1847 / 167 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

0

zitäten zur Anwendung gebracht werden. Die Juden haben vor- zugsweise Neigung zu geistigen Beschäftigungen, darum werfen sie sih beim Mangel anderer Berufsarten auf den Handel, sie wollen keine körperlihe Beschäftigung, und wenn man ihnen die geistige versagt, was sollen sie anfangen? Wenn ih also den Einwand einer niederen moralishen Stufe nicht gelten lassen kann, viel mehr dies als ein Motiv für mich ansehe, es auch für eine Forderung der Gerechtigkeit gegen die christlichen Mitbürger halte, daß ihnen politische Rechte eingeräumt werden, so frage ih : welchen Naththeil, welhen Schaden wird der Staat davon haben? Jch habe mich vergebens bemüht, derartige Nachtheile aufzufinden; es hat mr aber nicht gelingen wollen. És is gesagt worden, es würde das christlihe Element im Staate gefährdet, und die Aufrechthaltung des christlihen Elements sei in einem christlichen Staate nothwendig. Aver mir scheint es mit dem Begriffe des Staats in abstracto nicht un- umgänglich verbunden zu sein, daß seine Mitbürger zu einer bestimmten Religion gehören. Mit dem Begriffe des Staats „in abstracto““ ver- binde ih nur den Begriff des Rechts. Mit diesem Begriff is noth- wendig der Begriff der Ordnung verknüpft, Diesen Begriff der Ord- nung in seiner höchsten Potenz verlange ich in dem Gebiete der Religion und in dem der Sittlichkeit. Jn der Me gelange ih dann zu dem Glauben an Einen Gott; in der Moral zu der Monogäâmie.

Wer sich zu diesen Prinzipien bekennt, der hat auch das Recht der vollständigen Anerkennung von unserer Seite.

Wenn ich dies auf die Juden anwende, so muß ih bekennen, daß sie auf derselben sittlihen Stufe stehen, wie die Christen. Sie müssen also bei gleichen Pflichten auch gleiche Rehte in Anspruch nehmen dürfen. Eine audere Gefahr hat man darin erblickt, daß man, weil den Juden eine gewisse Beharrlichkeit in Verfolgung ihrer Zwecke eigen is, gefürchtet hat, daß die Juden die Christen aus den Aemtern verdrängen und daher bald eine zu große Anzahl von Ju=- den zum Nachtheil der Christen in den Aemtern stehen würden. Aber ich glaube nicht, daß dies ein Grund is, dem man mit Récht eine Wichtigkeit beimessen kann; ih kann nicht annehmen, daß 16 Millio- nen Christen die Koukurrenz von 200,000 Juden zu fürchten brauch- ten, Jch kann auch nicht die Besorgniß. theilen, daß unter diesen Juden so viele Kapazitäten sein werden, daß dadurch ihr Ueberfluß in den Staatsstellen herbeigeführt würde, Wäre aber unter den Juden die Kapazität in solhem Umfange vorhanden, hätten wir uns dann nicht Glück zu wünschen, daß wir eine solhe Menge von Kräf= ten nicht ferner mehr unbenußt gelassen hätten? Man hat ferner gesagt, es stände zu befürchten, daß eine Menge von polnischen Ju- den, welche jeßt in einer Provinz sind, sich dann über den ganzen Staat ergießen würden, Aber, meine Herren, wenn Sie es wirklich als einen Nachtheil betrachten, daß viele Juden an einem Orte wohnen, wollen Sie dann diesen Nachtheil auf einer einzigen Provinz lasten lassen, i} es nicht der Gerechtigkeit angemessen, daß wir sämmtlich diese Last tragen, wenu sie eine Last ist ?

(Heiterkeit und Beifall.)

Doch, meine Herren, wenn ih gesagt habe, es fehle an ein Mo- tiv, so habe ih niht außer Acht gelassen, daß es ein großes Motiv giebt, mit dem man diese Beschränkung der Juden begründen will. Das is} nämlich das allgemeine Vorurtheil, wahrlih auch der einzige Grund, welcher sich mit Recht dafür anführen läßt. Das Vorur= theil, welches uns von Kindesbeinen an eingeimpft i, was in den Schulen genährt wird, und das zu überwinden dem Erwachsenen so \chwer fällt, dieses i} es allein, was einer günstigen Lösung dieser Frage entgegensteht. Aber wenn wir es als ein Vorurtheil ansehen, folglih für ein ungerehtes Urtheil, sollten wir dann nicht Alles auf- bieten, um dieses Vorurtheil auszurotten? Der Vereinigte Landtag, dieser Vorkämpfer des Landes auf dem Gebiete des Rechtes und auf dem Gebiete des Fortschrittes, er wird auch der Führer der Nation sein in Verfolgung der Aufgabe, ohne Berüdcsihtigung von vorgefaßten Meinungen, das Wohl des gemeinsamen Vaterlandes und aller Be= wohner desselben zu ordnen. Was die Kultus= und Unterrichts=Ver- hältnisse der Juden betrifft, so gestehe ih, daß es mir für diese hohe Versammlung eine s{chwierige, beinahe ungusführbare Aufgabe- scheint, die Kultus- Angelegenheiten einer Religionsgesellschaft zu ordnen, die ihr mehr oder weniger ihrem Wesen nah unbekannt is. Man fann gewisse allgemeine Gesichtspunkte in Bezug auf die äuße= ren Kultus - Verhältnisse, so z. B. über die Bildung von kirchlichen Gemeinden, aufstellen, weil ohne dieselben eine gewisse Ordnung der Ausführung der Gemeinde - Verhältnisse sich nicht denken läßt; was aber die inneren Verhältnisse betrifft , so is es unmöglich für uns, darüber in dieser Versammlung zu entscheiden, und ih glaube, daß man diese Verhältnisse vollständig den jüdischen Glaubensgenossen überlassen müsse. Was die Unterrihts-Verhältnisse betrifft, so unterscheide ih zwischen religiösem Unterricht und zwischen dem Unterricht in den übri= en Fächern des menschlichen Wissens. Jn Bezug auf denletten Punkt miüs= fin die Juden vollständig den Christen gleichgestellt sein, sie missen das Recht haben, ihre Kinder unterrichten zu lassen, wo und wie es thnen be- liebt. Was aber den Unterricht in der Religion betrifft, so hat die Regierung nicht allein das Recht, sondern auch die Pflicht, die Ju=- den anzuhalten, daß sie Lehrer anstellen, welche befähigt sind, die jü- dische Jugend in der Moral und Religion zu unterrichten. Ja, es ist Pflicht des Staats, daß \ämmlihe Bewohner desselben son in der Jugend mit den Grundsäßen bekannt werden, welche zur Auf- rechthaltung der allgemeinen Ordnung nöthig sind. Dasselbe Juter- esse hat der Staat auch in Bezug auf die Juden, denn wenn ihnen nit richtige Grundsäße in Bezug auf die Ordnung und das, was nothwendig im Staate ist, von Jugend an eingeimpft worden, so können wir nicht überzeugt sein, daß sie später niht schädliche Tendenzen verfolgen werden. Dieser Grundsaß is aber von der Regierung bisher nicht angewendet worden, die Religionsge- sellschaften der Juden \ind a!s Privatgesellschaften betrachtet und die Anstellung der Lehrer. ihnen allein überlassen -worden. Da nun Niemand mit Bestimmtheit auf eine sichere und lebensläng- liche Anstellung rechnen fonnte, \o folgte daraus konsequent, daß sich auch Niemand die nöthigen Kenntnisse erwarb und es also an befähigten Lehrern fehlte. Außerdem haben die Gemeinden die Verbindlichkeit, die einzelnen Mitglieder derselben zu der Erreichung der Subsistenzmittel der Lehrer anzuhalten; sie werden aber von den Staatsbehörden darin nicht unterstüßt, und wie war es da- her ms, daß die jüdischen Kinder guten Unterricht bekommen fonnten? Und doch muß darauf vollständig gehalten werden. Zum Schlusse meiner Rede will ih mir noch die Bitte erlauben, daß Sie meine Herren, diese Angelegenheit mit derselben Unparteilichkeit be- handeln mögen, die bisher alle ihre Berathungen harakterisirte. Wix haben uns fern gehalten von allen lokalen und partifkularen Juteres- sen, und so kann id nur wünschen, daß es auch in Beziehung auf diese Frage geschehe, daß wir uns fern halten von vorgefaßten Mei= nungen und uns nur leiten lassen durch die Geseße der Gerechtigkeit, der allgemeinen Menscheuliebe und der Wohlfahrt der ganzen Nation. Dann, boffe ih, wird unsere Entscheidung eine günstige sein, und es wird der Moment eintreten, von dem ein gol Dichter mit fast prophetischem Worte sagte: e wird kommen eine Zeit, wo man nicht mehr davon reden wird, ob Jemand Jude oder Christ sei, und wo auch die Juden nah europäishen Gesegen leben und zu den La- sten des Staats beitragen werden,

