1847 / 141 p. 4 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Mar fall: Jh muß bemêrkén, daß es nitht erlaubt ist, Per-

sönlichkeiten einzumischen. i

jeordn. Werner: Jh érlaiibe mir nir toch, mein Amen- dement vorzutragen : : «diast befeb= ¡H Se. ajestät allerunterthänigst zu bitten, Allergnädigst P

len zu wollen, daß unter Bestätigung der geseßlich S E

Wahl des Grafen Eduard von Reichenbach, B ppe

trétér, Landräth Hoffmann, einberufen, werde, E le E c

des Ersteren nur, so lange die atte hung daure,

als r 1 betrachten wären; Mle : :

E Majestèt Fr citettbfetint zu bitten, die geseplih erfolgte

Wahl des Grafen von Reichenbah sodann Allergnädigst be-

stätigen zu wollen, wenn derselbe in der über ihn verhängfen

Kriminal - Untersuhung freigésprochen werde, seine vollkommene

Unbescholkenheit mithin hierdurch geseblih feststehe.““ ;

bitte Sie, zu bedenken, daß, wenn die vollständige Freisprechung erfolgt ist, wie fommt es, daß er sechs Jahre lang dem Urtheil dés Ober-Präsidenten sich fügen muß, weil man den Leßteren für befugt erachtete, ihn blos aus dem Grunde, weil er in eine Kriminal-Unter- suhung verwidelt war, von den ständischen Rechtên auszuschließen; ih émpfehle deshalb das Amendement der verehrten Versammlung und bitte nur noch, daß wir hier vorzüglich zeigen mögen, daß es gilt, nit die {rofe Auslegung der Buchstaben des Geseßes zu be- wahren, sondern zu zeigen, daß wir unser Reht wahren wollen, wie es in der Brust des Biedermannes si findet.

Zusstiz - Minister Uhden: Die Sache is \o dargestellt worden, als wenn die Einleitung der Untersuchung absichtlich bis auf 10 Wochen ausgeseßt wäre. Jh habe {hon früher bemerkt, daß das Ober= Wndesgericht zuerst der Ansicht gewesen, daß das Kammergericht kom- pétent wäre, die Untersuchung einzuleiten. Das Kammergericht hat indessen zuerst aus formellen Gründen Anstand genommen, das Gut- achten zu erstatten. Nach Beseitigung diesés Bedenkens hat es das erforderte, hon oben gedachte Gutachten abgegeben. Zieht man den gewöhrilihen Geschäftsgang in Erwägung, o ist es einleuchtend, daß die Untersuhung nicht früher eröffnet werden fonnte, und daß die Verzögerung der Untersuchung nur durch das Hin- und Herschreiben éntstanden ist.

Landtags-Kommissar: Der geehrte Redner, welcher zu- leßt die Redner - Tribüne verlassen, hat auch dieser Angelegenheit die Wendung geben wollen, als sei sie eine Tendenz - Angelegenheit, als sei der Graf von Reichenbach deshalb als Landtags - Deputirter nicht béstätigt worden, weil er einer Partei angehöre. Jch glaube, daß das Göuvétnemtut seit den 24 Jahren des Bestehens unserer pro- vinzialständischen Verfassung in Beziehung auf die Respektirung der

Wahlfreiheit sich einen sehr guten Ruf erworben hat. Jn dem vorliegenden Falle is wenigstens die Central-Verwaltung vollkommen unbetheiligt, indem dieselbe er| nah der Beendigung der Wahlen von dem Saverhältniß in Kenntniß gesebt is, ob der Ober - Präsident sich den Ruf erworben hat, wegen Tendenzen und Meinungen Unge-= rehtigkeiten zu begehen, das müge die Versammlung, das mögen na- mentlich die Mitglieder aus der Provinz Schlesien beurtheilen.

(Viele Stimmen: Nein!)

Was nun den zehnwöthentlichen Ausenthalt zwischen der Wahl und der Bestätigung anlangt, so muß ih bemerken, daß auch hiergus auf keine Tendenz ges{lossen werden kann, weil ers sämmtliche Wah- len vollendet sein müssen, ehe die Wahllisten an das Ministerium des Fünern und von dort an die ständische Jmmediat-Kommission einge- reiht werden, und mithin eine ungewöhnliche Verzögerung in keiner Weise stattgefunden hat.

Meiner Ansicht nah, handelt es sich übrigens niht darum, ob der Graf Reichenbach zur Zeit seiner Wahl bescholten war oder tht, ob er jeßt besholten is oder nicht. Es handelt sich auch nicht darum, ob der Wahl-Kommissarius, indem er eine neue Wahl anordnete, in seinem Rechte war, oder nit; sondern es handelt sih lediglich darum, wer von den beiden gewählten Personen rite und vollständig ge- wählt worden is und wer niht. Hier liegt aber cine unvollstän-= dige Wahl vor, diejenige des Grafen Reichenbach, weil ihr die

Bestätigung fehlt, und eine nah allen Formen vollständige und be - stätigte Wahl, diejenige des Grafen Strachwibz deshalb hat der Graf Strahwiß ein volles und wohlerworbenes Recht, Mitglied dieser Versammlung zu sein, auch wenn der Ober-Präsident seine Wahl mit Unrecht angeordnet hätte. Daher kann, meiner Ueberzeu- gung nah, in keinem Falle der Antrag gestellt werden, eine nicht vollständig gewählte Person statt der vollftändig gewählten einzube- rufen, sondern es könnte sich nur um eine Beschwerde wider dei Wahl-Kommissarius handeln. Eine solche Beschwerde dürfte aber der Len Versammlung nicht zustehen, da sih dieselbe mit allgemeinen andes-Angelegenheiten, nicht mit Einzel-Beshwverden gegen Beamte, zu befassen hat.

