1847 / 144 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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geachtet des Schlusses der Debatte, der verlangt worden ist, in Folge |

des pesieiten Amendements, welches sie für einen Antrag nit er- fannt hat, noch einem Redner das Wort geben will. ; (Großes Lärm.) i

Auf diese Weise kann die Antwort nicht ermittelt werden, son- dern es muß durch Abstimmung geschehen. Wer dem Redner das Wort geben will, beliebe aufzu y N (Es erhebt sich eine große Majorität von den Siben, worauf der

Abgeordnete von Saucken das Wort erhält. Er bemerft :)

Abgeordn. von Saucken: Jch werde mich auf das Faktum allein beziehen. Jn der Provinz Preußen ist ein bochgeacteter, in allen Kreisen und bei seiner früheren Geistlichkeit hohgeachteter Mann der verstorbene Bischof von Hutter selbst war ihm innig befreun- det; in allen Lebens - Verhältnissen genoß er die unbeschränktteste Achtung seiner Mitstände. Sein alter Geistlicher gab sein Amt auf. Er berief selbst einen auderen. Er führte ihn ein als Patron seiner Gemeinde, Seine Kinder waren evangelish fonfirmirt und verheira- theten si mit Protestanten. Dieser junge Geistlihe exkommunizirte ihn und seine Familie, Er war mehrere Jahre exkommunizirt, er= schien aber auf unseren Landtagen, „und mit Freuden haben wir ihn unter uns gesehen. Niemand hat den geringsten Anstand genommen. Später fühlte er immer dringender das Bedürfniß wieder in Ge- meinschaft Me, Brüder die Kirche zu besuhen und das Abend= mahl zu genießen. Er wollte seinen Glauben nicht verlassen, nicht übertreten zu dem Protestantismus und {loß sich darum den Deutsch- Katholiken an. Offen, männlich, würdig legte er diesen Schritt der ganzen Welt in einem offenen Sendschreiben dar. Er kommt von neuem zur Wahl zum Landtags - Abgeordneten und wird als nicht wahlfähig zurückgewiesen, meine Herren! das ganze Ermeland, ja, ich darf wohl sagen, halb Preußen, wandte sich mit der allerunterthä= nigsten Bitte in verschiedenen Petitionen an Se. Majestät den König, die Wahlfähigkeit zu bestätigen. Se. Majestät der König haben in den gnädigsten Ausdrücken geantwortet, daß er unter den bestehenden Verbältnissen dies niht könne, das Geseß müsse aufreht erhalten werden, wenn aber diese gesebßlihe Bestimmung nicht gut sei, so möge sié geändert werden. Darum ist es, glaube ih, unsere Pflicht, auf Abänderung des Geseßes anzutragen. Um diesen Fall, von dem ein geehrtes Mitglied aus Schlesien niht glaubte, daß er stattfinden könne, hier darzulegen, habe ih mir von der hohen Versammlung das Wort erbeten. Alles Uebrige in der Sache zu jagen, habe ih mich gern beschieden, da die Abstimmung bestimmt war.

Marschall: Was die Fragestellung betri, \o geht meine Absicht dahin, zuerst zu fragen, ob der Gegenstand dem Provinzial- Landtag vorgelegt werden soll. Es ist von mehreren Seiten vorge-= {lagen worden, daß eine Proposition auf diesen Gegenstand gerich- tet werde. Darüber muß vorher entschieden werden. N

Abgeordn. Lon Beckerath: Mein Amendement is, wie ih glaube , dasjenige, welhes am weitesten geht und daher geeignet ist, zuerst zur Abstimmung gebracht zu werden. Es besteht in dem An- trage, daß es der oben Versammlung gefallen möge, Se. Majestät den König zu bitten, den Provinzial-Landtagen eine Proposition vor= legen zu lassen, dahin gerichtet, daß §. 5 Nr. 2 des provinzial- sändischen Geseves, welcher die Wählbarkeit zu den Landtagen an Das religiöse Bekenntniß knüpft, aufzuheben sei. Wenn ih sage, daß dieser Antrag zuerst zur Abstimmung kommen müßte, \o is} ein weis

terer Grund dasür der, daß nach meiner Meinung er die meiste Zu-=

stimmung finden dürfte, denn gewiß werden diejenigen, die dem einen

Theil, den E i gegenüber, Gerechtigkeit üben wollen, sie auch

dem anderen Theil nicht versagen.

Marschall: Es war niht meine Ansicht, das ganze Amen-=- dement zur Äbstimmung zu bringen, sondern nur die Vorfrage, ob die Versammlung der Meinung sei, daß dem Provinzial - Landtage diese Proposition vorgelegt werden soll. ;

Eine Stimme: Jh wollte blos darauf aufmerksam machen, daß wir hier nicht darüber abstimmen, sondern daß nur die Provin= zial-Landtage darüber berathen können, und daß dann erst von Sr. Majestät entschieden werden kann.

“(Murren und Widerspruch.)

Jh erlaube mir auf das Geseß hinzuweisen, denn in dem Ge- ses is ausdrücklich gesägt, daß nur der Provinzial-Landtag gehört werden soll, wenn Trennung in dieser Beziehung stattfinden N

Das ist auch gestern 1a anerkannt worden bei Zählung der D “5a von zwei Dritte n. |

geordn. von Leipziger: Jh wollte denselben Antra stellen. Die Bestimmung, daß Mitglieder der Stände a christlichen Kirche gehören müssen, is ein integrirender Theil der Provinzialge- sebgebung, und die Provinzialgesepgebung fann ohne Zustimmung der Provinzialstände niht ausgehoben werden. Wir fönnen also einen dergleichen Beschluß nicht fassen und event, nur die Bitte an Se. Ma- jestät den s stellen, daß eine Königliche Proposition an die Pro-

vinzialstände gebraht werden möge. e

Marshall: Der Herr Abgeordnete tritt mir also bei. Jch bitte nur diejenigen, welche gegen meine Ansicht sind, dies auszú- sprechen.

