1847 / 154 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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„Ih nehme Anstand, \o \charfsinnigen Juristen gegenüber nur zu erwähnen, daß das neue Geseß dem früheren nah be annten Rechts- E derogirt, Wir sind nicht zweifelhaft über den Sinn Sr. Ma- jestät, welher aus esprochen is, nicht nur in dem Geseß vom 3. Fe- bruar, sondern aus in der Thronrede, auch in der Botschaft vom 22. April. Jh glaube, wenn wir den Rechtsboden, den ih bezeih- net habe, untergraben, so erfüllen wir unsere Schuldigkeit nicht. Den- ken Sie daran, was es heißt, alle unsere Rechtszustände in Zweifel zu stellen, dadur, daß man diese Rechtsgrundsäße verläßt. Lassen wir die Weisheit Sr. Majestät walten. Man hat gesagt, es sei un- zulässig gegenüber den Kommittenten, sih von Vertrauen leiten zu lassen. Meine Herren! Das is mir nicht bewußt, daß das Volk, daß unsere Kommittenten kein Vertrauen hätten; ih glaube, wir handeln im Sinne derselben, im Sinne des ganzen Landes, wenn wir ver=- trauen, und deshalb bitte ih Sie, gegen die Petitionen sih auszu-

rechen.

I arn. von Meding: Die Abtheilung hat meiner Ansicht nah die Frage, die uns zunächst vorliegt, ganz richtig gestellt, indem solche darauf gerichtet is, ob wir den König um die periodische Wie- derkehr eines Vereinigten Landtages bitten sollen. Jn den verschie- denen Diskussionen aber, die bisher stattgefunden haben, hat es mir geschienen, als wenn die Frage hin und wieder in den Aeußerungen einiger Redner auf einen anderen Standpunkt gekommen wäre, und daß sie dadurch an Deutlichkeit verloren hätte, _Es hat mir nämlich eschienen, als wenn die Frage über die periodische Einberufung des ereinigten Landtages vielfach vermischt wäre mit der Frage über die periodische Einberufung centralständischer Versammlungen überhaupt. Diese Periodizität centralständisher Versammlungen i aber durch das Patent vom 3, Februar d, J. vollkommen gewährt. Jch, mei-= nes Ortes, würde vollständig der Meinung sein, daß die Versprechun- gen, die durch das Geseß von 1820 gegeben sind, nicht erfüllt wä- ren, wenn die in Folge derselben geschaffenen centralständishen Ver- sammlungen überhaupt keine Periodizität hätten; da aber eine folche Wiederkehr überhaupt gewährt worden is, da nicht blos innerhalb vier Jahren entweder der Vereinigte Landtag oder der Vereinigte Ausschuß zusammentreten soll, sondern da zugleich bestimmt is, daß die ständishe Deputation für das Staatsschuldenwesen alle Jahre, und nah Umständen noch öfter, zusammenkommen soll, so glaube ich, ist im Wesen eine periodishe Zusammenkunft, die ein nothwen= diges Bedingniß jedes ständischen Institutes is, gegeben und dadurch der Rechtsanspruch erfüllt, der aus dem Geseße von 1820 olgt. Handelt es sich aber von der Frage der Nütßlichkeit, dann bin ich vollkommen damit einverstanden, daß eine solche alternirende Wirk- h wie sie gegenwärtig nah dem Patent vom 3, Februar zwi- chen dem Ausschusse und dem Vereinigten Landtage bedingt is, zu großen Bedenken Anlaß giebt, Vom Standpunkte der Nüwlichkeit aus, von dem Standpunkt aus, daß eine gedeihliche Entwickelung der ständischen Jnstitute uns vor allen Dingen am Herzen liegen muß, scheint es mir allerdings wünschenswerth, Se, Majestät den König zu bitten, daß Veränderungen in der gegenwärtigen Geseßgebung gen in Erwägung genommen werden. Die Motive der Nüzlichkeit scheinen mir daher jedenfalls in den Vordergrund treten zu müssen, vbwohl ih Niemanden seine Ueberzeugung nehmen will, daß der Rechtspunkt ebenfalls von Werth sei, und daß wirklich, \o wie die Organisation der ständischen Justitutionen durch das Gesey vom 3, Februar gegeben is, volle Uebereinstimmung mit dem Geseh von 4820 nicht stattfinde. Jch lasse es vollkommen zu, daß auch diese Deduction in die dem Könige vorzulegenden Petitionen mitaufge-

nommen werde; wenn ih aber die hohe Versammlung bitte, gleich"

\o Vielen, die {hon von dieser Stelle aus in gleihem Sinne ge- prochen haben, wenn ih dieselbe dringend beschwöre, daß sie vorzugs= weise an den Standpunkt der Näthlichkeit und Nüblichkeit sich halte, daß sie von der Ansicht möglichst absehe, als seien durch die bisherige Geseßgebung nit alle die Rechte anerkannt, die das Land dem Kü- nige gegenüber hat, so glaube ich, daß wir dafür einen entscheiden- den Grund nicht in dem Streite der Meinungen zu suchen haben, der einmal über die Auslegung des einen oder anderen Paragraphen, des einen oder anderen Wortes zwischen uns stattfinden kann; \on- dern ih glaube, daß wir die Richtschnur für unser Thun wesentlich in dem zu finden haben, was bisher von Sr. Majestät uns und dem Lande gegenüber gethan is. Ganz unabhängig nun von jenen Dif- ferenzen über die Auslegung einzelner Paragraphen des Geseßzes von 1820, frage ich: hat der König mit dem gegenwärtigen Geseß und der Ausführung desselben den Ständen und dem Lande nicht zwei große Geschenke gemacht, hat er damit niht ganz unaufgefordert und ungedrängt den Beweis gegeben, wie weit Se. Majestät der König mit Seinem Vertrauen gegen die Stände und das Land geht? Diese zwei Geschenke sind einmal das Steuerbewilligungs - Recht, was un- zweifelhaft nah den Worten der früheren Geseße die Stände nicht hatten; und zweitens die beinahe ganz unbeschränkte Oeffentlichkeit der Verhandlungen der gegenwärtigen Versammlung. Jch frage Sie, mei? Herren, ob mit diesen zwei Sachen nicht der König den Stän- den und dem Lande einen sehr großen Beweis seines Vertrauens ge- ges hat, und ob durch diese beiden Dinge nicht eine so wesentliche

