in die Disposition des Art. Ul. zu verweisen, daß diese Motivirun zu der gestern geschlossenen allge= meinen Diskussion gehört habe. Ad habe daher nicht weiter darauf

: eREN Von einem anderen verehrten Redner aus der Mark ist

erwähnt worden, wie unsere Gesegße cine strenge Sonderung des Be= riffes „politische Vergehungen““ nit kennen. Jh bemerke demsel en, daß auch anderweite gesepliche Begriffe werden festgestellt werden Dabin wenn der vorliegende Entwurf zur Anwendung gelangen wird. Dahin gehört z. B. der Fall, daß nach Art. 1, durch's Kriminal=

Gericht das Urtheil ausgesprochen werden -soll, während gerade diese Gegenstände abgeurtheilt weden ‘fönnen an dem Rheine durch bie |

Polizei-Gerichte, die von den Kriminal-Gerichten unterschieden werden. Es if ferner zu erwähnen, wenigstens so viel ich habe ermitteln fön- nen, daß unsere Geseß-Bücher die Strafe des Verlustes der Ehren- rechte nicht kennen, daß sie zwar einzelne Bestimmungen haben, und daß auf Verlust einzelner Ehrenrecte erkannt wird, daß man aber bei Entwerfung eines künftigen Gesebes diese allgemeine Disposition der Bestrafung die des Verlustes von Ehrenrechten benennt, aber nicht in den gegenwärtigen Geseh - Büchern. Es ist endli von dem Kü- niglihen Kommissar erwähnt worden, daß durch die Königliche Be- gnadigung auch die Rechte zurückehrten. Diese Erklärung entspricht durchaus meinen Wünschen, nur finde ih nicht, daß sie mit Konsequenz aus dem uns vorliegenden Geseh - Entwurfe entnommen werden fönne, weil in diesem Geseß = Entwurfe ausdrücklich steht, daß, wer dur rechtskräftigen Aus\pruh von ständischen Versammlungen ausgeschlossen sei, dies für immer sei. Und es scheint dies zu der Annahme Anlaß zu geben, daß, wenn einé Begnadigung wegen des übrigen Theiles der Bestrafung eiutrete, cine Begnadigung wegen des Sibens in diesem Saale nicht unbedingt anzunehmen sei. Jch wiederhole meinen Vorschlag, daß aus Art. È. und dessen Disposition die politischen Verbrechen ausgeschlossen und in Position TIT. verwie- sen werden, und daß die Worte hinzugefügt werden: „und welche nicht begnadigt werden.“

__ Justiz-Minister Uhden: Wenn ih den Redner, welcher die Tri= büne eben verließ, recht verstanden habe, so is behauptet worden, in unserer Geseßgebung gebe es keine Bestimmungen, wodurch Jemand der bürgerlihen Ehrenrehte verlustig ginge,, Es giebt solche, einmal bei den Verbrechen des Hochverraths, un 3 ¡hite, was mir au- genblicklih einfällt, wenn Jemand aus dem SoltMenstande ausgesto- ßen wird, so verliert er alle bürgerlichen Ehbrenrechte. Das sind zwei Fälle, welche mir eben einfallen.

Marschall: Wenn Niemand mchr as Wort verlangt, \o werden wir zur Beschlußfassung über die erste Disposition kommen. Der Artifel 1 1. a. schreibt vor: „Als bescholten sind diejenigen Personen zu erachten, welche durch ein Kriminalgeriht zu dem Ver- lust der Ehrenrechte rechtskräftig verurtheilt sind.“ Hierzu sind meh= rere Amendements gestellt worden. Das eine von dem Herrn Ab- geordneten Camphausen, welches darin besteht, daß von dieser Dispo- sition die politischen Verbrechen ausgeschlossen werden sollen, und daß auch das Begnadigungsrecht davon ausschließt. Ein anderes Amen- dement is das des Herrn Abgeordneten Mevissen. Jch werde den ersten Theil des ersten Amendements zuerst zur Abstimmung bringen, nämlich, ob die politischen Vergehen von dieser Disposition ausge= schlossen sein sollen. Der Herr Secretair wird den Sah im Zusam=- menhange vorlesen,

