1847 / 141 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

bene Erforderniß, des zehnjährigen Grundbesißes nicht erfülle, und

wurde deshalb nah Vorschrift des Allerhöchsten Reglements über das Verfahren bei den ständischen Wahlen vom 22. Juni 1842, welches im §. 12 die Bestimmung enthält, „daß, wenu die Wahl auf ein Mitglied des betreffenden ständischen Verbandes fällt, bei welchem die Bedingung des zehnjährigen Grun dbesbes nit voll- Enns erfüllt wird, jederzeit noh eine zweite sbsibiae! he Wahl für den

all vorzunehmen ist, daß die erforderliche Königl. Dispensation nicht ertheilt werden sollte“, sofort noch eine subsidiaire Wahl vorgenom- men. Diese fiel auf den Bouder des principaliter Gewählten, den Grafen Eduard von Reichenbach auf Waltdorf. Zum Ret Stellvertreter war der Landrath des Kreises Oppeln, Hoffmann, ge-

wählt e i ¡gi Y Nachdem die Wahl-Verhandlungen dem Landtags-Kommissarius

ür Slesi ber-Präsidenten von Wedell, eingereiht worden wa- Br TETEA e R Wege zu dessen Kenntniß, daß der Graf Eduard von Reichenbach wegen Verbreitung einer verbotenen Schrift von Karl Heinzen, betitelt „weniger als 20 Bogen““, und hierdurch verübter Majestäts-Beleidigung, von dem Königlichen Ober-Landes- Gerichte in Ratibor zur Kriminal - Untersuchung gezogen worden sei. Dieser Umstand veranlaßte den Ober-Präsidenten von Wedell, in Stelle des in gerihtliher Untersuchung befangenen Grafen Eduard von Reichenbach eine neue subsidiaire Wahl anzuordnen, damit für den Fall, daß dem principaliter gewählten Grafen Oskar von Rei=- chenbah die Allerhöchste Dispensation nicht zu Theil würde, ein vöül- lig qualifizirter Abgeordneter (Reskr. des Königlichen Ministeriums des Junern und der Polizei vom 16. Januar 1841) zur Bestätigung in Vorschlag gebracht werden könnte.

In dem darauf abgehaltenen anderweitigen Wahltermine prote- stirten der Graf Oskar von Reichenbach, der Graf Eduard von Rei- chenbach und noch zwei andere wahlberechtigte Rittergutsbesißer ge- gen die Vornahme einer neuen Wahl; alle übrigen im Termine er- shienenen Wähler, neunzehn an der Zahl, erklärten sich mit der an- geordneten neuen Wahl einverstanden und vollzogen dieselbe.

Daß Ergebniß der Wahl war, daß der Graf von Strachwih auf Proschliß in suhsidium als Abgeordneter gewählt wurde, für den Fall, daß dem principaliter zum Abgeordneten gewählten Gra= fen Osfar von Reichenbach, dessen Wahl durchaus bestehen blieb, dic Allerhöchste Dispensation von der Bedingung des zehnjährigen Grund-= besibes versagt würde. Der Bericht des Ober = Präsidenten von Wedell mit den Wahl - Verhandlungen hat hierauf Sr. Majestät dem Könige in Rücksicht der für den Grafen Oskar von Reichenbach in Antrag gebrachten Allerhöchsten Dispensation vom zehnjährigen Grundbesiße vorgelegen. Se. Majestät der König haben indeß in der R erfolgten Allerhöchsten Kabinets = Ordre vom 19. Februar dieses Jahres auszusprechen geruht, daß feine hinlänglichen Gründe vorlägen, dem Grafen Osfar von Reichenbach die Dispensation vom zehnjährigen Grundbesiße zu ertheilen, und is in Folge dessen der in subsidium gewählte Graf von Strachwiß auf Proschlit als rit- terschaftlicher Abgeordneter des brieger Wahlbezirkes bestätigt und

zum Vereinigten Landtage einberufen worden.

Die Petenten sind nun der Ansicht, daß in der egen den Gra= fen Eduard von Reichenbach eingeleiteten Kriming - Untersuchung keine ausreichende Veranlassung zur Anordnung und Vornahme einer neuen subsidiairen Wahl gelegen habe, daß es vielmehr bei der ersten subsidiairen Wahl habe verbleiben müssen, erachten demgemäß die zweite subsidiaire Wahl für geseßwidrig und tragen deshalb auf die nachträglihe Einberufung des Grafen Eduard von Reichenbach an die Stelle des Grafen von Strahwiß an. Eine Entwickelung und Be= gründung dieser Ansicht aus den einshlagenden Geseßen is von den Petenten nit gegeben, sondern beschräuken sie sih darauf, Angen anzuführen, daß sie die spätere Wahl und Einberufung des Grafen von Strachwiß aus dem Grunde für gesezwidrig erachteten, weil sei= tens der Kreisstände (welcher, is nicht gesagt) der Graf Eduard von Reichenbah für völlig unbescholten erklärt worden sei. Dagegen geht aus dem der Petitions= Schrift beigefügten, gedruckten Sendschreiben des Grafen Eduard von Reichenbach hervor, daß den Petenten hier= bei die Bestimmung des §. 7 der Kreis -Ordnung für Schlesien voin 2. Juni 1827 vorgeshwebt haben mag, da in diesem Sendschreiben der Graf Eduard von Reichenbach auf jenes Geseß ausdrücklih Be= zug genommen und angeführt hat, daß in einem von ihm nach der Bestimmung des §. 7 der Kreis-Ordnung beantragten, durch die Be- hörde in geseßliher Weise zusammenberufenen, in Neisse am 31. März d. J. abgehaltenen Konvente der Ritterschaft seines Kreises einstim- mig erklärt worden sei: daß sie ihn, ungeachtet der gegen ihn wegen

ea N OGURNs eingeleiteten Untersuchung, sür unbescholten ielten.

