1847 / 129 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

ßere Garantie eintreten muß, als bei der Anklage. Es ist beschlos- sen worden, daß die Anklage mit der einfachen Majorität stattfinden könnez Sie werden nicht zugeben wollen, daß, im Falle die nämliche Versammlung nun sih bei dem Ausspruche der Wähler nicht beru- higt, alsdann die nâmlihe Majorität , welche die Anklage erhoben hat, auch die Verurtheilung aussprechen könne. Sie werden daher gewiß, wie ih hofe, dem Vorschlage allgemein zustimmen , daß, im Falle die Versammlung in Folge der Bestimmung von Litt. c. zu entschei=

den hat, alsdann die Verurtheilung nur stattfinden kann, wenn drei

Viertheile der Mitglieder der Gesammtzahl dieser Versammlung sich dafür aus\prehen. Sie behalten dann die nämliche Versammlung bei, vermehren aber die Zahl derjemgen , welche sich auszusprechen haben. Sie bleiben si konsequent , geben aber diejenigen Garan- h erforderlich sind, damit eine gehörige Si=

tieen, welche unumgänglid ) Dal eg cherung des Verfahrens und auch eine gehörige Logik m dem gan=

zen Verfahren stattfinde. : s E S

Marschall: Jch frage die Versammlung: Wird dieses Amen- dement unterstüßt? E

(Geschieht ausreichend.)

Abgeordn. von Manteuffel: Jh verkenne niht die wohl- wollende Absicht für den Angeschuldigten, in welcher dieses Amende- ment proponirt is; aber ih bestreite, daß diese Absicht wirklich er= reiht wird. Denn ich frage, mit welher Stirn soll der Mann, ge- gen welchen über die Hälfte der Versammlung sich erklärt hat , in der Versammlung Plaß nehmen? Es is in der gestrigeo Sihung mehrfach ausgesprochen worden, hier, wo es sih um die Wahrung ständischer Ehren handelt, müsse mehr streng, als zu \chlaf verfah= ren werden.

Abgeordn. Hansemann: Jch erwiedere dem gechrten Herrn Redner, daß der Angeschuldigte mit der Stirn eines Angeschuldigten wird zu erscheinen haben, und daß er mit Recht in Anspruch nehmen fann, daß nicht dieselben Persnnen, welche ihn in Anklagestand ver= seßt haben, ihn auch verurtheilen können, sondern daß wenigstens eine größere Zahl hinzutreten muß.

(Ruf nach Abftimmung.)

Marschall: Die Frage is: soll das Amendement, das o eben gestellt worden is, angenommen werden ?

Eine Stimme: Das Amendement hätte müssen vorher gestellt werden.

Marschall: Das Amendement is unterstüßt worden, daher auch noch nachträglih zur Abstimmung kommen.

Abgeordn. von Brünneck: Jh möchte mir erlauben, zu be- merken, ob wir nicht anf das ursprüngliche Prinzip zurückgehen und statt À der Stimmen, * seßen wollen?

Abgeordn, Hansemann: Jch bin damit einverstanden, wenn es heißt, ck der Gesammtzahl der Mitglieder.

Abgeordn, von Auers wald: Jh muß mich dem Amendement entgegenstellen, indem ih einen psychologischen Zusammenhang darin nicht sinden kann. Ganz dieselben Gründe, die mich veranlassen wür=

den, in der Versammlung auf den leisesten Verdacht hin und im Interesse des Verdächtigen eine Untersuchung zu beantragen, diesel=- benu Grünve würden mich veranlassen, als Richter auf das peinlichste und genaueste zu verfahren: ich kann einen sormellen, so wie einen inneren Zusammenhang, der größere Sicherung nothwendig macht, durchaus nicht anerkennen, und ih erkläre mih gegen das Amen=

fann

dement.

Eine Stimme: Jch trete dem verehrten Sprecher bei.

(Es wird vielfach Abstimmung verlangt.)

Marschall: Wird die Abstimmung allgemein gewünscht ?

(Viele Stimmen: „Ja, Ja! ‘‘) (Mehrere Stimmen: Wir wollen doch hören.)

Abgeordn. Freiherr von Gudenau: Jch wollte mir blos er=- lauben, zu bemerken, daß der Unterschied zwischen dem Falle, der früher verhaudelt worden, und dem jeßigen darin liegt, daß hier Freisprechung vorhanden is, die kassirt werden soll, und daß es doch einer bestimmteren Begründung des Urtheiles bedarf, als es früher der Fall war. i

Eine Stimme: Es scheint hier eine Lücke im Gesebe zu sein, indem nicht gesagt ist, die Anklage kann in der Versammlung mit einem Drittheil und die Einlegung der Appellation konsequenter- weise auch dur ein Drittheil der Versammlung zu Wege gebracht

werden. (Geräusch in der Versammlung.)

Marschall: Jch stelle die Frage: Ob das Amendement ange- nommen werden soll? Diejenigen, welche für das Amendement sind, bitte ih aufzustehen. Das Amendement ist nicht angenommen,

Eine Stimme (von einem entfernten Platze): Es is das Amendement nicht recht verstanden worden; ob zwei Drittheile oder drei Viertheile der Stimmen erforderlich seien

Marschall: Das ursprüngliche Amendement ging auf drei Viertheile der Stimmen, später is es modifizirt worden auf 5. Be- liebt der hohen Versammlung noch eine Abstimmung über die 5?

(Stimmen: Ja und Nein.) Der Sicherheit wegen, da es nicht verstanden worden is, will ih do fragen: Ob die Versammlung sich für das Amendement erklärt, wenn ®* der Stimmen erfordert werden? Es haben sich diesmal mehr Stimmen dafür erklärt, aber es is noch feine Majorität.

Referent Graf Stosch: Zu s 11 wurde hervorgceho- ben, daß es \ich bei der zweiten Jnstanz nicht allein um ein Ver- werfen, sondern auch um ein Entscheiden handle; es also am Schluß dieses Passus heißen möge:

durch Stimmenmehrheit über den Ausspruch der Wahlversamulung in leßter Justanz entscheidet; womit die Schlußworte wegfallen würden : „Bei diesem Ausspruch hat es sein Bewenden,“

Marschall: Dies i ein Fassungs-Vorschlag. Vielleicht würde es hinreichen, darauf aufmerksam zu machen, daß hier in der Fassung eine Unklarheit vorzuliegen \heine, Jch frage, ob die hohe Ver- sammlung damit einverstanden is ?

