1847 / 131 p. 4 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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kannt gemacht haben, sondern auch die Verhandlungen, die in der an- deren Kurie bereits stattgefunden, zu ihrer Kenntniß gebracht haben. Jh werde also so wenig als möglich wiederholen, glaube aber, daß es nit überflüssig ist, in einem gedrängten Bilde die Haupt- punkte, auf die es hier ankommt, und zugleich auf einige der Folgen aufmerksam zu machen, die unausbleiblich eintreten würden, wenn man einzelne Milderungs-Vorschläge oder Bedenken annähme. Es is schon bei den früheren Verhandlungen zur Sprache gekommen, wie bedenk- lih es wäre, in einer Nation, unter einem Könige und in cinem Ge- fühle doppelte Prinzipien der Ehre zuzulassen. Man hat sich immer davon entfernt halten zu müssen geglaubt, und es besteht in der That ein praftisher Gebrau, wenn auch stillschweigend, der das Urtheil der anderen Stände, wenn es bis zur Höhe einer förmlichen Aussto= ßung gekommen ist, vollständig anerkenut. Es is möglich, daß bei jungen Leuten, mîít geringem Einkommen, denen aber ungeshwächte Lebenslust in ihren Adern wallt, leichtere Begriffe über eingegangene Verbindlichkeiten und über das Schuldenmachen vorwalten können, während der Handelsstand mit Recht ein großes Gewicht darauf legt, daß die Nichterfüllung eines solchen Versprechens, wenn es einmal eingegangen ist, cinen Mann unfähig macht, bürgerliche Ehren zu be- Fleiden, Jch habe nie gehört, daß man einen solchen ausgeshlossenen Mann von einem anderen Stande in einen, der vielleicht leichtere Be- griffe darüber haben könnte, aufnehmen würde. Außer diesem Be- denken einer doppelten Ehre, das die Nation im Auslande in einem zwiefahen Standpunkte darstellt, würde es auch noch die unausbleib- liche Folge haben, daß es eine gänzliche Revision unserer Kriegs-Ge- sebgebung zur Folge haben würde. Sollen wir z. B. dem Unteroffi- zier und dem Gemeinen die National- Kokarde und damit den Ju- begriff aller bürgerlichen Rechte absprehen und sie für höhere Stände in Anspruch behalten? Jch glaube nicht, daß das die Meinung sein fann. Es is ein Bedenken vielfach zur Sprache gekommen, daß in der Anwendung der Soldaten = Prinzipien oder der Soldaten - Ehre eine Härte liege, die für die anderen bürgerlichen Verhältnisse zu streng und zu nachtheilig wirkte. Wir wollen versuchen, auf diesem Wege die Grundsäße, nah denen bei den Ehrengerichten verhandelt wird, hier einer, wenn auch nur flüchtigen Prüfung zu unterwerfen, Daß absolute Feigheit wohl kein Beruf sein könnte, in einer ständi= \chen Versammlung zu sien, muß ih als angenommen vorausfseßen. Dagegen is aber gesagt worden, daß Mangel an Entschlossenheit noch

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nicht eine gänzliche Ehrlosigkeit herbeiführte. Das gebe ich zuz aber ein Mann, der den hohen Beruf übernommen hat, jein Vaterland zu vertheidigen, und der diesen Mangel in si fühlt, muß vorher den Abschied nehmen, und das kann er ohne Bedenken. Daß die Krimi-= nalstrafen, wo sie verhängt werden, nach den Geseßbüchern nicht mit der ständischen Ehre vereinbar sind, is, glaube ih, als angenommen anzusehen; aber dagegen könnte vielleicht noch für zwei Punkte, die ich mir erlauben will hier zusammenzudrängen, noch einiges Bedenken über die zu große militairische Härte bei dem Entferneu aus dem Nilitairstande zur Sprache kommen und berihtigt werden.

Es ist z. B. der eine Punkt JIrotz und muthwilliges Uebertreten ge- gen die bestehenden Gesebe. Jch glaube, daß allerdings {hon an und sür sich es feine lobenswerthe Eigenschaft ist, welche einem Manne beiwohnt. Aber ich kann, leider möchte ih von der einen Seite \a= gen, glücklicherweise aber von der anderen, wenigstens hier für diese Debatte zwei Beispiele dafür anführen, wie richtig die Bestrafung des Entlassens und Entfernens angebracht wird. Man wird dadurch eine flare Uebersicht bekommen, nah welchen Prinzipien in den Ch- rengerihten gehandelt wird. Es hat vor wenigen Monaten das Schicksal zwei Offiziere eines Regimentes und leider noch dazu zwei Brüder getroffen, Der Eine ist entlassen, der Andere entfernt wor- den, Jh werde nur eine kurze Uebersicht ihrer Vergehen geben, muß aber auf die Entwickelung ihres vorhergehenden Lebens noch einen kurzen Blick werfen, weil es nicht ohne Einfluß auf die Urtelssprüche der Ehrengerichte bleiben fonnte.

Der Vater dieser beiden Offiziere war ein hohgeachteter, ehren- werther Mann, der sih von dem gemeinsten Soldaten bis zum Nitt- meister hinaufdiente und mit Ehrenzeichen, so wie mit Wunden ge- shmüdckt, aus dem Kriege kam. Er und seine Gattin starben bald, er hinterließ arm zwei Söhne und eine Tochter. Der verewigte König nahm si der Erziehung der Söhne im Kadettenhause an und gab der Tochter eine Unterstüßung. So kamen sie dur des Königs Em- porheben in das Regiment. Was ist nun geschehen, oder was hat die Entlassung oder den milderen Fall des einen von diesen Offizie- ren herbeigeführt? Nur ein paar Tage so daß es ein ungewöhn- lihes Zusammentreffen war vor der Juvasion, die man von Kur- nick aus in Posen machen wollte, meldete sich der eine dieser Offiz ziere frank. Es war aber feine bedeutende Krankheit, wie der Ver- folg meines Vortrages ergeben wird. Wie bei dem Einfall aus Kur- nick die Garnison zusammenberufen wird, kommt der Soldat, der sei- nem Offizier zur Bedienung zugegeben war. Der sagt: Herr Lieu- tenant! es ist Allarm geschlagen worden, ich muß auf den Allarm= plaß, und Sie werden wahrscheinlich auch hingehen. Dacauf sagt der Offizier: Nein! ih bin krank, und gehe nicht hin und Du mußt zur Aufwartung bei mir bleiben. Der Soldat hat aber ein rihtigeres Ehr=- und Pflichtgefühl ih muß es leider sagen wie der Lieu- tenant, Er nimmt die Patrontashe um und das Gewehr in die Hand nnd geht auf den Sammelplaß für das Bataillon in Posen. Nath einer kurzen Frist nimmt der ehemalige Lieutenant seinen Man=- tel um, geht bei dem Bataillon, wo seine Kameraden stehen, vorbei, ohne von ihnen Kenntniß zu nehmen, besucht seine Braut, bleibt da ein paar Stunden und geht auf diesem Wege wieder zu- rück. Dieser Mann i| aus dem Dienste entlassen worden und eut- behrt dadurch den Abschied und is des Rechtes auf die Benefizien, welche der Staat den gut gedienten Soldaten zuerkenut, verlustig li Ich glaube nicht, daß das eine übertriebene Härte ist.

