1847 / 167 p. 5 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

' dem Gefühl allgemeiner Menschenliebe gro

Marschall: Das Amendement geht im Wesentlichen dahin, aus dem §. 1 die Worte: „so weit das Geseß nicht ein An- deres bestimmt“, wegzulassen. Jh will demselben nicht etwa den Vorwurf machen, daß es vorgreifend wäre; denn es ist ganz allge- meiner Art und bezieht si auf ein Prinzip des Gesebes ; deshalb wird es aber in diesem Augenblick nicht zur Berathung fommen fön- nen, sondern wird in Erwägung gezogen werden missen, sobald die Einzelnheiten des Entwurfes durchgegangen sein werden.

Staats-Minister von Thile: Jch habe unker den vielen Red- nern, die in der heutigen Versammlung gesprochen haben, nicht eine Stimme gehört, die sich für das Prinzip des vorgelegten Geseßes ausgesprochen hätte. Jh will gleih im voraus aussprechen, daß ich die Gefühle, von denen die sämmtlichen Herren Reduer ausgegangen, von denen sie durchdrungen sind, in hohem Maße achte und ehre, und daß ic, wenn ih nicht glaubte, daß sie auf einer falschen Basis der Beurtheilung ständen, dieselben vollkommen theilen würde. Jch muß aber bemerken, daß ihr Gesichtspunkt ein solcher ist, der sich uach meiner Ueberzeugung mit dem nicht verträgt, von dem das Geseß hat ausgehen müssen. Jh habe viel gehört, es dürfe feine Feindschaft gegen die Juden mehr stattfinden, man müßte die Kapazitäten achten und hervorheben, die sich unter -ihnen finden, und sie Zum Nußen der Staats-Administration verwenden;z die Zeit sei vorbei, wo die Juden unterdrückt waren, und es dürfe davon nicht mehr die Rede sein. Von alle dem ist auch nah meiner Ueberzeugung bei der vorliegenden Frage durchaus nicht die Rede z ich weiß wohl, daß Feindschaft, Ver- achtung, Dru und Hohn in Fülle über die Juden ausgegossen wor- den sind und noch immer ausgegossen werden. Wenn aber von der Tendenz des vorliegenden Geseß= Entwurfs die Rede is, so treffen diesen alle diese Vorwürfe nicht mit einem Hauche. Jch bitte um die Erlaubniß, von meiner Person einen Augenblick sprechen zu dürfen. Jch habe meine Jugend in der damaligen Provinz Süd - Preußen verlebt und die Juden in großer Masse daselbst kennen gelernt; ich erkannte ihre Vorzüge {hon damals troß meiner Jugend und habe

oft gefunden, daß sie in Méßigkeit, in Nüchternheit, in Betriebsam- feit und in Ernst bei ihren Arbeiten über der christlichen Bevölkerung standen, unter der sie lebten, und habe nur innig bedauern können, daß der christlide Bauer ihnen in diesen ausgezeichneten Eigenschaften oft so weit nachstand. :

__ Alles, was heute über die Juden gesagt worden ist, geht von einem an sih {önen treffflihen Humanitäts-Prinzipe aus: die Ge- seßgebung aber durfte von diesem bloßen Humanitäts-Prinzipe nicht je fonnte nur davon ausgehen, daß die Humanität in keinem Punkte des Gesebes verleßt würde; sie hatte aber daneben eine andere hohe Verpflichtung, nämlich die, die Rechte des christlichen Stagtes zu wahren.

__ Ich habe zwar auch heute gehört, man wolle, wo die Rede vom Staate sei, vom Christenthume, überhaupt von Religion, nichts hü-= renz aber einer der geehrten Abgeordneten hat dies auf eine Weise bezeichnet, der ich vollkommen beipflichte, indem er gesagt : das Chri- stenthum soll nicht in dem Staat, es soll über dem Staat bestehen und ihn regieren. Dem schließe ih mi ÿ vollkommen an,

Mit diesem Sinn, in welchem auch der Geseß-Entwurf vorge- legt worden, halte ich es für unverträglich, den Juden obrigkeitliche Rechte beizulegen. Sie würden daun berufen sein, eine vom christlichen Geiste durhwehte Geseßgebung entweder fördern oder verwalten zu helfen, und Beides müßte gegen ihr Gewissen sein, insofern sie sich von dem Christenthume sondern, von diesem christlichen Geiste nichts wissen und guf ihrem alttestamentlichen Glaubens=Standpunkte stehen bleiben wollen. Es scheint mir, daß wenigstens den Herren Mitglie- dern der hohen Versammlung, welche ih heute gehört habe, es noh nit zur vollen Klarheit gekommen ist, warum die Juden, nach acht- zehn Jahrhunderten, heute immer noch ein abgesondertes Volk sind. Das Räthsel ist dieses, daß ihre Religion, ihr Glaube mit ihrer Na- tionalität in einer solchen untrennbaren Weise verwachsen sind, wie es bei feinem anderen Volke der Erde der Fall ist, Es fann feine südische Nation geben ohne mosaishe Religion, und es fann feine mosaische Gesebgebung geben, als für Juden oder die ganz Juden werden, Der geehrte und beredte Redner von der Ritterschaft der Provinz Schlesien hat, nah meiner Ueberzeugung, hier dem Nagel völlig auf den Kopf getroffen, und ich pflichte ihm insofern gänzlich bei, als er sagte, er stimme für völlige Emancipa= tion, aber unter der Bedingung, daß die Juden ihr separates und separirendes Geseß aufgeben. Wenn dieses Problem gelöst werden kaun und gelöst wird, dann bin ich der erste, welcher für völlige Eman- cipation stimmt. Jh fürchte aber sehr, wenn der geehrte Redner mit dieser Proposition den Juden entgegentreten wollte, sie würden ihm antworten: Dafür danken wir, wir wollen Juden bleiben, und wir wollen, weil wir an unserem Gesebe festhalten, auch die Separation von jeder anderen Nationalität festhalten Die uns unser Geseß vorschreibt. Und weil sie dies festhalten wollen, darum fann die Geseßgebung nicht so weit gehen, ihnen alle Schranken zu lösen und unsererseits zu eröffnen. Wenn ih in Konstantinopel geboren wäre, aber in christlicher Religion erzo= gen und meiner Religion treu anhinge (wie ih mit großer Hochach= tung anerkenne, daß die Juden es thun), wenn ich dort geboren wäre und dort lebte, so würde ih mich bürgerlich vielleicht recht wohl befinden können; ih würde aber die Türken einer großen Thorheit E, wenn sie mih zu einem obrigfeitlihen Amte in ihrem Reiche E aen, wodurch mir die Hände geöffnet würden, Alles zu Wesen wh Mt damit das türkfishe Unwesen in thristliches bie Suden De, In einem ähnlichen : Verhältnisse stehen setgebung mit an Sollten sie in unsere Administration und Ge- santinoßel, und O so würde Aa ihnen gehen, wie mir in Kon- winschen bäfen. e, meine Herren, daß wir das doch nicht

h will nur noch eines Punktes erwähnen. Es is von dex Press

f ? nen. he L iben Meilen und von dem Cinslusse, den jüdische Sthristiteller in

erje! üben, Jh schreibe diesen Einfluß keineswegs ci indse-

ligkeit zu, aber ih muß ihn d 06 femeege Guer S M fi i fein V em Umstande zuschreiben, daß der Jude