(Wird bejaht.)

Referent Graf Stosch: trägt vor: g. IV. stalt durh rechtskräftigen Ausspruch aus einer ständischen Versamm-= lung des Jnlandes ausgeschlossen ist, darf überhaupt ständische Rechte niht mehr ausüben, auch an ständischen Wahlen als Wähler nicht mehr theilnehmen. f

Abgeordn. Graf von Strachwib (Kamienießy): Jch würde mir zu §. Il. noch etwas erlauben, Es isst nothwendig, daß etwas beschlossen werde, weil hier vorausgeseßt wird, daß Standes- genossen entscheiden sollen. Nachdem aber beschlossen worden is, daß der ganze Landtag entscheiden soll, so muß der Beengears am Schlusse et-= was geändert werden. Jch mache hiermit darau aufmerksam, denn es heißt hier: „Dieser ernennt beim nächsten Zusammentreten des Land= tages einen Referenten, welcher dem Stande des Angeklagten ange- hört.“ Dies wird also abgeändert werden müssen: i

Referent Graf Stosch: Es is dies lediglich Redactions-Sache.

Marschall: Es betrifst dies die Fassung, die nah den jebi-

en Beschlüssen redigirt werden muß. Zu §. IV. ist von der Abthei- ung nichts bemerkt worden.

Abgeordn. Hansemann: Nach diesem §. TV. werden alle die- jenigen, welche durch ein Ehrengericht ausgeschlossen sind, insofern sie

Wer solcherge-

niht begnadigt werden, auf Antrag der nämlichen * Versammlung, die sie ausgeschlossen hat, lebenslang politisch ehrlos sein. Dies scheint mir zu weit zu gehen. Ein Gericht erläßt sein Urtheil niht immer auf lebenslänglihe Strafe, sondern in sehr vielen und sogar in den meisten Fällen nur auf Zeit. Es scheint mir deshalb, daß es dem Angeklagten allezeit, wenigstens nah Verlauf von 5 Jahren, freistehen müsse, die nämliche Versammlung, die ihn ausgeschlossen hat, um ein neues Urtheil anzurufen. s

(Einige Stimmen äußern : „Dies gehört zu §. V.‘“)

Es gehört das, was ih vortrage, eigentlih zu §. IV. und V. Der Unterschied besteht darin, daß nah 5 Jahren Jemand, der durch dieses Gericht der Stände verurtheilt worden is, wieder von der nämlichen Versammlung rehabilitirt werden könne, ohne daß es dazu der Genehmigung der Regierung bedürfen würde. Jch glaube es niht weiter motiviren zu brauhen. Einstweilen will ih sehen, ok Tinwendungen dagegen gemacht werden.

Abgeordn, von Manteuffel: Jh bin außer Stande, Ein- wendungen dagegen zu machen, weil ih es nit verstanden habe.

Abgeordn, PETE Manns Jch werde suchen, mich deutlicher anszudrücken. Nach IV. und V. zusammengenommen, is der Aus- spruch einer Stände-Versammlung für lebenslang, insofern nicht die Regierung auf Antrag dieser Versammlung wieder begnadigt. Meine Meinung is} nun, daß nah 5 Jahren die Versammlung, die ausge= {lossen hat, auch wieder zulassen könne, ohne daß es dazu der Ge- nehmigung der Regíerung bedürfe, Nach meiner Ueberzeugung näm- lih is es gerade im Prinzipe der ständischen Ehren, daß bei solchen Angelegenheiten, wo nicht die Gerichte erkennen, es nun au ganz den Ständen überlassen bleibe, ob sie es für angemessen erachten, Jemanden wieder zuzulassen, und daß dieses nicht von der Regierung abhängig gemacht werde.

Marschall: Würde nicht der Antragsteller der Meinung sein, daß §. 1V. stehen bleiben könne, und daß sih seine Aenderung nur auf §. V. bezöge? Dann können wir auf §. V. übergehen; wir haben den Vortrag der Abtheilung hierüber noch nicht gehört.

Abgeordn. Hansemann: Mein Abänderungs -= Vorschlag be- zieht sih auf beide Paragraphen.

Mar \chall: Wollen Sie beide Paragraphen zusammennch- men, so habe ih nichts dagegenz dann bitte ih aber den Herrn Re= ferenten, seinen Vortrag über §. V. zu halten.

Referent Graf Stosch: §. V. lautet:

„Die Wiederzulassung zur Ausübung ständischer Rechte werden Wir nur auf den Antrag der Versammlung, welche die Anklage be- {lossen hat, genehmigen. Ein solher Antrag darf nicht vor Ablauf von 5 Jahren nah der Ausschließung gemaht und nur dann zu Unserer Kenntniß gebraht werden, wenn zwei Drittel der Versamm- lung sich dafür erklären.“

Bericht hierüber Seite 10:

„Abschnitt V. enthält die Modalitäten, unter denen die Reba- bilitirung einer von Ständerechten ausgeschlossenen Person herbeige- führt werden fann, wobei ständische Konkurrenz gleichfalls einwirkend werden foll.

Hierbei wurde jedoch bemerkt: daß es als Lücke des Entwurfs gelten müsse, wenn in diesem Abschnitt eine Wiederzulassung zur Aus= übung ständischer Rechte nur auf Antrag der Versammlung zulässig sein solle, welche die Anklage beschlossen hgt; sondern muß vielmehr auch für die im Abschnitte 1, 1—3 aufgestellten Fälle einer Möglich keit der Rehabilitirung vorgesehen werden; und wird in Vorschlag gebracht, statt |

,, „der Versammluig, welche die Anklage beschlossen hat“ ‘‘ seßen zu wollen : i

einer ständischen Versammlung, zu welcher der Angeklagte gehört

hat oder seinen Verhältnissen nah angehören würde.