1146 Der Geseh-Entwurf, der vorliegt,

der einen Grundsaß aus- die folgenden Paragra-

_ Abgeord. Graf Renard: enthält einen allgemeinen Paragraphen , spricht, leider jedoch mit einer Ausnahme z phen, im Gegensaße zu einem allgemeinen Grundsaße, befassen si mit den einzelnen Rehten und Pflichten der Juden. Die meisten und leßten konstituiren Judenschaften, sind rein administrativer Natur und gehören meines Erachtens gar niht in das vorliegende Geseß. Zur Beurtheilung der ganzen Juden - Angelegenheit is es dringend nothwendig, daß die Versammlung sih bestimmte Fragen vorlege und bei Beantwortung derselben sich eines Prinzips bewußt werde, von dem sie ausgehen will. Dann finden sh die einzelnen Paragraphen von selbs. Jun historischer und po!itisher Beziehung stehen nur zwei Fragen zur Erörterung, die eine i: Welche Stellung gewährte die bisherige Geseßgebung den jüdischen Unterthanen? Die zweite ist: Welche Aenderungen in ihren Verhältnissen würde der neue Geseb- Entwurf eintreten lassen, oder kürzer : Wie is es, und wie soll es werden? Was die erste Frage betrifft, so kann es unmöglich Aufgabe der hohen Versammlung sein, sich aufdie verschiedenen Juden-Ordnungen einzulassen, welche für die einzelnen Provinzen erlassen sind; ih glaube, es sind deren 18. Diese Arbeit würde eben so umfassend als nubßlos sein und zu keinem auderen Resultate führen, als die nie bezweifelte Wahrheit erhärten, daß vor allen jeder Geseßgebung Einheit Noth thut, Für unseren Zweck genügt es, die Grundlage zu erf :\sen, von welcher die frühere Geseßgebung ausgegangen is, und zu erforschen, ob der neue Gese = Entwurf auf dieser Grundlage fortbaut, wie er wollte oder wie er wenigslens sollte, Diese Grundlage findet sich in zwei Geseben, in der Städte-Ordnung vom Jahre 1808, welche den Ju- den in Beziehung auf das Stadtregiment größere Rechte gewährte, undzin dem sogenannten Juden-Edikte vom 11. März 1812, welches für alle Theile der Monarchie, wie sie im tilsiter Frieden begränzt waren, erlassen wurde. Dies Geseß war der erste großartige Schritt, die mittelalterlihe Absonderung dieses Volksstammes zu beseitigen, und wurde von der gesammten Judenschaft mit unendlichem Jubel, mit Enthusiasmus begrüßt, Durch das Geseß von 1808 wurde der Jude Stadtbürger, durch das Edikt von 1812 Staatsbürger, da ihm dieses in Bezug auf Befähigung zum Lehrstande, auf Grunderwerb, auf Gerichtsstand beinahe gleiche Rechte mit den Christen einräumt, eine \{öne, frohe Zukunft in nahe Aussicht stellend. So kommen wir zu der zweiten Frage: Beabsichtigt der vorliegende Gesez-Entwurf die gebotene Hoffnung zu verwirklichen, und welche Aenderung bezweckt er in den jüdischen Verhältnissen? Eine Haupt - Eigenthümlichkeit diejes Geseß-Entwurfs is unstreitig diese, daß er die Bahn der früheren Gesebgebung insoweit verläßt, als er die Juden in bestimmte Juden- haften absondert, Die Absicht, des Geseßes kann dabei unmöglich eine andere sein, als Hegung und Pflege des jüdischen Kultus, steht aber so in direktem Widerspruche mit jeder bürgerlichen Verschmelzung und Gleichstellung. Der Jude soll Jude bleiten in der ganzen ge- hässigen Nebeubedeutung des Wortes, und weil er Jude bleiben soll, fann er feine Ansprüche machen auf gleiche Rechte mit den Christen, So verstehe, so erkenne ih aber mein Christenthum uicht, so löst der Staat, der si so gern, so vorzugsweise einen christlichen nennt, seine Aufgabe nicht,

(Bravoruf.) :