Obgleich es begründet ist, daß die Kreis - Ordnung für Schle- sien vom 2. Juni 1827, in Uebereinstimmung mit der rheinischen und westfälishen Kreis - Ordnung, im angezogenen Paragraphen für den Fall, daß bei einem Mitgliede der Ritterschaft oder einem ge- statteten Vertreter derselben die Unbescholtenheit des Rufes bestritten wird, der Ritterschaft des Kreises die Befugniß beilegt, in einem be- sonderen Konvente durch Stimmen - Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden darüber in erster Jnstanz zu entscheiden, resp. wenn die Entscheidung für die Bescholtenheit des Rufes ausfällt, die Ausschlie- ßung zu bestimmen, und falls der Betroffene oder die abgestimmte Minorität bei dem Beschlusse sih niht beruhigen will, den Mitglie- dern des Provinzial - Landtages von der Ritterschaft die Entscheidung in der zweiten und leßten Jnstanz überträgt, und obschon die gehor- samst unterzeichnete Abtheilung auf der anderen Seite keine Veran- lassung hat, die Richtigkeit der von dem Grafen Eduard von Rei= henbach in dem Sendschreiben ogen. von der Ritterschaft sei= nes Kreises in dem Konvente zu Neisse abgegebenen Erklärung in Zweifel zu ziehen, so kann doch die Abtheilung, und zwar in einer Majorität von 12 gegen 2 Stimmen, der hieraus von jenem und den Petenten selbst gezogenen Folgerung niht beitreten, noch weniger aber dem darauf gestüßten Petitions-Antrage \ich anschließen, sondern erachtet vielmehr die Majorität den Antrag für nicht begrün- det und is der Ansicht , daß das angegriffene Verfahren des Ober-

räsidenten von Wedell in der obwaltenden Sachlage und in den ge- P Bestimmungen seine vollständige Rechtfertigung findet.

ah dem dargestellten Sachverhältnisse gestaltet sich nämlich der

vorliegende Fall dahin:

daß im hrieger Wahl-Bezirke ein rittershaftliher Abgeordneter zum

Provinzial - Landtage gewählt worden, welcher wegen mangelnden

zehnjährigen Grun beligés der Allerhöchsten Dispensation bedurfte,

und daß als Sh mann für den Fall, daß dem

wählten die Allerhöchste Dispensation nicht zu

Rittergutsbesiver

rincipaliter Ge- heil würde, ein

) ewählt und zu bestätigen war, gegen welchen, noch ehe die Bestätigung erfolgte, die gerichtliche Untersuchung ein-

g iei ist. andelte sich mithin niht von der Befähigung zum Erschei- nen auf dem Kreistage toe welchem der Graf Cou von Reichen= bah als Ritterguts esiver Mitglied ist oder, spezieller ausgedrückt, nicht um die Beurtheilung des im §. 6 sub c der schlesischen Kreis- Ordnung als Bedingung zur ersönlihen Ausübung des Stimmrechts a dem Kreist e vorgeschriebenen unbesholtenen Rufes seitens der tglieder der S reis-Ritterschaft nah der Bestimmung des bereits allegirten §, 7 ibid,, sondern es handelte si zunächst um Prüfung

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zum Provinzial-Landtage Mars gewähl- âtigung in gerichtlicher Untersuhung befange- nen ritterschastlihen Abgeordneten nah Maßgabe des dieserhalb er- lassenen Geseßes wegen Anordnung der Provinzial - Stände für das Herzogthum Schlesien 2c. vom 27. März 1824, Beide Verordnun- gen enthalten aber hierunter wesentlich verschiedene Bestimmungen. Während nämli, wie schon berührt, der §. 7 der Kreis-Ord- nung die Prüfung der in Frage gestellten Unbescholtenheit eines Rit- tergutsbesißers,- welche leßtere der g. 6 ibid. neben der Gemeinschast mit einer der christlichen Kirchen und Volleudung des 24sten Lebens- jahres als Bedingung zur persönlichen Ausübung des Stimmrechtes auf dem Kreistage erfordert, der Ritterschaft des Kreises überweist, stellt zwar das Geseß wegen Anordnung der Provinzial-Stände im §. 5 neben dem zehnjährigen Grundbesize, der Gemeinschaft mit einer der christlichen Kirchen und dem 30jährigen Alter gleichfalls den unbe- sholtenen Ruf als allgemeine Bedingung der Wählbarkeit zum Land- tags- Abgeordneten für alle Stände hin, enthält aber eben so wenig, als die für die anderen Provinzen erlassenen ständischen Gesetze, eine Bestimmung, wodurch die Beurtheilung des unbescholtenen Rujes den Standesgenossen zugewiesen würde, sondern seßt nur, und zwar wie- derum in Uebcreinstimmung mit den anderen ständishen Geseten, hinsichtlich der Prüfung der allgemeinen Bedingungen im §. 29 ge- nerell fest, „daß der Landtags-Kommissarius zu prüfen habe, ob die Wahlen in der Form und nach den Eigenschaften der Abgeordneten, der Vorschrift gemäß, geschehen sind. Es stand mithin nah dieser klaren, auf den vorliegenden Fall allein zur Lnwendung zu bringen- den Disposition nicht den Standesgenossen des Grafen Eduard von Reichenb ah und “am allerwenigsten dem gar nicht zum brieger Wahlbezirke gehörigen, in Neisse abgehaltenen Kreis - Ritterschafts- Konvente zu, über die Unbescholtenheit des Grafen Eduard von Reichenbach zu entscheiden, sondern gehörte dies zur aus\cließli- hen Kompetenz des Königlichen Landtagë-Kommissarius, als der zur Ausführung und Aufrechthaltung der ständischen Gesetze bestellten Behörde. Wenn man aber zugestehen muß (und dies wird nach dem angeführten Geseße niht in Abrede zu stellen sein), daß der lindesherrlichen Behörde, und zwar zunächst dem von Sr. Ma- jestät dem Könige bestellten Landtags-Kommissarius, das Urtheil allein darüber zuständig is, ob die erwählten Landtags - Abgeordneten die geseßlich vorgeschriebenen Eigenschaften erfüllen oder niht, so kann es sih im vorliegeuden Falle auch im Wesentlichen nur darum fra- gen, ob das Verfahren selbst, welches der Ober-Präsident von Wedell, als Landtags - Kommissarius für Schlesien, in dieser zu seiner Kom- petenz gehörigen Angelegenheit eingeschlagen hat, sich rechtfertigt. Weder das Geseß wegen Anordnung der Provinzial-Stände für Schlesien, noch irgend ein anderes ständishes Geseß schreibt ein be- stimmtes Verfahren in Betreff der gänzlichen oder zeitweisen Aus- schließung bescholtener Personen aus den Provinzial - Ständen vor. Cben so fehlt es gänzlich an geseßlichen Bestimmungen über die Kri- terien der Bescholtenheit. / A 0 Bei diesem Mangel spezieller geseßlicher Dispositionen ist in allen bisher zur Sprache gekommenen bezüglichen Fällen stets angenommen worden, daß, wie der Königliche Landtags - Kommissarius nach dem §. 29 des ständischen Gesezes unbedenllih für befugt und verpflich- tet zu erachten, einen Landtags-Abgeordneten, welcher nah der Wahl \ih seines Grundbesißes entäußert hat, zum Landtage nicht einzuberufen, es eben so auch auf den Grund des §. 29 und des §. 33 der pslichtmsßigen Beurtheilung des Landtags - Kommissarius überlassen bleiben müsse, ob der Ruf eines Landtags=Abgeordneten in dem Grade für bescholten zu érachten sei, daß von seiner Bestäti- gung resp. Einberufung Anstand genommen werden müsse,

