1847 / 165 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

L, E, s ¿ F LaN A I R E E E p E N I s Ee E R E Ae pa Q Kata

g. 25. Unterrichtswesen. b L Ju Bezug auf den dffeniliden Unterricht gehören die ulpflich- tigen Kinder der jüdischen Glaubensgenossen den ordentlichen Elemen- tarshulen ihres Wohnorts an.

§. 26, Es h

Die jüdischen Glaubensgenossen sind s{uldig, ihre Kinder zur regelmäßigen Theilnahme an dem Unterrichte in der Orts\chule wäh- rend des geseblich vorgeschriebenen Alters anzuhalten, sofern sie nicht vor der Schulbehörde sich ausweisen, daß ihre Kinder anderweitig durch häusliche Unterweisung oder durch ordentlichen Besuch Es an- deren vorschriftsmäßig eingerichteten öffentlichen oder, I ehr- anstalt einen regelmäßigen und genügenden Unterricht in den Elemen-

tarkenntnissen erhalten. E

6. 27. E

Befinden \ich an einem Orte mehrere christliche Elementarschulen, so bleibt den Bali überlassen, die jüdischen Einwohner nöthi- enfalls nah Maßgabe der Ortsverhältnisse entweder einer von die- fen Schulen aussclieglich zuzuweisen oder unter dieselben nah einer bestimmten Ges MIaF nayng gh He yIan.

Zur Theilnahme an dem christlichen Religions-Unterrichte sind die jüdischen Kinder nicht verpflichtet; eine jede Judenschaft ist aber ver- bunden, solche Einrichtungen zu treffen, daß es keinem jüdischen Kinde während des \chulpflichtigen Alters an dem erforderlihen Religions- Unterrichte fehlt.

Als besondere Religionslehrer können nur solhe Personen zuge- lassen werden, welche. zur Ausübung eines Lehramtes vom Staate die Erlaubniß erhalten haben. 4 : g. 29.

Zur Unterhaltung der Ortsschulen haben die jüdishen Glaubens- genossen in gleiher Weise und in gleichem Verhältnisse mit den christ- lichen Gemeindegliedern den Geseßen und bestehenden Verfassungen gemäß beizutragen.

g. 30.

Eine Absonderung von den ordentlihen Ortsschulen können die jüdishen Glaubensgenossen der Regel nas nicht verlangeuz; doch if den Juden gestattet, in eigenem Juteresse auf Grund diesfälliger Vereinbarungen unter sich mit Genehmigung der Schulbehörden Pri- vat = Lehranstalten nah den darüber bestehenden allgemeinen Bestim- mungen einzurihten, J in einem Orte oder Schulbezirke eine an Zahl und Vermögensmitteln hinreichende christliche und jüdische Be= völkerung vorhanden, um auch füx die jüdischen Einwohner ohne de- ren Ueberbürdung eine besondere öffentliche Schule anlegen zu können, so fann, wenn sonst im allgemeinen Schulinteresse Gründe kazu vorhanden sind, die Absonderung der jüdischen Glaubensgenossen zu einem eigenen Schulverbande auf den Antrag des Vorstandes der Judenschaft angeordnèt werden. G Ol

Die Regierung hat in solchem Falle über die beabsichtigte Schul= trennung und den dazu entworfenen Einrichtungsplan die Kommunal= Behörde des Orts und die übrigen Juteressenten mit ihren Erklärun- gen und Anträgen zu vernehmen.

6. 32.

Ergiebt sich hierbei ein all\eitiges Einverständniß über die Zwed=- mäßigkeit der Schul-Abtrennung und über die Bedingungen der Aus- führung, so ist die Regierung befugt, die entsprechenden Kesisebungen und Einrichtungen unmittelbar zu treffen.

Im Falle obwaltender Differenzen bleibt die Entscheidung dem

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten vorbehalten. 8. 33.

Eine solche, nach §§. 30—32 errichtete jüdische Schule, in wel- her die Unterrihts -= Sprache die deutsche sein muß, hat die Eigen- schaften und Rechte“ einer öffentlichen Orts\chule, Fnsbesondere gel= ten dabei folgende nähere Bestimmungen :

a) Die Errichtung und Unterhaltung dieser Schule liegt in Er= mangelung einer anderweitigen Vereinbarung dén jüdischen Ein- wohnern des Schul = Bezirks allein ob. Die Aufbringung der erforderlihen Kosten wird nah Maßgabe der Bestimmung des g. 23 bewirft.

b) Wo die Unterhaltung der Orts-Schulen eine Last der bürger= lichen Gemeinde ist, haben die jüdischen Glaubensgenossen im Falle der Errichtung einer eigenen öffentlichen Schule eine Beihülfe aus Kommunalmitteln zu fordern, deren Höhe, unter Berüd- sichtigung des Betrages der Kommunal - Abgaben der jüdischen Einwohner, der aus den Kommunal=-Kassen für das Ortsschul=- wesen sonst gemachten Verwendungen und der Erleichterung, welhe dem Kommunal=Schulwesen aus der Vereinigung der jüdischen Kinder in eine besondere jüdishe Schule erwächst, zu bemessen und in Ermangelung einer gütlichen Vereinbarung von den Ministern der geistlichen 2c. Angelegenheiten und des Innern festzuseßen ist.

c) Die jüdishen Glaubensgenossen werden, wenn sie eine öffent- liche jüdishe Schule unterhalten, sowohl von der Entrichtung des Schulgeldes, als auch von allen unmittelbaren, persönlichen Leistungen zur Unterhaltung der ordentlichen Ortsschulen frei.

d) Der Besuch der öffentlichen jüdischen Schulen bleibt auf die

- jüdischen Kinder beschränkt.

; g. 34. Einwirkung auf den Lebensberuf jüdischer Knaben.