1 ür si ). tem aterland haben fann, als das, worauf ihn sein Glaube hinweist, Zion ist das Vaterland des Juden Jeder Jude, der ein gläubiger Jude ist denn von solchen, die weder an Christum, noch an Mosen und die Propheten glauben ist hier nicht die Rede also jeder Jude, der an seine Religion glaubt ‘hat dort ein Vaterland, von dem er seinen Blick nie wegwendet, Er fann unter anderen Nationen wohl ein gehorsamer Unterthan sein, er fann den Zuständen, in denen er lebt, aus eigenen Juteressen ‘oder aus

efüh fe Opfer bringen, er wird aber nie ein Deutscher, nie ein Preuße werden, weil er ein Jude bleiben muß. Diejenigen Juden, die sich so vielfa in der Presse geltend machen, können nicht anders, als entweder das Judenthum oder den Kosmopolitismns predigen. Jh weiß sehr wohl, daß es eine s Menge solcher Kosmopoliten, namentlich unter den moder- nen Juden, giebt, Dies aber gerade weist uns hin auf die Lüe, die ihr Glaube ihnen läßt : Es Fehlt ihnen das Vaterland. Jch wie=- derhole, die Juden können nicht Preußen, niht Deutsche sein vom

Grund der Seele, Sie fönnen es aus einer Art von Gewohnheit zu sein wähnen; aber in der Wahrheit müssen sie entweder ihren Glauben oder ihr vermeintes Vaterland aufgeben !

(Mehrfach : Bravo !)

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_ Abgeordn. von Raven: Jh bitte ums Wort|, um eine per- sönliche Bemerkung zu machen, da ih glaube, daß ih der bin, den Se. Excellenz gemeint haben. Jch bin nicht richtig verstanden wor- den, Wenn ich freie Ausbildung wünschte, so meinte ih damit, daß der Aberglaube bekämp}t werden solle, dem wir es vielfach zuzuschrei=- ben haben, wenn die Juden in dem Sinne, wie wix es bedauern müssen, Juden bleiben. Jh habe Vertranen zu der göttlichen Sen- dung Christi und glaube, daß dasselbe keines Schubes bedarf. Wenn wir das Judenthum frei kämpfen lassen, wenn wir eine Einsicht in den Fortbau ihrer Religion bekommen, wenn wir ihnen freie Jnstitu- tionen geben, so wird das Resultat uur ein solches sein, wie wir für das Vaterland es nur wünschen können,

Was die Presse anlangt, so muß ich mi jeßt bescheiden, mir meine Meinung bis zur Berathung darüber vorbehaltend. Von mei nem Standpunkt eaus würde ih glauben müssen, daß ih nur anneh men fann, der Jude hält das für sein Vaterland, wo er geboren ist. Dies haben die Juden \o oft {on bewiesen, sie haben für das Va- terland im Kriege und Frieden gekämpft, und wenn sie vielleicht nicht so gehandelt haben, wie wir wünschen, so glaube ih, daß eben der auf ihnen lasteude Druck die Ursache davon ist.

: Staats-Minister von Thile: Um ein Mißverständniß aufzu- flären, erlaube ih mir die Bemerkung, daß ih den geehrten Abge ordneten niht gemeint habe, sondern es war der Graf von Renard, welcher die Aeußerung gemacht hat, auf die ih mich bezog.

Abgeordn. Camphausen: Endlich haben wir eine Stimme gegen die Emancipation, und zwar eine kräftige vernommen, wenn- gleich sie sich mehrerer Argumente bedient hat, die allerdings im Saale feinen rechten Anklang finden mochten, :

M E __(Ja! Nein!) :

Der Minister hat ein Argument aufgenommen, welches der Ab- geordnete aus Posen gebrauchte, den Saß nämlich, daß das Christen- thum über dem Staate stehez er folgert aus diesem Saße, daß das Christenthum mit allen seinen Elementen das Staatsleben durchdrin- gen müsse. Jch babe jenen Saß_nur so verstanden, daß das Christen- thum höher stehe als der Staat, daß es sein eigenes Reich haben miisse, so wie der Staat seinen eigenen Bereich hat. Der Herr Mi- nister findet die Gewährung größerer Rechte bedenklich, weil die Ju- den ihre eigenen Religionsgebräuche behalten und an einem Buche balten wollen, welhes doch auch den Christen heilig sein soll, und welches von den verehrten Rednern heilig gehalten wird, näm- lich an dem alten Testamente. Jh mache besonders hierauf aufmerksam, in Bezug auf den Vergleihh mit Konstantinopel, welchem ich entgegenstelle, daß doch eine erhebliche Verwandtschaft zwischen unserer Religion und einer solchen besteht, welche einen wesentlichen Theil unserer heiligen Bücher auch für sich anerkennt. Von denjenigen Argumenten, von denen ich geglaubt habe , daß sie feinen Anklang in der Versammlung finden würden, hebe ih vorzüg- lich dasjenige hervor, daß der Jude kein Preuße, fein Deutscher sein fönne. Es i} mir dieser Ausspruh von Seiten des Herrn Mini sters unerwartet gewesey, nachdem uns wenige Minuten vorher das Zeugniß eines preußischen Offiziers vorgelegt worden is, wie ein Jude im Dienste des Vaterlandes den Tod fand. Die ganze Argumentation des Herru Ministers führt auf den Saß zurück, den auch der Herr Landtags- Kommissar in seiner einleitenden Rede geltend machte, auf den Saß nämlich, daß der preußische Staat ein christlicher sein und bleiben wolle, und daß es zu vermeiden sei, nichtchristlichen Unter- thanen obrigfeitliche Aemter einzuräumen. Schon mehrere Redner haben diesen Sah bestritten, namentlich is von einem verehrten Redner der Ritterschaft aus Pommern darauf hingewiesen worden, daß in der Bezeichnung christlicher Staat“ ein Widerspruch mit dem Be- griffe des Staates in sich liege. e