Abgeordn. Sattig: Es ist von dem vorleßten Redner darauf hingewiesen worden, es sei nothwendig, daß wir hier nicht das schroffe eses gelten lassen ließen. Ich bin der Meinung, es is vorzugsweise wichtig, daß wir das Geseß streng gelten lassen, weil es sich darum handelt, das Recht und die Ehre, sowohl des Ober-Präsidenten von Wedell, als des Grafen von Reichenbach, ins Auge zu fassen. Jch erlaube mir persönlich kein Urtheil über den Ruf des Grafen von Reichenbach; ih glaube auch, daß es gar uicht darauf ankomme, ein Urtheil darüber zu fällen, sondern daß nur vorliegt, zu beurtheilen, ob das Verfahren geseblih ist oder nicht. Jun dieser Beziehung müssen wir ins Auge fassen, daß, um die Wahl perfekt zu machen, zwei Akte nothwendig sind, einmal die Wahl selbst und dann, daß zur Wahl die Bestätigung treten mußz dies hat die Kabinets-Ordre von 1840 ausdrücflih ausgesprochen. Wollte man annehmen, daß aus der Wahl allein ein Recht gefolgert werden könnte, daß man als Abgeordneter einberufen werden müßte oder der Stellvertreter, so würden wir in den Fall kommen, daß, wenn ein Minorenner ge- wählt würde, der Stellvertreter so lange einberufen werden müßte, his der Erstere das gesebliche Alter erreicht hat. Ich bin der An- Lr daß die Bestätigung zur Wahl nothwendig is. Jst keine Be-

gu erfolgt, \o is fein Abgeordneter da, und es kann auch kein ‘Stellvertreter für ihn einberufen werden, Es kann Jemandes Stelle überhaupt nur vertreten werden, wenn Jemand wirklich da ist, der vertreten werden sollez ist also kein Abgeordneter da, so is das Ein= berufen des Stellvertreters nicht gestattet. Es fragt sich daher nur, ob die Wahl des Grafen Reichenbach nicht bestätigt werden mußte. ierbei fommen zwei Fragen zur Sprache: ob der Ober - Präsident erehtigt war, die Entscheidung darüber zu treffen, ob der Ruf des Grasen 2 eihenbah getrübt sei oder nit, und nah welhen Grüund- sähen hierbei zu entsthèiden war. Die erste Frage hatte dèr Ober= ent A entscheidèn.

le Kreis-Oxdnung kann hier niht maßgebend sein, weil es sich

N tines Lame ets eines Kreistags- bgeordneten handelt, son- -Foébtben C VAEN bgeordneten. Die provinzialständischen elo Lr éwählten z Ore Mtüsientén das Recht zu, die Eigenschaften Ruf, folglich ist der Ober auch den Ruf zu prüfen bere Bestimmung des ‘provinzialständischei sein, aber jebt, so lange wir nv kein i guch hier noch in Anwendung bringen,

en zu ‘den Eigenschaften O auch der

enden Geseben, gs kann an si diese eyes ne Pia wert eres haben, müssen wir es Fragen wir nun, öb der

gj nah den be

306

j Ober-Präsident bérehtigt war, wegen der bloße Einleitung einer

Kriminal-Untersuhung die Bescholtenheit des Rufes anzunehmen, so bin ich prinzipalitér der Meinung, daß es nicht unbedingt nothwendig war, dies zu thun, sondern daß dies von der subjektiven Beurthei= lung abhängt. Es is aber hier ins Auge zu fassen, baß Se. Majestät der König im Landtags-Abschiede für den rheinischen Land- tag den Grundfaß für die Behörden angeordnet hat, daß die bloße Einleïtung einer Kriminal-Untersuchung schon darüber entscheidend sei, ob der Ruf für getrübt anzusehen sei oder nicht. Wenn wix uns also überzeugén, daß nah den bestehenden Geseßen von dem Ober= Präsidenten sowohl die Entscheidung über die Unbescholtenheit des Rufes erfolgen, als auch der Ruf als getrübt angësehen werden durfte, und daß der Stellvertreter niht einberufen werden kann, \o latige kein Abgeordnetér da ist, so, glaube ih, ist auch das Verfahren gerechtfertigt und der Antrag nicht begründet.

Eine Stimme bittêt ums Wort.

(Vielfachèr Ruf zur Abstimmung.)

Abgeordn. Frhr. von Vin cke: Darf ih mir eine kurze Bemerkun erlauben in Bezug auf den Gang der Debatte? Es scheint mir, daß der Gegenstand von unendliher Wichtigkeit für die hohe Versamm- lung in vielen Beziebungén ist; es scheint mir aber auch die Zeit so weit vorgerückt zu sein, daß eine ruhige Diskussion nicht mehr mög- lih is. Jch trage daher bei dem Herrn Marschall darauf an: die Fortseßung der Debatte bis morgen zu vertagen.

(Von vielèn Seiten: Ja! Ruf zur Abstimmung. Der Marschall giebt mit der Klingel das Zeichen zur Ruhe.) S

Jch erlaube mir noch zusäßzlich anzuführen, daß wir bis jet fast nur die Vertreter der éinen unmittelbar bei dieser Sache betheiligten Provinz vernommen h&ben, Jh glaube nit, daß diese deshalb bez fangen urtheilen, aber wir müssen doch auch die anderen Provinzen darüber sih ausspréchen hören.

Marschall: Jch habe die hohe R lis e zu fragen, ob ste den Schluß der Debatte haben will, und falls dies nicht beliebt wird, fommt sie zur Vertagung.

Eine Stimme: Jh bitte zu erwägen, daß mehrere Redner uns Wort gebeten haben, um Mehreres vorzubringen, was noch nicht vorgebracht worden ist. :

Marschall: Das wird die Versammlung in Betracht nehmen, und bemerke ih, daß sich noch 10 Redner gemeldet haben.

Jch frage nin, ob der Wünsch, die Debatte zu s{ließen, Unters stüßung findet ?

(Einige Stimmen: Heute oder überhaupt ?) (Die Mehrzahl unterstüßt den Antrag.)

Jett will ih den Antrag zur Frage stellen : ob überhaupt die Debatte geschlossen, nicht ob sie vertagt werden solle? Diejenigen, welche wünschen, daß es zur Abstimmüng fomme, bitte ich aufzustehen.

(Das Stimmenverhältniß konnte nicht übersehen werden, weshalb der Marschall durch die Ordner die Stimnien zählen läßt. )

Das Resultat der Abstimmung is folgendes : sür den Schluß der Debatte sind 216 Stimmen, für die Fortseßung derselben 262 Stimmen.

(Bravo !) E :

Da die Zeit zu weit vorgerüct ist, so schließe ich heute die Sihung. In der morgenden Sißung, die um 10 Uhr beginnt, wird zuvörderst die heutige Debatté fortgeseßt; dann sind an der Tages= Ordnüng: die Gutachten über das Petitiönsrécht, über die ständi= chen Wahlen in Beziehung auf die Dissidèntei; dant folgt das Gutachten über die Ergänzung der Herren-Kurie und das Gutachten über das Schußgeld.

(Schluß der Sigzung nah 4 Uhr.)

