1847 / 169 p. 7 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

dafür sind , daß eine Einmischung der Regierung stattfinden müsse. Es is von den Gegnern angeführt worden, bei keiner ähnlihen Ver- bindung von Christen finde eine Einmischung der Regierung statt ; es handelt si) aber hier von Kirchengemeinden , nicht von bürgerli= chen Gemeinden , und bei Kirchengemeinden leitet , so weit mir be= Fannt, dergleihen Verhandlungen der Pastor. (Einige Stimmen: Nein!) i Allerdings leitet bei den Presbyterien in der Provinz Sachsen der Pastor die diesfälligen Verhandlungen. ; (Mehrere Stimmen durch einander: Nein! Ja!)

Was ih gesagt, kann ih von meiner Provinz mit Bestimmtheit be- haupten; wenn in anderen Provinzen der Pastor die Verhandlungen nicht leitet, sondern der Patron, so kann ih dem nicht widersprechen z aber ih glaube dann, daß dieses im vorliegenden Falle ganz gleich-

ültig. Bei den Synagogen-Gemeinden giebt es feinen Pastor, auch einen Patron, wer tritt also dann ein? die Regierung.

Eine Stimme: Der Rabbiner, 9 Abgeordn, von Meding: I glaube, daß auch selbst für

; ; Judenschaften in größeren Städten, die nah ihrer aeiflden Iniellizenz bl im Stande wären, unter sich Personen zu Eiben d7e dem Wahlgeschäft mit Erfolg vorstehen könnten, es von diesen Judenschaften selbst gewünscht werden wird, daß die Wahl dur einen Kommissar der Regierung geleitet werde, und zwar des- wegen, weil anerkannter und notorischerweise gerade in der jebigen Zeit in den Kultus-Angelegenheiten unter den Juden verschiedene Par- teien stattfinden, die sich unter einander bekämpfen und sehr von ein-= ander abweihen. Das ist namentlih, wie die Herren Deputirten von Berlin bestätigen werden, au hier ín Berlin der Fall, uud ich glaube erade, daß der hiesigen Judenschaft, so wenig ich ihr die Fähigkeit absprechen will, einen Kommissar unter sih zu stellen, ein wesentliher Dienst damit geleistet wird, wenn ein Kommissar des Gouvernements für ihre Wahlen bestellt wird,

Referent Sperling: Zur Berichtigung bemerke ih, daß mir von mehreren Vorstehern der Judenschaft gerade das Gegentheil er- flärt worden is, daß sie gerade eine Zurücksebung darin sinden, was eben als von ihnen gewünscht angegeben wird.

(Ruf zur Abstimmung.)

Abgeordn. von Auerswald: Jch kann mir auf keine Weise denken, daß in Körperschaften, die auf zweckmäßige und angemessene Weise in gehörigem Umfange von den Königlichen Regierungen ge- bildet sind, unter einer Klasse von Leuten, die, wie die Juden im Allgemeinen, gescheidt und praktisch sind, uicht ein einziges geeignetes Individuum finden sollte, um eine Wahl zu leiten; sollte dies aber wirklih in seltenen Fällen eintreten, so glaube ih, daß die Unan- nehmlichkeit, die Schwierigkeit, der Nachtheil, der daraus entstehen könnte, in gar feinem Verhältniß stände mit dem nachtheiligen und mit Recht nachtheiligen Eindrucke, den eine solche allgemeine Maß- regel machen müßte, die eine ganze Klasse von Stagtsbürgern in ein so“ exceptionelles Verhältniß verweist. Wenn von einem Abgeordne= ten aus Sachsen gesagt wurde, daß der Pastor immer in den Ver- sammlungen der Kirchenvorsteher den Vorsiß führe, so glaube ich, ist das nur in der Beziehüng richtig, als er zugleih Mitglied des Kir= cenvorstandes ist, also als erster Kirchenvorsteher und uicht in der Eigenschaft als Geistlicher, in welcher ihm der geehrte Herr gewisser=- maßen das Amt eines Regierungs-Kommissars für diese Fälle vindi-

ziren wollte.

(Zahlreicher lauter Ruf zur Abstimmung.)

Abgeordn, Graf von Sauxrma: Jch wollte mix exlauben, zu §. 9 noch den Anhang vorzuschlagen, daß diejenigen Vorstands-Mit- glieder, welhe nach dem Loose ausgeschieden sind, auch wieder ge= wählt werden dürfen.