Nach meinem Dafürhalten ist der Begriff des christlichen Staa- tes weniger im Kreise praktischer Staatsmänner, veranlaßt durch wirk- liche Erfahrungen und Bedürfnisse, entstanden , als ich darin eine vielleiht mit äußeren Ursachen zusammenhängende Entdeckung unserer neuen Staats-Philosophie erkenne. Der Plab, auf dem ich stehe, macht keinen Anspruch , ein Lehrstuhl der Philosophie zu sein, noch Philosophen zu tragen. Jch darf daher ohne Scheu gestehen, daß es mir nicht gelingen wollte, mir diese große Entdeckung völlig zu ei- gen zu machen,

Ein großer Dichter hakt gesagt, daß es viele Dinge zwischen Himmel und Erde gebe wovon si unsere Philosophie nichts träu- men lasse; ih möchte hinzufügen , daß auch unsere Philosophie sich viele Dinge träumen läßt, die mancher Wachende niht wahrzunehmen vermag.

(Heiterkeit.)

Manche Dinge habe ih hingegen allerdings wahrgenommen, und ih bitte um die Erlaubniß, einige davon aufzählen zu dürfen, Jh habe wahrgenommen , daß Jahrhunderte lang in Europa ein furcht- barer Kampf gekämpft wurde, um das Rechtsgebiet des Staats von dem Rechtsgebiete der Kirche zu trennen. Jch nehme wahr, daß zwar in Rußland, in der Türkei und in China, aber nicht in einem ger- manischeu Staate die kirchliche und weltlihe Gewalt sih in einer Hand vereinigt finden. Jh nehme wahr, daß der Begriff der Staats- Religion in der neueren Zeit immer mehr eingeschränkt wird. Jch nehme wahr, daß Großbritanien niemals ein anglifanisch - christliher Staat genannt wurde, daß aber die politische Unmündigkeit der Katholiken Großbritanien mit Erschütterung bedroht hätte, wenn uicht die Emancipation der Katholiken beschlossen worden wäre. Ich habe nicht wahrgenommen , doß die Niederlande und Frankreich, welche die Emancipation der Juden vollzogen haben, sih dur diesen Um- stand so von uns unterscheiden, daß sie aufgehört haben sollten, christlihe Staaten zu sein, während wir ein christlicher Staat ge- blieben wären,

(Beifall)

Jch habe endlich wahrgenommen, daß die Existenz des preußi- hen Staates an den Grundsaß geknüpft ist, daß verschiedenen Kon- fessionen die gleiche politische Berechtigung zustehe, und daß die Mo- narchie gefährdet wäre, wenn dieser Grundsaß nachhaltig und we- sentlich verlassen werden sollte. N

(Lauter Beifall.) ;

Aus diesen Wahrnehmungen bin ich zu dem vielleicht niht phi- losophischen Schlusse gelangt, daß, insofern wir wirklich unter die Kategorie des ristlihen Staats fallen, diese Kategorie uns nicht hindern könne, den Juden die politischen Rechte einzuräumen. Da- für, daß es geschehe, sind Jhnen viele Gründe vorgetragen worden. Sie werden deren noch andere zu hören haben; ih wünsche nur, auf einige Eigenschaften der Juden hinzuweisen, welche ihnen vorzugsweise in unserem Staate das Wort reden oder das Wort reden sollten. Beispiellos in der Geschichte is die Beharrlichkeit der Juden in ihrem religiösen Glauben, die Erhaltung der Einheit ihres Glaubens troß ihrer Zerstreuung über alle Länder der Erde; und diese Eigenschaft wird von unserer jeßigen Regierung in anderen Fällen ungemein hoch geachtet. Beispiellos is} die Anhänglichkeit der Juden an die Sitten und Gebräuche ihrer Väter, ihre Ehrfurcht vor der älterlichen Ge- walt und vor den Familien-Pflichten ; sie tragen in dieser Beziehung ein fonservatives Element in sich, was in anderen Fällen von unse- rer Regierung ungemein hochgeachtet wird. Besonders aber sind die Juden ausgezeichnet durh gewisse Fähigkeiten, welche sich bei ihnen in größerem Verhältnisse als hei der Gristlichen Bevölkerung finden,

Nicht zu erwähnen, was die Juden in Poesie, Literatur und Musik geleistet haben, is es offenbar, daß sie ein finanzielles Talent be-

siben, i ___ŒGelädter,)

Allerdings tritt dasselbe nah unten auf eine häufig widerwärtige

Weise hervor, y (Stimmen: Ja! Ja!)

höher hinauf hat es glänzende Erfolge erzielt, und, durh den Adel der Gesinnung erhöht, würde es mit Nuten für den Dienst des Staates verwendet werden fönnen. Es ist ferner unverkennbar, daß die Juden eine große Verstandesschärfe, und zwar, daß sie praktischen Verstand besißen. Auch hier gebe ih zu, daß diese Eigenschaft in den unteren Schichten auf eine den Christen unbequeme Weise wirkt, höher hinauf sehen wir sie in den Erfolgen der Juden bei fommer- ziellen und industriellen Unternehmungen; noch höher finden wir sie wieder in der Reihe unserer berühmten Lehrer der Rechtskunde, der Philosophie und der Mathematik. Blicke ih nun um mich in unse- rem Staate, so kann ih den großen Ueberfluß an geistigen und na- mentlich praktischen Fähigkeiten nicht entdecken, der uns veranlassen fönnte, den Kreis, worin diese Fähigkeiten zu suchen sind, zu beschrän fen oder zu verengen, Es scheint mix vielmehr ein Mangel an JFâ= higfeiten vorzuliegen, welcher die Erweiterung dieses Kreises noth- wendig macht. Hüten wir uns, meine Herren, vor der Vorstellung, schon ein geehrter Redner vor mir warnte davor, daß die Zulässig= feit und die Zulassung eines und dasselbe seien. Es giebt gar viele

\ Christen, welche zulässig sind und doch nicht zugelassen werden; nicht

jeder Lieutenant wird Feldmarschall, aber er fann es werden; nicht jeder Referendar wird Minister, aber er kann es werden. Daß dem gesinnungstüchtigen Genie die Bahn erschlossen werde, das ijt es, was ih begehre, und was ih für die Juden auch deshalb noch in Auspruch nehme, weil so manches Blatt uujerer Geschichte von Ju- denverfolgungen einen dunklen Flecken trägt, den ich weggewisht zu sehen mich sehne. (Mehrseitiger Beifallruf.)