er zweite dieser unglüdlichen Brüder steht an jenem Tage mit seinem Bataillon im Fort Winari. Als Allarm geschlagen wird, wollen Mehrere en ein ganz besonderes Benehmen an ihm bemerkt haben, was ih aber hier ruhen lasen muß, weil es von der großen Untersuhungs-Kommission noch besonders besprod 1 Æ H V E hen werden wird. Ich halte mich rein an das militairische Faktum. Er geht zu scinem Hauptmann hin und sagt: „Herr Hauptmann! ih habe ‘eine Schwe- ster in der Stadt, die wird si sehr ängstigen, erlauben Sie, daß ih in die Stadt gehe und sie tröste.“ Dex Hauptmann t es ihm ab, und nun wartet er den Augenblick ab, wo dex G Uto amin nicht da ist, und geht zu dem Kommandanten hin, Ex sagt zu ihm: „Jh habe eine Schwester, die wird sih bestimmt ängstigen, erlauben Sie, daß ih in die Stadt reib Der Oberst natürlich schlägt es ihm ab, und wenn man will, noch ein bishen härter, Hierauf geht jener zu dem Offiziere der Wache und sagt: „Jch habe den Befehl von dem Kommandanten, nah der Stadt zu gehen und Verstärkung nach dem Fort zu holen.“ Da läßt ihn der Öffizier ohne Bedenken hinaus und nun, anstatt nah der Stadt zu gehen, nimmt er einen dem Militair wohlbekannten, verbotenen Weg über ein unbeseßztes Festungswerk, über das Glacis, und geht nah einem Kirchhof, wo eine Menge Leute versammelt war, die, wenn das Unternehmen von Kurnick gelungen wäre, wie mit großer Wahrscheinlichkeit anzu- nehmen ist, N vielleicht auch thätig gezeigt hätte. Man hat diese Leute aus einander gehen sehen, und der Offizier kommt auf demselben verbotenen Wege über das Festungswerk zurück und wird da von

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einer Patrouille bemerkt und angehalten. Dieser is aus dem Offi- zierstande entfernt, und ih muß doch fragen, ob da eine überflüssige Härte zu entdecken is, J glaube, daß bei der Wichtigkeit einer halb dem Angriffe ausgeseßten Festung, wenn ein solches Benehmen dort vorgeht, die Strafe eigentlih niht zu hart ausgefallen ift.

Zch will nun zu einem Punkte übergehen, der au son viel- fah berührt worden ist, wenn auch nicht hier in dieser hohen Kurie, jo wenigstens doch \chon in der anderen, das ist der Zweikampf. Jh habe gar kein Bedenken, selbst wenn ih dem Vorurtheile auch einigemal unterlegen haben sollte, ihn für ein Vorurtheil zu erklären, Ich habe viele mit den höchsten Würden geshmüdckte Offiziere ge- kannt, die dur ¡hr ganzes Leben ihm nit unterlegen haben, und ih muß nur hinzufügen, daß es ein Vorurtheil i, was vielleicht mit Ausnahme der Türkei so ziemli in Europa eingebürgert ist, und daß der Gesetzgeber unter solhen Umständen doch auch dies Vorurtheil zuweilen berücksihtigen muß. Js aber in unserer Mili- tairgeseßgebung irgend eine Einrichtung, irgend eine Aufforderung zum Zweikampf, oder sind nicht Vorkfehrrngen getroffen, um den Zweikampf so viel als mögli zu vermindern, was in der That auch geschehen ist? Es wird der unausbleiblih mit Festungsstrafe belegt, welcher einen Zweikampf annimmt, ohne sich bei dem Éhrengerichte zu melden, Was sind die Pflichten eines Ehrengerihts? Es muß die Leute vorfordern, muß sie auf das Uebereilte in ihren Streitigkeiten aufmerksam machen, es muß den Sühneversuch fortseßen, ja ibn selbst bis auf den Ort des Zweifkampfes fortseßen. Auf diesem Wege ha- ben denn auch ih fann das wiederholen und mit Zahlen belegen, wenn es nothwendig is die Zweikämpfe bedeutend abgenommen. Jh gebe sehr gern der Ansicht Raum, daß es mit einem sehr ehren- haften Charakter verbunden sein fann, wenn man aus Grundsätzen, die vielleicht für den Kriegerstand niht passend sind, sich vor dem Duell scheut. Ju allen diesen Fällen wird es, wenn man diese Grund- säße hat ich muß es wiederholen besser sein, daß ein solches Individuum vorher den Abschied nehme. Aber wir wollen anneh- men, daß es Männer giebt, die im Gefühle ihrer Pflicht wissen, was sie für ihr Vaterland im Augenblicke des Krieges thun würden, und also einen solhen Fall abwarten. Bleibt dem Manne kein Ausweg übrig, in dem er, von einem anderen vor das Ehrengeriht geladen, sich do einigermaßen bewegen köunte? ih glaube, ja. Es fann ein jeder Zweikampf dnrch eine Ehrenerklärung, die vorher gegeben wird, vermieden werden, und da hat das Offiziercorps, so wie die höheren Befehlshaber, das Recht, den Zweikampf zu hintertreiben, Wenn also der Mann in diesem Falle sagte: „Es is wider meine Gewissensan- sicht, mich auf einen Zweikampf einzulassen; da ih aber die Gesetze des Standes ehre, so bin ih gern bereit, eine Erklärung zu geben, die den Mann zufriedenstellt‘“/, da wird die ganze Sache und die Besorgniß, daß man wider seinen Willen in einen Zweikampf ver- wickelt werden könnte, damit todt gemacht und niedergeschlagen. Aber versinulichen wir uns noch für einen Augenblick den Fall, wenn wir ein anderes Prinzip in dieser Hiusiht annehmen wollten. Jun den mehrsten Fällen erfordern die dienstlichen Rücksichten, daß die Strafe so schnell als möglih dem Verbrechen nachfolge. Dieses ist nicht al leín im Kriege, wo es noch dringender hervortritt, sondern auch im Frie- den schon nothwendig. Würde der Lieutenant, der einen Spaziergang auf den Kirhhof machte, noch länger im Offizierstande zu dulden ge- wesen sein? Er is aus dem Offizierstande entfernt worden, und zwar unter Königlicher Sanction. Wenn wir also noch eine andere Behörde konstituiren wollten, die dieses Urtheil removiren wollte, weil es zu hart wäre, würden wir daun nicht der Königlichen Würde j und dem Königlichen Ansehen eine indirekte Lehre geben wollen? So habe _ich wenigstens einige Urtheile, die ich früher hörte, ver- stehen müssen. Jch kaun also, insofern es mir gelungen i}, ein Bild von dem Benehmen und von der Praxis der Ehrengerichte und wie sie solhe anwenden, zu geben, nicht glauben, daß irgend etwas wäre, was dem Gewissen oder der Ehrenhaftigkeit in ihrem größten Um- fange ein Hinderniß sein fönute. Es fällt mir ein, daß von einem der verehrten Redner noch die Verschwiegenheit herausgehoben ist. Das i ein sehr ernstes, militairisches Vergehen, was auch in der That in anderen Ständen gefühlt werden könnte. Wenn nun der Lieutenant, der dur eine Unwahrheit sich den Auslaß aus dem Thore von Winari verschaffte, wirklich den Auftrag gehabt hätte, nah der Stadt zu gehen, wie er vorgegeben, und versteckt hinzugehen, und wenn er nun aus Unbesonnenheit und Schwaßhaftigkeit es Jemand erzählt hätte, der Mißbrauch davon gemacht hätte, wäre dies nicht ein großes, ein bedeutendes Verbrehen? So habe ih nah meinem