Marschall: Wir sprehen aber jeßt über einen ganz anderen Gegenstand, nämlich darüber, ob ein Regierungs-Kommissar der Wahl vorstehen soll.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh will nur dem Abgeord=- neten aus der Mark Brandenburg, der zugleich dieser Provinz vor- steht, gegenüber bemerken, daß er mir für den Paragraphen zu spre- chen schien, während er sih dagegen erklärt hat, eben weil in Mitt- des Judenthums große Meinungs=-Verschiedenheit herrsht, weil das- selbe sih in einer Entwicelung befindet welhe die Gegensäße s{harf gegenüberstellt, darum meine ih, daß es nicht im Juteresse der Re- gierung liegt, Partei zu nehmen, darum wünsche ich, daß kein Kom- missar der Regierung Theil daran nehme.

(Von allen Seiten wird „Abstimmung““ gerufen.)

Abgeordn. von der Heydt: Es ist von mehreren Rednern ge- äußert worden, daß der Wunsch der Juden sei, daß eine Regierungs- Kommissson zur Berathung bei den Synagogen-Bereinen abgeordnet werde, Jch glaube, daß Niemand in dieser Versammlung das Man- dat hat, als Organ der Juden deren Wünsche vorzutragen, Es scheint mir, daß wir uns nur an das Prinzip zu halten haben, von dem der Entwurf ausgeht.

Marschall: So wollen wir denn zur Abstimmung fommen. Die Frage i die: „Sollen die Worte: „Das Wahlge\chäft wird durch einen Abgeordneten der Regierung geleitet“, wegfallen?“ Wer für den Wegfall if, beliebe aufzustehen.

(Dies geschieht.) Mir scheint der Antrag die Mehrheit nicht zu haben. (Mehrere Stimmen: „Ja wohl! Ja wohl !‘“)

Nun #o will ih die Herren Ordner bitten , zu zählen.

E (Geschieht.)

Vas Resultat der Abstimmung is folgendes :

Zür ja haben sich erklärt 204

A für nein » » O Die Worte bleiben also stehen. ls 5. I ein Unhens 9 on P Aurma? Ih trage darauf an, daß

E C ges de X : Die Nuä\chei- denden ub wieber s werde, des Junhalts: „Die Ausschei

Landtags=Kommissar: Jh will hierauf nur bemerken daß, wenn niht das Gegentheil im ; j O es Befugniß pon selbst versteht. Geseß angeordnet is, sih diese

arschall: Der Zweifel wird g ier ‘Tedi bétcidtén A f so hiernach als erledigt zu

Referent Sperling (lies:

¡e Ÿ: 10, Die Wahlen der Vorstehe? unterliegen der Genehmi der Regierung, wélche die ganze Mirhaneit des Vorstandes ta beauf ben hat und befugt ist, einzelne Mitglieder wegen vorsäßlicher

Pslichtwidrigkeit oder wiederholter Dienstvernachlässigungen durch Be- {luß zu entlassen. ““

Es versteht sich wohl von selbs, daß diese Entlassung nur nah vorgängiger Untersuchung und unter Vorbehalt des Rekurses. statt- finden fann. Daher wird es auch wohl kein Bedenken haben , dieses noch ausdrücklih hinzuzufügen.

Gutachten zu §. 10,

Da die Repräsentanten gegen die Synagogen-Gemeinde eine bedeutungsvolle Stelle einnehmen, indem fie diesel e ohne Rücksprache mit ihr in allen, auch den wichtigsten Angelegenheiten, dem BVor- stande gegenüber vertreten, es also im Jnteresse der Gemeinde liegt, daß dazu nur vorwurfsfreie Männer gewählt werden, außer- dem es aber auch nit selten vorkommen dürfte, daß der Vorstand

1178

ín äußeren Angelegenheiten der Gemeinde, bei denen [er die Re- präsentanten züziehen muß, die Legitimation derselben zu führen

hätte, so fand die Abtheilung es zweckmäßig, daß deren Wahl der.

