1847 / 142 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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hat g und heute die Ansicht ausgesprochen, daß der vorliegende Gegenstand durch die Königliche Bestätigung seine Erledigung erlangt habe. Jh {ann diese Ansicht nicht theilen. Wenn die Königliche Bestätigung überhaupt erforderlich war, was übrigens aus den von einem früheren Redner ausgeführten Gründen nicht zugegeben wer- den fan, \o würde doch die Bestätigung ein Accessorium sein; es dito immer eine rechtsgültige Wahl vorangehen müssen. Wäre z. B.

. rehtsgültig gewählt und B. zur Bestätigung präsentirt worden, so würde nichts entgegenstehen, Se. Majestät zu bitten, die Bestäti- gun des B. zurückzunehmen, weil A. auf Bestätigung Anspruch hat, : aebe cheint mir hier der Fall “e D wenn nämlih der jeßt

äti i ültig gewählt 1st.

Ve ad inne L bes t welche zu der Kriminal - Untersu=- {chúng Anlaß gegeben haben, und cs scheint mir, daß es auch ‘nicht in unserer Kompetenz liege, ste zl untersuchen, weil die Selbstständigkeit der Gerichte anerfaunt werden muß. Aber die Ansicht, welche die Abtheilung ausgesprohen hat, daß es im Volke tief wurzle, daß einem, der in Kriminal-Untersuhung gezogen sei, die Ehrenhastigkeit mangle, hat der Herr Landtags-Kommissar selbst hon als unrichtig bezeichnet. Der Landtag selbst hat eine andere Ansicht in der Be rathung über das Bescholtenheits-Geseß ausgesprochen, und der Kö- niglihe Kommissar hat selbst zugegeben, daß Jemand, der in Krimi- nal - Untersuchung sich befinde, niht bescholten sci, er hat ferner anerfanut, daß auch der Graf Reichenbach wegen der Kriminal - Untersuhung uicht als bescholten anzusehen sei. . Ist aber der Graf Reichenbach nicht bescholten, so konnte ihm au die Befähigung zum Eintritt in den Landtag nicht auf sechs Jahre hingenommen werden, höchstens konnte es sich nux darum han- deln, ob das Recht ruhen - solle, Man hat nun daraus, daß die Wähler von neuem gewählt haben , folgern wollen , daß , wenn eine Nichtigkeit erfolgt sei, diese dadurh gedeckt sei. Dies könnte indeß höchstens in Beziehung auf die Wähler geltend gemacht werden kön- nen, indem Graf Reichenbach gegen die Wahl protestirt hatte. Aber auh gegen die Wähler kann dies nicht geltend gemacht werden, weil den Wählern, als die neue Wahl gefordert wurde, nicht erflärt wurde, daß Graf Reichenbach bescholten sei. Es konnte den Wählern die Möglichkeit vorshweben, daß vor Eröffnung des Landtags eine Verurtheilung erfolge. Es is ihnen nun keine Ver- anlassung gegeben, sich für oder gegen die Bescholtenheit auszu= sprechen.

Jedenfalls konnte auch die Bestätigung nicht erfolgen, fo lange nicht Graf Reichenbach ausdrücklich für bescholten erklärt war, und bis jeßt is, wie mir scheint, die Bescholtenheit noch nicht ausdrücklich erklärt worden. Folglih scheint mir nichts entgegen zu stehen, dem Amendement beizutreten, dem ih meinerseits auch beitreten werde.

Marschall: Jch will, wie gesagt, denjenigen Rednern, wel- hen ih gestern das Wort vorbehalten habe, dasselbe nicht entziehen, sondern’ gebe ihnen anheim,“ ob sie darauf verzichten wollen.

Abgeordn. von Massow: Jch verzichte insofern darauf, als nah dem Wunsch der Versammlung dadurch die Diskussion geschlossen werdez wenn aber Andere sprechen, dann muß ih es auch in An= spruch nehmen.

Cine Stimme: Jh gebe dieselbe Erklärung ab, wie Herr vou Massow. *

Abgeordn. Graf Renard: Ich verzichte insofern nicht auf das Wort, gls ich ein Amendement vorzutragen habe, welches vielleicht die Zustimmung der Versammlung haben dürfte.

4 ia Stimme: Wenn Andere sprechen , habe ich auch das

Recht.

Graf Renard: Jch verzichte nicht auf das Wort,

Marschall: Jch bemerke, daß die anderen Herren Redner aber das Wort auch haben wollen.

Graf Renard: Es scheint der Wunsch der Versammlung zu sein, abzustimmen. Jh lasse es mír gefallen, wenn man mein Amcn= dement nicht hören will.

Marschall: Zu Jhrem Vorschlage können wir nur gelangen, wenn die anderen Redner, welhe das Wort haben, vorher sprechen.

Der Herr Abgeordnete von Massow hat das Wort.

Abgeordn. von Massow: Meine Herren, das Verfahren des Herrn Ober = Präsidenten von Wedell ist in dem Abtheilungs -- Gut= achten und von vielen Herren Rednern ausführlich beleuchtet und nah meiner Ueberzeugung vollständig gerechtfertigt worden. /

Jch will jebt, so gern ih dies unter anderen Umständen gethan hätte, niht darauf zurückommen.

Das Verfahren des Ober-Landesgerichts zu Paderborn zu be- urtheilen, sind wir eben so wenig im Stande, als ein Urtheil zu ha- ben, über die That oder das Vergehen des Herrn Grafen von Rei= henbah, es fehlen uns dazu alle und jede Materialien. Mit welchem Rechte dürfen wir aber wohl annehmen, daß ein Königl. Gerichtshof seine Befugniß überschritten habe? Jch meine, wir [sind dem preu- bischen Richterstande schuldig zu glauben, das Königl, Ober-Landes- geriht werde nur seine Pflicht und Schuldigkeit gethan haben, indem es den Grafen von Reichenbach zur Untersuchung zog, es werde dazu gewichtige und hinreichende Gründe gehabt haben.

Jd will anerkenuen, daß es möglich sei, vollkommen möglich, der Graf von Reichenbach \ei unschuldig. -— Das liegt in der Un- P Map q Hp aller menschlihen Dinge und Einrichtungen daun wird auch seine Unschuld zu Tage kommen, er wird Deb raden werden, und in der künftigen Wahlperiode mag er mit Ehren seinen Plaß dann unter uns einnehmen,

Jeßt aber, meine Herren, walten Zweifel ob über diese Un- huld, Das Ober-Landesgericht hat den Herrn Grafen von Rei= enba zur Kriminal =Untersuchung gezogen, und zwar wegen Maje= stätsbeleidigung.