Nach vollendeter Schulbildung der jüdischen Knaben haben die Vorsteher der Judenschaft unter eigener Verantwortlichkeit dafür zu n daß jeder Knabe ein nüßliches Gewerbe erlerne oder \ih auf wissenschaftlichen Lehranstalten einem höheren Berufe widme, und daß feiner derselben zum Handel oder Gewerbebetriebe im Umherzichen gebraucht werde. Sie haben \ih deshalb zunächst mit den Vätern oder Vormünudern zu vernehmen; wenn aber auf diesem Wege der Zweck nicht erreicht wird, \o haben sie ihre Anträge an den betref-

fenden Magistrat, resp. an den Kreis-Landrath zu richten, welcher die Väter oder Vormünder, Leßtere unter Vesvebvwaa hien: der e

vormundschaftlihen Behörde, anzuhalten hat, daß den Knaben die erforderliche Vorbereitung für einen wissenschaftlichen oder künstleri- hen Beruf, oder für den Betrieb des Landbaues oder eines anderen stehenden Gewerbes zu Theil de.

x Zulässmig zu öffentlihen Aemiern,

Zu unmittelbaren Staats=- Aemtern sollen die Juden insoweit zugelassen werden, als sie sich durch den Dienst im stehenden Heere verfassungsmäßig Civil-Bersorgungs-Ansprüche erworben haben und mit den ihnen zu übertragenden Civil- und Militairdiensten nicht die Ausübung einer obrigkeitlichen Autorität verbunden ist,

Jnwiefern die Juden mittelbare Staats- und Kommunal - Aemter befleiden fönnen, ist nah den darüber ergangenen besonderen geseß- lihen Vorschriften zu beurtheilen. Es findet jedoch deren Eintritt auch in solhe Aemter nur dann statt, wenn mit demselben die Aus- MRA ee obrigfeitlihen Autorität nicht verbunden ist.

ehufs Schlichtung streitiger Angelegenheiten unter ihren Glau- bensgenossen fönnen Juden zu Schiedêmännern gewählt werden,

n denjenigen Universitäten, auf denen niht die Ausübung des

, Lehramts statutenmäßig an das Bekenntniß einer bestimmten christ-

1112

lichen Konfession geknüpft - ist, können Juden als Privat-Docenten 8 außerordentliche Pro oren ‘der L tSmatischen, naturwissenschaft= lichen und medizinischen Le ier zugelassen werden. E

Außerdem bléibt die Anstellung der Juden -als Lehrer auf jüdi=

he Unterrichts-Anstalten E Ständische r e, Patronat 2c. ;

In Betreff der ständischen Rechte verbleibt es bei der bestehen- den Verfassung, und so weit deren Ausübung mit dem Grundbesib, zu dessen Erwerbung die Juden nach §. 1 überall berechti t And, ver= bunden is, ruhen dieselben während ihrer Besibzeit. Vie Verwal= tung der Gerichtsbarkeit, wie des Patronats, desgleichen die Aufsicht über die Kommunal-Verwaltung und über das Kirchen-Vermögen wird, wo eine solche Aufsicht der Gutsherrschaft zusteht, von der be- treffenden Staats= und kirhlihen Behörde ausgeübt. Die Staats- Behörde hat den Gerichtshalter und den Verwalter der Polizei-Ge- richtsbarkeit zu ernennen. Der Besißer bleibt zur Tragung der da- mit. verbundenen Kosten und sonstigen Lasten verpflichte.

Wo das Patronat einer Kommune zusteht, können die jüdischen Mitglieder derselben an dessen Ausübung feinen Theil nehmen; sie müssen aber die damit verknüpften Real-Lasten von ihren Besißungen gleih anderen Mitgliedern der Kommune tragen, auch sind sie als ansässige Dorfs- oder Stadtgemeinde - Mitglieder verpflichtet, von ihren Grundstücken sowohl die darauf haftenden kirhlihen Abgaben als auh die nah Maßgabe des Grundbesißes zu entrichtendeu Bei- träge zur Erhaltung der Kirchei-Systeme zu tragen.

37

. Ds Sirtebebeirieb.

Die für den Gewerbebetrieb im Umherziehen in Betreff der in= ländischen Juden bestehenden Beschränkungen werden aufgehoben.

Auch der Betrieb der in den §§. 51. 52. 54 und 55 der Ge- werbe-Ordnung vom 17. Januar 1845 genannten Gewerbe wird den Juden fortan freigegeben ; jedoch finden auch hier die Vorschriften des g. 35 Anwendung, wenn mit dem Gewerbebetriebe ein Staats- oder Kommunal-Amt verbunden ist. é

d, 38, Familien-Namen. Führung der Handelsbücher 2.

Die Juden sind zur Führung fest bestimmter und erbliher Fa= milien-Namen verpflichtet. Sie haben sich_ bei Führung ihrer Han- delsbücher entweder der deutschen oder der sonstigen, unter der Be- völkerung ihres Wohnorts üblichen Landessprache und deutscher oder lateinischer Schriftzüge zu bedienen. Handlungsbücher, in welchen gegen diese Vorschrift verstoßen i, haben für den Juden keine Be- weisfraft. Bei Abfassung von Verträgen und rechtlichen Willens- Erklärungen, wie bei allen vorkommenden schriftlichen Verhandlungen, ist ihnen nur der Gebrauch der deutschen oder einer anderen lebenden Sprache und deutscher oder lateinischer Schriftzüge gestattet. Jm Uebertretungsfalle trifft sie eine fiskalische Geldstrafe von 50 Rthlrn. oder sech8wöhentliches R

Zeugen-Eid. | : i Was die Verpflichtung zur Ablegung eidlicher Zeugnisse und die diesen Zeugnissen beizulegende Glaubwürdigkeit betrisst, so sindet so- wohl in Civil- als Kriminal-Sachen zwischen den Juden und Unseren übrigen Unterthanen fein g rve uad §

Ehen zwischen Juden, i

So lange ein Anderes nicht verordnet wird, vertritt unter Ju- den die Zusammenkunft unter dem Trauhimmel und das feierliche An= stecken des Ringes die Stelle der Trauung; das Aufgebot erfolgt durch Bekanutmächung in der Synagoge.