Genehmigung der Regierung ebenfalls unterworfen werde, und schlägt dieselbe vor , in der ersten Zeile hinter „Vorsteher einzu- \chalten: „und der Repräfentanten. ‘“ t 2

Marschall: Der Antrag der Abtheilung geht dahin, in der ersten Zeile noch einzuschalten : „und der Repräsentanten.“

Abgeordn. Möw es: Jh erkläre mih gegen den Vorschlag der Abtheilung, daß die Repräsentanten der Genehmigung der Regierung bedürfen. Nach meiner Ansicht is die Stellung und Wirksamkeit der Repräsentanten eine ganz andere, als die der Vorstände. Die Vor= steher sind die Beamten der Gemeinde, ihnen liegt die Verwaltung des Gemeinde - Vermögens wie aller inneren und außeren Gemeinde- Angelegenheiten ob. Sie sind der Gemeinde dafür verantwortlich, sie müssen dafür Rechenschaft geben. Auch werden sie nach dem vor= hergehenden Paragraphen nur von den Repräsentanten gewählt, und sind, wie gesagt, beauftragt, nit nur die Angelegenheiten im Junern der Gemeinde zu verwalten, sondern auch nah außen hin die Ge- meinde zu vertreten. Um dies mit gehöriger Autorität thun zu kön- nen, bedürfen sie, auch: selbst der Gemeinde gegenüber, wohl der Ge=- nehmigung und Bestätigung der Regierung, Ganz anders verhält es sih mit den Repräsentanten; diese sind niht Beamte, soudern nur Vertreter der Gemeinde, sie sind die Vertrauensmänner, welche ge- wählt werden, um die Verwaltung der Vorsteher zu überwachen, diese durch ihre Beschlüsse zu leiten und der Gemeinde von der richtigen und ordnungsmäßigen Verwaltung Kenntniß zu geben. Wenn in dem Gutachten gesagt is, daß die Vorstände in äußeren Angelegenheiten auch die Repräsentanten zuzuziehen und deshalb sie ihre Legitimatio- uen zu führen hätten, \o scheint mir der §. 11 des (Geseß-Entwurfs dem entgegenzustehen, indem die Wirksamkeit der Vorsteher ausdriick= lich darauf gerichtet ist, daß diese allein nur die Beschlüsse der Ne- präsentanten zur Ausführung zu bringen haben, allein auch die Ge- meinde nah außen hiu und gegen dritte vertreten sollen. Aus die- sem Grunde erkläre ih mich gegen den Vorschlag und würde die Re- präsentgnten nicht der Genehmigung der Regierung unterwerfen, selbst auch um deswillen nicht, um ihre Stellung als eine ganz unabhän- gige bestehen zu lassen, Ju Beziehung auf den lebten Absaß des §. 10, daß die Regierung auch befugt sci, einzelue Mitglieder des Vorstandes wegen vorsäßliher Pflichtwidrigkeiten oder wiederholter Dienstvernachlässigungen zu entlassen, bemerke ih, daß die Fassung dieser Stelle leiht die Deutung zulassen könnte, daß die Regierung ohne Weiteres die Vorsteher entlassen dürfte. Jch glaube nicht, daß es die Absicht der Regierung gewesen ist, auf diese Weise zu Werke zu gehen, und daß sie dieselben nicht eher entlassen kann, als bis sie sich über die Richtigkeit der den Vorstehern gemachten Beschuldigungen vergewissert hat. Um diese Mißdeutung zu beseitigen, erlaube ich mir vorzuschlagen, daß hinzugefügt werde, „nach vorangegangeuer Ermit- telung der Verhältuisse““, S

Dann bezieht sich ein anderer Antrag meinerseits darauf, daß es zweckmäßig seiu wird, die Vorsteher nicht zu entlassen, ohne die Repräsentanten noch wenigstens gutachtlih zu hören, um auf diese Weise die Repräsentanten, welche ihrerseits die Vorsteher wählen sol- len, in ihren Rechten nicht zu kränken, Es können Mißverhältnisse entstehen, wenn die Regierung ohne Weiteres einen Vorsteher ent= läßt, ohne die Repräsentanten gehört zu haben, während die Reprä= sentanten immer diejenigen sein werden, welche am besten beurtheilen fönnen, ob die vorgebrachten Beschuldigungen Grund haben oder nicht. Aus diesen Gründen würde ih das Amendement dahin zusammen-=- fassen, „daß die Regierung nux erst nah vorangegangener Ermitte- lung der Verhältnisse und gutachtlihen Anhörung der Repräsentanten einen Vorsteher zu entlassen befugt sei“.

Marschall: Es fragt sih, ob der Vorschlag Untersiüßung indet,

l (Es erheben sich mehr als 24 Mitglieder.) Ja!

