1847 / 155 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

der gegenwärtigen Debatte. Treten wir dem Verhältnisse näher, o findet sich, daß des jeßt regierenden Königs Majestät an der n Begründung der ständi en Verfassung persönlich thätig mitgewirkt hat, und nah eigenen oft wiederholten Aeußerun- gen und öffentlichen Erklärungen ist sie Jhm stets ein Ge- genstand fortdauernder Aufmerksamkeit und besonderer Vorliebe gercien, die Verfassung des Landes. Und was Se. Majestät Er König ausgesprochen und glei von vornherein beabsichtigt gehabt e , ist jeßt von ihm gewährt; es is uns nun eine centralständisce Verfassung gegeben, wie sie auch dem Einen oder Anderen mehr oder minder gefallen mag. Jn Folge dieser centralständischen Berens sind wir hier. Wir haben diese Verfassung, diesen Sitzungssaal un unser Zusammensein nicht gefordert, sondern sie is uns Segen wor- den, unerwartet sogar. Nachdem wir so hier zusammenge Bat sind, haben wir uns auf den Standpunkt gestellt, zu fragen : Weil wir mit Recht zusammengekommen, sind wir auf die rechte Zeise zusammenberufen, und wird uns gegeben werden, was wir erwarten: Das, meine Herren, glaube i, is nit der Punkt, der ein Gegen= stand der Erwiederung ist, soudern ein Gegenstand des Wunsches und des Antrags. Jch bin der Meinung, man lasse die Forderung stehen, wie sie is, Wer sie theilt, mag le theilen. Ich gehöre in gewisser Beziehung mit zu denjenigen, die le theilen diese Ansicht. Dessen- ungeachtet bin ih des Dafürhaltens, daß sie nicht in den Vorder- grund trete, sondern daß man, um zu erreichen, was man will, einen anderen Weg einshlage. Vorausgesebt, daß Se. Majestät der Köuig das zuversichtlich will, was er ausgesprochen hat, daß das Werk sich fortbilden möge, und daß, wie er gleichfalls an anderen Orten gesagt hat, das Gute aus si selbst, aus der Wurzel hervorschieße ; daß er niht etwas gewähren wollte, was nah einem Jahre wieder nicht für gut gefunden wird, dürften wir wohl mit Vertrauen annehmen, daß unsere junge centralständische Verfassung sih nah und nah von selbst fortbilden werde. Der Fortschritt, wenn er auch ruhiger ist, läßt sich jedenfalls niht mehr aufhalten. Darum wollen wir jeßt zunächst den Hauptzweck verfolgen, worin wir einstimmig sind: Die Erlangung der Periodizität des Vereinigten Landtags. Jch glaube, dieser Zweck ist zu erreichen auf dem Wege des Antrags, der dahin gehen dürfte : „daß die ständische Deputation für das Staats-Schuldenwesen weg= falle und deren Function auf eine vom Vereinigten Landtage in gewöhnlicher Art zu ernennende Abtheilung übergehe.“ Abgeordn. Krause: Hohe Versammlung! Dem Stande der Landgemeinden angehörend, dessen Meinung wahrhaft nicht politisch sein kann, der sich nur beschäftigt mit dem Landbau in ruhiger und friedliher Stille, der bemüht i, Nahrungsmittel zu erzeugen, damit das Volk leben kann, und seine Abgaben zu bezahlen; diesem Stande angehörend, der in diesem Saale, in dieser Versammlung {wah vertreten i, der vielleiht auf 1- bis 200,000 Seelen nur einen Vertreter hat, von welchen sehr viele auf ihn rehnen, niht um ihnen Hülfe zu hafen, dazu möchte derselbe zu {wach sein, sondern um ihre Verhältnisse, Bitten und Beschwerden vorzutragen und zu vertheidigen, und ih halte es daher für meine Pflicht, meine Ansicht im praktischen Sinne hier auszusprechen. Diese geht dahin, Se. Ma- jestät den König allerunterthänigst zu bitten, stets nux mit dem Ver= einigten Landtage zu verhandeln, dagegen nie Ausschüsse, große oder fleine, um \sich versammeln zu wollen. Daß unter dieser Aegide Krone, Reich und Volk gesichert seien, glaube ich überzeugt zu sein. Um #o mehr werden die Landgemeinden ihre Verhältnisse hier dar= legen können, da sie in dieser hohen Versammlung bereits die Er= fahrung durch die ganze Zeit gemacht haben, wie bereitwillig ein jeder Stand den anderen hier unterstüßt. Dankbar muß ich _anerken- nen, und vielleicht auch meine geehrten Kollegen, - daß Se. Ma- jestät geruht haben, Separat - Vota, die vielleiht von der oder jener Seite eingebracht werden mußten, fannt und stets Rücksicht darauf genommen zu haben, daß nihts, was die Landgemeinden niht gewünsht haben, emanirt worden. Aber dessenungeachtet kann ih nicht unterlassen, immer darauf zurückzukommen, daß ih glaube, daß diese Verhältnisse desto bewahrter sind, je mehr sie in den Händen der allgemeinen Volksvertreter sind. Das preußische Volk wird zu jeder Zeit da- stehen, wie Ein Mann, die Landgemeinden werden nie zurüdckbleiben. Wir haben die Geseße von 1807, dadurch sind wir gekräftigt, das 1st der Anker, an dem wir halten. Das Geseß von 1820 is uns eben so heilig, denn es hat die Staatsabgaben geregelt, es hat unsere Abgaben festgeseßt. Jch glaube, es wird Niemand zweifeln können, daß unser Stand das Seinige bezahlt, vielleicht viel bezahlt. Die unglücklichen Jahre bis 1815 haben große Schulden nothwendig ge= macht; diese mußten abgetragen werden, und Preußen erfüllt stets sein Wort, Wir haben in diesen Geseßen also unseren festen Anker, wir wollen daran halten. Wir wünschen allerdings Ermäßigungen, das is wohl an Ende ganz in der Ordnung, wir werden sie auch bekommen, sobald die Zeit da sein wird. Wäre das Jahr 1830 niht gewesen, hätten damals niht mehrere Armee-Corps mobil ge= macht werden müssen, was vielleiht große Summen gekostet hat, so wäre vielleicht dieser Zeitpunkt hon eingetreten. Jch habe da- mals gehört, aus dem Staats\chaß seien 24 Millionen bezahlt wor= denz; wahrscheinlih muß es so gewesen sein, denn von dem Lande ist nichts gefordert worden. Der Staatsschaß hat also die Mittel ge= habt, allen Eventualitäten vorzubeugen, und so hoffe ich, wird es auch ferner sein, wenn diese eintreten sollten.

