1847 / 146 p. 5 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

auf die verschiedenen Strafbestimmungen hinweisen, die nah der alten und neuen Beweistheorie verschieden eintreten können, und schon des- halb müssen wir wünschen, daß, je eher, desto lieber, Rechtssicherheit eintrete und die Kriminal-Ordnung nach den angedeuteten Prinzipien bald ins Leben gerufen werde. : j Abgeordn. von Auerswald: Wenn ih gleich fast in Allem, was welt worden is, dem verehrten Redner vor mir mich 7 m ßen muß, so bedaure ih doch, daß, wenn der verehrten Abtheilung zwei Petitionen vorliegen, von welchen die eine die ist, welche das von der Regierung beabsihtigte Verfahren im Auge hat, die | ertei aber die Vorlage des Geseßes vom 17. Juli 1846 an die Pllude zu erbitten, diese Petitionen nicht gleichzeitig vorgelegt worden sind, oder vielmehr, daß die andere Petition niht zuerst zur En gekommen is. Da würde die Versammlung si entschieden ha! W ob sie die Vorlage für nothwendig halte oder niht, und es wurde

Niemand, der heute spricht, kaptivirt werden. | i

Referent Tes ted: Jch muß als Referent um Ent- \huldigung bitten, wenn dies niht möglich war, aber ich habe zu be- merken, daß die zweite Petition erst eingegangen is, nahdem der

ht über die erste shon berathen war. j : ia eon E ee Jch habe der Abtheilung nicht

i 1 einen Vorwurf gemacht, sondern nur bedauert , daß dieses E adaetrvien ist, An allerdiugs in Niemandes Schuld, sondern nur im Geschick liegen mag. Ich glaube aber, daß, nachdem dies einmal geschehen is und wir nun wirklich in der unangenehmen Lage sind, uns in Bezug auf das Prinzip ím Zweifel zu befinden, ih vorschlagen muß, - entweder den Beschluß über das vorliegende Referat auszuseßen, bis das andere gleichfalls zum Vortrage gekom- men is, oder daß wir, wenn wir die jeßt auf die Diskussion ver= wendete Zeit nicht unnüß vorübergehen lassen wollen, zwar einen Beschluß fassen, aber hinzufügen, daß dieser Beschluß nicht als voll- ständig gefaßt anzusehen sei, und zwar so lange, bis die Versammlung über die andere Petition Beschluß gefaßt hat. (Viele Stimmen: Nein, das geht nicht.)

Jch erlaube mir nur, die Bemerkung noch hinzuzufügen, daß, wenn mein Vorschlag durhgeht, dann Niemand bei der Abstimmung kapti- virt werden kann, während Viele, welche für bedenklich halten, die Emanation eines so wichtigen und bedeutenden Geseßes ohne Vorlage an die Stände vor sich gehen zu lassen, Bedenken tragen würden, dafür zu stimmen, während sie es sonst von Herzen thun würden.

Abgeordn. Neumann: Das Hauptbedenken, welches einige Mitglieder gegen den Antrag der Abtheilung aufgestellt haben, scheint darin zu liegen, daß sie meinen, es solle das Geseß vom 17. Juli 1846 zur Einführung kommen. Das i} die Meinung der Abthei= lung nicht gewesen, sondern sie wollte nur überhaupt das öffentliche Verfahren bezeichnen und bezeichnete es durch das Geseß vom 17. Juli 1846. Es liegt keinesweges in der Meinung der Abtheilung, daß sie gerade dieses Geseß eingeführt haben will; denn sie is selbst der Meinung, daß noch manche Veränderungen, die im Laufe der Zeit sich als nothwendig ergeben haben, eintreten müssen, Judessen wird es gleichgültig sein, wenn diese Bezugnahme wegfällt, oder

wenn gesagt wird: „mit Vorbehalt der \peziell aufzustellenden Er= innerungen.“ Es konnte von der Abtheilung auf das Spezielle nicht eingegangen werden, weil die Anträge allgemein gestellt waren; \ie waren auf Einführung des öffentlichen und mündlichen Kriminal= Verfahrens gerichtet. Es scheint aber noch ein anderer Jrrthum ob= zuwalten. So weit ih die Abtheilungs-Arbeiten kenne, liegt ihr kein Antrag vor, welcher das Geseß vom 17. Juli 1846 betri, aber es liegt ihr der Antrag vor, daß alle Prozeß=Vorschriften dem Landtage zur Begutachtung vorgelegt werden sollen. Dieser Antrag würde ohne Einfluß für die gegenwärtige Sache sein; indessen wäre es unverfänglih, wenn die Beziehung auf das Geseß vom 17. Juli 1846 wegbliebe.

Abgeordn. von Brünneck: Jh habe mir nur erlauben wollen, dem Vorschlage beizutreten, den zwei geehrte Abgeordnete der Pro-= vinz Brandenburg gemacht haben, daß also aus dem Antrage der Abtheilung die Worte: „durch das Geseß vom 17. Juli 1846 ein= geführte“, weggelassen werden; dann würde es heißen, „an Se. Ma- jestät den König die ehrfurhtsvolle Bitte zu richten : die Ausdeh- nung des öffentlichen und mündlichen Verfahrens auf alle Theile der Monarchie, in welchen die Allgemeine Kriminal - Ordnung gilt, be- schleunigen unddie demselbenetwa entgegenstehenden Hindernisse beseitigen zu wollen.“ Dies scheint mir in dem Antrage des geehrten Abgeord=- neten von Spandau und des anderen Abgeordneten von Branden-=- burg gelegen zu haben.

(Ruf zur Abstimmung.)