Der die Trauung ‘vollziehendè Jude is verpflichtet, zu prüfen, ob derselben ein geseßlihes Hinderniß entgegensteht und, insoweit von him hierbei den bestehenden Vorschriften zuwidergehandelt wird, ver- fällt derselbe in 50 Rthlr. fiskalishe Geld- oder 6 wöchentlihe Ge= fängnißstrafe. * Für den Fall, daß vorhandene Che - Hindernisse ihm vor der Trauung bekannt gewesen sind, wird diese Strafe verdoppelt.

Jn den zum Bezirk des Ober-Appellationsgerihts zu Kölu ge- hörigen Landestheilen bewendet es bei den über das Aufgebot und die Vollziehung der Ehe geseblich vorgeschriebenen Förmlichkeiten.

g. 41.

Ausländishe Jüdinnen erlangen dur die Verheirathung mit in- ländischen Juden die Rechte, welche das gegenwärtige Geseb giebt, jedoch nur auf vorgängigen Nachweis darüber, daß die Verheirathung diesseitiger Jüdinnen mit Juden des betreffenden Auslandes dort ebenfalls geseblih zugelassen is. Bis dahin is die Trauung unter- sagt. Die ausnahmsweise Gestattung des Aufenthalts im Julande vor Führung dieses Nachweises hängt von der Genehmigung des Ministers des Jnnern ab.

Die Trauung eines ausländishen Juden mit einer Juländerin darf nur dann eSfoig en: wenn neben den durch die bestehenden Ge- sebe bereits vorgeschriebenen Erfordernissen auch noch zuvor ein geh&= rig beglaubigtes Attest der Orts - Obrigkeit seiner Heimat beige- bracht und der Polizei-Obrigkeit des Wohnorts der inländischen Jü- din vorgelegt worden, nah welchem es ihm, seinen Landesgeseßzen zufolge, erlaubt is, eine gültige Ehe mit der namentli zu bezeich- nenden Braut in diesseitigen Landen zu \chließen, so daß bei ner Rückkehr in die Heimat der dortigen Mitaufnahme seiner Ehefrau und der in der Ehe etwa erzeugten Kinder nihts im Wege steht.

Der Jude, welcher, diesen Vorschriften entgegen, eine Trauung zwischen einer fremden Jüdin und einem inländischen Juden oder zwi- \hen einem ausländischen Juden und einer inländishen Jüdin voll- zieht, verfällt in die §. 40 angedrohte Strafe.

g. 42. Niederlassung und Aufenthalt fremder Juden. Ñ

Zur Niederlassung ausländischer Juden bedarf es vor Ertheilung der Naturalisations-- Urkunde der Genehmigung des Ministers des Innern. H

Ausländische Juden dürfen ohne eine gleihe Genehmigung we- der als Rabbiner und Synagogen-Beamte, noch als Gewerbs - Ge- hülfen, Gesellen, Lehrlinge oder Dienstboten augenommen werden. Die Ueberschreitung dieses Verbots zieht gegen die betreffenden Ju- länder und den fremden Juden, gegen leßteren, sofern er sih bereits läuger als 6 Wochen in den diesseitigen Staaten aufgehalten hat, eine fisfalishe Geldstrafe von 20 bis 300 Rthlr. oder verhältnißmä- ßige Gefängnißstrafe nah sich. |

Fremden Juden ist der Cintritt in das Land zur Durchreise und zum Betrieb exlaubter Handelsgeschäfte nah näherem Jnhalt der dar- über bestehenden polizeilichen Vorschriften gestattet, Ju Betreff der Handwerksgesellen bewendet es jedoch bei den Bestimmungen der Or- dre vom u. Oftober 1838 (Gesebs. S. 503) und den mit auswär- tigen Staaten besonders geschlossenen Verträgen.

6.43; 7 Schuldverhältnisse und besondere Abgaben. :

: Die über die Schuldverhältnisse einzelner jüdischer Corporationen ergangenen Vorschriften und besonders getroffenen Anordnungen blei- ben bis zur Tilgung dieser Schulden in Kraft. Ueber die Aufhebung und e ie der noch bestehenden persönlihen Abgaben und Leistun- gen der

uden an Kämmereien, Grundherren, Justitute 2c., bei denen

F je Zeit sein Bewenden behält, wird weitere Bestimmung vorbe- alten.

Abschnitt [l betreffend die Verhältnisse der Juden im Großherzo'g- * thum Posen.

g. 44.

Î Judenschasten. L t Die Vorschriften des Abschnitts 1. §§. 2 bis 14 wegen Bildun von Judenschaften finden auf das Großherzogthum Pojen, woselbst den Juden bereits Corporationsrechte geseßlich beigelegt stnd, mit fol= gender Maßgabe Anwendung : s

1) Die Regierungen sind ermächtigt, Ortschaften, welche bisher zu feiner bestimmten Judenschaft gehört haben, nah näherer Vor= chrift des §. 2 einer solchen einzuverleiben. :

2) Die nah §§. 5 bis 7 dex Verordnung vom 1. Juni 1833 ein= Aeg Verwaltungs-Behörde bildet den Vorstand der Juden=

aft.

3) Zur Aufnahme von Schulden, zur Anstellung von Prozessen und zur Abschließung von Vergleichen über Gerechtsame der Corporationen oder über die Substanz des Vermögens der Judenschaft, wie zur Aufstellung des Verwaltungs - Etats und zu außeretatsmäßigen Ausgaben, is die Genehmigung der Re- gierung erforderlich. s

g. 45.