Wir haben ruhig gelebt und unsere Steuern bezahlt, Wir hat- ten Provinzial-Landtage, wir hatten Bitten und Beschwerden einge=- reiht, man hat allerdings nicht viel davon gesehen und gehört, indeß es war doch immer eine Hoffnung. Endlich erscheint das Patent vom 3. Februar, und wie cin elektrischer Schlag dnrchdringt es das ganze Volk, Beklommenheit, Angst ergriff mi, als ih diese Allerhöchsten Patente las, ob Andere auch, weiß 1ch nicht; aber ih bin mit großem Kummer in diese große Stadt, in diese hohe Versammlung getreten, weil ih niht begriffen habe, wie ih es deuten soll, Erst seit gestern ist es mir klar geworden.

Einer der geehrten Redner hat gestern gesagt, die Gesebgebung habe 30 Jahre geschlafen. Daraus ist mir klar geworden, daß ich auch eben mit geschlafen habe,

(große Heiterkeit) Z

daß ih eben das Geseß niht mehr recht im Gedächtniß gehabt habe. Jn dem Patente stehen die Worte: Staatsgarantie, Anleihe und meh=- rere solche Sachen, die mir ganz neu gewesen sind, und darum habe ih mich auf einem Felde bewegt, daß mir angst geworden ist. Ds Geseh von 1820, das ich allerdings seither niht mehr gelesen A ist mir dadurch wieder ins Gedächtniß gerufen worden, und ih bin ih viel beruhigter, als ih hierher gekommen bin, Jch wünsche also blos, daß der Antrag, den ich beistimmend stelle, denn es sind in meinem Sinne {on sebr viele gestellt, durhgehen möchte, der An= trag nämlich, daß Se. Majestät gebeten werde, alle. Landes - Ange= Mes nur mit dem Vereinigten Landtage verhandeln und uns die Wahl der Ausschüsse und der Stáats\chulden - Deputation zu er- lassen. Wenn raue ehen is}, werde ih wieder in meine stille Hei= mat beruhigt zurücktehren, und kein Opfer wird mir zu groß sein,

wás ich für König und Vaterland zu bringen habe.

(Ltehrsiinmiges Bravo.)

Abgeordn. Berndt: Da meine Meinung in der gestrigen Siz=

Allergnädigst aner="

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ung von mehreren hohgeehrten Rednery {hon hinlänglih geäußert eiden ist, B bemerke T uur, daß ih mich dem Amendement des ritterschaftlichen Abgeordneten Freiherrn von Vincke anschließe und auf das Wort verzichte. i

Abgeordn. Frhr. von Manteuffel Il. : Meine Herren ? Jch vermisse in dem Gutachten der Abtheilung die Aufstellung rnd Be- antwortung der Frage, die ih für eine wesentliche halte. Diese Frage geht dahin: welher Natur is das Geseß vom 3. Februar 1847, ge- gen welches jebt petitionirt, welhes also gewissermaßen getadelt wer= den soll. Jh muß die Frage dahin beantworten, daß es ein orga- nisches Staatsgeseß sei, und ich muß hinzufügen, daß ih mir bei einem derartigen Geseße Rechts - Begründungen und in Folge davon Rechis-Verleßungen nicht füglich denken kann. Jch frage, wo waren die Rechts = Begründungen vor den Geseßen von 1815, 1820 und 1823? Jch frage, wo würden wir hinkommen, wollten wir von Zeit- abschnitt, zu Zeitabschnitt zurückgehen. an den Faden dieser angeb- lihen Rechte? Wir würden hinkommen in das Mittelalter und würden uns von den jebigen zeitgemäßen Justitutionen wesentli entfernen.

(Murren.)

Marschall: Jh bitte, den Herrn Redner nicht zu unterbrechen.

Abgeordn. Frhr. vou Manteuffel 1: Wenn daher eine Kritik dieses Geseßes ausgeübt werden soll, wozu ih die hohe Versammlung für völlig berechtigt erachte, so glaube ih, daß dia Kritik gestüßt werden muß auf die Zweckmäßigkeit dieser jebigen Geseßbe, Diese Zweckmäßigkeit der Geseße betrachte ih nach zwei Seiten hin, insofern sie an und für sich in ihrer jebigen Form fonsequent sind, und insofern sie etwas erreichen wollen, was zeitgemäß ist und uns noth thut. Bezüglich der inneren Konsequenz, stehen jeßt zwei Punkte hier zur Diskussion; es 1st der Antrag die Periodizität zu erbitten und die Ausschüsse zu verbitten. Die Perio= dizität zu erbitten, halte ih nicht für erforderlich, um die Konsegenzen der jeßigen Geseße herzustellen. Die Stände des Gesebes vom î3ten Februar haben zwei Functionen, die Function der Begutachtung und die Function der Bewilligung. Daß zu der einen oder der anderen Function eine Periodizität nöthig sei, kann ih nicht finden, Ich kann nicht absehen, daß immer nur in einer bestimmten Reihe von Jahren der Fall eintreten solle, daß eine Bewilligung erfolgen solle, oder daß die Krone ein Gutachten der hohen Versammlung verlange. Die Krone kann das Gutachten im nächsten Jahr, sie fann es in einem späteren Zeitpunkte verlangen. Darum kann ih mich einer Bitte nicht anschließen, welche auf die Periodizität hinzielt. Dagegen bin ih allerdings der Ansicht, daß die Ausschüsse zur Herstellung der Kon- sequenz des Gesebes aus demselben entsernt werden müssen. Ich nehme den einen Grund daher, eben weil diese. Ausschüsse periodisch sind und ih nah meiner Ueberzeugung eine Periodi ität nicht für er- forderlih erahte. Jch nehme aber einen anderen Grund daher, weil die Ausschüsse im Wesentlichen von der Gliederung abweichen, welche die hohe Versammlung als Vereinigter Landtag erhalten hat, nämlich von der Gliederung in zwei Kurien. Jch glaube, daß es nicht füg- lich möglich ‘is, ein Organ hinzustellen als Vertreter dieser hohen Versammlung, welches später in einer Kurie verhandelt, während, so lange die Versammlung selbs hier is, in zwei Kurten verhandelt wird, Ich werde deshalb meinerseits der Bitte beitreten, welche darauf ge- richtet ist, diese Ausschüsse zu beseitigen :