besten Wissen und Vermögen Alles zusammengestellt, was, wie ih glaube, zur Beurtbeilung und Prüfung dieser Angelegenheit gehört. Jh würde mir erlauben, noch etwas hinzuzufügen, wenn ih nicht annehmen müßte, daß diese erlauchte Versammlung “in ihrer Ge- sammtheit dieselbe Gesinnung theilt. Jh will es also nur für meine Individualität anführen, nur für den Gesichtspunkt, aus dem ich diesen Vortrag an die erlauchte Versammlung gehalten habe. Wenn der Gesebßgeber oder der Geseßbeurtheiler sich mit den einzelnen Fällen beschäftigt und Vorschläge dazu macht, muß er da blos den einzelnen Fall, oder muß er -nihè den gesammten Standpunkt des Staates, nicht allein im Junern, sondern auch im Acußern im Auge behalten? muß er da nicht selbst, wenn es nöthig is, was ih hier noch nicht für nöthig halte, Opfer bringen, um das Ansehen der Krone und dadurch der Nation aufrecht zu erhalten und nicht dem Zweifel Raum zu geben, daß es im Kreise auserwählter Männer, die das Vertrauen der Nation und des Königs haben, eine verschie- dene, den bestehenden Geseßen widersprechende Ansicht gäbe?

Graf Dohna=Lauck: Die gründliche Erörterung, die ih aus dem Munde des Herrn Kriegs = Ministers Excellenz so eben gehört habe, hat mi einerseits in meiner {hon früher gewonnenen Üeber= zeugung bestärkt, andererseits hat sie aber nicht alle Bedenken heben fönnen, die ih gegen einzelne Punkte des Geseßes schon früher ge= faßt habe. Der Militairstand is von einem Redner ein exceptionel-= ler Stand genannt worden, und wenn ih auch zugestehe, daß man ihn in mancher Beziehung so nennen könnte, so kann ih das doch nicht so weit ausdehneu, daß man auch die militairische Ehre als et- was ganz Anderes darstelle, als die bürgerlihe Ehre. Diese Auf- fassung muß ich meinerseits als vollkommen irrrig anerkennen. Die militairishe Ehre muß ihrem Wesen nah ganz übereinstimmend mit der bürgerlihen Ehre sein, sonst würde die Ehre niht Ehre sein. Will man das nicht anerkennen, so muß man für die militairische Ehre eine andere Bezeichnung annehmen. So lange man aber den= selben Ausdruck braucht, so lange kann man, glaube ih, niht umhin, daß man bürgerliche und militairishe Ehre in ihrem Wesen für einer= lei hält. Steht dieses nun fest, so sehe ih wirklich nicht ein, wie man bei Beurtheilung der Bescholtenheit die ehreugerichtlihen Stra- fen ganz unberüsihtigt hat lassen wollen. Jch habe die Sache reif=

lih überlegt und kann diese Ansicht unter keinen Umständen theilen. So sehr ih nun auch die Nothwendigkeit einsche, dieses zuvörderst anzuerkennen, \o kann ih mich doch nicht allen Bestimmungen, die im zweiten Abschnitt F. 1 des Geseßes festgeseßt sind, anschließen. Es heißt nämlich hier, daß die als bescholten angesehen werden sol- len, welche dur ein militairishes Ehrengericht zu einer der im §. 4 Litt, b bis e der Allerhöchsten Verordnung vom 20, Juli 1843 über

die Ehrengerichte aufgeführten Strafen verurtheilt sind. Unter den in der Verordnung über die Ehrengerichte verfügten Strafen is hier