Ferner dürfte, auf Grund der bei Abschnitt 11], vertretenen be- züglichen Ansicht, hinter „Ausschließung ‘/““ einzuschalten fein : oder Entsagung. “‘

Nachdem aber im §. I, beschlossen worden is, daß die Passus 2 und 3 wegfallen sollen, so erledigt sich diese Bemerkung der Ab= theilung. : Die Einschaltung i der Zustimmung der hohen Versammlung zu empfehlen, um der „Entsagung“ gleiche Rechte der Rehabilitirung zu geben, denn es kann Jemand mehr bescholten sein, der freiwillig entsagt hat, als Jemand, der durch das Urtheil seiner Standesge= nossen ausgeschlossen worden ist. E M

Marschall: Würde gegen diesen Zusaß etwas zu erinnern sein ?

Mehrere Stimmen: Nein, es is nur andere Fassung.

Marschall: Wir sprechen also über beide Paragraphen.

Abgeordn. Mevissen: Schon bei der allgemeinen Diskussion, meine Herren, habe ih mir erlaubt, zu bemerken, daß es feststehen- der Grundsaß des Kriminalrechts is, daß im Laufe der Zeit si die Individuen in ihrem Junern umbilden, daß sie nicht dieselben blei= ben, sondern geistig andere werden, Nur auf die härtesten Ver- brechen seßt das Kriminalrecht den bürgerlihen Tod. Wollen Sie hier dasselbe thun, wollen Sie eine gleiche Strafe aussprechen, wo Sie die That an gar keine festen Kriterien gebunden haben? Jh glaube, es wird Jhrem Gefühle für Recht, für Gerechtigkeit mehr Ehre machen, wenn Sie diese innere Umbildung der Personen auch in diesem Gesebe anerkennen. Jh glaube, wenn Sie Jhr Urtheil an 10jährige Frist binden, so haben Sie Jhrem Gewissen völlig ge- nügt, so haben Sie dem Lande die Garantie mehr wie genügend geboten, die es für die Ehre seiner Vertreter bedarf. Ich trage darauf an, daß im §. IV. eine 10jährige Frist eingeschaltet werde. (Gemurre in der Versammlung.) -

Marschall: Es fragt sich, ob das Amendement Unterstüßung indet. | Abgeordn. Mevissen: Jch komme jeßt zu §. V. Der §. V. weicht nah meiner Ansicht von dem Prinzip, was dem Gescß - Ent- wurf im Ganzen zu Grunde liegt, gänzlich ab. Wenn die Standeè- genossen ausscließlih Richter in eigenen Angelegenheiten sein sollen, so darf durch §. V. kein fremdes Element in diese Befugniß einge- mischt werden. So bald die Standesgenossen erkennen, daß ihr Ur- theil ein unrichtiges gewesen, so müssen sie das Recht haben, ihr Urtheil umzuändern, es zu kassirenz sie müssen jederzeit dic Rehabi- litirung aussprehen können. Jn Anerkennung diejes Grundsabes möchte ih §. V. so gefaßt wissen: „Jede Versammlung, welche die Anklage oder Verurtheilung beschlossen hat , fann zu jeder Zeit die Rehabilitirung des Angeklagten oder Verurtheilten aussprechen“.

(Mehrere Stimmen ae HIOR das Amendement unterstüßt

oder überhaupt angemeldet

Mar fall E gefragt wird, ob dasselbe angemeldet sei, \so muß ich sagen, daß der Dert Redner in seinem allgemeinen Vor- trage allerdings darauf hingewiesen hat, und ih fand fein Bedenken, die Versammiung zu fragen, ob sie diese Amendements unterstüßt. Das erste Amendement schien keine Unterstüßung zu finden.

Eine Stimme: Zum Verständniß glaube ich bemerken zu müssen, daß dies eine Abänderung des §. IV. ist,

Secretair von Patow: Es würde also nah 10 Jahren der Mann von selbs wieder ehrlich?

Marschall: Wird dieses Amendement unterstüßt? Es hat die Unterstüßung von etwas ‘mehr als 24 Stimmen.

(Ruf: Abstimmung! Abstimmung!)

Abgeordn. Mild e: Dies iffst das erste Amendement. Dagegen ist das zweite noch nicht gestellt. ;

Marschall: Jch aue dieses Amendement auch soglei zur Abstimmung. Jh bitte, daß diejenigen, welche es angenommen zu schen wünschen, aufstehen. Es ist mit großer Majorität abgelehnt.

Das zweite Amendement bitte ih nochmals vorzutragen.

(Abgeordn. Mevissen bewirkt dieses, st. o.)

Marschall: Wird dieses andere Amendement unterstüßt? Es erlangt hinreihende Unterstüßung.

Es fommt also zur Diskussion.

Landtags-Kommissar: Jch erlaube mir hierauf die Bez merkung, daß die durch rechtskräftiges richterlihes Erkenntniß abge= \sprochenen Chren nicht anders, als durch die Begnadigung Sr. Ma= jestät des Königs hergestellt werden können.

Jeder Einzelne, und sei er der Niedrigste im Volke, der die Natio= nal-Kokarde verloren hat, kann nur durch spezielle Bestimmung Sr. Majestät rehabilitirt werden. Sollte die vorgeschlagene Ausnahme beliebt werden, so würde die hohe Versammlung das ständische Ur= theil niedriger stellen, als das der Gerichtshöfe. Jch glaube nicht, daß dieses in der Absicht liegt; läge es aber in der Absicht, so glaube ih von unserem Standpunkte aus die Prärogative der Krone dahin wahren zu müssen, daß, wenn Jemand durch rechtskräftiges Erkennt= niß, sei es durch die Gerichte] oder dur die Stände-Versammlungen, welche Se. Königl, Majestät für diesen Fall als gleihberechtigt mit den Gerichten anerkannt haben, entehrt ist, eine Aufhebung der Strafe nur erfolgen könne aus der Quelle, welche die alleinige Quelle der Gnaden bei uns ist. j :

Jn Folge lauten Rufes nah Abstimmung findet sich der Herr Marschall veranlaßt, die Versammlung zu fragen, ob dieser Ruf nah Abstimmung dur 24 Mitglieder unterstüßt wird?

(Geschieht sehr zahlreich.) Es bitten Mehrere ums Wort. ; :

Marschall: Wenn ih Jhnen das Wort geben soll, so muß ih Anderen auch noch das Wort geben, j

Abgeordn. von Bardeleben: Jh habe zu bemerken, daß dieser Gegenstand noch gar nicht debattirt worden ijt. :

Marschall: Jch gebe aus diesem Grunde nach und bitte, daß si diejenigen Redner melden, welche sich hierüber vernehmen lassen wollen. | : i (Der Ruf: Abstimmung! wird dringender, und die Unruhe in der

Versammlung nimmt zu, \o bad sih der Herr Landtags-Mar=-

schall mehreremale der Glocke bedienen muß.)