Kann es nun wohl der Würde und Ehrenhaftigkeit dieser hohen Versammlung angemessen sein, verträgt es sich mit der Achtung, die wir Sr, Majestät dem Könige schuldig sind, mit der Liebe, die wir Alle für unseren König und Herrn im Herzen tragen, so verschieden unsere politischen Ansichten au sein mögen, daß . wir darum bitten, den Grafen von Reichenbach unter solhen Umständen, bei einer solchen gegen ihn erhobenen Anklage, in unsere Mitte rufen zu dür= fen, damit er Plaß nehme dem Throne gegenüber? Jch sage Nein! Es haben hier Stimmen Ja gesagt, möchten sie doch bei reiflicher Ueberlegung dieses Ja zurücknehmen, möchte einmal dieser Vereinigte Landtag, und zwar bei dieser ernsten Gelegenheit, ein einiger Landtag sein! ein einiger Landtag in der Achtung seiner selbst! das sind L, aus welchen ich für die Zurückweisung der Petition

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__ Abgeordn, Steinbeck: Fast nur Us fann man dasje- nige, das oft und viel und vou manchen Seiten in dieser hohwich- tigen Angelegenheit gesagt und beleuchtet wurde, Die Kompetenz des

ohen Vereinigten Landtages ist bereits von dem Herrn Regierungs-

tommissar in das richtige Licht gestellt worden. Handelte es sich um

E igs Beschwerde gegen einen Staatsbeamten, so fiele diese prd) Staatabeadà, es handelt po aber um die gewichtige Frage, ob ritte ; mier innerhalb seiner Grenzen geblieben, ob er sie über- \ n, ob ihr Reht, das Ret der Stände, durch ihn verleßt worden ist, Dank den Männern, die nach ihrer Ueberzeugung, gleich= ffi ob sie richtig oder unrichtig, hier auftraten und D ännlidh und ig sagten: Wir glauben, der Regierungs-Kommissar der Provinz

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Schlesien für die dortigen Wahlen hat seine Befugniß überschritten! Wohlan, wir wollen die Partei, die Richter und den Gegenstand ins Auge fassen. Es-ist eine allgemeine Rechtsregel, daß jeder \o lange für unbescholten und in seiner Ehre ungekränkt, für moralisch gut gelten muß, bis das Gegentheil davon erwiesen is, und au der - Graf von Reichenbach hat auf diese Präsumtion seinen Anspruch, ja er hat noch weitere Ansprüche: Er kann begehren, daß angenommen werde, auch der gegen ihn erhobene Verdacht- sei ungegründet; auch dieser Anspruch muß ihm eingeräumt werden. Es is zu wün- schen und vielleicht auch zu hoffen, daß er in der gegen ihn s{we- benden Untersuchung freigesprochen werde, und wir haben zu seiner Vertheidigung interessante Data vernommen; aber das Faktum steht fest: er is in Kriminal - Untersuchung begriffen; ‘es steht feft: diese Untersuchung is im geseßlichen Wege durch das Gericht eröffnet wor= den, und es bleibt nur die Frage noh übrig : ist diese Kriminal-Un- tersuchung und das bloße Faktum, daß sie da is, hinreihend, um seinen Ruf in der Art wenigstens vorübergehend zu verleben, daß er unfähig sei, in die Stände-Versammlung einzutreten?

Wir haben von mehreren ehrenwerthen Mitgliedern dieser Ver=

sammlung, die ihn genau kennen, ein so ausgezeichnetes Bild des Angeklagten vernommen, daß wir nur mit Bedauern annehmen müs= sen, dem sei also, Dem ist aber also. Formell und materiell muß es eine Entscheidung über die Frage geben, ob ein Staatsbürger wählbar für den Landtag sei oder nicht. Daß die Gesehe bisher dies nicht bestimmt ausgesprochen haben, is anerkannt, darauf is die Vor= lage des sogenannten Ünbescholtenheitsgeseßes gegründet worden. Aber wer nach einem Gese verfahren wollte, was nur im Entwurf existirt, was noch gar nicht emanirt ist, der beginge auf jeden Fall eine Ungeseblichkeit, und somit würde der Wahl-Kommissar von Schle- sien durch sein Verfahren eine Ungesetzlichkeit begangen haben, wenn er andere Formen beliebt hätte, als die bis dahin vorgeschrieben waren. Man hat den Kommissar als einen Administrativ-Beamten bezeich- net und dadurch die Stellung, die er cinnimmt, in ein falsches Licht gestellt. Der Kommissar is kein Administrativ - Beamter, sondern ein König= licher Kommissar, der Ausüber der von des Königs Majestät ihm zur Ausübung übertragenen Hoheitsrechte. Der war er, als er handelte; nun aber mußte er in dieser Eigenschaft so handeln, wie er wußte, daß es dem Willen Sr. Majestät und des Gouvernements entsprach. Der Wille Sr. Majestät is aber klar. Er geht dahin: wo der gute Ruf auch nur momentan verletzt is ich wiederhole dies ausdrüc= lih da muß die Wahlfähigkeit, die aktive wie die passive, ruhen. Jn dem westfälischen Landtags-Abschiede is es deutlich als Wille Sr. Majestät ausgesprochen, daß jener Fall eintritt, sobald die Kriminal- Untersuchung gegen Jemanden eröffnet worden is. Wir haben über diesen Gegenstand bei Gelegenheit des Bescholtenheits-Gesebes genug gesprochen, und ih werde nicht wiederholen, was damals diskutirt worden is, Wäre dieses Geseß schon ertheilt, so würde Niemand in der Stellung des Ober-Präsidenten von Schlesien anders handeln dürfen, als nah dem bestehenden Gesehe entscheiden, was der Ober= Prásident gethan haben würde, wenn er den Grafen von Reichenbach für unverleßt erklärt hätte. Und wenn nun aber der Graf von Reichenbach in diese Versammlung getreten wäre und in dieser Ver= sammlung Stimmen laut geworden wären, welche erklärt hätten, daß er sich in Kriminal-Untersuchung befindet, und daß er sich wieder ent- fernen müsse, wie dann? Zwischen zwei Parteien stand der Regie- rungs - Kommissar, zwischen zwei Parteien mußte er entscheiden, und er hat nah dem Geseh entschieden. Nun muß ih mir noch eine Frage erlauben, und zwar die: Sollte er die Wählbarkeit des Grafen vou Reichenbach, wie geschehen, für diesen Moment als beseitigt er= flären, oder sollte ex die Wahl zulassen, sie bestätigen und nux das Erscheinen des Grafen von Reichenbach suspendiren? Diese Frage ist ganz juristischer Natur. Wir haben von beredten, vorher aufge- tretenen Rednern über den Begriff der Bestätigung dasjenige ver= nommen, was allerdiugs ‘geseßlich rihtig i. Aber die Bestätigung erfordert eine Basis in Form und Materie. Jun der Form ist diese Basis gegeben, denn die Wahl des Grafen von Reichenbach war äußerlich ganz richtig vollzogenz iy der Materie war aber jene Basis niht vorhanden, ‘weil der Graf von Reichenbach sich in Kriminal= Untersuchung befand und sein Ruf also momentan verleßt war. Und so handelte der Kommissar ganz recht, daß er die Bestätigung der Wahl versagte, versagte er aber die Bestätigung, so that er nichts weiter, als daß er das dem Grafen Reichenbach dur die geschehene Wahl bedingungsweise eingeräumte Recht nicht perfectioniren ließ, und ein nicht perfectionirtes Recht i} kein Recht.