Sitzung der Kurie der drei Stände am 18. Mat. ®) Die Sibtung beginnt unter dem Vorsiß des Landtags-Marschalls

von Rochow um 10 Uhr 20 Minuten, mit Verlesung des Protofköólls

der vörigen Sihung durch den Secretäir von Bockum-Dolffs.

Marschall: Findet sih zun Protokoll etwas zu bemerken?

Eine Stimme (vom Plat): Bei Gelegenheit, wo von den Be- richten, die Namens des Landtages an Se. Majestät vorgelegt werden, die Rede i}, is gesagt worden, daß der Abtheilungs-Bericht nochmals an die Abtheilung zurückgegeben werden soll. Es ist aber die Rede gewesen von den Berichten, die Namens des Landtags vorgelegt werden.

Secretair von Bockuim-Dolffs verliest die betreffende Stelle nodh einmal. i Die vorige Stimme: Das is es eben, die Berichte werdén an Se. Majestät den König Namens des Landtags gemächt.

Marschall: Also würde das Wort Abtheilung wegfallen.

Secretair von Vockum-Dolffs verliest die betressfende Stelle noch einmal.

Da weiter nichts zu bemerken is, so erkläre ih das Protokoll für genehmigt.

Ein Petitions-Antrag des Herrn Abgeordneten Hansemann auf Vorlage eines Geseb-Entwurfes, durh welchen die Zustimmung der allgemeinen ständischen Versammlung zu den von dem Staate über= nommenen und noch zu übernehmenden Garantieen von Eisenbahn- Papieren nachträglich festgestellt werden möge, war an die Vereinigte Kurie gegangen, um dort berathen zu werden. Diese Abtheilung hat jedo erklärt, diesen Gegenstand mit dem dort verhandelten nicht in Verbindung bringen zu könnenz er is mir deshalb zurückgekommen, und ic eésuthe min die siebente Abtheilung, ihn zur Berathung vor= zubereiten. ;

Abgeordn. von Puttkammer: Jn den Zeitungs - Berichten über die Sibung vom 12. Mai findet sih eine unrichtige Bezeichnung der Pfandbriefe als landwirthschaftliche Pfandbriefe. Es muß jedoch heißen : landschaftliche Pfandbriefe. :

Marschall: Dies wird durch den heutigen Bericht erledigt werden.

Abgeordn. Allnoch: Es ist in dem gedruckten Protokolle über die Sißung vom 7. Mai auf Seite 108 der Name Allner aufgeführt. So viel ih weiß, giebt es keinen solchen Namen in der Versammlung. Meín Name ist Allnoch. Jh lege keinen großen Werth auf den Antrag, den ich dort gestellt habe, aber ih lege einen größeren Werth darauf, daß die Nameñ richtig genannt werden, namentlich aber, daß kéine aufgenomnen werden, die gar nicht existiren.

Marschall: Dies würde zu berichtigen sein. Der Herr Ab- geordnete von Schenkendorf hat die Bitte, welche die Versammlung an Se. Majestät den König in Beziehung auf den Nothstand richten will, abgefaßt. Jch bitte, den Entwurf vorzutragen.

Abgeordn. von Schenkendorff (liest vor) **): Hi

Marschall: J etwas gegen die Fassung dieser Erklärung der Versammlung zu bemerken ? j

Abgeördn. von Brüunneck: Jh möchte noch bitten, den Zusaß zu machén, daß die höchst mögliche Ausdehnung und Beschleunigung erbeten werde. j

__*) Manuskript, 202 Folio-Blätter, erhalten; Freitag, den 21. Mai, Morgens 8 Uhr, 1B Miau N D, Red, *#*) Der Entwurf wird nachgeliefert werden,

Eine Stimme: Soll diese Erklärung, so wie sie hier vor- gelesen ist, an Se. Majestät den König abgehen?

Marschall: Sie ist nicht an Se. Majestät den König ge- rihtet, sondern wird von mir an den Herrn Marschall der Herren- Kurie gesandt werden, damit diese Angelegenheit au dort berathen werden fann, und wenn der Beitritt der Herren - Kurie erfolgt ist, gehen allerdings beide Schriften an Se. Majestät den König, ohne daß sie jedoch an Allerhöchstdieselben gerichtet sind, indem sie durch Vermittelung des Herrn Landtags - Kommissars befördert werden.

Ist nichts dagegen einzuwenden, daß dem gemachten Antrage gemäß das Wort schnell hinzugefügt wird? |

Referent von Katte: Es würde dies nur eine Verstärkung des Ausdrucks sein, indem an einer früheren Stelle hon die Rede

davon ist. L i Marschall: Also isst die vorgeléfene Erklärung angenommen ?

Herr Referent von Katte hat ebenfalls den Entwurf des Bitt» schreibens, betreffend die Abänderung des Geschäfts - Reglements, abgefaßt; derselbe ist bereits durch die Abtheilung gegangen und dort genehmigt worden, ; :

“Referent von Katte: (Liest den vorerwähnten Entwurf vor) *).

Abgeordn. Zimmermann aus Spandan: Bei dem Passus, wo es sich um die Wahl der Herren Secretaire handelt, war mir eine Stelle, der Ausdruck: „der Marschall“, nicht ret klar; ih bitte, mir diese Stelle noch einmal vorzulesen,

Referent von Katte: Dieser Ausdruck is mehreremal vorge» fommen, und ih muß bitten, mir die Stelle näher zu bezeihnen.

Abgeordn. Zimmermann aus Spandau: Gleich im Anfange, wo von der Wahl der Secretaire die Rede und gesagt ist: „Sie sind Beamte , bitte ich die Verlefung zu wiederholen, da ein Passus nicht völlig verstanden ist. E /

Pu (Der Referent liest die bezeichnete Stelle noch einmal.) /

Jch habe hier nichts zu erinnern. Dagegen habe ih noch eine Bemerkung. Es is im weiteren Verlaufe des Referats gesagt: „¡ZUr Wahrnehmung der verschiedenen politishen Richtungen.“ Jh bitte, diese Stelle gleichfalls noch einmal zu lesen. Jh weiß nit, bei welchem Paragraphen es vorkommt. Es is die Stelle, wo vou der Wahl der Abtheilung die Rede is.

(Referent liest die Stelle.)