Kultus- und Schulwesen. Armen- und Krankenpflege. Desgleichen finden die Vorschriften der §§. 16 bis 34 Adschnitt 1, über das Kultuswesen, über die Armen- und Krankenpflege, jo wie über die Schul-Angelegenheiten und wegen der Vorbereitung jüdischer Knaben zu einem nüßlichen Berufe auch hier Anwendung. Diejeni- gen jüdischen Schulen, welche nach §. 10 der Verordnung vom 1. Zuni 1833 als öffentliche jüdische Schulen errichtet worden sind, bleiben als solhe bestehen, so lange nicht eine anderweitige Einrich= tung von den Regierungen für FALLEN erachtet wird. . Is Die bisherige Unterscheidung der jüdischen Bevölkerung des Großherzogthums Posen in naturalisirte und nichtnaturalisirte Juden, so wie die daraus hervorgehende Verschiedenheit der Rechte beider Klassen, bleibt zur Zeit noch Gr S 4

Naturalisirte Juden. : E Zu den allgemeinen Erfordernissen der Naturalisation gehört: 1) ein fester Wohnsiß innerhalb der Großherzogthums Posen, 2) völlige Unbescholtenheit des Lebenswandels, | 3) die Fähigkeit und Verpflichtung, sih in allen öffentlichen Ange- legenheiten, Willens - Erklärungen, Rechnungen und dergleichen aus\cließlich der deutschen Sprache zu bedienen, Bon diesem Erforderniß kann der Ober-Präfident auf den Antrag der Re- gierung dispensiren, / 4) die Annahme eines halbe Familien-Namens. g. 48. 4 Unter diesen Vorausseßungen sollen in die Klasse der naturali- sirten Juden nur diejenigen aufgenommeu werden, welche den Nach= weis führen, daß sie entweder k Wissenschaft oder Kunst sih gewidmet haben, und solche der- gestalt betreiben, daß sie von ihrem Ertrage si erhalten fönnen;z : : oder ein ländliches Grundstück von dem Umfange besiben und selbst bewirthschaften, daß dasselbe ihnen und ihrer Familie den hinreichenden Unterhalt sichert, E oder in einer Stadt ein nahrhaftes stehendes Gewerbe“ mit einiger Auszeichnung betreiben, ; : oder in einer Stadt ein Grundstück von wenigstens 2000 Rthlr. an Werth schuldenfrei und eigenthümlich besiben, oder daß ihnen ein Kapital-Vermögen von wenigstens 5900 Rthlr. eigenthümlih gehört, oder daß sie ihrer Heerespfliht als einjährige Freiwillige, resp. durch dreijährigen Dienst wirklih genügt und gute Führungs- Atteste erhalten, oder durch patriotische Handlungen ein besonderes Verdienst um den Staat sih erworben haben, oder endlich diejenigen, welhe aus anderen Provinzen Unserer Monarchie ihren Wohnsiß in das Großherzogthum Posen verlegen. : j g. 49.

Die Juden, welche den im §. 48 verlangten Nachweis führen, sollen von der Regiexung des Bezirks, in welchem sie wohnen, mit Naturalisations-Patenten versehen werden.

§. 90.

Chefrauen nehmen an den Rechten, welche ihre Ehemänner dur die Naturalisation erlangt haben, Theil. Diese Rechte verbleiben ihnen au nah Auflösung der Che bis zur etwa eintretenden Ver- heirathung mit einem nicht nagturalisirten Juden. Geschiedene, für den huldigen Theil erklärte Ehefrauen verlieren die lediglih durch ihre Verheirathung erworbenen Rechte der Naturalisation,

g. 1. Nicht naturalisirte Juden.

Die mit der Naturalisation verbundenen Rechte gehen ohne Weiteres verloren, wenn der Richter gegen einen naturalisirten Juden auf Verlust der Natioual - Kokarde erkannt hat- Außerdem können jene Rechte der Naturalisation durch Plenarbeschluß der Regierung entzogen werden, sobald das Naturalisations-Patent auf Grund wi= der besseres Wissen gemachter unrichtiger Angaben erlangt is, des= gleichen in allen denjenigen Fällen, in welchen nah §§. 16 und 20 der revidirten Städte-Ordnung vom 17. März 1831 das Bürgerrecht entzogen werden muß oder von den Stadtbehörden entzogen werden fann, Gegen das die Entziehung festseßende Resolut der Regierunç ist der Rekurs an ‘den Minister des Junuern zulässig, derselbe Du jedoch binnen einer 10tägigen präklusivishen Frist nah Eröffnung des Resoluts bei der Regierung Mete werden.

g. 92.

Ueber diejenigen jüdischen Einwohner der Provinz Posen, welche sich zur Aufnahme in die Klasse der Naturalisirten noch nicht eignen, wie sind, bisher, vollständige. Verzeichnisse zu führen.

Fc §007

Auf den Grund derselben ist von der Orts=Polizeibehörde jedem Familien - Vater oder einzelnen volljährigen und sebstständigen Juden ein mit der Nummer des Verzeichnisses versehenes Certifikat zu er- theilen, weles, insofern es Familien umfaßt, die Namen der sämmt= lichen Mitglieder derselben enthalten muß und nach der jährlichen Re= von mit einem Visa dersehen oder berichtigt wird.

g. 54. Alle noh nit naturalisirten mit Certifikaten versehenen Juden sind folgenden besonderen Beschränkungen unterworfen:

a) Vor zurückgelegtem 24sten Jahre is ihnen die Schließung einer Ehe, wenn nicht der Ober-Präsident in dringenden Fällen dazu besondere Erlaubniß ertheilt hat, nicht zu gestatten.

b) Sie sollen ihren Wohnsiß in der Regel und, mit Ausnahme der weiter unten unter c. angegebene Fälle, nur in Städten

E Zu Gewinnung des städtischen Bürgerrechts sind sie

nicht fähig.

Auf dem Laube dürfen sie uux daun en Wohnsiß nehmen, wenn sie entweder einen Bauerhof erwerben oder pachten und und denselben selbst bewirthschaften, oder wenn sie Fs bei länd- lichen Grundbesißern als Dienstboten oder zum Betriebe ein- zeluer Zweige des landwirthschaftlihen Gewerbes, z. B. als Brenner oder Brauer, vermiethen;z das Schankgewerbe darf ihnen nux auf den Grund eines be- sonderen Gutachtens der Orts =- Polizeibehörde hinsichts ihrer persönlihen Qualification von der Regierung, jedoch niemals auf dem Lande, gestattet werden. Der Einkauf und Verkauf im Umherziehen it thnen unbedigt untersagt.