Marschall: Von den Rednern, die sich gestern angemeldet haben, ist nux noch der Herr Abgeordnete von Gilgenheimb übrig.

__ Abgeordn. von Gilgenheimb: Jch will mich kurz fassen, um ihre Geduld nicht zu ermüden. Jch wohne in dem Kreise, wo der Graf von Reichenbach angesessen ist, ih habe der Kreis-Versammlung beigewohnt, in welcher ausgesprochen wurde, daß er nicht bescholten sei, habe also thatsächlih dazu beigetragen, daß er unbescholten da- steht; troßdem aber kann ih nicht leugnen, n ich das Verfahren des Ober - Präsidenten für gerechtfertigt halte. Als diesem die amt- liche Mittheilung wurde, daß die Kriminal - Untersuchung eingeleitet war, war die Abstimmung der Kreis-Versammlung, in welcher der Graf von Reichenbach für unbescholten erklärt wurde, noch nicht er=- folgt; der Königl. Kommissar konnte sich einer Prüfung der Kriterien der Wahl nicht entziehen, Da nach seiner Ueberzeugung die einge= leitete Untersuchung eine Bescholtenheit involvirte, so blieb ihm nichts übrig, als eine neue Wahl zu veranlassen. Diese Wahl nun is da- hin ausgefallen, daß ein neuer Deputirter gewählt worden is. Die- ser ist hier anwesend und mußte natürli seiner Deputirten-Stel- lung nachkommen. So wenig ein Mandatarius noch ein Geschäft ausführen kann, wenn der Mandant das Mandat zurückzieht, so wenig fann der Graf von Reichenbach demnach hier anwesend sein, nah- dem an seiner statt eine andêre Wahl von den Wahlberechtigten er= folgt ist, Demnach werde ih mich für das Gutachten des Ausschusses erklären, bei den einzelnen eingegangenen Amendements mir aber noch das Wort vorbehalten, wenn sie zur Berathung gestellt werden sollten,

Marschall: Der Herr Graf von Renard hat nun das Wort.

Abgeordn. Graf von Renard: Die hohe Versammlung wünscht, daß nicht noch mehr Zeit verloren gehe, und somit will ih mi sehr kurz fassen. e würde niht das Wort ergriffen haben, wenn ih nicht hoffte, daß wir uns über diesen Punkt einigen kföunen. Auf die Sache selbs lasse ich mih nit ein, weil ih glaube, daß der Antrag auf Einberufung des Grafen Reichenbah doch nicht zur Petition erhoben werden kann, aber einige Redner vermissen die Uebereinstimmung desjenigen Geseßes, welches dem Landtags-Kom- missar seine Pflicht vorschreibt, mit demjenigen Gesebe, welches den Kreisständen das Urtheil über die Bescholtenheit zuweist, auch ih fann diesen Einklang nicht finden, und dies is das Amendement, welches m mir zu stellen erlaube, daß ein Antrag auf Uebereinstim- mung dieser Geseße gestellt werde. Wenn mir entgegnet wird, daß das neue Gese über die Bescholtenheit diesen Einklang herbeiführe, so muß ih das in Abrede stellen, weil dieses Gesey mit sich selbst nicht in Einklang ist, Nach diesem Geseze kann nämlich der Fall vorkommen, daß Einer, der wie eben der Graf Noeictentas in zwei Kreisen begütert ist, von den Kreisständen des einen Kreises für un- bescholten, von den Ständen des andern Kreises für bescholten er- Flärt wird; ih kann aber unmöglich zur Hälfte bescholten, zur anderen

Hälfte unbescholten sein, ich bin in 5- Kreisen angesessen und könnte leicht drei Fünftel bescholten, zwei Fünftel unbescholten werden. Wenn übrigens von diesem Plaße aus Besorgnisse angedeutet worden sind, daß Tendenz = Umtriebe bei Wahlen stattfinden können, so theile ih diese Besorgniß durhaus nicht und es mögen diese Herren ihre Be- sorgnisse offen aussprechen und ein Geseß beantragen, was solche Ten= denzen unmöglih maht. Jch kann mir aber nicht denken, daß eine Versammlung solhe Bésorgnisse auf einen singulairen Fall übertrage, wo nichts der Art stattgefunden hat. Mein Amendement geht also dahin, daß man den vorliegenden Antrag fallen lasse und Einklang zwischen den Gesehen beantrage, welche die Wahl - Prüfung dem Landtags- Kommissar und das Urtheil über die Bescholtenheitsfrage den Kreis= ständen überweisen.

Marschall: Ohne mich über die Zweckmäßigkeit dieses Amen-= dements überhaupt äußern zu wollen, bemerke ih doch, daß es ein ganz_neuer, ganz unvörbereiteter Antrag ist, und daß wir \{werlih im Stande sein werden, uns sogleich ein Urtheil darüber zu bilden. Da das Amendement nicht angekündigt worden is, so befinde ih mich in meinem Rechte, wenn ih es nicht zur Abstimmung bringe. Jch glaube vorausseben zu dürfen, daß die hohe Versvmmlung jeßt den Schluß der Debatte wünscht, ih werde aber doch ausdrücklih fragen, um das Recht derjenigen Redner, welche sich bereits um das Wort gemeldet haben, dadur nicht abzuschneiden. Jch bitte diejenigen, welche den Schluß der Debatte wünschen, aufzustehen,

(Fast einstimmig.)