Fch glaube, daß es bei der Diskussion dieses Paragraphen mehr darauf ankam, den verschiedenen Ansichten Geltung zu verschassen. Der Ausdruck „verschiedene politische Richtungen“ scheint mir etwas zu Spezielles anzudeuten. Es muß uns aber auf eine besondere Ge- nauigkeit des Auzdrucks ankommen, da alle Verhandlungen durch den Druck der Oeffentlichkeit ibergeben werden, wodur ein etwaniges Mißverständniß um \o größere Bedeutung erlangt. Jch habe mich niht überzeugt, daß \o weséntlich verschiedene politische Richtungen überall vorwalten, dagegen muß es der Versammlung darauf ankom-= men, den verschiedenen AÄnsichken Geltung zu verschaffen; in diesem Sinne wurde die betreffende Debatte gepflogen ih \chlage daher vor, den Ausdruck „politische“ fortzulassen.

Eine Stimme: Jch habe bemerken wollen, baß sehr ver schiedene divergirende politische Ansichten vorhanden sind. S

Marschall: Also es könnte das Wort „politisch wegbleiben.

Abgeordn, Zimmermann aus Spandau : Das Wort „(politisch ist es gerade, gegen welches ich aus den angeführten Bedenken An- stand nehme. In der betreffenden Debatte handelt es sich generell um die Vertretung der verschiedenen Ansichten, von denen politisch verschiedene Ansichten meines Erachtens nur einen Theil bilden, wäh- rend “es doh darauf ankommen muß, allen verschiedenen Ansichten Raum zu verschaffen; weshalb ih antrage, den Ausdruck „politisch fortzulassen. Zur Wahrung der verschiedenen Ansichten hat übrigens der Herr Marschall durh Ernennung von Korreferenten bereits ein zwedck= mäßiges Auskunftsmittel getoffen. ; | j

Eine Stimme: Jh bin anch einverstanden damit, daß das Wort „politish“ wegfällt. Das Wort „Richtung““ scheint mir besser bezeichnend als das Wort „Ansicht.“ Richtung, Tendenz im Allge- meinen is ein anderer Begriff und \cheint mix viel umfassender und entsprechender zu sein.

Abgeordn. Zimmermann aus Spandau: Mir kam es nur auf den zu engen Ausdruck politish ‘“ an. Jusofern dieses entfernt wird, stimme ih mit der eben gemachten Bemerkung überein,

Marschall: Es wird also das Wort „Richtung“ bleiben und miutr das Wort „politisch“ wegfallen.

Eine Stimme: Jh möchte mir einen Aufschluß erbitten in Betreff der Wahl der Referenten: ob es sich von den Referenten in den Abtheilungen handelt?

Referent: Darüber is der §. 13 maßgebend.

Eine Stimme: Jch erlaube mir eine kleine Bemerkung zu 8. 26 e. Dort ist von den Abtheilungen die Rede. Der Vorschlag cheint mir etwas undeutlih. Es könnte scheinen, daß man zur Er- zielung des Einverständnisses der beiden Kurien die Abtheilungen zu- \saniietitreten lasse, während dies doch nur der Fall is, wenn zwischen beiden Kurien eine Meinungs - Verschiedenheit sich herausgestellt hat. Die Fassung scheint mix niht auszudrücken, was gesagt wer= den soll,

( Referent verliest die Fassung.) :

Vorige Stimme: Die Sache is nicht so speziell gefaßt, daß man daraus die Absicht genau entnehmen kann. Cs wird also gut sein, zu sagen: „Falls sich zwischen beiden Kurien eine erhebliche Meinungs - Verschiedenheit herausgestellt hat.“

Referent: Also wäre nur zu seben : ;

„insofern sich eine Meinungsverschiedenheit zwischen beiden Kurien herausgestellt hat 2“

Vorige Stimme: in den Abtheilungen. j

Marschall: Wenn gegen diese vorgeschlagene Veränderung nichts éingewendet wird, so erkläre ih sie für angenommen , und wenuù sonst keine Bemerkung zu machen is, damit zugleich den ganzen Entwurf.

Wir werden jebt in der gestern abgebrochenen Berathung fort= fahren. Jh bitte den Herrn Referenten, seinen Plaß einzunehmen.

Der Herr Abgeordnete Graf Renard hat das Wort verlangt.

Landtags-Kommissar: Jch muß mir erlauben, eine kurze Erklärung ábzugeben. Jch habe nach der gestrigen Sißung erfahren, dáß mehrerè Mitglieder der Versammlung Anstoß an meiner Aeuße= rung genominen- haben, welhe dahin ging, daß, wenn si der Antrag auf eine Beschwerde gegen den Ober-Präsidenten von Wedell reduzi= ren solle, diese kein Gegenstand der Verhandlung der hohen Ver= R sein werde. Jch habe bei dieser oder einer ähnlichen

eußerung allerdings den §. 13 des Geseßes vom 3. Februar im Auge gehabt, welcher lautet :

„Dem Vereinigten Landtage steht däs Recht zu, Uns Bitten und

Beschwérdèn vorzutragen, wélhe innere Angelegenheiten des gan-

zen Staates odèr mehrerèr Provinzen betrèffen, wogegen Bitten

und Beschwerden, welche allein das Jnterésse der éinzelnen Pro-

vinzen betreffen, den Provinzial-Landtägen verbleiben.“

Hieraus habe i géschlossen, daß die Beschwerde gegen einen Beáinteù in einem einzel nen Falle, wegen eiñer Verfügung, die

Béi der Berathung in den Kurien, nicht

*) Der Entwurf wird nachgeliefert werden,

sich nicht auf das Ganze der Monarchie oder mehrere Provinzen be- zieht, kein Gegenstand der Bitte oder Beshwerde der hohen Ver- sammlung sein könne, Jch gebe aber gern zu, daß, wenn ein Prin- zip dur eine solche singulaire Bitte oder Beschwerde belegt oder gleichsam erläutert werden soll, dann allerdings die Cognition der hohen Versammlung nicht ausgeschlossen ist; daß, wenn also in dem vorliegenden Falle Se. Majestät gebeten werden sollten, das Prinzip anzuerkennen, daß der Ober = Präsidènt von Wedell nicht befugt ge- wesen sei, die Wahl des Grafen von Reichenbach zu beanstanden, in formeller Beziehung nichts zu erinnern wäre.

Ich hoffe, daß der Gegenstand durch diese Erklärung seine Er- ledigung gefunden haben wird.