Dabei ist bisher der Grundsaß festgehalten worden, daß die Un- bescholtenheit des Rufes im Sinne der ständischen Geseße shou dem- jenigen Abgeordneten “mangle, welcher eines Verbrechens augeschul- digt und deshalb zur gerichtlihen Untersuchung gezogeu worden ist, ein Grundsaß, welcher wiederholt und noch in dem lebten an die Stände der Rhein-Provinz erlassenen Landtags - Abschiede vom 27. Dezember v. J. die ausdrückliche Allerhöchste Billigung erhalten, in- dem Se. Majestät der König es als den bestehenden Gesehen völlig ent’prechend erflärt haben, daß seitens derjenigen Behörden, welchen die Prüfung der geseßlichen Qualification der Landtags-Abgeordneten obliege, und von denen solche in ähnlichen Fällen stets geübt worden, der Einberufung des in gerichtlicher Untersuchung befangenen Abge- ordueten Anstand gegeben sei. Wenn nun der Ober-Präsident von Wedell amtliche Kenntniß davon erhalten, daß gegen den subsidiair

der Wählbarkeit eines ten, vor erfolgter Be

zum Landtags-Abgeordneten erwählten Grafen Cduard von Rei- henbach die Kriminal-Untersuhung wegen Majestäts-Beleidigung ein- geleitet sei, so handelte er niht nur mit dem bezüglichen ständischen Gesetze und der wiederholt erklärten Allerhöchsten Willensmeinung, sondern auch mit den Präcedenz-Fällen vollflommen im Einklange, als er aus der Eröffnung dieser wegen Majestäts - Beleidigung inmittelst anhängig gewordenen Kriminal-Untersuhung Veranlassung nahm, den die Theil= nahme an der Provinzial-Standschaft mit bedingenden Ruf des Gra- fen Eduard ven Reichenbach zum Gegenstand seiner näheren Erwä- gung zu mach n. j S

Dabei erscheint der Umstand, daß die gerichtliche Untersuchung wegen Verbreitung einer verbotenen Schrift eingeleitet worden, an sih indifferent , sondern war lediglih die Thatsache in Betracht zu ziehen , daß die Kriminal-Untersuchung , und zwar wegen Majestäts- Beleidigung, eröffnet worden war. :

Der Ober-Präsident von Wedell hat nun angenommen, daß der Ruf des Grafen Eduard von Reichenbach in Folge der gegen ihn anhängig gewordenen Kriminal-Untersuhung, im Sinne der ständi- schen Gesete, verleßt sei. Dieser Ansicht kann die Majorität der ge- horsamst unterzeichneten Abthcilung nur beitreten.

Die gerichtliche Untersuchung wegen eines Verbrechens trübt, wenige in der Volks- oder Standessitte begründete Fälle ausgenom= men, stets den Ruf des betroffenen Individuums , bald mehr, bald weniger, je nach der Beurtheilung der Motive und der Auffassung des speziellen Falles in seinem Gesammtumfange; ganz besonders aber ist dies der Fall, wenn das Verbrechen in ehrloser Gesinnung wurzelt oder der Gegenstand der Kriminal = Untersuchung ein Vebrechen ist, welches zur Kategorie der s{chweren Verbrechen gehört. Jst auch bei der Einleitung der Kriminal-Untersuchung die geshmälerte Ehrenhaf- tigkeit noch nicht in einer bestimmten fstaatlihen Form, noch nicht thatsächlich festgestellt, und ist es auch denkbar, daß Männer, welche die allgemeine Achtung genießen, zufällig und ohne ein besonderes Verschuldea in eine gerichtliche Untersuchung verwickelt werden können, so ist doch einmal wohl zu erwägen , daß im Volke selbst die Ansicht tief wurzelt, daß mit der Einleitung einer Kriminal-Untersuchung bis zum Erlasse eines freisprehenden Erkenntnisses dem Angeklagten die volle Ehrenhastigkeit nicht ungeshmälert zustehe, und auf der anderen Seite in spezieller Beziehung auf die Standes - Ehre und die ständi= schen Versammlungen insbesondere zu berüdcsihtigen, daß die erstere nah der herrschenden Sitte besonders sorgfältig gewahrt sein will, so wie, daß es für die leßteren, in denen mit dem höchsten politischen Rechte die höchste politische Ehre ausgeübt wird, ganz ungeeignet erscheint, ein Mitglied, über welchem Freiheits- oder Ehren-Strafen shweben, zu haben, diese vielmehr ihrem innersten Wesen nah unbedingt über olche aus einer derartigen Bescholtenheit eines Mitgliedes drohende

ventuglitäten gestellt sein müssen, ollte man aber auch bei dem

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Mangel bestimmter geseßlicher Kriterien über die Wesenheit bescholte= nen Rufes der vorentwickelten Ans! durchgängig beizutreten Beden- fen tragen, so dürfte do im vorliegeuden Falle der gegentheiligen Annahme hon um deswillen keine Geltung zu gewähren sein, weil in demselben nah der bisherigen, mehrfach dargestellten Geseßgebung das Urtheil über Bescholtenheit des Rufes in Beziehung auf ständi he Wirksamkeit vorzüglich von der subzektiven Ueberzeugung des Kö- niglihen Landtags-Kommissars abhängig gemacht ist, und weil zwei= tens die wahlberehtigten Rittergutsbejizer des brieger Wahl-Bezirks sich mit sehr großer Majorität der anderweitigen Wahl unterzogen haben, und damit auf das Evidenteste der Beweis geführt worden ist, daß die wählenden Standesgenossen selbst dem Grafen Eduard von Reichenbah nah anhängig gewordener Kriminal - Untersuhung den Besiß der im §. 5 Nr. 4 des ständischen Provinzial-Geseßes vorgeschrie= benen Eigenschaften niht mehr zugestanden haben.