Eine Stimme: Es is ja auf Abstimmung angetragen.

Marschall: Jch habe blos gefragt, ob der Antrag unter- üßt wird. Dies war keine Abstimmung; diese bleibt noch zu veran ssen. Jch ertheile jeßt dem Abgeordneten von Werdeck das Wort.

Abgeordn. von Werdeck: Die Anträge des Abgeordneten sind gestellt in Hinsicht der Erweiterung der ständischen Prärogative. Jch glaube aber, daß man gerade in ständische Prärogative eingrei- fen würde, wenn man den Antrag annähme. Die Sache liegt o, wie der Herr Landtags-Kommissar in Erinnerung gebracht hat. Jn allen Fällen steht Sr. Majestät das Begnadigungsrecht ¿l Ss folgt daraus, daß, wenn Se. Majestät von dieser Prärogative will Gebrauch machen, es jederzeit ihm freisteht, Wenn heute die Stände- Versammlung Jemanden ausschlösse, o fönnte Se, Majestät dinses Mitglied rehabilitiren. §. V. enthält die Entsagung dieser Prâro- gative zu Gunsten eines Standes, und wix sind im eigenen wohl- verstandenen Interesse niht im Stande, nur etwas an Artikel V, u ändern. Jch stimme für unveränderte Annahme dieses Artikels,

Abgeordn. Hansemann: Es handelt sich im vorliegenden Falle niht von der Königlichen Prärogative, auch nicht von dem Königlichen Begnadigungsrehte in dem Falle von wirklichen Verur= theilungen; bedenken Sie, meine Herren, daß es sih hier nur um den Ausspruch eines ständischen CEhrengerichtes handelt, nicht von einem Gerichte, welhes über ein bestimmtes Verbrechen, ein bestimm= tes Strafurtheil abzugeben hat, sondern es handelt sih nur von dem Ausspruche der Genossen, welcher sagt: Du kannst jeßt nicht mehr unter uns sein, Du kannst Deines Standes Ehrenrechte jeßt nicht wahrnehmen. Das ist ein großer Unterschied, und wir sind vollkommen in unserer Befugniß, wenn wir uns darüber ausdrücken, ob nach unserer Ansicht die Stände das Recht behalte "ollen, ohne Einwirkung der Regierung das Ehrenrecht, was sie genommen haben, auch wiedergeben zu können. : :

Abgeordn. Steinbeck: Herr Landtags-Marschall! Es wird P vielfa und mit vollstem Rechte in Anspruch genommen, daß einem

olke nihts Schöneres und Edleres verliehen werden könne, als das Recht, seine Genossen, seine Mitglieder für würdig oder unwür= dig zu erklären, ihm anzugehören. Dieses erhabene Recht hat Se. Majestät der König uns zugesprochen, und, dies erhabene Recht aus= übend, stehen wir höher, wie jedes einzelne Gericht. Das einzelne Gericht muß nah dem Buchstaben erkennen; wir erkennen in den Gränzen, die das Geseß uns vorzeichnet, nah unserem Gewissen, nah unserer innersten Ueberzeugung, wir bilden ein wahrhastes

Gottesgericht. (Heiterkeit)

Und diesem Gerichte is in §. 5 des Gesebes die schöne Befugniß beigelegt worden, daß seine Aus\sprüche feststehen müssen, wie die Aussprüche eines Gottesgerichts ; niht willkürlich, bald zu verurthei- len, bald L A N bald zu widerrufen, was man erst ausge= sprochen hat, nein, jondern festzuhalten an dem, was anerkannt wor= den is durch das Gewissen, aus dem Jnnersten der Seele, aus der gebietendsten Ueberzeugung, das ist es, was der Paragraph nus z1 sichert. Mögen Personen wechseln, mögen Parteien und Parteiun= gen verschieden sein, immer bleibt die Wahrheit sich gleichz k Wahrheit aber ist das, was aus dem Junersten fließt. Doch üb: den Wechsel is eine Gewalt höher, als jede andere, das ist die Ge= walt der Ordnung, und sie kann nur in den Händen des Monarchen liegen, wo eine monarchishe Verfassung waltet. Daß sie bei uns waltet, das danken wir Gott, und halten wir die Rechte der Kro fest, wie unsere eigenen. Daß der Wechsel nicht schade, dafür forc dieser Paragraph, indem er eine Macht bietet, die, von den Ver= sammlungen ausgeübt, dann doch auch gemißbraucht werden kann, von dem Monarchen aber ausgeübt, der über dem Volke und mit dem Volke waltet, nux zum Besten dienen darf. Die Macht der Begnadigung, sie sei uns heilig! Jch vertheidige den Paragraphen. Eine Stimme: Bravo: a; l Abgeordn. von Bonin: Jch halte den Abänderungs-Vorschlag für den Geseßen widersprehend und daneben auch für unpraktisch. Er widerspricht den Geseßen in Bezichung darauf, daß ein einmal rechtskräftig festgestelltes Urtheil niemals durch eine Versammlung wieder aufgehoben werden, sondern nur im Wege der Begnadigung von Sr. Majestät dem Könige beseitigt werden könne, Er ist aber auh durchaus unpraktish, und er würde uns “in die Lage bringen, daß die von einer ständischen Versammlung ausgesprochene Beschol= tenheit eines Angeklagten sofort durch eine niedere ständische Ver= sammlung wieder ausgehoben werden könnte, wenn es ihr genehm wäre, mit der höheren Entscheidung sih nit einverstanden zu erflä- ren. Jch muß mich entschieden gegen den Abänderungs-Vorschlag

aussprechen.

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(Ruf zur Abstimmung von mehreren Seiten.) j s Erste Beilage-

' Umfange wahren zu wollen,

E 129.

673

Erste Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

Montag den 10» Mgi.

Marschall: Jebt scheint mix doch die Versammlung allge- mein die Abstimmung zu wünschen; kommt also nun das Ämende- ment des Abgeordneten Mevissen zur Abstimmung? Es wolle der Abgearoneie selbs sein Amendement noch einmal ‘vortragen, (Dies Ae t)

G 9 it Ausschluß. der Allerhöchsten Bestätigung also.