die erste suh a genannte {hon ausgelassen. Sie enthält eine Rüge von Seiten der Ehrengerihte. Nun folgen die übrigen sub b, c, d und e genannten Punkte, und diese sind einfahe Entlassung aus der Armee, Entfernung aus dem Offizierstand mit Verlust aller Titel, Verlust der Militair-Uniform und Entfernung aus dem bishe= rigen Wohnorte. Diese Strafen sind blos aufgeführt, ohne daß ge= sagt ist, auf welche Vergehungen sie gelegt werden, und wenn hier bei Beurtheilung der Bescholtenheit eine von diesen Strafen oder alle berücksihtigt werden sollen, so würde ih mich dahin entscheiden, daß nur die einzige Bestimmung sub c, Entfernung aus dem Offizier stande mit Verlust des Titels, der Charge und der Fähigkeit der Wieder- anstellung, allein berücksihtigt werden könne. Jch glaube, daß diese Strafe nur solche Vergehen treffen fann, welche das fonzentrirt dar= stellen, was als Verleßung der militairischen Ehre betrachtet werden fann, und es wird ohne Bedenken, wenn man den Vergehungen, die mit dieser Strafe belegt sind, auf den Grund geht, gewiß auch die bürgerliche Chre dadurch als verleßt erachtet werden. Jn Betreff der übrigen ehrengerichtlichen Strafen fann ich- mich nicht dafür entschei- den, daß sie in dieses Geseß aufgenommen werden. Die Entlassun gen aus dem Militairdienste, die der Herr Kricgs=Minister angeführt hat, scheinen mir allerdings in den erwähnten Fällen feine harte Stra-= fen zu sein, im Gegentheile erscheinen sie mir als mild. Nichtsdesto= weniger fann in Zukunft aber der Fall vorkommen, wo Ehrengerichte diese Strafen in nicht milder Anwendung auflegen, und da mir nicht flar vorliegt, auf welche Vergehungen die erwähntên Strafen erfol- gen sollen, so kann ih mich nicht dafür entscheiden, daß dieselben in den Geseßz-Entwurf aufgenommen werden. Der Verlust der Militair= Uniform und Entfernung aus -dem bisherigen Wohnorte können als Strafe auf Vergehungen gelegt werden, die nicht von solcher Bedeu- tung sind, daß man die Ehre so weit beeinträchtigt halten könnte, daß solhe Jndividuen als bescholten in bürgerlicher Beziehung zu betrach= ten wären. Jch würde also den zweiten Abschnitt des §. 1 nur mit der Einschränkung annehmen, daß nur die sub Lit. c. der Verordnung über die Ehrengerichte genannten Strafen als solche betrachtet wer= den, mit welchem die Bescholtenheit in bürgerlicher Beziehung verbun- den is, daß aber die übrigen Punkte a. b. d. e. weggelassen würden. Kriegsminister von Boyen: Jh glaube dem verehrten Red= ner danken zu müssen, daß er mich auf eine Auslassung aufmerksan gemacht hat, die ih in meinem vorigen Vortrage unterlassen habe, weil er vorausseßt, das Unterlassen habe feine bürgerlichen Folgen, sondern es treffe nur den Offizier in seinen militairishen Rechten und im Verluste auf Versorgungs - Ansprüche. Wollen die Behörden nachher ihn troßdem noch in anständige Corporationen wählen, o liegt das in ihrem Ermessen, in ihrem Gefühl. Aber eine andere Bedingung is noch da, die selbst bei Anwendung der härtesten Strafe das i} also das Entfernen zur Sprache kommen fönnte. Das haben wir bei den Soldaten, welche die National Kokarde verloren und durch einige Jahre ein ihre vorhergehende Handlung besserndes Leben geführt haben. Dann werden sie dem Könige vorgeschlagen und bekommen die National - Kokarde und die bürgerlichen Rechte wieder. Dafür, daß man aber auch sehr vor sihtig bei diesem Rehabilitiren bleiben müsse, fällfk mir n dem Augenblicke ein Beispiel aus der älteren Kriegsgeschichte ein, welches noch_ zum Schluß hier angeführt werden kann. „Fn der Schlacht von Minden, welche Herzog Ferdinand von Braunschweig ium sieben- jährigen Kriege lieferte, war die französische Armee 1m E Ade zuge, und wenn die englishe Kavallerie, die unter einem ( att stand, dessen Namen ih in diesem Augenblicke verge|jen habe, wei er nicht hierher gehört, dagewesen wäre, jo wäre die ganze [ranzo= sische Armee vernichtet worden. Herzog Ferdinand schickte an den englischen General 6 oder 7 Adjutanten, zuleßt den Chef des Ge- neralstabs, mit dem Befehl, er sollte angreifen, er verweigerte es aber. Der Fall war so eklatant, daß er von dem Herzog Ferdinand dem Könige von England angezeigt wurde, und er wurde durch ein friegsgerihtlihes Erkenntniß nicht allein fassirt, sondern er verlor auch alle seine Standeswürden. Einige Jahre später, als vielleicht ein Wechsel der Meinungen eingetreten war, er auch durch Erbschaft einen anderen Titel bekommen hatte, wurde er rehabilitirt. Dieser Mann wurde sogar Minister und war einer von den Ministern, die den Krieg mit Nordamerika herbeiführten, er gehörte zu einem Mi= nisterium, welches ich nicht weiter bezeihnen will. Jch führe dies nur an, um zu zeigen, daß man nicht vorsichtig genug sein kann. Graf von Dyhrn: Nicht aus den einzelnen Beispielen und Punkten, die hier angeführt und so vielfach und gründlich durhspro= chen worden sind, sondern gus der allgemeinen Anschauung und aus der Freude, daß das uralte deutsche Jnstitut der Genossenschafts= Gerichte uns gewährt werden foll, da, wo der gewöhnliche Richter nicht ausreicht, aus dieser Anschauung und dieser Freude darüber kann ih mich auch nur der Meinung der Minderzahl der Abtheilung an- schließen. Jch lasse hier alle materiellen Entscheidungen bei Seite. Jede Entscheidung eines Menschen kann Fehler haben, aber nach meiner Ansicht kommt es auf diese nicht an, sondern ich lege den Ac=- cent auf das Gericht der Genossen, und in Folge dieses Accents for=- dere ih für die hohe Kurie und insofern auch für mich das Recht, was jeder Offizier hat, das Recht, in Betreff meiner Chrenhastigkeit allein von meinen Genossen gerichtet zu werden. Dieses Rechtsprin= zip wurde in dem Heere zuerst eingeführt. Es wird wohl Niemand, der die preußische Geschichte kennt, die segensreichen Folgen verken= nen, welche dort dieses uralte deutsche Prinzip des Genossenschafts e gerichtes {hon gehabt hat. Nun soll es auch dem Volke mitgetheilt werden, und darum fordere ih, daß es ihm auch ganz ungeschmälert mitgetheilt wird. Jch fordere, daß wir dasselbe Recht haben, um welches' wir bis jeßt den Krieger beneidet haben; daß wir blos vou unseren Genossen gerichtet werden. Der Offizier wird von Niemand anders gerichtet. Ich fordere denselben Vortheil auch “a! uns, und darum muß ih mich der Meinung der Minderheit anschließen, weil sonst eine andere Genossenschaft das Recht hätte, von meiner Ge= nossenschaft mich auszuschließen, während ih nicht das Recht habe, Jemanden von der Genossenschaft des anderen Theiles auszuschließen. Jch bin fest überzeugt, daß Keiner von uns und kein Stand unter uns die aufnehmen wird, welhe von irgend einem Stande ausge= {lossen sind. Jch wünsche aber nur, daß das eben von meinen Ge= nossen und von den Genossen jeden Standes ausgesprochen werden dürfe. / : Kriegs - Minister von Boyen: Jch glaube, um ein Mißoer= ständuiß zu vermeiden, was die so eben beendigte Rede des verehrten Redners herbeigeführt haben könnte, noch auf Folgendes aufmerksam machen zu müssen. Wenn der Standesgenosse irgend einer Kurie und Abtheilung kein Krieger ist, so wird es keinem militairischen Eh= rengerihte einfallen, über ihn ein Urtheil zu fällen. Jst er dagegen ein Krieger, so hat er es in der Gewalt , aus eigenem Antriebe den Geseben dieses Standes sih zu unterwerfen. Wenn er also wo- von ih mit voller Ueberzeugung ausspreche, daß es in unseren An= nalen nicht vorkommen wird wenn er also 1m Kriege eine Hand- lung begeht, die vollgültig das Entfernen aus dem Offizierstande er= fordert, soll dann der Offiziestand ihn \o lange unter s\ih dulden, bis in einer anderen Genossenschaft über ihn abgeurtheilt werden kann?