Es bleibt mir noh der leßte Punkt übrig, inwiefern die vor- liegende ständische Geseßgebung, wenn die innere Konsequenz herge- stellt ist, daun eine zeitgemäßs sei, Es is gestern von einem verehr= ten Redner von dieser Stelle hier gesagt worden, der Kampf muß ein ehrliher sein. Meine Herren! Jch bin hiermit vollständig einver- standen, und unter einem ehtlihen Kampfe verstehe ich’ einen offenen Kampf. Jch glaube deshalb, daß auch meine Pflicht gebietet, mich hier ofen auszusprehen, Ein anderer geehrter Redner vom gestrigen Tage hat eben so offen erklärt, er könne die rechtliche Begründung zur periodischen Wiederkehr des Landtags allerdings nur in der etnen früheren Vorschrift finden, die dahin gehe, daß jährli Rehnung ge- legt werden solle. Derselbe Herr Redner hat aber von diesem Plate hinzugefügt, wie ih anerkenne, offen: wenn nur dies etne Recht da wäre, dann würden sich die übrigen Rechte finden. Meine Herren! Jch erkläre Jhuen offen, ih mag diese Rechte nicht finden, ich will verbleiben ein berathender, ein bewilligender Stand, aber nicht ein Stand, der auch nur einen Schritt höher steht. : H

Abgeordn, Heyer: Die Vorträge, welche wir bisher gehört haben, scheinen mir im Wesentlichen darin übereinzustimmen, daß an Se. Majestät eine Bitte gerichtet werde, die dahin geht, mehrere Bestimmungen des Patents vom 3. Februar abzuändern ; die Ansich= ten weihen aber ganz weit von einander darin ab, wodurch diese Bitte begründet werden soll. Die Motive werden gesucht oder sollen gesucht werden, einmal in bereits bestehenden Rechten, zweitens in Gründen der Nüßlichkeit und Nothwendigkeit und drittens in beiden zugleih, Jch schließe mich nun den übereinstimmenden Anträgen auch an, d. h., au mir scheint es nöthig, eine Petition an Se. Majestät zu richten, hinsichtlich der Motive aber bin ih der Ansicht, daß cine Begründung, wenn sie darauf gestüßt wird, daß bereits bestehende Rechte verleßt werden, den Landtag auf ein Feld führt, wo er, wie mir scheint, eine Stelle in der Gesebgebung in Anspruch nehmen würde, die ihm nicht zusteht. Bei der Gesebgebung nämlich haben die Stände nur das Recht, mit ihrem Beirath bei Geseben bestimm- ter Kategorieen gehört zu werden, der Akt der-Geseßgebung felbst aber ist unbestritten ein Recht der Krone. Hieraus scheint mir zu folgen, daß das Recht der Declaration auch nur das Recht der Krone sein soll. Daß aber ein solcher Fall vorliegt, in dem eine Declaration nothwendig wird, scheint mir ganz unzweifelhaft daraus hervorzugehen, daß verschiedene Konsequenzen aus der früheren Gesebgebung gezogen werden, Es scheint mir, diese Gesebgebung is uicht flar und be- stimmt genug, oder sie läßt verschiedene Interpretationen zu. Die Declarationen haben wir aber über verschiedene Stellen von dem obersten Geseßgeber erhalten; es scheint mir daher, als wenn der Landtag oder die Stände nothwendig einen Uebergriff ihrer Rechte begehen würden, wenn sie sih jeßt nochmals auf eine Declaration dieses Gesebes einlassen wollten. Es is gestern von einem der Herren Redner gesagt worden, es schiene ihm die Motivirung durch Rechts- gründe dadur nöthig zu sein, weil sonst nicht vorhergesehen werden könnte, welhe Aufnahme unsere Bitte sinden werde. Das muß ich entschieden zugeben. Welche Aufnahme sie finden, wird, das a wir uicht wissen; das scheint mir aber klar zu sein, daß es S der Aufnahme der Petition, als der ganzen Entwickelung ständicer Rechte nur schaden kann, wenn der Landrath schon bei (EnEn Cen Zusammentritte eine Neigung zeigt, einen Uebergriff seiner Rechte zu begehen.

Marschall:

Der Herr Abgeordnete von Vinde hat eine per-=

söuliche Bemerkung zu machen. Abgeordn. Freiherr von Vincke: Vei : ner, dessen Offenheit ih alle Gerechtigkeit widerfahren lasse, hat eine

Der vorlebßte verehrte Red-

Bemerkung gemacht, die ih nur wohl auf meine Person beziehen fannz er hat nämlich gesagt, daß einer der Redner vor ihm, worin ich mich zu erkennen glaube, bemerkt habe, daß er die Periodizität als recht- lih begründet nur so weit deduziren könne, als der Vereinigte Land- tag alljährlich zur Abnahme der Rechnung zusammenkommen a daß sich übrigens dann die übrigen von selbst finden würden. Zu

dieser Bemerkung muß ih mi voll ändig bekennenz ih habe sie aber

nicht in dem Sinne verstanden, den mir der verehrte Redner unter=- gelegt hat. Jh will mich mit derselben Offenheit, wie er gethan

‘hat, hier erklären. Jch gehöre keinesweges zu denen, welche unbe-

dingt die Rechte des Vereinigten Landtages auf diejenigen beschränkt sehen möchten, welhe aus den Geseben, sei es aus dem Patent vom 3, Februar, sei es aus früheren Geseben, abgeleitet werden. Jh bin der Ansicht , daß es unmöglich is , in die Zukunft zu hauen und alles das vorauszusehen und zu fordern, was vielleiht für unsere Nachkommen wünschenswerth sein mag, und ih habe die Ueberzeu- gung , daß unsere Monarchen , wie sie es in der Vergangenheit ge= than, auch späterhin das Zeitgemäße und Nothwendige erkennen und sich ihm uicht widerseßen werden. Das is meine Ueberzeugung für die Zukunft. Wenn ih aber gestern von Rechten gesprochen habe, die sih finden werden, dann habe ih an die Rechte gedacht , welche dem jeßigen Vereinigten Landtage für sein gegenwärtiges Zusammen= sein zustehen, und wenn ih gesagt habe, daß ich eine rehtlihe Noth= wendigkeit der Periodizität nur in der Ablage der Rechnung finden könne, es würden sih dann die übrigen Rechte hon finden, so habe ih die jeßt bestehenden gemeint, d. h. die Rechte, die der geehrte Reduer selb in Auspruch nimmt, das Recht, Propositionen zu be= gutachten , über Anleihen und Steuern zu beschließen und ein schr wesentliches Recht, das der Herr Redner mit Stillschweigen überging, das Petitionsrecht. j