Wenn das Geseß vou 1812 den Juden Hoffnung auf Emanci- pation gewährte, der vorliegende Geseß-Entwurf vernichtet diese Hoss- nung wieder, vernichtet ihre staatliche Geltung, vernichtet ihre An- sprüche auf Heimatsrechte, ein Recht, welches wir selbst den Verbre- chern nicht entziehen wollen, denn wir haben gegen die Deportation gestimmt. Unmittelbare Folge dieses Geseß-Entwurfes kann nur die sein, daß sich ein Staat im Staate mit gesonderten Zwecken bildet, eine jüdishe Enklave im christlichen Gemeinwesen, und eine solche kann nur Haß hegen und heckeu. Mir sind nur zwei Möglichkeiten deuk- bar: entweder die Juden sind in ihrem gesonderten Volks- und Stamm-= bewußtsein unsere Feinde, oder sie sind es niht. Wenn wir aber auch annehmen, daß die Juden unsere Feinde sind, so will ich zu unserer eigenen Chre nicht untersuchen, warum sie es sind. Allein gegen meine Feinde kenne ih nur zwei Schußbmittel : entweder ih muß meine Feinde vernichten, oder ih muß sie mir zu Freunden gewinnen,

(Lebhaftes Bravo.)

Unsere Vorältern, praktisch und energisch, wie sie waren, haben den ersteren Weg, den Weg der Vernichtung, mehrfach einzuschlagen versucht; sie haben aber ihr Ziel nicht erreicht. Von Titus dem Gütigen an, der den Juden zwar ihr Vaterland rauben, sie selbst aber niht vernichten fonute, haben auch die Bestrebungen späterer Zeit, meist von unten ausgehend, nur dazu gedient, den Haß der Unterdrückten gegen die Unterdrücker zu schärfeu, die Juden immer fester an einander zu fitten und sie dadurch zu kräftigen. Die mil- deren, weniger energischen Bestrebungen der neueren Geseßgebung, da- hin zielend,* die Juden staatlih und rechtlich zu fesseln, haben nur dazu gedient, uns selbst geldlih zu unterjohen, weil alles Dichteu, Trachten und Streben dieses von der Natur so reich bedachten Stammes nur auf den einzigen Brennpunkt, auf den Handel und den Gelderwerb, gerihtet sein founte. Jch glaube, es bedarf keiner wet- teren Gründe mehr, warum ih der Versammlung nicht vorschlagen fann, das erstere Mittel, den Weg der Vernichtung, zu ergreifen; uns bleibt das leichtere, das menshlich {chöne Mittel übrig, unsere Feinde dadurch zu besiegen, daß wir sie zu Freunden gewinnen. Eine halbe Maßregel wird jedoch nie diesen Zweck erreihen, Jedes neue Recht ist eine neue Waffe, eine vergrößerte Gefahr für uns, Der Fremd- ling kaun nur daun mein Freund werden, wenn er mir kein Fremder mehr i, wenn ih ihm die Heimat biete, nah welcher seine Seele verlangt, wenn gleiches Recht und gleiche Pflicht gleihes Jnteresse, gleiche Liebe erzeugt; ih aber bekenne, daß die Juden als solche un- sere Feinde nicht sind, unsere Feinde nicht sein können. Weun ich ihre sittliche, ihre politische und religiöse Anschauungsweise ins Auge fasse, so stellt sich mir diese Nothwendigkeit niht dar. Wie ein ge- ehrter Redner vor mir bereits erwähnt hat, is in ihrer sitt- lihen Auffassungsweise uichts enthalten, was dem Geseß der Liebe, dem Geseh der Gerechtigkeit zuwider wäre. Die Reinheit und Lauterkeit ihres Familienlebens beweist ihre sittlichen Zustände und dürfte wohl mitunter von den Christen beneidet werd

Was die politische Anschauungsweise betrifft, so scheint sie mir friedfertiger, fonservativer Natur zu seinz doch als es galt, den aus der Römerzeit her \prüchwörtlihen Muth der Juden zu “beweisen, da haben fie ihn bewiesenz sie haben mit uns gefochten, mit uns und für uns geblutet, und so finde ih nihts, was die Juden als solche zu unseren Feinden stempelte. Wenn sie aber unsere Geinde nicht sind, nicht sein können, so gesellt sich zu der Unzweckmäßigkeit des bisherigen Rechtsverhältnisses ein noch größeres Uebel, das der Un- gerechtigkeit, und so erkläre ich mich gegen jede halbe, gegen jede eingeshränkte Emancipation, gegen jede Trennung der Rechte und A der Juden von denen der Christen, ih fordere, daß die Juden zu jeder Stellung im Staate, zu jeder Erwerbthätigkeit , zu jedem Akt der Verschmelzung mit den Christen berechtigt sein sollen.

Wenn ich jedoch für eine uneingeshränkte Emancipation stimme, so sehe ih -auch ein, daß dies Berhältniß nicht einseitig sein kann; es würde eine große Jnkonsequenz darin liegen, wollten wir unserer- seits die Juden emanzipiren und ihnen ihrerseits gestatten, in der starren Jsolirtheit zu verharren, in welcher die frühere Geseßgebung sie eingezwängt; dies würde ein Privilegiren des Judenthums sein,

Die Juden müssen die Hand annehmen, die wir ihnen bieten ; sie sollen ihren Glauben behalten , aber sie sollen ihren Aberglauben, thren Jrrglauben fallen lassen.

Wenn ihr Glaube die Juden von den Christen \cheidet, so kann es fein wahrer Glaube sein; nur ein Jrrglaube muß den Menschen vom Menschen scheiden. Die Juden müssen aufhören, das Christen= thum für ein ihnen feindseliges Element, ristlihe Gebräuche für unrein zu halten. Sie müssen der ungeheuren Majorität, die sie umgiebt, insoweit nachgeben, daß sie mit uns in gleichen Formen gehen. Ein Beispiel würde dies näher erläutern. Ein Jude, der den Schabbes in der Art hei= ligen will, daß er am Sonnabend kein Geld annimmt, kann nicht verlangen , daß er zu einem Zoll - Einnehmer oder zu einem Regie- rungs= Haupt - Kassierer ernannt werde. Es bedarf keiner besonderen Pflege des Judenthums, denn es kann dem Staate nicht darauf an- fommen, Juden zu erziehen, sondern Bürger. Wenn die Juden diese Forderung der Gegenseitigkeit zurückweisen, so haben sie fein Recht, auf Emancipation Anspruch zu machen; der Jude kann nicht verlan- gen, daß der Christ ihm den Staat einräume, damit er sih darin eine Zelle ausbaue nah eigenem Belieben. Er kann nicht eine Drohne im christlihen Bienenstaate sein. ;

Sie sehen, meine Herren, ih verkenne die Uebelstände nit, welche eine sofortige gänzlihe Emancipation herbeiführen wird; aber diese Mißstände müssen mit der fortschreitenden Bildung immer mehr schwinden, und sie müssen gänzlich verschwinden, wenn der großartige Akt der Verschmelzung gelungen und vollendet dasteht, wenn wir nicht mehr Juden und Christen, sondern nur Menschen und Bürger= und Brüder sind.