Darlehnsgeschäfte dürfen sie nur gegen gerihtlich ausgenommene Squld-Urkunde, bei Strafe der Ungültigkeit, ab schließen. Schuldansprüche derselben für verkaufte berauschende Geträuke haben feine rechtlihe R

. Is Zu ihrer Rene innig do beten nit naturalisirte Juden eines

Trauscheins, der ihnen von Seiten des Landraths stempel- und kosten-

frei ertheilt werden soll, so bald sie sih darüber ausweisen, daß sie

das 2Aste Lebensjahr erreiht haben oder die Dispensatiou des Ober-

Präsidenten von dieser BAIVIRPUUg: VAbrlAgen,

9,

Von den im Abschnitt T. in Betreff der bürgerlichen Verhält- nisse der Juden getroffenen Bestimmungen finden diejenigen dés g. 35 wegen Zulassung zu unmittelbaren und mittelbaren Staats-, Kommunal. und akademischen Lehx-Aemtern 2c. und des §. 37 wegen des Gewerbe-Betriebes auf die naturalisirten Juden des Großherzogthums Posen, dagegen die Bestimmungen der g. 36 wegen der ständishen Rechte, des Patronats 2c., 5. 38 wegen der Familien-Namen, Führung der Handelsbücher 2c., 3. 39 wegen der jüdishen Zeugen=-Eide, 5. 40 wegen der bei Trauungen unter den Juden zu beobachten- den Vorschriften, g. 44 wegen der Ehen zwischen inländischen und fremden Juden, g. 42 wegen der Niederlassung uud des Aufenthalts fremder Judén j i auf alle dortigen Juden Ron ding, . Ol Die naturalisirten Juden bedürfen behufs ihrer Uebersiedelung aus dem Großherzogthum Posen in eine andere Provinz Unserer Monarchie künftig niht mehr einer besonderen Genehmigung Unseres Ministers des Jnnern. Dagegen bleiben die bisherigen Beschränkungen in Betreff des Umzugs der nicht naturalisirten Juden in andere Pro- vinzen und ihres zeitweisen Aufenthalts daselbst bestehen. d 98

ÿe .

Jn Betreff der Schulden der jüdishen Corporationen und deren Tilguug, wie hinsichtlich der Verbindlichkeit zux Ablösung der Corpo- rations-Verpflichtungen, verbleibt es überall bei den bestehenden Vor- \{hriften und Anordnungen. Das festgestellte Ablösungs-Kapital kann von den Regierungen im Wege der administrativen Execution beige- trieben werden.

§. 959. Allgemeine Bestimmungen.

Jun Betreff der Personenstands -Register sind die bestehenden

Verordnungen in Anwendung zu bringen.

g. 60. Alle von den vorstehenden im Abschnitt 1. und Il. enthaltenen Bestimmungen abweichenden allgemeinen und besonderen Gesebe wer- den hiermit außer Kraft gesebt.

§. 01.

Unsere Minister dex geistlichen 2c. Angelegenheiten und des Jn- nern haben wegen Ausführung dieser Verordnung das Erforderliche zu veranlassen.

Gegeben den

Denfschrift zu dem Entwurf einer Verordnung,

ie Verhältnisse der Juden betreffend.

Bereits im vorigen Jahrhundert wurden die Verhältnisse der Juden im preußischen Staate durch allgemeine Geseße geregelt. Die General - Juden - Reglements vom 17. April 1750 für die damaligen Landestheile der Monarchie und vom 17. April 1797 für Süd= und Neu - Oft - Preußen bestimmten in umfassender Weise über den den Juden zu gewährenden Schutz, die von ihnen zu entrihtenden Abga- ben, ihren Gewerbebetrieb 2c., wie über die Religions - und- Ritual- Verfassung derselben.

Nach dem tilsiter Frieden ordnete das Edikt vom 11, März 1812 die bürgerlichen Verhältnisse der Juden. in den bei der Mouar- chie verbliebenen Provinzen , behielt jedoch die Bestimmungen wegen des Kultus und der Verbesserung des Unterrichts noch vor, bei deren Erwägung Vertrauen genießende Mänuer jüdischen Glaubens zugezo- gen werden sollten. Durch die Erweiterung, welche der Preußische Staat durch die Friedenssclüsse der Jahre. 1814 und 1815 iu Folge der Befreiungskriege erfuhr, trat an die Stelle der durch das Edikt vom Jahre 1812 erzielten Einheit eine Maunigfaltigkeit der verschie- denartigsten Geseßgebungen über das Judenwesen.

Ju einzeluen der neuerworbenen Landestheile, wie in der Lausiß, in einem Theile der Provinz Sachsen, in Neu=-Vorpommern, befanden sich wenige Juden , und gegen die Uebersiedelung derselben aus an- deren Provinzen dorthin ward auf Gruud der früheren Verfassung vielfach protestirt. Einzelne Städte suchten besondere ihnen zustehende Befreiungen gegen den Zuzug der Juden darzuthun. Vorzugsweise ward ein unverhältnißmäßiges Zudringen aus der Provinz Pofen ge- fürchtet. Ju der Rhein-Provinz und Westfalen waxd über die Be- drückungen, namentlich der ländlichen Bevölkerung, durch jüdisheu Wu- er lebhaft geflagt. Trat einerseits diese sich mehrfah kundgebende Abneigung gegen die Uebersiedelung der Juden einer allgemeinen Regulirung ihrer Verhältnisse entgegen, \o bot andererseits der ver- \chiedenartige Bildungs -= und Kultur = Zustand der jüdischen Bevölke- rung uicht geringe Schwierigkeiten. Durch Allerhöchste Ordre vom 29, April 1824 ward bestimmt, daß, bevor im Wege der allgemeinen Gesebgebung weiter vorgegangen werde , zuvörderst die Provinzial= Stände mit ihren Anträgen gehört werden sollten, Demgemäß wur- den im Jahre 1824 die Landtags - Kommissarien durch das Ministe- rium des Jnnern veranlaßt, von den zu berufenden Provinzial-Stän- den eine Erklärung darüber zu erfordern ;

ob und welhe Vorschläge und Wünsche sie hinsihtlih der bestehen-

den Gesebgebung über die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in

threr Provinz vorge ring: hätten,

„Es ward deu Ständen hierbei in den Landestheilen , wo das Edikt vom 14, März 1812 nit gilt, zugleich eine Zusammenstel- vab, den Zustand und die Rebtöverpültniste der dortigen Juden

1143

Nah den in den Jahreu 1824 28 abgegebenen Erklärungen erahteten die Provinzial-Stände mehr oder E überein E Beschräukungen in den ch7 v der Juden zum Schuß der christlichen Bevölkerung für erforderlich.