Der ursprüngliche Antrag, welcher der Abtheilung vorgelegen hat, geht dahín: /

„Se. Majestät den König allerunterthänigst zu bitten, daß der

Graf Reichenbach als geseßmäßig gewählter Abgeordneter zu dem

Vereinigten Landtage einberufen werde.“ i Dazu sind nun einige Amendements gemacht worden ; das eine geht dahin, daß, wenn dieser Antrag nicht die Unterstüßung der hohen Versammlung finden sollte, alsdann Se. Majestät der König allerunterthänigst gebeten werde, zu befehlen, daß der Stellvertreter tes Grafeu Reichenbach Landrath Hoffmann zu diesem Landtage einberufen werde. End- lih aber, daß, wenn auch dieser Antrag hier nicht eine Majorität

- finden sollte, dann des Königs Majestät gebeten werde, dem Grafen

Reichenbach, sobald derselbe in der Kriminal-Untersuchung, in der er sich jebt befindet, freigesprochen werde, als Abgeordneter zu bestäti= gen. Nach meiner Ansicht is zuerst das ursprüngliche Amendement zur Abstimmung zu bringen , nämlich die Frage: ob die hohe Ver sammlung beschließt, Se. - Majestät den König allerunterthänigst zu bitten, daß der Graf Reichenbach als gesebmäßig gewählter Abge- ordneter zu dem Vereinigten Landtage einberufen werde. Sollte diese Frage verneint werden, so werde ih die übrigen Amendements zur Abstimmung bringen.

Eine Stimme: Dürste nicht zuerst über das Gutachten der Majoritäz der Abtheilung abzustimmen sein? Es is ein ‘bestimmter Antrag, über den zunächst abgestimmt werden muß. Wird er ver= worfen, so kann über die Amendements abgestimmt werden. |

Abgeordn. Graf von Schwerin (vom Plate aus) : Es scheint doch, daß wir uns in einer eigenthümlichen Lage besinden, wenn wir über dieses Amendement stimmen sollen, denn wir haben eine Petition vor uns und keine Proposition. Es scheint mir, daß wix die Petitions-Anträge nur verwerfen oder annehmen, nicht aber zu den Petitionen noch eine Menge Amendements machen können.

Marschall: Jh muß doch glauben, daß, wenn die hohe Versammlung si einer Bitte nicht anschließt und nach einer gründ- lichen Debatte findet, daß eine andere Bitte, die nicht ganz dieselbe, aber der anderen sehr ähnlich ist, gestellt werden könne, eín solcher Weg nicht abgeschnitten sei. M E

Abgeordn. Mo ewr s: Jch erlaube mir die Bemerkung, daß die Grundlage des Gutachtens der Abtheilung eine Petition is. Js sie verworfen, so hören alle Grundlagen für das Amendement auf, und ih kann mich nur für die Ansicht bestimmen, daß, wenn die Petition verworfen is, auch über das Amendement nicht mehr abge= stimmt werden kann. i

Abgeordn. Schauß: Dieser Meinung kann ih mih durchaus nicht anschließen, Jch kann eine Petition eingereicht haben, die in ihrer Grundlage eigentlich verworfen wird. Es können aber zu dieser Petition so viele andere Amendements noch kommen, daß man nur wünschen kann, daß diese amendirten Petitionen an die Stufen des Thrones gelangen, und daß dadurch das Gute, was ih habe fördern wollen, wenn auch in anderer Gestalt, erreiht wird, Es wäre aber eine große Beschränkung für den Petenten, wenn auf diese Weise, daß nämlich die Amendements niht zur Abstimmung gebracht werden founten, seine Petition, von der er wünschte, daß sie zu des Königs Majestät gelangte, mit einem Male ganz nichtig werden sollte. Jch glaube, daß auf diese Weise manches Gute vor der Zeit zu Grabe getragen werden würde.

Abgeordn. Mohr:

(Wie der Redner die Bühne betritt , entsteht Tumult.)

Jch wollte uur bemerken, ob die Frage so verstanden“ scin soll, daß die Cinberufung des Grafen Reichenbah sofort zu geschehen habe. Wenn dies der Fall wäre, so wurde ih mir ferner erlauben, gegen die sofortige Einberufung mich zu äußern.

(Lauter Ruf zur Abstimmung.)

Marschall: Jst noch etwas über die Fragestellung zu be= merken?

Abgeordn. Neumann: Es scheint ein bedeutendes Mißver= ständniß ovzuwalten. Die Amendements können nah meiner Ueber= zeugung uicht zu der Petition, sondern nur zu dem Gutachten der Abtheilung gestellt werden. Jch sehe nicht recht ein, wie eine Petition, die einmal einer bestimmten Berathung unterlegen- hat, gegen das Gutachten der Abtheilung auf verschiedene Weise amendirt werden fann. Wenn über die Petition im Ganzen abgestimmt is, \o kann man nah meiner Ueberzeugung uicht später auf eine andere Abstim- mung zurückkommen. Jh würde vorschlagen, zuerst über das Gut= achten der Abtheilung abzustimmen.

Abgeordn. von Auerswald: Jch habe ganz dieselbe Ansicht. Jch glaube, meine Herren, die Berathung der Abtheilung hat nur den Zwec, daß diejenigen Petitionen, welche an den Landtag gelan= gen, durch eine Vorberathung gereift und geprüft an denselben kommen, Diese Vorbereitung i} eine Beförderung der Sache, eine Erleichterung für den Landtag, aber nicht eine Beschränkung des Petitionsrechts. Jch muß mich daher der Ansicht auschließen und glaube, daß zuerst das Gutachten der Abtheilung in Beschluß genommen werde.