Secretair von Leipziger: Nach dem Amendement des Ab- geordneten Camphausen würde der Sab so lauten: „Als bescholten sind diejenigen Personen zu erachten, welche durch ein Kriminalgericht wegen nicht politischer Verbrechen a, zu dem Verluste der Ehrenrechte rechtskräftig verurtheilt.“ |

Abgeordn. Camphausen: Zur Erläuterung bitte ich Sie darauf aufmerksam zu machen, daß nicht einer Ausschließung der po- litischen Vergehungen hier gedacht is, sondern nur, ‘daß in Artikel 1V. später kommt, daß die Standesgenössen ihr Anerkenntniß der unver= legten Ehrenhasftigkeit versagen können, und daß die Versammlung darüber zu entscheiden haben soll. Es handelt sich also nur darum, ob unbedingt ein jeder solcher Verurtheilte hier zu sißen niht verdienen dürfte.

| Staats=Minister Uhden: Jch muß mir die Bemerkung erlgu-

ben, es ist, ganz richtig erwähnt wörden, daß in unserem Landrechte, im Stbasre: te keine Bestimmung darüber vorhanden is, was politi- {e Verbrechen sind, Ein solches Rubrum kennen wir nicht. Cs wird sih nun fragen, wem soll die Entscheidung obliegen, ob Je- mand ein politischer Verbrecher is oder nicht?

__ Eïne Stimme (vom Plate): Habe ih ret verstanden, \o sollen in Zukunft Hochverräther in unsere Versammlung kommen.

(Geräush.)

Abgeordn. Mohr: Jch habe nir erlaubt, das Amendement .

Marschall: Wir sind mitten in der Abstimmung über diesen Theil; ih kann daher das Wort nur zur Berichtigung der Fragstel- lung geben, nicht aber zu neuen Amendements. Es fragt ih also, ob der verehrlihe Redner etwas zur Berichtigung der Abstimmung zu sagen hat? / j

Eine Stimme (vom Plabe): Die Worte des Herrn Justiz- Ministers veranlassen mich zu der Bemerkung, daß das Landrecht allerdings keine Definition von politishen Verbrechen giebt, daß aber der Begriff der politischen Verbrechen wohl feststeht, da die Worte „Politik“ und „politisch““ sehr häufig in der Gesebßgebung vorkommen. Ich will nur aufierksam machen auf Gesetze, die von politischen Versammlungen sprechen. Auch da is ein bestimmter Begriff nicht angegeben, denno aber siud diese Versammlungen nah den Gegen- ständen sehr genau bezeichnet, die in ihnen vorgenommen werden, so daß man den Charakter sehr wohl erkennt und genau zurückschließen fann auf die Verbrechen. :

(Eine Abgeordneter erbittet sich das Wort.)

Marschall: Wenn der Herr Abgeordnete zur Berichtigung der Abstimmung das Wort verlangt, so gestatte ih es im

Abgeordn. Mohr: Jch wollte mir blos die Frage erlauben, ob, nachdem über die Amendements abgestimmt--fein ‘wird, es auch noch erlaubt sein wird, gegen den ganzen Artikel I. sich zu äußern. Mein Amendement ist gegen den ganzen Artikel gerichtet, und deshalb mußte ich M Bemerkung vorausschicken

Marschall: Der Herr Äbgeordnete wünscht also nachher darauf anzutragen, daß der ganze Artifel gestrichen werde ?

Abgeordn. Mohr: Mein Amendement ist darauf gerichtet, daß der ganze Artikel wegfalle. s

Marschall: Dies wird vorbehalten bleiben.

Abgeordn. Camphausen: Es ist auf jener Seite des Saa-= les die Bemerkung gemacht worden, nach meinem Vorschlage würde ein Hochverräther in unserer Mitte sibeu können. Jch weiß nicht, ob außer dem Redner ein anderes Mitglied in der Versammlung wäre, welches meinen Vorschlag so verstanden haben fönnte! ? l

(Skimmen: Nein! Nein !)