Die Thatsache, daß dieselben Standesgenossen, von welchen die erste Wahl des Grafen von Reichenbach ausgegangen, bei diesem, nachdem gegen ihn die Kriminal-Untersuchung eingeleitet worden, den Besiß derjenigen Qualität, welche sie im ersten Wahltermin voraus- geseht, als uicht mehr vorhanden erachtet haben, erscheint aber der überwiegenden Majorität der. Abtheilung als ein um \o wichtigeres Moment, als gerade die Standesgenossen am besten geeignet sein dürften, den Werth einer Handlung eines ihrer Mitglieder vom Ge-= sichtspunkte der Standes-Ehre und der Standchaft richtig zu würdigen und darüber ein Urtheil zu fällen, ob io concreto dem O das Zeugniß voller oder geshmälerter Ehrenhaftigkeit gegeben werden ann oder nicht. M Jedenfalls dient dic Vornahme und der Ausfall der Wahl zur Bestätigung der Richtigkeit der subjektiven Ueberzeugung, von welcher sich der Königliche Landtags - Kommissarius bei der Anordnung der Wahl hat leiten lassen. Daß aber bei dieser Wahl der nachträglich vont der Kreis-Ritterschaft in Neisse über die Unbescholtenheit des Grafen Eduard von Reichenbach abgegebenen Erklärung, auf welche die An- tragsteller sich hauptsächlich stüßen, ganz abgesehen davon, daß der gedachten Kreis - Ritterschaft nah der früheren Ausführung die Zus ständigkeit eines Urtheils abging, nicht beigelegt werden kann, bedarf feiner weiteren Ausführung. / E

Es fann sich vielmehr nah der dargestellten Sachlage nur noch darum fragen, ob der Ober-Präsident von Wedell, weil nach seiner Ueberzeugung der Graf Eduard von Reichenbach die Bedingung im g. 5 Nr. 4 des Ständegeseßes nicht mehr erfüllte, überhaupt befugt gewesen, cine anderweitige Wah! anzuordnen, oder ob er nicht viel mehr bis zum Ausgange der gerichtlichen Untersuhung blos auf den im ersten Termine erwählten Stellvertreter, den Landrath Hoffmann, habe zurückgehen müssen. Allein auch hierin is die Majorität der Abtheilung mit dem Verfahren des Ober-Präsidenten von Wedell vollkommen einverstanden. Wäre die Wahl des Grafen Eduard von Reichenbach, als subsidiarish gewählten Landtags-Abgeordneten, bereits von der Jmmediat-Kommission für Stände - Angelegenheiten bestätigt gewesen und erst nach erfolgter Bestätigung die fragliche Kriminal- Untersuchung eingeleitet worden, so würde allerdings, nachdem von des Königs Majestät die Allerhöchste Dispensation für den prinzipa- liter als Abgeordneten gewählten Grafen Oskar von Reichenbach ver= sagt worden war, an die Stelle des subsidiair als Ab eten ge- wählten Grafen Eduard von Reichenbach der vorerwähnte Me treter zum Vereinigten Landtage einzuberufen gewesen sein, wie dies stets in anderen ähnlichen Fällen geschehen ist. Die Wahl des GrafenCduard von Reichenbach war indeß, als gegen ihn die Kriminal-Untersuchung eröffnet worden, noch nicht in der vorgeschriebenen Weise bestätigt, derselbe mit- hin, da in der Allerhöchsten an das Ministerium des Jnnern und der Polizei unter dem 20. November 1840 erlassenen Kabinets-Ordre (ab- gedruckt im Ministerialblatte für die innere Verwaltung von 1841, Seite 5) ausdrücklih bestimmt is, daß die Gültigkeit der Wahllisten erst durch die Erklärung der Jmmediat-Kommission, daß sie gegen dieselben nichts zu erinnern finde, festgestellt werden soll, die Wahl also erst dur die hinzutretende Bestätigung der gedachten Kommission perfekt wird, noch gar niht wikliher Landtags-Abgeordneter, so daß bei dem inzwikchen eingetretenen Mangel eines der in dem ständischen Provinzial-Geseße angeordneten Erfordernisse auf den Stellvertreter hätte rekurrirt werden dürfen. Der Graf Eduard von Reichenbach hatte noch gar kein volles ständisches Recht ; es konnte daher auch von einem zeitweisen Ruhen, von einer bloßen Suspension nicht d'e Rede sein. Der Ober-Präsident von Wedell handelte demnach ganz der Bestimmung des mehrangezogenen §. 29 des ständischen Provinzial= Geseßes, wonah dem Königlichen Landtags-Kommissarius, wenn er in Beziehung auf die Eigenschaften der gewählten Abgeordneten Män=- gel findet, die Befugniß zur Anordnung einer anderen Wahl beigelegt ist , entsprechend, als er unter den dargelegten Verhältnissen von der Ritterschaft des brieger Wahl - Bezirkes eine neue Wahl erforderte. Daß aber endlih die wahlberehtigte Ritterschaft selbst vollflommen in threm Rechte war, als sie der Wahl-Aufforderung in der geschehe- nen Weise entsprochen, kaun hon, von allem Uebrigen abgesehen, aus allgemeinen Rechtsgründen nicht zweifelhaft sein, indem es denen, welche eine Vollmacht ertheilt haben, freisteht, dieselbe zurüzunehmen, wenn die Voraussetzung, auf deren Grund sie mit ausdrücklih ertheilt ist, niht mehr zutrifft. L g A

Die Majorität der Abtheilung hält daher sowohl die Kompetenz des Obcr - Präsidenten von Wedell in dieser Angelegenheit für voll= fommen begründet, als auch sein gesammtes Verfahren und die ander=- weitig vorgenommene Wahl insbesondere in allen Beziehungen für vollständig gerechtfertigt und kann eben deswegen den Antrag der Petenten auf nachträgliche Einberufung des Grafen Eduard von Reichenbach in Stelle des rite erwählten, bestätigten und einberufenen Abgeordneten Grafen von Strachwiß nicht für begründet erachten, erlaubt sih vielmehr bei Einem Hohen Landtage die Zurückweisung des Petitions-Antrages gehorsamst in Vorschlag zu bringen. Die aus2Miktgliedern der Abtheilung bestehende Minoritäthat gegen die vorstehend entwickelteAnsichtderMajorität und derenBegründung nichts Spezielles eingewendet, sondern nur im Allgemeinen erklärt, daß sie dieser Ansicht beizutreten Bedenken trage. Ein Mitglied der Minorität hat dabei dieser Erklärung noch hinzugefügt, daß nach seinem Dafürhal= ten, wenn es bei der ersten Wahl des Grasen Eduard von Reichen= bach nicht habe bewendeu können, wenigstens der im ersten Wahl- Termine erwählte Stellvertreter, Landrath Hoffmann, habe Abgeord= neter werden müssen, und daß der im zweiten Wahl-Termine erwählte Graf von Strachwiß nur dessen Stellvertreter habe werden können, folglih nicht der Leßtere, sondern der Erstere einzuberufen gewesen sei, Eine nähere Begründung dieser Ansicht ist niht gegeben worden.