Abgeord. Lensing: Meine Herren! Durch die Sorge des Vorstandes der israelitischen Gemeinde zu Köln ist mein Referat, was ih am siebenten rheinischen Provinzial-Landtage im Namen seines ersten Ausschusses iber die bürgerliche und politische Gleich- stellung der Juden mit den übrigen Bewohnern des Staats vorge tragen habe, in Jhre sämmtlichen Hände gekommen, Jch kann mich daher der Mühe überheben, die darin niedergelegten Ansichten näher zu entwieln, und zwar um so mehr, weil sie den in verschiedenen jebt gehörten Vorträgen enthaltenen Jdeen sehr häufig begegnen, Jch hatte meinen damaligen Vortrag gestüßt auf historische, auf staats- und -naturrechtliche und auf aus der Praxis herfließende Gründe ; vor Allem aber guf deu Hauptgrundsaß des Christenthums, welcher befiehlt, alle Menschen ohne Unterschied, mithin auch ohne Unter= schied des Glaubens und der religiösen Ueberzeugung, als Brüder zu lieben. Jch hatte daraus gefolgert, daß der Staat, welcher diesen Grundsaß als seine Grundlage anerkennt, namentlich : de f G riftli e Staat, vor Allem die Verpflichtung habe, diesen Grundsaß ins Leben treten zu lassen, die Jdee zur That werden zu lassen. Jch muß es betheuern, meine Herren, daß die Ansichten und Grundsäbe, welche ih damals ausgesprochen habe, noch die meinigen sind, und daß meine fortgeseßte Wahrnehmung über die Folgen der Anwen- dung dieser Grundsäße bei Nachbarvölkern, wo die Gleichheit des Rechts auch den Juden in jeder Beziehung zu Theil wird, mich nux bestärkt haben in diesen Grundsäßen durch die erfreulichen Crfolge, welche ich davon auch für den gemeinen Nuten des Staats gesehen habe. Der Weg der Wahrheit und des Rechts hat sich also auch hier als der sicherste zur Erreichung des Staatswohles gezeigt, VDie- sem nach, meine Herren, sei es mir wohl erlaubt, meine Bitte, welche ich an den siebenten rheinischen Provinzial-Landtag gestellt habe, vou dieser hohen Versammlung, welche berufen ist, die sämmtlichen Staats= bürger ohne Unterschied des Glaubens zu vertreten, zu wiederholen : nämlich, daß Sie dahin wirken mögen, daß eine Rechts-Ungleichheit zwischen den Juden und deu übrigen Bewohnern des Staats in jeder Beziehung aufhören möge. x

Abgeordn. Mevissen: Meine Herren! Wenn ih es wage, uach so viel beredten Worten, die für die völlige Gleichstellung der Juden heute von dieser Rednerbühne ertönt, auch meine Stimme noch dafür zu erheben, so geschieht es, weil ich in einem Punkte von manchem der Redner, die gesprochen haben, wesentlich abweiche. Manche Redner haben die Gleichstellung der Juden um der Juden halber verlangt, ih will aber vorzugsweise diese Gleichstellung um der Christen halber, ih wünsche von einem anderen Standpunkte aus, daß wir Christen befreit werden von der Schuld, die die Vergangen-=- heit auf uns übertragen, von der Sünde womit mir dur den fort= geseßten Druck der fortdauernden Ungerechtigkeit der Gegenwart uns belasten. Jch fordere, daß der deutsche, der christlihe Geist endlich n seiner vollen Reinheit und Wahrheit zur Erscheinung komme, Meine Herren! Wenn ih den Blick zurücwerfe in die Geschichte und nach den Gründen forshe, weshalb der jüdische Stamm das Prinzip der Trennung und Absonderung so vorwiegend in sih aus= gebildet, weshalb er sich seit nahe 2000 Jahren unversehrt und un- vermischt inmitten der ristlihen Völker Curopa’s erhalten hat, #o fann ih niht den von der Ministerbank her gehörten Ansichten bei- stimmen, welhe dahin gehen, das mosaishe Geseß enthalte die Grundlage dieser Trennung. Ich finde den tiefen Grund dieser mit Recht auffallenden nationalen Zähigkeit und Widerstandskraft vielmehr in dem unnatürlichen, widerrechtlichen Zwange, der Jahr hunderte lang auf diesem Volke gelastet hat. Nachdem Jahrhunderte lang die Juden gezwungen waren, verachtet, entwürdigt, vereinzelt und zersplittert unter den Christen zu leben, wäre es ein Wunder, wenn in diesen Juden nicht der Geist des Hasses, der Trennung und Feindschaft gegen diese Christen sich ausgebildet haben sollte? Er hat sich aber ausgebildet, er hat sich in solchem Grade ausgebildet, daß er im Laufe der Geschichte dem hristlihen Elemente vielfach gefähr= lich geworden ist, daß er ihm heute, wo das erhöhte Rehtsbewußtsein mehr als je gegen jeden Dru, jede Knechtschaft streitet, gefährlicher noch als früher zu werden droht. :

Forschen wir danach, auf welches Gebiet geistiger und materieller Thätigkeit der Druck des Christenthums das Judenthum eingeengt hat, so sehen wir zunächst, daß ein Gebiet niht genommen worden, weil es niht geuommen werden konnte; dies is das Gebiet des Gei-= stes, der geistigen Freiheit, der geistigen Forschung. Auf dies unein-= nehmbare, feiner menschlichen Willkür unterworfene, innere Gebiet waren die Juden sowohl dur eigene Neigung, wie dur fremde Einwirkung hingedrängt , und es sind auf diesem Gebiete eine Reihe der edelsten Geister aus diesem fleinen Stamme, der auf der ganzen Erde zersplittert dasteht, hervorgegangen. Kaum ein Gebiet des Wissens giebt es, auf welchem wir nicht Juden begegnen, welche un- bestritten den größten Namen beizuzählen sein werden. Können wir uns die deutsche Philosophie ohne Baruch Spinoza, fönnen wir uns die Be- strebungen auf dem Gebiete der Humanität am Schlusse des vorigen A huuderts ohne Moses Mendelsfohn denken? Und is} nicht mit allen Be- strebungen der Gegenwart der jüdische Geist mit tausend Adern ver- wachsen? Wenn wir anerkennen müssen, daß im Laufe der Geschichte