(Bravo!)

Kann die Versammlung den hochherzigen Entschluß nicht fassen, glaubt die Geseßgebung nicht darauf eingehen zu fönnen, so trage ich darauf an, daß Alles beim Alten bleibe, weil die alten Uebelstände leichter zu tragen sind, als neue, und dieser neue Gefeß - Entwurf würde gewiß viele herbeiführen, ohne die alten zu verwischen, sondern diese verewigen. (Bravo!)

Abgeordn. Milde: Das geehrte Mitglied, was vor mir hier gestanden, hat in so beredter, so energischer und so eindringender Weise das Wort für diejenigen erhoben, welhe Gegenstand unserer Berathung sind, daß es mir allerdings shwer fallen wird, nah dem- jenigen, was das geehrte Mitglied ausgesprochen hat, noch irgend etwas nachzubringen, was nicht in besserer Weise bereits gesagk wäre, als ih es zu thun vermag. Das geehrte Mitglied hat nicht allein den sittlichen, den hohen moralischen Standpunkt im Auge ge- habt, sondern es hat sich auch darüber verbreitet, wie praktisch die Sache aufzufassen sei, und in dem \{chönen Bilde der Vernichtung oder Versöhnung eines Feindes hat er Alles shlagend zusammengefaßt, was maßgebend in dieser Verhandlung für uns sein am

Es ift bereits das Prinzip der Religions - und Gewissensfretheit von diesem Orte aus würdig aufgefaßt worden, und ih |chliepe mich vollkommen allem darüber Gesagten an, und wenn ih mir irgend et- was hinzuzufügen erlauben, so möchte ih dies gerade dem Bilde der Vernichtung anschließen. Jch stehe nämlich auf dem Standpunkte, daß ih vernichten will, aber nicht meinen Feind, denn die Juden sind nicht meine Feinde, sondern ich will vernichten ein Bolf, was in meinem Volke aufgehen soll; ih will das Volk, welches heute Juden heißt, zu Deutschen, zu Preußen machen z ich will, daß das gehässige Wort aufhöre, „ein preußischer Jude“, und dafür geseßt werde „ein jüdischer Preuße““, und diese Bestrebung scheint die zu sein, welche im allseitigen Juteresse Preußens und Deutschlands liegh Jh glaube denno, wollen wir von der Ansicht ausgehen, daß das Juden- thum in dem Staate aufgehen soll, den ich nicht ‘einen christlichen nennen möchte und nie nennen werde, weil ich mit jener Richtung, die diese Jdee vertritt, niht sympathisire; ich sage also, trachten wir dahin, daß das Judenthum im Staate aufgeht, so müssen wir uns klar machen: haben die bisherigen repri= mirenden Bestrebungen irgend diesen Weg gefördert, oder hat die Geseßgebung vom Jahre 1812 ein gutes Resultat gehabt, und is es an der Zeit, von dem jener Geseßgebung zum Grunde liegenden Prinzip abzuweichen? Jch bin nah dem, was von der Ministerbank gesagt is, zu einer noch festeren Ueberzeugung gebraht worden, als dies nach Durchlesung des Geseßentwurfs und der VDenkschriften be- reits geschehen, daß allerdings in dem vorliegenden Geseßentwurf eine Abweichung von jener Geseßgebung erblickt werden mußz neben einigen sehr wenigen Zugeständnissen, glaube ich, geht der voritegende Geseßentwurf von den großen Prinzipien ab, durch welche die Ge= seßgebung vom Jahre 1812 geleitet is, und ich füge meiner Ueber= zeugung in Bezug auf das, was. der Königl. Kommissar gesagt hat, hinzu, daß der Geseßentwurf, wenn seine Annahme beliebt und derselbe zum Geseß erhoben werden sollte, eine Verleßung der in der Bundesakte den Juden ertheilten Garantie selbst involvirt. Jch bin überzeugt, daß die Juden in den alten Provinzen, in denen das Geseß von 1812 Geltung hat, sich mit Reht beim Bundestage be- {weren können, daß die Bundesakte in Bezug auf sie in dem Ge= seßentwurf verleßt ist, und scheint es mir wichtig, daß wir in dieser Be- ziehung die Bundesakte nicht als ein Bündniß der Fürsten unter etn» ander, sondern als das jeßt gültige deutshe Staatenreht betrachten, und daß wir daher wohl erwägen müssen, bevor wir ein Gutachten über den Geseyßentwurf aussprechen, ob überhaupt ein solcher Geseßentwurf in dieser Beziehung mit jenem Staatenvertrage in Einklang zu bringen 1st. Was die Sache selbst betrifft, so glaube ich, daß das Prinzip der Religions= und Gewissensfreiheit eine armselige Täuschung bleiben muß, jo lange es nicht dahin gekommen ist, den Juden die vollkommene bürgerliche und polit'\{che Freiheit einzuräumen, und glaube, daß dies im eigenen Interesse liegen muß, anzunehmen und auszusprechen. Wie diese große und wichtige Angelegenheit durchgeführt werden soll, ist Sache der Verwaltung, und ih räume ein, daß nötbige Vorsichtsmaßregeln, welche das Eindringen fremder Juden, namentlich der polnischen und galizishen, verhindern, genommen werden müssen. Jch glaube, wir müssen alle diejenigen Juden, welche jeßt in unserem Vaterlande woh- nen, vollkommen berechtigen und befähigen, die Stellung einzunehmen, die sie das Recht haben, zu fordern. Gleiche Rechte, gleiche Pflich= ten sollte der Grundsaß sein, von dem wir ausgehen, und welcher allein in dieser Frage maßgebend sein darf. Ih glaube demnach und werde mein Votum dahin abgeben, daß der Geseß=-Entwurf, so wie er is, vnd wie er späterhin in einzelnen Paragraphen unserer Berathung vorliegen wird, niht möge der Krone zur Annahme em= pfohlen werden, sondern | nach S ] i von 18412 zur Erledigung im legislativen Wege und in Vereinbarung mit den Ständen gebraht werden mögen, und daß dann nichts mehr und nichts weniger als das ganze Geseß vom Jahre 1812 in der gesammten Monarchie eingeführt und die Grundgeseßgebung für die israelitishen Preußen bilden möge. Jch behalte mir vor, in diesem Sinne ein Amendement einzubringen.