Berlin, den 12. Mai 1847. Graf von Bismark-Bohlen. Schheven. Graf von Bocholz- Asseburg. Krämer. Douglas. Graevß. Mincley. Graf von Stosch. de Galhaus. Jaraczewski. Sattig. Krause.

von Steffens. von Münchhausen. von Arnim.

Marschall: Die Abtheilung hat in ihrer Majorität den An- trag auf Einberufung des Grafen Eduard von Reichenbah zum Ver- einigten Landtage nicht befürwortet, bevor ih frage, ob der Antrag der Abtheilung Unterstüßung findet, muß ih dem Abgeordneten Herrn

Erste Beilag

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Offermann das Wort geben, weil er Gelegenheit gehabt hat, sprechen. N

Abgeordn. Offermann: Jch gehöre zur dritten Abtheilung, war aber nicht bei der Berathung, sondern fam erst zu derselben, als das Gutachten schon verlesen wurde. Jh erklärte, daß meine Mei- nung abweichend sei, und bat darum, dem Gutachten mit einem Se- parat-Botum beitreten zu dürfen, was mir jedoch abgeschlagen wurde, weshalb ih mir erlaube, meine Ansicht hier zu entwickeln. Das Gut- achten geht nur von einem Gesichtspunkt aus und bemüht ih, die Handlungsweise des Ober-Präsidenten von Wedell sowohl von Sei ten des Rechts als der Moral zu rechtfertigen. Wenn ich auch zu {wach bin und mich nicht für fähig halte, den Rechtsweg zu bestrei= ten, so kann ih doch unter feinen Umständen die Meinung theilen, daß der Ober=Präsident- auch moralisch recht gehabt hat. Das Gut- achten gründet sih auf die Ansicht: es lebe im Volke, daß eine Kri= minal-Untersuchung schon eine Handlung der Bescholtenheit vorgus- seßt, Dies muß i bestreiten. Es lebt dies gewiß nit im Volke, und es läßt sich um \o mehr bestreiten, indem der Geseß= Entwurf, den wir früher berathen haben, dies nit vorausseßt, sondern selbst wenn bet §, 6 ad 1 und 2 das stehen bliebe, was die Regierung vorgeschlagen hat, so ist denunoch die Bescholtenheit nicht ausgespro- chen, sondern jeine Stimme ruht uur, wenn er in Untersuchung be- E Wenn aber der Vorschlag der Majorität durchgeht und

sition 1 und - wegfällt, so müßte der Graf Reichenbach hier gegenwartig sein, Selbst in dem Stande der Herren hat man sich mißbilligend darüber geäußert und den F. 6 ad 1 und 2 zu hart ge- funden, Deshalb gebe ih zu bedeuken, daß, wenn jeßt der Fall vor- kame und das Gesebß so stehen bliebe, wie es vorgelegt worden ist, dann der Stellvertreter hier wäre, und würden die Amendements der Versammlung genehmigt sein, so daß die Position 1 und 2 geneh- migt wären, so würde der Graf von Reichenbach jeßt selbst hier fißen, Denn wenn schon eine bloße Kriminal Untersuchung nämlich für Majestäts= Beleidigung welcher Ausdruck \o weit geht, daß, wie cs hier genommen ist, beinahe jeder von Jhnen sih dessen zu Schulden kommen lassen kann i i

E (Dho! Großes Geräusch.)

E Meine Herren, mau mache einen Unterschied zwischen Majestäts- Verbrechen und einer einfahen Aeußerung, bei welcher eine Beleidi- gung jubjonmrt werden kann. Es kann ein Tadel, ein bloßer Wunsch, wenn er wieder erzählt wird, als Majestäts = Beleidigung ausgelegt werden, Jh widersprehe also, daß die Meinung im Volke bestehe, daß eine Kriminal Untersuchung die Bescholtenheit vorausseßt, und ich trage darauf an, daß die Versammlung, wenn kein besserer Er= solg zu orzielen ist, sih wenigstens dafür erklärt, daß sie den Gra- sen von Reichenbach, nah dem, was vorliegt, uicht für bescholten halt.

Marschall: Bevor ih das Gutachten dei Abtheilung zur Berathung bringe, frage ih, ob der Antrag: Lie Einberufung des Grafen von Reichenbach zu erbitten, Unterstülung sindet?

(Es geschieht.) ;

Abgeordn. Allnoch: Jch fann mih der Ansicht der Abthei= lung niht anschließen, die darin besteht, daß die Annullirung der Wahl des Grafen von Reichenbach riditig sei. Zur Zeit als -der Graf von Reichenbach erwählt wurde, war er in keiner Untersuchung verwidckelt, erst später wurde diese gegen ihn anhängig gemacht, und welche? er joll ein verbotenes Buch Jemandën gegeben haben, er soll es gegeben haben, und darüber ist eine Untersuchung eingeleitet. Was hat die Untersuchung bis jeßt ergeben? es sind eine Menge Zeugen vernommen worden, selbst in dieser Versammluug befinden sich vier oder fünf Mitglieder, die vernommen worden sind. Jch fordere dieselben auf, sih zu erklären, was sie vernommen haben.

(Unruhe in der Versammlung.)

Jch bitte, meine Herren, mich aussprechen zu lassen. Bei dem abgehaltenen Konvente am 31. März in Neisse hat sich nicht eine Stimme gegen den Grafen Reichenbach erhoben, sondern der Vorsitzende Laud- rath von Maubeuge hat sogar dem einen Herrn, der einen ausführ- lichen Vortrag zur Vertheidigung desselben hielt, einen offenen Dauk gezollt, Die übrigen Mitglieder der Ritterschaft haben sih dem an- geschlossen. Wir haben auch in dieser Versammlung zwei Mitglieder, die in Untersuchung gewesen sind, während ihrer Untersuchung wur= den ihrer Stellvertreter einberufen, Sie sind später freigesprochen und sind heute denno unsere lieben Kollegen, der Eine aus der Rheinprovinz und der Zweite aus Schlesien. Jch glaube, daß dies bei dem Grafen von Reichenbach auch der Fall sein wird. Hätte man hier eben so verfahren, so hätte sich für den Grafen von Nei=- enba feine Stimme erhoben, da wir in dieser Angelegenheit leider ein desinitives Geseß noch niht haben. Da ich in dem Kreise wohne in welchem der Graf von Reichenbach sein Domizil hat, \o erlaube ih mir nur noch ein paar Worte über seine Stellung zu seinen Standesgenossen zuzusügen. Er is von den Kreisständen zum Kreis Deputirten erwählt und durch das Vertrauen seiner Standesgenoössen heute Landesältester, Er wurde im vorigen Herbste zum Direktor der neisse= grottkauer Fürstenthums - Landschaft erwählt, diese Wahl aber von Berlin aus abgeschlagen; in Neustadt wurde derselbe zum Landtags=Deputirten-Stellvertreter und in Brieg zum subsidigrischen Landtags-Deputirten erwählt. So vergeht keine Gelegenheit, wo er niht gewählt wird, selbst bei dem Kreistage am 31, März wurde.cr, troßdem daß er sich in Untersuchung befindet, zum Kreis=Armen-Ver- bande gewählt, Es muß also doch etwas voraus gegangen sein, wo- durch sich dieser Mann das Vertrauen seiner Standesgenossen und des Volks im Allgemeinen erworben hat, und ih kaun nicht umhin, zu sagen, daß es mir scheint, als ob man diesen Ehreninann, der seine größte Ehre darin seßt, Vertreter des Volks zu sein, rein dem Volke entziehen will.