Abgeordn. Jahmann: Jch bin der Meinung, daß es eine Angelegenheit ist, die sih ganz und gar nicht zur Berathnng der Rade eignet, Es i undenkbar, daß die Staatsbürger in A E vi andere Rehte haben wollen, als die in Preußen. Da=

ist dies eine Mes 4 fia ganze Vaterland betrifst.

lelsache Zustimmung.)

Marschall: Der Meinung kann ein verehrtes Mitglied sehr A sein, aber es fragt si nur, ob die Frage darauf gestellt werden

oll, denn wir haben nur gehört, daß viele Mitglieder anderer Mei- nav O, ; s E

_Landtags-Kommissar: Ganz dasselbe ältni E Eer Sen die Hälfte der Mitglieder der provinzialständi '

2 h zialständishen Versammlungen

zur Beförderung eines Antrags an Se. Majestät den König genügen z e dasselbe Verhältniß, sage ih, waltet auch in der vorliegenden

rage ob, und ih würde mich berufen gefunden haben, diesen Umstand au hier hervorzuheben, wenn er nicht von dem Herrn Antragsteller selbst und von vielen anderen Mitgliedern der Versammlung an eregt wäre, und ih ihn deshalb als abgemacht betrachtet hätte, eus sf gegen ein geehrtes Mitglied aus Preußen bemerkte, daß unmöglich der Fall eintreten könne, daß in einer Provinz dieses, in einer ande- ren jenes in dieser Beziehung Rechtens sei; so will ih nicht unter- suchen, ob eine solhe Verschiedenheit unmögli wäre, wohl aber muß ih hervorheben, daß der Weg, den die hohe Versammlung eventuell meiner Ansicht einzuschlagen erh nicht nothwendig zu diesem Resultat der Divergenz führen müßte; denn, nahdem Se. Majestät

der König sämmtliche hs rovinzial-Landtage in diesem Punkte geyört

hätte, würde es Allerhöchst deren Entschließung vorbehalten bleiben wie Allerhöchstdieselben darüber eda wollten, für T Provin- un E eit vas Rebuil2, e elbst dann, wenn verschiedene Gut= / esu j in= timmung sein fm at denno ein Resultat der Ueberein- : eordn, Graf von Schwerin: Jch kann die Meinung des Königl. Herrn Kommissars nicht vollkommen iellen daß der Fall, den wir gestern abgestimmt haben, und den wir diesen Augenblick abstim- mei wollen, ganz auf dersellen Basis beruht,

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Es handelte sich gestern, nahdem wir bereits festgestellt hatten, nah welchen Grundsäßen der Vereinigte Landtag fene ea habe, nur darum, nah welchen Grundsäßen auf den Provinzial-Landtagen zu verfahren sei, und es lag daher nah meiner Ansicht ganz in der Natur der Sache, daß eben hier nur von einer Bitte um eine Pro- position für die Provinzial-Landtage die Rede sein konnte. Ganz an- ders liegt nah meiner Ansicht der jeßige Fall. Hier wird durch die Aenderung an den provinzialständishen Geseßen zugleih das Recht festgestellt, nah dem der Vereinigte Landtag zusammengeseßt is, und ih glaube also, es handelt sich hier wohl um eine Frage, die der L Landtag unmittelbar zu den Stufen des Thrones zu brin- gen hat.

Marschall: Es zeigt sich son, daß hier eine große Mei-

nungs=-Verschiedenheit darüber stattfindet, ob die Sache an die Pro- vinzial=Landtage gehen soll oder niht. Diese Frage wird der hohe Landtag entscheiden. Jch bleibe dabei, sie vorausgehen zu lassen. __ Eine Stimme: Wir können doch unmöglich darauf hin ab- stimmen, ob es gültig is. Es ist vielfältig auf den Rechtsboden Be- zug gen E daß wir den Rechtsboden nicht verlassen wol- enz wenn wir aber einen solhen Beschluß fassen, so verla vir den Rechtsboden. e E elei __ Abgeordn. von Beckerath: Es scheint mir, daß die Ver= sammlung bei der bevorstehenden Abstimmung in Zwiespalt is, nicht wegen des Grundsazes, sondern wegen der Form. Um ihn zu besei=- tigen, schlage ih die Fassung vor, „daß Se. Majestät gebeten wer- den möge, auf legislativem Wege die Aufhebung des §. D, 2. Des provinzialständischen Gesetzes einzuleiten.“

Eine Stimme: Das ist kein Unterschied; es ist dasselbe.

_ Marschall: Jh muß darauf zurückkommen, daß das Mate= rielle der verschiedenen Amendements vor der Hand ganz ausge= {lossen bleibt, und daß ih blos die Frage stelle, ob die Versamm- lung der Meinung ist, daß Se. Majestät der König gebeten werden möge, über diesen Gegenstand eine Allerhöchste Proposition an die Provinzial-Landtage zu stellen. Welches der Înhalt sein wird, wer- den wir nachher sehen.

Landtags-Kommissar: Zur Fragestellung erlaube ih mir die Bemerkung, daß die Frage: soll Se. Majestät gebeten werden, diesen Antrag dur die Provinzial - Stände gehen zu lassen? cinen Antrag in der Sache selbst vorauszuseßen scheint. Werde aber dic Frage so gestellt: wird angenommen, daß ein solcher Antrag, wenn er überhaupt gestellt würde, jedenfalls durch die Provinzial - Stände gehen müssez dann wäre, meines Erachtens, Niemand in seinem \pä= teren Votum beengt.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Es scheint mir der Vor= schlag des Abgeordneten aus der Rhein-Provinz alle Schwierigkeiten zu beseitigen. Wir sprechen uns dadur nicht aus, daß wir es nicht für richtig hielten, zuvörderst die Provinzial-Landtage zu hören, und daß wix den Gang, welchen der Königliche Kommissar bezeichnet hat, nicht für nothwendig halten; wix sprehen aber eben so wenig aus, daß: es das richtige sei, sondern wir überlassen es dem Gouverne= ment, welher Weg für geseßmäßig gehalten wird. Es kann nur darauf ankommen, daß unsere Wünsche au den Thron kommen.