Abgeordn. Graf von Merveldt: Der Vorschlag kaun nicht anders verstanden werden, indem Hochverräther ebenfalls zu denjeni= gen gehören, welche politische Verbrehen begangen haben.

Marschall: Wir sind bei der A UD. Das Amett= dement des Herrn Abgeordneten Camphausen lautet dahin :

„Als bescholten sind diejenigen Personen zu erachten :

1) welche durch ein Kriminalgericht a. zu dem Verlust dér Ehrenrechte rechtskräftig verurtheilt,

b, oder zur “Verwaltung öffentliher Aemter oder zur Ablei=- Lueg ns nothwendigen Cides rechtskräftig für unfähig erklärt ;

2) t t durch ein militairishes Chrengeriht zu einer der im“ ÿ. 4 Lit. þ —e der Allerhöchsten Verordnung vom 20. Juli 1843 über die Ehrengerichte aufgeführten Stra= fen verurtheilt“. :

Diejenigen, welche für diesen Vorschlag “sich bejahend erklären, bitte ich aufzustehen.

(Die Abstfimung erfolgt.) ; Erste Beilage.

Erste Beilage zur Allgemeinen Preufischen Zeitung.

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Mittwoch den F ten Mai.

Marschall: Es is sihtlich, daß keine Majorität dafür vor- handen is, dieses Amendement ist demnach abgelehnt. /

Der zweite Theil des Amendements betrifft die Begnadigung.

Landtags-Kommissar: Jch glaube, daß es wirklich hier- über nur einer Verständigung bedarf. §. 1 sagt: „Als bescholten sind diejenigen Personen zu erachten, welhe dur ein Kriminalgericht zu dem Verlust der Ehrenrechte rechtskräftig verurtheilt sind u. \. w.“

Jn dem Augenblicke also, wo Jemand in dieser Weise verur= theilt is, wird er unfähig, in eine ständische Versammlung einzutre- ten. Von dem Augenblicke än, wo er pure begnadigt wird, hört diese Unfähigkeit auf. Js aber, während er unfähig war, einzutre- ten, sein Ausschluß aus einer ständischen Versammlung erfolgt, so fann er nur im Wege des §. V. rehabilitirt werden. So i1st der Sinn des Gesebes zu verstehen und dasselbe zu erklären, und ih glaube nicht, daß es eines Zusabßes oder einer Abänderung bedarf. So wenigstens versteht diesen Artikel das Gouvernement, und es fragt sih daher, ob der geehrte Redner nicht auf seinen Antrag ver= zichten will.

Marschall: Jh frage dèmnah den Herrn Redner, ob er auf seinen Antrag verzichten will?

Secretair von Leipziger: Der Artikel V. worauf der Herr Kommissar Bezug genommen hat, lautet dahin: „Die Wiederzulas- sung zur Ausübung ständischer Rechte werden Wir nur auf den An- trag der Versammlung, welche die Anklage beschlossen hat, genehmi- gen, Ein solher Antrag darf niht vor Ablauf von 5 Jahren nah der Ausschließung gemaht und nur dann zu Unserer Kenntniß ge- braht werden, wenn zwei Drittel der Versammlung sich dafür er- klären.“

Abgeordn. Camphausen: Jh muß gesteben, daß ih sehr gern den Vorschlag zurückziehen würde, wenn ih genau übereinstim- men fönnte mit der Begründung, welche der Herr Kommissar uns in seiner Ansicht giebt, Jch finde aber , daß Art. 1V. spricht: „Wer solgergestalt durch rechtskräftigen Ausspruch aus einer ständischen Versammlung des Julandes ausgeschlossen is, darf überhaupt ständi- he Rechte niht mehr ausüben“, während in Art. V. steht: „Die Wiederzulassung zur Ausübung ständischer Rechte werden Wir nur auf den Antrag der Versammlung, welche die Anklage beschlossen hat, genehmigen.“ Der Art. V. bezieht sich also auf Solche, welche in Ständeversammlungen angeklagt worden sind, nicht aber auf Solche, welche ohne Auklage auf Grund rechtsfräftigen Urtheils ausgeschlos- sen worden sind. Daß diese indeß wieder in Folge von Begnadi- gung das Recht hätten, unter uns zu iben, is der Zweck des Bor-= \chlages, den ih gemacht habe.