Abgeordn, Wodiczka: Jch sür meine Person bin zwar der Ansicht, daß der Ruf des Grafen von Reichenbach unbescholten sei und trete der Meinung der Abtheilung nicht bei, daß im ganzen Volke die Ansicht fest wurzele, daß bei Einleitung der Kriminal - Un- tersuchung vor dem Erkenntuiß der Ruf eines Mannes bescholten sei.

H zur Abtheilung gehört und nicht seine abweichende Meinung dort auszu-

Dagegen muß ih bekennen, daß Viele hier einer anderen Ansicht sind

und zwar insofern, daß die Chrenhaftigkeit eines in Anklagestand ver- seßten Maunes in Zweifel gezogen werden fann. Diese Ausicht be= ruht auf subjektiver Meinung und man kann einem Manne, der diese Ansicht theilt, keinen Vorwurf darüber machen. Diese Ansicht hat auch der Herr Oberpräsident von Wedell gehabt, und er war deshalb verpflichtet, als ihm bekannt wurde, daß der Graf von Reichenbach zum Landtags-Abgeordneten gewählt war, diese seine Ansicht denje- nigen mitzutheilen, die ihn gewählt_ hatten. Hätte er nicht seiner de G gemäß gehandelt, vielmehr wider seine Ansicht die Wahl des Grafen von Reichenbach als Landtags-Deputirten als gültig an- S so würde er pflihtwidrig gehandelt haben. Die Wahl=-Ver- ammlung hat die Ansicht des Ober-Präsidenten getheilt, sie hat we- nigstens faktisch das paß si gefällt, daß sie seiner Ansicht beitritt und zu erkennen gegeben, daß sie den Grafen für bescholten erachtet, denn