Abgeordn. Graf Renard: Jch nenne es eine persönliche An- gelegenheit, wenn ih mir erlaube, zwei hier in der Versammlung lbwesende in ihrer Persönlichkeit zu vertreten. Es ‘ist gestern von dieser Stelle ein Wort gefallen. Jch will es nicht ein Wort des Tadels nennen, aber eine Ansicht, die leicht als Tadel gedeutet wer= den könnte über das Benehmen des Mannes, der hier an der Stelle des Grafen Reichenbach sißt. Abgesehen von allen nicht hierher ge= hörigen Vorgängen bei der Wahl, wo es die persönliche Ehre, die Standesehre, dem geehrten Mitgliede gebot, die Wahl anzunehmen, halte ih mi blos an die hierher gehörige Sache. Wenn jeder der hier Versammelten das große Opfer, seine Privat -Juteressen, dem öffentlichen Wohle bringt, wenn eben deshalb, weil es ein Opfer ist, ih die Annahme der Wahl für eine Pflicht halte, wenn es uuter uns Mitglieder giebt, von einer so regen Vaterlandsliebe begeistert , daß sie ihr eigenes Selbst in der Art opfern, daß sie die \{chwerste Pflicht, die eines Landtags - Marschalls, ohne Widerrede übernehmen, wenn ih dies Alles voraussebe, so fann ich das Benehmen eines Mannes nicht tadeln, der von seinen Kommittenten beinahe einstimmig ge- wählt, vom Könige berufen, dur sein Erscheinen ganz einfach seiner Pflicht Genüge leistet. Wenn ein Theil der geehrten Redner, die gestern von diesem Pabe aus gesprochen haben, das Benchmen des schlesischen Landtags-Kommissars tadelten, daß er seine Pflicht, seine Befugniß überschritten habe, so glaube ih, müssen wir zwei Stand-= punkte verlassen, von denen die geehrten Redner ausgingen, und an- dere Standpunkte, diezu Recht bestehen, einnehmen. Ein Theil der geehrten Redner schien mir von dem Standpunkt des Gesezes über die Bescholtenheit auszugehen, das leßthin unserer Berathung vorgelegen hat. Dieses Gesebß is noch nicht zu Recht bestehend. Für den Landtags - Kom- missar von Schlesien war blos zu Recht bestehend das Gesebß, das ihm die Pflicht auferlegte, die Wahlen zu prüfen. Die Prüfung die- ser Wahlen ist in diesem Gesebß nicht an das Urtheil der Kreisstände geknüpft, sie i} seinem Ermessen überlassen. Wir müssen ferner den Standpunkt verlassen, den einige geehrte Redner angenommen haben, wenn sie sih_ hier als Wahlberechtigte, als Kreisstände denken, wir müssen den Standpunkt einnehmen, den der Landtags-Kommissar als solcher einzunehmen hat, Dem Landtags-Kommissar lag ganz einfach das Faktum vor, daß das Ober-Landesgericht von Schlesien der An= sicht war, es läge hier ein Fall des Hochverraths vor, da der Be- griff dieses Wortes nicht scharf definirbar ist, so war das Ober = Tribunal nicht dieser Ansicht. Hierauf hat das \{lesische Ober- Landeszgeriht eine Kriminal-Untersuhung wegen Majestäts-Beleidi- U

Abgeordn. Milde: Das is kein persönliches Faktum, das ist der Diskussion vorgegriffen.

(Unruhe.)

Marschall: Allerdings muß ih bemerken, daß der Vortrag ein wenig über die Gränze einer blos persöulichen Bemerkung hinausging.

Abgeordn. Graf Renard: Jch habe das Recht, die Tribüne

“zu betreten, gexiß noch nicht überflüssig in Anspruch genommen.

Der erste Fall, von dem ich sprach, betraf die Persönlichkeit eines Abwesenden, der zweite, den ih hier in Berührung ziehe, is die Persönlichkeit eines gleichfalls Abwesenden, sonst würde ih mir nicht erlaubt haben, außer der Reihe die Tribüne zu betreten. Jch fahre fort. Jch bitte die Versammlung und jeden Einzelnen, sih ganz einfach auf den Standpunkt eines Landtags = Kommissars zu stellen, Muß dieser nicht eine solche Wahl für bedenklich halten? Jch kenne den Grafen Reichenbach nicht, ih habe ihn uie gesehen, ih würde, hätte ih der Kreisversammlung beigewohnt, ihn, so lange die Unter- suchung kein Resultat gewährt hat, auh für unbescholten erklärt haben. Allein anders {tellt sich meinè Stellung heraus gegen die des Landtags-Kommissars. Wenn der Graf Reichenbach ein Ehren- mann is, was ih hier auh nicht in Zweifel stellen will, und er wäre Landtags - Kommissar gewesen, so häte er auch nicht anders handeln können, wie der Ober - Präsident gehandelt hat, Jch bitte mir das. Wort noch zu Ende .

Marschall: Der Herr Abgeordnete hat das Wort in einer gewissen Reihenfolge, und ih werde bitten, dann erst auf das Ma- terielle der Sache einzugehen, Dabei will ih bemerken, daß, was den ersterwähnten Fall betrifft, der Herr Redner, der gestern darüber gesprochen hat, von mix erinnert worden is, daß es nicht in der Ordnung sei, sich in Persönlichkeiten einzumischen. Derselbe hat dies anerkannt und hat zugleich erklärt, daß es durchaus nicht seine Absicht sei, durh das, was er gesagt habe, irgend die Person anzugreifen. Jch glaube also, daß diese Sache erledigt ist. :

Abgeordn, Graf Renard: Jch habe nichts gegen den geehrten Redner sagen wollen, ih wollte nux einer Mißdeutung vorbeugen.

Marschall: Um so mehr is diese Sache erledigt, und ich werde nun die Redner nah der Reihenfolge aufrufen.

Abgeordn. Milde: Es scheint mir ein sehr gefährlihes Prä- cedenz, wenn im Laufe der Debatte irgend ein Redner über ein per- sönliches Faktum das Wort erbittet ‘und dann auf die Sache selbst eingcht und fo eigentlih der Diskussion vorgreift.

Marschall: Das i} auch jeßt gerügt worden. Der Herr Redner hat das selbst cingeschen und is abgetreten, Es wird nun die Reihenfolge beobachtet werden. Jch fordere zuerst den Herrn Abgeordneten Schneider auf.