Abgeordn. Dittrich: Was der geehrte Redner vor mir in Beziehung auf die Repräsentanten gesagt hat, unterstüße ih. Es findet hier zwischen den Vorständen und den Repräsentanten dasselbe Verhältniß statt, wie zwischen dem Magistrat und den Stadtverord= neten, also bedürfen die Repräsentanten der Bestätigung der Regie- rung niht. Ju Beziehung auf das, was der geehrte Redner vor mir in Betreff des Schlußsaßes gesagt hat, glaube ich, versteht es sich von selbst, daß ohne vorangegangene Untersuchung die Entlassung nicht stattfinden kann.

Abgeordn. Graf von Shwerin: Jh würde nah den Grund= säben, welche ih mir vorhin bereits zu entwickeln erlaubt habe, der Meinung sein müssen, daß der ganze §. 10 zu streichen sein würde z ih glaube aber, daß, nachdem wir die §§. 2 und 3 angenommen haben, wonach dem Staat das Recht vorbehalten ist, zwangsweise solche Genossenschaften zu ordnen, wir ihm auch das Recht der Bestätigung der gewählten Vorstände nicht werden streitig machen fönnen, und ich werde daher für den ersten Saß dieses Paragraphen sein. Dagegen scheint mir für den lebten Sab durchaus feine Ver- aulassung vorzuliegen, und wenn die verehrten Mitglieder, welche vor mir gesprochen, namentlich der Herr Referent, der Meinung ge- wesen sind, der Sab, die Dienstentlassung durch Beschluß festzu- setzen, hieße dasselbe, als nah vorangegangener Untersuchung, fo glaube ih eben das nicht. Wenn die Festsebung der Entlassung durch Beschluß der Regierung einen Sinn hat, dann fann sie feinen ande- ren haben, als daß in Beziehung auf die Entlassung der Vorstände der Judenschaft ein anderes Verfahren maßgebend sein soll, als das, was überhaupt für die Entlassung der Beamten maßgebend gewesen is, d. h. die administrative Untersuchung. Jh glaube, wenn wir die §§. 2 und 3 annehmen, wonach diese Corporationen unter der Kontrolle des Staats gebildete Corporationen sind, wenn wir dem Staat oder der Regierung das Recht vorbehalten, die An- stellung zu genehmigen, dann werden auch die Vorstände in Beziehung auf die Entlassung in keiner Weise anders zu behandeln sein, wie die übrigen Staatsbeamten, d. h. sie können nur 1m Wege der gegen sie eingeleiteten administrativen Untersuchung, keinesweges aber durch einfachen Beschluß der Regierung des Dienstes entlassen werden, und ih wäre darum der Meinung, diesen ganzen leßten Sab zu streichen und nur die Genehmigung der Regierung beizubehalten.

Abgeordn. Aldenhoven: Aus denselben Gründen, aus wel= chen der Redner die Beibehaltung des Paragraphen beansprucht, er- fläre ih mich für den Strich desselben. Gerade weil die Regierung die Wahl leitet, \{heinen mir die Gründe niht mehr obzuwalten, daß nun noch die Vorstände und Repräsentanten genehmigt werden. Jch beanspruche für die jüdische Gemeinde, die wir nun doch einmal als Synagogen für rein kirchliche Verhältnisse bilden wollen, eine Autonomie. Jch wohne in der Rheinprovinz, dort bestehen fatho=- lische Kirchen - Vorstände, welche mit der Staats =- Regierung in gar feiner Communication stehen, Jun der vollsten Autonomie stehen sie da, sobald sie niht von der weltlichen Behörde Geld - Beihülfe ver- langen, und wenn die -jüdishen Gemeinden nicht weltliher Beihülfe bedürfen, so müssen sie ebenfalls ganz in ihrem autonomischen Recht ee iat Darum erkläre ih mich für. den Strich des ganzen Para- graphen, S

Marschall: Wir haben über den Paragraphen sehr verschie-

dene Amendements. Das erste geht dahin, denselben ganz zu streichen, ein anderes dahin, uur den ersten Saß stehen zu lassen, der da heißt : „Die Wahlen der Vorstände unterliegen der Genehmigung der Re- gierungz“ das dritte schlägt eine Einschaltung der Worte: „Nach voran= gegangener Ermittelung der Verhältuisse und gutachtliher Anhörung er Repräsentanten“ vor. Der Antrag der Abtheilung isst darauf gerichtet, der Repräsentanten hier mit zu erwähnen, so daß die Wahl derselben der Bestätigung der Regierung auch unterliegen solle, Zu- erst wird man wohl wissen müssen, ob der ganze Paragraph wegfal- len soll, weil es das am weitesten gehende Amendement ist, Dieje: nigen, welche den ganzen Paragraphen gestrichen wissen wollen, bitte ih gufzustehen. e (Es hat keine Majorität erlangt.)