Abgeordn. von Beckerath: Was der verehrte Redner vor mir bemerkt hat, würde sich zwar dann erledigen, wenn der Autrag des Ausschusses, betreffend §. 5, genehmigt würde, Der Antrag geht nämlich dahin, daß nicht nur die Versammlung, welche die An-= lage beschlossen hat, sondern auch diejenige, zu welcher der Betref- fende seinen ständischen Verhältnissen nah gehören könnte, berechtigt istt, auf Wiederherstellung seiner Rechte, seiner Ehre anzutragen. Al- lein selbst dann würde sih das Bedeuken , welhes zu dem Zusaße Veranlassung gab, noch keinesweges heben. Denn wenn Se, Ma- jestät geruhen sollten, einen Verbrecher sehr bald nach der Verurthei= lung zu begnadigen, so würde nichtsdestoweniger auch nach §. 5 ein Zeitraum vou 5 Jahren verstreichen müssen, bevor er die Wiederher-

stellung seiner ständischen Rechte beantragen fönnte. Deshalb \chèint-

es mir unumgänglich nothwendig, daß die Worte: „so lange sie nicht begnadigt sind“, eingeschaltet werden müssen.

Abgeordn, Hansemann: Mix scheint es auch, daß die von dem Königl. Kommissar gegebene Deutung nicht in den §. 5 zu le- gen sei, so wie er hier gefaßt ist, und daß es nothwendig sei, hier schon eine Bestimmung zu treffen, die klar die Absicht des Geseßes, so wie sie von dem Herrn Kommissar erläutert worden ist, aus= spricht. Zu dem Ende scheint es mir allerdings nothwendig , daß hier hon ausgedrückt werde, daß, wenn die Begnadigung eintrete, alsdann auch die Folgen des Urtheils aufzuhören haben. Und eben so scheint mir noch eine Undeutlichkeit in der Beziehung zu liegen, die aus dieser Fassung geschlossen werden könnte, wenn Jemand zu einer gewissen Zeit zu dem Verlust der Ehrenrechte verurtheilt wäre, daß alsdaun nach dieser Fassung sie ihm in Beziehung auf die Stand- {aft lebenslang verloren sein könnten, während es sih doch von elbst versteht womit der Herr Kommissar ebenfalls einverstanden sein wird daß, sobald die Wirkung des Urtheils aufhört , als- dann auh die Wirkung in Beziehung auf dieses Geseß aufhören muß. Um es Jhnen durch ein Beispiel klar zu machen : Wenn Jemand auf 5 Jahre zudem Verlust seiner Ehrenrechte verurtheilt wäre, so würde er nach Ablauf von 5 Jahren wieder zu den Ehrenrechten gelangt sein, wäh rend es jebt nah dieser Fassung zweifelhaft scheint. t

Landtags=-=Kommissar: Jn dem dringenden Wunsche, die Zeit der hohen Versammlung nicht unnöthig in Auspruh zu nehmen, glaube ‘ih im Namen der Verwaltung die Erklärung abgeben zu kön- nen, daß gegen die Aufnahme dieser Abänderung nichts zu erinnern ist, Es is keine andere Meínung dabei gewesen, als daß, wenn die Königliche Begnadigung eintritt, auch die Wirkung der Strafe auf- höre. Wenn daher die Versammlung nichts dagegen zu erinnern findet, so steht auch seitens der Verwaltung nichts entgegen, daß eine ähnliche Klausel in das Geseß aufgenommen werde.

Marschall: Es haben sich noch zwei Redner gemeldet, und sofern dieselben aufs Wort verzichten,

(dies geschieht) sv fann ih fragen, ob die ana nach der Erk(ärung des Herrn Staats-Ministers von Bodelschwingh si für die Aufnahme der Begnadigung und der zeitweisen Verurtheilung erklärt,

Eine Stimme (vom Plaße): Jh würde mich dagegen er= klären und darauf antragen, daß abgestimmt wird.