Abgeordn. von Wedell: Zur Berichtigung wollte ih mir ein paar Worte erlauben, Diejenige Petition, die auf das Geseß vom 17. Juli 1846 gerichtet is, und welche eine Revision dieses Gesezes zum Zweck hat, ist auf die Einführung der Geschwornen-Gerichte ge- rihtet. Es is das der Antrag des Herrn Abgeordneten von Do- nimierski, Das ist eine ganz getrennte Sache, die auch wohl beson- ders zur Berathung kommen kann,

Abgeordn. von Brünneck: Jch wollte mir nur die kurze Be- merkung erlauben, daß mein Antrag um so nothwendiger scheint, als vas Geseß von 1846 \chon eine Erweiterung durch spätere Aller= höchste Bestimraungen erlangt hat. h

G (Wiederholter Ruf zur Abstimmung.)

bgeordn. von der Heydt: Jh wolle bitten, den Antrag so

zu formuliren : „Die Ausdehnung des öfentlichen und mündlichen Kriminalverfahrens auf alle Theile der Monarchi f legislati G E E zu beschleunigen.“ O geordn. Grabow: Ich glaube ni i sammlung allein Oeffentlihkei unt Mie dli E i In noch etwas mehr hineinlegen. Wollen wir Oeffentlichkeit ind Münd lichkeit blos erbitten, \o würden beide Garantieen b y alt in Kriminalverfahren erbeten sein, und doch besteht Ge ihr rh alten neues, weitergehendes Verfahren. Wenn wix bei héve ali 00s E nalverfahren Oeffentlichkeit und Mündlichkeit blos erbitten f éuèion roße Hemmnisse in der bestehenden Kriminal - Ordnung R vit ch glaube, wir müssen das ganze System, welches in Gatte Tal

i , “Js r Zeit uis gegeben worden ist, festhalten, nämlich Oeffentlichkeit und Münd- lihkeit, Anklage=Prozéß, und daß die Richter nah eigener then gung urtheilen können. Dieses sind die vier Kardinalpunkte weide in dem neueren Geseße festgehalten werden müsen. Wir ‘bringen also mit der Petition an den Thron den Wunsch und das Gesuch daß, so weit als möglich, nah den schon gegebenen Grundlagen ein Geseß erlassen werde. ch glaube, wir werden uns sonst in dieser e eschränken. ih dünkt, es wäre einfacher, wenn wir die von mir bezeichneten vier Punkte mit der Bitte an den Thron bräch-- laffe ans Kriminal-Ordnung für die gesammte Monarchie emaniren zu

Abgeordn. von Donimierski: Jch bitte, daß mein Amen- bag tas 1 zur Abstimmung komme, welches dahin gerichtet ist, or Bs b ohne vorhergebende ständische Berathung eingeführt

Justiz - Minister Uhden: Da di titi i - liegt, so D darüber heute nohch Fein Besblaß j efaßt e r e eei Ti MRTÓR Es ist aber ein Amendement,

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Justiz-Minister Uhden: Dieses beruht auf der Petition, und

da die Petition erst in der Abtheilung berathen wird, \o müssen wir das Gutachten der“ Abtheilung abwarten. . Abgeordn. Grabow: Es geht also mein Antrag dahin, ein Geseß zu geben, wonach sofort verfahren werden kann, ohne erst den Beirath der Stände zuvor einzuholen, weil wir schon die vier Grund- züge desselben angedeutet haben.

Abgeordn. von Auerswald: Jch bitte um Entschuldigung, wenn ich dem Herrn Justiz - Minister widersprehen muß. Warum soll nicht ein Amendement, welhes von Jemanden gestellt worden ist, der von der Petition keine nähere Kenntniß gehabt hat, dahin gestellt werden können, daß das Geseß, welches von der hohen Versammlung nur unter der Bedingung erbeten werden möge, daß sie vorher der ständischen Berathung vorgelegt werde, Jch würde bedauern, wenn das Amendement eher zur Abstimmung käme, als die Petition vorge- kommen ist. Daher wäre mein Vorschlag, daß wir über den Antrag der Abtheilung mit Vorbehalt einer Erklärung über die spätere Pe- tition abstimmen. Jh würde mi aber auch eventuell dem Antrage des geehrten Abgeordneten, der vor mir auf der ersten Bank sit, anschließen, nur daß der Vorbehalt des ständischen Beiraths hinzuge- fügt werde. ;

Eine Stim me: J erlaube mir noch zu bemerken, daß eine Petition, die dahin geht, das Geseß von 1846 einer vollständigen Prüfung zu unterwerfen, nicht vorliegt, sondern eine solhe Petition, die darauf hingeht, das Geseh von 1846 aufzuheben und Geshwo- renengerichte einzuführen.

Abgeordn, von Donimierski: Jch begreife uicht, wie meine Petition hat so mißverstanden werden fönnen, da sie doch vou dem Herrn Marschall öffentlih vorgelesen worden is. Sie geht nicht dahin, das Geseß von 1846 aufzuheben, sondern dahin, das Element der Geschworenengerichte hinzuzufügen.

Abgeordn. von Werdeck: Der Antra g geht dahin, §. 19 des Geseßes aufzuheben. Was der Herr Justiz-Minister im Sinne hatte, ist allerdings eine Petition, die aber nicht speziell auf das Geseß von 1846, sondern im Allgemeinen dahin gerichtet is, alle Prozeßgesebe den Ständen zur Berathung vorzulegen.

Abgeordn, Sperling: Es is offenbar der Fall der, daß zwei verschiedene Petitionen vorliegen, die eine engeren, die andere weite ren Inhalts, Die zweite weiteren Jnhalts, die auf Einführung von Geschworenengerichten gerichtet i, soll erst nach einiger Zeit zur Be= rathung kommen. Es wird nichts entgegenstehen, über die heute zur Sprache gekommene Beschluß zu fassen; indessen glaube ih, es wird niht einen angenehmen Eindruck machen, wenn .wir heute das Minus beschließen und eine Bitte an Se. Majestät den König richten und heute über 8 Tage eine andere folgen lassen, welche denselben Gegen= stand behandelt, aber ihn erweitern will. Jh möchte daher anheim= stellen, heute die Beschlußfassung auszusetzen.

Marschall: Die hohe Versammlung hat bereits mit großer Majorität beschlossen, heute beschließen zu wollen.