Eine Stimme: Jn dem Geseße von 1823 heißt es wört= li: „Sollten wir künftig in diesen besonderen Geseßen Abänderun- gen als wohlthätig und nüblih erachten, so werden Wir diese nur nach vorhergegangenem Beirath der Provinzial-Stände Ee N dem Geseh heißt es ferner im §. 5 unter 2: „Die Gemeinschaft der Kirche z““ also dieses kann nur geändert werden, nachdem die Provin= zial - Stände gehört worden sind. Es darf also keine Abstimmung darüber erfolgen, ob es den Provinzial - Ständen vorgelegt werden soll oder nicht. Dies versteht sich_ von felbst, und wir stimmen daher, daß wir ein Geseß niht mehr berüsichtigen wollen. i

(Murren.)

Abgeordn. von der Heydt: Dem geehrten Redner, der sich über die Fragstellung aussprach, muß ih erwiedern, daß das Recht der Provinzial-Stände gar nicht bestritten worden is; das Amende= ment geht dahin, die Bestimmung auf legislativem Wege zu erlassen; der legislative Weg is der eben rechtmäßige Weg.

Marschall: Meine Absicht ist, die Frage so zu stellen: Soll Se. Majestät der König allerunterthänigst gebeten werden, über die Bestimmung des §. 5 Nr. 2 des fraglichen Geseßes eine Allerhöchste Proposition an die Provinzial - Landtage gelangen zu lassen?

(Einige Stimmen: Nein!) Nachher werden die Anträge über den Jnhalt dieser Proposition zur Fragstellung kommen. Diese sind verschiedener Art ; der Vorschlag des Herrn Abgeordneten von Beckerath ist einer davon. Von dem- selben werde ih zuerst den am weitesten gehenden nehmen und zuleßt auf den engsten, auf den der Abtheilung, kommen.

Eine Stimme: Jch bitte ums Wort über diese Frage. Es fann in dem einen Falle zweckmäßig sein, daß der Antrag, den wir zu formuliren im Begriff sind, erst an die Provinzial-Landtage komme, und es kann im anderen Falle eben so zweckmäßig sein, die Bitte geradezu an Se. Majestät zu bringen. Wir können uns nicht über den einen oder, den anderen Weg entscheiden, ohne daß wir erst wissen, warum wir bitten. Jch glaube, der materielle Jnhalt läßt sich hier durhaus von der Formfrage trennen.

Eine Stimme: Jch stimme dem vollkommen bei; wir müssen wissen, wofür wir stimmen sollen, sonst is es niht möglich, mit ja oder nein entscheiden zu können.

Abgeordn. Jachmann: Es ist {on neulich der Vorschlag gemacht worden, die Vorfrage hier wegzulassen, weil sie bei Gele- genheit der Berathung über das Judengeseb wieder vorkommen wird. Dieses Geseh is dem Vereinigten Landtage vorgelegt z; hier aber kommt eine ganz ähnliche Sache zur Erörterung, und es is daher nit abzusehen, warum diese Sache erst noch in den Provinzen berathen werden A

Marschall: Jch kam mi nicht überzeugen, daß die Frag- stellung eine unrichtige sei, und muß dabei beharren.

(Der Secretair verliest die vorige Frage nochmals.)

Diejenigen, welche für die Bejahung sind, bitte ih aufzustehen.

(Mehrere Stimmen: namentlicher Aufruf !) ;

Es wird, glaube ih, uicht nöthig sein, da der Antrag so wenig Anklang gefunden hat. E

Abgeordn, von der Heydt: Jh schlage dann vor, daß diese Frage zuleßt kommt. |

Eine Stimme: Es scheint mir, wenn die Frage so gestellt wird, wie sie der Herr Marschall gestellt hat, daß wir uns durch die Bejahung der Frage präjudiziren. Es scheint mir, die Frage muß so gestellt werden: es solle, wenn der Landtag beschließt, an Se. Majestät eine Bitte auf Erlassung einer Abänderung in dieser Be- ziehung zu richten, Se. Majestät allerunterthänigst gebeten werden, e an die Provinzial - Landtage eine solhe Proposition. zu

Marschall: So habe ih die Frage auch gestellt, es ift {on abgestimmt worden, und zwar ganz in dem gewünschten Sinne. Jch komme nunmehr zu dem Materiellen der verschiedenen Vorschläge, die gemacht worden sind, und werde zuerst diejenigen nehmen, die am weitesten gehen. Der eine Vorschlag geht dahin, die Ausübung der ständischen Rechte in keinerlei Art an das religiöse Glaubensbekennt-

niß zu binden, Darauf folgt der Vorschlag, die Ausübung dieser

binden, so daß dieselben Jedem, der von sich selbst sagt, er sei ein Christ, zustehen sollen. Ferner ist vorgeschlagen worden, die Aus= übung ständisher Rechte allen denen zu gestatten, welche sih zu den geduldeten Religious =- Gesellschaften bekennen. Zuleßt kommt der Vorschlag der Abtheilung.

Abgeordn. Naumann (vom Plate): Bei der ersten Frage, welche das weiteste Amendement betrift, werden möglicherweise Viele sih abhalten lassen, dafür zu stimmen, obwohl sie eigentlich dafür sind, weil hervorgehoben worden ist, man wolle den Debatten über das Judengeseß nicht vorgreifen, und ih würde also zu erklären bit= ten, daß dur das Votum, was hier abgegeben wird, und was mög=- liherweise die Verneinung der Frage sein könnte, in Bezug auf an= dere künftige Beschlüsse nicht präjudizirt wird. Z

Marschall: Eine solche Erklärung darf ih niht geben, Jeder muß wissen, ob er glaubt, sich dadurh zu präjudiziren. :

(Ungestümer Ruf: ja wohl, ja wohl!)

Eine Stimme (vom Plaß): Jch stelle den Antrag auf Ab= stimmung mit Namens- Aufruf.