Eine Stimme (vom Plate): Jch halte diesen Zusaß, wie er vorgeschlagen worden ist, für nothwendig, ih halte ihn nämlich nicht für sih von selbst verstehend nah Art. 5, denn dieser spricht nur von Rehabilitirung in den Fällen, wo dur Ehren - Gericht der Verlust der Ehre eingetreten is, niht aber von den Fällen, wo nach richter= lichem Ausspruch die Ehren abgesprochen worden sind. Darum halte ih diesen Zusaß für nothwendig. Jh würde nah der Erklärung des Herrn Regierungs - Kommissars das Wort nicht ergriffen haben, wenn nicht Widerspruch erhoben worden wäre.

Abgeordn. von Auerswald: Jh würde den Antragsteller bitten, von der Abstimmung abzustehen und ins Auge zu fassen, daß die Versammlung mit dem Königlichen Kommissar einverstanden ist, daß der Zusaß in dem Geseß ausgedrüdckt werden soll. Es is fein G abzusehen, warum wir uns mit der Abstimmung aufhalten

Marschall: Der Antragsteller verzichtet also wohl auf Ab- ata (Wird bejaht.) Dann ist der Vorschlag ange -

Wir kommen jeßt zu dem zwei R des Herrn Abgeordneten Mevissen, welches also lautet E

„als bescholten sind die Personen zu betrachten, welche durch ein Kriminalgericht zu einer entehrenden Strafe rechtsfräftig verurtheilt sind, und welchen ihre Standesgenossen die Anerkenntniß unbeschol- tener Ehrenhaftigkeit versagen.“ tis Wenn ih demnach richtig verstanden habe, so soll noch zu der rect- lichen Verurtheilung die Versagung der Ehrenhaftigfeit durch Stan- desgenossen hinzukommen müssen. Jch richte an die hohe Versamm- lung die Frage, ob dieses Amendement durh 24 Mitglieder Unter- stüßung findet ? (Es geschieht ausreichend.) . S Abgeord. Graf von Merveldt: Es hat gestern das geehrte Mit- glied, welches das Amendement gestellt hat, über welches jeßt abgestimmt werden soll, der Versammlung in einem weitläufigen, langwierigez Gebäude ein System der Ehre vorgelegt, welches, meines Erachtens, hin und wieder auch wieder {wache Seiten gehabt hat. Es is nämlich behauptet worden, daß die Aufrechthaltung der Ehre eines Menschen gedenkbar sei, daß sogar die Ehre wirklich aufrecht zu erhalten sei, so lange derselbe mit seiner eigenen Ueberzeugung niht in Widerspruch trete. Namentlich ward hierbei noch das Gleichniß in die Rede gezogen, was vielleicht Manchen von uns shmerzlih berührt hat, nämlih das Gleichniß mit Christus, unserem Herrn, Jh wollte mir nur erlauben, ein einziges Beispiel anzufüh ren, welches diese allgemeine Behauptung widerlegen mag. Ih seße den Fall, irgend ein Judividuum, welches von jeher, von seiner Ge- burt an, von den ersten Jahren seiner Erkenntniß an, durch eine ver- dorbene Erziehung, durch später erfolgten verderblihen Umgang, verderbliches Beispiel zu der inneren Ueberzeugung gelangt ist bei sich, daß es recht und billig sei, daß irgend ein Gegen- stand des Eigenthums seines Nachbarn, irgend eines Mitgliedes der Gemeinde bei ihm, daß diese Habseligkeiten eines Anderen von Rechts wegen und billig ihm gebühren. Jch seße diesen Fall voraus, und in diesem Falle findet dieses Judividuum für gut, zur Entwen- dung dieses Gegenstandes zu schreiten (Unruhe in der Versamm- lung). Dieses Judividuum is mit seiner inneren Ueberzeugung in vollem Einklang geblieben. Es würde also hier die Aufstellung dieser gehörten Grundsäße zu der Folgerung führen, daß die Aufrechthaltung der Ehre eines solchen Jndividuums vollkommen begründet sei. Einem Amendemeut, welches dur ein folhes System begründet worden ift, einem solchen Amendement vermag ih nicht zuzustimmen. Jm Ge gentheil halte ih es für nüßlich, bei den Begriffen der wahren Ehre stehen zu bleiben, welche der Entwurf des Geseßes und mit wenigen Abweichungen der uns vorgelegte Entwurf des Ausschusses beibehalten hat, auch hinsichtlich der Veränderung in der Kompetenz, welche ange- fochten worden is, über den Ausspruch der Bescholtenheit, muß ich dem Entwurf vollkommen beistimmen, indem ih es nur für zweck- mäßig halte, daß die Kompetenz bei unseren ordentlichen Richtern und nach dem Begnadigungsrechte bei Sr. Majestät dem Könige ver- bleibe und bei unseren Standesgenossen.