Abgeordn. Graf von Shwerin: Jch wollte mir darauf zu- rüdczukommen erlauben, daß mit dem Vorschlage, den der Herr Mar= hall der Provinz Preußen gemacht hat, mir alle Schwierigkeit be= \eitigt zu sein scheint, und ih glaube, daß es des Vorbehaltes des anderen Abgeordneten von Preußen nicht bedarf; denn es i} nicht zweiselhast, Wir beschließen ja gar nicht, daß das Geseß vorgelegt werden solle ohne diesen Beirath, und wenn. der Beirath geseßlich erforderlich is, wird er eingeholt werden müssen, ohne daß wir einen Vorbehalt machen, und ih muß mix darauf aufmerksam zu machen erlauben, daß dies wirklich eiue Frage ist, vie wir- zu reguliren haben werden, Nach der Gesebgebung sollen alle Geseße über Eigenthums=- rehte mit Jubegriff der Steuern vorgelegt werden, das Gouverne= ment scheint der Meinung zu sein, daß Prozeßgeseße nicht dahin ge- hörten. Jch bin anderer Meinung, und viele der geehrten Abgeord- neten sind gewiß auch anderer Meinungz aber wir können doch, mei- ner Meinung nah, heute nihts Anderes thun, als uns durch den Beschluß präjsudizirenz wir können doch eben \o wenig feststellen wollen, die Frage sei bereits entschieden, es gehörten auch Prozeß- Ordnungen zu diesem Geseß, und ich glaube, wir kommen ohne dieses Präjudiz heraus, wenn wir den Antrag annehmen, wie ihn der Mar= schall aus Preußen vorgeschlagen hat, dann gewinnen wir ein Votum für Oeffentlichkeit und Mündlichkeit.

Marschall: Jch bitte, diesen Vorschlag nohmals entwickeln zu wollen.

Abgeordn, von Brünneck: Mein Vorschlag ging dahin, die Worte: „durch das Geseß vom 17, Juli 1846 eingeführte“, zu strei= chen; dann würde der Antrag ganz so lauten, wie er von der Ah-= theilung ausgegangen is, nämlich: „an Se. Majestät den König die ehr- furhtsvolle Bitte zu rihten, die Ausdehnung des öffentlichen und mündli- chen Kriminal-Verfahrens auf alle Theile der Monarchie, in welchen die allgemeine Kriminal-Ordnung gilt, beschleunigen und die derselben etwa entgegenstehenden Hindernisse beseitigen zu wollen.“ So sehr ih dafür bin, unsere ständischen Rechte aufreht zu erhalten, so muß ih mich doch gegen den Vorbehalt, den mein geehrter Kollege aus der Provinz Preußen vorgeschlagen hat, erklären; denn ih finde es für zu wichtig und höchst wünschenswerth, daß dieses Kriminal-Ver= fahren mögli bald bei uns eingeführt werde. Jh muß außerdem für meinen Vorschlag bemerken, was ich {hon vorhin angeführt habe, daß das Geseß vom 17. Juli 1846 schon eine Erweiterung erlitten hat und man also uicht darauf Bezug nehmen kann. Jh würde sonst, wenn man irgend Bedenken tragen möchte und wenn Se Vorbe= halt stattfinden sollte, dabei zu bemerken haben, daß, \o sehr ih eben- falls wünsche, daß wir in der Folge das altdeutshe Institut der Ge- \{chwornengerihte wieder erlangen mögen, ich doch glauben muß, daß wir uns vorläufig begnügen können, wenn wir das erlangen, was der Antrag verlangt. Jch hätte gewünscht, daß die Beschlußnahme noch ausgeseßt worden wäre, damit die Bedenken, die dagegen statt- finden, beseitigt werden. Jh weiß wohl, welche Bedenken von man= hem Anderen dagegen anzubringen sind, namentlich die Bedenken ge- gen riterlihe Jury, wofür hohe Autoritäten sprehen. Aber trotz alledem halte ih es für sehr wichtig, daß wir das erlangen, was die Abtheilung in Vorschlag gebracht hat, denn ih habe die Ueberzeu- gung, daß wir später auch das erlangen werden, was außerdem nothwendig is,

Abgeordn. von Auerswald: Jch schließe mich diesem Vor- arie an, ohne die andern dabei ausgesprochenen Ansichten alle zu

eilen.

Abgeordn. Grabow: Jh glaube, wenn wir den so modifizir= ten Antrag des geehrten Mitgliedes, welches so eben gesprochen, zur Abstimmung bringen, uns zwei Hauptkriterien in der neuen Kriminal= Or nung fehlen, nämlich : 41) der Anklage - Prozeß, da wir jebt die JZnquisitions-Maxime haben, und 2) die neue Beweis-Theorie, welche

egründet is auf die Ueberzeugung des Richters. Es muß in den ntrag kommen: Oeffentlichkeit, Mündlichkeit, Anklage - Prozeß und die auf die Us des Richters gegründete Beweis-Theorie.

Referent von Werdeck: Jch habe au dasselbe Bedenken reußenz indessen glaube ih, , | egenstand der Motivirung des Gutachtens sein wird, und von diesem Stand=

gehabt, wie das geehrte Mitglied aus daß das, was wir Sg wollen, näher auszudrüdcken,

punkte aus habe ih nihts gegen den Vorschlag des geehrten Mit- gliedes; ih glaube aber, bah das geehrte Mitglied auch kein Be-

denken haben würde, wenn die Fassung so gestellt würde: „An Se. Majestät die ehrfurhtvolle Bitte zu richten, auf den allgemeinen Grundlagen des Gesehes vom 14. Juli 1846 und der Verordnung vom 7. April u. \. w.“

(Einige Stimmen: Ja wohl! sehr gut!)

Justiz - Minister Uh den: Das Geseh is angegriffen worden, einmal darum, weil es den Ständen nicht vorgelegt worden, Es ist das als ein Wunsch oder gewissermaßen als eine Rüge in einer Pe- tition ausgesprochen worden. Die Regierung is bisher von dem Grundsaße ausgegangen , daß die Berathung prozessualischer Gesebe als solcher niht zur Kompetenz der Stände gehören, und es sind au Allerhöchste Entscheidungen darüber vorhanden. Das Nähere darüber wird der späteren Diskussion vorbehalten bleiben. Es sind aber auch zweitens gegen einzelne Bestimmungen des Gesehes Erinnerungen aufgestellt worden. Jch habe bis jetzt absihtlih nicht die Verthei digung des Gesebes gegen diese Angriffe übernommen, weil es mir nicht an der Zeit schien, indem noch nicht der Abtheilungs- Vortrag vorliegt. Jh will das blos erwähnen, damit nicht geglaubt wird, daß ih diese Angriffe für begründet halte. Al

Marschall: Da Niemand mehr das Wort verlangt, so ist die Berathung geschlossen. Es fragt sich, ob der Herr Abgeordnete von Donimiersfi darauf verzichtet, daß sein Amendement jet zur Sprache fomme, und ob er es vorbehalten wissen wil, bis das Gutachten über den darin angeregten Gegenstand vorliegt: :

: rbnooetii an Bon imiexsti: Jh wünschte allerdings, daß mein Antrag bis dahin ausgeseßt würde; ih weiß nicht, wie wir über die betreffende Petition berathen sollen, wenn jeßt beschlossen würde, das Geseß möge pure eingeführt werden. .