rundlage zu einer gedeihlihen Entwickelung des ständischen Lebens gegeben is, wie sie nur irgend erwartet werden fonnte? Aber, meine Herren, damit der Baum der Freiheit gedeihen könne, dazu muß er nicht blos von unten gehöriges Gedeihen haben, sondern au von oben rigen Schuß. Unsere ständischen Jnstitutionen könnten sich zum Besten des Landes nicht entwickeln, wenn niht zu gleicher Zeit die Krone mächtig und stark wäre und nicht das volle Vertrauen des Landes genösse. Dazu gehört aber, daß die Autorität des Kö- nE ungetrübt bleibe, und da frage ich nun: is uiht große Besorg- niß vorhanden, daß eine Trübung der Autorität des Königs eintrete,

wenn er, nachdem er mit solcher großen Freisinnigkeit dem Lande so be-

deutende Geschenke gemacht hat, in den nächsten Wochen wiederum

E und neue Konzessionen machen soll? Jch glaube also,

es ist un ere Pflicht, dem Könige vollständig das vorzutragen, was wir für die Wünsche und die Rechte des Landes halten; aber auf solhe Weise, daß wir dadurh unsere Dankbarkeit gegen die Wohl- thaten, die Se. Majestät uns bereits erzeigt haben, nicht verleugnen, und daß zugleich die ganze Versammlung und Jeder an seinem Stü das Seinige dazu beitkrage, um die Autorität des Königs zu unter- stüßen und thatsächlich zu beweisen, daß wi? und das Land Vertrauen zu unserem Könige haben, wie es denn auch unzweifelhaft ist, daß das ganze, Land vollkommenes Vertrauen zu der Weisheit und zu den Jandesväterlihen Absichten seines Königs hat.

Abgeordn. Flemming: Um die Diskussion nicht zu verlängern und in keine unnöthigen Wiederholungen zu verfallen, verzichte ih in der vorliegenden Frage auf das Wort, erbitte mir ene aber von R Herrn Landtags-Marschall später, wenn der Theil des Gutach-

aunter U, der guf meinen Antrag Bezug hat, zur Diskussion

ommt,

Abgeordn. Siebig: 1 Q

; big: Hohe Versammlung! Jh habe nur ar g orte an Sie zu dien Preußens Reichsstände sind zu- S a gesePlidte Organ, die Zustände zwischen Thron und Volk s R b ¡e Dedenken, von denen hier vielfältig gesprochen wor- bis icht N sich vom ersten Augenblieck unseres Zusammentretens is jeßt nit verlieren wollen, Sowohl in der Adresse an Se, Ma-

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claration der 138 waren diese Bedenken mehr oder minder speziell angedeutet, Diese Bedenken zu bannen, den Einklang: zwischen Thron und Volk herzustellen, is Pflicht der e Stände = Verjammlung. Erhebend war die Erklärung des Königlichen Herrn Kommissars, cls in diesem Saale ausgesprochen wurde, daß Hemmnisse vorhanden seien, die wirklih eine Vereinbarung mit dem Throne nicht gestatteten; da wurde uns die tröstende Versicherung gegeben, daß die Räthe der Krone wie die Krone selbst eine Vereinbarung ernstlich wollen, Und mit Dank wurde diese Versicherung entgegengenommen.

Wenn von vielen Rédnern \chon gesagt worden is, daß wohl- bestehende, geseblich verbriefte Rehte niht s{chweigend abgetreten werden dürfen, so muß auch ih mi dieser Ansicht bestimmt anschlie- ßen. Es gilt daher, meine hochgeehrten Herren, die älteren mit den neueren Geseben in Einklang zu bringen, und dies dürfte gar nicht {wer werden. Meine Herren! Jh rufe mir eine Zeit der glor- reihen Geseßgebung Preußens zurück von 1807 bis zum Jahre 1818, So weit werden sie zugestehen, daß diese Geseßgebung Wunder her- beiführte, Wunder, an die kein Sterblicher früher gedacht hätte. Möge man sich in den Geist jener Gesebgebung zurüdckverseben, möge man die Geseze klar, einfach, auf Vertrauen gegründet redi= giren, so dàß sie das Volk ohne Auslegung einfach verstehen und nach ihnen handelu kann! . Dann wird das Volk begreifen, daß man seine wahre Wohlfahrt will. Meine Herren, Preußen hat neben sci- ner eigenen Existenz noch eine zweite Aufgabe, die eben so groß ist. Es ist berufen, sich in Deutschlaud an die Spiße der Civilisa- tion zu stellen, es is berufen, den Centralpunkt alles Besse= ren zu bilden, dann wird Preußen die Meinung aller deut- {en Bruderstämnie für. sich haben, und es wird ein Bollwerk bilden mit allen „deutshen Stämmeu, bestehend aus mehr als 40 Millionen, geeignet, allen Wellenschlägen zu widerstehen, woher diese auch kommen mögen, Meine Herren! Dies is ein wichtiger Mo- ment, und ih hoffe und wünsche, daß man darauf Rücksicht nehmen möge, damit niht mehr Deutsche gegen Deutsche das Schwert ziehen, sondern damit die deutsche Nation vom Süden bis Norden, vom Westen bis Osten Eins sei in ihren Zwecken, Dies kann aber nur geschehen, wenn die öffentliche Meinung des übrigen Deutschland zu Preußen sich hinneigt, Meine Herren! Jn Bezug auf die Petitionen glaube ich, sie sind wohlbegründet, und ih schließe mich dem Amende- ment des Herrn Deputirten aus Westfalen vollständig an, und ich bitte, daß Sie ein Gleiches thun mögen!

(Bravo ! !)

Marschall: Es haben sich noch so viele Redner gemeldet, daß nicht abzusehen is, die Verhandlung bei der vorgerüdckten Zeit heute zu Ende bringen zu können. Jch habe noch zu bemerken, daß an dem heutigen Tage zugleich Sibung der Herren -Kurié gewesen ist und daher der stenographische Bericht bis morgen früh 10 Uhr ausliegen wird,

Landtags- Kommissar: Es is mir von einem sehr ge=- ehrten Deputirten die Mittheilung gemacht worden, daß während der heutigen Sibßung zwei Fremde anderthalb Stunden lang in den Bän- fen der hohen Versammlung hospitirt hätten. Jch weiß nicht, wel= ches die Ansicht der hohen Versammlung über die Oeffentlichkeit der- selben is; aber zur Zeit sind die Sibungen nicht öffentlich, und des= halb glaube ih das Faktum, wenn es sich bestä igt, als eine Unord- nung bezeichnen zu müssen, die keinesweges der Versammlung ange- nehm sein fann.

(Mehrere Stimmen geben ihre Beistimmung zu erkennen.)