hätte die Versammlung des Brieger Wahlbezirks eine andere

Ansicht gehabt, so mußte sie eine andere Wahl ablehnen. Dadurch, das ste die neue Wahl vollzog, trat sie der Ansicht des Oberpräsidenten faf=- tish bei. Das Gutachten der Stände des neisser Kreises kann hier nicht maßgebend sein, denn die Kreisordnung vom 2. Juni 1827 fin- det, da sie sich blos auf die Kreis=Versammlungen bezieht, hier feine Anwendung und kounte uur als Analogie gelten, indem sie dieser Wahl angepaßt wurde, dergestalt, daß die Versammlung des brieger Bezirks die einzige Behörde si, welche zu urtheilen hatte, ob der Graf von Reichenbach besholten sei. Diese Ve. sammlung hat aber, wie erwähnt, faktisch zu erkennen gegeben, daß sie der Ausicht in Betre}ff der Bescholtenheit des Grafen beitrete. Aus diesem Grunde trete ih zwar nicht allen von der Abtheilung entwickelten Ansichten, wohl aber ihren Vorschlägen bei, j Abgeordn. Graf vou Stosch: Als Mitglied der Abtheilung ergreife ih das Wort. Jch glaube, daß diese vorliegende Frage un= ter zweierlei Gesichtspunkten zu betrachten sei: j : l) hat der Ober = Präsident seine amtliche Befugniß überschritten ? und 2) ist Graf von Reichenbach event. einzuberufen ? Die erste Frage bin ih veranlaßt darum zu verneinen, weil das Geseb vom 27, März 1824 g. 29- läutket: „Der Landtags - Kom- missar hat zu prüfen, ob solche in der Form und nah den Eigen- schaften der Abgeordneten, der Vorschrift gemäß, geschehen sind. Nur wenn derselbe in dieser Beziehung Mäugel findet, ist er berechtigt, eine andere Wahl zu verlangen.“ j Der Ober - Präsident hat die Eigenschaften des Grafen von Reichenbah bemängelt und zwar aus dem Grunde, weil, ebe die Wahl genehmigt war, der Graf von Reichenbach wegen Majestäts- Veleidigung in Untersuchung gezogen worden war; und glaube ich, daß nach dem Geseß vom Jahre 1824 der Ober-Präsident von We dell in feiner vollsten Befugniß gewesen. Es wird dies durch ein Sendschreiben des Grafen vou Reichenbach, welches der Abtheilung imit zugegangen, und welches in der Leipziger constitutionellen Stagts- bürger=- Zeitung abgedruckt is, bestritten. Mir scheint aber, daß hier ein großer Jrrthum zu Grunde liege. Es wird dies nämlich aus dem Grunde bestritten, weil eine Wahl-Kommission den Grafen von Reichenbach als völlig uubescholten erklärt habe, Hiernach ist eiue Verwechselung des Gesebes v. J, 1824 eingeschlihen. Nach unserer Kreiwordnung v. J. 1827 wird bestimmt: wenn die Bescholtenheit in Frage gestellt wird, so hat zuerst die Kreis - Versammlung und dann der Landtag darüber zu besinden; dagegen sagt das Gesetz vom Jahre 1824: daß, wenn die Bescholtenheit in Frage gestellt is, von Seiten der Abgeordneten der Ober-Präsident zu ermessen habe, ob derselbe einzuberufen sei oder nit; event. wird ihm die Befugniß gegeben, eine andere Wahl auszuschreiben. Von dieser Befugniß hat der Vber-Präsident von Wedell Gebrauh gemacht und ist, wenigstens nah meinem Ermessen, im vollsten Rechte gewesen. Man könnte nach dem Gesagten die zweite Frage: ob. der Graf von Reichenbach event, emzuberufen sei, fallen lassen. Jch will aber annchmen, fkei= neôweges jedoch zugeben, daß der Ober-Präsident von Wedell seine Befugniß überschritten habe, so muß ih mich dennoch dahin gqus- prechen, daß selbs in diesem Falle der Graf von Reichenbach nicht einzuberufen sei, Die Stände des Wahlbezirks Brieg haben nämlich zuerst den Grafen von Reichenbah gewählt. Es trat nun der Fall ein, daß die Kriminal - Untersuchung wegen Majestäts - Beleidigung über ihren Abgeordneten verhängt und eine neue Wahl ausgeshrie-= ben wurde. Diese neue Wahl hat mit größer Majorität, 19 gegen 4 Stimmen, beschlossen: den Grafen vou Strachwiß als ÄAbgeordue- ten zu wählen, Meiner Ueberzeugung nach is somit das erste Man- dat erloshen und die neue Wahl des Grafen von Strachwißz voll= ständig gültig. Seine Wahl ist nämlich rite vollzogen, Allerhöchst bestätigt, und hat Graf von Strachwib bereits seit dem 11. April c. in unserer Mitte gesessen; und es würde mehr als hart sein, ihn wieder zu verweisen und einen Auderen einzuberufen, dessen Mandat erloshen is, Jh erlaube mir hinzuzufügen, daß die Petition eigent= lich dahin gerichtet is, wenn wir es unverschleiert nehmen, daß wir die Bitte an Se, Majestät richten sollen, daß ein Rittergutsbesißer, der gegenwärtig wegen Majestäts - Beleidigung in Kriminal = Unter- suchung verflochten ist, seinen Plaß in dieser Versammlung cinnehmen solle, Jch weiß niht, ob von dieser Versammlung ein derartiger Antrag an die Stufen des Thrones gelangen fönunte, nach meinem Gefühl wenigstens nicht, und ih halte dics sür durchaus unzulässig. Aus den dargelegten Motiven habe ih für die Ansicht der Abthei- lung gestimmt, und wünsche ih, daß die hohe Versammlung dieser Ansicht beitreten wolle. : Abgeordn. T scho cke: Hohe Versammlung! Die Darstellung und Ausführung des Gutachtens der Abibeilung über die von nir nmitunterzeichnete Petition is Jhuen bekannt. Sie werden mir ge- late meine Gegenansicht darüber hier auszusprehen: Die geehrte Abtheilung hat zuvörderst einige Vemängeluug über die Petition aus- gesprochen, daß sie sich uicht auf das Gesetz, soudern nur auf die Kreis-Ordnunug von Schlesien u. #, w. begründe; sie hat ferner aus- gesprochen, daß nit diese Kreis-Ordnung hier eintreten könne, son- dern das Geseß vom Jahre 1824, Es soll dies als richtig und WaYr Aas. Wp die Petenten hatten die Kre's-Ordnung zur Begründung 1hres Antrags angeführt, ih finde aber bei der Prüfung des Gesebes vom Jahre 1824 zu meiner Genugthuung fast gar feine wesentliche Unterschiede , alle Kriterien sind noch dieselben, mit Aus- nahme des Alters, denn nah derx Kreis - Ordnung soll ein Mitglied stimmsähig sein, wenn er 24 Jahre alt'ist, nah dem Gesetze vom „Zahre 1824 aber erst, wenn er das 30ste Jahr erreicht bat Eg ist mun gesagf, daß der Laudtags-Kommissar zu prüfen habe, ob die I nr cky (F; “Aue Wahl in Form und nah der Eigenschaft der Abgeordueten vor- \hristömäßig geschehen sei, Lassen Sie uns einen Augenblick bei diesem Ausspruch verweilen, lassen Sie uns diese wenigen Worte prü- fen, w?il, nah meinem Dafürhalten, hier der ganze Umfaug Kin Wirksamkeit des Landtags-Kommissars ausgesprochen ist Der Kont- missar hat also zu prüfen, ob der zu Wählende oder Erwählte die Eigenschaften hat und den vorgeschriebenen Bedingungen entspricht Diese sind zehnjähriger Grundbesiß, ein gewisser Wertb des Grund- besibes, ein gewisses Alter und dann noch Eigenschaften, worunter die Unbescholtenhèit des Rufes zu verstehen sei. Alle diese hier verzei)- neten Eigenschaften besißt Graf vou Reichenbach, und sie sind von keinem seiner Gegner bemängelt worden, und hier handelt es sich aller- dings blos um den Ruf der Unbescholtenheit. Es sei mir die Frage erlaubt, wie fonnte der Kommissar den Ruf der Unbescholtenheit für so begründet erachten, daß er eine neue Wahl anordnete, der Kom- missar hat also etwas gethan, was er nur- thun konnte und thun durfte, wenn ein gerichtliches Urtheil über den Grafen vorhanden war er durfte in dem Augenblick nit mehr thun, als den Stellvertreter einberufen und die Wahl des Reichenbach ruhen lassen. Meine Herren! Es ist etwas \{wer, eine solche Behauptung zu widerlegen, ich darf mi aber wohl auf die im preußischen Volke | mir und Jhnen Allen nicht unbekannten Urtheile beziehen; wir wissen |

ußishen Zeitung.

Sonnabend den 22sen Mai

eas

Alle, daß, wenn Jemand mit Recht oder Unrecht gemängelt oder ver unglimpft wird, eine Menge nicht denkfungsfähiger Menschen das für wahr annehmen werden, was sie von Anderen hören, Wir gber die wir wissen, was in solchem Falle zu thun is, wir haben die Pflicht uns zu unterrichten, ob eine Anschuldigung eine solche if, eat der Betreffende seine Ehrenhaftigkeit verloren habe. Es is auch ange- führt worden, daß ein Beweis daraus könne genommen werden, daß die Wähler den Grafen von Reichenbah nicht wiedergewählt haben, was sle zu thun berechtigt waren. J bin allerdings etwas ent- fernt von diesem Wahlorte und will au den Hergang, wie man ihn mitgetheilt hat, niht anführen, weil er für das Urtheil der Versamm- lung niht maßgebend sein fönnte, ih sage aber, wenn die Wähler ihn nicht wieder gewählt haben, so folgt daraus nit, daß er nicht mehr wahlfähig war. Es fann dies aber au gar nit als erheb- lih betrahtet werden für die Beurtheilung der hohen Versammlung, da durch die Nichtwiedererwählung des Grafen Reichenbach auch nicht das Geringste von seinem Rechte verloren gehen kann, Esist bereits mit- getheilt worden, worin diese Majestäts-Beleidigung besteht, wodurch sie herbeigeführt ist; ich erlaube mir dies noch einmal in Erinnerung zu bringen. Sie besteht darin, daß der Graf von Reichenbach eine Broschüre Jemanden gegeben haben soll, ob geliehen oder geschenkt, weiß ih nicht, der nun davon den herrlihen Gebrauch gemacht hat, ihn zu denunziren. Erlauben Sie mir, daß ih so ofen bín, wie ich es gern jein möchte; ih glaube, daß Alle, die wir hier siben, si sagen müssen, auch ih habe einmal ein verbotenes Buch ge=- habt, auch ih habe ein verbotenes Buch gelesen. Meine Herren, Sie haben es vielleicht niht gekauft, als es verboten war, sondern ehe es verboten war, und wer kennt nicht den Reiz, den eiu solches Verbot hat; wer i} im Stande, einem Freunde die Bitte abzuschlagen, wenn er kommt und sagt mir: ih möchte ihm das Buch leihen. Meine Herren! was nun auch immer für die Recht= fertigung des Verfahrens seitens des Herrn Kommissars gesprochen, geschehen und geurtheilt werden möge, was auch immer noch gegen die Klage hier angeführt und geäußert werden möge, so viel ist: ge= wiß, ih wiederhole es, der Landtags-Kommissar hat gethan, was er nah meinem Dafürhalten zu thun nicht berehtigt war. Zur Be- gründung, daß Jemand in den größten Verdacht kommen fann un- schuldigerweise, dafür Beispiele anzuführen, würde mir nicht {wer werden. Beispiele für noch weit größere Anklagen, als diese ist. Haben wir doch den Fall erlebt, daß Männer in ihrer Heimat auf- gegriffen und vier Monate lang eingekerkert waren und nach vier Monaten als unschuldig freigesprochen wurden. Jch nenne Jhnen einen solchen Mann. Es is} der Fabrikbesißer Schlöffel. So, meine Herren, empfehle ih diese Petition, die Sache des Rechts und der Wahrheit, Jhrem Schuß, Jhr Urtheil wird mich zufriedenstellen. Justiz-Minister Uhden: Jh muß mix die Bemerkung erlau=- ben, daß der Redner, der \o eben gesprochen, Details angegeben hat, wie sie ihm von der Untersuchung wider den Grafen von Reichen=