Das isst die einfache Frage. Erste. Beilaga,

Erste Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

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Graf von Dyhrn: Jh muß mich undeutlih ausgedrückt haben, sonst glaube ich, wäre es niht möglich, daß ih so mißverstanden worden wäre. Jch habe ja nicht gesagt, daß dazu, daß Jemand aus dem Offizierstand entfernt werden soll, das Urtheil der Kurie oder seiner ständischen Genossenschaft nöthig ist, sondern eben wei! ich wünsche, daß das Urtheil keines anderen Standes Jemanden aus dent seinen entferne, bin ich auch weit entfernt, zu verlangen, daß unser Urtheil irgend Jemanten aus einem anderen Stande entferne. Jh muß aber behaupten, daß ich daß Bewußtsein habe, daß, wenn auf irgend Jemand, sei er aus welchem Stande er wolle und namentlih aus dem von uns allen hohverehrten Kriegerstande, namentlich da, es gilt, das Vaterland zu vertheidigen nur der kleinste Theil der Unehrenhasftigkeit, der kleinste Staub der Unehrenhastigkeit haftet, wir ihn gewiß nie unter uns dulden werden. Jch verlange und bitte blos, daß wir dann zu der Entfernung aus unserem Stande auch unser Ja! sagen können.

Kriegs-Minister von Boyen: Jch bitte Sie nur, mir gütigst eine Frage zu beantworten. Wenn der Offizier in einer solchen Lage eutfernt werden soll, so kann dies nur durch Königliche Sanction ge- schehen. Wollen Sie unter diesen Umständen noch, daß irgend eine Kurie, welche es sei, ein Urtheil fälle und dadur möglicherweise die Sanction des Königs removire?

Prinz von Preußen: Jch will aus dem Vortrage des leßten Redners eine andere Stelle hervorheben. Jch stimme ganz darin hei, daß zu hoffen sei, daß niemals eine Kurie ein Judividuum in ihre Mitte aufnehmen werde, das durch ehrengerichtlichen Spruch aus dem Offizierstande entfernt oder entlassen is. Wie gesagt, diese Hoffnung theile ich vollfommen; aber Hoffnungen sind keine Gewißheit. Jch stelle also die Frage: Wie Jemand, der die Uniform trägt, die mit gutem altpreußischen Ausdrucke der Rock des Königs heißt, sich zu benehmen hat, wenn er einen früheren Kameraden, über den er jelbst vielleicht den Urtheilsspruch gefällt hat, in Folge dessen er den Dienst hat verlassen müssen, als Stand in der Versammlung neben sich erblickt? Diese Frage stelle ih an Jeden von Jhnen. Meine Oerren! es sind Viele unter Jhneu, welhe den Rock des Königs tra- gen. Kann einer von uns mit einem solchen Entlassenen in der stän= dischen Versammlung sigen? ' __ Graf von Dyhrn: Jch halte es nur für meine Pflicht, Sr. Srcellenz mit dem entgegengeseßten Falle darauf zu antworten. Wenn ein Militair Mitglied einer Standschaft i und die Standschaft stch aus irgend einem Grunde genöthigt sieht, ihn aus ihrer Mitte zu entfernen, so wird er dadurch, daß das Urtheil auch von Sr. Maje= stät bestätigt wird, eo ipso nicht aus dem Militairstande entfernt.

Kriegs - Minister von Boyen: Ganz gewiß, das versi- chere ih.

Graf von Dyhrn: Es wird entschieden, Excellenz!

__ Kriegs-Minister von Boyen: Es is gar keine Frage, einen solhen Mann, der von einem anderen Stande, von einer anderen L nicht für ehrenhaft erklärt worden ist, den werden wir nicht ehalten.

Graf von Dyhrn: Nein. Es wird erst kein Prozeß darüber entstehen, fondern es wird gleih ausgesprochen werden, und diesen sofortigen Ausspruch wünsche ih eben auch.

Krieg8=Minister von Boyen: Das ist gar keine Frage.

Graf von D9hrn: Was diesen Einwand betrifft, so is es aller- dings ein Fall, von dem ih glaube, daß er nie vorkommen wird. Weun er aber vorkommt, #\o hat derjenige, welcher den Rock trägt, den jene Person nicht so reïn gehalten hat, jederzeit das Recht, auf die E derselben anzutragen, und diejenige Versammlung, in welcher dieser Antrag geschieht, wird auch, glaube ih, dann diesem Antrage sofort Folge geben. ?

Zürst Carolath: Jch habe mich auch in der Abtheilung be- funden, und es haben mi alle die Gründe, welche wir aus der zwei- ten Kurie geshöpft haben, von meiner Meinung nicht ganz entfernen können, und ih würde weitläufiger antworten, wenn niht {on durch den hohverehrten Minister von Boyen vollständig darauf geantwortet worden wäre. Jch will nur Einiges anführen, weldes mich haupt- sächlich dazu bestimmt hat, meiner früheren Ansicht treu zu bleiben. Er hat es ausgesprochen, indem er sagte : die ganze preußische Nation ist wehrhaft, folglich is uicht blos ein Stand hier als der anzusehen, der zum Militair gehört, sondern es is auch die Landwehr zu berüdck- sichtigen, Wie wollten wir Jemand aufnehmen, der entweder eiue Beschuldigung erfahren oder durch ein Ehrengericht verurtheilt wor= den ist, nicht hier sein zu können und von der Wahl eines Landwehr- Offiziers ausgeschlossen zu werden? Das würde Beides eintreten können. Jch habe ferner gehört, daß. Einwendungen gegen die Eh- rengerihte gemaht worden sind, als wenn sie nit dieselbe Kraft hätten, nicht so fonstruirt wären, wie ein anderes Gericht, Jch habe mich näher erkundigt und gehört, daß die Urtheile der Ehrengericbhte nicht blos dur den Auditeur formulirt werden, sondern die Urtheile werden von demselben genau geprüft und auf die betreffende Ge- sebesstelle bezogen, nah der geurtheilt wird. Es wird das Gesel angeführt, nah dem verurtheilt wird. Der Auditeur ist verbunden, die Stelle des Gesebes zu zeigen und den Inhalt auf das Vergehen anzuwenden. Darauf erkennen und verurtheilen die Mitglieder des Chrengerihts. Es i dann von einer anderen Seite aufgeführt wor= den, es sei eine Härte, wenn Jemand durch ein Ehrengericht wegen Unentschlossenheit verurtheilt würde. Jch frage, ob dies ein Grund