Abgeordn. von Bardeleben: Jch bitte ums Wort.

u i (Vielfacher, lauter Ruf zur Abstimmung.)

Ih bitte ums Wort nur in Bezug auf die Fragestellung selbst. __ Die grrage zerfallt in zwei Theile. Jch möchte mih ganz ent- schieden für das Vorrecht der Krone erklären, aber außerdem würde ih mi entschieden gegen die 5 Jahre erklären; es läßt si also nicht gus Beides in eine Frage zusammenbringen.

Marschall: Jch will also die Frage in zwei Theile spalten und die erste Frage so stellen, ob es der betreffenden Versammlung niht etwa nah 5 Jahren, sondern jeden Augenbli zustehen solle, eine solche Rehabilitation wieder eintreten zu lassen. Diejenigen welche das Amendement annehmen wollen, bitte ih aufzustehen.

(Wird durch überwiegende Majorität abgelehnt.)

Das zweite Amendement besteht darin, daß die Allerhöchste Be= stätigung nicht erforderlich sein solle. Jh bitte die Herren, die die ses Amendement annehmen wollen, aufzustehen, i

(Es erhebt sich nur eine Stimme dafür.)

Der Paragraph schreibt noch vor, daß, wenn eine folhe Ver sammlung nah 5 Jahren beschließt, demjenigen, der seine Ehren haftigkeit verloren hat, sie wiederzugeben, dieselbe darauf antragen kann, daß Se. Majestät der König dies auszusprechen habe; das Amende ment aber geht dahin, daß diese Machtvollkommenheit in die Ver=- sammlung allein gestellt werden solle, Die dem Amendement V treten, bitte ich aufzustehen.

(Das Amendement wird mit großer Majorität verworfen.)

Abgeordn. Freiherr von Gudenau: Jh wollte mir auch noch ein Amendement erlauben: Wir haben bei dem ganzen Gesetz- Entwurfe überall, wo eine bestimmte Majorität erforderli war, die absolute Mehrheit angenommen; ih behaupte daher, daß auch in F. 5 die Majorität von 5 wegfallen und die Abstimmung durch die einfache Majorität stattfinden müsse. ] :

Viele Stimmen: Ja!

Marsch all: Verlangt Jemand das Wort hierüber? Aus den sich kundgebenden Aeußerungen glaube ih annehmen zu können daß das Amendement unterstüßt wird; ich werde also sogleich Ur Ab= stimmung über dasselbe vorschreiten. Soll das Amendement an- genommen werden, daß nicht 2 der Stimmen, s\oudern die Mator tât hinreichend sei? B ne 5 der Stimmen, sondern die Majori=

G (Wird mit großer Majorität angenommen.)

Ich kann wohl nunmehr vorausseßen, daß mit diesem leßten Amendement die beiden §8. 4 und 5 angenommen werden, weun Nie- mand dagegen sich erklärt. : l

U (Es erklärt sich Niemand dagegen.)

Wir fommen nun zum §. VI, E Referent Graf St och: §. VI, lautet: „Die ständischen Rechte ruhen : i :

1) iín allen den Fällen, in welchen das Bürgerrecht oder Gemein= dereht ruhen; , :

2) wenn eine Kuratel- oder Kriminal-Untersuchung eingeleitet ist ;

3) wenn eine ständische Versammlung nah Nr. 11], den Beschluß gefaßt hat, das Verfahren eintreten zu lassen, bis ein rechts= kräftiger Ausspruch ergangen ist.“

Die Abtheilung hat sih für diese Bestimmungen ausgesprochen und sagt hierüber :

„Abschnitt VI. handelt von den Fällen, in welchen die Ausübung ständischer Rechte ruhen soll, und tritt diese Suspension ein: i

1) wenn das Bürgerrecht ruht.

Keinenfalls wäre es zu rechtfertigen, wenn Jemand vom Bür= ger- (G inde =) Rechte, wenn auch nur zeitweise, ausgeschlossen worden, demselben das Recht einzuräumen, höhere ständishe Rechte während dieser Zeit auszuübenz und scheint demzufolge diese Bestim- mung zweifellos. : A

2) wenn eine Kuratel - oder Kriminal-Untersuchung eingeleitet ist.

Als zweifelhafte Frage erscheint: ob schon die Einleitung einer jeden Kriminal=- Untersuchung die Suspension ständischer Rechte begrün- den solle; oder ob solche nicht vielmehr nur dann eintreten dürfe, wenn wegen eines Verbrechens, worauf eine ehrenrührige Strafe steht, von einer ständishen Versammlung auszuschließen sei? Der Entwurf hat die erste Alternative vorgezogen, weil schon nah der revidirten Städte-Ordnung vom 17. Mai 1831 §. 23, nach der Landgemeinde- Ordnung für Westfalen vom 31. Oktober 1841 §. 47 und nach der rheinishen Gemeinde -ODrdnung vom 23. Juli 1845 §,. 40 die Einleitung einer jeden Kriminal=Untersuchung jederzeit das Ruhen des Bürger- (Gemeinde=-) Rechtes nach sih ziehe, und wurde dieser Ansicht des Entwurfs desto unbedenklicher beigetreten, als es für ständische Versammlungen als peinlih und als ungeeignet gelten müsse, ein Mitglied in ihrer Mitte zu wissen, über dem Freiheits- und selbst Ehrenstrafen s{chweben; es au für ständishe Versammlungen jeden- falls als entsprechend erscheinen will, sih bezüglich der Bescholtenheit eines Mitgliedes über derartige Eventualitäten stellen zu wollen.

3) wenn die ständische Versammlung ein förmliches Verfahren ein- geleitet hat.