Marschall: Jch bitte nochmals den Antrag der Abtheilung zu verlesen.

(Dies geschieht durch den Referenten.) :

Abgeordn. von Donimierski: Jch weiß nicht, ob das das- selbe is, als wenn wir sagen: Einführung des Geseßes vom 7. April d. J.

Marschall: Wenn es der Herr Antragsteller verlangt, so will ih über sein Amendement abstimmen lassen. Die erste T die das Amendement betrifft, ist: Soll jeßt \hon beschlossen werden, das öffentliche und mündliche Kriminal = Verfahren einzuführen, mit dem Vorbehalte, daß dies nicht ohne den Beirath der Stände ge- ete Ueber die weitere Frage würde die Beschlußnahme auszu= eben sein. leb Abgeordn, von Auerswald: Js schon entschieden wordett, daß über die Fassung des Herrn Referenten abgestimmt werden soll 2 Jch würde für die des geehrten Herrn, der vor mir sizt, unbedenklich stimmen, während ih mich nicht für die des Herrn Referenten erflä- ren fönnte. Da aber der Herr Referent der Meinung ist, daß beide Fassungen dasselbe enthielten, wird er vielleiht geneigt sein, die sei= nige zurückzuziehen. /

Referent von Werdeck: Jch thue dies sehr gern. :

Abgeordn. Graf von Shwerin: Es scheint doch nothwendig zu sein, daß zunächst über das Abtheilungs - Gutachten abgestimmt würde, und dann über das Amendement, weil man jenes nämlich an- nehmen und dieses dann noh hinzufügen kann. Es is also das Amendement das Plus, das Abtheilungs-Gutachten das Minus. Es ist zweckmäßig, nah dem bisherigen Modus zu verfahren, erst über da s Abtheilungs = Gutachten abzustimmen und dann noch zu fragen, ob noch hinzugefügt werden soll, daß dieses Verfahren nur nach Anhörung ver Stände eingefühxt werden soll. j

Marschall: Die beiden Meinungen stehen neben einander, feine bedingt die andere oder {ließt sie aus, und also bin ich damit einverstanden, daß vorher der Vorschlag des geehrten Mitgliedes aus Preußen zur Abstimmung kommt; derselbe geht dahin, daß die Be- ziehung auf das Geseß vom 17. Juli 1846 ganz weggelassen werde, Die Frage wird also lauten:

„„An Se. Majestät den König die ehrfurhtsvolle Bitte zu richten, die Ausdehnung des durch das Geseß vom 17. Juli 1846 einge= führten öffentlichen und mündlichen Kriminal - Verfahrens auf alle Theile der Monarchie, in welchen die Allgemeine Kriminal - Ord= nung gilt, beschleunigen und die derselben etwa entgegenstehenden Hindernisse beseitigen zu wollen. ““

Eine Stimme: Welches Verfahren i} hier gemeint, das aus der Rheinprovinz, oder das, was jetzt in Berlin eingeführt ist ?

Marschall: Wenn diese Fassung niht angenommen werden sollte, so wird eine andere vielleiht von dem Herrn Antragsteller vor- geschlagen werden.

Eine Stimme: Jch wollte uur bemerken, ob denn nicht über das Gutachten der Abtheilung abgestimmt werden soll, und wenn das verworfen werden sollte, über das Amendement,“ Aber über den Vorschlag der Abtheilung muß abgestimmt werden.

Eine Stimme: Es würden wohl alle Zweifel s{chwinden, wenn die Fassung dahin beliebt würde, daß darin ausgesprochen wäre, ob blos öffentlich - mündlihes Gerichtsverfahren oder Ge= shworenengerihte eingeführt werden sollen.

Marschall: Jh will den Antrag, wie er jeßt formulirt is, nochmals vorlesen.

(Es geschieht.) Diejenigen Herren, welche für diese Fassung sind, bitte ih auf=-

zustehen. (Es erhebt sich eine große Majorität.)

Soll nun das Amendement so lange ausgeseßt bleiben, bis das betreffende Gutachten hier zur Berathung kommt ?

(Einstimmig: Ja!)

Das jebt folgende Gutachten betrifft den Antrag auf Oeffent- lichkeit des Anklage- Vortrages und der Urtels = Publication auch bet den bei verschlossenen Thüren zu verhandelnden Kriminalsachen.

Referent von Werde ck (liest vor):

G utachte

der \

fünften Abtheilung der Kurie der drei Stände des ersten Vereinigten Landtags

auf

den Antrag des Abgeordneten Dr, Zimmermann auf Oeffentlichkeit des Anklagevortrages und der Urtels= Publication auch bei den bei verschlossenen Thüren zu-verhandelnden Kriminalsachen.

Im §. 17 des Geseßes vom 17. Juli 1846 is wörtlich vor- geschrieben :

Alle bei der Sache nicht betheiligten Personen müssen sich aber,

entfernen, wenn der Angeklagte darauf anträgt oder das Gericht dies aus Gründen der öffentlihen Ordnung oder Sittlichkeit für an e erachtet. : er arge findet hierin einen Widerspruch mit dem Prin=- dde: der Oeffentlichkeit und gründet hierauf den oben in der Ueber- rift präzisirten Antrag, indem derselbe davon ausgeht, daß die effentlihfeit die alleinige an die Stelle der Aktenmäßigkeit getretene Gewähr eines geseßmäßigen Verfahrens sei, übrigens aber in der Anklage so wenig, als in dem Urtel, das jedoch, wie vorausgeseßt

wird, ohne Gründe zu publiziren, etwas die öffentliche Ordnung oder die Sittlichkeit Verleßendes zu finden möglich sein werde.