wäre, um ihn auszuschließen? Jch glaube, Ja. Es ist nicht blos Entschlossenheit im Linien-Militair nöthig, sondern auch als Stand, um in die Landwehr als Offizier eintreten zu können. Jh würde mich auch auf die Höhe des vorhin Gesagten emporshwingen können, ja es hat mich gerade in meiner Ansicht bestärkt. Denn eine so hoch- stehende Versammlung, wie die ständishe, muß mit einem Spiegel verglichen werden, der dur den leisesten Hauch getrübt werden kann. Aus diesen Gründen habe ih mich für die Majorität in der Abthei= lung erklärt.

_ Graf Ziethen: Mich weiter auf eine weitläufige Debatte ein- zulassen , ist niht mein Wunsch, ih wollte nur mit wenigen kurzen Worten sagen , daß ih für Annahme der Frage mich durchaus und entschieden erkläre, und zwar 1) deshalb, weil wir in einem reinen Militair-Staate leben, 2) aber, weil mir im Vaterlande keine Cor- porto S ist, in welcher die Ehre einen so hohen Werth hätte, E Militairstande, 3) aber, weil ich in der Beibehaltung dieses Prinzips uer R Gewährleistung für das Gedeihen unserer Kin- der, die größte ewährleistung für die Vererbung unserer ständischen Rechte finde. Zugeben will ; f Abfg :

O ih, daß in der Abfassung der Ehrenge- richte einige Passus enthalten i E S E A

G L sind, die nicht ganz auf das ständische Wesen passen möchten. Jch ge, ; Ä L t

/ m9 verlasse mich aber und vertraue mit vie= ler Zuversicht auf die Weisheit 5 ; ; ¿ R Ta „eit des Geseßgebers, daß diese mit der Zeit den ständischen Verhältnissen Werben a t wérd

Fürst Ly nar: Jh erlau erden angepaßt werden. zu machen. Wenn dîe Ehren a mir einen vermittelnden Vorschlag ihre Urtheile fällten, so könnten que, en na gor Aren

, / 1 gewisse Handlu unter einer Ka- thegorie subsumirt werden, n fi e) walde , vi solhe Handlungen, welche, guf

dem Boden eines ehrenwidrigen Sinnes gewachsen, Strafen nach sih zögen, welche dem Betroffenen auch die bürgerlihe Ehre raubten und ihn unfähig machten, zu einer ständischen Corporation zu gehü- ren. Die andere Kategorie umfaßte andere Handlungen, die aus dem militairishen Standpunkt zwar nicht zu billigen wären und zur Folge haben könnten, daß der Betroffene aus dem Militairdienst heiden müßte, ohne daß jedoch seine bürgerliche Ehre darunter litte. Die zweite Kategorie würde mehr den Charakter einer Dis- ziplinarstrafe annehmen. Urtheilten nun die militairischen Ehrengerichte aus diesem Standpunkte, und würden dabei die bezeichneten Kategorieen festgehalten , so könnte man den einheitlichen Begriff der Ehre sicher= stellen, und was in einer Corporation als ehrenwidrig bezeichnet würde, müßte auch für die andere gelten. Jh fühle wohl, daß ein solher Vorschlag in das Geseß nicht paßt, aber ih erlaube mir, ihn wenigstens zur Sprache zu bringen, weil dies vielleiht mit Veran- lassung geben könnte, an die Revision dieses Theils der Militair= Geseßgebung zu denken.

Marschall: Es würde also nicht ein besonderes Amende- ment sein, sondern blos in der Berathung liegen?

Fürst Lynar: Ja.

Kriegs-Minister von Boyen: Aber die Warnung würden Sie doch behalten wollen?

Fürst Lynar: Gewiß.

Daun wäre es schon die dritte Kategorie. Das Entlassen kann nie von einem anderen Stande in Anspruch genommen werden, weil es ein Vorrecht der Krone is. Der König muß das Recht behalten, zu jeder Zeit dem Offiziere zu sagen: „Mein Freund, ih kaun dich niht mehr brauchen““, und wenn er auch keinen weiteren Grund an- gicbt, ihn zu entlassen. Es is cine größere Heeres-Verwaltung nicht anders denkbar, als daß der König dieses Recht hat; es is auch in allen anderen Staaten der Fall. Jch erinuere mich dabei“ einer Aeuße- rung, die der verstorbene Minister Pitt im Parlament machte, wo die Rede von der Entlassung eines Offiziers war. Er sagte, wenn der König sagt: „Mir gefällt Jhre Nase nit, und ih entlasse Sie, so ist das ein Gesetz.“