Eine vorläufige Ausfchließung des in Untersuchung gezogenen Mitgliedes unterliegt um-so weniger einem Bedenken, als es eben die Aufgabe, wie der Jnhalt des Entwurfs is, die zweifellose Chren= haftigkeit der Mitgliedschast ständischer Versammlungen im vollsten

Hierbei is anzuführen, daß die in diesem Abschnitt beregte Sus= pension sih von einer Ausschließung dadurch wesentlich unterscheide, als bei ersterer nur der Stellvertreter einberufen wird, das zeitherige Mandat demzufolge auch nux ruht, während bei leßterer eine neue Wahl eintreten muß und hiermit das Mandat erlischt.“

Abgeordn, Hansemann: Ad VI, mache ih folgendes Amen- dement: „Die ständischen Rechte ruhen während der Zeit, daß ein kompetentes Kriminalgericht wegen solcher Verbrechen, auf welche die unter T. 1a. und b, bezeichneten Strafen ausgesprochen werden kön- nen, die Untersuchung und zugleich Verhaftung des Angeschuldigten angeordnet hat.“ Es ist also nah meiner Ansicht nur dann das Ruhen der ständischen Rechte auszusprechen, wenn eine wirkliche Kri- minal- Untersuchung auf solhe Verbrechen, wegen welcher die ständi- hen Rechte entzogen werden, durch ein Kriminalgerichts -Urtel ein- getreten ist. Jh glaube, daß Sie dieses Amendement um \o mehr annehmen werden, als durch Ihren früheren Beschluß au schon die Bestimmung wegen des Bürger- oder Gemeinde=- Rechts eliminirt worden ist, und als sie nicht durch die Einleitung des ehrengericht- lichen Verfahrens , nämlich seitens der Stände , hon gewissermaßen das Strafurtel ausführen wollen; denn wenn Sie gleich das ständi= he Recht ruhen lassen, sobald von einer ständischen Versammlung die

sonst aufhört, nämlich mit der Bestrafung, und dies werden Sie nicht wollen.

Abgeordn. Milde: Jh wollte mir nur zwei Worte zur För- derung der Debatte erlauben. J glaube, um das Geschäft zu för- dern, möchten wir die einzelnen Pássus in der Reihe durhnehmen wie sie vorgeschlagen sind , also über 1, 2 und 3 nah einander de- battiren und abstimmen; sonst kommen wir nit zu Ende,

M arschall: Es ist ein Amendement eingebracht worden, welches den ganzen Paragraphen streichen und einen anderen an des- sen Stelle seben will, also ganz allgemeiner Art is. Jch frage, ob dieses Amendement Unterstüßung findet? Wird es angenommen so {ließt es alle ferneren Debatten aus. ;

(Das Amendement wird hinreichend unterstüßt.) ____Es wird nüßlih sein, das Amendement näher ins Auge zu sassen, und ih fragé, ob sich einige Redner darüber wollen hü- ren lassen, h __ Eine Stimme (vom Plate): nicht verstehen könuen. :

j _ (Der Secretair liest das Amendement vor.) Marschall: Es handelt si also davon, daß die ständischen Rechte ruhen sollen, wenn Jemand. eingesperrt ift, j

: (Gelächter.)

Abgeordn, von Bonin: Es is hier {hon wiederholt bervor- gehoben worden, daß das Amendement seine Erledigung in si selbst sindet, weil derjenige, welcher zur Haft gebraht worden ist, natürli cherweise an feiner ständischen Versammlung Theil nehmen kann; ich habe mir aber gleich bei Einführung des Geseß-Entwurfs den Vor- chlag erlaubt, den §. 6 von den übrigen Bestimmungen, die in den C bis 5 enthalten waren, scharf zu trennen, weil ich glaube, in Uebereinstimmung mit einem großen Theile der Versammlung anneh- men zu dürfen, daß die Dispositionen des §. 6 unmöglich gleichmä- ßig aufgefaßt werden können mit den Dispositionen der §§. 1 bis 5, n den Bestimmungen, die in den §§. 1 bis 5 abgehandelt werden, ist stets nur von entschieden bescholtenen Personen gesprochen worden, hier aber wird von Verhältnissen gesprochen, in denen sich Personen befinden fönnen, ohne daß man deshalb annehmen muß, daß ihre Be- scholtenheit schon ausgesprochen sei. Sofern die hohe Versammlung dieser Ansicht beitritt, gewönnen die Dispositionen dieses Paragra- phen ein ganz anderes Ansehen. Es scheint mir ziemli nahe zu lie- gen, daß Jemand wegen eines Verhältnisses, das ihm nicht seine Ehre entzieht, ihn aber doch von Ausübung des Bürgerrehts aus=

schließt, noch keinesweges als bescholten anzusehen is; aber eben so bestimmt scheint es mir, daß, so lange Jemand das Bürgerrecht nicht exerzieren fann, er auch niht im Sande ist, ständische Rechte zu exer= zieren; sie sind ihm aber deshalb nicht entzogen , sondern sie werden nur so lange von ihm nicht exerziert, als er die bürgerlichen Rechte nicht exerzieren kann. Deshalb würde ih mich dafür erklären, daß die erste Bestimmung, daß die ständischen Rechte ruhen sollen in al- len den Fällen, in welchen tie Bürgerrechte oder die Gemeinderechte ruhen, wie es im Paragraphen vorgeschlagen is, beibehalten werde. Darf ih nun in Beziehung auf die anderen Bestimmungen weiter sprechen? Dieselben Gründe bestimmen mich in Bezug auf die an= deren Nummern sub 2 und 3, Jch räume ein, daß Jemand in cine Kriminal-Untersuchung verwidckelt werden kann, ohne daß er durch die Einleitung der Untersuhung an seiner Ehre eine Kränkung erleidet, auf der anderen Seite aber ist nicht in Abrede zu stellen, daß, \o lange niht durch ein Erkenntniß festgestellt i, daß man keine Ehrenkränkung erlitten hat, man guch niht bei Ausübung ständischer Rechte thätig sein kann, die eine unbedingte Uzbescholten= heit erfordert. Jch bin daher der Meinung, daß, wenn dur mei= nen Abänderungs-Vörschlag überall die Ehrenhaftigkeit der Personen, die hier bezeichnet sind, noch) nicht in Frage gestellt wird, man ebetnt= falls die Bestimmung sub 2 beibehalten kann. Dasselbe findet in Beziehung auf Nr. 3 statt. Durch Einleitung des Verfahrens, was nach Nr. 3 rüsihtlich der Ehrenhaftigkeit des Mitgliedes einer sttän- dischen Versamnlung eingeleitet werden darf, ist noch keine?weges der Mangel der Ehrenhasftigkeit ausgesprochen ; das wird erst das Resultat der Untersuchung ergeben. Eben so muß ih auch für diese Bestimmung verlangen , daß, so lange ein solches Verfahren einge-= leitet is und besteht, die Ausübung des ständischen Rechtes nicht ge= stattet werden und erst wieder eintreten kann, wenn dur die Ent- \heidung der kompetenten ständischen Versammlung die Ehrenhaftig= feit anerkannt worden is. Das is der Antrag, den ih gleih an- fangs gestellt und heute wiederholt inotivmt habe,