Jndessen kann nah Ansicht der Abtheilung in den Fällen, wo die Oeffentlichkeit auszuschließen is, die Veranlassung dazu, und dies wird bei der Mehrzahl derselben eintreten, nicht blos in denjeni- gen Thatumständen beruhen, welche sich bei der mündlihen Verhand= lung herausstellen, sondern durch den Gegenstand der Anklage selbst begründet sein. Der Grund der Anstößigkeit liegt dann in der An- flage selbst, weil davon deren Zulässigkeit oder Ausschließung abhängt. Ueberdies würde in der Veröffentlichung der Anklage ohne Veröffent- lichung der Vertheidigung eine Verleßung des Angeklagten enthalten sein, ‘weil das Publikum nur erfahren würde, welher Verdacht auf ihm laste, aber nicht, was zu seiner Entschuldigung oder Rechtferti- gung gereiche.

Auch die Veröffentlichung des Erkenntnisses ohne Gründe er= scheint äußerst bedenklih, weil auch bei einer Freisprehung es für die offentliche Meinung sehr wesentlich darauf ankommt, ob der Ange- flagte für völlig gerechtfertigt oder nur wegen mangelnden Beweises für niht überführt zu erachten sei, während umgekehrt bei einer Ver- urtheilung es überaus wesentlich is, zur Bildung einer Ansicht die Gründe derselben zu kennen. Ueberdies is auch die Voraussetzung, als sei die Oeffentlichkeit an die Stelle der Aftenmäßigkeit getreten, insofern unrichtig, als leßtere durch erstere keinesweges ausgeshlo#= en ist. | Die Abtheilung is daher einstimmig der Ansicht, daß der Antrag nicht zu befürworten sei.

Berlin, den 10. Mai 1847,

Die fünfte Abtheilung der Kurie der drei Stände.

von Bodelschwingh. von Saucken. von Werdeck. Freiherr Lon Nordec,. von Galen. Bertram. . Zirmßen. von Schmidt. von Wedell. Neumann. Plange. Schult. Potworowski. Marx. Przygordzki. Thomas. Jordan. von Gaffron.

Marschall: Da der Antrag nicht befürwortet is, so muß ich, ehe er zur Berathung kommen kann, fragen, ob er in der Versamm-= lung die geseßmäßige Unterstützung findet?

( Wird nicht unterstüßt.) : Der Antrag kann also nicht zur Berathung kommen. Es folgt nun- mehr das Gutachten, betreffend die Aufhebung der Sonderung in Theile bei den Vereinigten Landtagen. Referent von der Heydt (liest vor):

Gutachten der oterten Abtheilung der Kurie der drei Stände, betreffend die Petition des Abgeordneten von Beckerath, wegen

Aufhebung der Sonderung in Theile bei dem Vereinigten Landtage.

Zur Begründung des auf Aufhebung des §, 17 der Verord= nung vom 3, Februar gerichteten Antrages hat der Abgeordnete von Beckerath Folgendes angeführt : :

_,Die allgemeine Landesgeseßgebung kennt keinen Unterschied der Stände und Provinzen, jeder Staats=Angehörige is ihr gleich- mäßig unterworfen. Sie kann daher Partikular-Juteressen nicht als solche, sondern nur in ihrem Verhältniß zum Gesamtmt=-Jnteresse

berüdsichtigen, und nur dadur, daß sie das Lebtere als maßge- bend betrachtet, ihr Ziel, die allgemeine Wohlfahrt , erreichen. Wäre sie an partielle Zustände, an tarre Besonderheiten gebunden, jo würde eine dem Entwickelungsgang des Volks entsprechende eJortbildung ihrer Normen unmöglich sein, und ein so in dem edel- sten Theile seines Organismus gehemmter Staat müßte alle Le- bensfrast verlieren und dem Verfall entgegengehen. Wie aber der Willens-Ent\schluß des Geseßgebers nux auf das Gesammt- Interesse gerichtet scin kann, #6 müssen auch in der Institution, welche zum Beirath berufen is, in dèr allgëmeinèn Latidés = Ver= tretung alle divergirende Sonder =- Juteresseu durch gegenseitige Durchdringung sich zu einer Einheit vermitteln. Jhr Beruf is ja eben die Darstellung dieser Einheit, in welcher kein Bestandtheil unbeachtet bleibt, in welcher aber alle zu einem unzertrennlichen Ganzen organish sich verbinden, Die verschiedenen sozialen Ju- teressen finden in dem Wahlgeseße, welhem nah unserer Ver= fassung eine Eintheilung in Stände zum Grunde liegt, ihre Be= rücfsihtigung, das provinzielle Leben wird in seiner Eigenthüm- lichkeit dur die provinzialständische Verfassung gewahrt und ge= pflegt; wo aber dèr Jnbegriff des gesammten \taatlihen Lebens in einer Central= Justitution zusammengefaßt werden soll, da kann der einzelne Stand, die einzelne Provinz eine abgesonderte Stel- lung, ein Recht, sich von dem Ganzen loszureißen, ja sich mit demselben in Konflikt zu seßen, nicht in Anspruch nehmen. Ein jolches Recht ist unvereinbar mit der Bestimmung einer Landes- Vertretung, der Krone den nach allseitiger Erörterung festzestellten Wunsch des Volks, nicht einzêlner Stände und Provinzen, dar= « zulegen; es is unvereinbar mit ihrem Beruf, alle Richtungen des National - Lebens in einem Mittelpunkt zu vereinigen, von welchem aus das Bewußtsein eines gemeinsamen Staats - Verbandes sih durch alle Kreise der bürgerlihen Gesellschaft ergießt; es ist endlih unvereinbar mit ihrer Aufgabe, die Einheit des Staats, auf welcher die Kraft des Staates beruht, moralisch immer fester zu begründen, So lange die allgemeine Stände- Versammlung nicht als eben o untheilbar betrachtet wird, wie das Land, das fie vertritt, jo lange der Krone einerseits und jedem Stande, seder Provinz andererseits vorbehalten bleibt, eine Sonderung in Theile herbeizuführen, so lange it diese Jnstitution der Gefahr ausgeseßt, statt des Gesammt=-Jnteresses Partikular- Interessen zu vertreten, das National-Gefühl zu \{chwächen, statt zu stärken, die Staatskraft zu zersplittern, statt zu sammeln, und somit die Zwecke, zu welchen sie bestimmt ist, nicht nur nicht zu fördern, sondern denselben geradezu entgegenzuwirken.““

Wenngleich die Abtheilung darüber einig war, daß die An- wendung der fraglichen Bestimmung über die Sonderung in Theile bei der einheitlihen Tendenz des Vereinigten Landtags immer nur als ein unerfreulihes Ereigniß betrahtet werden könne, so trug die Majorität der Abtheilung dennoch Bedenken, den vorliegenden Antrag zu befürworten, weil es nah ihrem Dafür= halten in den einzelnen Provinzen und Ständen mit Rücksicht auf die verschiedenen Partifularitäten und Juteressen sehr wünschenswerth erscheinen könnte in den angegebenen Fällen, zur Wahrung der be- sonderen Rechte oder Interessen mittelst eines abgesonderten Gutach= tens der Allerhöchsten Entscheidung zu submittiren.