_ Abgeordn, Schneider (aus Schönebeck): Meine Herren, ih muß mich gegen das Gutachten der Abtheilung erklären. Die Ab- theilung ist bei der Beurtheilung der vorliegenden Petition von zwei Vorausseßungen vder von den beiden Vorausseßungen ausgegangen, daß einmal die Wahl eines Abgeordneten ers dann, wenn die Be- stätigung erfolgt sei, ein Recht habez und daß zweitens die Unbe- \choltenheit eines zum Abgeordneten erwählten Jndividuums von dem subjektiven Urtheil des Provinzial - Landtags - Kommissars abhinge. Wären diese beiden Voraussebungen richtig, so würde das Verfahren des Ober-Präsidenten der Provinz Schlesien, wie das Gutachten be- agt, begründet und gerechtfertigt sein. Jch halte aber diese beiden Borausseßungen für falsch, Die Behauptung, daß die Wahl eines A dige O erst dur die Bestätigung ein Recht erhalte, L Me By durch die Kabinets-Ordre vom 20. Novem- er 1820 zu beweisen gesucht, Diese Kabinets-Ordre spricht aber nit für, sondern gegen eine solche Annahme. ban Bestäß De Gd-aevdre f nicht das Recht der Wahl von d » Ñ g abhängig gemacht, sondern im Gegentheil erklärt, eine Bestätigung nicht nöt ä t L ; t nöthig wäre. Es hat guch seit jener A LLES eine T der Abgeordneten -= Wahlen nicht mehr stattgefunden , sondern ediglih eine Prüfung derselben in Be-

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zug auf die Form und auf die Eigenschaften des Gewählten. Diese Prüfung ist aber nicht an die Stelle der Bestätigung getreten, son= dern sie erklärt nur einfa, daß gegen die Besegmapigren! der Wahl nichts zu erinnern stehe. Es entsteht also das Recht des Gewählten mit dem Augenblick der Wahl und nicht erst mit dem Augenblick der geshehenen Prüfungz die leßtere hat vielmehr auf die Rechts= beständigkeit der Wahl keinen Einfluß. Wenn z. B. ein Bekenner des jüdischen Glaubens kurz nachdem er zum Christen- thum übergetreten ist, zum Landtags - Abgeordneten gewählt würde und der Ober = Prásident, unbekannt mit der Glau= bens - Aenderung des Gewählten, eine neue Wahl veranstaltet und die Wähler , der Anordnung des Ober-Präsidenten folgend, auf diese Wahl eingehen, so wird dadur die Rectsbeständigkeit der ersten Wahl in nichts verändert, sondern es muß der zuerst Gewählte, sv- bald er sich als Christ legitimirt, zum Landtage einberufen werden. Eben so mußte in dem vorliegenden Falle der Graf von Reichenbach, nachdem er sich zum Ueberfluß durch ehrengerihtlihes Erkenntniß der Ritterschaft seines Kreises als unbescholten ausgewiesen hatte, zum jeßigen Vereinigten Landtage einberufen werden. Meine Herren, ih sage: nachdem er sich zum Ueberflusse als unbescholten ausgewiesen hatte; denn es hatte der Graf von Reichenbach gar noch nicht nöthig, so lange die Bescholtenheit geseblih nicht feststand, den Beweis sei- uer Unbescholtenheit zu führenz dadur sind auch die Bedenken der Abtheilung über die Kompetenz des Ehrengerichts, welches die Un- bescholtenheit des Grafen von Reichenbach ausgesprochen hat, besei- tigt. Geseblich ist gegenwärtig nur derjenige als bescholten anzu- schen, gegen welchen ein rechtskräftiges Erkenntniß, (Unruhe)

durch welches ihm die Ehrenrechte abgeurtheilt sind, vorliegt; eine andere Bescholtenheit giebt es in der gegenwärtigen Geseßgebung nicht, am allerwenigsten aber wird dem Ober-Präsidenten das Recht zugesprochen, das surchtbare Recht, über die Ehrenhasftigkeit eines Landtags - Abgeordneten nah subjektiver Ueberzeugung zu urtheilen, Eben fo bin ich au nicht der Ansicht, daß eine Lücke in der jebigen Gesebgebung in Bezug auf die Bestimmungen über die Bescholten- heit vorliege. Es hat nämlich die Abtheilung zu beweisen gesucht, daß das Recht, was sie dem Ober-Präsidenten zuschreibt, das Recht nämlich, subjektiv zu urtheilen über die Ehrenhaftigkeit eines Land= tags - Abgeordneten, aus dem Mangel spezieller geseßliher Bestim- mungen hervorgehe, so wie durch das bisherige Verfahren in ähnlichen Fällen begründet sei, Jch erkläre aber, daß, wenn was ich nicht weiß in ähnlichen Fällen bereits, wie im gegenwärtigen Falle, verfahren ist, die früheren Geseßzwidrigfkeiten die gegenwärtige Geseßwidrigkeit nun und nimmer rechtfertigen können, Meiner Ansicht nah, mußte der Graf von Reichenbach, da sowohl nach der gegenwärtigen Gesetzgebung, als nah dem vorliegenden Ent- wurf cine Bescholtenheit gegen ihn nicht vorliegt, zum gegenwärtigen Vereinigten Landtage einberufen werden, oder, sofern dem Bedenken entgegengetreten, so mußte in Gemäßheit der jeßt vorgelesenen Aller- höchsten Kabinets-Ordre die Allerhöchste Entscheidung darüber einge= holt und bis dahin oder bis zum Erscheinen eines rechtskräftigen Er= fenntnisses in der Graf Reichenbachschen Untersuchungssache der Stellvertreter des Grafen von Reichenbach, der Landrath Hoffmann, einberufen werden. Näher auf das Gutachten einzugehen, halte ich

nicht für nothwendig. Jch erlaube mir, folgenden Antrag vorzu'egen : „Se. Majestät den König allerunterthänigst zu bitten, die subsidia= rische Wahl des Grafen Eduard von Reichenbach zum Landtags= Abgeordneten für die Ritterschaft der Kreise Brieg, Oppeln, Kreuz- burg und Falkenburg weil sih geseblih gegen sie nichts erin= nern lasse aufreht zu erhalten und den Grafen Eduard von Reichenbah da die prinzipale Wahl die Allerhöchste Dispen= sation nicht erhalten sofort zum Vereinigten Landtage gnädigst einzuberufen , oder, falls die gegen den Grafen Eduard von Rei= enba eingeleitete Kriminal - Untersuchung dieserhalb Hindernisse in den Weg legen sollte, den Lebteren bis zur gerichtlichen Ent= scheidung durch seinen Stellvertreter, Landrath Hoffmann, vertreten zu lassen.“

Abgeordn. Frhr. von Vincke: Wir sind dem verehrten Mit- gliede für die Stadt Görliß, glaube ih, zu großem Danke verpflich= tet, daß er nah manchen persönlihen Abschweifungen, die mit der vorliegenden Frage und namentlih mit der Prinzip - Frage nicht in Verbindung stehen , die Diskussion auf den eigentlichen Standpunkt zurückgeführt und namentlich die Distinction begründet hat zwi- schen der Kompetenz - Frage und, für den Fall, daß die Kompetenz bewiesen werden möchte, der Anwendung auf den vorliegenden Fall. Jch kann übrigens mit allen von ihm gezogenen Folgerungen mich nicht einverstanden erklären; ih bin vielmehr der Ansicht, daß dem Ober = Präsidenten weder die Kompetenz zustand, die vorliegende Frage zu entscheiden, noch daß er für den Fall, daß man diese Frage bejahen möchte, von dieser Kompetenz den rechten Gebrauch gemacht hat.