Marschall (nahdem er geklingelt): Es is auf Namens-Auf= ruf angetragen worden. :

Abgeordn, Graf Merveldt: Jh muß um das Wort bitten, wegen Modifizirung der Fragstellung. Wenn nämlich die erste Frage zur Abstimmung kommt:

Ob Se. Majestät darum gebeten werden soll, den Grundsaß ge- eblich festzustellen, daß die Ausübung der Ae Rechte mt. mehr an die christlihe Religion gebunden werden soll, so beantrage ih, den Zusaß zur Abstimmung zu bringen, ob in die Stände - Versammlung künftig auh Heiden, Muhamedaner, Anbeter von Sonne, Mond und Sternen oder die Anbeter der Göttin Ver= nunft, oder, was gleich gilt, alle erdenklihen, von den anerkannten christlichen Kirchen abgefallenen Sekten übergehen sollen, oder, ob die: Stände-Versammlung eine christlihe Versammlung bleiben soll. (Tobender Lärmen und Klingeln des Marschalls.) Marschall: Neue Amendements dürfen nicht gestellt werden .… (Geschrei und Gelächter, Stimmen: Es ist bereits abgestimmt.) Meine Stimme reiht nit aus, um einen solchen Lärm zu übertäu- ben. Sofern aber die Herren sih mit der Fragstellung einverstanden erklärt haben, so handelt es sich nur noch darum, ob der namentliche Aufruf stattfinden soll. Es ist darauf angetragen worden, und insofern 24 Mitglieder dem beitreten, muß es geschehen. Jch frage: stimmen 24 Mitglieder dafür, daß der namentliche Aufruf geschehe ?

Abgeordn. Gier: Nur eine einzige Bemerkung.

(Vermehrtes Getümmel und heftiges Läuten mit der Glocke.)

Marschall: Es darf keine Bemerkung mehr erfolgen,

(Gelächter.) Die Unterstüßung is erfolgt. (Viele Stimmen dur einander: Nein! Nein !)

Es sind mehr als 24 Mitglieder aufgestanden. (Mehrere Stimmen rufen: Nein! Nein! Andere wieder : I S)

Also es muß der Namens=-Aufruf geschehen. (Der Lärmen steigt.) : Es muß rehte Ruhe sein, damit man die Namen deutlich versteht.

Eine Stimme: Jch erlaube mir eine Frage. Wer Ja sagt, wie is das zu verstehen? : - :

(Fortwährend wachsendes Getümmel, dazwischen Läuten mit der

Glode.) .

Marschall: Die Frage lautet: Soll die Ausübung der stäu- dischen Rechte an keinerlei Art von religiösen Glaubens-Bekenntnissen gebunden se1n? Wer das will, sagt: Ja! |

(Mehrere Stimmen : Nein ! )

Die schöne sonstige Ruhe is heute ganz verschwunden. Jch reie so sehr ih kann, vermag aber nicht durchzudringen.

Es scheint, “E man die Frage noh niht ret verstanden hat.

(Der Secretair verliest die Frage nochmals.)

Wer also will, daß die Ausübung der ständischen Rechte an feinerlei Art religiösen Glaubensbekenntnisses gebunden sein soll, der antwortet mit Ja! Jh richte die Frage an jeden Einzelnen : Wol- len Sie, daß die Ausübung ständisher Rechte an keinerlei Art reli= giösen Glaubensbekenntnisses gebunden sei? Und da antworten Sie mit Ja, wenn Sie das wollen.

(Wiederholter Lärm und Stimmen unter einander, worauf . nach einer Pause der Marschall durch die Glocke das Zeichen zur Ruhe giebt.)

Jch will es nochmals sagen: Alle die, welche wollen, daß die Ausübung ständischer Rechte an keinerlei Art religiösen Glaubensbe= fenntnisses gebunden sein soll, antworten: Ja! Die Anderen: Nein!

Secretair Naumann: Jch werde jedesmal vorher den Buch=- staben anführen, damit die Herren wissen, wann ihr Name zum Ausf= rufe lommen wird. Mit dem Buchstaben D wird angefangen.

(Es beginnt nun der Namens-Aufruf.) (Abstimmung dur namentlichen Aufruf.)

Marschall: Das Resultat der Abstimmung is folgendes : 158 ja, 319- nein.

Eine Stimme: Jch erlaube mir die Anfrage, ob die Na= men dem Protokoll einverleibt werden?

Marschall: Ja!

Abgeordn, Graf Merveldt: Auch den stenographischen Be-= richten?

/ Marschall: Darf ich jet bitten, vaß die Herren ihre Pläße wieder einnehmen?

Abgeordn. Graf Merveldt: Werden die Namen auch im ste= nographischen Bericht aufgenommen ?

Marschall: Jh bitte, daß die Herren erst ihre Plähe ein= nehmen. So lange dies nicht geschehen, kann ih keine Frage be- antworten und keine stellen.

Abgeordn, Graf Merfeldt: Jch habe mir die Frage erlaubt, ob die Namen der Abstimmenden auch im stenographischen Berichte aufgenommen werden?

Marschall: Nein, aber im Protokoll!

Eine Stimme: Wird das Protokoll nicht dem Berichte bei- gelegt ?

Marschall: Nein! O

Eine Stimme: Aber ih glaube, daß wir ein Recht haben, darauf zu bestehen, daß die Namen aufgenommen werden.

; (Stimmen: Ja! Ja!)

Eine Stimme: Wir, die wir Ja gesagt haben, wünschen es ogar. sog Abgeordn. Graf Merveldt: Jch erlaube mir, nochmals den Antrag zu wiederholen, daß die Namen der Abstimmenden in den stenographischen Bericht aufgenommen werden, damit unsere Kommit- tenten, damit das Land, damit ganz Europa erfahre, wie Jeder hier gestimmt hat, (Großer Lärm in der Versammlung. Der Marschall gebraucht

díe Gloe.) wer für die Beibehaltung eines christlichen Staates, einer christlichen Vertretung und wer- dagegen gestimmt hat,

Erste Beilage

Rechte nur an das Bekenntniß zur christlihen Religion überhaupt zu:

M 144.