Jh glaube nicht, "daß die Unterbeamten im Staude sind, die sechshundert Mitglieder der Versammlung oder alle Eingehenden zu kennen, noch daß .es im Juteresse der Versammlung liegen dürfte, dieserhalb Kontrolle einzüführèn. Deshalb glaube ih, in deren eige=- nem Juteresse die Bitte stellen zu müssen, daß, wenn ähuliche Unord= nungen wieder versucht werden sollten, die Versammlung selbst solche nicht dulden wolle, :

Marschall: Das Faktum kommt so eben auch erst zu meiner Kenntniß, und ih weiß niht, ob es gegründet is. Sollte dies der Fall sein, so is es eine niht zu duldende Unordnung. Für die Folge bitte ih diejenigen verehrten Mitglieder, welchen die Anwesenheit eines Fremden bekannt werden sollte, denselben sogleih hingusweisen zu lassen, :

Morgen früh um 10 Uhr sindet die Fortseßung der heutigen

jestät, als auch in den vorliegenden Petitionen, als auch in der De-

Berathung statt, (Schluß der Sißung um 4 Uhr.)

Sibung der Herren-Kurie am 31, Mai.

Die Situng beginnt, unter Vorsib des Landtags - Marschalls, Fürsten zu Solms, Vormittags gegen £11 Uhr. -

Das Protokoll der vorigen Sibung wird verlesen und ge- nehmigt. . e | E ;

Marschall: Es ist nun zunächst anzuzeigen, daß in Berhit- derung des Domdechanten von Krosigk dessen Stellvertreter, der Vom- herr und Landgerichts =- Direktor von Rabenau, einberufen worden 1k und schon der heutigen Sißung beiwohnt, L ; ;

Sodann habe ich den Herrn von Keltsch aufzuforderu, die Bei- lage zur Adresse an Se. Majestät deu König in Bezug auf die Kö- niglihe Proposition, die Ausschließung bescholtener Personen aus ständischen Versammlungen betreffend, der Versammlung vorzutragen.

Referent von Keltsch: Die Schrift au Se. Majestät den König, das Bescholtenheits - Geseß betreffend, habe ih mir so zu fassen erlaubt.

(Verliest diese, so wie das Gutachten über den Geseß-Ent- wurf, die Ausschließung besholtener Personen von ständi= {en Versammlungen betreffend.)

Marschall: Es fragt sih, ob gegen die Fassung des Be=- \hlusses etwas zu erinnern ist,

Da keine Bemerkungen erfolgen, so ist er für genehmigt zu er= klären. Wir kommen zur Verlesung des Beschlusses, welcher in Be= zug auf den Antrag des Prinzen vou Biron, die Reform der Pa- trimonial - Gerichtsbarkeit betreffend, der anderen Kurie mitzuthei= len ift.

Referent von Kelt#ch: tet jo:

Der Beschluß auf die Petition lau=

(Verliest den Beschluß auf die Petition des Prinzen von rueal die Reform der Patrimonial -= Gerichtsbarkeit be- treffend.)

Marschall: Es fragt sich, ob hierbei eine Erinnerung zu machen is’?

Da dies nicht geschieht, so is die Mittheilung für genehmigt zu erklären. Jh ersuche nun den Fürsten zu Wied und den Domherrn von Rabenau der ersten Abtheilung hinzuzutreten. Die Abtheilung wird sih von nun an auch mit den Mittheilungen zu beschäftigen haben, welche uns von der anderen Kurie herüberkommen. Wir ge- langen nun zur Berichterstattung über den Antrag des Freiherrn von Massenbach, betreffend die Ungültigkeits-Erklärung von Lieferungs- Kontrakten über Branntwein vom 1. Mai ab, Jch bitte den Herrn Senfft von Pilsach, den Bericht zu erstatten. j

Fürst zu Putbus: Jch wollte mir die Frage erlauben, ob die

in leßter Sißung Gewählten irgend etwas zu thun haben, um die Sache ins Leben treten zn lassen. /

Marschall: Jch habe die Mittheilung über die sowohl bei uns als auch in der anderen Kurie stattgefundenen Wahlen dem Herrn Landtags-Kommissar gemacht und ihn ersucht, mich von dem

Zeitpunkt in Kenntniß zu seben, wo der Zusammentritt dieser Kom=- mission mit. den betreffenden Regierungs = Beamten stattfinden könne. Diese Benachrichtigung von Seiten des Herrn Landtags - Kommissars wird zu erwarten i und dann werde ich niht verfehlen, den Mit- gliedern der Kommission Mittheilung von dieser erhaltenen Anzeige zu machen. Damit, glaube ich, daß dasjenige erledigt is, was sei= tens der Mitglieder dieser Kommission gewünscht werden kann.

Graf von Ländsberg=Gehmen: Jh erlaube mir noch eine Frage zu stellen, Es is zweifelhaft gewesen, ob der Fürst Carolat oder der Prinz Carolath gemeint gewesen sei, der für den Ausschu über das Bescholtenheits-Geseß bestimmt worden ist, der Fürst Carolath dem Ausschusse beigewohnt.

Marschall: Das is auch die Wahl gewesen. Es würde also der Fürst von Carolath -= Beuthen aufzufordern sein, weiterhin den Sihungen beizuwohnen.

Referent Frhr. Senfft von Pilsach: Jh muß in Betreff des gedruckten Gutachtens, was ih vorzulesen die Ehre haben werde, erklären, daß es einige Druckfehler enthält, die ih beim Vorlesen be= richtigen werde. Gutachten der zweiten Abtheilung der Herren-Kurie über den Antrag des Freiherrn von Massenba h auf Annullirung der Spiritus=Lieferungs=-Kontrakte, deren Erfüllung durh das erfolgte Schließen der Brennereien unmöglih gemacht ist.