Der zweite Antrag geht dahin, deu zweiten Saß des Para- graphen zu streihen, so daß nur die Worte stehen blieben: „Die Wahlen der Vorstände unterliegen der Genehmigung der Re-=- gierung.“

Landtags-Kommissar: Wenn einmal die Regierung die Wahl genehmigen soll, so muß sie auch das Recht der Entlassung haben. Wenn bemerkt wurde, daß der eine Entlassung festsetende Beschluß kein willkürlicher sein dürfe, sondern sih auf eine vorange- gaugene Untersuchung gründen müsse, so is dies vollklommen richtig; es hat aber auch die Fassung des Paragraphen keinen anderen Sinn haben sollen. Wenn nun der geehrte Redner, der den leßten Sab des Paragraphen zu streichen vorgeschlagen hat, dessen Wegfall wünscht, weil er sih von selbst verstehe, so muß ih doch zur Besei= tigung der Zweifel auf die Beibehaltung antragen, während es uil= bedenklih is, die Worte „nah vorangegangener Untersuchung ‘“ ein- zuschalten oder die Bestimmung zuzuseßen, daß die Vorsteher in ähn licher Weise, wie andere Kommunal -Beamte, entlassen werden fönnen.

Abgeordn. Graf Schwerin: Jch habe gesagt, es verstehe sich, was der Paragraph wollte, von selbst, unter der Vorausseßung, daß nicht Beschluß der Regierung etwas Anderes heißen sollte, als nach vorangegangener Untersuhung. Jusofern dies nicht darunter verstan- den sein sollte und die Einschaltung, wie sie der Herr Regierungs Kommissar vorgeschlagen hat, gemacht wird, so kann ih mein Amen- dement zurücknehmen. 4

Marschall; Die Sache is also damit als erledigt anzusehen, daß der zweite Saß des Paragraphen stehen bliebe mit der Ein- haltung, die der Herr Regierungs - Kommissar selbs hinzuzufügen vorgeschlagen hat, : |

Referent Sperling: Das geht noh über die Wünsche eines Jeden, der ein Amendement hier gestellt hat, hinaus, und ich bin ganz damit einverstanden.

Marschall: Dann früge es sich, ob das Wort „Repräsentan- ten“ in den zweiten Saß mit eingeschaltet werden soll. Dies ist ein Vorschlag der Abtheilung, ich muß also darüber abstimmen lassen und bitte, bah diejenigen, welche für die Einschaltung des Wortes „Res präsentanten““ in dem ersten Saße sind, die Güte haben, aufzu stehen.

Er i| nicht angenommen.

Referent Sperling liest den §. 11 des Geseß-Entwurfes vor:

C 44.

„Der Vorstand hat die gemeinsamen Angelegenheiten der Juden= \haft zu leiten und die Beschlüsse der Repräsentanten zur Ausfüh- rung zu bringen. Er vertritt die Judenschaft überall gegen dritte Personen, insbesondere in allen Rechtsgeschüäften, sie mögen die Er- werbung von Rechten oder die Eingehung von Verbindlichkeiten be treffen. Das Verhältniß der Vorsteher und Repräsentanten gegen einander und gegen die Judenschaft is, \o lange und so weit nicht das Statut (§. 13) ein Anderes festseßt, nah den Bestimmungen der revitirten Städteordnung vom 17. März 1831 über die Rechte und Pflichten des Magistrats und der Stadtverordneten zu be urtheilen.

Das Gutachten dazu lautet:

O 41.

„Die revidirte Städte-Ordnung vom 17. März 1831 gilt zur Zeit nur in einer verhältnißmäßig geringen Zahl von Städten der preußischen Monarchie. Sie da, wo sie uicht gilt, in Beziehung auf die Verhältnisse der Juden einzuführen, scheint nicht nothwen- dig zu sein, Es würde, wo solches geschähe, die Zahl der schon bestehenden Geseßbücher und Geseßsammlungen dem allgemeinen Juteresse zuwider vermehrt werden und deu Wünschen der Städte, welche sih der Städte-Ordnung vom 19, November 1808 erfreuen, geradezu entgegen sein, Die Abtheilung hat nichts dagegen zu er- innern, daß die Beziehungen des Vorstandes zu den Repräsentan- ten und der Lbteren zur Synagogen-Genieinde nah den bezoge- nen Bestimmungen der revidirten Städte-Ordnung normirt werden, {lägt aber vor, diese Bestimmungen einfach in dieses Geseß auf nehmen, so daß das Statut nur noch über solche Gegenstäude sich verbreiten dürfte, über welche in diesem Geseße hinweggegangen wäre.“ |

Marschall: Findet sih dagegen etwas zu erinnern? Wo nicht, so kann ih annnehmen, daß der Vorschlag der Abtheilung an genommen wird.