(S. die in der Beilage I. unter D. enthaltene Zusammenstellung

der Pini sen Gutachten.) z Der preußische Landtag {lug neben dem Antrage auf \carfe

rüfung der Staats-Angehörigkeit ‘der vorhandenen Juden und Fort- Ja jung der Fremden vor, das Edikt vom 11.-März 1812, dessen

we 1, f

die Juden zu anderen Gewerben als den Handel hinzuleiten, verfehlt sei, nur mit wesentlichen Beschränkungen beizubehalten und mit diesen in die neu- und wiedereroberten Provinzen einzuführen.

Der erste pommersche Landtag erachtete dafür, daß die beim Erlaß des Edikts vom 14. März 1812 gehegte Absicht , die Juden von dem für ihre Moralität so verderblichen Schacherhandel abzuzie- hen, ihren Charakter zu veredeln uud sie zum Christenthum hinzu- führen , nit erreicht worden , daß bei der Fortdauer des Gesetzes und bei der wachsenden Zahl der Juden die Wohlfahrt der christli- chen Unterthanen gefährdet werde, weshalb, neben der Einwirkung auf religiöse und sittliche Ausbildung der Juden, Beschränkungen ih= rer Rechte nothwendig seien. Demgemäß wurde für Alt - Pommern eine Declaration des Edikts vom Jahre 1812 in diesem Sinne, für Neu =- Vorpommern aber im Wesentlichen die Beibehaltung der dorti gen Verfassung beantragt, indem man die nicht nachtheilige Einwir= king der Juden auf die Moralität und die Gewerbsamkeit der übri- gen Bevölkerung neben der geringen Anzahl und der guten Führung der dortigen Juden auch deu bestehenden Beschränkungen ihrer Rechte und Freiheiten beimaß.

Die brandenburgischen Stände wünschten, daß das Edikt vom Jahre 1812 von denjenigen Landestheilen ausgeschlossen bleibe, wo dasselbe noch nihtbestehe, unddaß solches da, wo es bereits eingeführt sei, Abänderungen erfahren möge, weil die bisherige Erfahrung gelehrt habe, daß die den Juden zu einer höheren Ausbildung und nüßlichen Berufsarten reichlich dar- gebotene Gelegenheit unbenußt , ihre Neigung zum Schacherhandel vorherrschend geblieben sei, /

Der sächsische Landtag hielt mit Rücksicht auf die gemachter Er- fahrungen, wonach die Juden in die Eigenthums-, Gewerbs- und sonstigen Lebensverhältnisse der Christen störend und zerrüttend ein- griffen, Maßregeln erforderlich, wodurch der Verbreitung der Juden und ihrem gewerblichen Verkehr insbesondere geseßliche Gränzen ge- seßt würden.

Die \chlesishen Provinzialstände, unter denen die Abgeordneten der Oberlausib, wünschten, daß es bei der daselbst bestehenden Judeu- Verfassung unverändert belassen werden möge, gingen davon aus, daß die bei Erlaß des Edikts vom Jahre 1812 gehegte Hoffnung, in den Juden Bürgersinn und Gemeingeist zu erwecken, bis dahin größtentheils unerfüllt geblieben, die Ertheilung der den Juden ein- geräumten Rechte zu voreilig erfolgt sei und das dieselben ausspre- chende Geseß eïner Beschränkung bedürfe.

__ Der westfälische Landtag hielt es bei der fortdauernden mora- lishen Verderbtheit der Juden un® bei dem unglülichen Einflusse, welchen dieselben auf die christliheu Unterthanen in mehr als einem Theile der Provinz übten, für eine dringende Pflicht, dieser verderb- lichen Einwirkung Schranken zu seßen. Die Stände waren daher der Ansicht, daß den Juden vor allen Dingen das ihnen unter der Fremdherrschaft voreilig ertheilte Staatsbürgerreht zu entziehen sei und dieselben vorläufig nur als Schußgenossen behandelt werden müßten.

Auch der rheinische Landtag war dex Ansicht, daß den Juden unter Ausschließung von dem Staats=- und Gemeinde-Bürgerrecht als Schußverwandten die Uebernahme - von Staats- und Gemeinde- Aemtern zu versagen sei. Die Stände wünschten insbesondere, daß das auf der linken Seite des Rheins bestehende beshränkende fran- zösische Dekret vom 17. März 1808, mit Aus\chluß der auf die all- jährliche Lösung der Moralitäts-Patente bezüglichen Bestimmungen (Art. 7, 8), als verbindlih für die Juden der ganzen Provinz er- klärt werden möchte. : j

Der posensche Landtag endlich hielt mit Rücksicht auf die unver= hältnißmäßig große Anzahl der Juden in dortiger Provinz und da die Allerhöchste Absicht bei der Gesebgebung über die Juden in den übrigen Provinzen nicht erreiht worden , indem dieselben vielmehr nah wie vor dem Schacher und Handel nahgingen und ihre Ah- neigung gegen alle mit Anstrengung physisher Kräfte verbundene Beschäftigungen und Handarbeiten fortdauernd an den Tag legten, bei Feststellung ihrer Rechte bis dahin, wo die Juden insgesammt zum Staatsbürgerreht zuzulassen sein würden , solhe Anordnungen für nothwendig, wodurd) die Christen gegen die Ungebühr der Juden

esihert würden, wogegen den Juden jene Rechte in Aussicht zu Fellen und ihnen die Mittel zu gewähren seien, sih solche sobald als möglich erwerben zu können, *) i

*) Die oben erwähnte Beilage 1. enthält unter D. zugleich eine Zu- sammenstellung der ständischen Gutachten vom Jahre 1845, aus denen wir ebenfalls nah den einzelnen Provinzen hier Folgendes entnehmen :