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Erste Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

Marshall: Da der Antrag gestellt is aa 29 E unterstüßt wird, der Antrag nämli, daß a Nun bitte ih, daß dem stenographischen Bericht aufgenommes g fas ra bien Be- alle diejenigen, welche die Abstimmung in dem |enog a

4 e : llen, aufstehen. eid añsgenommen L A die genügende Zahl.) : + ni ie Mehrheit.

Se oe Beg R 18 jeßt auf einander folgen sol- Vena, werbe 20 S ,, Soll allen deneu, die sich zur christlihen Religion bekennen, die Ausübung der ständischen Rechte zugestanden werden?“ Und wenn diese Frage nicht die nöthige Majo= augen den e follte, dann würde darauf folgen die Frage: „Soll

: Rechte Allen, die sich zu einer geduldeten rist-

die Ausübung dieser N ; 4 Va R Gesellschaft bekennen, zugestanden werden?“ Abgeordn. Graf von Schwerin (vom Plaß): Darf ih mir

die Frage erlauben, ob mein Amendement durch die proponirte Frage- stellung ausgesprochen ein soll? O R

Marschall: ca wohl. (Es ist die ¿rage nur verständlicher formulirt worden, damit síe leichter mit Ja oder Nein beantwortet werden fönne.

Graf von Schwerin: Jch bin damit einverstanden, es ist der Sinn des von mir proponirten Amendements.

(Eine Stimme äußert einige unverständlihe Worte.)

Marschall: Der Herr Redner trägt auf namentlichen Aufruf an, und ih muß fragen: ob dieser Antrag unterstüßt wird?

Es haben sich nur 22 dafür erhoben , der Antrag is demnach nicht unterstüßt.

(Applaus.)

Marschall: Jch stelle nohmals die Flagge: „Soll allen de nen, die sich zur christlichen Religion bekennen, die Ausübung der ständischen Rechte zugestanden werden?‘ Diejenigen, welche sür die Bejahung dieser Frage sind, bitte ih, aufzustehen.

Es i mehr als zwei Drittheile der Majorität dafür vor= handen.

Eine Stimme (vom Plaße): Jh wollte bitten, daß auch die Abstimmung umgekehrt ermittelt würde , so daß die Verneinenden aufständen.

Marschall: Jh habe nichts dagegen. Jch ersuche daher die= jenigen, welche die Frage verneinen, sih zu erheben.

(Das vorige Resultat is als richtig ersichtlich.)

Wir verlassen nunmehr diesen Gegenstand und gehen zu dem nächsten über, betreffend das Gutachten über die Petition des Herrn Abgeordneten Hirsch, wegen Ergänzung der Herren-Kurie.

Referent von der Heydt: Jch beehre mich, Jhnen im Namen der vierten Abtheilung Bericht zu erstatten :

Gutachten

der vierten Abtheilung der Kurie der drei Stände des ersten Vereinigten Landtags, betreffend die Petition des Abgeordneten Hirsch, wegen Ergänzung der Herren- Kammer.

Zur Begründung der auf Ergänzung der Herren- Kammer ge- rihteten Petition wird unter Hinweisung auf die derzeitige Zusam- menseßung der Herrenbank angeführt, daß sie das konservative, streng stabile Prinzip repräsentire, und daß sic die Interessen ihres Grund- eigenthums und ihres Standes vertrete. Zwischen ihr und dem Volke stehe die große Scheidewand ihres hohen Standes und ver schiedener Jnteressen.

Ein Herrenstand, wie der unsrige, stehe vom Volke isolirt, den Frägen der Zeit uicht so nahe, als die übrigen Stände, und werde sich die Sympathie des Volkes nur sehr {wer verschaffen können. Einige vom Volke allgemein gewünschte Petitionen, welche in der zweiten Kurie durhgegangen, beim Herrenstande aber verworfen seien, würden ihn zum Sündenträger zwischen Regierung und Volk machen, und er könne si bei den besten Absichten den Haß der Nation auf- laden. Die Rücksicht sei um #o erforderlicher, als selbst die Prinzen des Königlichen Hauses Sit und Stimme auf der Herrenbank haben. Es dränge sich daher die Nothwendigkeit einer solhen Zusammen- sehung des Herrenstandes bei möglichster Erhaltung des gegenwärti- gen Prinzips auf, daß durch ihm beizugebende sonstige Elemente sein Abstand von dem Volke gemildert und eine Annäherung mit demsel- ben, unbeschadet der hohen Tendenz des Allerhöchsten Gesebßgebers und der Juteressen dieses in der Wageschale des 'Staatslebens so gewichtigen Standes, vermittelt werde. Das Oberhaus in England habe zu dem Behufe noh einige andere Höhen in stch aufgenommen, die Stübßen der Jurisprudenz und der Kirche.

In gleicher Art, sagt der Antragsteller, dürften die Präsidenten des Geheimen Ober-Tribunals, so wie noch einiger anderer obersten Gerichte, die höchsten Prälaten beider christlichen Landeskirchen, die Ober-Bürgermeister der Haupt =- und Residenz - Städte, die Rektoren der Universitäten und einige aus dem Ritterstande selbst zu wählende Mitglieder in die Versammlung des Herrenstandes aufzunehmen sein, und es gehe demnach seine, des Antragstellers, Petition dahin, eine solche Zusammenseßung zu bevorworten.