Abgeordn. Werner: Es is keineswege? meine Absicht, durch eine längere Rede noch für die Emancipation der Juden hier zu sprechen, am allerwenigsten, nachdem meine imagjte Ueberzeugung mit o beredten Worten von früheren Rednern hier E ae ist.

ch will nur kurz zusammenfassen, was mich bewogen hat, eine Pe-

Erste Beilage

daß einfach die §§. 9 und 39 des Edikts -

tition bei dem Vereinigten Landtage für vollständige Emancipation der Juden einzubringeu, Es is erstens die allgemeine Menschen= psliht, es is zweitens -die Christenpfliht; warum die allgemeine Menschenpfliht es erfordert, ist ebenfalls schon genugsam erläutert worden.

Die Christenpflicht aber gebietet es um so mehr, daß wir unsere Mitbürger nicht unterdrücken, denn cines der ersten christlichen Gesebe fagt uns: Liebet eure Feinde, und es is uns auseinandergesebt worden, daß die Juden nicht einmal unsere Feinde sind; um so mehr missen wix ihuen die Bruderhand reichen, um sie gleichzustellen, nicht sowohl in allen ihren Pflichten und Lasten, als auch in allen ihren bürgerlichen Rechten, Jch habe aber auch zu der hohen Versamm- lung um desto mehr das Vertrauen, daß sie diese meine Ansichten theilen wird, da sh bis jeßt noch Niemand gegen die Emancipation ausgesprochen hat. Jch habe das Vertrauen, daß wir diese Bitte an Se, Majestät den König richten werden, unseren jüdischen Mit- bürgern vollkommene bürgerliche Freiheit zu gewähren, wie sie allen unseren anderen Mitbürgern gestattet ist, und darum fönnen wir ruhig mit der Berathung des Entwurfes vorgehen, ohne uns vorher weiter darauf einzulassen, was sich dafür oder dawider sagen läßt. Ich hege endlich noch mehr die Hoffnung, daß wir uns mit großer Majorität für die Emancipation der Juden erklären werden, da es ja die schönste Pflicht is, dem Unterdrückten beizustehen.

__ Abgeordn. Möwes: Nach den beredten Worten, die wir von Seiten eines geehrten Abgeordneten der \chlesishen Ritterschaft ge- hört haben, hätte ih mich des Wortes begeben müssen, um so mehr, als die von ihm ausgesprochenen so herrlichen Grundsäße auch die meinigen sind und ih ihnen vollständig huldige. Als Antragsteller sei es mir aber gestattet, noch meine Ansicht über die Proposition aus- sprechen zu dürfen, Unsere ständishe Thätigkeit is heute einem Gegenstande zugewendet, der unsere Aufmerksamkeit in vollem Maße in Ausprnh nimmt. 200,000 preußische Unterthanen , die gleiche Verpflichtungen mit uns christlichen Mitgliedern des Staatsverbandes zu erfüllen haben und sie auch erfüllen, die gleihe Lasten und Ab- gaben tragen, aber nicht gleiche Rechte mit uns ausüben dürfen, har=- ren mit Sehnsucht auf die Unterstüßung ihrer dringendsten Wünsche. Das ganze preußische Volk, ganz Deutschland , sieht mit Spannung auf den Ausgang dieser Verhandlungen. Ju der großen, hier oft erwähnten Zeit, in welcher zur Erhebung des preußischen Staats und zu seiner jeßigen Größe durch eine unvergleichlihe und weise Geseb- gebung der Grund gelegt wurde, hat die landesväterlihe Fürsorge auch die Verhältnisse der Juden in Preußen nicht unberücksihtigt ge- lassen, Das Edift vom 11, März 1812 erschien und erfüllte die Juden mit dem innigsten Dankgefühle gegen den erhabenen Geseßz- geber, Es erklärte sle sür Einländer und preußishe Staatsbürger, sicherte ihnen im Allgemeinen gleihe Rehte und Freiheiten wie den Christen zu, gestattete ihnen die Annahme von akademischen Lehr- und Schul-Aemtern, von Gemeinde-Aemtern , gestattete ihnen den Erwerb von Grundstücken in den Städten, wie auf dem platten Lande, stellte sie auh in allen bürgerlihen Beziehungen den Christen gleich und eröffnete ihnen selbst die Aussicht auf noch größere Berechtigungen. Die strenge Erfüllung der Unterthanenpsflichten und ihre Liebe für König und Vaterland, welche sie in den verhängnißvollen Jahren hinlänglich erwiesen, indem sie gleich den christlichen Unterthanen das Schwert ergriffen und für die Befreiung des Vaterlandes redlich mitgekämpft haben, berechtigte sie zu der Hoffnung, daß jene Ver= heißungen in Erfüllung gehen würden. Diese Hoffnung war um so größer, je mehr die Bundes=-Akte eine Verbesserung der Verhältnisse der Juden gusdrüklih versprach und ihnen mit aller Bestimmtheit die be- reits erworbenen Rechte garantirte. Dennoch aber sind seit jener Zeit diese Verheißungen nicht in Erfüllung gegangen, vielmehr sind die Berechtigungen, die ihnen in den alten Provinzen in politischen und bürgerlichen Beziehungen aus dem Edikte vom Jahre 1812 zu- standen, theilweise aufgehoben und theilweise beschränkt worden. Es ist daher natürlih, daß das Gefühl des Druds und der Hintenan- sebung in ihnen hervorgetreten is, und daß sie, w'e die Christen, sich seit Jahren bewußt gewesen sind, daß dieser Druck zu heben sei und gleiche Berechtigungen“ ihnen zugehen müßten. Diese Theilnahme aber, die den Juden in Preußen von allen Seiten bewiesen wird, ist nicht eine gewöhnliche, ste beruht auf Humanität, Billigkeit und Ge- retigfeit. Es beweisen auch alle Anträge, die früher den ver- schiedenen Provinzial - Landtags - Versammlungen zugegangen sind, daß man ihnen diese Theilnahme aus jenen Gründen schuldig ist. Auch die gegenwärtigen Petitionen enthalten vollständiges Material, um hiervon Ueberzeugung zu gewinnen. Die Abgeordneten der Stadt Berlin haben sich mit Freuden diesen Bitten angeschlossen und aus Gründen der Moral und des Rechts ausgeführt, daß den Juden ein Anspruch auf bürgerliche Gleichstellung mit den Christen zusteht. Jch enthalte mih der Wiederholung dieser Gründe, da sie sich in dem Abtheilungs - Gutachten größtentheils vorfinden. Als aber dem hohen Landtage die Allerhöchste Proposition vorgelegt wurde, die uns gegenwärtig beschäftigt, mußte man auf den ersten Blick freudig überrascht sein und zu dem Glauben kommen , daß von Seiten des Gouvernements den Bitten der jüdischen Unterthanen entgegengekom- men wäre, Eine oberflächlihe Vergleichung derselben mit dem Edikt vom 141, März 1812 überzeugte jedoch bald von dem Gegentheil. Ohne auf spezielle Erörterung der einzelnen Bestimmungen der Pro- position und der darin enthaltenen neuen Beschränkungen jeßt einzu- gehen, glaube auch ih nur auf den in derselben festgehaltenen Grund- sat der Absonderung von den cristlihen Mitbürgern , der \{werlich Anklang finden wird, hinweisen zu müssen. Eine solhe Trennung muß die nachtheiligsten Folgen haben ; sie konnte wahrlih in einer Zeit niht erwartet werden, in welcher Jedermann eine Verschmelzung aller Verschiedenheiten als dringendes Bedürfniß erachtet, eine Tren- nung, die, wenn sie zur Ausführung kommen sollte, nur alte Vorur= theile erwecken, Judenhaß und Judenverfolgung nah sich ziehen wird, Deshalb halte ih dafür, daß aus dem Entwurf nicht der Geist des Fortschrittes, sondern der des Rückschrittes hervorgeht, ein Rüschritt, der nicht ansprechen kann, wenn man auf die Länder blickt, die uns \o oft als Beispiel vorgeführt worden und in dieser Beziehung mit dem rühmlihsten Beispiel vorangegangen sind, Wenn das Gouvernement daher nit gemeint sein sollte, in irgend einer Weise den politischen bürgerlichen Verhältnissen der Ju- den die gewünschte Gleichstellung zu schaffen und ihre Ansprüche, die aus dem Edikt hervorgehen, einer weiteren Entwickelung näher zu führen, so würde ih lieber Se. Majestät den König bitten, von dem Geseß-Entwurf abzustehen und das Edikt vom Jahre 1812 in seinem ganzen Umfange, das den Juden in den alten Provinzen garantirt ist, durch die Bundesakte aufrecht zu erhalten und solches auch in allen Provinzen einzuführen, wo es noc zicht Gesebesfraft erhalten hat. Lassen Sie uns, meine Herren, unseren jüdishen Mitbürgern im Staate, die Hand reichen und ihnen in der Erfüllung ihrer heiligsten Wünsche eben so entgegenkommen, wie sie sich damals ihren christlichen Mitbürgern angeschlossen haben, als es sich darum handelte, die Freiheit des Va- terlandes zu erfämpfen, wie sie noch jeßt sih uns anschließen, wenn