Die Minorität (zu welcher “der Referent si bekennt) hielt da- gegen die Gründe des Antragstellers , welchen fe überall beitrat, für durchgreifend und entscheidend. Sie glaubte, für den Vereinigten Landtag das Vertrauen in Anspruch nehmen zu müssen, daß er die besonderen Juteressen einzelner Provinzen und Stände, nah vorhe= riger gründlicher Erörterung, \o weit als zulässig, pflihtmäßig berück-

873 ihtigen werde; sie wandte ein, daß das dem Vereinigten Landtag L Steuern und Anleihên eingeräumte Beschlußrecht paralysirt werde, wenn bei jedem Einspruch einzelner Provinzen oder Stände nicht die Entscheidung des Landtags, sondern lediglih die in solhen Fällen einzuholende Allerhöchste Entscheidung maßgebend sein solle, daß fer- ner da, wo es sich um Gutachten oder Petitionen handle, die ab- weichenden Meinungen in einzelnen Provinzen und Ständen dur das Protokoll, die Stenographie und die zu veranlassende namentliche Abstimmung, endlich auch durh die Anwesenheit des Königlichen Kommissarius hinreichend konstatirt seien, um bei der darauf zu er= folgenden Allerhöchsten Entschließung die gebührende Berücksichtigung zu finden. i s Die Abtheilung beschloß bei der demnächst erfolgten Abstimmung

mit 14 gegen 3-Stimmen ihr Gutachten dahin abzugeben :

„daß dem Antrage auf Aufhebung des g. 17 der Verordnung

vom 3. Februar c., betressend die Sonderung in Theile , keine

Folge zu geben sei.“

Berlin, den 14. Mai 1847. Die vierte Abtheilung der Kurie der drei Stände.

Graf von Löben. von Peguilhen. Schier. von Katte. Sattig. Riebold. von Poninski. Paternowski. Nethe. von Arnim. Bornemann. von der Heydt,

__ Marschall: Da auch hier die Abtheilung sich gegen die Peti= tion erflärt hat, so muß ih fragen, ob sie in der Versammlung Un- e S sindet, Diejenigen, die dafür stimmen, bitte ih, aufzu- ehen.

(Wird ausreichend unterstützt.)

Landtags-=Kommissar: Jch habe bereits bei einer anderen Veranlassung Gelegenheit gehabt, mih darüber zu äußern, wie wün= shenswerth es sei, daß alle Mitglieder des Vereinigten Landtages bier möglichst die Gesammt - Juteressen des Vaterlandes ins Auge fassen und sie zu befördern streben, nicht aber sich dur provinzielle oder ständische Jnteressen hinreißen lassen möchten, jene größeren Jn= teressen aus den Augen zu verlieren. Wenn nichtsdestoweniger in dem Geseß vom 3. Februar 1847 die Möglichkeit der Sonderung in Theile beibehalten is, nah Analogie derjenigen Bestimmungen, welche sich in den provinzialständischen Gesetzen befinden, so hat dabei die Möglichkeit vorgeschwebt, daß allerdings, wie au die Majorität der Abtheilung anerkannt hat, Fälle vorkommen können, wo ungeachtet der genauen Beachtung des eben ausgesprochenen Grundsaßes es im Interesse einzelner Provinzen oder Stände wünschenswerth sein könnte, ihre abgesonderte Meinung au den Thron Sr. Majestät des Königs zu bringen. Jch bitte zu erwägen, daß nicht allein solche Gegen- stände, welche die gesammte Monarchie, sondern au solche, welche mehrere einzelne Provinzen betreffen, der Berathung und der Peti= tion der hohen Versammlung unterliegen, und daß es also möglich wäre, daß die Versammlung nah ihrem besten Wissen und Gewissen Anträge stellt, welhe die einzelnen Provinzen präjsudiziren könnten, und daß es dann doch wünschenswerth bliebe, den Weg zur Aeuße= rung der abgesonderten Ansicht offen zu erhalten, /

Wenn aber bei der - Majorität der Abtheilung in dem uns vor= liegenden Gutachten gegen diese Ansicht deshalb sich ein Bedenken erhoben hat, weil das dem Vereinigten Landtage für Steuern und An= leihen eingeräumte Beschlußrecht dadur paralysirt würde, wenn bei jedem Einspruch einzelner Provinzen oder Stände nicht die Entscheidung des Landtags, sondern lediglich die Allerhöchste Entscheidung maßgebend sein solle, s muß hier nothwéndig “ein Mißverständniß obwalten, Jn Beziehung auf die Propositionen von neuen Steuern und Anleihen steht die Sache so, daß Se, Majestät die Proposition an die Stände richten, ob sie ihre Zustimmung dazu geben wollen, neue Steuern aufzulegen oder neue Larlehen zu uachen, Antwortet die Majorität der hohen Versammlung mit „Nein“, so sind Se, Majestät der König nicht ermächtigt, die Steuer zu erhèben oder das Darlehne zu nego= ziiren, Dadurch aber, daß die hohe Versammlung „Ja ““ sagt, ist Sr. Masestät noch nicht die Verpflichtung auferlegt, die Steuer wirk= lih zu erheben oder die Schuld zu kontrahiren. Von einer Beschluß= nahme der hohen Stände - Versammlung kann also in diesem Sinne nicht die Rede sein, vielmehr hat die Krone allein den Beschluß zu fassen, ob neue Steuern ausgeschrieben und ob Darlehen gemacht werden sollen, sobald die hohe Versammlung ihre Einwilligung dazu gegeben hat. Hätten z. B, Se. Majestät die Absicht ausgesprochen, eine neue Steuer zu erheben, die hohe Stände - Versammlung hätte ihre Zustimmung gegeben, eine einzelne Provinz aber die Bitte ge= stellt; daß nichtsdestoweniger Se. Majestät die Gnade haben möchte, von dieser Steuer = Erhebung zu abstrahiren, so würde es allerdings zur Entscheidung des Königs gestellt sein, ob die Erhebung erfolgen solle oder niht. Keinesweges abér könnte man deshalb sagen, ein Beschluß der Stände-Versammlung sei durch die Einzel-Bitte einer Provinz paralysirt,

Eine Stimme: Jch bitte, mir einige Worte vom Plab zu gestatten.