Was zunächst die Kompetenz betrifft, so sind wiederholt sowohl von den verehrten Mitgliedern als auch von dem Herrn Landtags- Kommissar die geseßlichen Bestimmungen uns entgegengeführt wor= den, daß nämlich die einzelnen Provinzial - Landtags - Kommissare nur das Recht haben, zu entscheiden, ob eine Wahl in Bezug auf die Form und auf die Eigenschaften dèr Gewählten als gültig anzuneh- men sei, und daß eben nur solches Reht auh früher Se. Majestät der König, um eine allgemeine Einheit in diesen Entscheidungen her- beizuführen, sich selbst vindizirt, aber später dasselbe Recht überlassen hat an die Jmmediat - Kommission für ständische Angelegenheiten. Es ist also das Wort „Bestätigung“, wénn es auch in einzelnen Kabi- nets-Ordres vgxkommen mag, meines Erachtens nicht geeignet, um in dem vorliegenden Falle die Sache genau zu bezeichnen, weil ich damit den Begriff verbinde, daß dadurch auch über die Person als solche entschieden wird, daß sie zu der Stelle erhoben werde, die sic einnehmen soll, wie es z, B. für die Wahl der Ober-Bürgermeister für größere Städte der Königlichen- Bestätigung bedarf. Jm lebte- ren Falle kommt es nicht blos darauf an, ob die Bal richtig voll- zogen worden is, sondern wen der König nicht will, den bestätigt er niht. So is es aber nicht bei den Abgeordneten zum Landtage; hier involvirt die Bestätigung nur die Frage, ob in Bezug auf die Form der Wahl und auf die Eigenschaft der Gewählten Mängel ob- walten, und wenn die Bestätigung ertheilt wird, \o heißt das nur: ein Mangel hat in dieser Beziehung nicht vorgewaltet. Dies habe ih vorausgeschickt, um uns über den Begriff des Wortes „Bestäti- gung“ nicht zu täuschen. Es steht also die Sache so, daß der Pro- vinzial-Landtags-Kommissar oder der Ober-Präsident darüber zu be-. finden hatte, ob dem Grafen von Reichenbah sämmlkliche nöthige Eigenschaften und namentli, woruin es sich hier handelt, die Eigen= haft der Unbescholtenheit zur Seite stand. Sonah hat er nun nah den klaren Worten des Geseßes nicht das Recht, irgend einem Ab- geordneten eine Eigenschaft beizulegen oder zu nehmen, sondern nur das fait accompli anzuerkennen, ob der Mann bescholten oder unbescholten is. Es ijt keinesweges, worin ich dem Lorigen Redner beipflichten muß, die exorbitante Befugniß in die Hände des Ober - Präsidenten gelegt, einen Mann für bescholtèn zu erklären ; ih sage die exorbitante Befugniß, insofern ein Einzelner «darüber erkennen fönnte, niht ein Kollegiumz_ insofern Jemand, der kein rih- terliches Amt bekleibet troy der Rehtskenntnisse, die dem Herrn

Ober-Präsidenten vou Wedell in großem Ma R nur E Administrativbeamter P age bri nte Ae stehen scheiden sollte: sondern die geseßliche Befu niß des rechte ent-

s ‘ali f J Oberpräsidenten beschränkt si lediglih darauf, festzustellen und anzuerkennen, gh e; Mann béreits in geseßlicher Weise bescholten erklärt worden it, E das kann meiner Ueberzeugung nah nicht durch den Ober - Präsiden. ten, sondern auch nach der bisherigen Geseßgebung nur dur das fompetente Kriminal-Gericht oder dur ein Urtel der Standesgeno}en geschehen, und diese Ansicht muß ih namentlich für die Provinz fest- halten, um die es sich hier handelt, da nah der Kreis - Ordnung für die Provinz Schlesien ausdrücklich die Norm besteht, daß über die Bescholtenheit eines Mitgliedes des Standes der Ritterschaft nur die Ritterschaft des betreffenden Kreises zu entscheiden hat, eben so wie dies au in der Provinz, welcher ich angehöre, der Fall ift,

Es ist zwar dem entgegengestellt worden, daß das Urtheil nur die kreisständishen Rechte tangire, daß aber keinesweges über die Befugniß, auf dem Provinzial -Landtage zu erscheinen, dadurch ent- schieden sei. Das scheint auf einem Mißverständnisse zu beruhen. Weil dem Provinzial-Landtage in zweiter Jnstanz das Urtheil zusteht, so kaun schon deshalb weder dem Provinzial-Landtage, noch einem König- lichen Beamten, welcher eben der Kommissar des Provinzial-Landtages ist, das Recht beigelegt sein, die Bescholtenheit auszusprechen. Es würde dies cin wunderbares Resultat zur Folge haben. Der Mino-= rität eines Kreistages, in dem hier vorliegenden Falle der Minorität des Kreistages zu Neisse, steht ja das Recht zu, gegen die Entschei= dung der Majorität an den Provinzial-Landtag zu appelliren, Wenn nun die Minorität von einem solchen Rehte Gebrauch machte und die Majorität des Standes auf dem Provinzial -Landtage den frei- sprehenden Ausspruch der Majorität der Kreisstände bestätigte, also hier den Grafen von Reichenbah für unbescholten erklärte, so würde der Stand der Ritterschaft damit erklären, daß der Graf von Reichen- bah dem Landtage angehören könnte, während der Königliche Kom- missar ihm das Anerkenntniß versagte. Das würde einen so auffallen= den Kontrast herbeiführen, daß ih ihn mir nicht denken fann und ih glauben muß, daß der Geseßgeber einen solhén Fall nicht hat wollen können, indem er die Kreis - Ordnung erließ. Er wollte viel- mehr nur festseßèn, daß die Standesgenossen des Kreises die Männer, welchen als Nachbarn das gründlichste Urtheil über den sittlihen Werth zusteht über die Bescholtenheit eines Ritterguts= Besitzers entscheiden und hierbei die zweite Instanz dem Provinzial= Landtage zustehen solle. Der Ansicht, daß dem Ober =- Präsidenten zustehen soll, über die Bescholtenheit zu entscheiden, kann ih demnach nicht beistimmen. Er hat blos die Eigenschaft anzuerkennen, die {hon da ist, er hat aber keine Eigenschaft zu geben noch zu nehmen; denn dieses Recht verleiht ihm das Geseß nicht, und mehr, als das Gesetz in ciner so hohwichtigen Sache ihm einräumt, wird man ihm in keiner Weise einräumen wollen.