Die gehorsamst unterzeichnete Abtheilung hat sich niht überzeu- gen können, daß zur Zeit irgend eine Veranlassung vorliege, die in

eziehung auf die derzeitige Zusammenseßung der Herren - Kurie an- gedeuteten Besorgnisse für begründet anzuerkennen. Sie is vielmehr der Meinung, daß man zu den Mitgliedern der Herren - Kurie das feste Vertrauen hegen dürfe, daß sie, wenn auch weniger berührt von den speziellen Juteressen der einzelnen Stände, eben deshalb um so unbefangener und eingedenk ihrer hohen Stellung, aus einem allge- meineren Gesichtspunkte die Interessen der Gesammtheit zu wahren und zu fördern als ihre Aufgabe erkennen werden, daß ferner in ihrer selbstständigen Stellung eine sichere Gewähr gegen alle Ein- wirkungen der Büreaukratie zu erblicken sei und endlich gerade in den ersten Versammlungen der Herren - Kurie, namentlich in dem ein- stimmigen Beschluß einer vollständigen Veröffentlichung, der Beweis gefunden werden dürfe, wie sehr die hohe Kurie selbst es sich ange- legen sein lasse, sich das Vertrauen des Landes zu erwerben.

Die Abtheilung macht sodann darauf aufmerksam, daß Se. Ma- jestät Sich in der Verordnung über die Bildung des Vereinigten Landtages d. d. 3. Februar 1847 in Ansehung der Organisation und Verstärkung des Herrenstandes weitere Entschließung ausdrüdcklich vor- behalten haben. Sie glaubt, daß demnach die vorbehaltenen weite- ren Allerhöchsten Entschließungen abzuwarten seien, zumal da bei der definitiven Gestaltung wohl mit Zuversicht auf eine Erwägung der von dem Antragsteller angedeuteten Wünsche gerechnet wérden dürfte, und is daher der Ansicht: S

Mittwoch den ien Mai.

daß für jeßt wegen Ergänzung des Herrenstand : ; ; f E R, “e es em j Bitte an des Königs Majestät nicht zu stellen *i e E Berlin, den 29. April 1847. Die vierte Abtheilung der Kurie der drei Stände.

Graf Loeben. von der Heydt (Referent). gon Poninsfki Fabricius. Gießler. Bornemann. von Arnim. Riebold. von Katte. Graf von Bocholß. von der Schulenburg. Nethe. Paternowski. von Peguilhen

Graf von Gueisenau,. ea

Marschall: Die Abtheilung hat den Antrag nicht befürwortet Bevor ih ihn zur Berathung stellen kann, muß ih fragen, ob er Rau in der Versammlung Unterstüßung findet ? Ss i (Er is nicht hinlänglich unterstüßt, kann also gar nicht zur Bera-

thung kommen.) i

Wir gehen nunmehr in unserer Tages-Ordnung weiter und kom- men zu dem Gutachten über die Petition des Herrn Abgeordneten Krohn, betreffend die Wählbarkeit aus dem Staude der Landgemein- den zu den Kreistagen, Jch bitte den Herrn Abgeordneten von Ar-= nim als Referent, seinen Plaß einzunehmen. E

Referent von Arnim: Der Bericht lautet: „Der vierten Ab- theilung der Kurie der drei Stände des Vereinigten Landtags hat in der Sibung vom 30, April c. eine Petition des Abgeordneten Krohn und sechs anderer Deputirten dex Landgemeinden vorgelegen, dahin gerichtet : E

An Se. Majestät die unterthänigste Bitte zu richten, daß die Be stimmungen der Kreiötags-Orduungen, wonach zur Wahl eines Ab- geordneten der Landgemeinden für den Kreistag die Ausübung des Schulzen-, Dorfrichter- oder Administrations-Amtes erfordert wird aufgehoben und nur diejenigen Eigenschaften erfordert weiden mö- gen, welche nach den für jede Provinz erlassenen Verordnungen zur Wahl des Abgeordneten der Landgemeinden für den Provinzial Landtag genügen. |

Es drängte sich hierbei die Vorfrage auf, ob diese Petition, als aus besonderem provinziellen Jnteresse hervorgegangen , ‘nah §. 13 des Patents vom 3. Februar d. J. überhaupt als zur Kompetenz des Vereinigten Landtags gehörig anzusehen sei. Da indeß der An- trag allgemein gestellt ist und die Petenten mehreren Provinzen an-

sichtlih der Provinzen Brandenburg, Pommern, S und Preußen die Bestimmung, das nur Schulzen E Sl wählbar sein sollen zu Kreistags - Abgeordneten; im Gef rsrichter

gehören, die Sache auch offenbar als Prinzipien-Frage für die mei- sten Provinzen von Wichtigkeit is, so entschied sich die Abtheilung für die Kompetenz des Vereinigten Landtags und mit der Mehrheit von einer Stimme für den Grundsaß, daß es im Allgemeinen nit angemessen erscheine, die Landgemeinden bei den Wahlen für die Kreis- tage auf Gemeinde-Vorstände zu beschränken.

Da indeß die faktischen Verhältnisse in den verschiedenen Pro- vinzen zu sehr von einander abweichen, um hier zu einer klaren Ueber- sicht gelangen zu können, selbst wenn die Einsicht der verschiedenen Kreis-

Ordnungen hierzu eine Anleitung gegeben hätte und förmliche Ver= handlungen über spezielle Abänderungen der rein provinziellen Gesebe nux auf den Provinzial-Landtagen stattfinden können, so entschied sich die Abtheilung mit 12 Stimmen gegen 3 für den Vorschlag: diese Petition nicht zu befürworten, vielmehr den Petenten zu über- lassen, sich an die betreffenden Provinzial-Landtage zu wenden. Die vierte Abthéilung der Kurie der drei Stände.

Graf von Löben. von der Shulenburg. Bünninghaus.

Nethe. Paternowski. Gießler. Riebold. Or. v. Gneisenau.

oon Katte. von Peguilhen. von Arnim. von Poninski. Bornemann. Schier. Fabrictus. von der QDegor,

Marschall: Es tritt hier der Fall ein, daß die Abtheilung die Petition zwar ap sih nicht zurückgewiesen, jedoh geglaubt hat, daß sie hier im Vereinigten Landtage nicht berathen werden könne, sondern daß die Petenten sich an die Provinzial-Landtage zu wenden hätten. Jch frage also: ob die Versammlung unterstützt, daß hier eine Berathung stattfinde?

i (Wird zahlreich unterstüßt.)