Referent von der Heydt: Zuerst wollte ih die Versammlung, um Mißverständnisse zu verhüten, besonders darauf aufmerksam machen, daß die Petition auf Aufhebung der Sonderung in Theile oder auf Aufhebung des §. 17 des Geseßes vom 3. Februar blos den Ver= einigten Landtag betrifft und nit die Aufhebung der Sonderung in Theile bei den Provinzial-Landtagen. Dann möchte ih auf die Be- merkung des' Königlichen Herrn Kommissars erwiedern, daß die Mei- nung der Minorität (denn der Herr Kommissar haben sich wohl nur versprochen, wenn sie Majorität gesagt haben), daß nah der Mei= nung der Minorität der Abtheilung das Beschlußreht des Vereinig= ten Landtags paralysirt wird in den Fällen, daß ein abgesondertes Gutachten auch Sr. Majestät zur Entscheidung vorgelegt wird. Es heißt nämlich in dem betreffenden Paragraphen :

„Hält bei einem Gegenstande, in Hinsicht dessen das Juteresse der verschiedenen Stände oder Provinzen gegen einander geschieden ist, ein Stand oder eine Provinz durch einen nah Vorschrift des g. 16 zu Stande gekommenen Beschluß sich verleßt, \o findet eine Sonderung in Theile statt, sobald eine Mehrheit von zwei Dritt= theilen dieses Standes oder dieser Provinz es verlangt. :

„Jun solchem Falle berathet jener Stand oder jene Provinz für sich besonders und giebt ein besonderes Votum oder Gutachten abz die daraus hervorgehende Meinungs =- Verschiedenheit wird demnächst Uns zur Entscheidung vargeiegt,

„Auch für andere Fälle behalten Wir Uns vor, von jedem der Vier Stände oder jeder der Acht Provinzen des Vereinigten Land= tags, wenn Wir es für angemessen erachten, abgesonderte Gutachten zu erfordern.“

Jch erkenne an, daß in dem einen oder anderen Falle immer Se. Majestät über die Ausführung zu “entscheiden habe, aber nichts- destoweniger wird gewissermaßen doch der Beschluß des Plenums pa= ralysirt, wenn das abgesonderte Gutachten mit derselben Kraft, wie der Beschluß des Plenums an die Krone, gelangt, und nun Se. Ma= jestät zwischen einem und dem anderen entscheiden. W bin ganz der Meinung des Herrn Antragstellers, daß hier in der Central-Ver- sammlung der Stände genugsam die Juteressen der einzelnen Pro= vinzen und Stände walt nd. :