Der Freiherr von Massenbach hat beantragt, Se, Masestät um

Erlaß einer Allerhöchsten Bestimmung dahin zu bitten: S

daß alle diejenigen Spiritus-Lieferungs-Kontrakte, deren Erfüllung durch das in Folge der Allerhöchsten Kabinets-Ordre vom 1, Mai 1847, betreffend das Verbot der Kartoffel-Ausfuhr und des Brannt-= weinbrennens aus Kartoffeln, Getraide und anderen mehligen Stof- fen, erfolgte Schließen der Brennereien unmöglich gemacht is, an= nullixt und die deshalb angestrengten Entschädigungs-Klagen abge- wiesen werden sollen. j

Die Abtheilung is uun zwar der Meinung, daß die Festseßung des §. 364 Th. 1. Tit. 5 Allg. Landrechts :

Entsteht die Unmöglichkeit, den geschlossenen Vertrag zu erfüllen, durh einen Zufall oder durch unabwendbare Gewalt und Ueber= macht, so wird der Vertrag für aufgehoben angesehen, Y für den Fall, wo ein Brennerei -Besiber sich verpflichtet hat, den in seiner eigenen Brennerei zu fabrizirenden Spiritus nah Eintritt des Verbots des Breunerei-Betriebes an einen Anderen abzugeben, bereits den Schuß gewährt, den der Antragsteller den Brennerei = Besißern gesichert wissen will; denn das Verbot, das für den Breunerei-Besiber ein Zufall i} , verseßt ihn wirklih und vollständig 1n die Unmöglich= feit, ferner noch Spiritus zu fabriziren,_ also auch den Vertrag zu erfüllen, so weit niht etwa aus früherer Zeit noch vorhandene Vor= räthe es ihm möglich nachen sollten, seiner Verbindlichkeit nachzu fommen. Es ward zwar das Bedeukeu angeregt, ob ohne Weiteres anzunehmen sein werde, daß die Erfüllung der über Spiritus ge= hlossenen Lieferungs - Verträge durch das Schließen der Brennereien unmöglih geworden sei, und ob nicht zur vollständigen Sicherung der Betheiligten eine Allerhöchste Bestimmung dahin zu erbitten sein möchte: daß Brenmterei- Besiber, welche sich vor Publication der Aller= höchsten Ordre vom 1, Mai 1847 zu einer nah deren Publication zu bewirkenden Lieferung von Spiritus verpflichtet haben, bis zum Beweise des Gegentheils die Vermuthung für sich haben sollen, daß ihuen die Erfüllung des Vertrages durch das Schließen der Brennereien unmöglich geworden. - E

Die Abtheilung is indeß der Meinung, daß, wenn ein Brennerei= Besißer den in seiner eigenen Brennerei zu fabrizirenden Spiritus zu liefern sih verpflichtet hat, es uicht werde in Zweifel gezogen werden können, daß er durch das Verbot des Brennerei-Betriebes, von dessen Eintritt an, in die Unmöglichkeit versebt ist, den Vertrag zu erfüllen, sofern nicht, wie son bemerkt, der Besiß ausreichender Spiritus= Vorräthe ihm die Mittel zur Erfüllung gewährt,

Dagegen besorgt die Abtheilung, daß darüber Zweifel entstehen möchten, ob, wenn ein Brennerei =Besißer, wie dies gewöhnlich ge- schieht, si zu einer nah dem Eintritt des Verbots des Brennerei= Betriebes zu bewirkenden Lieferung einer Quantität Spiritus ver= pflichtet hat, ohne daß in dem Vertrage oder Shlußscheine ausdrüd= lih gesagt oder angedeutet ist, daß nur der von ihm selbst zu fabri= zirende Spiritus Gegenstand der Lieferung sei ob in einem solchen Falle anzunehmen sei oder wer den Beweis zu führen habe, daß es

Es hat aber

sich nur von dem durch eigenen Brennerei =Betrieb zu fabrizirenden Spiritus bei dem Vertrage handle. Ob das Lebtere der Fall, oder ob vielmehr ein eigentlicher Lieferungs-Vertrag im Sinne des §. 984 Th. I, Tit. 11 des Allg. Landrechts abgeschloffen ist, dessen Erfüllung durch das Verbot des Brennerei=Betriebes allerdings nicht un= möglih geworden, sondern nur ershwert wäre, was nach g. 982 ibid. den eigentlihen Lieferanten von seiner Verbind= lichkeit nicht befreit, wird in solhem Falle der Richter nach den vorliegenden, aus dem Vertrage selbst sich ergebenden oder aus den den Vertrag begleitenden Umständen beurtheilen müssen. Und nach der Ansicht der Abtheilung wird der Richter, wenn nichts beigebracht wird, was für das Gegentheil spricht, der Natur der Sache gemäß anzunehmen haben, val der Brennerei = Besißer, der als solcher in der Regel nur über den Spiritus, den er selbst fabrizirt, Verträge abschließt und blos ausnahmsweise sich mit eigentlichen Lieferungs-= Kontrakten befaßt, uur den in seiner Brennerei zu produzirenden Spiritus zu liefern versprochen oder, nah eigentlich juristishem Aus= dru, verkauft habe. Allein die Vermuthung für das Verhältniß, welches nach dem eben Bemerkten erfahrungsmäßig unleugbar als Regel zu betrachten is , erscheint doh nicht so über allen Zweifel erhaben, daß nicht au der Fall eintreten könnte, daß einzelne Richter die Sache anders ansehen und vielleicht mit besonderer Rücksicht auf den niht selten in dergleihen Schlußscheinen und Verträgen ge= brauchten, jedoch offenbar über die Natur des Rechtsgeschäfts an sich nicht entscheidenden Ausdruck „liefern“ oder „Leferung““ den Ver= trag als wirklichen Lieferungs- Vertrag betrachten und deshalb den Brenuerei - Besißer zur Beschaffung des versprochenen Quantums oder zur Gewährung einer Entschädigung verurtheilen könnten, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, daß es ihm mit Eintritt des Verbots unmöglich geworden, noch ferner selbst Spiritus zu produziren, Da in folhem Fall die Brennerei - Besißer, die ohnehin {hon durch das Verbot des Brennerei - Betriebs mancher Hinsicht benachtheiligt worden, offen- bar und gegen den Willen des Gesebßgebers unter Umständen erheb- lihe baare Verluste erleiden könnten, so is die Abtheilung einstimmig der Ansicht, daß der Antrag des Freiherrn von Massenbach in ab- geänderter Weise, nämlich dahin aufzunehmen sei: Se, Majestät den König um den Erlaß einer Allerhöchsten Be- stimmung zu bitten :

daß in Beziehung auf Verträge, durch welche Brenuerei-

Besißer zum Verkauf oder zur Lieferung von Spiritus an

Erste Beilage

Me 154. Erste Beilage zur Allgemeinen Preufisheu Zeitung.

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Sonnabend den Zin Juni.

Z S i C E

dritte Personen si verxflihtet haben, die geseßlihe Vermu“ thung gelten soll, daß diese Verträge nur von dem in der Brennerei des betreffenden Brennerei-Besißers zu fabrizirenden Spiritus handeln.