Abgeordn. Werner: Meine Herren! Nachdem schon- gestern der Rechts - Anspruch auf alljährlihe Einberufung der Reichsstände und auf das Wegfallen der Ausschüsse und Deputationen in so schönen und wahren Worten ausgesprochen und klar gemacht worden ist, will ih keinesweges wieder darauf zurückfommen und dafür nur aus=- einanderseßen, daß hier gerade einige Worte, welche gegen diese Ansicht vou dem Herrn Justiz-Minister gesprochen worden sind, für diesen auh meinen Glauben sprechen. Dies erlaube ih mir furz hier noch zu erläutern, Es heißt: „Es soll dabei nicht bestritten werden, daß aus dem Ausdrucke des Gesebes von 1820, Art, 13, die Meinung entstehen konnte, als werde künftig alljährlih eine grö-= ßexe Versammlung berufen werden. Zwischen einer solchen Erwartung und einem verliehenen Rechte is ein großer Unterschied‘. Hieraus folgt, daß der Herr Minister selbst zugiebt, daß eine Meinung ent=- stehen konnte und mußte, daß eine Erwartung getäuscht worden ist. Diese Meinung mußte allerdings nah dem klaren Sinn, nah den flaren Worten des Geseßes von 1820 in uns entstehen, und die getäushte Erwartung is allemal etwas Vitteres. Ferner giebt der Herr Minister selbst zu, daß in mehreren Stellen der früheren Gesebe nur von Einer reichsständischen Versammlung die Rede sei, nicht von mehreren, daß also dieser Ausdruck und die damit verbundene Eigenschaft nit bezogen werden könne auf mehrere und verschiedene Versammlungen, wie sie durch das Geseß vom 3, Februar be= gründet sind. : x

Um hier den Widerspruch dieser Gesebe mit dem Patente vom 3. Februar einigermaßen in Einklang zu bringen, is gesagt, es wäre der Fortbau. Fortbau, meine Herren, aber ist etwas Anderes. Unter Fortbau verstehe ih, daß ein Grundgebäude fortgeseßt wird und zu seinem Ende, zu seiner Vollkommenheit gelangt. Wenn aber eine reichs\tändishe Versammlung in drei Theile getheilt werden soll, so nenne ih das Spaltung, und Spaltung, meine Herren, ist immer etwas höchst Betrübendes. Es is etwas, wo wir alles Mögliche thun müssen, um sie, diese Spaltung, finde sie si, wo sie wolle, zu vermeiden. Wir müssen Alles anwenden, um jede Spaltung, die zwischen Volk und Regierung vorhanden i\t oder eintreten könnte, zu ver\sheuchenz wir müssen Alles anwenden, damit das Volk sich enger um den Thron seines Fürsten schaare und eimn Bollwerk nach außen bilde. Aber auh wir müssen bei uns, bei einer so hochwihtigen Frage, jede Spaltung zu vermeiden suchen, und ich glaube, daß adi ‘dies am besten erreihen, wenn wir uns dem Amendement des Ahb= geordneten von Westfalen anschließen, dem ih aus voller Seele beistimme. / L L : '

Abgeordn, von Brünneck: Meine Herren: Jch darf als be= fannt vorausseßen, daß die Stände des Königreichs Preußen bei Gelegenheit der Erbhuldigung Sr. Majestät des jebt regierenden Königs auf die Geltendmachung ihrer älteren Rechte und Privilegien freiwillig verzichteten, obgleich sie damals zu derselben ausdrüdlich aufgefordert wurden. Sie verzichteten auf die Geltendmachung die- ser von allen Landesherren durch besondere Assekuranz=Akte garantir= ten Privilegien und Rechte in der Vorausseßung und in dem vollen Vertrauen, daß die Verheißungen, die des höchstseligen Königs Ma= jestät durch die Gesebe vom Jahre 1810 bis zum Jahre 1823 ge= währt hatten, zur Ausführung kommen würden. In diesem Ver- trauen sind wir nicht allein durch unsere Berufung zu dem Verei= nigten Landtage, sondern ganz besonders noch durch die Allerhöchste Botschaft vom 22. April d. J. bestärkt worden; denn ganz entschie= den hat des Königs Majestät in dieser Jhrer Allerhöchsten Botschaft auszusprechen geruht, daß Allerhöchstdieselben die Verheißung jener Gesetzgebung erfüllt haben wollen. Sie haben aber auch zu gleicher Zeit uns deu Weg zu eröffnen geruht, auf dem wir diejenigen Zwei= fel zur Erledigung bringen dürfen, die über den wahren Sin der Geseßgebung vem 3. Februar noch vorwalten möchten. Daher dürf- ten wir denn nicht sowohl berechtigt als verpflichtet sein, Sr, Ma-= jestät dem Könige von unserer verfassungsmäßigen Stellung aus die= jenigen Zweifel in aller Ehrerbietung darzulegen, welche noch in Rücksicht der Uebereinstimmung zwischen den Geseßen vom 3, Februar und den früheren Verheißungen vorwalten, Wir dürften verpflichtet sein, Sr. Majestät dem Könige ehrerbietigst anzuzeigen, inwieweit die Hoffnungen und Erwartungen des Volkes, welche auf jene Geseß- gebung sich gründeten, uns noch nicht vollständig erfüllt zu sein schie nen, Je dankbarer es erkannt werden muß, wie Großes und Vieles in dieser Beziehung geschehen is, wie Manches geschehen ist, was unsere Erwartungen übertroffen hat, desto mehr würden wir dazu verpflichtet, sein und desto weniger würden wir entschuldigt werden fönnen, wenn wir diesen von des Königs Majestät vorgezeichneten Weg nicht betreten. Jch glaube, dies voranschicken zu müssen, um alle Bedenken, welche in dieser Beziehung vielleicht in der hohen Versammlung noch vorwalten könnten, zu beseitigen. Jch glaube, daß die Anträge, welche uns vorliegen, niht nur in unserem Rechte, sondern auch in unserer Pflicht liegen, und daß le ganz zeitgemäß sind. Es fann dabei aber niht auf eine Uebereinstimmung der Ver= ordnungen vom 3, Februar mit den früheren Geseßen ihrem Wortlaute nach, sondern ganz allein ihrem Sinne nach ankommen. Der Sinn dieser Gesehe dürste vorzugswei|e wohl den Räthen der Krone am besten bekannt sein, denn ihnen werden, wie ich vor= aussebe, die Verfassungs - Entwürfe der damaligen Zeit vorgelegen haben. Was die Rechtsgründe anbetri}st, die hier von einem Theile der Abtheilung geltend gemacht worden sind, so glaube ih, mich ganz denen auscléeben zu müssen, die sie nur zur Motivirung der Anträge benußen wollen, Jch glaube, die Nüßlichkeit und die innere Noth- wendigkeit dieser Anträge ist so zweifellos, daß wir mit vollem Ver= trauen darauf renen können, daß des Königs Majestät sie zu ge- währen geruhen werden. Ih habe aber durchaus nichts dagegen, es scheint mir vielmehr angemessen, daß auch die Rechtsgründe zur Motivirung der Anträge benußt werden. Wenn ih noch Zweifel darüber hätte haben können, so sind sie dur die gestrige Aeußerung des Herrn Königl. Kommissars gehoben worden, Was den Punkt

der Periodizität anbetrifft, so muß ih noch besonders darauf auf-

merksam machen, wié in jeder Verfassung, wenn sie segensreih wir=

fen und allen ershütteruden Krisen in Zukunft vorbeugen soll, selbst das Mittel gelegt sein muß, sih zeitgemäß reformiren zu können,- es muß in ihr das Reformations= Prinzip enthalten sein. Der Verei= nigte Landtag hat ganz allein das Recht, Anträge in Beziehung auf die Verfassung zu machen, und schon daher scheint es mir wünschens= werth und nothwendig, daß die Periodizität des Vereinigten Land= tages festgeseßt werde, außerdem \prehen aber so viele Gründe da- für, daß wir wohl auf deren Gewährung rechnen fönnen. Es wäre gewiß höchst wünschenswerth, wenn eine Uebereinstimmung in dieser

eziehung in der hohen Versammlung zu erreichen wäre, und ich hätte daher gewünscht, daß die Abtheilung vorweg die allgemeine