1147

es darauf anfömmt , Unglück zu beseitigen und die Noth zu lindern, Lassen Sie uns nicht vergessen, daß unsere heutige Verhandlung ein Blatt in der Geschichte einnehmen wird, daß es unsere Aufgabe ist, christlihe Liebe und Duldung an den Tag zu legen, auch ein Zeug= niß zu geben von ‘der so sehr gepriesenen Jntelligenz und Aufklärung unseres Jahrhunderts. L

Abgeordn. Fürst Reuß: Meine Herren! Das is bei mir gar niht zweifelhaft, daß die Gleichstellung der Juden in den bürgerli- hen Rechten ihnen über furz oder lang zu Theil werden wird. Blif- fen Sie auf die Geschichte zurück, nud wem es da noch zweifelhaft sein sollte, von dem müßte ih vorausseben, daß er mit verbundenen Augen in den Büchern der Geschichte blättere, Sehen Sie zurüdck auf die Emancipation der Katholiken in England. Jch bin zwar weit entfernt, die fatholische Kirche mit dem Judenthum vergleichen zu wollen, aber ih glaube vollständig berechtigt zu sein, unseren Zu- stand als christlihen Staat zu vergleichen mit England, als einen protestantischen Staat, und glaube den Vergleih zu Gunsten meiner Ansicht ausführen zu können. England is vollkommen gegründet auf protestantish-kirchliche Jnstitutionen, die protestantische Hierarchie ist vertreten im Oberhause; Eide im feindlihen Sinne gegen den Ka- tholizismus verschlossen den Eintritt in das Parlament, Was hat von alle dem unser christliher Staat aufzuweisen? Meine Herren! Die Geschichte hat in mir die Ueberzeugung begründet, daß, wenn die Idee einer Freiheit einmal in die Brust ciner Nation gepflanzt ist und in derselben Wurzel geschlagen hat, keine Macht der Erde im Stande i}, sie aus derselben herauszureißen; sie wird und muß fort- wachsen, bis sie die Wolken durhbrohen hat, Daß aber die Idee, die Juden mit den Christen in allen bürgerlichen Rechten gleihzu- stellen, eine Jdee der Freiheit is, das bedarf hier wohl keiner weite- ren Ausführung, und daß diese Jdee in unserer Nation Wurzel ge- faßt hat, darüber haben wir auf den Provinzial-Landtagen vielfache Erfahrungen gemacht, wo die Emancipation der Juden fortwährend beantragt worden ist. Seit sechs Jahren is sie auf dem \hlesischen Provinzial - Landtage angeregt worden; es haben jich damals zwar nur wenige Stimmen dafür erhoben, zu deuen auch ih gehöre; die Idee ist aber seitdem gewachsen, und als ih vor wenigen Wochen mein Votum im Interesse der Juden abgab, habe ih {hon mit 158 zusammen gestimmt, Jch glaube nicht, daß Sie annehmen werden, daß diese 158 zu den Schlechteren unserer Versammlung gehören. Sie sind aus der Nation hervorgegangen, sind gewählt und gehören so gut wie ihre Gegner zum Kern der Nation. Jch bin überzeugt, daß heute, wenn die Frage zur Abstimmung kommt, noch mehr Stim- men dafür votiren werden, und sollte sie auch heute die Majorität niht gewinnen, so bin ih doch überzeugt, daß die Stimmenzahl in 4 Jahren wiederum wachsen und endlich die Majorität für sich gewinnen wird. Also über das Ob is mir fein Zweifel geblieben, aber wohl könnte das Wann und Wie zweifelhaft scheinen. Es könnte zwei- felhaft scheinen, ob wir gut daran thun, wenn wir das, was wir ge- währen wollen, ganz und gar und schon jeßt gewähren, Zuerst wird die Frage entstehen, ob wir das, was wir zu gewähren beabsichtigen, und was wir bei Sr. Majestät dem Könige befürworten wollen, als ein den Juden zustehendes Recht in Anspruch nehmen. Wüäre dies der Fall, so würde bei uns fein Zweifel mehr obwalten dürfen, dann würde {hon allein der preußishe Wahlsp:uh: Suum cuique, zu entscheiden haben. Aber ih will nicht darüber entschei= den, ob es ein Recht i, was wir verlangen, oder nicht. Allerdings haben Christen den Staat gegründet, die Juden sind erst später in ihn eingetreten, sie haben früher feine Rechte gehabt, sie waren von denselben ausgeschlossen, und also kann es scheinen, als hätten fie kein Recht, Rechte zu verlangen. Jch freilich für meinen Theil würde der Meinung sein, daß, insofern sie gleiche Pflichten haben, sie au gleihe Rehte haben müssen; aber ih will zugeben, daß Anderen dies zweifelhaft einen fann. Nehmen wir also an, daß es eine Gnade, ein Wohlwollen sei, dessen Gewährung wir beanspruchen, dann möchte ih Sie vergleihs8weise fragen: Wenn wir einem intelligenten Manne helfen wollen, daß er mit seinem Vermö- gen etwas Tüchtiges unternehme, werden wir dann wohlthun, ihm diese Mittel groschenweise zukommen zu lassen, oder werden wir ihm das, was wir thm zuwenden wollen, niht vielmehr in Kapital geben, damit er es anlegen und seinen Hausstand fest gründen könne? Jch glaube, es waltet fein Zweifel ob, daß der leßtere Weg der rihti- gere ist, Derselbe Fall liegt hier mit den Juden vor, “Wir wollen ihnen das Kapital vollkommener bürgerlicher Freiheit durch die Eman= cipation gewähren, damit sie damit wuchern, rechtschaffen und thätig wirken, sich und dem Staate Nußen bringen können. Jch glaube, wir sprechen für einen Volksstamm, der es bewiesen hat, daß er seine Kapitalien gut anzulegen und gute Zinsen davon zu ziehen versteht. Ich bitte, suchen Sie keine Jrome in meinen Worten, Wenn Manche der Meinung sind, daß gerade die Juden, die in Geldsachen ihre Kräfte so gut zu ulßen und dadurh manche Christen zu beeinträch= tigen gewußt haben, auch dieses Kapital der Rechte so nüßen wer- den, daß sie die Christen aus manchen Stellungen herausdrängen möchten, so muß ih doch dagegen anführen, daß die Eifersucht sich darauf gründet, daß wir sie bisher als Feinde angesehen haben, und daß wir daher ein gewisses Recht, ihre Thätigkeit gegen uns zu keh- ren, bei ihnen vorausseben mußten.