Graf Dohna-Reichertswalde: Auch ih habe zu der Ma= jorität des Ausschusses gehört und wurde geleitet von der Ansicht, die im Gutachten enthalten is. Jch wollte mir Einiges gegen die Auseinandersebung der Minorität anzuführen erlauben. Es is inu- dessen sehr viel davon, ja das Meiste bereits durch die Worte des Herrn Kriegs-Ministers erledigt worden, und ih will die Versamm- lung nicht mit Wiederholungen ermüdenz es m mir aber auch ver- ge sein, noch etwas zu bemerken über den Antrag des verehrten Herrn, der da vor mir sigt. Derselbe hat die Ehrengerichte zurück- weisen wollen, eben weil er den Genossenschafts-Gerichten die Stelle über ihnen einräumen will. Es is wiederholt ausgesprochen worden, und wir haben auch aus hohem Munde die Worte vernommen, daß die Stände neben einander und mit einander stehen sollen und wirken zum Besten des gesammten Vaterlandes, von einer Sonderung soll nicht die Rede sein. Mehrmals is auch in der hohen Stände-Ver- sammlung die Rede davon gewesen, daß der lbochverehrte Kriegerstand, dem wir \o viel verdanken, eigentlich in alle Stände übergehe und mit ihnen gemeinsam ein Ganzes im Vaterlande bilde. Jch glaube nun, daß auch die militairischen Geseße hier nicht streng und {rof den Geseben der ständischen Genossenschaften gegenüberstehen dürfen, ich glaube, daß ste neben einander stehen und sih gegenseitig ergänzen müssen; und daher glaube ih, daß, wenn wir alle diese Bestimmun- gen annehmen und uns nach ihnen richten, die militairischen Ehren- gerichte zu unserem gemeinsamen Heile sein werden, Jch sehe nicht die mindeste Gefahr darin, wenn wir den ganzen Entwurf anneh- men, den ih als eine nit genug dankenswerthe Gabe des erhabenen Gebers betrahten muß. Die Nichtannahme, so glaube ih, wird eine sehr nachtheilige moralishe Wirkung hervorbringen, zumal wenn wir den vorliegenden Punkt entfernen oder auh nur limitiren wollten. Wenn wir an dem ganzen Entwurf ohne Weiteres zu zerren anfan- gen, so werden wir auch ctwas Verzerrtes erhalten, was durchaus nicht nüßlich und heilbringend sein würde. J glaube also, es muß dieser nachtheilige moralische Eindruck durch Beibehaltung des ur= sprünglichen Entwurfes vermieden werden, was nicht stattfinden würde, wenn wir einen durch seine Kriegsgenossen und Kameraden für be- scholten erklärten Mann in der ständischen Versammlung sähen. Se. Königl. Hoheit haben eben zu bemerken geruht, wie mißlich es sein müßte, wenn Jemand, der den Rock des Königs trägt, genöthigt sein sollte, in der ständischen Versammlung neben einem solhen zu sitzen, der son für anrüchig erklärt worden ist. Dies hat au die Ma- jorität des Ausschusses geleitet und Eiufluß auf sie geübt, und das ist der Grund, aus dem ih mich gegen diesen verehrten Herrn er- flären muß.

Graf vou Arnim: Bei den Verhandlungen, die in der Drei- Stände - Kurie und auch heute in diesem Saale stattgefunden haben, ist so Vieles und Vortreffliches über den Gegenstand gesagt worden, daß ih mich, so weit möglich, enthalte, auf ine Grundlagen näher einzugehen. Jch glaube vielmehr, es kommt darauf an, die Punkte ins Auge zu fassen, wo eine Annäherung der sih entgegenstehenden Ansichten möglich ist, und wo Zweifel und Mißverständnisse gehoben werden können, aus denen vielleiht ein großer Theil der verschiede- nen Ansichten, die sih kundgegeben haben, hervorgegangen is. Jch gestehe selbst, daß nach den Vorträgen, die ih vernommen habe, zwei Punkte mir nicht vollständig aufgeklärt zu sein scheinen, nämlich wie Punkt 4 Litt. b des Geseßes über Ehrengerihte eigentlich zu ver- stehen und wie es mit ihm in Bezug auf das vorliegende Geseß zu halten ist. Er befindet sich unter den Punkten, die dies Geseh ent- hält, als ein solcher, der, wie es g. Il, heißt, ohne weiteres Ver- fahren die Ausschließung aus ständischen Versammlungen zur Folge haben wird. Es is nun zunächst die Frage: Js. es die Ansicht des Geseßes über die Ehrengerichte, auch diesen Punkt als einen olchen zu betrachten, in welchem der Ausspruch des Chrengerichtes auf Ent- lassung aus dem Dienste die Ehre des Offiziers für befleckt erachtet ? Jch habe aus einem hohen Munde vernommen , daß allerdings die Entferuung aus dem Offizierstande eigentlich der Punkt sei, in dem ein solher Ausspruch positiv enthalten is, Jch babe aus dem Munde des Kriegsministers zu vernehmen geglaubt, daß nicht eigent- lih eo ipso mit der Entlassung aus dem Dienste eine levis notae macula auf dem Manne ruhe (Kriegs - Minister : eine militairische !), sondern daß nur das darin liege, was ich namentlih im §. 1 des Geseßes über die Ehrengerichte alternativ zu finden glaube. Es heißt nämli im §. 1 der Verordnung über die Ehrengerihte: „Der Zweck der Ehrengerichte is, die gemeinsame Ehre der Genossenschaft, so wie die Ehre des Einzelnen, zu wahren und gegen diejenigen Mitglieder, deren Benehmen dem richtigen Ehrgefühl- oder den Verhältnissen des Offizierstandes nicht entspricht, auf dem Wege einzuschreiten.“ a könnte mir also denken , daß gewisse Fälle, wo eben diejenigen Handlungen geübt, diejenigen Aussprüche von den Ehrengerichten ge-

Lde werden, die §, 4 Litt, b—e enthalten sind, daß gewisse Fälle age ich, sich auf die Ueberzengung des Ehrengerichtes gründen, daß

Mittwoch den lien Mai.