Die Abtheilung glaubt den Beitritt der hohen Kurie zu diesem Antrage um so mehr befürworten zu dürfen, als durch denselben auf keine Weise eine exceptionelle Maßregel oder eine Ausnahme vou dem gemeinen Recht für die Brennerei - Besißer erbeten wird, sondern nur die gleihmäßige Aufrechthaltung eines Grundsates gesichert werden soll, der sih, vom Standpunkte der bestchenden Gesebe aus, bei richtiger Auffassung der Verhältnisse von selbs ergiebt, dessen Nicht= beahtung in einzelnen Fällen aber für die Betheiligten sehr bedecu= tenden Nachtheil und beträchtlihe Verluste herbeiführen würde.

Finanz-Minister von Düesberg: Den Gruntsäßen, welche in dem Gutachten der Abtheilung entwickelt sind, kann ih nur voll- ständig beistimmen. Sie entsprechen auch denen, welche ih schon bei

einer anderen Gelegenheit in dieser horen Versammlung zu äußern -

mir gestattet habe. Es leidet keinen Zweifel, daß die allgemeinen geseblichen Vorschristen nicht blos die des Landrechts, worauf hier Bezug genommen is, soadern auch die des gemeinen und des rheini- \hen Rechts vollkommen ausreichend sind, um den Brenuerei - Be- sißern, die durch das Brennerei - Verbot behindert worden sind, die Lieferungs-Verträge zu erfüllen, den geeigneten Schutz zu gewähren. Eine richtige Anwendung des Gesebes wird daher für die Brennerei- Besißer in Bezug auf die Erfüllung der Lieferungs = Verträge keine Nachtheile entstehen lassen. Es is nur die Besorgniß geäußert wor-= den, daß die faktischen Verhältnisse, die in den einzelnen Fällen vor- walten könnt»n, von den Richtern vielleicht nicht richtig aufgefaßt wür= den, und daß es deshalb nöthig sei, eine gesetzliche Präsumtion auf- zustellen, wodurch verhütet würde, daß der Richter die zu beachtenden Gesichtspunkte außer Augen ließe. Jch bemerke, daß die Ausfstel- lung von Rechts-Präsumtionen, namentlich von solchen, die blos guf faktische Verhältnisse sih gründen, immer ihre mißliche Seite hat; die Ge-= sebgebung hat deshalb stets vermieden, mit dergleichen Präsumtioneu vorzugehen, wo nicht eine entschieden praktische Nothwendigkeit sich ergeben hat, Durch eine solche Präsumtion wird von vornherein der Sache eine bestimmte Richtung gegeben und dem einen Theile ein Gegenbeweis aufgelegt, Es wird durch eine solche Präsumtion der Richter gehindert, den vorliegenden Fall, so wie er sih nah den ein- zelnen Umständen gestaltet, unbefangen, nah seiner unmittelbaren Ueberzeugung zu beurtheilen, sondern er is genöthigt, zunächst die Präsumtion sih zu vergegenwärtigen und nun zu dem anderen Theile zu sagen: Widerlege das, was durch diese Präsumtion aufgestellt ist. Hierdurch wird gewissermaßen die Gleichheit vor dem Richter verleßt, indem man vorweg dem Einen den Gegenbeweis aufgiebt und dem Anderen die Präsumtion zur Seite stellt. Dies i} nur gerechtfertigt, wenn bestimmte Verhältuisse obwalten, die es an und für sich ge= rechtfertigt erscheinen lassen, über das Exceptionelle einer solhen Be- stimmung wegzusehen, Es fragt sich nun, ob in dem gegenwärtigen Falle solche besondere Umstände vorliegen? Umstände, welche die Er- fahrung in dieser Beziehung an die Hand giebt, sind nicht vorhan- den, sondern es i} nur ein Zweifel, welcher durch die eingetretenen Verhältnisse a priori sih herausgestellt hat, und dem glaubt man begegnen zu müssen. Allein ih bemerke, daß, wenn die Präsumtion auh im Allgemeinen nicht unrichtig sein mag, sih doch die einzelnen Fälle sehr verschieden gestalten können, und daß der Saß: „in Be= ziehung auf Verträge, durch welche Brennereibesißer zum Verkaufe oder zur Leferung von Spiritus an dritte Personen sih verpflichtet haben, folle die geseblihe Vermuthung gelten, daß diese Verträge nur von dem in der Brennerei des betreffenden Brennercibesizers zu fabrizirenden Spiritus handeln“, daß dieser Saß, wenn er auch in vielen Fällen zutreffend is, doch nicht für alle als zutreffend erachtet werden kann, fsondern erst in dem einzelnen Falle erwogen werden muß, ob diese Vorausseßungen vorhanden sind, und es erscheint be= denklich, in dieser Hinsicht durch cine Präsumtion das richterliche Ur= theil zu fesseln und dem einen Theil den Gegenbeweis auszulegen, der unbedingt dadur von vornherein dem anderen Theile gegenüber un- günstiger gestellt wird, während es angemessener ist, daß der Richter in dem einzelnen Falle die beiderseitigen Verhältnisse erwägt und aus ihnen folgert, was da Rechtens ist. Die Rechts-Grundsäte, welche hier einschlagen, unterliegen feinem Zweifel, sie sind von dex Art, daß sie den Betheiligten den nöthigen Rehtsshuz gewähren, und es fommt nur darauf an, wie das Geseß in den einzelnen Fällen anzu= wenden sei. Diese Rücksichten ergeben nicht unerhebliche Bedenken gegen die Aufstellung einer Präsumtion, die in keiner Weise den An- haltepunkt der Erfahrung für sih hat, soudern nur von vornherein in der Besorgniß aufgestellt wird, es könne vielleicht der Richter das Geseß nicht rihtig anwenden, Jch erlaube mir, diese Bedenken in der hohen Versammlung vorzutragen, die dahin zielen, daß ih seitens der Regierung eine Erklärung darüber, ob von hier dem Antrage bcei- gestimmt werde, niht abgeben kaun. : Referent Frhr. Senfft von Pilsach: Jch habe auf die Aeußerungen des Königl. Herrn Kommissarius zu erwiedern, daß man allerdings beabsichtigt, dem Richter eine gewisse Beschränkung vorzu-= zeichnen, diese ist es eben, welche für nothwendig erachtet wird. Da= bei erkenne ih an, daß die beantragte exceptionelle Bestimmung nur dur ein wirklihes Bedürfniß begründet werden kann, bemerke aber, daß gerade in dem vorliegenden Falle ein solhes vorhanden ist. Es sind eine Menge Prozesse jeßt schon anhängig, und sie werden sich noch erheblich vermehren. Die Aussicht aber, daß durch die ergehen- den Erkenntnisse sih erst das Bedürfniß geltend machen möge, dürfte zu weit führen, indem dann der Uebelstand, den wir bescitigen wollen, bereits hervorgerufen sein würde. Also so weit dürfen wir der Praxis nicht folgen, sondern es scheint mir das Bedürfniß {on daraus sich zu ergeben, daß Prozesse bereits vorhanden sind. Na=- mentlich i bei dem hiesigen Stadtgerichte eine Reihe von Prozessen anhängig, welche diesen Gegenstand betreffen. Ferner is von dem Herrn Kommissar erwähnt worden, daß der Vorschlag nicht auf alle Fälle passe. Jch weiß aber nicht, auf welche Fälle er nicht passen sollte, und ih wünschte diesen Punkt näher beleuchtet zu sehen. _ Finanz-Minister von Düesberg: Jede geseßliche Präsumtion it von der Art, daß sie gewiß nicht auf alle Fälle paßt. Das Miß= liche der geseblichen Präsumtion liegt darin, daß man von vornherein, ohne dem rihterlihen Ermessen einen Raunr zu lassen, auf welhem dasselbe si frei bewegen kanu, der einen Partei einen Rechtssat zur Seite stellt, wodur der andere Theil in die Nothwendigkeit des Gegenbeweises verseßt wird. Dies sind die Rücksichten, welche es immer mißlich machen, im Wege der Legislation mit einer Präsum- tion vorzugehen. Jch habe gesagt, daß man deswegen Präsumtio- tionen möglichst zu vermeiden adt habe, niht aber, daß, wenn man hier eine Präsumtion aufstellen wolle, es jeßt nit an der Zeit i, Ih habe geäußert, daß man im Allgemeinen mit Präsumtionen nur daun vorgegangen sei, wenn das praktishe Bedürfniß dazu sich kundgegeben hat. Es is also die Frage, ob die Verhältnisse hier