Marschall: Die Abänderung besteht darin, daß im Eingange des Paragraphen, wo es heißt: „Die ständischen Rechte ruhen““, es heißen soll: „Die Ausübung der ständischen Rechte ruht zeitweise.“ Landtags-Kommisjar: Jh glaube, daß der gestellte An- trag etwas weiter geht, als er eben definirt worden ist, Er geht nämlich dahin, im Gesebe ausdrücklich zu bezeihnen, daß diejemgen Personen, welche unter VI. subsumirt sind, noch nicht bescholten seien. Nach der Ueberschrift des Gesehes heißt es: „Entwurf einer Verord= nung, betreffend die Ausschließung bescholtener Personen von ständi- hen Versammlungen“, und daraus würde allerdings hervorgehen, daß auch diejenigen, deren ständische Rechte nur ruhen, schon deshalb als bescholten anzusehen seien. Da dies aber keinesweges bei dem Entwurfe des Gesebes in der Absicht gelegen hat, so stimme ih dem verehrten Redner vollkommen dahin bei, daß es eine wesentliche wenn au nur formelle Verbesserung des Geseß=-=Entwurfs ist, wenn sowohl dur die Ueberschrift, als durch die Stellung ausdrüdck- lih bezeichnet wird, daß das bloße Ruhen der ständischen Rechte noch feine Bescholtenheit einschließe. Jch glaube aber, daß es sich eigentlich nur um eine wesentlihe Verbesserung der Fassung handelt, zu der das Gouvernement mit Freuden die Hand bieten wird. Abgeordn. Gier: Das is eine Bemerkung, die allerdings zu Protokoll zu nehmen is ; es ist aber eine Sache- der Redaction, Marschall: Es sind noch andere Amendements eingegangen. Abgeordn. von Werdeck: Jch bin vollkommen damit einver=- standen, daß Personen, gegen welche eine Kriminal-Untersuchung we= gen entehrender Verbrechen eingeleitet worden is, so lange in unserer Versammlung nicht geduldet werden dürfen , bis es entschieden ift, daß sie unschuldig sind. Es gründet sih das darauf, daß der Ein- leitung der Untersuchung eine Voruntersuchung vorhergehen muß. Jch glaube aber, daß diese Wirkung sich auch nur auf Verbrechen er= strecken dürfe, die die Folgen haben, daß überhaupt die ständischen Rechte aberkannt werden können, und hierauf gründet sich der Vor- {lag, hinter dem Worte : „Kriminal =- Untersuchung“ einzuschalten: „wegen eines Verbrechens, das die unter 1, 1 a und b vorgesehenen Folgen nah sich zieht.“ /

Abgeordn. Sommerbrodt: Es is hier im §. VI. Nr. 1 gesagt: die ständischen Rechte ruhen, wenn das Bürgerrecht ruht ; eine \solhe Bestimmung kennt aber die alte Städte-Ordnung, die ih aus vollem Herzen auch die gute nennen will, weil es meine Ueber= zeugung is und ih sie als den Grundpfeiler unseres freien, selbst-

Jch habe das Amendement

Anklage ausgesprochen worden ist, \o fangen Sie damit an, womit man

ständigen Bürgerthums betrachte, gar nicht, Die neue Städte-Ord=-

L E

nung und die rheinische, die auch nur allein in der Denkschrift zu diesem Geseß erwähnt sind, sprechen aus, daß, wenn Jemand in Kri= minal - Untersuchung sich befindet, das Bürgerreht ruht , die alte Städte - Ordnung macht es davon abhängig, ob die städtischen Be- hörden ihm alsdann die Ehrenrechte entziehen wollen; sie hat feinen Paragraphen, welcher ausspricht , daß bei demjenigen, der sich in eí= ner Kriminal - Untersuchung befindet, die bürgerlihen Rechte ruhen müssen. Jch fürchte, daß, weun dieser Passus so, wie hier, stehen bleiben sollte, es leiht möglich wäre, daß das Gouvernement ihn als eine Ergän= zung der alten Städte - Ordnung in vorkommenden Fällen ansehen fönnte, dadur also wieder ein Theil unserer Selbstständigkeit verlo=- ren ginge, und wenn irgend ein Abgeordneter durch einen willfähri= gen Denunzianten, deren wir leider genug haben, wegen Verleihung cines verbotenen Buches oder wegen einer frei ausgesprochenen poli= tischen Ansicht in eine Kriminal - Untersuchung verwickelt würde, das Gouvernement auf Grund dieses Passus dann behaupten könnte, daß die Ehren - Bürgerrechte desselben ruhen und er deshalb auch nicht zum Landtage einberufen werden könne, Die Städte-Ordnung sagt aber, es hängt von dem Beschlusse des Magistrats und der Stadt- verorducten ab, ob einer solhen Person die Ehrenrechte entzogen werden sollen, und ih möchte behaupten, daß es Fälle geben wird, wo Magistrat und Stadtverordnete wegen einer politischen Untersu- hung die Ehreurechte nicht eher entziehen werden, bis wirklich aus= gesprochen is, ob die fraglihe Person ein Verbrehen begangen hat. Ich muß daher, wenn der Passus stechen bleiben sollte, den Antrag stellen, daß der Zusaß gemacht werde: „die ständischen Rechte ruhen in allen den Fällen, in welhen das Bürger= oder Gemeinde = Recht ruht, oder in denen, mit der alten Städte-Ordnung beliehenen Städten, wenn durch einen geseßmäßig gefaßten Beschluß des Ma- gistrats und der Stadtverordneten eine zeitweise Entziehung der Eh= renrechte stattgefunden hat.