Zweite Beilage

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dieses kleine Volk den Acker des Geistes so wadcker gepflügt, wenn es, im Verhältniß zu seiner geringen Zahl, ‘die roßartigsten Erfolge er- rungen hat, so haben wir Grund, diese EisSeitnia zum Theil in der Natur = Anlage, vornehmlich aber darin zu suchen, daß man ihm die Gebiete des staatlihen Wirkens versperrt hat, Bei dieser Hinneigung für das geistige Schaffen und Forschen hat sich des Judeuthums durch den Druck, den es empfunden, ein Geist des Hasses, des bitteren Spottes bemächtigt, welcher namentli in neuester Zeit seine meisten Ergüsse durchdringt und auf die Anschauungsweise der Gegenwart äßend und vergiftend einwirkt. Sehen wir uns um in der Geschichte der Literatur der leßten 30 Jahre, so finden wir mehr und mehr die Journalistik ín den Händen der Juden; wir finden, daß die Literatur der Verzweiflung, die Literatur des Weltschmerzes vorzugsweise durch die Juden unter uns si ausgebildet hat. Wer könnte heute unter uns behaupten, daß er von diesem nothwendigen Ausflusse des von bitterem Haß gewürzten jüdischen Geistes unberührt geblieben sei, daß er uichts von diesem Geiste des Spottes und der Verwirrung in sich aufgenommen habe? Jenes negirende Element würde auf den deutschen Geist nicht so ibermächtig eingedrungen, die Nation würde freier davon geblieben sein, weun nicht der Druck der Vergangenheit noch fortdauernd auf dem Geschlecht der Juden lastete,. Jch frage nun, is es mehr im Juteresse der Christen, mehr im Juteresse des deutschen Volkes oder mehr im Juteresse des jüdischen Stammes ge- boten, daß jener unselige Zustand vershwinde? Neben der Domaine des Geistes, die den Juden nicht zu nehmen war, hat ihnen das Christenthum noch eine andere materielle Domaine gelassen, welche einige Redner vor mir son hervorgehoben haben, die Domaine des Handels, der Finanzen, Auch auf diesem Gebiete hat das Judenthum sich siegreich erwiesen, auh da hat es das Christenthum weit überholt, und wider Willen ist heute mancher stolze Christ genöthigt, dem mächtigen Ein- flusse des Judenthums auf dem Geldmarft volle Gerechtigkeit wider- fahren, zu lassen. Die einseitige Ausbildung der geistigen und mate- riellen Fähigkeiten der Juden is gar nicht denkbar ohne den christli- hen Druck; nur dieser Druck hat ihre Nationalität ungeschwächt er

halten. Ein solcher Zustand aber, der zum Schaden Aller den Geist der Jronie und des Spottes ausgebildet, der einen Theil des Volkes von dem anderen trennt, ein solcher Zustand, der mitten in der deut- schen Nationalität einen fremden Stamm selbstständig hinstellt, ist ein trauriger, ein unheilbringender Zustand. Der hier vorliegende Geseb- Entwurf strebt jenen Zustand zu einem bleibenden zu machen, welcher zum Heil unseres Staats nicht länger fortdauern darf. Wir Alle haben das größte Juteresse daran, daß die nationale Einheit in un

serem Vaterlande eine vollkommene werde, daß alle Trennung und Sonderung verschwinde; diese Trennung and Sonderung fanu aber nux daun verschwinden, wenn gleiche Rechte und gleiche Pflichten allen Staatsbürgeru zu Theil geworden sind, wenn das Bewußtsein der Freiheit und Rechtsgleichheit in Allen die Liebe zum Vaterlande begründet und erhält. Wir verlangen von dem Judenthum und müs- sen es vou ihm verlangen, daß es preußisch, daß es deutsch werde ; wir können nicht zugeben, daß der Jude von dem Vaterland sich aus\chließe , daß er sich nicht als unser gleichberechtigter Mitbürger, sondern als ein verachteter, rehtloser Fremdling betrachte; wir fön- nen, wir dürfen es nicht in unserem eigenen Interesse. Damit der unter uns lebende Jude prenßisch werde, damit er unserem Staate mit Leib und Seele angehöre, müssen wir ihm die Rechte, die der Men}\ch in dem Juden reklamirt, die Rechte, die er als das unver=- äußerlihe Eigenthum seiner menschlichen Natux fordert, gewähren. Lassen Sie uns darthun durch unser Votum, daß in unserer Nation die Bildung hoch genug gestiegen ist, um den christlihen Geist in höherer Weise zu begreifen, als zu jener Zeit, wo er in fonfesjionel- ler Starrheit feindlich sih gegen Andersgläubige stemmtez lassen Sie uns darthun, daß der cchristlihe Geist der Licbe und Gerechtigkeit ge- gen Alle wahrhaft in uns ist, daß wir diesem christlichen Geiste die Macht zutrauen, auch die Andersgläubigen unter uns mit wahrhaft hrist- liher Liebe, mit christlicher Gerechtigkeit zu erfüllen, daß wir ihm die Macht zutrauen, im ganzen Gebiete des Staatslebens sich gel- tend zu machen, weil er Geist vom Geiste, weil er die Wahrheit ist, der der Sieg nicht genommen werden fann,

Meine Herren! Der denkt nicht groß von dem Christenthum, der da glaubt, daß es möglich gewesen wäre, daß der christliche Geist 48 Jahrhunderte lang auf das Judenthum hätte einwirken können, obne in das Junere des Judenthums eingedrungen zu sein. Das heißt, meine Herren, an dem cchristlichen Geist, an der Wahrheit ver zweifeln. Jch theile diesen Glauben, diese Furcht nicht! Mögen im mosaischen Gesebe einzelne Lehrsäte da sein, die nicht mit dem Christenthum übereinstimmen, sv glaube ih, daß sie ihrem Wesen nach längst aus dem Bewußtsein der Gegenwart entscwunden find; ih glaube, daß die Gegenwart, bewußt und unbewußt, in allen

Gliedern, sei ihre Konfession welche sie wolle, von dem Geiste des Christenthums durchdrungen is. Jch bitte Sie, geben Sie dem Votum für völlige Gleichstellung der Juden Jhre Zustimmung und beweisen Sie dadurch, daß das Christenthum zu einem höheren Be- griffe seiner selbst gekommen ist, daß der cchristliche Geist von den Banden des Vorurtheils sich befreit hat.