Abgeordn. von Breitenbauh: Meine Herren! Fch fann dem Gutachten der verehrten Abtheilung nicht beitreten, ih muß thr im Gegentheil entgegentreten und darauf antragen, die Petition zu unter=- stüßen. So viel ich weiß, besteht die in Rede stehende Beschrän- fung der Wählbarkeit der Deputirten Des bäuerlichen Standes auf Kreistagen in allen Provinzen, und bestände sie auch nur in einigen Provinzen, so würde sie doch vor das Forum des Vereimgten Land= tages gehören, denn der §. 13 der Verordnung vom De Februar, wegen Einrichtung der Vereinigten Landtage, besagk ausdrüdckli, daß Gegenstände hier zur Sprache fommen können, die im Interesse einiger Provinzen liegen. Den ganzen Vereinigten Landtag tinter- essirt aber der vorliegende Gegenstand in hohem Grade, auch schon deswegen, weil es sich hier handelt um das Gleichgewicht der ver- schiedenen Stände und weil auf diesem Gleichgewicht unjer ständi- \ches Leben beruht. Was nun den gegenwärtigen Fall anlangt, }o würde ich, läge eine Petition vor, die etne stärkere Vertretung sür die Landgemeinden auf den Kreistagen fordert, ste unbedingt unter- schreiben, da ih der festen Ueberzeugung bin, und ich s{chöpfe es aus meiner cigenen Erfahrung, daß der Stand der Landgemeinden auf den Kreistags - Versammlungen , namentlich den Rittergutsbesipern gegenüber, in jeder Hinsicht viel zu wenig vertreten 1j. La aber eine solhe Petition dem Vereinigten Landtage nicht vorliegt

( Mehrere Stimmen: ste liegt vor!) i i

Dann würde ih sie unterstüßen, Da ich aber nicht weiß, ob sie bei der Berathung die nothwendige Majorität für sich erhalten wird, ih aber, aller Vermuthung nach, dabei nicht gegenwärtig jem werde, so will ih die sih mir jeßt darbietende Gelegenheit benußen, diese Petition zu unterstüßen, und dazu helfen, daß eine Beschränkung falle, welche unbillig is, und wenn ein richtiges, quantitatives Vertretungs- Verhältniß des Standes der Landgemeindeu auf den Kreistagen nicht besteht, so soll wenigstens eine ganz tüchtige qualitative Vertretung möglich sein und die in Rede stehende ganz werthlose Wahlbeschrän- kung fallen. : :

Nun is} aber durchaus nicht abzusehen, warum em Kreistags- Deputirter der Landgemeinden durchaus ein Schulze oder ein sonstiger Kommunal - Beamter sein soll, es is im Gegentheil ausgemacht, daß in den Landgemeinden es viele Männer giebt, welche ganz tüchtige Kreistags-Deputirte sein würden, aber nicht Schulzen oder Dorfrichter sind. Warum diese ausschließen? . Die Kriterien eines tüchtigen Kreistags-Deputirten fallen keinesweges mit denen eines guten Schulzen überall zusammen. Meine Herren, wir haben uns {hon oft beslissen, die Beschränkungen zu entfernen, welche einer freien Entwickelung des Standes der Landgemeinden entgegenstehenz bemühen wir uns, auch bei dieser Gelegenheit eine ganz unnöthige und nublose Beschränkung in der Wahl der Kreistags - Deputirten fallen zu lassen.

Abgeordn: Zimmermann: Jn den organischen Geseben, welche die Kreis - Verfassung unseres Vaterlandes reguliren, findet sich rück=

lesien

ebe für das

Rheinland und Westfalen is eine dem Prinzipe nah ähnli

chrift, daß die Se niutsirations- Dencditn va Lebte Tie

wählbar sein sollen. Viele der Betheiligten finden darin eine Be

\hränkung und haben deshalb einen Antrag darauf gerihtet, Se Ma. jestät den König zu bitten, nur die Bedingungen der Wahlfähigkeit für die Provinzial -Landtage als maßgebend hinstellen zu wollen

Auch ih kann mich diesem Antrage nur vollkommen anschließen und erlaube mir zunächst die Frage zur Erörterung zu stellen, ob die hohe Versammlung kompetent is, diesen Antrag vor sih zur Beratk.ung zu ziehen. Nach den allgemeinen Grundsäßen, welche der neuen Ent= wickelung unserer ständischen Verfassung als Basis dienen, ist vor= behalten, daß solche Angelegenheiten, welche die Jnteressen einer ein- zelnen Provinz berühren, nur nah vorgängiger Berathung der Pro- vinzial - Stände einer anderweitigen legislatorishen Anordnung unter- liegen können. Dahin muß ih die Kreistags-Verordnungen unbedingt zählen; denn, wie ih {hon angeführt habe, bestimmt für jede Pro- vinz ein \spezielles Geseß die Kreistags - Ver assung. Es kann sein, daß die Prinzipien für alle dieselben sein mögen, sie würden aber immer erst zu prüfen sein, und zwar nur in jeder Provinz, weil hier einmal spezielle Gesehe für jede bestimmte Provinz vorliegen. Grunde glaube ih, daß der Vereinigte Landtag mit ciner direkten Bitte in ‘dieser Angelegenheit si niht beschäftigen kann. Es bleibt also nur der Weg übrig, den die Versammlung früher {hon einge- schlagen hat, an Se. Majestät die Bitte zu richten, daß Se. Maje- stät geruhen mögen, eine Proposition in dieser Beziehung an die Provinzialstände gelangen zu lassen, und diesen Weg halte ih allein