bach befanut geworden sind, Doch hätte derselbe in dieser Beziehung in seiner Rede ein wenig zurückhaltender sein können, da diese De-= tails nicht von der angegebenen Art sind. Die Sache ist die : wider den Grafen von Reichenbach is denunzirt worden, daß er eine Schrift ver=- breitet habe, die Majestäts=Beleidigung enthielt, und das Ober=Lan= desgeriht in Ratibor hat noch mehr darin gefunden, nämlih den Versuch des Hochverraths. Das Kammergericht, zum Gutachten dar= über aufgefordert, ist aber der lebteren Ansicht nicht beigetreten. Was die Majestäts-Beleidibung betrifft, so müssen wir die Entscheidung darüber dem fompetenten Ríchter überlassen und i muß bitten, mir die Vetails zu erlassen, denn die Untersuchungs - Akten sind bis jeßt noh für feinen ofen. Der kompetente Richter hat die Untersuchung eingeleitet und wir müssen erwarten, was dieser darüber erkennen wird.

Abgeordn, Werner: Jch bin Antragsteller und habe zu be= merken, daß ih in dieser Sache ein Amendement angemeldet habe. h \hicke voraus, daß ih die Bemerkung des Herrn Justiz - Mini= sters für ganz richtig halte und nicht weiter darauf eingehe, Nach meiner Ansicht und nah dem \chon früher Ausgesprochenen is der Graf von Reichenbach unbedingt ein ehrenwerther Mann, das is es, was mich prinzipaliter bewogen hat, den Antrag zu stellen, indem er nah meinem Dafürhalten in seinem Rechte verleßt worden ist. - Es war ferner meine Schuldigkeit, diesen Antrag zu stellen, weil in der Stadt, welche ih zu vertreten die Ehre habe, die Wahl vorgenom= men is, der Bevollmächtigte der Stadt Brieg bei der ersten und zweiten Wahl gegenwärtig und einer derjenigen war, welcher gegen die zweite Wahl als nicht geseßmäßig protestirte. Jh muß mein Bedauern darüber ausdrücken, daß die Abtheilung es nicht für gut befunden hat, die Akten einzufordern, sondern si{ch nur mit einem Promemoria begnügt hat. Das Gutachten veranlaßt mich, einige nähere Daten zu geben, namentlih darüber, was die Zeit anbetrifft. Jm Anfange des September war die Wahl des Grafen von Rei- chenbach in Brieg, und bis zum Anfang des Dezember i} von einer Kriminal - Untersuchung niht die Rede gewesen; es sind also zehn Wochen verstrichen, ehe der Graf von Reichenbah in die Unter-= suchung verwickelt gewesen ist. Daß dies ein unangenehmes Gefühl erregen muß, is natürli, wenn man bei einer \o einfachen Sachlage mit der Prüfung der Wahllisten zehn Wochen wartet, Wir haben früher s{hon einmal gehört, daß wir in Liberale, und solche, die der Regierung angenehm sind, eingetheilt werden, und.ih fürchte daher, daß diejer Aufschub von zehn Wochen daran gelegen habe, weil man den Grafen von Reichenbach zu den Liberalen gezählt habe. Sei dem, wie ihm wolle; ih glaube, daß eine Einleitung in Kriminal - Unter= suchung shlechterdings nicht hinreichend sei, Jemanden zu veranlassen, auszusprechen : der oder der if bescholten; nur dann, wenn die Unter- suchung ergeben hat, daß das, was man ihm zur Last gelegt hat, wahr is, fann er für bescholten gehalten werden. Die Versammlung hat sih shon dahin erklärt, daß man nicht wohl annehmen ftann, daß Jemand, der in Untersuchung is, au {hon bescholten sei. Jh will nur noch einige kleine Umstände, welche hier in dem Gutachten ausgesprochen sind, einer Kritik unterwerfen und versprehe, mich darin sehr kurz zu fassen, und ich fange gleich bei der neunten Seite an:

„Der Graf Eduard von Reichenbah hatte noch gar kein volles

ständisches Recht; es konnte daher auh von einem zeitweisen

Ruhen, von einer bloßen Suspension nicht die Rede sein.““ i Das bezweifle ih, und daß derjenige, der gewählt ist, noch fein stän- disches Recht hat. Durch die Wahl hat nach meiner Ansicht ein Jeder schon ein ständisches Recht erworben, ob hernach die Gesebe anders ausgelegt werden fönnen, weiß ih niht; was aber den Wahlakt im zweiten Termine anbetrifft, da is allerdiugs gesagt wor=- den: daß nur im Allgemeinen gegen die E protestirt sei, ob sie als faftische Wahl anzunehmen Le Ich mu e sagen, daß

Vier gegen die Wahl protestirt und die Anderen gesagt haben, die neue Wahl ist befohlen, und darum müssen wix noch einmal wählen. Es ist mir lieb, daß ih nicht einer der Wähler bin.

(Großes Geräusch.)