Frage erörtert hätte, ob die Periodizität in Antrag gebracht werden

soll. Darin würden wir, wie ih glaube, Alle übereinstimmen. Jch

bescheide mich sehr wohl, daß weder die Abtheilung noch einer von uns den Herrn Marschall in der Fragstellung beschränken darf, aber es hätte sih in der Abtheilung selbs eine größere- Uebereinstimmung herausgestellt, wenn zuerst diese Frage so allgemein erörtert worden wäre. Was die Ausschüsse betrifst und die Deputation, auf deren

Wegfall angetragen worden is, so möchte ih den Herrn Minister der Gesetzgebung, der die Rechtsgründe dafür zu widerlegen sich be- müht hat, nur auf Eins aufmerksam macheu. Derselbe hat nämlich am Schlusse seiner Rede gesagt: „der Ausdruck reich sständische Versammlung kann durchaus keine andere Bedeutung haben, als den Gegensaß von provinzialständischen Versammlungen zu bezeichnen.“ Dem trete ih vollkommen bei, Er hat aber auh gesagt, der Aus-= druck reihchsständi}sch sei gleihbedeutend mit centralständisch. Nun frage ih: wie kann es mehr als ein Centrum geben, wie kann es für eine Vereinigung der aht peripherischen Provinzial=- Landtage mehr als eine centralständishe Versammlung geben ? Ich habe mich nur auf diese Bemerkung beschränken wollen, denn ih bin um o weniger geneigt, dem Herrn Minister der Geseß-=

ebung auf dem von ihm betretenen Wege zu folgen, als ih die Be=

Mis dazu mir niht anmaßen darf, und auch \chon aus dem Grunde nicht, weil der Herr Minister allein mit dem Wortlaute, also mit dem formellen Rechte, sih beschäftigt hat, aber nicht auf das We= sen der Verheißung der früheren Geseße eingegangen is, auch nicht auf eine historishe Beleuchtung dieser Verhältnisse, wie man von dem Vertreter der historischen Schule doch wohl erwarten dürfe. Jch glaube aber, daß wir es nur mit dem Sinne der früheren Geseßgebung zu thun haben. Jch schließe mich übrigens den Anträgen der Abtheilung an und wünsche, daß eine Vereinigung der Versammlung zu Stande käme, die am besten dadurch zu erreichen sein würde, daß wir sowohl die Gründe der Nübßlichkeit und innere Nothwendigkeit als auch die geltend gemachten Rechtsgründe zur Motivirung unserer Anträge benußen. ;

Abgeordn, von der Schulenburg: Meine Herren! Der geehrte Redner, der so eben die Rednerbühne verlassen hat, hat den Wunsch ausgedrückt, wenn ih ihn richtig verstanden habe, daß die Abtheilung das Petitum zuerst hätte darauf stellen mögen, ob über- haupt die periodische Wiederkehr zu beantragen sei, und daß dann erst ein bestimmtes Petitum hätte vorgelegt werden sollen. Jch glaube, daß die Abtheilung gerade diesen Weg verfolgt hat. Es lagen ihr Petitionen vor, die ganz allgemein auf eine periodische Einberufung gingen, und andere Petitionen, die einen bestimmten Zeit - Abschnitt in Vorschlag brachten. Deshalb mußte die Frage in der Abtheilung zuerst zur Abstimmung und Berathung kommen, ob überhaupt eine periodische Einberufung stattfinden f\olle, Nachdem diese Frage gestellt und mit Ja beantwortet worden war, hat die Abtheilung ch erst veranlaßt gesehen, einen bestimmten Zeit-Abschnitt, von einem Jahre anfangend bis dahin, wo die Mojorität erreicht wurde, zur Abstimmung zu bringen, und da durch diese zweite Ab- stimmung die Periodizität auf zwei Jahre beschlossen war, hat die Abtheilung auch dieses Petitum als das lebte Petitum hinstellen müssen. Jnsofern, glaube ih, hat die Abtheilung den Wunsch des geehrten Herrn Redners erfüllt, Was den anderen berührten Punkt, in Beziehung auf die Motivirung dieser Petition aulangt, so is die Abtheilung ganz von derselben Ansicht ausgegangen. Sie hat ge- glaubt, daß auch die Herren, welche die Petition auf Rechtsgründe basirt haben, gleichfalls berücksihtigt werden und deren Gründe in der Petition nothwendig einen Plaß finden müßten, daß deren Rechtsgründe aber in feiner Weise beeinträchtigt werden könnten, wenn auch die Nüßlichkeits- und Nothwendigkeitsgründe hineinkämen, wie der andere Theil der Abtheilung, der die Petition blos auf die Nüglichkeit und Nothwendigkeit begründet haben wollte, sein Recht dadurch verwahrt sah, daß die Rechtsgründe nur neben seinen Gründen Plaß fanden. Jch leugne nicht, daß ich eben- falls Bedenken hatte, daß die Rechtsgründe noch in die Petition auf= zunehmen seien; wie die Frage gestellt worden, habe ih aber ge= glaubt, mein Gewissen beruhigt zu haben, und dies um so mehr, als der Herr Landtags=-=Kommissar erklärte, daß die Anführung rechtlicher Gründe fein Bedenken habe.

Abgeordn. von Schadow: Obgleich ein großer Redner der Fraction der 138 noch vor furzem das als bedenklich bezeihnete, was uns in hastiger Eile von dem Standpunkte des 3. Februar entfernte, sv befinden wir uns nichtsdestoweniger heute in einer heftigen Dis-= kussion hierüber. Eine mäßige konservative Meinungs - Aeußerung läuft Gefahr, als retrograd bezeihnet zu werden, Wenn aber ein Sinn in die Bezeichnung „konservativ“ und in den Gegensaß „fort- Tae :

(Viele Stimmen: Nicht ableseu!) gelegt werden soll, so kann es vernünftigerweise nur der sein, daß man das Gute fonservire und das minder Gute oder Schlechte recht- zeitig bessere, daß man mithin fortschreiten will, Durchdrungen von der Ueberzeugung, daß alle Angriffe (Der vorige Ruf: Nicht ablesen, wird immer lauter. Pause.)