Aus diesem

für ausführbar und statthaft. Was aber nun die Sache selbst an- langt, insbesondere das Bedürfniß einer solchen Modification der freisständischen Gesebgebung, so erlaube ih mir, Folgendes anzuführen : 1) Ju vielen Provinzen, in vielen Theilen einer Provinz findet die Einrichtung statt, daß die Schulzen durch die Gutsherrschaft er= nannt werden. Dadurch wird vorweg das Recht der Wähler in #o enge Gränzen eingeschränkt, daß man allerdings befürchten kann, daß die Juteressen der Landgemeinden nur in gewissen beschränkten Nor= men werden vertreten werden. Aus diesem Grunde muß ih daher dringend den Antrag der betreffenden Petenten befürworten. Es entspringt {hon aus dieser Ernennung an und für sich ein Abhän= gigkeits-Verhältniß; wäre aber dieses Abhängigkeits-Verhältniß nicht da, so erlaube ich mir zweitens, meine Herren, Sie auf den Eid aufmerksam zu machen, der den Gutsherren von den betreffenten Schulzen und Dorfrichtern geleistet wird. Er lautet so : „Jh \{chwÖöre, daß ih, nahdem ih von dem und dem zum Schulzen bestellt worden bin, dem Staate und meiner Herrschaft treu und gehorsam sein und deren Nußen und Vortheil jeder Zeit befördern will, insbe= sondere das, was mir aufgetragen. .

Eine Stimme: Dem is nicht so.

Marschall: Ich bitte den Redner nicht zu unterbrechen. und befohlen wird, wie ih es vor Gott und der Obrigkeit jederzeit zu verantworten mir getraue.‘‘ Die Form dieses Eides findet sich anerkannt in den Kampbschen Annalen, die ich in administrativer Hit- sicht als normgebend betrahte, wenngleich das eigene Urtheil nicht überall vollkommen ausgeschlossen sein soll.

Jch muß hier gleih hinzuseßen, daß ih aus eigener Erfahrung weiß, daß diese Norm ucht überall beobachtet wird, aber sie steht einmal da, sie is als geseßlich gebilligt anerkannt, insofern also muß ih darauf zurückgehen können. Wenn also dem Schulzen oder Dorf-= rihter cin solcher Eid abgenommen werden kann und wird, so scheint es mir, daß die Selbstständigkeit seiner Ansicht dadur wesentlich gefährdet wird, er wird mit seinem Gewissen möglicherweise in Kon= flift gerathen, und ih glaube nicht, daß es in der ganzen Organisa= tion der kreisständischen Verfassung liegen fann, solhe Abgeordneten seitens der Landgemeinden bei den Kreistagen zu haben. Jch erlaube mir, in dieser Beziehung auf die Stellung des Kreistages mit zwet Blicken hinzudeuten. Zunächst muß ich anführen, daß die Kreistage die Befugniß haben, Ausgaben zu beschließen, und ih erlaube mir, hier nur darauf hinzuweisen, welche mögliche Differenzen in der An- sicht des Abgeordneten zwischen seinen Pflichten und der Uebernahme jenes Eides entstehen fönnen. Ferner steht dem Kreise die Disposi- tion in Bezug auf die Kreis-Kommunal-Fonds zu, und es hat also die Kreistags-Verfassung tiefe Eingrisse in die bürgerlichen Verhält- nisse zu thun, weshalb es ganz unbedingt erforderlich ist, daß eine völlig unabhängige Meinung da vertreten sei. Es fönnte mir ent=- gegengehalten werden, daß in ähnlichen Körpern auch Personen vor= handen sind, die einen Eid geleistet haben, z. B. den Beamten-Eid ; {h mache aber darauf aufmerksam, daß der Beamten = Eid nah den neueren Vorschriften weislih nur die Bestimmung enthält, nach Pflicht und Gewissen zu handeln. Andererseits erlaube ih mir, anzuführen, daß für die Provinz Posen jene Wahlsähigkeits-Bedingung, aus dem freisständischen Geseß bereits entfernt is. Jch betrachte dies gewis- sermaßen als Fingerzeig, daß auch von oben her zu hoffen steht, daß dem Grundsaß an und für sich keine Mißbilligung widerfahren werde. Hieran nun will ih {ließlich die Bemerkung knüpfen, daß nach jener cinzelnen organischen Verfassung die Wahl der Abgeordneten der Land- gemeinden auf Lebenszeit geschieht; es scheint mir daher ferner im Jnteresse der Landgemeinden zu liegen, daß, wenn eine größere Wahl- freiheit einmal gestattet is, auch in Bezug auf die Zeit dieselbe zu gewähren is, daß daher mein Vorschlag unterstüßt werde, die Zeit= dauer der Function eines Kreistags - Abgeordneten auf 6 Jahre fest- zuseßen. Jch habe in allen diesen Beziehungen meinen Antrag in cin Amendement zusammengefaßt und gestatte mir, dieses Amende=- ment der hohen Versammlung zu geneigter Erwägung vorzutragen : „Se. Majestät. den König zu bitten, den Provinzial -Stän- den cine Proposition dahin vorzulegen: : ä

daß zur Wahl der Abgeordneten der Landgemeinden für den

Kreistag, unter Wegfall der Bedingung des Schulzen=-, Dorfes

rihter- oder Administrations - Amtes, bei einem sechsjährigen

Turnus nur diejenigen Eigenschaften erforderlih erachtet wer=

den mögen, welche zur Wahl der Abgeordneten der Landge=-

meinden für den Provinzial-Landtag genügen.““ Jch erlaube mir, diesen meinen Antrag Jhrer Einsicht zu empfehlen. Marschall: Wir gehen jeßt hon auf das Materielle der Sache ein. Jh will mich vorher noch vergewissern, ob die hohe Versammlung den Antrag der E verwirst , der dahin gebt, daß die Versammlung mit dem Antrage i nicht beschäftige. Vor der Hand habe ih nur gefragt, ob die ur prüngliche Petition unter- stügt ist, Dies is geschehen, ich muß aber do, ehe ih weiter gehe, die Frage aufwerfen , ob die Majorität dem Antrage der Abtheilung beistimmt oder niht. Stimmt die hohe Versammlung ihm bei, so fönnten wir doch nicht weiter gehen. i Referent von Arnim: Der Antrag der Abtheilung lautet so: Diese Petition niht zu befürworten , vielmehr den Petenten zu

überlassen, si an die betreffenden Provinzial-Landtage zu wendeu,““