Referent Sperling: (liest vor):

S. 127

Ueber die Verwaltung des Vermögens der Judenschaften steht den Regierungen das Recht der Ober - Aufsicht in demselben Maße zu, wie nah der revidirten Städte - Ordnung vom 17. März 1831 über die Vermögens - Verwaltung der Stadtgemein- den. |

F. 12 des Gutachtens:

„Hier gilt das bei dem unmittelbar vorhergehenden Para graphen Gesagte, und würde die Bezugnahme auf die revidirte Städte-Ordnung ebenfalls zu vermeiden sein.“

Marschall: Aus dem vorigen Beschlusse würde wohl folgen, daß auch hier der Abtheilung beigetreten wird.

Referent Sperling (liest vor):

1B 9e

Ueber die Wahl des Vorsienden in dem Vorstande und des Vorstehers der Repräsentanten- Versammlung, so wie über deren Befugnisse, ferner über die Zahl der Mitglieder des Vorstandes und der Repräsentanten - Versammlung, der Stellvertreter dersel- ben, \o- wie darüber, ob die Wahl in den Vorstand auf jüdische Einwohner der zum Mittelpunkt der Judenschaft bestimmten Stadt beschränkt bleiben, und welche Reisekosten -Enktschädigung im an- deren Falle den Gewählten gewährt werden soll, endlich über das Verhältniß der Vorsteher und Repräsentanten gegen einander und egen die Judenschaft sind die erforderlichen Bestimmungen in ein besonderes, der Bestätigung des Ober - Präsidenten unterliegendes Statut aufzunehmen.

Die erste Wahl des Vorstandes und der Repräsentanten er= folgt nah Vorschrift der Regierungen. Diese haben auch nah A bee Wahl wegen Äbfassung der Statuten binnen einer estzuseßenden Frist das Erforderliche anzuordnen, Sofern die Ab- fassung innerhalb der gesebten Frist nicht erfolgt, is von den Re- gierungen über die dem Statute vorbehaltenen Bestimmungen ein die Judenschaft bindendes Reglement zu erlassen.

§. 13 des Gutachtens:

„Es fehlt an einer ausdrücklihen Bestimmung darüber, wer über das Statut zu berathen hat. Der ganzen Gemeinde kaun solches füglih uiht überlassen werden, da sie dazu wegen der gro= ßen Zahl und zum Theil mangelhaften Qualification ihrer Mit- glieder nicht geeignet ersheint. Die Abtheilung hält es für zweck- máßig, daß die Berathung des Statuts durh den Vorstand und die Repräsentanten gemeinschaftlih erfolge.““

Marschall: Findet man dagegen etwas zu erinnern? Es wird nichts erinnert, und wird also der Paragraph als angenommen zu betraten sein,

Referent Sperling (liest vor):

19 14,

Der Vorstand is das Organ, durch welches Anträge oder Beschwerden der Judenschaft an die Staatsbehörde gelangen. Er hat über alle die Judenschaft betreffendeu Angelegenheiten und über einzelne zu ihr gehörige Mitglieder den Staats- und Kom- munal-Behörden auf Erfordern pflichtmäßig und unter eigener Ver= antwortlichkeit Auskunft zu ertheilen.

g. 14 des Gutachtens : : e

„Der Sinu der Worte „und über einzelne zu ihr gehörige Mitglieder“ is nicht ganz flar. Es könnten diese Worte auf ein gewissermaßen polizeiamtliches Verhältniß des Vorstandes zu den einzelnen Gemeinde-Mitgliedern gedeutet werden. Ein solches liegt aber außer seiner Bestimmung. Wenn Behörden den Vorstand der Synagogen - Gemeinde zu einer Auskunft über einzelne Mit- glieder auffordern, so kann solche, der Natur der Sache nah und ähnlich, wie es bei den Presdbyterien der christlichen Kirchen der Fall i, nur Beziehungen des Einzelnen zur Gemeinde betreffen, und diese sind zugleich Ängelegenheiten der Gemeinde selbst, Wenn also shon außerdem angeordnet worden, daß der Vorstand über alle die Judenschaft (Synagogen - Gemeinde) betreffenden Angele- genheiten den Staats- und Kommunal - Behörden auf Erfordern pflichtmäßige Auskunft zu ertheilen habe, so erscheint folches der Abtheilung genügend, und stimmt ste dafür, die Eingangs gedachten Worte zu streichen. ““

Marschall; Es wird auch hierin Einverständniß herrschen,

Wir kommen nun zu einem Gegenstande, über den eine längere Berathung nothwendig werden köunte. Jch schließe also die heutige Sißung und bitte, s\{ch morgen 10 Uhr hier wieder versammeln zu wollen.