Abgeordn. Frhr. von Vincke: Jh wollte mir die Bemerkung erlauben, daß meiner Ansicht nah im §. 15 der Geschäfts - Ordnung das Recht, Amendements zu stellen, für alle Fälle begründet is, gleich= viel, ob eine Proposition oder Petition berathen wird. Das muß auch immer zulässig sein, und es kann sih gar nicht darum handeln, ob ein Amendement zu dem Gutachton der Abtheilung oder zu der Petition gestellt wird. Jh will mir erlauben, auf die Gefährlichkeit des Grundsates, keine Amendements zuzulassen, aufmerksam zu machen. Wenn ih das Rubrum einer Petition blos höre und daraus ent- nehme, daß dasselbe einen Gegenstand andeutet, den ih selbst vor den Landtag bringen wollte, so habe ih keine Veranlassung,

Petition einzureichen, und ih verzichte deshalb darauf. Es kann aber der Fall sein, daß dieser Antrag entweder dur die Abtheilung oder

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durch die Petition nicht in dem Sinne gestellt wird, als nah dem Rubrum zu folgern war. Wenn dann pure darüber abgestimmt werden müßte und wir den Grundsaß, Amendements zu Petitionen niht zuzulassen, streng befolgen, so würde Jeder genöthigt seien, noch eine Petition über denselben Gegenstand einzureichen, um die Prä=- kflusivfrist einzuhalten. Dann würden wir aber statt 400 Petitionen vielleicht 4000 zu berathen haben.

Abgeordn. Graf von Schwerin (vom Plaße): Jch bemerke hierauf, daß ih ganz dasselbe gemeint, aber vielleiht mich unrichtig ausgedrückt habe. Ueber den Abtheilungs-Vorshlag muß abgestimmt werden, auch wenn er von der Petition abweicht ; was, wie ich glaube, aber nicht thunlich, is, daß die Antragsteller noch im Laufe der De- batten andere Anträge den ihrigen substituiren. Wir würden auf diese Weise noch unzählige Modificationen haben können und nicht vorwärts kommen.

Eine Stimme: Es kann nicht darauf ankommen, daß wir vorwärts kommen, sondern daß wir unseren Zweck erreihen. Wenn eine Petition zur Berathung gezogen wird, so wird sie Eigenthum der Versammlung, und diese kann frei darüber schalten und walten, und es wird ganz in ihrem Juteresse liegen, daß durch Amendements zu einem Antrage gelangt wird, welher zweckmäßig ist.

Abgeordn, von Massow: Seite 10 des Gutachtens heißt es: „Die Majorität der Abtheilung hält daher sowohl die Kompetenz des Ober = Präsidenten von Wedell in dieser Angelegenheit für vollkom- men begründet als auch sein gesammtes Verfahren und die ander- weitig vorgenommene Wahl insbesondere in allen Beziehungen für vollständig gerechtfertigt und kann eben deswegen den Antrag der Petenten auf nachträgliche Einberufung des Grafen Eduard von Rei- henbach in Stelle des rite erwählten, bestätigten und einberufenen Abgeordneten Grafen von Strachwiß nicht für begründet erahten, erlaubt sih vielmehr bei einem hohen Landtage die Zurückweisung des Petitions - Antrages gehorsamst in Vorschlag zu bringen. ‘‘ Jch shlage daher vor, diesen Antrag einfa erst zur Abstimmung zu ringen.

Marschall: Jch muß bemerken, daß das Resultat mag nun die Frage auf die eine oder die andere Weise gestellt werden durchaus dasselbe sein wird, Stelle ih die Frage, ob das Gutachten angenomníen werden soll, und dieselbe fällt bejahend aus, so wird die Bitte an Se. Majestät den König nicht gerichtet; stelle ih sie aber so, wie sie angekündigt ist, so erfolgt dies Resultat durch die Vernei= nung. Hiernach, glaube ih, werden die Herren Abgeordneten, welche sich in abweichender Meinung gäußert haben, feinen Anstoß daran nehmen, daß die Frage, die ganz deutlich is und zu einem bestimmten Resultate führt, so gestellt wird, wie ih sie vorhin angekündigt habe.

L (Ja! Ja!) i

Die Regel ist, daß der Herr Secretair die Frage nohmals verliest.

Diejenigen, x (d U Be

Liejemgen, welche für die r si i i euen, g be f ejahung der Frage sind, bitte ich

E 5 (Nur Einzelne stimmen dafür.)

Vie ¿Frage 1 also verneint worden, und es treten nun die ge- machten Amendements ein. Das erste Amendement geht dahin, daß, wenn der ursprüngliche Antrag verneint würde, Se. Majestät al= lerunterthänigst gebeten werden solle, zu befehlen, daß der Land= vas Hoffmann als Stellvertreter des Grafen Reichenbach einberufen werde.

Zuvörderst frage ih, ob das Amendement Unterstüßung findet. Diejenigen, welche es unterstüßen, bitte ih aufzustehen.

(Es hat Unterstützung von mehr als 24 Stimmen gefunden.)

Jett stelle ih es zur Abstimmung und bitte den Herrn Secre-- tair, das Amendement zu Fig

(Wird verlesen. )

Diejenigen, welche diese Bitte aus\prehen wollen, ersuche ich aufzustehen.

(Es sind uur Wenige aufgestanden. )

Endlich geht die Frage in Betreff des leßten Amendements da, hin: soll Se. Majestät gebeten werden, den Grafen Reichenbach, so= bald er von der jeßigen Kriminal=Untersuchung frei gesprochen werden sollte, als Abgeordneter zu bestätigen? Jch frage zunächst, ob dieses Amendement Unterstützung findet.

(Es hat die nöthige Unterstüßung gefunden und wird also nun zur Ce gestellt.)

Diejenigen, welche die Frage bejahen, bitte ich, aufzustehen. Zwei Drittel sind bestimmt nicht vorhanden, nicht einmal eine einfache Majorität, Wir kommen nun zu dem Berichte, betreffend den Au- trag auf Erweiterung des Petitions - Rechtes. Jch bitte den Herrn Referenten von der Heydt, seinen Plaß einzunehmen.

Marschall: Es is mir nachträglich bemerkt worden, in der Fassung des Antrages, wie ih ihn vorgetragen hatte, besinde sich niht Alles, worauf der Herr Abgeordnete Schneider seinen Antrag gerichtet, Jch stelle anheim, ob der Herr Abgeordnete Schneider seinen Antrag nochmals erläutern will ?

Abgeordn. Sch n eider: Jch habe nur zu bemerken, daß der Abgeordnete von Westfalen sich gradezu für meinen Antrag erklärt hatte. Jch habe die Wahrnehmung gemacht, daß er nicht dafür ge- stimmt hat. Jch muß also daraus entnehmen, daß er in dem An- trage noch etwas Anderes findet, und daß auh noch andere Miktglie- der der Ansicht sind, daß in meinem Antrage noch etwas enthalten sei, Jch muß deshalb bitten, daß darüber abgestimmt werde.