von der Art sind, daß man über die Bedenken, welche geseßlichen Práäsumtionen überhaupt entgegenstehen, weggehen könne. Jch habe nicht erklärt, daß die Regierung sih dem Antrage widersebe, sondern ih habe nur gesagt, daß die Bedenken von der Art sind, daß ich die Zustimmung der Regierung zu dem Antrage nicht erklären kann, Jch habe mich für verpflichtet gehalten, auf die verschiedenen Beden- fen, welhe im Allgemeinen und im Besonderen gegen den Vorschlag obwalten, aufmerksam zu machenz was die hohe Versammlung be- schließt, das wird Sache weiterer Erwägung seitens der Regie- rung sein. L f i “von Brandt: Ju den meisten Verträgen, welche über Spiritus-Verkauf abgeschlossen worden sind, hat man das Wort Lie- ferung gebrau{ht. Wenn der Richter zwischen Lieferung und Verkauf einen bedeutenden Unterschied macht, so glaube ich, dürfte der Antrag des Ausschusses anzunehmen sein, indem außerdem unendlihe Schwie- rigkeiten für die Brennereibesißer entstehen würden und sie vom Richter verurtheilt werden könnten, zu liefern. Man hat nur Spi- ritus-Lieferungs-Kontrakte als Verkäufer machen wollen, und diesel- ben müssen in den Staud verseßt werden, die Präsumtion als solche für sich zu haben, da sie nur den Spiritus verkaufen wollten, den |ie aus der eigenen Brennerei liefern fonnten. Darum glaube ih, bei dem stehen bleiben zu müssen, was die Abtheilung beantragt hat.

Prinz Biron: Jh muß mi entschieden gegen den Antrag erklären, weil ih jedes jeßt erst zu erlassende Geseß für vollständig unzureichend halte. Die Fälle, unter denen die Kontrakte auf Spi- ritus abgeschlossen werdeu, sind so verschiedenartiger Natur, daß ich glaube, daß, wenn das Geseß auch noch so allgemein, wie immer möglich, géstellt werden sollte, es doch unzureichend wäre und det gegenwärtige status quo der Geseßgebung sowohl für den Empfan- genden als für den Liefernden gerehter und mithin günstiger si darstellt, als der eines neu zu erlassenden Gesebes.

vou Hövel: Jch muß ganz dem beistimmen, was der geehrte Redner gesagt hat. Jede solche Präsumtion hat rückwirkende Krast, Es kommt nicht darauf an, was bei einem solchen Kontrakte hat ge- sagt werden sollen, sondern was gesagt worden is. Es wird auch in praktischer Beziehung für ten Spiritushandel von größtem Nach- theil sein, wenn ein solches Geseß erlassen und dadurch eine gewijse Art von Rechtslosigkeit deklarirt würde. Dafür würden es die Käufer erklären. Allerdings können die Verluste bedeutend sein, aber das fommt zu den übrigen viel bedeutenderen Opfern, die den Brennerci- Besißern {hon auferlegt worden sind. /

Graf von Zieten: Jch kann mih auch nur der Ansicht des geehrten Mitgliedes aus Schlesien anschließen. Was die Kontrakte anlangt, die auf Schluß gemacht sind, so können sie nur in unbedeu- tender Zahl gemacht werden, da bei der gegenwärtigen steigenden Tendenz der Spirituspreise die Gutsbesißer nur immer das verkauft haben, was bei ihnen in natura vorhanden war. Der Nachtheil also, der dur die Allerhöchste Kabinets - Ordre vom 1. Mai das Verbot des Branntweinbrennens betreffend, entsteht, kann im Allgemeinen nicht \o stark sein. Ein anderes isst es mit dem Theile der _Kausf= mannschaft, der seine Speculationen seit einiger Zeit hauptsächlich bloß auf Schlußgeschäfte wirst. Solche Geschäste so viel wie möglich zu beengen und gleichsam zu unvermöglichen, muß ein Theil der Auf gabe des Landtags sein. Jh gehe in diese Behauptung um eimge Jahre zurück. Jch weiß, daß die Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 25. Mai 1844, die wegen des damals herrschenden Actienshwindels erlassen wurde und \o viele Tausende von Menschen unglücklih machte, ih weiß, daß dieses Allerhöchste Geseß die Unterdrückung der Schluß- geschäfte zur Absicht hatte. Daß der Zweck des Allerhöchsten Ge- seßes zum Theil nicht erfüllt worden ist, ist dadurch zu erweisen, daß das Schluß - Actien- Geschäft auf andere Art betrieben wird. So wird aus dem Actien = Schluß ein Actien - Wechsel, aus dem Actien- Wechsel ein Actien-Prämien-Geschäft, und so hat sich dieses Schluß= Geschäft auf unserer Börse heimatlih niedergelassen. Ja es geht so weit, daß ein großer Theil des diesjährigen Getraide- Geschäfts nihts als ein derartiges Schlußgeschäft gewesen is, ein Umstand, dem leider zum großen Theile die hohen Preise des Getraides zuzu- schreiben. Jch glaube gründlich informirt zu sein und führe als Bei= spiel an, daß ein paar Leute, hier aus Berlin, wenn ih nit irre, mosaischen Glaubens, mehrere Hunderttausende an Getraide- Schluß= Geschäften gewonnen, ohne auh nur einen Wispel in natura em- pfangen zu haben. So isst es auch mit dem Spiritus und ih glaube, wenn die Kaufleute, die blos ihre Geschäfte auf Schluß- Geschäfte basiren, durch das Erscheinen der Verordnung vom 1. Mai d. J. etwas Unangenehmes und in finanzieller Hinsicht etwas Empfindsames erfahren, daß dieses für das Juteresse des ganzen Staats nur von großem Nuben sein kann und es ihre Sache bleibt, wie sie den Schaden abwenden wollen. . e