(Schluß der Sißung nah £4 Uhr.)

Sihung der Kurie der drei Stände am 16, Juni, *)

Die Sitzung beginnt um 10 Uhr unter Vorsiß des Marschalls von Rochow mit Verlesung des Protokolls der gestrigen Sibuug, welches von der Versammlung genehmigt und anerkaunt wird.

Abgeordn, Frhr. von Viucke: Jch befand mich gestern in der unangenehmen Nothwendigkeit, die verchrte Versammlung mit einigen Bemerkungen behelligen zu müssen, die sich auf das Verfahren eines geehrten Mitgliedes des Sekretariatsbezogen. Die hohe Versammlung hat meinen Vortrag mit Ungunst aufgenommen z ih habe mih, wie im- mer, ihrer Entscheidung gefügt, erlaube mir aber, heute darauf zurücd- zukommen, jedoch nur in der einzigen Absicht, um mich persönlich ge- gen den etwaigen Vorwurf der Uebereilung zu rechtfertigen. Was zunächst die Thatsache anbetrifft, wélche von dem betressenden Herrn Secretair, den ih in diesem Augenblicke zu meinem Bedauern nicht gegenwärtig sehe, in Abrede gestellt wurde, so habe ich- geglaubt, je- nes Faktum noch näher foustatiren zu müssen, und glaubte, das uicht besser thun zu können, als wenn ih mich zunächst an den Abegordne=- tenaus meiner Provinz wendete, auf welchen sich meine betreffenden Worte bezogen hatten, Dieser hat mir nun versichert, daß er meine Worte eben so gehört habe, wie ih sie gesprochen. Um aber auch aus dem entgegengeseßten Theile des Sgales ein Zeugniß dafür zu erhalten, habe ich mit dem Herrn Secretair zu meiner Rechten darüber Riick- sprache genommen , der doch auch ohne Zweifel das Ohr eines Se= cretairs hat, und von diesem ebenfalls die volle Bestätigung meiner Behauptung erhalten. Daher muß ich also vorausseben, daß, wenn meine Worte in den beiden entgegengeseßten Theilen desSaales vollständig so ver- standen worden sind, wie ich ste anch gesprochen habe, sie auch dem Ohre des in der Mitte sißenden Secretairs verständlich hätten werden kön=- nen. Dies zur näheren Konstatirung des Faktums, welche ich nur deshalb für nöthig gehalten habe, weil ih mit einem Beamten der hohen Versammlung in Meinungs-Verschiedenheit gerathen war und mich deshalb verpflichtet hielt , durch fonkfludente Thatsachen meine Behauptung nochmals zu begründen.

Es is ferner von der Versammlung festgestellt worden, daß es feine Pflicht der Secretaire sei, sich mit den Mitgliedern in zweifel= haften Fällen in Communication zu seßen, sondern daß es nur der Verständigung zwischen den beiden fungirenden Secretgiren dazu be- dürfe z es lag also für mich in dem vorliegenden Falle Veranlassung vor zu der Frage, ob der Herr Secretair Dittrich in dem vorliegen-= den Falle zugezogen worden, worauf dieser mir jedoch versichert hat, daß er zur Berichtigung jenes Zusaßes zu dem stenographischen Bericht nicht zugezogen worden is. Da aber die Geschäfts-Ordnung ausdrüdcklich vorschreibt, daß zwei Secretaire die Berichtigung vornehmen sollen, da diese Bestimmung ferner der Herr Marschall in dem Regulativ wegen Berichtigung der stenographischez Berichte wiederholt hat, so fann ih nur daun die Meinung eines Secretairs als eine amtliche anerkennen, wenn er sich genau nach den für sein Amt vorgeschriebe- nen Formen gerichtet und also seinen Kollegen zugezogen hat. Da das nun diesmal nicht geschehen ist, so kann ih nur Alles, was der Herr Secretair mir gestern entgegengeseßt hat, als niht gesprochen ansehen und die gehorsamste Bitte au den Herrn Marschall richten, dem betreffenden Herrn Secretair, der sih niht in der Ausübung seiner Pflicht befunden hat, die Justruction zu ertheilen, sich künftig nah den Bestimmungen des Reglements und nah den Bestimmungen des Regulativs des Herrn Marschalls zu richten, 2