(Mehrere rufen Bravo.)

Abgeordn. Mevissen: Meine- Herren, ih weiß nicht, ob au- ßer dem Redner, welchen wir eben gehört haben, es noch irgend Jemand gelungen is, meine gestrige Rede in dem Sinne aufzufassen, wie er. Jch glaube nicht. (Viele Stimmen: Nein ! nein!) Jch werde mich daher jeder Widerlegung des leßten Redners enthalten können, Jch muß ihm aber einhalten, daß im Laufe der Geschichte sih der Begriff der Ehre bei den verschiedenen Völkern sehr ver- \hieden ausgebildet hat, und daß es felbst in: unserem Vaterlande Zeiten gegeben hat, wo es nicht unehrenhaft êxschienen ist, das Gut des Nächsten zu nehmen und zwar mit “der inneren und äußeren Ehre verträglich.

(Schluß folgt.)

Denkschrift, die

Errichtung von Provinzial-Hülfskassen in sämmtlichen Provinzen der Monarchie

betreffend.

Der verewigte Ober-Präsident, Freiherr von Vincke, hatte der Provinz Westfalen gehörige Einquartierungs-Vergütigungsgelder, de- ren Spezial-Repartition Schwierigkeiten unterlag, zurückbehalten und in Staats-Papieren so vortheilhaft angelegt, dal sie in der Zeit, als das provinzialständische Justitut ins Leben trat, zu einem bedeutenden Kapital angewachsen waren. Die wegen dessen Verwendung mit ih- rem Gutachten gehörten Stände stimmten dafür, das Kapital unter dem Namen einer Provinzial - Hülfskasse zu konserviren, welche unter ständischer Verwaltung die Bestimmung erhalten sollte, Kapitalien theils

egen halbjährige Kündigung, theils auf Amortisation innerhalb der Diver auszuleihen, und zwar für folgende Zwede: a) zur Gründung oder Erweiterung von Provinzial-Justituten ; b) an Gemeinden zur Tilgung oder Herabseßung des Zinsfußes threr Passiv-Kapitalien, zur Verbesserung ihres Haushaltes, zu

Bauten für Kirchen- und Schulzwecke, Wege-Anlagen u. \. w.,

auch unter Umständen zur Abhülfe eines augenblicklihen Noth-

standes, z. B. zum Ankauf von Getraide bei großer Theurung ;

) an Besiver ländlicher Grundstücke zur Ablösung von Reallasten ; an Grundbesißer, behufs Urbarmachung wüster Grundflächen und anderer Kultur-Verbesserungen ;

an Unternehmer von nüßlihen Gewerb - Anlagen , insonderheit

von solchen, die darauf berechnet sind, früher nicht vorhandene Industriezweige in die Provinz einzuführen.

Nach mehrfachen Unterhandlungen wurden die Anträge der Stände genehmigt, und das Statut der westfälischen Provinzial - Hülfskasse erhielt unter dem 26. November 1831 die Allerhöchste Vollziehung.