von Brandt: Es scheint mir sehr bedenklich zu sein, daß auf Unkosten der Brennerei -Besißer irgend ein. Beschluß hier gefaßt würde. Jch glaube, daß gerade den Brennerei - Besißern das Wort geredet werden muß, indem diese dadurch, daß sie das Brennen ha- ben aufgeben müssen, iu die größte Fatalität bei dem Betriebe ihrer Wirthschaft gerathen sind. Jch denke, da sie eine Art von Strafe zum Wohle des Allgemeinen {hon erduldet haben, cs hart sein würde, eine zweite ihnen gegenwärtig dadurch aufzulegen, wenn man sie zwänge, die geschlossenen Lieferungskontrakte zu erfüllen, da sie nur reine Verkaufsgeschäfte des eigenen Produktes sein sollten. i

von Massenbah: Jh möchte mir erlauben, auf das, was der Herr Finanz - Minister Excellenz äußerte, daß wenn eme Präsumtion angenommen wird, es etwas Schädliches habe, weil dann der andere Theil das Gegentheil beweisen müßte, etwas zu erwiedern. Wir sind daran Schuld, daß durch den Beschluß der ho- hen Versammlung die Brennereibesißer in Verlegenheit kommen, ich möchte daher, daß wir durch einen anderen Beschluß ihnen gewisser- maßen eine Hülfe gewährten, und wenn wir der Gegenpartei durch eine solhe Präsumtion die Last auferlegen, daß sie erst den Beweis füh- ren muß, so gewähren wir dadur dem Verklagten die Hülfe, die ih ihm gern gewähren möchte.

Maa Mie i Das Geseh gewährt in seinen allgemci- nen Grundsäßen den Brennereibesißern vollkommenen Schuß, es fommt nur darauf an, daß das Geseß rihtig gehandhabt wird. Den Brennereibesißern verschafst dasselbe allerdings Schuß gegen Ansprüche auf Erfüllung von Lieferungs - Kontrakten, fsobald man mit Grund sagen kaun , der Brennereibesißer sci durh das Verbot des Brannt- weinbrenuens außer Stand gescßt worden, den Kontrakt zu erfüllen. Das Geseh sagt: „Entsteht die Unmöglichkeit, den geschlossenen Ver=- trag zu erfüllen, durch einen Zufall oder durch unabwendbare Gewalt oder Uebermacht, \o wird der Vertrag für aufgehoben angesehen.“ Diese Bestimmung i} ausdrücklich auf die Lieferungs - Verträge für anwendbar erklärt worden. Darüber i} kein Zweifel, daß, wenn die- ser Grundsaß richtig angewendet wird, nicht die Rede davon sein kann, daß ein Brennereibesiger angehalten werden könne, daß auf einem Vertrage Beruhende zu liefern, wenn das Verbot des Brannt- weinbrennens darauf von wesentlihem Einfluß gewesen ist. Das ist