Abgeordn. Zimmermann: Es sind mix wesentliche Bedenken gegen den Artikel VI, aufgestoßen; ih erlaube mir, dieselben zur Sprache zu bringen und zu einer Erwägung zu empfehlen. Jch will mein Amendement voranschicken, um sogleich übersehen zu lassen, zu welchem Resultate meine Bedenken führen sollen. Jch schlage vor: den Artikel VI. \o zu fassen :

„„Junwieweit die ständischen Rechte ruhen 1) in allen den Fällen, in welchen das Bürgerrecht oder das Gemeinderecht ; 2) wenn eine Kuratel oder eine Kriminal - Untersuchung eingeleitet ist; 3) wenn eine ständische Versammlung nah Nr. 11. den Beschluß gefaßt hat, das Verfahren eintreten zu lassen, bis ein rechtskräftiger Ausspruch ergangen is, hat diejenige ständische Versammlung zu besinden, de= ren Mitgliedschaft beansprucht wird.“

Das wichtigste Bedenken scheint mir in dem Punkte zu liegen, daß die ständischen Rechte ruhen sollen, wenn eine Kriminal =Unter=

suchung eingeleitet worden ist. Es is} bereits an diejer Stelle er= wähnt worden, daß es cine Berücksichtigung verdiene, wenn etwa Uebergrife des Gouvernements zu fürchten sein möchten. Diesen Grund möchte ich für durchgreifend niht erkennen, ich finde ihn wi- derlegt durch die Vorlage dieses Geseßz=Entwurfs und widerlegt durch das Erscheinen der Herren Departements = Chefs, die ihre Bereitwil- ligkeit erflärt haben, Auskunft zu geben über Alles, wo eine solche gewünscht wird; aber ih finde ein Bedenken darin, daß, während die Kriminal - Untersuchung eingeleitet is, die ständischen Rechte ruhen sollen, wenn ih darauf zurückkomme, welche Formalitäten die Krimi= nalordnung vorschreibt bei Einleitung einer Untersuhung. Es fehlt in derselben ganz und gar an festen Bestimmungen, unter welchen Modalitäten, unter welhen Vorausseßungen und Formen eine Unter= suchung für eingeleitet zu erachten ist; es sind keine Grundsäße aus- gesprochen, ja, nicht einmal angegeben, ob und wann dei Richter er- Élären solle, die Untersuchung sei eingeleitet; es liegt daher ganz in der subjectiven Beurtheilung des Richters, zu erklären, ob eine Un-

tersuhung als eingeleitet anzusehen sei oder nicht, und hierin

finde ih eine Gefahr, wenn ausgesprochen wird, daß die

ständischen Rechte während einer Kriminal - Untersuchung ruhen.

Abgeschen aber davou, liegt in dieser Bestimmung auch die An=

ordnung, daß die ständishen Rechte ruhen sollen bei allen Ver=

brehen und Vergehungen, dre Kriminal-Untersuchungen zur Folge ha=

ben. Jch erlaube mir, darauf aufmerksam zu machen, daß viele Fälle

vorkommen, wo der Richter genöthigt is, eine Kriminal-Untersuchung

einzuleiten über Handlungen, die nicht ehrenrührig sind, z. B. bei

Vergehen, die aus Fahrlässigkeit und Unvorsichtigkeit begangen sind,

bei der Untersuchung, die ein Duell zur Folge hat, kurz, alle uicht

ehrenrührige Vergehen würden die Folge haben, daß die ständischen

Rechte niht ausgeübt werden könnten. Ferner mache ih darguf auf-

merksam, daß nah der Kriminal- Ordnung Jeder eine Denunciation

anbringen kann z aber sie giebt für den Richter keine bestimmten Vor=

schriften, welche Gestalt diese Denunciation haben muß. Sobald

nur Jemand eine Denunciation anbringt, die mit Beweismitteln un=

terstüßt is, so is nach dem gewöhnlichen Verfahren der Richter in

der Negel verpflichtet , die Untersuchung einzuleiten. Jch finde das Juteresse der Stände gefährdet, wenn einem einzelnen Böswilligen überlassen sein soll, die ständischen Rechte durch das Anbringen einer Denunciation zu beeinträchtigen, Es is} mir entgegnet worden und auch im Gutachten erwähnt, daß man darin einen Schuß finden fönne, daß wissentlich falshe Denunciationen bestraft werden; was hilft es aber, wenn man schon dadurch, daß man die ständischen Rechte nicht ausüben darf während der Zeit, daß die Untersuchung \{chwebt, bestraft ist.

Ferner \pricht der Artikel 6 aus, daß, wenn eine ständische Ver- sammlung den Beschluß gefaßt hat, das Verfahren eintreten zu las= sen, auch die ständischen Rechte so lange ruhen sollen, bis ein rehts- fräftiger Ausspruch ergangen i. Jch erlaube mir, darauf aufmert- sam zu machen, daß auch ein Appellations = uud Aggravationsver- fahren noch angemessen erachtet worden ist, daß also die Zeit, wäh- rend welcher die ständishen Rechte ruhen sollen, auf Jahre sich ausdehnen könne, wenigstens nah den Grundsäßen, wie jebt die Versammlungen zusammentreten. Endlich bitte ih, zu erwägen, daß fonsequenterweise das Ruhen der ständischen Rehte au die Folge haben muß, daß die übrigen Vorrechte der Standschaft gleichfalls ru-

hen, daß, wenn gegen Einen eine begründete Denunciation angebracht worden is, von demselben niht mehr das Recht des D'OTIaN und

der Jurisdiction, niht mehr das Recht der Polizei - Verwal

tung ausgeübt werden darf, daß also alêdann diese Rechte in andere Hände übergehen. _ Alle diese Punkte scheinen mir von so großer Erheblichkeit, daß ih im Allgemeinen den Grund= sab, -der im Artikel VI. ausgesprochen ist, nicht beitreten kann. Jch inde nur darin eine Garantie gegen mögliche Uebergriffe, wenn der- enigen ständischen Versammlung die Befugniß beigelegt wird, zu et= fláren, daß die ständischen Rechte ruhen, deren Mit lied\shaft beau- sprucht wird. Gegen eine solche Maßregel findet sich au kein Hin-

dernißz in den Fällen, wo eine ständische Versamm ung auszu prechen hat, ob eine Untersuchun überhaupt einzuleiten sei oder nicht; bei

dieser Gelegenheit kann die Versammlung die Frage füglich mit erx-