Marschall: Zuerst wird sihs fragen, ob der Antragsteller selbst etwas Anderes darin findet.

Abgeordn. Sch neider: Allerdings, weil es sich blos darum handelt, die zuerst stattgefundene Wahl für zu Recht bestehend zu er= flären. Jch will mir erlauben den Antrag nochmals vorzulesen.

Marschall: Jch werde dann fragen, ob man einverstanden ist, Falls der Antrag noch etwas enthielte, wäre allerdings darüber abstimmen.

Abgeordn. Schneider (verliest nohmals seinen Antrag.)

Marschall: Jch frage, ob die hohe Versammlung findet, daß in dem Antrage, der so eben verlesen worden is, noch etwas enthal= ten sei, worüber die Abstimmung nicht schon stattgefunden hat. Die- jenigen Mitglieder, welche diese Meinung sind, bitte ih außfzustehen. Da sih Niemand erhebt, so erkläre ih die Frage für verneint.

Abgeordn, von Vincke: Jch habe nur einen persönlichen Fall zu berichtigen, der zu meinem Bedauern, durch den leßten Redner vorgebracht is. Jh habe mix schon bei einer früheren Gelegenheit aus Veranlassung einer Aeußerung des Königlichen Herrn Kommissars zu bemerken erlaube, daß ih Niemanden in diesem Saale das Recht einraumen kann, auf eine hon geschehene Abstimmung zurüzukom- Zch muß mich aber noch entschiedener, und ih darf beifügen, mit Ent- rüstu g, gegen das unparlamentarische Benehmen des leßten Redners erklären, der si die Freiheit herausgenommen hat, meiner Abstim- mung einer Kritik zu untêrwerfen. Wenn ich vorhin gesagt habe, daß p Yat endem des Redners unterstüße, so habe ih nur den T -Autrag darunter verstanden; nämlich den Grafen von Reichen- ach zuzulassen. Von den andere E itä ie er

; n Eventualitäten, die er gestellt hat, war nicht die Rede. Jch pflege i ; : O , Pslege in der Regel mich sehr bestimmt szudrücken, und halte nichts von Eventualitäten. Jh habe mich bei der ersten Abstimmung nicht im Saale befunden, und die Gründe warum ih nicht nicht im Sagl ufü ird mir anwesend war, anzuführen, wird mix

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das. geehrte Mitglied erlassen. Was die übrigen Alternativen betrifft, die sein Antrag enthält, so halte ich sie nit für begründet. Jm Uegrigen aber glaube ih bewiesen zu haben, daß ich nit anders stiume, als ih Lad und werde meine Meinung stets persönlich zu vertreten wissen. Jh weise darum den Vorwurf, den er mir gemacht hat, nochmals mit Entrüstung zurückl.

Marschall: Damit können wir diesen Gegenstand verlassen. Der Referent will seinen Vortrag halten. Es wird um so mehr Ruhe nothwendig sein, als er etwas heiser ist,

Referent: - Folgende Petitionen, das Petitions - Recht betref= fend, sind der vierten Abtheilung zugewiesen worden :

1) Petition der Abgeordneten der Stadt Berlin wegen Modifica= tion der geseßlich bestimmten Stimmenmehrheit von zwei Dritt- theilen in den provinzialständishen Geseßen und ad §. 17 der Verordnung vom 3. Februar c. dahin, daß bei allen ständischen Beschlüssen die absolute Mehrheit der Stimmen entscheide;

2) Petition des Abgeordneten Hirsch, wegen Zulassung von Peti-= tionen bei einfaher Stimmenmehrheit in beiden Kurien und von Beschwerden bei einfacher Stimmenmehrheit nur einer Kurie, sodann wegen Ausdehnung des Petitionsrehts bei dem Ver- einigten Landtage auf alle Jndividuen, Kommunen und Kör- perschaften.

3) Petition des Abgeordneten Dittrich wegen Erweiterung des Pe= titionsrehts für alle ständishen Versammlungen dahin, daß a) einfahe Stimmenmehrheit für Petitions-Anträge genüge z þ) deren- Wiederholung auch ohne neue Gründe bei der näch=

sten Versammlung der Landtage stattfinden dürfe z

c) Bitten und Beschwerden bei dem Vereinigten Landtage auch von Anderen, als Mitgliedern angebracht werden dürfen ;

4) Petition des Abgeordneten Thiel-Wangotten wegen Aufhebung der Bestimmungen ad §8. 19 und 20 der Verordnung vom 3. Februar c. über die Bildung des Vereinigten Landtags und Gestattung des Petitionsrehts in der bei den Provinzial-Land= tagen bisher üblih gewesenen Ausdehnung;

5) Petition des Abgeordneten E. von Saucken-Tarputschen mit dem Autrage :

a) daß allen Provinzial - Landtagen das Petitionsreht in dem bisher ausgeübten Umfange unverkümmert gelassen werde;

þ) daß alle Bitten und Beschwerden einer Kurie nicht von dem Beschlusse der anderen Kurie abhängig gemacht, und durch ein Drittel derse:ben ihre Einreihung unmöglich gemacht werde, daß diese vielmehr nur begutachten, nicht zurück- weisen könne z

6) Petition des Abgeordneten Abegg mit dem Antrage ad l.;

7) Petition der Abgeordneten der Stadt Königsberg mit demsel=- ben Antrage z

8) N des Abgeordneten von Bardeleben mit dem Antrage ad 4;

9) Petition des Abgeordneten Hansemann mit dem Antrage:

a) daß allen Klassen der Nation gestattet werden möge, Pe- titionen an Königliche Behörden und ständische Corporatio= nen ruhig und unbewaffnet in Versammlungen zu berathen und unterschreiben zu können, ohne daß es hierzu einer po= lizcilichen Erlaubniß anders als in dem Falle bedürfe, daß solche Versammlungen im Freien gehalten werden sollen,

b) daß für alle Petitionen die einfache Stimmenmehrheit blos einer der beiden Kurien genügez j

c) daß auch früher zurückgewiesene Petitionen unbedingt er= néuert werden dürfen.