Abgeordn. Frhr. von Mylius: Meine Herren! Jh fühle allerdings, daß ich einen schwierigen Standpunkt hier einzunehmen habe, indem ih zu den wenigen Rednern geb öre, die heute hier ge sprochen haben, um si gegen eine politische Emancipation der Ju- den zu erklären. Zunächst habe ich aber hinsichtlich des Standpunktes, den ih einnehme, zu sagen, daß es allerdings nicht der religiöse ist,

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denn wenn auch die Religion etwas Hohes und Heiliges meiner gau zen Ueberzeugung und Gesinnung nach ist, so bin ih doch der Au- sicht, daß gerade der religiöse Gesichtspunkt überall da, wenn es sich von einer politischen Frage handelt, ferngehalten werden müsse, ein- mal, weil es wahr is, daß in des Menschen Juneres kein ershafener Geist schaut, da das menschliche Gemüth Tiefen hat, die micht offen gelegt werden können, dann auch, weil ih glaube, daß gerade unter der religiösen Hülle das Schlimmste von allen Uebeln ruhen kann, die Heuchelei, die bewußte sowohl, wie die unbewußte, ein Uebel, welches dem Staate, in dem es keimt, verderblich werden muß. Die- ses Hineinmischen des religiösen Gesichtspunktes in eine politische Frage glaube ih daher vermeiden zu müssen. Mit dem Judenthum hat es indessen wesentli eine andere Bewandtniß, und hier kann ich mich der Ansicht anschließen, welhe vou Seiten des Herrn Schaß- Ministers vor mir ausgesprochen is, und der ih nur eine andere Fassung zu geben wünsche. /

Es is nämlich die Ansicht, daß das Judenthum selb auch ein bedeutendes nationales Element habe, welhes sich in der gegenwär=- tigen E der Juden und des jüdischen Wesens dahin ausdrücken muß, daß es das religiöse bedeutend überwiegt.

___ Diese Behauptung hat eine zwiefahe Seite, die erste ist die rein negative, daß das Judenthum in seiner Weise, wie es vorliegt, eben. etwas Anderes is, als eine Religion. Un- ter Religion verstehen- wir eine Gemeinschaft des Glaubens; ohne Gemeinschaft des Glaubens is eine Religion nicht denkbar, Sie wer-

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den mir vielleiht erwiedern, daß eine absolute Gemeinschaft des Glaubens uirgends existiren fönne, selbst innerhalb des Christenthums nicht existire und vielleicht nie existirt habe. Das is wahr, aber dennoch is bei allen Religionen, die es jemals gegeben hat, ein ge- wisser gemeinschaftlicher Typus, eine gemeinschaftliche Form, in wel= her die einzelne Ueberzeugung des Judividuums si wieder selbst= ständig bewegen fann. So ist es für das Christenthum gewiß rich- tig, daß eine große Verschiedenheit der Auffassung existiren mag zwischen den Katholiken, den Protestanten und zwischen denjenigen, die zu einer noch größeren Freiheit in ihrer ristlihen Ansicht stre- ben. Aber doch gehen bei dieser verschiedenen Auffassung alle von einem gemeinschaftlichen Streben aus, die Höhepunkte der christ- lichen Moral zu erreichen , welche der Stifter der christlihen Re=- ligion angedeutet und bezeichnet hat.

Von einer solchen Gemeinschaft des Glaubens is in dem Juden- thum nicht die Rede und kaun auch nicht die Rede sein. Das liegt {hon in der Verbreitung des ganzen Wesens durch die ganze Weit, die in dem Zeitraume von fast 1800 Jahren stattgefunden hat. Wenn nun also der erste Theil meiner Behauptung einen negativen Theil in sih {loß , nämlich, daß das religiöse Moment hinsichtlich des Judenthums nicht vorhanden sei, \o hat die Behauptung einen an- deren positiven Theil, nämlich den, daß das National-Element für dasselbe maßgebend und bestimmend sei. Hinsichtlich der Begründung diejes Sabes kann man sich nur auf historishe Thatsachen beziehen ; diese liegen aber vor, und es ist dadurh schon die Zähigkeit und Festigkeit hinreichend nachgewiesen, daß in allen Ländern, in allen Zeiten, durch alle Jahrhunderte hindur, überall wo das jüdische Element auch bekämpft worden is, vou Einflüssen aller Art, es doch n'cht hat aufhören können, es sich erhalten hat, so daß wir also aú- nehmen missen, daß seine Natur durch das Festhalten anu dieser Na tionalität bestehe. Es is bereits von einigen Rednern hierauf ge- sagt worden, diese Thatsachen haben ihre Ürsachen darin, daß die Juden früher immer verfolgt seien und auch noch in manchen Län- dern verfolgt würden. Wir wissen aber, daß cs der Verfolgten und Verfolger zu allen Zeiten und überall gegeben hat ; ih brauche nicht an den Glaubensfampf innerhalb des deutschen Vaterlandes zu erin- nern, an das Blut, was geflossen is in anderen Ländern, in fast allen Ländern Europa's, was geflossen is auch außerhalb Europas, auch jeuseit des Weltmeers. Wir haben gesehen, das Christen und Nicht= risten, daß Christen verschiedener Gemeinshaften um des Glaubens willen sich verfolgt und bekämpft haben; wir haben aber auch immer gesehen, daß aus allen nationalen Verfolgungen sich doch immer ein höheres, ein reineres, ein staaätliches Verhältniß in einer freieren sitt- lichen Auffassung entwickelt hat. An die Möglichkeit einer solchen Entwickelung kann ih, den Thatsachen rücsichtlih des Judenthums gegenüber, nicht glauben, und ich muß daber den Gesichtspunkt für gerechtfertigt erklären, welchen das Gese darin angenommen hat, indem es die Möglichkeit einer Emancipation mit politischen Rechten nicht auffommen läßt, wenn auch in dem Gesebe selbst sich mehrere audere Bedenken ergeben mögen, die zu prüfen und vorzutragen \pâ- ter 6 der Berathung der einzelnen Paragraphen an der Zeit Fein wird.