Wenn wir dagegen die Juden durch Gewährung gleicher bürger= licher Rechte zu den Unsrigen machen und sie in den Schoß unserer Nationalität aufnehmen, dann werden sie, was sie erwerben, nicht zu ihrem besonderen, sondern zu unser Aller Erwerb machen, ihr Erwerb wird uns Allen zu Gute kommen, Dieser Gewinn aber wird bedeu= tend sein; es wird ein Gewinn intelligenter Kräfte sein, Jch bin weit entfernt davon, meine Herren, nicht zu wünschen, daß die Juden in den Schoß der Christenheit eintreten möchten, aber ih glaube, daß der einzige Weg, den wir einschlagen können, dies Ziel zu erreichen, nur der is}, daß wir sie zu den Unsrigen machen. Nehmen wir sie zu Brüdern auf, so bin ich überzeugt und traue es der Kraft des Christenthums zu, daß es das Judenthum überwinden werde; aber die Unterdrückung, die sie bisher erfuhren, konnte sie durh anderthalb Tausend Jahre nicht zu Christen machen und wird sie auch in aber- mals tausend Jahren nicht zu Christen machen. Nur auf dem Wege bürgerlicher Gleichstellung dürfen wir hoffen, die Juden für die Wahr= heit des Christenthums zu gewinnen, die ih für fo erhaben über dem Judenthum halte, daß sie nur durch Druck und Verfolgung den Juden verdunkelt bleiben konnte.

Aus diesen Gründen entscheide ih mi für alle diejenigen Gut= achten der Abtheilung und ihre Fractionen, welche sih für vollkom- mene Gleichstellung der Juden und gegen die in der Königlichen Pro- position enthaltenen Beschränkungen aussprechen.

Abgeordn. Siebig: Meine Herren! Auch meine Ansicht über das vorliegende Geseß konnte nicht lange. zweifelhaft erscheinen, näm- lih daß in dem vorliegenden Geseh-Entwurf den Juden schon lange besessene Rehte ges{chmälert und verkümmert werden follen. Der Meinungskampf über das Maß der bürgerlichen Freiheit, welches man den Juden zu gewähren gesonnen ist, hat sich so vielfach ausgespro=-

Erste Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

hen, daß man weder auf der einen, noch guf der S»; ausfinden fann, wo die rechte Meinung legt Die Denkschrift wilhe dem vorliegenden Geseb-Entwurf beigegeben is, weist auf die Erflá- rungen der Oa der Jahre 1824 bis 1827 hin, welche ae as n ees chl bei Lib : „Die speziellen Vorschläge der aht Provinzial-Landtage in auf bie ctforberli geachteten Beschränkungen waren sehe S facher Art und zum Theil tief eingreifend in die bürgerlichen Ver- hältnisse der Juden, namentlich in Bezug auf Freizügigkeit und Gewerbebetrieb, Es fonnte faum gehofft werden, daß es der Ge- seßgebung gelingen werde, den Wünschen der Stände zu entspre- chen, ohne der bundesgeseßlihen Vereinbarung zu nahe zu treten und den Juden durhch Entziehung der ihnen eingeräumten Rechte zugleih die Mittel einer Verbesserung ihres Zustandes auf eine be- denfliche Weise zu verkürzen.““

Schon oft is von dieser Stelle jener großen Zeit gedacht wor= den, aus welcher sih alle die herrlihen Geseße herdatiren, die uns jeßt noch erfreuen; auch das Edikt vom 11, März 1812 ver- dankt seine Entstehung jener Zeit, und die Juden nennen es ihre magna charla, Die Bundes-Akte enthält Folgendes, was ih mir gleichfalls erlaube Jhnen vorzulesen :

„Lie Bundesversammlung wird in Berathung ziehen, wie auf eine möglichst übereinstimmende Weise die bürgerliche Verbesserung der Bekenner des jüdischen Glaubens in Deutschland zu bewirken sei, und wie insonderheit denselben der Genuß der bürgerlihen Rechte gegen die Uebernahme aller Bürgerpflihhten in den Bundesstaaten verschafft und gesichert werden könne. Jedoch werden den Be=- fennern diejes Glaubens bis dahin die denselben von den einzelnen Bundesstaaten bereits eingeräumten Rechte erhalten.“