Außer einigen weniger wesentlichen Abänderungen dieses Statuts, welche des Königs Majeskät auf den Antrag der Provinzial - Stände genehmigt haben, wurde durch den Landtags - Abschied vom 8. Juni 1839 der Provinzial-Hülfskasse infofern wesentlih erweitert, als die- selbe darin die Ermächtigung erhielt, Gelder aus den Beständen der Sparkassen und aus Provinzial-Gemeinde= und Justituten-Fonds ver= zinslih anzunehmen, wie sich dies aus den der leichteren Uebersicht wegen nebst den Abänderungen angeschlossenen Statuten näher ergiebt. - Es hat sich dieses Justitut für die Provinz Westfalen seitdem auf

das vollkommenste bewährt, indem dadurch Gemeinden, Jnstituten und Privaten Gelegenheit gegeben wurde, Kapitalien zu mäßigen Zinsen anzuleihen, und ‘die Wahl unter mehreren Amortisations-Perioden be- sonders den Gemeinden Gelegenheit bietet, bei gehöriger Ordnung ih- res Haushaltes, die kontrahirten Schulden in geeigneter Frist abzubür- den. Auch der Fonds hat sih, indem anfangs die Hälfte, \pä- ter *; zu Kapital geschlagen wurde, ansehnlih vermehrt, und der

Nach der Uebersicht, welhe die Verwaltungs - Kommission unter

dem 10. Februar 1845 den Provinzial- Ständen vorlegte, hatte die

Kasse am Schlusse des Jahres 1844:

Aus den Sparkassen der Provinz , 82,220 Rihlr.

zur Verzinsung empfangen; dagegen zurückbezahlt . 47,650 »

so daß die Sparkassen ein Guthaben Hatten von 31,570 Nibir: Von Jnstituten und Gemeinden waren bei der A

Hülfsfasse zinsbar angelegt 93,706 »

so daß die Provinzial-Hülfskasse an fremdem Gelde L

N i. s 04 - 128,276 Rthlr. Dagegen hatte die Kasse seit ihrer Errihtung ausgeliehen, und

zwar :

A. dem Zweck nach:

1, An Gemeinden zur Tilgung von Schulden

. An Gemeinden zu Kirchen- und Schulbauten

An Gemeinden zu Chaussee- und Wegebauten .. 204,325 An Gemeinden zu sonstigen Kom- NutatDedt 2 ss

220,082 Rthlr. 29 Sgr. 3 Pf. 204,806 » 412 »

F

. An Gemeinden zu Grundankäufen 14,950 An Gemeinden bei Brand = und

DAgt Gde aier: MeeO »

. An Armen-Anstalten 250 »

. An Private zum Ablösen . 36,485 »

An Private zu Meliorationen . 16,030 »

An Private zur Schuldentilgung . 40,070 »

. AnPrivate zu gewerblichen Zwecken 103,350 »

An Provinzial=Jnstitute G

896,043 Rtblr. 7 Sgr. 6 Pf.

——— J)

B. der Verleihungsart nach : auf halbjährige Kündigung 117,560 Rthlr. terminlihe Abschlags - Zahlung. . 130,685 » 135 jährige Amortisation... 34,905 » 15 » 214,175 » 18 » 58,475 M s 16,138 » 268 » 11,6600 » 32 » A 265,045 » 37 » 47,460 » 896,043 Rthlr. Von dieser Summe waren bis Ende 1844 getilgt worden 289,746 Rthlr. An Darlehen standen daher am 4 Jana Bo E ei, . 606,297 » und zwar auf halbjährige Kündigung . 77,910 Rthlr. » terminliche Abschlags-Zahlung.. 61,840 » » Amortisation... ... 466547 » 7 Sgr. 6 Pf. , 606,297 Rthlr. 7 Sgr. 6 Pf.

Das reine Vermögen des Justituts betrug am Schlusse des

Jahres 1844 APPYOTIIIAR f eteald s dat Laie S A 395,900 Rthlr. so daß das Stammvermögen von ursprünglich. .… 319,828 » sih bis zu Enude--des- Jahres 1844 um 76,072 Rthlr. vermehrt hatte.