1) Die Stände der Provinz Preußen, wenngleih der Ueber- zeugung, daß den zahlreich bei ihnen eingegangenen Petitionen um gänz- liche Emancipation der Juden zur Zeit nicht nachgegeben werden könne, beantragen dohch im Juteresse des Staats und der in demselben wohnenden Juden, unter Aufhebung sämmtlicher, in einzelnen Landestheilen bestehenden Juden-Verfassungen, mit Ausnahme der rheinischen, welche den Juden aus- gedehntere Rechte bewillige, neben mehreren speziellen Bestimmungen, allge- meine Einführung des Edikts vom 11, März 1812. l

2) Der pommersche Landtag hat sich nah dem Sißungs-Proto- foll vom 11. März 1845 mit 28 gegen 16 Stimmen für die Petition des Vorstandes und der Repräsentanten der jüdischen Gemeinde zu Stettin, we- gen Regulirung der Kultus- und Unterrichts-Verhältnisse der jüdischen Un- terthanen nah Maßgabe des Edikts vom Jahre 1812 erklärt.

3) Die Stände der Provinz Brandenb urg gehen nach der Denkschrift vom 15. April 1845 davon aus, daß für den Umfang ihres Provinzial-Verbandes die Juden sich überall in einer Lage befinden, welche sie der Theilnahme an den Vortheilen des Edikts vom 11, März 1812 wür- dig erscheinen lassez sie glauben, daß die in diesem Geseh vorbehaltene Ent- scheidung einzelner wichtigen Fragen und die bei der Anweñidung desselben getroffenen Modificationen gegenwärtig einer Erörterung und gesetzlicher Fest- stellung bedürften; daß die im Jahre 1826 abgegebenen Erklärungen der Stände nicht mehr unbedingt als den Verhältnissen der Gegenwart entspre- cheud angesehen werden könnten, und haben daher mit 48 gegen 17 Stim- men beantragt:

Die Einheit der Geseßgebung für die bürgerlichen Verhältnisse der Ju- den in der Provinz auf den Grundlagen des Edikts von 1812 herbeizufüh- ren, dabei die Bésnnizingen dieses Gesetzes, mit Rücksicht auf den Dride- \{hrittenen Kultur-Zustand der Juden einer durchgreifenden Revision zu un- terwerfen und den daraus hervorgehenden Geseß-Entwurf ihnen zur Begut- achtung vorlegen zu lassen.

Eine Stimme erhob \ich für völlige Emancipation der Juden: da sie gleiche Pflichten mit den Christen hätten, müsse man ihnen auch gleiche

echte einräumen. Die völlige Emauicipation ward aber mit 42 Stim- men gegen 20 abgelehnt: i

) Die Stände der Provinz Schlesien haben nah der Denk- \christ vom 26. März 1845 zwar die Ueberzeugung “egtargel daß vie Emancipation der Juden vorzugsweise von tien selbs| ausgehen müsse, und die Regierung solche Bestrebungen nur Schritt vor Schritt unterstüßen könnez sie glauben aber, daß Beschränkungen der den Juden bereits ge- währten Rechte dieser weiteren Entwidelung hemmend entgegenträten und

‘zug auf die erforderlich

Die speaielen Vorschläge der acht Propinzial-Lnbtage n Be- achteten ä

ngfacher Art und zum Theil tief eingreifend in die Par ‘Ver

h nisse der Juden, uamentlih in Bezug auf Freizü gleit und Ge-

werbebetrieb. Es fonnte faum gehofft werden , daß es dee L gebung gelingen werde, den Wünschen der Stände zu ohne der bundesgeseblichen Bereinbarung zu nahe zu treten und den Juden durch Entziehung der ihnen eingeräumten Rechte ich ‘die Mittel einer Verbesserung ihres Zustandes auf eine bevendlihe Weise zu erren, b f hst die Allerhöchste y

s erging hierauf zunä ie Allerhöchste Ordre vom 30. gust 1830 (G. S. S. 116), welhe den Zweifel, ob das Edikt as 1812 mit dem Allg. Landrecht und der Allg. Gerichtsordnung in die neuen und wiedererworbenen Provinzen eingeführt worden sei, %er- neinend dahin entschied, daß es in jenen Landestheilen hinsihtlih der Juden bei den zur Zeit der Besibnahme vorgefundenen geseßlichen Vorschriften bewende.

Die Verordnung vom 4. Juni 1830 (S. G. S: 66) regelte, theilweise den beschränkenden ständischen Anträgen folgend, vollstän- dig die Verhältnisse der Juden im Großherzogthume Posen, wojelbst bei der starken jüdischen Bevölkerung und ihrer zum großen Theil niedrigen Bildungsstufe ein dringendes Bedürfniß dazu vorlag.

; ie von den Juden ausgeübten wucherischen Bedrückungen der ländlichen Bevölkerung in der Provinz Westfalen , insbesondere in den vier paderbornschen Kreisen , wodurch der Wohlstand der Bauern auf sehr bedrohlihe Weise zerrüttet wurde, machten das Einschreiten der Gesehgebung nothwendig.

Die Allerhöchste Ordre vom 20. September 1836 (G. S. S. 248) war bestimmt, jenen Uebelständen abzuhelfen. Die- zum fünften Provinzial-Landtage versammelten westfälischen Stände be- antragten demnächst, jene Verordnung, wenigstens deren ersten Para=- graphen wegen Beschränkung der Juden im Erwerbe ländlicher Gruud= stücke ‘auf die ganze Provinz auszudehnen, ein Antrag, welcher ab- gelehnt wurde, da Thatsachen so dringender Art, wie in jenen Krei- sen, für die ganze Provinz nicht vorlagen.

Inzwischen ward ein allgemeineres Geseß vorbereitet, welches bestimmt war, in einem Theile der neu- und wiedererworbenen dále- vinzen, in welchen das Bedürfniß besonders hervortrat, die Verhält- nisse der Juden zu ordnen. i

Bei der legislativen Berathung fand der Königliche Staatsrath eine vorgängige genaue Ermittelung der faktishen Zustände in den einzelnen Landestheilen und demnächst eine Vorlage des danach ander= weit auszuarbeitenden Geseß-Entwurfs nothwendig.