Jch besorge nicht, daß, wenn hier ein Gegenstand berathen wird,

sich eine Provinz oder ein Stand in einem Präjudiz hort ; Sie sind ja hier anwesend; ich bin oe afees ir f ae bag ey her ih angehöre, ganz unbesorgt, daß die Interessen derselben E judizirt würden. ch stimme daher dafür, daß die ltio in n ganz Ee dem Gesetz glatot werde. S geordn. von ers (vom Plaß): Meine Grü i durch den Herrn Kommissar bereits vorgetragen , so daß De ee e L Lian 4 j eordn. von Werdeck: Jch -bin im Begriff, mich Gutachten zu erklären. Jh muß auch Veranlassung e d, bunte aufmerksam zu machen, wie im Allgemeineu unsere Berathung in ein neues Stadium getreten ist. Wir haben uns bisher aus\{hließlich mit Gegenständen beschäftigt, welche entweder nur reglementarisher Na- tur waren oder das Verhältniß der Versammlung nah außen hin zum Gegenstande hatten. Gegenwärtig is durch den vorliegenden Antrag eine Veranlassung zur Berathung geboten, die sich auf unsere inner= sten Interessen und Verhältuisse, auf die Grundlage unserer ständi= hen Bildung bezieht, ih me daher um die Erlaubniß bitten, etwas tiefer in die Sache einzugehen, und zum Verständniß dessen, was ih in Beziehung auf die Sache selbst zu sagen habe, noch Einiges über den Standpunkt hinzuseßen, auf dem ih mi befinde. Jch gehe da- von aus, daß jede Versammlung, die in großer Zahl zusammengetre- ten ist, wie die unsrige, sih nothwendig in Parteien auflösen muß. Jh glaube nämlich, daß es niht möglich is, bestimmte Ansichten, bestimmte Prinzipien zur Geltung zu bringen, ohne daß vorher außerhalb der Versammlung gewisse Verständigungen stattgefun- den haben, um dann denselben nach einer oder der anderen Seite hin Geltung zu verschaffen. Jh bin der Ansicht, daß Parteikämpfe der Sache nur förderlich sein können, und daß, wer auch siege oder unterlige, immer der Lorbeer dem Vaterlande bleibt. Wenn ih hiervon ausgehe, so glaube ih ferner, daß wir Alle in Be= tracht zu ziehen haben eine doppelte Stellung. Die eine bezieht si auf die Stellung zur Krone, und in dieser Beziehung glaube ih, daß wix Alle nur Ein Gefühl theilen, nämlich das, die Krone möglichst unberührt von der Verschiedenartigkeit unserer Ansicht hingestellt zu schen, sie kräftig und mächtig zu erhalten. Jch komme aber zu dem, was uns unmittelbar berührt, nämlich unsere Stellung zum Lande. Hier sind gewisse Verschiedenheiten der Auffassung bei gleicher Ehren- haftigkeit und Gewissenhaftigkeit möglich; sie sind niht nur möglich, sie sind auch vorhanden. Was ih nun für das Land im Auge habe, was ich für unumgängliches Bedürfniß und für seiner weiteren Entwickelung durchaus erforderlih halte, das ist die Ständische Freiheit. Nach meinen Ansichten verbürgt das Patent vom 3, Februar c. die ständische Freiheit. Jch will nicht darüber rechten, was ih mir in dem Patente noch anders Fewünscht hätte. Jch sehe es als ein fait accompli an. Einen dringenden Wunsch, den ih noch hege, und den wir auf dem geseßmäßigen Wege zu. verfolgen haben, is die periodische Wiederkehr. Wenn ich: aber sage, das Patent verbürgt die ständische Freiheit mehr als alles Vor= angegangene, so glaube ih, daß der Schwerpunkt in dem Anerkennt= niß der Krone liegt, uns bei Anleihen zuzuziehen, und daß unsere Zustimmung bei Ausschreibung von Steuern erforderlih sei. Jch mache darauf aufmerksam, daß die Freiheit von England auf dem Steuerbewilligungs-Recht beruht. Wenn wir daher zur Steuerfrage übergehen, wenn hier die Frage wegen der zu machenden Anleihe vorgelegt wird, so werde ich das Bedürfniß gewissenhaft prüfen und mein Votum so abgeben, wie ih es nöthig halte, daß die Anleihen und die Steuern streng zu dem Zwecke verwendet werden, die wir, das Land und die Krone, im Auge haben. So, meine Herren, ver= stehe ich die ständische Freiheit. Jch sage aber eben die ständische Freiheit, denn ih gehe davon aus, daß in alten Staaten, wie der unsere ciner is, nur allein ständische Freiheit mbglich is, d. h. näm= lih, eine nach deu vorhandenen Juteressen gegliederte Betheiligung der verschiedenen Unterthanen-Klassen am Regiment. Jch rede nicht davon, ob solche Ordnung, wie sie hier gegenwärtig besteht, einer Nachhülfe bedarf; ich glaube, daß mit der Zeit, vielleicht auch schon jeßt, Reformen und Verbesserungen nach einer oder der anderen Seite hin nöthig sind. Jch will dies unberührt lassen, ih glaube aber, das Prinzip der ständischen Gliederung müssen wir festhalten. Erlauben Sie mir, Jhre Blicke auf die Länder hinzulenken, die uns benahbart sind, wo aber die ständische Gliederung nicht besteht : ih blickde auf Frankreich ; dort sind seit 60 Jahren ih weiß nicht genau ich glaube aber 8 verschiedene Verfassungs = Versuche gemacht, alle pro= flamirten Freiheit und Gleichheit; frageu wir, was ist das Resultat? Wie Frankreih gegenwärtig vor uns liegt, beherrschen 250,000 Wäh= ler ein Land von 34 Millionen Einwohner. Was sind diese Herr= her? Es sind ehrenwerthe und angesehene Männer, aber es kon= zentrirt sih die Herrschaft auf den Grundbefiß größerer Eigenthümer, Fabrik-Unternehmer und Gelehrte. Das Land selbst wird größten= theils von Pächtern bebaut oder denjenigen wenigen Klassen aal unabhängiger Eigenthümer, die niht zu derjenigen Klasse gehören, die 300 Fr. Steuer bezahlen, also nicht vertreten sind. Das Recht, wie es in vielen französischen Schriften den regierenden Klassen vor- geworfen wird, das Recht haben sie auch zur Mitregierung, aber gel= tend machen können sie es niht, weil sie niht 300 Fr. Steuer be= zahlen; ist das Freiheit? Jn Belgien haben wir allgemeine Wahlen. (Ruf: zur Sache!) !

Jch glaube, ich bin in der Sache ; ih will beweisen, daß die Entivicke= lung ohne ständische Freiheit nicht möglich ist.

Marschall: Es ist nicht erlaubt, den Redner zu unterbrechen.

Abgeordn. von Werdeck: Wir haben in Belgien allgemeine Wahlen. Jch bin in die dortige Verfassung niht näher eingedrungen, ih weiß nur, daß sie besteht, aber ein Zustand, wo in einer Provinz in einem Jahre die Bevölkerung um 20,000 Seelen zurückgeht, ist fein glückliher. Das, glaube ih, wird sich auch Jeder gestehen. Fragen wir, wie i} es in England? England dies Muster der Frei= heit in dieser Beziehung steht es gegen uns zurück, denn in England ist der freie Stand der kleinen Grundbesißer nicht vertreten, und was ist erfolgt? “Dieser freie Stand, der die Blüthe der Ritterschaft von Frankreich bei Assincourt und Poitiers vernichtet, is untergegangen, weil er feine Vertreter in den Stände-Versammlungen gefunden hat. Nord-Amerika können wir nicht zum Muster nehmen, ein Land, wo von 17 Millionen Einwohnern 24 Millionen Sklaven sind, kann uns niht zum Muster dienen, also ich wiederhole es, was der Freiheit C ist, is die ständische Entwickelung. Jn dieser ständischen Formation , wie wir sie haben, blüht uns eine {öne Zukunft, in ihr ist uns Gewähr gegeben, daß wir die Gefahren überdauern werden, die Europa gegenwärtig bedrohen. Was Europa fehlt, ist die Organisa= tion der Arbeit, wir haben einen großen Fortschritt in Beziehung auf die Organisation der Arbeiter gethan. Jhn haben unsere Fürsten hervorgerufen, indem sie den Stand der kleinen Grundbesiger \hufen. Wenn wir auf diesem Wege weiter fortgehen, so werden sih auch Mittel und Wege finden auch Jenen Vertretung zu \{a|en.

(Ungeduld und Tumult in der Versammlung.)

Meine Herren, ih habe schon einmal das Unglück gehabt, Jhnen zu mißfallen, ih glaube aber, meine Worte haben großen Anklang im Lande gefunden, und daher bitte ih, mih ausreden zu las- sen. Meine Herren, die Garantie für unsere Freiheit liegt in der Reform, und sie liegt darin, daß jedés wichtige Verhältniß eine selbst ständige Vertretung findet, - Das ständische Element, ih wiederhole