Es i} dagegen angeführt worden, daß auf die Wahl-Versamm-=- lung refurrirt worden jet, und man hat gesagt, die Wahl - Ver- sammlung der Ritterschaft der 4 Kreise wäre der Entscheidung des Ober - Präsidenten beigetreten, indem sie die zweite Wahl vorgenom- men und gewählt hätte, ohne ven Grafen Reichenbach wieder zu wählen. Ich kaun nicht einsehen, wie man aus der zweiten Wahl ein solches Moment ableiten wollte; denn einmal beschränft man ja durch eine solche Ansicht eben die Befugniß des Ober-Präsidenten, wenn sie wirklich zu Recht bestanden hätte. Aber die zweite Wahl= Versammlung hatte auch über diesen Fall gar nicht zu entscheiden ; denn sie hatte keine anderen Befugnisse, als die ihr das Geseb beilegt. Hâtte sie sich über diesen Fall erklärt, so wäre es gerade so gewesen, als ob man dem Magistrat zu Berlin eine Cognition über Entschei- dungen des Polizei-Präsidiums beilegen wollte, was ihm nicht zusteht. Eine Wahl - Corporation hat nur zu wählen und allein diese Befug- niß zu erfüllen. Die Befugniß, über die Bescholtenheit oder Un- bescholtenheit zu entscheiden, steht allein der Kreis-Versammlung des- jenigen Kreises zu, welcher die betreffende Person angehört, feines- weges der Wahl- Versammlung. Die Wahl = Versammlung wäre inkfompetent dazu gewesen. Sie konnte den Grafen Reichenbach wieder wählen ; aber hätte sie sich ein Urtheil über seine Beschol= tenheit oder Nichtbescholtenheit erlaubt, so hätte sie sich außerhalb des Gesetzes befunden.

Wenn ih hiernach die Kompetenz des Ober - Präsidenten nicht für begründet halten kann, einen Mann für bescholten oder unbeschol= ten zu erklären, so kann ich auch, selbs für den Fall, daß man ihm dieses Recht beilegen wollte, nicht finden, daß er einen geseßlichen Gebrauch davon gemaht hat. Jh finde nirgends in den Geseßen, daß die ständischen Rechte ruhen sollen z ih finde nur den Begriff von Bescholtenheit oder Unbescholtenheit, und so lange Jemand be= scholten ist, hat er überhaupt fein ständisches Recht; ih finde aber niht, daß in irgend einer geseßlichen Bestimmung, sei es in einer Provinzial-Verordnung oder in der Verordnung vom 3. Februar d. J, von einem Ruhen der ständischen Rechte die Rede sci. Es könnte mir eingewendet werden, daß es darauf nicht ankomme, weil die Wahl- des Grafen Reichenbach noch nicht zu Recht bestanden habe, weil ic noch nit perfekt gewesen sei; aber davon is nicht die Rede. Es handelt sich blos um die Möglichkeit , gewählt zu werden, um die Qualification dazu wegen Unbescholtenheit oder um die Unfähigkeit wegen Bescholtenheit, und daß das passive Wahlrecht in irgend einem Talle ruhen solle, das ist in keinem Gesebe vorgeschrieben. Es kann auch der Svezialfall, welcher aus der Rhein-Provinz angeführt worden ist, nicht entscheidend sein, weil diese Entscheidung eben nur für einen Spezialfall gegeben, für eine Provinz erlassen, aber nicht publizirt worden is, und es kann sehr wohl möglich sein, daß die Fälle sehr verschieden sind. Jmmer aber ist das die Hauptsache, daß nur gehö- rig publizirte Geseße maßgebend sein und geseßliche Geltung haben können. Wenn also nirgends gesagt ist, daß die ständischen Rechte ruhen sollen, so kann namentlich eine Kriminal-Untersuchung nicht ein solches Ruhen herbeiführen. Jch kann mit der Abtheilung darin nicht ein- verstanden sein, daß Jemand, weil eine Untersuchung gegen ihn ein- geleitet is, als bescholten angesehen werden könnte, und wenn selbst, wie es heißt, die Ansicht des Publikums dahin gehen sollte, so kann dies keinen gesebßlihen Effekt haben. : ,

Es fommt vielmehr dabei nur darauf an, ob ein Erkeuntuiß vor= liegt, welches die Bescholtenheit ausgesprochen hat; die bloße Einlei= tung der Untersuchung kann hier um so weniger v01 Effekt sein, als unsere Kriminal - Ordnung gar keine bestimmten Kriterien enthält, woraus man entnehmen kann, wann eme Untersuchung eingeleitet worden is. Es ist nur im Allgemeinen von der Aufnahme des That- bestandes, von der Vernehmung der Zeugen die Rede und demnächst davon, daß der Verdächtigte vernommen werden foll. Jn welchem Stadium die Kriminal -Untersuchung als eingeleitet betrachtet werden soll, darüber enthält die Kriminal-Ordnung kein Wort, es ist keine positive Bestimmung darüber da, von welchem Termin an die Unter= suchung eingeleitet 1. Jn Betreff des Verbrechens, welches gerade vorliegt, des Majestäts-Verbrechens, welches wesentlich mit dem ge- seßlichen Begriffe der Jnjurie zusammenfällt, insofern es um die Be= leidigung der Allerhöchsten Person des ndesherrn sich handelt, be- merke i, daß es in seinem Rechtsbegriffe außerordentlich \{chwankend ist und zu den verschiedensten Ansichten der Richter führen kann. Jh will nur ein Beispiel dafür anführen, das zu der Zeit des großen Königs, Friedrichs des rvßen, vorgekommen ist, Es wurde dem