Des Königs Majestät befahlen auf den Bericht des Königlichen Staatsrathes, durch Allerhöchste Ordre vom 13. Dezember 18441, daß die vorgedachte faktische Ermittelung und auf Grund derselben unter Berücksichtigung der Vorschläge und Beschlüsse des Staatrathes anderweite Erwägung erfolgen sollte.

Das Ergebniß der erfolgten Ermittelungen is unter Beifügung auh einiger anderen den Gegenstand betreffenden Uebersihten in zwei dieser Denkschrift angeshlo}enen Beilagen zusammengefaßt. Die gesammelten Materialien sind zunächst bei Berathung der Gewerbe Ordnung benußt worden. *) ;

von dem eins zu erreichenden Ziele zurückzuführen drohten. Sie beantra- gen daher die vollständige Wiederherstellung des Edikis vom 11. März 1812.

9) Die Stände der Provinz Posen glauben nach der Denk- {rift vom 5. April 1845, daß die Verordnung vom 1. Juni 1833 ihren Zweck: die Hebung der Juden vorzubereiten, bereits größtentheils erfüllt habe und es daher an der Zeit sei, auf dem Wege der -allmäligen Eman- cipation weiter fortzugehen. Zur Beseitigung der am s{merzlichsten bis- her empfundenen Uebelstände, der beschränkten Freizügigkeit und der Aus- \hließung vom Militairdiénste, beantragen sie, und zwar für den ganzen Staat, die Einführung des Edikts von 1812, nah Beseitigung aller spä- teren Zusäße. Um aber dem immer lebendiger werdenden edlen Drange eines Theils der jüdischen Bevölkerug entgegeuzukommen und mit Rüdck- sicht darauf, daß die wesentlihste Bedingung ihrer völligen Emancipation die Aufhebung ihres Separatismus sei, wünschen die Stände, daß Einzelne, welche entweder drei Jahre lang ehrenhaft im Militair gedient oder ein Gymnasium oder eine höhere Realschule besucht und daselbst ein gutes Sitten- und Moralitätszeugniß erlangt, oder wenigstens 6 Jahre lang mit jüdischem Gesinde auf eigenem Besißthum Landbau getrieben haben, oder durch übereinstimmenden Beschluß der Magistrate und Stadtverördneten für qualifizirt erachtet werden: in jeder Beziehung gleihe Rechte mit den Christen erhalten.

Endlich wird um baldigen Erlaß eines Geseßes über das jüdische Kultus- und Schulwesen zur Ausführung des §, 39 des Edikts vom 11. März 1812 gebeten.

6) Der \ächsishe Landtag hat sich nah dem Sizungsprotokoll vom 19, März 1845, mit Ausnahme von 4 Stimmiín , gegen die Anträge der städtishen Behörden zu Magdeburg, auf bürgerliche Gleichstellung der Juden mit den Christen, event, auf Revision der bisherigen Gesebgebung und Herbeiführung einer möglichsten Uebereinstimmung derselben in allen Provinzen, erklärt, weil die Juden ihrer Religion nach zu den meisten Staatsämtern nicht qualifizirt seien, insbesondere keine Eide abnehmen könnten 2c,, weil in praktischer Hinsicht die erheblichsten Bedenken entgegen- ständen, sofern namentlich diejenigen Provinzen, in welchen die Juden sich nicht niederlassen dürften, L in dieser Hinsicht weit besser befänden als die anderen, in welchen eine solche Beschränkung nicht stattfinde und die daher nichts. weniger als eine Gleichstellung der Juden mit den Christen wünschen: weil der Separatismus der Juden, welche gleichsam einen Staat im Staate bildeten, fernere Zugeständnisse unmöglich mache, weil eine solche Maß- regel die nicht O Uebersiedelung der Juden aus dem benach- bgrten Auslande zur Folge haben würde und weil endlich auch der event. Antrag eine mehrere oder mindere Gleichstellung der Juden mit den Christen herbeiführen möchte.

7) Die Stände der Provinz Westfalen halten sih nah der Denkschrist vom 5, April 1845 überzeugt, daß mit dem Steigen des Preises der Bodenerzeugnisse und durch. die Wohlthaten der paderborner Tilgungs- fasse ein Hauptgrund der Allerhöchsten Ordre vom 20. September 1836 wegen Beseitigung der in den Kreisen Paderborn, Büren, Warburg „und Höxter aus der Änsiedelung der Juden auf dem platten Lande und deren Verkehr mit den Landbewohnern bäuerlihen Standes evtsprumges Miß- verhältnisse aufgehört habe, daß ein Fortbestehen dieses Geseßes auf den Kredit und das Éhrgefühl der Juden nachtheilig wirke und nur den rist- lichen Wucherern mehr Gelegenheit zu ihrem wucherlihen Verkehr darbiete. Sie geben deshalb der Erwägung anheim, ob nit die rage ener AllersbGsten Ordre bergestalt aufgehört haben möchten, daß die Aufhebung derselben gerechtfertigt erscheine.

| 8) M Srtod s der Rheinprovinz beantragen na der Denk- schrift vom 28, März 1845 mit Rücfsicht auf die günstigen El Plat were die Verleihung gleicher politischer und bürgerlicher e tb S Unterthanen für die Juden in Frankreich, Belgien, den Medertanden un Nordamerika gehabt; mit Rüsicht ferner auf die Hemmungen, welche durch io tet ä ihrer geistigen und sittlichen ng die jeßigen Beschränkungen auf geseßliche Weise entgege ehen, und auf das christliche Gebot allge- Nächftenliebe: die definitive Aufhebung des Napoleonischen Dekrets

vot: 7. März 1808 und die Gleichstellung der Juden mit den Christen

in den bürgerlichen und politischen Rechten. *) Aus den erwähnten Beilagen entnehmen wir zunächst aus B. noch folgende Daten: , ' der am Schlusse des Jahres 1843 stattgehabten ‘betrug die Scgantgiii der im preußischen Staat vorhandenen Juden 2064 Jn den einzelnen Provinzen sind die Juden sehr ungleich v es

eit; leben nämlich in den Provinzen: E

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