Jch habe jeßt nur noch auf einen Einwand zurückzukommen, welcher gegen die von mir aufgestellte Ansicht geltend gemacht ist, und welcher dahin geht, daß das Beispiel von anderen Nationen nicht maßgebend sei, daß nämlich es sich herausgestellt habe, daß die Gleichstellung der Juden, wie sie in Frankreich und England statt- gehabt hat, ohne Nachtheil für den Staat gewesen ist. Daß sie aber dem Staate nicht gefährlih sein konnte, lag jedo in anderen Ursachen, Keinesweges kann man von dem reinen praktischen Resul- tate, wie es jeßt vorliegt, die Richtigkeit der Theorie bestreiten, die wir aus dem inneren Wesen, den Thatsachen selbst entwickeln müssen. Man wird aber auch jagen: Führt man die Emancipation ein, sto wird man die Juden zu Staatsbürgern bilden, Es wird eine kurze Zeit vergehen, so werden sie Staatsbürger sein. Hierauf is} zu er- wiedern: Es kann nicht des Staats würdig sein, daß er eine Er- ziehungs - Anstalt werde, in welche er diejenigen aufnimmt, welche grundsäßlich ihm widerstreben, es fann nicht des Staates würdig sein, daß er politische Justitutionen gründe, an welchen die Juden ihr jüdisches Vorurtheil abschleifen und abnuben sollen, Daun aber sage ih auch \ließlich, daß es niht wahr, daß die Emancipation, wie sie in Frankreich statthat, bereits eine solche Entwickelung des Ju- denthums in der Ausdehnung, wie sie angedeutet ist, zur Folge ge habt hat, und ih erlaube mir, an die historischen Thatsachen zu er- innern, welche in Frankreich gerade für das Gegentheil zu sprechen scheinen. Es war, wenn ich nicht irre, im Jahre 1842, als der De putirten- Kammer ein Geseßz-Vorschlag vorlag, welcher auf Abkürzung der Arbeitszeit in den Fabriken gerichtet war. Jn diesem Geseße war vorgesehen, day als Ruhetag für alle Arbeiter der Sonn tag gelten sollte. Bei Gelegenheit der Diskussion dieses Ge- setzes war ein Amendement aufgestellt, dahin gehend, daß für die christlichen Arbeiter der Sonntag, für die jüdischen dagegen der Sab- bath der geseßliche Ruhetag sein sollte. Welches Schicksal dieses Amendement damals gehabt hat, kann ich nicht sagen, ih weiß nur, daß es aufgestellt und disfutirt worden is. Daraus, daß es aufge- stellt und diskutirt worden, folgt aber gerade, daß, troß der Eman- cipation und troß aller Gleichstellung, nah einer Reihe von Jahren in dem Parlamente Frankreichs die Meinung sich geltend machen fonnte, daß ein jüdischer Feiertag existiren müsse, uud diese That- sache halte ih denen gegenüber, welche sagen: man hraucht die Juden nur zu emanzipiren, um sie sofort zu Staatsbürgern zu machen. Jn- sofern in dem vorliegenden Geseb - Entwurf daher die vollständige Emancipation, d. h. eine Verleihung der politischen Rechte, den Ju- den verweigert wird, kam ih mich den Grundsäßen desselben nur anschließen.

Abgeordu, Frhr, von Vincke: Jch kann dem leßten Redner nicht beitreten, Es haben si über den Gegenstand so viele vortress- liche Redner vernehmen lassen, wie vergleichungsweise an einem und demselben Morgen noch nicht vorgekommen is. Es wird mix daher nur gestattet sein, an einige allgemeine Grundsäße zu erinnern, und da muß ih darauf zurückkommen, was ih als den eigentlichen Kern der Verhandlung von den Vertretern des Gouvernements aussprechen gehört habe, auf den Begriff des christlihen Staates. Es geht mir, wie mehreren anderen Rednern, daß ih nämlich troy der eifrig- sten Forschungen und des gewissenhaftesten Nachdenkens mir nicht habe flar machen können, was unter einem christlihen Staat zu verstehen

sei. Jch glaube das Christenthum sehr hoh zu stellen; aber der Be-

griff der eligion kann doch nur auf der inneren individuellen Ueber= zeugung beruhen. Der Staat aber is ein Komplexus von Judivi- duen, welcher als solcher feine allgemeine Ueberzeugung haben kaun. Jnsofern daher der Staat eine moralische Person darstellt, so fann ih mir nicht denken, daß derselbe als solcher eine bestimmte Religion haben könne. Wie man also von einem Staate sagen könne, es is ein christliher Staat, ist mix nicht erklärlih. Der Staat wird doch auch nit die Bestimmung haben sollen, die Glaubenssähe einer be-

verdammen.

Zweite Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeituzrg.

Freitag den 18! Juni.

stimmten Konfession zu realisiren gewissermaßen der Exekutor der

Kirche zu sein.

Vielleicht hat diese Darstellung in einem anderen

Sinne genommen werden sollen; man will vielleicht sagen, als St hat er in der Geseßgebung die Prinzipien zu tealisre die Ls m

christlichen Moral hervorgehen, denn die Glaubens

äße selbs kann er

nicht realisirea. Aber auch iu dieser Beziehung kann ih mir ni denken, daß der Staat sih als Exekutor der Kirche zu ite aube

Wenn es sich darum zu realisiren, so_muß ih gestehen, daß ih die Benennung eines christ- lichen Staats für den ir

Grundsäße unseres Staates mit dem neuen Testamente vergleichen. Jch könnte zwar au den zehn Geboten beginnen. sollst nicht tödten“, während der Herr Schaß=-Mini

handelt, die Grundsäße der hristlihên Moral

‘igen bestreiten muß. Jch will nur die ch bei dem alten Testamente anfangen und mit Die zehn Gebote sagen hon: „Du

fer, den auch die

Armee in ihren Reihen zu zählen das Glü hat, gewiß nicht b2ab-

sichtigen wird, in sttre1

\{chwören; eure Rede Uebel“. Wir haben

Es steht ferner im neuen Testament :

iger Anwendung jener Grundsäße den Krieg zu „„ Du sollst nicht sei ja, ja, nein, neín; was darüber ist, ist vom jedoch noch in einer der lebten Sibßungen, wo

wir mit dem Geseß-Entwurf wegen der Einkommensteuer beschäftigt

waren, erfahren, da

ß sogar neue Eide eingeführt werden sollten,

Eide, mit denen die dringende Besorgniß des Meineides verbunden ist, weil von deren Ableistung oder Nichtableistung die Besteuerung abhingz also

während eine Allerh Staate einführt, kan

öchste Proposition noch neue Eide in unserem n man doch nicht von einem christlichen Staate

reden, welcher den Saß nicht beachtet : „Du soll uicht s{chwören.““ Es ist ferner, das Gebot des Christenthums : „liebet eure Feinde“ und: „wenn dir Jemand einen Batenstreich giebt, so halte ihm die andere Bake auch hin ‘‘; wie wollen wir aber mit diesem Grundsaße

die Gesetzgebung über die Jnjurien in Einklang bringen.