Hält man nun die Städte-Ordnung vom Jahre 1808, das Edikt von 1812 und diesen Paragraphen des Bundesgeseßes zusammen, so muß man eingestehen, daß die Rechte, welche hier in diesen Geseßes= stellen allegirt sind, den Juden nicht mehr entzogen werden können. Die Stände-Versammlung hat es als eine ihrer höchsten und heilig= sten Pflichten erkannt, dem preußischen Volke die Rechte zu wahren, die es besaß; es is daher auch ihre Pflicht, den jüdishen Untertha=- nen des preußischen Staats die Rechte zu wahren, die sie bisher be=- sessen, denn auch die Juden bilden einen Theil des preußischen Volkes. Will man über den Meinungskampf ein richtiges Urtheil fällen, so muß man den örtlichen Standpunkt auf kurze Zeit verlassen und si auf einen erhabeneren Standpunkt stellen. Schon oft is von hier aus auf jene praftischen Staats-Einrichtungen von England, Frank= reih und Nord = Amerika hingewiesen worden; in jenen Ländern be- sißen schon seit langen Jahren die Juden alle bürgerlichen Rechte, und es wird dort Niemand nach seiner Religion, sondern nux nach sei= nem Verhalten gefragt. Lassen Sie uns daher dem Beispiele jener großen Völker auch in der Art folgen, lassen Sie den Juden alle die Rechte genießen, die sie vermöge ihrer Pflichten und ihrer Stellung im Staate zu genießen würdig sind. Ich glaube, daß nur aus Vor= urtheil eine Beschränkung dex Juden hervorgehen kann’; diese Vorur- theile müssen endlich shwinden, und ih glaube, wir können um o unbesorgter daran gehen, wenn wir uns vorbehalten und sagen: die Juden jollen gleiche Rechte mit uns genießen, \o lange Tie fi ch derselben würdig zeigen! Dann glaube ih, sind alle Besorg- uisse gehoben, daß die Juden die Christen jemals überflügeln könnten. Jch schließe mich daher niht nur in allen Punkten dem vortrefflichen Gutachten der Abtheilung an, sondern glaube auch, die hohe Versamm= lung werde es als einen Aft der Toleranz vor ganz Europa ausspre= chen: daß der Druck der Juden aufgehört und sie bei gleichen Pflich- ten auch gleihe Rechte mit ihren christlichen Mitbürgern in Preußen

haben A

Abgeordn. Neumann: Meine Herren! Es hat sich bis jeßt noch keine Stimme gegen die Gleichstellung der Juden vernehmen lassen, und ich kann mich daher wohl überheben, weiter auf die Gründe für die Emancipation der Juden einzugehen, und erlaube mir, nur auf die eíne besondere Ansicht aufmerksam zu machen, die viel= leiht noch nicht die allgemeine Berücksichtigung gefunden hat. Wenn man vou der Emancipation der Juden spricht, so denkt man an den einzelnen Akt der Geseßgebung, durch welchen dieselben alle politi- hen und bürgerlichen Rechte erhalten sollen, Dieser Ansicht kann ih mihch uiht anschließen; ih bin vielmehr der Meinung, daß die Emancipation der Juden bereits in der vollständigsten Entwickelung begriffen ist und es besonders darauf ankommt, sie einem angemessenen Ziele zuzuführen, Es kann nicht bezweifelt werden, daß die Juden sih bereits von si selbst emanzipirt haben, Sie haben die isolirte Stellung, in der sie sih früher befanden, aufgegeben, sie sind aus der ausschließlihen Gemeinschaft mit ihren Glaubensgenossen herausge=- treten, und so weit uicht Religions-Verhältnisse in Frage sind, legt ihre Religion ihnen kein Hinderniß in den Weg, sih den weltlichen Verhältuissen hinzugeben, mithin auch gute Staatsbürger zu werden. Daher is es denn gekommen, daß sih die Juden, an ihren christ- lihen Mitbürgern gegenüber, wenigstens dem gebildeten Theile der=- selben, ebenfalls emanzipirt haben. Die Scheidewand, die zwischen Juden und Christen bestanden hat, is in Hinsicht auf den gebildeten Theil der Christen längst gefallen, und es handelt sich also nur noch um eine Emancipation dem Staate gegenüber, und da der oberste Zweck des Staats in Erstrebung einer möglichst vollständigen Hu= mauität besteht, so sollte man glauben, daß dieser Theil keinen erheblichen Schwierigkeiten unterliegen könne. Gleichwohl finden wir fast überall das Gegentheil, und der vorliegende Geseß-Entwurf beweist dasselbe. Jch glaube diesem Geseß- Entwurf entgegenstellen zu können, daß er den früheren Druck gegen die Juden erneuert, daß er die Scheidung zwischen Christen und Juden auf ewige Zeiten hin- aus fortseßt und den Juden Rechte entzieht, die sie nah der frühe- ren Geseßgebung bereits gehabt haben. Was den Druck gegen die Juden betrifft, so wird man damit einverstanden sein, daß derselbe in früheren Jahrhunderten materiell härter war, aber je weiter die Ci- vilisation fortgeschritten ist, um so mehr muß er den Juden mora- lisch fühlbar sein. Die Scheidung von ihren christlichen Mitbürgern wird dadurch festgestellt, daß man nur den Judenschaften eigene Rechte der christlihen Bürger - oder Staatsgemeinde gegenüber einräumen will, nicht aber den einzelnen Juden, wie bereits in dem Avtheilungs- Gutachten ausgeführt worden.

G wird a A B. der Jude, der in früherer Zeit als Stadt« verordneter in Gemeinschaft mit den übrigen Stadtverordneten die Stadtgemeinde vertreten hat, von jeßt ab nur die Judenschast in der Stadtgemeinde vertreten. Daß der Entwurf den Juden endlich Rechte entzieht, ist bereits ausführlih von hier aus entwidelt worden. Jch erlaube mir noch darauf aufmerksam zu machen, daß der Entwurf zwar den Juden gestattet, ihren Unterhalt l zu erwerben, und ihnen in dieser Beziehung gleiche Freiheit gewährt, wie den Christen; daß er ihnen aber gerade die Theilnahme an dem - höheren Staatsleben entzieht, dies ist es, was den gebildeten Theil der Juden am meisten

verleßen muß. Jh kann mich daher nur dafür aussprechen, auf