Jch will mich nur eín bischen besinnen. Durchdrungen von der Ueber zeugung, daß alle Angriffe, welche auf das Geseß vom 3, Februar gemacht worden sind, aus dem reinsten Patriotismns hervorgehen, erlaube ih mir doch die Frage: Haben wir bisher Gelegenheit ge= habt, diese Geseßgebung zu prüfen, eine Erfahrung darin zu machen?

(Nochmaliger ungestümerer Ruf auf Unterlassung des Ablesens.) Bewährt sie sich in der Praris

(Derselbe Ruf wird immer heftiger.)

Abgeordn. Frhr. von Vincke: Das Geschäfts-Reglement ge- stattet nicht, die Reden abzulesen.

(Abgeordn. von Schadow verläßt die Rednerbühne.)

S Abgeordn, von Donimierski: Meine Herren, ih will Sie nicht ermüden mit der Wiederholung vorgetragener Ansichten. Mir \{einen sowohl die Nüglichkeits- als Rechtsgründe für die periodische Wiederkehr des Landtages hinreichend besprochen zu sein. Jch will mir nur noch eine Bemerkung erlauben, nämlih die, daß die Rechtsgründe durchaus aufgenommen werden müssen, schon deshalb, weil des Kö- nigs Majestät zur heiligsten Pflicht uns gemacht haben, den Boden des Rechts immer mehr zu befestigen. Hiernach will ih auf den leßten Theil elt e Gutachtens übergehen, der noch wenig besprochen is, nämlich unter d. ad 2,, worin die Abtheilung mit den Petenten übereinstimmt, daß das Bestehen der ständischen Ausschüsse nicht wünschenswerth erscheint, Die Abtheilung bezieht sih da auf

957 die Geschichte früherer Stände-Versammlungen, und dies geschieht mit vollem Rechte; denn die Erfahrung giebt den besten Beweis über den Werth solher Staats - Einrichtungen. Jh erlaube mir, meine Herren, aus der Geschichte der Provinz Preußen ein historishes Fak- tum hier mitzutheilen. Vor 200 Jahren, als die Stände im vollen Genusse ihrer Rechte waren, erwählte der preußische Landtag eine extraordinaire Convocation, wie er es nannte, für einzelne besondere Geschäfte. Dies veranlaßte, daß der große Churfürst die ordentlichen Landtage nicht mehr berief, sondern nur diese ertraordinaire Convoca- tion. Das Land wie die Stände waren damit unzufrieden, und die Mitglieder dieser Convocation erklärten 1649, sie betrahteten \ich nicht als Vertreter des Landes, sondern nur als Privatpersonen. Es entstand dadur ein so großes Mißvergnügen im Lande und ein sol- ches Mißtrauen zwischen dem Kurfürsten und den Ständen, daß die Stände dem großen Kurfürsten, a!s er im Jahre 1657 die Souve- rainetät über Preußen durch den welauer Traktat erhielt, sechs Jahre lang die Huldigung verweigerten, und erst 1663, als er die Asseku- ranz-Afte ertheilte und die alten Rehte der Stände bestätigt hatte, wurde ihm die Huldigung von den Ständen geleistet, Etwas Aehn= lihes geshah in Sachsen, noch ein Jahrhundert früher. Es war auch in den vierziger Jahren. Dieses Decennium scheint überhaupt mit den Kalamitäten der Aus\schlisse zu thun zu haben. : (Heiterkeit in der Versammlung.) ___Im Jahre 1546 wählten auch dort die Stände einen Ausschuß. Kurfürst Moriß verlangte von dem Landtage, er sollte diesem Aus= shusse das Steuer-Bewilligungsrecht ertheilen. Es entstanden große Zwistigkeiten zwischen den Ständen und dem Kurfürsten, und der Kurfürst wurdé genöthigt, den allgemeinen Landtag zu berufen. Meine Herren! Die Geschichte lehrt uns also, daß ständische Ausschüsse nur dazu dienen, Mißtrauen zwischen Volk und Fürst zu säen. Erwä-= gen wir, meine Herren, daß dieser erste Vereinigte Landtag die Auf- gabe hat, die Elemente zu einer Verfassung zu legen, Je einfacher, desto sicherer und fester sind sie. Weiter entwickeln wird sich diese Verfassung bei dem öffentlichen Leben, wie es bei uns besteht, dem Charakter und dem Geiste des Volkes gemäß, Der Geist des preu- ßischen Volkes i} ein bestimmter, er is der des Fortschrittes. Jn diesem Geiste hat sih Preußen an die Spiße der Reformation ge- stellt, in diesem an die Spihe des Freiheitskrieges im Jahre 1813, in diesem Geiste is die Geseßgebung von 1815 bis 1820 gegeben; durch ihn. is Preußen mit nur 15 Millionen Einwohnern zu einer europäischen Großmacht geworden, und dieser Geist herrsht noch, und er wird die Formen der Verfassung bilden, wie der Gedanke das Wort findet, Meine Herren! Hüten wir uns, in die erste Grundlage der Verfassung Elemente hineinzulegen, die nah allen Erfahrungen der Geschichte nur Zwiespalt zwischen Fürst und Volk herbeiführen. (Bravo!)

Abg. von Saucken: Meine Herren! Nachdem einige dreißig Redner hier gestanden, unter denen Männer mit beredter Zunge und flarem Geiste gesprochen haben, gehört wirkflih einige Ueberwindung dazu, wenn man, will man nicht wiederholen, es noch wagt, etwas in der Sache zu sprechen. Jch will nur drei Punkte kurz berühren. Erstens den Rechtsgrund, zweitens die Bedenken, die dagegen erho- ben werden, und drittens, inwiefern die Nüßlichkeit gebietet, den Rechtsgrund fester zu halten und die Anträge darauf zu gründen. Den ersten Grund, den Rechtsgrund betreffend, so muß ich gestehen, daß-die vielleicht sehr gelehrte Auseinanderseßzung des Herrn Ministers der Geseßgebung für mich als Laien keine überzeugende Kraft gehabt hat. Ich stehe noch heute in dem festen Glauben, daß die Rechte für die Stände noch fo festbestehen, wie der Abgeordnete aus Prenz= lau dies ausgedriückt hat; ih stehe in dem Glauben, daß alle Punkte der Gesebßgebung von 1820, auf denen das neue Geseß vom 3. Fe-= bruar d. J. gegründet is, und das, wie der König Selbst sagt, nur den Fortbau bildet, daß, sage ih, alle Punkte, welche uicht dur das neue Geseß aufgehoben sind, fortbestehen. Jch bin also der Ansicht, wie dies auch in anderen Fällen stattfindet, daß überall, wo ein neues Geseb ein anderes aufheben, ergänzen und defklariren soll, in der Regel dabei steht: Alle anderen Bestimmungen sind aufgehoben. Dies fehlt in dem Patente, und deshalb schließe ich mich dem Amendement, mit Ausnahme vielleicht weniger Abänderungen in der Form, dem Antrage des Abgeordneten aus Westfalen an. Nun komme ih zu den Be- denken, welhe von vier Rednern aus der Mark Brandenburg aufge- stellt worden sind. Diese Herren stehen in der Stellung als Ab-= geordnete, bekleiden aber auch zugleich hohe Aemter im Staate. Jch gebe zu, daß sie in dieser Beziehung vielseitigere Ansichten haben, als ich, der ih nichts bin, als ein einfacher Volksvertreter.