Viele Pa=

ragraphen des Landrechts müßten ausgetilgt werden, wenn sie in

Einklang mit jenem Grundsaße gebracht werden sollen.

man in der auswärt

Wie will igen Politik mit dem Gebote der Feindesliebe

es vereinigen, Verträge gegen auswärtige Mächte zu ließen?

Ach glaube, wen unen ihre Handlungen wenn wir namentlich

n wir unsere Ministerien alle durhmuistern, so kön- diesem Standpunkte gegenüber nicht bestehen ; auf das Schabministerium übergehen, o können

wir es im Sinne des Christenthums nicht gerechtfertigt finden, daß

Schäbe gesammelt w

erden, denn das Christenthum gebietet uns, ir=

dische Güter gering zu achten, und es heit in der Bibel, daß es eher anzunehmen ist, daß ein Kameel durch das Nadelöhr gehen wird,

als daß der Reichè i

Meine Ansicht i

n das Reich Gottes kommt. A st die, daß der Staat nicht dazu bestimmt ift,

die christlichen Moraivorschristen zu realisiren, und deshalb ift auch

tie Ansicht, daß wir

iu einem christlichen Staate leben, falsch.

Ein Redner sagte: Staat und Kirche dürfen niht vermischt

werden, weil die K

fung, der auch der L

irhe über dem Staate stehe. Dieser Bemer= err Schaßzminister beitrat, chließe ih mich an.

Das Reich der Kirche is im Himmel und das, des Staats auf Erden. Die Religion is bestimmt, uns für den Himmel zu erziehen

und die Regeln vor

zuzeichnen, die wir auf unseren irdischen Wegen

zu beachten haben, um als Bürger des Reiches Gottes in den Him=-

mel einzugehen. D

ger dieses bestimmten

er Staat stellt die Regeln auf, die wir als Bür= Staatsverbandes befolgen sollen. Wenn

daher der Herr Minister gesagt hat, daß die Kirche über dem Staate

mel über der Erde die Erde zu bauen so werde ih mir d sagte dieser, soll üb gieren, oder, was Kirche sein.

Jch bin ferner Recht ankommt, un um derentwillen die

den wegen seiner in thaten des Staatsv zu behaupten, daß de

den Atheismus profl glaubt, nicht zum leisten kann , weil nicht au ei dem irdischen Leben

Ct r 0Y Ct p Jn einer frühe

vernichten.

entgegenständez sie

\chriften sind im W

Ich kann also aus ihnen gebührenden der vor mir sprach

Jch glaube fe das Judeuthum, 2 zen, das Judenthum so

nicht nach die in jenen Bei

den Juden eigen, ih namentli ihr

auf Erden zu realisiren. anerfenné ' Staat von christlichen Eleménten durchweht wäre, ih finde sogar viel Unchristlihes in unserer Geseßgebung.

genen Denkschrift, die ich vorhin einsah, findet sih zwar der des Alten Testamentes: Aber ich meine, daß dies Gebet eine geschichtliche Be- ziehung hat auf die damalige Zeit, und ih glaube, daß wir keine Ursache haben, jeßt deshalb \

feinen Religions - Grundsaß der Juden, der den unsrigen durchaus

nicht gewähren könnten, hat mi dur ben, wie früher angeführt wurde, in dem praktische Erfahrungen darüber;

¿ wenn d gedacht S lesin Beispielen, sondern nah dem Gewicht der That-

Jch komme auf die

stehen soll, so stimme ih dem bei, aus dem Grunde, weil der Him-

steht; wenn ih aber nah Grundsäßen suche, um oder die Verwaltung des Staates zu regeln, iese nie vom Monde holen. Der Minister hat

auch die Bemerkung des Redners nur theilweise augeführtz die Kirche,

er dem Staate stehen, aber ste soll ihn nit re= gleich is, der Staat soll nicht der Exekutor der

Die Kirche steht auch viel zu hoch, um ihr Reich schon

Jch kann also nit anerkennen, daß unser

der Ansicht, daß es auh hier vor Allem auf das

d daß die Beachtung der Grundsäbe des Rechts, Meuschen zuerst si veranlaßt sahen, aus dem

Zustande der Rohheit in den civilisirten Zustand überzugehen und zu Staaten zusammenzutreten, die Befugniß uns nicht ertheilt, Jeman=

neren Ueberzeugung von dem Genusse der Wohl= erbandes auszuschließen. Jch bin weit entfernt,

A

r Staat und die Religion nicht in Wechselverbindung

stehen, und daß es nicht Religions - Grundsäße gebe, die der Staat verdammen müsse, und in Bezug auf welche er staatsbürgerliche Rechte zu versagen genöthigt set.

Es kaun sich z. B. eine Sekte bilden, die amirt, und ih würde Jemanden, der an keinen Gott Staatsbürgerrecht zulassen, da er feinen Eid er an den Rächer des Eides nicht glaubt, oder

niht mit gleicher Aufopferung in das Feld ziehen fann, weil er 1 anderes Leben glaubt,

also ganz andere Begriffe von hat. Aber solche Bedenken fönnen hier nit in

Anwendung kommen. : j G Die jüdische Religion enthält feine Vorschriften, welche die Ju= den verhinderte, eben so gute Staatsbürger zu sein als wir Christen.

ren wahrscheinlich von der Ministerbank ausgegan= pruch Jehovah! wir bitten dich, unsere Feinde zu

onderlich furchtsam zu sein. Jh kenne

glauben an Gott wie wir, sie haben sogar eines

unserer heiligen Bücher mit uns gemein, und ihre moralischen Vor-

esentlichen dieselben, wie die, denen wir pie

namentli wenn wix uns auf den Standpunkt unserer Landesge}ebe stellen, so legt ihnen ihre Religion dieselben Pflichten auf, wie uns,

der Religion keinen Grund entnehmen, ihnen die Rechte zu versagenz darin war auch der Redner,

, mit mir einverstanden. E rner nicht, daß uns die Nationalität der Juden,

lnlaß geben könnte, ihnen diese Rechte zu verkür=-

und die Ansicht, die der Redner vor mir ausgesprochen hat, daß

) F ¿, daß wir den Juden politische Rechte béschaffen se Bett nicht überzeugt. Wir ha= Beispiele anderer Staaten es is namentlich der Niederlande aher der Redner vor mir sagte, daß man

scheiden habe, so verstehe ih das nicht; ih finde eben sachen zu en B i die Thatsachen, welhe wir zu beachten haben.

Fehler zurück, die uns von mehreren Seiten, als hervorgehoben wurden, und zu diesen zähle e Habsucht, die sehr häufig Linen \hmußzigen