10) Petition des Abgeordneten von Vincke wegen Aufhebung der Bestimmung, wonach das Petitionsrecht des Vereinigten Land- tages auf innere Angelegenheiten. des“ Staats beschränkt wird.

Sämmtliche Petitionen sind auf Erweiterung des Petitionsrechts gerichtet und zerfallen rücksihtlich der darin gestellten Anträge in fünf Haupt-Abtheilungen, insofern sie eine Modification

1, der Beschränkung der Petitionsrehts auf eine“ Majorität von zwei Drittheilen in jeder der beiden Kurien, Il, der Beschränkung desselben auf die Mitglieder des Landtags, IIL, der Beschränkung wegen früher zurücckgewiesener Petitionen, IV, der Beschränkung des Petitionsrechts bei den Provinzial-Land-

tagen, V, der Beschränkung des Petitionsrechts auf innere Angelegen= heiten,

herbeizuführen wünschen.

Das Petitionsrecht ist das natürlichste, das heiligste Recht eines Volkes. Jun den absolutesten Staaten is jedem Unterthan das Recht der Bitte gewährt. Das Allgemeine Landrecht gestattet ausdrücklich jedem Unterthan , seine Zweifel, Einwendungen und Bedenklichkeiten gegen Gesebe und andere Anordnungen im Staate, so wie überhaupt seine Bemerkungen und Vorschläge über Mängel und Verbesserungen, dem Oberhaupte des Staates anzuzeigen. Wie viel mehr muß die- ses Recht den Ständen zur Seite stechen, denen als geschmäßiges Organ des Landes in den wichtigsten Angelegenheiten eine bera- thende, ja theilweise entscheidende Stimme eingeräumt ist. Wo in Deutschland Landstände eingerichtet waren, da ist das Peti= tionsrecht immer im gusgedehntesten Umfange ausgeübt worden. Es wurde stets zu den wesentlihsten Vorrehten und Pflichten der Stände gerechnet, die Wünsche des Landes unmittelbar an den Thron zu bringen, Je freier und umfangreicher diese Unmittelbarkeit durch ungetrübte Ausübung des Petitionörechts \sich ausbildet, desto inniger und segensreicher wird das Band der Liebe und des Vertrauens zwi- hen Fürst und Volk sich befestigen. Jede Beschränkung aber, welche zum Zwecke hat, da, wo die Stände sich berufen fühlen, für die Wünsche des Volkes vermittelud einzutreten, den geseßmäßigen Weg zum Thron zu erschweren, jede solche Beschränkung kann nur einen betrübenden Eindruck hervorrufen, indem sie die öffentliche Meinung, welche jede Regierung mehr oder minder zu beachten hat, hindern würde, sih auf geseßmäßigem Wege Bahn zu brechen. Von diesem allgemeinen Gesichtspunkte ausgehend, schreiten wir nun zur Erörte- rung der speziellen Anträge. j

Die Bestimmung, nah welcher Bitten und Beschwerden des Ver- einigten Landtags nur bei einer Stimmenmehrheit von zwei Dritthei- len in beiden Kurien an den Thron gelangen dürfen, wird in mehre- ren Petitionen als ein das Petitionsreht zu sehr beengendes Hemm- niß hervorgehoben. Es is dabei angeführt worden, daß, während es in allen Kollegien Regel sei, nah Stimmenmehrheit Beschlüsse zu fassen, hier ganz abweichend von dem sonst allgemein als richtig an- erkannten Verfahren die Entscheidung in die Se einer Minorität gelegt sei, indem sie die mit S O votirten Petitionen beseitigen könne. Es wird darauf aufmerkjam gemacht, daß es sich ja gar niht um Beschlüsse handle, die zu einer unmittelbaren Wirk- samkeit gelangen, es vielmehr nur darauf ankomme, die Beschwerden, Wünsche und Bitten des Volkes durh thre Vertreter dem Landesva=- ter vertrauungsvoll vorzulegen und Seiner Weisheit und Gerechtig- feit die weitere Erwägung und Entschließung zu überlassen. Durch ein Zurückführen des künstlichen Stimmen - Verhältnisses auf das na- türlihe werde das Petitionsreht erst zu einer Wahrheit erhoben. Seien die Abgeordneten als die Vertreter der Rehte ihrer Stände zu betrachten, so folge daraus von selbst, daß die von ihnen dur

Stimmenmehrheit ausgesprochenen Wünsche, Bitten auch als von der Mehrheit der Beriretenen tut