(Bravo !)

Jn dieser Beziehung habe ih gauz andere Ansicht von der Sache. Jch erkenne mit ihnen an, was unser verehrter König dem Volke ge- geben hat, ih erkenne an, daß Er den in Seinem Herzen Jahre lang getragenen Gedanken jeßt zur Ausführung gebracht hat, Sein Volk fortzuführen in jeglicher Art der Eptwickelung und den Bau segensreih fortzuführen; aber, meine Herren, ich betrachte dies nicht als eine Gabe, als ein Almosen, was Er hingegeben hat. Nein, Er hat einen ganz anderen Zweck gehabt, Er hat einen Bau grün- den wollen, wo Jeder aus Seinem Volke künftig ruhig und behag- lich wohnen könne, einen Bau, geschirmt von der s{hönen, erhabenen Kuppel, die der König Selbst ist.

Einen solchen Bau wollte Er gründen. Den Bau mit auszu= führen, hat Er ausdrücklih uns geboten. Meine Herren, ih sehe jebt in dem uns Gegebenen das herrliche Material; erlauben Sie mir, bildlich zu sprechen. Jch sehe die {önen Quadsteine auf die Erde gelegt, ih sehe die himmelanstrebenden Säulen, die das Dach tragen sollen; wir sollen sie fügen zu einem festen Bau, der unerschütterlich steht, für alle Zeit, für Kinder und Kindeskinder, im Glanze Preu-= ßens Aar tragend. Jch finde aber und Viele in dieser Versammlung mit mir, daß der Mörtel fehlt, der diese Steine festbinden soll; dies ist der Rechts-Boden. . Dieser muß erhalten werden, und das Ver= trauen auf die Geseße muß einem Volke vor Allem festgegründet sein, Diesen Mörtel zuzufügen, halte ih nun für die erste Pflicht von uns, und ih muß gestehen, wenn ih auch alle möglihe Rücksicht, auch die zarteste für meinen König, bei Jedem ehre und selbst be- wahre, so würde ih es ohne tiefe Beschämung, ohne innere Zerrüt- tung nicht im Stande sein, vor ihn zu treten, wenn ih nicht gesagt hätte: zu dem Bau, den du beginnen willst, den auszuführen du uns berufen hast, zu dem fehlt noch dies, fehlt noch jenes, was wir be- dürfen, um dem Bau eben den Halt zu geben, den Du König in Deiner weisen väterlihen Gesinnung für das Wohl Deines Volkes ihm hast geben wollen.

(Vielstimmiger Bravoruf.) Meine Herren! Jch möchte jeßt auch noch auf den Nüßlichkeitspunkt übergehen, den ih hier noh zu erörtern für wichtig halte. Wir sehen hier die ernannten Räthe der Krone gegenüber den gebornen Räthen der Krone, wie Se. Majestät der König selbst seine Stände genannt, Die Ersten stehen auf der Höhe der Gesellschaft, durch Geschäfte überladen, in einem Umgangskreise, der sie trennt von dem Volke, in der Regel nur mit denen in Berührung, die etwas wün- schen oder begehren, also weniger auch, bei vielem Scharfsinn, geeig- net, des Volkes innerstes Leben zu erkennen. Aber diese hohe Ver- sammlung, hervorgegangen aus dem Volke, mit ihm fühlend, mit ihm duldend, mit ihm fürchtend, mit ihm hoffend, geht sie bis in die tief-

en Nüancen des innersten Volkslebens hinein. i

nrag meine Herren, is nothwendi Î um die Rätbe tee zu stüßen und zu leiten in der Berwaltaug des Landes, Frühere Zeiten, und au die neueren, haben bewiesen, daß in der tsolirten Stellung der Beamten der Krone die Geseße, die sie erlassen, und die das Volk berühren, so nüßlich sie auch für dasselbe gehalten und in der Absicht, in der sie gegeben wurden, es bestimmt lag, nicht vom Lande so erkannt: ja geradezu als nachtheilig zurückgewiesen sind. Meine Herren! Eine solche Unterstüßung den Räthen der Krone ange= deihen zu lassen, daß Aehnliches nicht mehr vorkommt, - is unsere Pflicht, und indem wir um öftere Wiederkehr bitten, führen wir den Nuzen herbei. Wir müssen oft, und ih möchte sagen, es kann kaum zu oft sein, daß fie uns E SEE und erfahren, was das Volk wünscht, was das Volk bedarf. tier, muß ih sagen, is au der Punkt, wo ih glaube, daß die Ausschüsse am allerwenigsten nüßlich Plat greifen können. Wenn ein Geseß zur Berathung vorgelegt, wenn am Ende unser Beirath gehört werden soll , wenn besondere Verhältuisse zu berathen sind, so frage ih Sie, meine Herren, wenn Sie aus einem Stande, wie aus den Landgemeinden zwei," aus den Städten vier, aus dem Stande der Ritterschaft sechs Personen wäh= len sollen, wie wollen Sie wählen, wenn Sie gar nicht einmal wissen, welhe Gegenstände denselben vorgelegt werden? Jst es ein Strafgesez-Entwurf oder etwas dem Aehnliches, so werden Sie an- dere Personen wählen, als wenn die Vorlage Uferbauten oder an- dere Gegenstände betrifft. Jch frage, ob den Räthen der Krone selbst eine so \chwache Vertretung des Volkes wünschenswerth sein kann, wo es unmöglih, ganz unmöglih is denn în einem einzelnen Menschen liegt niht die Kenntniß von allen daß sie rihtig erfah= ren können, was das Volk will, was das Volk bedarf, und, meine Herren, gerade in der ruhigen Zeit, in der wir uns besinden, in einer solchen Zeit is es wichtig, daß die Verhältnisse fest geregelt werden. Wir wissen nicht, ob nicht bald vielleicht bewegte Zeiten eintreten. Andere Völker ertroßen in unruhigen Zeiten ihre Rechte, das wollen aber Preußen niht. Kommen solhe Zeiten, dann kennt Preußen nur den einen Stolz, sih um seinen König zu haaren und die Ehre des Vaterlandes fest zu bewahren. Deshalb bitte ih Sie, meine Herren, lassen Sie sich niht durch die Bedenken bestimmen, es könnte: den König verleßen. Wir wollen ja nicht etwas haben, wir wollen nicht neue Rechte haben, nachdem er vermehrte gegeben hat, wir wollen niht sagen, gieb us noch mehr, nein! wir wollen nur sagen : dies ist nothwendig, um zusammenfügen, um Deinen Willen erfüllen, um fortbauen zu fönnen an dem, was Du begründet hast und was Du vollenden mögest, zum Segen Deines Landes,