auch die Ansicht der Abtheilung, Diese geht nur dahin, daß nicht aud Sierbeit anzunehmen sei, ob der Richter die Verhält t den einzelnen Fällen rihtig würdigen werde. Es is besorgt worden, daß dies nicht geshehen würde, und um dem zuvorzukommen, soll eine P: äsumtion ausgestellt werden. Jn der eun habe ih nur auf das Bedenkliche einer Präsumtion aufmerksam gemacht und gesagt, es habe solche die Folge, daß der Richter verhindert werde, den ein= zelnen Fall nah freiem Ermessen zu beurtheilen , im Gegentheil , es werde die Sache glei in die Lage gebraht, daß dem einen Theile eine Präsumtion zur Seite stehe, wodurch der andere genöthigt werde, den Gegenbeweis zu liefern, und daß, wenn er nit geliefert würde, er sachfällig würde. Ein solches Verhältniß bleibt an sich im Allge= meinen mißlich und die Geseßgebung hat dies möglichst zu vermeiden gesucht. Es kaun sih also nur fragen, ob über dieje Bedenken hier hinweggegaugen werden soll? meines Erachtens is die Sachlage nicht von der Art, daß man von den gedachten Bedenken gänzlich absehen fönne, und aus dem Grunde habe ich geäußert, daß ich die Beistim- mung der Regierüng nicht erklären könne, andererseits aber habe ih auch nicht ausgesprochen, daß ih mich dem Antrage widerseßte; was die Versammlung beschließen wird, wird einer besonderen sorgfältigen Erwägung unterworfen werden. “E ai Graf Keyserling: Jch erkenne vollständig an, daß es im Allgemeinen bedenklich it, eine juristishe Präsumtion von Hause aus festzustellen und dadurch die Beweislast einem Theile für immer auf- zuerlegen. Wie der Herr Finanz-Minister Excellenz auch bereits ge= äußert hat, giebt es doch Fälle, wo es Bedürfniß und nothwendig ist, solche Präsumtionen festzustellen , und es dürfte nux darauf an= kommen, zu prüfen, ob ein solches Bedürfniß vorliegt oder T D dieses Bedürfniß erlaube ih mir folgende Gründe anzuführen. inmal ist nicht nux die Befürchtung, sondern {ou die Gewißheit gehört wor= den, daß viele Rechtsstreitigkeiten bei den qu. Koùtrakten und Liefe rungsgeschäften eingeleitet worden. Diese Besorgniß hat dadurch eine besondere Gestaltung bekommen, daß die Brennereien geschlossen wor= den sind und es den bisherigen Produzenten unmöglich gemacht wor= den is, durch Lieferung der Produkte den Kontrakt zu erfüllen. Es tritt daher das dringende Bedürfniß ein, diese Behinderung, die aus dem Verbote entstanden is, zu Hülfe zu kommen , indem man dur diese Prôfumtion eine Sicherung gegen die Ansprüche derer in die Hand giebt, gegen die sih die Brennereibesißer zu Lieferungen ver= pflichtet haben. Jch würde dieses Bedürfniß auch nicht über die Zeit ausdehnen, innerhalb welher das Verbot des Brennens Geltung ha- ben soll, und daher dem Antrage, wie cer gestellt ist, nicht beitreten fönnen, sondern uur dafür stimmen, daß diese Präsumtion nux auf die Zeit beschränkt werde, auf welche das Verbot des Brennens \ih ausdehnt. / ; Referent von Senfft - Pilsach: Jh glaube , es sind drei Fälle zu unterscheiden, in denen ein Brennerei-Besißer, der E und Verkgufs-Kontrakte geschlossen hat, sich v fann. Entweder er hat die Absicht gehabt, dasjenige zu verkausen, was er nach dem 1. Mai fabrizirt, oder er hat mit oder ohne Rücksicht hierauf zwei- tens bedeutende Vorräthe, die er besißt, veräußern oder endlich drittens Lieferungsgeschäste treiben wollen. Dieses Leßtere ist nun ein Fall, der selten eintritt, den aber doch die Abtheilung ins Auge fassen zu müssen glaubte. Es wird nämlich sehr oft in den Sihluß \cheinen das Wort „[iefern“/ oder „Lieferung“ gebraucht, wie natür= li, weil die Brennerei - Besißer nicht die juristische Distinction zwi= hen Kauf - und Lieferungs - Geschäften kennen. Hierdurh würde im Sinne des Allg. Landrechts ein Lieferungs - Geschäft bezeichnet sein, während es der praktishen Bedeutung nah ein Verkaufs- Geschäft ist. Man hat nicht beabsichtigt, einen Handel mit Spiritus zu treiben, soudern man hat liefern wollen, was man selbst fabrizirt. In solchen Fällen soll nun die Präsumtion den Brennerei - Besißern zu Gute kommen. Es scheint dies ein billiger Schuß zu sein, der den Brennerei-Besißern bei den großen Verlusten, die sie zu erleiden haben, wohl gewährt werden mag. Weiter is nichts beabsichtigt worden und wird auch nichts erreiht werden. Denn wenn Jemand wirkli cin Lieferungs - Geschäft abgeschlossen hat über Massen von Spiritus, die er nicht selbs produziren konnte, so wird es dem Gegs= ner nicht {wer werden, den betreffenden Beweis zu führen. Er wird darthun, daß es unmögli war, bei den Kartoffel - Vorräthen, welche der Brennerei - Besißer hatte und bei dem Betriebe seiner Brennerei, das verkaufte Quantum Spiritus zu produziren, und dann gewährt die in Frage stehende Allerhöchste Bestimmung dem Bren= nerei-Besißer gar keinen Schuß. a j Graf von Arnim: Bei dem vorliegenden Gegenstand is es fast allgemein für nöthig erkannt worden, immer erst gewissermaßen die Flagge aufzustecken und jedes persönliche Interesse abzuweisen. Jch bemerke also, daß meine Brennerei bereits längst vor dem Ver= dote geschlossen worden is und bemerke, daß ich keine Spiritus-Liefe- rungs=- oder Kaufs-Kontrakte zu erfüllen habe, damit nicht etwa meine Rede als cine oratio pro domo erscheine. Was die Sache betrift, so möchte ih Zweifel darin seben, daß der Brennereibesiter, der einen Lieferungs - oder Kaufs - Kontrakt über Spiritus geschlossen hat, mit Grund Rechtens behaupten könne, daß §. 364 des Allgemeinen Land= rechts ihn gegen das Verlangen des Käufers s{hüße, den Kontrakt zu erfüllen. Denn der Paragraph lautet: „Entsteht die Unmög-= lihkeit, den geschlossenen Vertrag zu erfüllen, durch einen Zufall oder durch unabwendbare Gewalt oder Uebermacht, so wird der Ver= trag für aufgehoben angesehen. Bei weitem die meisten Verträge dieser Art werden dahin geschlossen, daß der Brennereibesißer sich verpflichtet, dem und dem, dann und dann ein gewisse Quantität Spiritus zu liefern. Es wird in den wenigsten Kontrakten dabei be= merkt, daß dieser Spiritus in der Brennerei des Brennersbesißers gezogen wird. Wenn dies nicht bemerkt worden ist, so fragt es sich, is die jeßige Erfüllung dieses Kontraktes dadurch unmöglich geworden, daß die Brennerei am 1. Mai geschlossen worden is, und Jeder muß nach meiner Meinung die Frage verneinen. Unmöglich wird erst der Kontrakt gemacht, wenn der Brennereibesiger keine Möglichkeit hätte, die zu liefernde Quantität Spiritus irgend anderswo zu kaufen. Jch Es es wird Keiner den Beweis anzutreten versuchen, daß, wenn dahin der Kontrakt geschlossen is, A solle B am 1. Juni 20,000 Quart Spiritus liefern, es deswegen dem A unmöglich set, den Spiritus am 41. Juni zu liefern, weil die Regierung ausgesprogen hat, vom 1. Mai ab sollte nit mehr gebrannt werden. Li€ imöglichkeit der Erfüllung ist also nicht vorhanden; also wird der T T oerurtheilt werden, diese 20,000 Quart Spiritus zu liefern. Es fragt si nun, wenn er verurtheilt wird, is dieses gerecht, insofern wirklich zwischen beiden Kontrahenten die Ansicht bestanden hat , daß er diesen Spiri=-

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tus aus der eigenen Brennerei liefern soll, und zwar von jenem Pro- dukt, welches nah dem 1. Mai gezogen werden sollte. Die Unge- rechtigkeit, die dies Urtheil involviren würde gegen den Brennerei- Besißer, der mit einem Dritten wissentlih dahin abgeschlossen hat, ihm Spiritus zu liefern, der nah dem 1. Mai’ gezogen würde, wäh- rend die Regierung verboten hat, nah dem 1. Mai ju brennen, diese

Ungerechtigkeit, so weit es in der menschlihen Gewalt beruht, zu ver-