werden

seien. Von eínem sehr untergeordneten Grade von Vigtigfeit und

Bedeutung müsse eine Vertretung si darstellen, welche Ï Majorität niht einmal im unbe hränkten Besiße eas E finde, welhes das Allgemeine Landreht jedem Unterthanen ein. räume. Wenn dagegen die einfache rfe hinreichend sei, um das Land mit neuen Steuern und mit Anleihen zu belasten, \o {eine daraus zu folgen, daß dies als ein Gegenstand von minderer Wich= tigkeit angesehen werde, als das Petitionsrecht, Es sei dies indeß ein wesentliches Attribut der D das nicht verkümmert werden dürfe, und welches das recht eigentliche gesebliche Mittel sei, Abhülfe von etwanigen Unregelmäßigkeiten herbeizuführen, um die Krone mit den Wünschen der Unterthanen bekannt zu machen, j daß die auf reiflicher Erwägung und ershöpfender Besprehung beruhenden Beschlüsse auch bei einfaher Stimmenmehrheit wohl Anspruch darauf haben dürften, zur Kenntnißnahme Sr. Majestät vorgelegt zu werden. Billigkeit und Gerechtigkeit erfordern auch bei Petitionen das bei der wichtigen Steuerbewilligung als richtig anerkannte Prinzip der ein- fachen Stimmenmehrheit. Unter Hinweisung auf die speziellen Jnteressen und das Vertre- tungsverhältniß der einzelnen Stände wird sodann die Schwierigkeit beleuchtet, welche für den Stand der Städte und den Stand der Landgemeinden bei Petitionen in Angelegenheiten thres Standes da- durch entsteht, daß der Stand der Ritterschaft allein ungefähr über eben so viele Stimmen zu verfügen hat, als die beiden anderen Stäude zusammengerechnet, so daß der Stand der Ritterschaft bei der jetzterforderlihen Stimmenmehrheit von zwei Drittheilen die von den beiden anderen Ständen einstimmig votirten Petitionen nah Umständen ein=- seitig zu hindern die Macht habe. Endlich wurde angeführt, daß, wenn es früher {on \{hwierig gewesen sei, bci Provinzial - Landtagen eine Stimmenmehrheit vön zwei Drittheilen zu erlangen, nun nach Einseßung der Herren-Kammer und bei der Bedingung, daß in jeder der beiden Kurien eine Ben rität von zwei Drittheilen gefordert werde, dem natürlichsten aller Rechte, dem Rechte der Bitte, eine die treue Gesinnung der Stände wahrhaft betrübende Schranke geseht worden sei. Jeßt sei der Fall denkbar, daß eine in der zweiten Kurie von allen Abgeordneten des Landes einstimmig votirte Petition selbs bei Zustimmung der Ma- jorität der Herren-Kurie dur eine aus wenigen Personen bestehende Minorität der Herren-Kurie verworfen werden könne. Es sei ohne=- hin hon \{wieriger, die einfahe Majorität in jeder der beiven Ku- rien getrennt als die Majorität von zwei Drittheilen in einer Ver- sammlung zu erzielen. / Außer diesen zur Unterstüßung der Petitionen angeführten Grün- den, denen die Abtheilung bei der Berathung in ihrer Majorität beitrat, wurde noch die Erwägung geltend gemacht, daß, wenn früher wohl bei Petitionen der Provinzial - Landtage der Fall habe vorkom- men können, daß von einem zu engen Gesichtspunkte ausgegangen sei, oder irgend ein Mißverständniß, eine irrige Beurtheilung, oder auch ein Mangel an Sachkenntniß zu Grunde gelegen habe, doch bei dem Vereinigten Landtage um \o mehr eine gründlichere und umsichti- gere Erörterung aller Petitionen zu erwarten stehe, als nicht nur bei den Plenar = Berathungen , sondern au bei der Verhandlung in den Abtheilungen die Anwesenheit des Kommissars, dem nach §. 26 des Reglements alle Anträge abschriftlih mitzutheilen seien, so wie die nach §. 12 sämmtlichen Staats-Ministern und den außerdem delegirten Beamten eingeräumte Befugniß, dafür Bürgschaft gewähren, daß alle E Aufklärungen ertheilt und alle Mißverständnisse berichtigt werden, Endlich wurde die Wahrnehmung in Betracht gezogen, daß überall, wo auf den Provinzial-Landtagen bei Petitionen über erheb= liche Tagesfragen zwar nicht die Majorität von zwei Drittheilen, doch aber eine entschiedene Majorität sich herausgestellt habe, eine gewisse Verstimmung nicht nur in der Versammlung, sondern selbst in den Provinzen sich gezeigt, und daß eben diese Verstimmung in der Regel nur ein um \o lebhafteres Drängen zu einem erfolgreiheren Ziele, ja au zu wirklih erfolgreiheren Resultaten auf folgenden Provin= zial-Landtagen geführt habe, eine Wahrnehmung, welche insbesondere für die centralständishe Versammlung eine ernste Beachtung verdiene. Von Seiten der Minorität der Abtheilung wurde dagegen eins gewandt, daß in Fällen, bei welhen nur eine kleine Majorität, viel= leiht nur die Majorität einer Stimme \sich für die Annahme von Petitionen entscheide, die öffentliche Meinung, die Stimme des Lan= des nicht so zuverlässig konstatirt sei, als bei einer Majorität von zwei Drittheilen in jeder der beiden Kurien, daß ferner die einfache Majorität die Anbringung von Petitionen zum Nachtheile des Be- stehenden gar zu sehr erleichtert, und es daher zweckmäßig erscheine, es bei den eben erst erlassenen Bestimmungen so lange zu belassen, bis die Erfahrung eine Aenderung als wünschenswerth werde heraus= gestellt haben. Auch wollte die Minorität das den einzelnen Unter- thanen zustehende Petitionsrecht als Motiv für den vorliegenden An= trag nicht als zutreffend anerkennen, indem es in der Wirkung ein erheblicher Unterschied sei, ob sich ein eiyzelner Unterthan oder ob si eine ständische Versammlung mit einer Petition an den Thron dende.

Mh Bei der von dem Herrn Vorsißer shließlich veranlaßten Abstims

mung erklärte sih die Abtheilung mit einer Majorität von 11 gegen

5 Stimmen für die Bevorwortung des Antrags, der dahin geht: daß Se. Majestät gebeten werde, die exceptionelle Bestimmung einer Majorität von zwei Drittheilen für anzubringende Bitten und Beschwerden aufzuheben, resp. dahin Donat zu modifi= ziren, daß nicht nur in der Regel, sondern bei allen Abstimmungen einfache Stimmenmehrheit entscheide,

Marschall: Diesen Hauptantrag der Abtheilung stelle ih zur Diskussion und gebé dem Herrn Abgeordneten Grafen von Renard zuerst das Work. : E

Abgeordn. Graf von Renard: Ehe ih, meine Herren, auf den Antrag der Abtheilung selbst eingehe , sei mir erlaubt, das Pe- titions-Recht in seiner allgemeinen Auffassung zu beleuchten. Seiner Natur und dem Wortlaut nach, ist das Recht zu bitten, ein Recht, das nicht verliehen werden kann, weil es ein angebornes Recht ist, das Niemanden verweigert werden kann. Wenn es in seiner Allge- meinheit, in seiner Unbegränztheit kein Recht ist, so kann es nur ein Recht werden durh Sonderung, durch Abgränzung, durch Beschrän= fung. Thatsächlih besaß und besißt jeder Preuße das unverküm= merte Recht, seinem Regenten sich jederzeit mit jeder Bitte zu nahen, und es hat sich dieses {öne fromme väterliche Herkbommen dur alle Generationen unseres r La L erhalten und wird auch fortan bestehen. Es drängt ch nun die Frage auf, wär=- um dieses Reht dem Vereinigten Landtage j eingeschränkt wird, warum den Vertretern des Volks so enge Gränzen gezogen werden, während jedem Einzelnen im Volk, in seiner Selbstvertretung dieses Recht unbegränzt U So nahe die Frage ‘liegt, so nahe die - Antwort. Wie Wasser und Luft“ in ihrer Allgemeinheit, in ihrer Unbegränztheit nie Gegenstand des Eigenthümsrechts Einzelner wer- den können, sondern nur durch Sonderung und Abgränzung, so i es au mit dem Petitionsreht, Die Bitte Einzelner wiegt nur n

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