Außerdem. waren aus dem Zinsengewinn der Kasse 114,256 Rthlr. nah den Beschlüssen des Provinzial - Landtages zu gemein- nüßigen Zwecken innerhalb dér Provinz verwandt oder zur Verwen-= dung bereit.

Diese günstigen Resltate und die mehrfach ausgesprochenen Wünsche, daß auch in anderen Provinzen eine ähnliche wohlthätige Einrichtung getroffen werden möge, regten bereits im Jahre 1842 den Gedanken an, einen Theil der damals wegen der Zins-Reduction der Staatsschuldscheine bei der General = Staatskasse angesammelten bedeutenden Bestände zur Dotation von Provinzial - Hülfskassen zu verwenden, Der bereits ausgearbeitete Plan dazu mußte aber auf- gegeben werden, weil die mit ständischem Beirath gefaßten Beschlüsse über die Beförderung des Eisenbahnbaues jene Fonds in Anspruch nahmen.

Seitdem sind nohch zwei andere Gesichtspunkte hervorgetreten, welche eine Realisirung des damals zurückgelegten Planes sehr wün= \chenswerth erscheinerf lassen.

Die“ L des Sparkassenwesehs wird immer mehr als ein Hauptmittel zur Beförderung des Wohlstandes der mittleren und unteren Klassen und zur Beseitigung wirkliher Noth in leßteren anerfanut. Zwar hat sih in den leßten Dezennien auch in reußén in dieser Beziehung eine niht unbedeutende Regsamkeit gezeigtz die Zahl der Sparkassen hat sich wesentlih vermehrt und der Total-Be- trag ihrer Einlagen erhöht; aber es is doch lange nicht \o viel ge- schehen, als zur Erreichung des Zweckes wünschenswerth erscheint, und wir stehen hierin gegen manche andere Staaten zurück. Dabei stellt sich als ein Haupt-Hinderniß des Aufblühens des Spar- kassenwesens die Schwierigkeit heraus, die disponiblen Bestände die- ser Kassen jederzeit zu mäßigen Zinsen sicher und ohne zu große Be- lästigung für die häufig unbesoldet fungirenden Kuratoren unterzu- bringen. Aus dieser Rücksicht hatten au die rheinishen Stände bei ihrer leßten Versammlung beantragt, daß die Staatskasse angewie- sen werden möge, die Bestände der Sparkassen gegen einen Zinssaß von 4 pCt, anzunehmen. Nachdem hierauf in dem Landtags - Ab- schiede vom 27. Dezember 1845 ein dilatorisher Bescheid gegeben worden, haben Verhandlungen unter den betheiligten Ministerien über diesen Gegenstand stattgefunden: dabei sind gegen den gedachten stän- dischen Antrag mehrfache Bedenken erhoben worden, während über=- dies geltend gemacht ist, daß die Einziehung jener Bestände zur Ge- neral=-Staatskasse die Circulation der Kapitalien in den Provinzen hemmen und deren Centralisation in einer für die Provinzen nah- theiligen Weise vermehren würde. Dagegen wurde die Stiftung von Provinzial-Hülfskassen mit der Verpflichtung zur Annahme der disponiblen Bestände der Sparkassen (natürlich ohne Beschränkung der leßteren in anderweitiger Disposition über dieselben) zu einem ent- sprechenden Zinsfuße als ein Mittel anerkannt, um ganz di lben Bortheile für das Sparkassenwesen, welche der Antrag der rhe| schen Stände bezweckte, zu erreichen und überdies die and gen fruchtbringenden Operationen der Hülfskassen zu erweitern.

Es wurde ferner erwogen, 4 durh Verwendung eines Theiles des Fnsengewinnes der Hülfskassen zur direkten R der mäßige der

7 Sgr. 6 Pf.

fassen diesen ein um so regeres Leben gegeben werden terr die dadur Sparkasse beweist, welche dur re Ueberweisung bedeutender Summen aus den Gewinn -

Ueberrest der Zinsen konnte innerhalb der Provinz zu vielfältigen nüb- lichen Verwendungen dienen,

y en Aachen-Münchener Feuerversicherungs-Gesellschaft -in den Stand ge«