(Bravoruf.)

Abgeordn. von Finkenstein: Es scheint wirklich nothwendig zu sein, daß, wenn man auf diesen Rednerstuhl tritt, man zuerst von seiner persönlichen Stellung \sprehen muß. Jch sage also ganz kurz, daß ih weder zu der Partei, die im englischen, noch zu der gehöre, welche im russishen Hause zusammenkommt. Jch bin niemals in einer von beiden gewesen, ih bin, seit ih den Freiheitskrieg mitgemacht habe, fein Staatsbeamter gewesen ih war damals Lieutenant, habe später nicht dem Staate gedient. Ich erwarte au nichts weiter von dem Staate, als den allgemeinen Schuß und die allge-

meinen Segnungen, die man unter einer guten Regierung hat. Auch haben mir weder die höchsten, noch die weniger hohen Räthe der Krone besondere Mittheilungen gemacht, wie wir gehört haben , daß es Anderen geschehen i}, aus dem Grunde, weil ih siè nicht ver= langt, nicht darum gebeten habe. Es sei also nah dieser Voraus= \hickung mir erlaubt, meine Meinung vollkommen unbefangen über die Frage auszusprechen, die jeßt vorliegt, über die Bitte um periodishe Wiederkehr des Landtags. Es is sehr viel gesprochen und sehr viel von dem Rechtsboden angeführt worden, auf dem wir stehen, auf welchem wir diese Bitte thun sollen, Allerdings glaube ih, daß, wenn wir eíne solche Frage, eine solche Bitte an den König richten wollen, wir auf einem sehr festen, gesunden und naturwüchsigen Rechtsboden stehen. Dieser is nämlich das alte deutsche Recht, die uns angeborne deutsche Gesinnung, deutsche Sitte, deutsche Zucht und der Wille Sr. Majestät, der auf diesem deutschen Rechtsboden unsere neue Verfassung gründen will. Jch halte dafür, daß, wenn es nothwendig is, Se. Majestät um periodishe Wiederkehr des Landtags zu bitten, \o stehen wir auf einem vollkommen guten Rechtsboden. Dieser Rechtsboden aber, der hier so viel angeführt worden is, soll aus den früheren Geseben, mit denen die jeßt erlassenen niht über- einstimmen, bestehen. Jch halte diesen Rechtsboden für höchst prekär oder, geradezu gesagt, für ganz nihtig, und das, was darüber hier gesagt ist, für einen juridischen Schulstreit, in welchen ih mi nicht weiter mishen kann und mischen will. Jch erinnere dabei an ein Wort, welches Se. Majestät uns in Seiner Thronrede zugerufen hat, und welhes ih so frei sein werde, abzulesen. Er hat nämlich uns Ständen von dieser Stelle gesagt: Das aber ist ihr Beruf nicht, „Meinungen zu repräsentiren“, Zeit - und Schul-Meinungen zur Gel= tung bringen zu sollen. Das is vollkommen undeutsch und obenein vollkommen unpraktisch für das Wohl des Ganzen, denn es führt nothwendig zu unlösbaren Konflikten mit der Krone.“ Ueberhaupt schließe ih mich dem Antrage, den ein geehrter Redner aus Preußen gemacht hat, dahin an, daß wir diese allgemeine Frage, ob wir um periodische Einberufung des Allgemeinen Landtags bitten wollen, zuerst vornehmen und sie ihrer inneren Natur nah, aus Gründen der Nüh= lichkeit und politishen Rücksicht, bejahen, die Rechtsfrage aber, wie sie von dem Ausschuß behandelt is, nicht einmal als Motiv anführen. Ich würde in Verlegenheit gerathen, wenn ih über die Rechtsfrage abstimmen sollte. Jch glaube, wir haben das Recht, darum zu bitten, aber niht das Recht, was hier angeführt ist.

Was das Materielle der Sache anbetrifft, diese periodische Wieder- kehr des Landtages, so glaube ih wohl, daß sie in der Nothwendigkeit der Sache beruht, und ich bin im Ganzen dafür und werde dafür stimmen. Hingegen kann ih auch nicht ableugnèn, daß dies ein ungeheurer Fort- \chritt auf der Entwickelung der constitutionallen Bahn is, Haben wir erst periodische Landtage, so wird unmittelbar, wie einer von den Rednern (uicht aus Uen, sondern aus einer anderen Provinz) gesagt hat, noch vieles Andere darauf folgen. Ob es für uns gerade so sehr glücklih und wünschenswerth sei, diese fortwährende Unruhe und Aufregung des constitutionellen Staates au in unserem Lande einzuführen, das überlasse ih eines Jeden Liebe und Ansicht. Jh halte aber offenbar die Meinung derjenigen, die jeßt Se. Majestät in diesem Augenblicke niht drängen wollen, für sehr wohl begründet, Es ist freilich bereits jeßt 37 Jahre her, daß in unseren Geseßen von des hochseligen Königs Majestät zuerst von Me eaen Es ist. Wir können also freilich nicht pg daß damit gerade im Sturm- rit vorgegangen sei, wenn wir erst nah 37 Jahren die jebige Er= füllung haben. Das is aber gar wohl zu bedenken, daß die Fort- schritte, die wir dazu gemacht haben, erst seit der Regierung unseres jeßt regierenden Königs Majestät gethan sind. Unseres Königs Ma- jestät hat unter dem vorigen Könige Landstände eingeführt im Jahre 1823. Wie sehr aber as Institut eingeschläfen war und immer weniger und weniger Thei nahme fand, das wissen wir, die wir den Landtagen beigewohnt haben, wohl am besten. Erst unter des dh regie- renden Königs Majestät ist wieder ein neues Leben in diese Land age gekommen, und es is beinahe kein Jahr verflossen , das nit e