dem betreffenden Offiziere das rihtige Ehrgefühl mangle, andere sich

aber darauf gründen können, daß ihnen die Ueberzeugung beiwohne

daß das Benehmen des Offiziers zwar nicht einen Mangel an Ehr- gesühl anzeige, aber niht den Verhältnissen des Offizier- standes entspreche. Js diese meine Auffassung die richtige , \o scheint mir hierin wenigstens ein Weg zu liegen, um die ver- schiedenen Ansichten, welche geltend A worden sind, einander näher zu rücken. Es würde dahin führen 1) über diesen Punkt eine nähere Aufklärung in Beziehung auf die Motive zu geben, welche das Ehrengericht hierbei befolgt, und 2) wäre der Punkt b. und viel- leiht auch andere Punkte, die im Entwurfe des Gesebes enthalten sind, näher ins Auge zu fassen und sich darüber klar zu werden, in- wiefern sie unter diejenigen gehören, bei denen die Ehrengerichte das rihtige Ehrgefühl vermissen, oder ob sie blos zu denen gehören, bei denen sie sih dahin aussprechen, daß das betreffende Mitglied in sei- nem Benehmen nicht den Verhältnissen des Offizierstandes entspreche. Das ist der eine Punkt, der vorher der Aufklärung bedürftig schien, der zweite Punkt ergab sich aus einem Austausche der Ansichten zwi- chen dem Herrn Kriegs-Minister und einem verehrten Mitgliede aus Schlesien. Man sagte: wird der Offizier von seinen Genossen nicht mehr für würdig, sein Benehmen niht mehr als ein solhes erachtet, was ihm erlaubt, im Offizierstande zu bleiben, so scheidet er ohne weiteres Verfahren auch aus der ständischen Genossenschaft, es wird ihm ohne weiteres Verfahren die Ehre gewissermaßen insoweit ab- esprochen, daß er niht mehr Mitglied einer ständishen Genossen=- schaft sein kann. Es ist hierauf von Seiten des Kriegs-Ministers erwiedert worden, ob man denn verlange, daß nun ein solcher Aus= spruch noch der Ratihabition der ständishen Versammlung unterlegt werden solle, und es ist darauf allerdings zu entgegnen: wie wird es denn nun gehaiten, wenn seitens der ständischen Versammlung Je=- mand nah dem vorliegenden Paragraphen des Gesetzes niht mehr für würdig erachtet wird, in ihrer Mitte zu sißen? scheidet er auch ohne Weiteres aus dem Offizierstande, oder bedarf es dazu eines wei= teren Verfahrens? Die geseßlichen Bestimmungen liegen so, daß es in diesem Falle eines weiteren Verfahrens vor dem Ehren- gerihte von Offizieren bedarf, und ih theile vollkommen die An=- sicht des Kriegs-Ministers, daß, wenn eine ständische Versammlung sich in dieser Weise N is hat, anzunehmen is, daß das Ehrenge= riht unzweifelhaft einen solhen niht mehr für würdig erahten wird, sih in der Mitte des Offizierstandes zu befinden. Es scheint mir aber die Parität zu fehlen. Der Ausspruch einer ehrenwerthen Ge=- A wird gewiß für die andere ein großes Motiv und vielleicht entscheidend sein, ihn auch nicht ferner in ihrer Mitte zu schen. Aber die Wirkung des Aus\pruchs i} dennoch eine verschiedene, Der Aus= \yruch der einen Genossenschaft, des Offizierkorps, welchem das Jn-= dividuum angehört, spricht aus, es sei dazu nicht mehr würdig, und dadurch scheidet es ohne weitere Cognition der anderen Genossenschaft auch aus dieser aus, während, wenn es durch den Ausspruch der ständischen Versammlung aus ihrer Mitte ausscheidet, der Genossen= \hast der Offiziere eine weitere Cognition noch zusteht, ob es auch aus dem Militairdienste entlassen werden soll. Es fragt sich also hiernach, ob sich nicht ein Weg finden ließe, um auch in dieser Beziehung eine vollkommene Bulle herbeizuführen? Jch glaube, es möchte gut sein, diese beiden Punkte noch näher zu beleuchten , dann würde sich viel- leicht eine Annäherung vermitteln lassen. i

Kriegs -= Minister von Boyen: Jh “werde von den beiden Punkten, die der geehrte Redner so eben angeführt hat, den leßteren als den wihtigeren nehmen. Jch glaube im Allgemeineu, daß es {wer sein wird, dafür einen Weg zu finden, weil ein solher {on geseplih da is. Jch muß bitten, die Kriegs-Artikel und das Kriegs= Geseß zur Hand zu nehmen, Einmal können wir Keinen als ge= meinen Soldaten annehmen, welcher ehrlose Handlungen begangen hat, Dies ist der eine Fall, und da steht {on geseßlich fest, daß ein Jeder, der in einem höheren Stande ein solches Vergehen begeht, von dem Soldatenstande verbannt wird. Es findet noch eine weitere Praris statt, die ne eine Einwendung gefunden hat. Wenn die Ci- vilgerichte einen Soldaten wegen ehrloser Handlungen zu Strafen, z. B, Zuchthaus, Festungs-Arbeit, verurtheilen, \o wird er ohne wet= tere Frage, ob das Civilgeriht die Strafe auf ihn ausgedehnt hat oder niht, aus dem Soldatenstande entfernt. Es is also durch Ge= seßes-Vorschriften begründet, daß ein solher Mann, der für ehrlos erklärt wird, nicht im Soldatenstande bleiben kann. Es ist dieser Punkt {hon beinahe seit 40 Jahren durhgeführt worden und hat feine Schwierigkeiten gegeben. Wo beim Entlassen ein Bedenken ent= stehen könnte, da glaube ich wenige Worte anführen zu können, die ih in meinem Vortrage sagte. Ein Entlassen hat weiter keine bür= gerlihe Folge, als daß er seiner Stelle und der Ansprüche auf Ver= sorgung beraubt wird, und man muß, glaube ih, es dem Gefühle einer Körperschaft überlassen, ob sie einen solchen Mann wählt oder nicht.

Graf von Arnim: Jch lege auf diesen lehteren Punkt ein besonderes Gewicht deshalb, weil ich selbst die Ehre habe, dem Staude der Landwehr - Offiziere anzugehören, und weil ih Gelegen- heit gehabt habe, in einem einzelnen Falle das Recht auszuüben, was hier dem Ehrenrathe zugetheilt ist. Danach halte ih es wün- shenswerth, niht dur die Anknüpfung zu großer bürgerlicher Nach- theile den Ausspruch der Ehrengerihte auf Entlassung aus dem Dienste indirekt zu erschweren. Jch kann mir sehr wohl den Fall denken, daß das Ehrengeriht die Ueberzeugung hätte: der Mann taugt niht zu einem Offizier, er muß den Offizierstand verlassen. Der Fall, welcher vorliegt, is kein Fall, welcher die Ehre befleckt, der Mann is aber nicht geeignet, länger im Öffizierstande zu ver- weilen. Nun tritt dem Ehrengerichte aber die Folge künftighin ent- gegen, daß dieser Mann hierdurch ohne Weiteres als bescholten zu betraten und aus allen ständischen Versammlungen ausgeschlossen ist und gewissermaßen öffeuntlih beschimpft dasteht. Jch glaube, daß die Ehrengerichte in viel besserer Lage wären, wenn ihr Ausspruch auf Entlassüng niht in allen Fällen so {were Folgen hätte. Es wáre dadurch das Juteresse des Offizierstandes wesentlih gewahrt; es kann vermieden werden, daß Mitglieder in seiner Mitte bleiben, von denen sehr zu wünschen is, daß sie ausscheiden. Jch lege Gewicht is diese beiden Rücksichten, und ih glaube, wenn Punkt h wegfällt, da dies gescheheu kann ohne Beeinträchtigung der einen oder anderen Verordnung. e ;

rinz von Preußen: Zur Aufklärung eines Faktums, was den Passus der Entlassung aus dem Dienste betrifft. Die Entlassung aus dem Dienste schließt nit ein, wieder in denselben eintreten zu können. Se. Majestät hat sehr vielen Offizieren , welche aus dem Dienste entlassen worden waren, den Eintritt als Gemeine in die Ar= mee gestattet, und ohne Examen arbeiten sie sich bei guter ehrenhaf= ter Aufführung zum Offiziere herauf, Sobald sie wieder Offiziere nd, ist die frühere Schuld GA Has Das Mitleid, was die Ver- Tini leiten möchte, is auf junge Offiziere gerichtet, die nah ei- ner Entlassung nicht mehr wissen, was aus ihnen werden soll. Für

diese ist der Fall gedacht, den ih anführte, daß sie von unten wie-