Marschall: Da der betreffende Herr Secretair nicht anwe- send is und sich gegen das Gehörte nicht vertheidigen kann, so will ih nur für ihn anführen, daß er geantwortet hat, er habe nach bestem Wissen und Gewissen die Streichung des angeregten Wortes vorge-= nommen, daß er aber, wenn er geirrt haben solle, was er eventualiter anerkannt hat, dies bedauere. J halte also diese Sache für erledigt und erkenne sons an, daß in der Regel beide Secretaire in derglei- hen Fällen si vereinigen müssen, um dergleihen Aenderungen vor- zunehmen.

Abgeordn. Frhr. von Vincke: Jch erkläre mih hiermit für beruhigt und kann übrigens nur wiederholen, daß ih nur habe be-

*) Manuskript, 257 Folio - Blätter, erhalten Freitag, den 18, Juni, Abends 6 Uhr 50 Minuten, Heute, Sonnabend, den 19, Juni, Mor- gens 9 Uhr 50 Minuten, kam uns auh noch das Manuskript zu der Sizung der Herren- Kurie vom 15. Juni, 203 Folio - Blätter, zu, Wir sind mithin, mit Einschluß des heute Aufgenommenen, im Besiß von 719 Blättern Manuskript - welche in dem morgen, Sonntag, Abends er- scheinenden Blatte, wo möglich, vollständig erledigt sein werden.

D, Red. d, Allg. Pr, Ztg.

1179

dauern können, von der Person des verehrten Mitgliedes des Sekre- tariats reden zu müssen, während dasselbe sich noch nicht im Saale befand, weil der Herr Marschall mich aufriesf. Jh bin übrigens be- reit, dem geehrten Mitgliede das, was ih gesagt habe, privatim zu wiederholen, und werde dazu glei jebt übergehen.

Marschall: Wir gehen nunmehr zur Fortseßung der gestern abgebrochenen Berathung über, und ih ersuche den Herrn Referen- ten, den Vortrag wieder aufzunehmen,

Referent : e

6. 415.

Vertretung der Judenschaften în Stadtgemeinden,

Wenn in einer Stadt, in welcher eine der beiden Städte- Ordnungen gilt, sich so viele wahlberehtigte Bürger jüdischen Glaubens befinden, daß sie mindestens diejenige Zahl der städti- hen wahlberehtigten Bürgerschaft erreichen, welche eine Theilung der Gesammtzahl der leßteren dur die Zahl der Stadtverord- neten ergiebt, so kann auf den Grund ciner zwischen den städtischen Behörden und dem Vorstande der Judenschaft unter Zustimmung der Repräsentanten stattfindenden Einigung den jüdischen wahl=- berechtigten Bürgern gestattet werden, einen oder nah dem ange-= gebenen Verhältnisse auch mehrere Verordnete uebst Stellvertretern aus ihrer Mitte zu wählen, welche in der Stadtverordneten - Ver- sammlung in allen, nicht das christliche ‘Kirchen- und Schulwesen betreffenden Angelegenheiten Siß und Stimme haben; dagegen scheiden alsdann die Juden bei den Wahlen der übrigen Stadtver- ordneten, deren Zahl sich nach Maßgabe der eintretenden jüdi- hen Verordneten vermindert, als Wähler und Wahl-Kandidaten aus,

Das Ergebniß einer solchen Vereinbarung unterliegt der Be- stätigung der Regierung und is in das städtische Ortsstatut auf- zunehmen, i

Bei der seitens der Juden stattfindenden Wahl von Ver- ordneten aus threr Mitte finden die Vorschristen und Bedingungen Anwendung, welche für die Stadtverordueten-Wahlen überhaupt an dem betreffenden Orte maßgebend sind. j

Gutachten der Abtheilung.

Wenngleich es den städtischen Behörden und Vorständen der Juden nux anheim gegeben und in deren freien Willen gestellt ift, Vereinbarungen zu treffen, nah welchen die Juden in Beziehung auf die Verwaltung der städtischen Angelegenheiten ihren christlichen Mitbürgern gegenüber cine besondere Corporation bilden würden, so ist doch auch dem Gedanken an die Möglichkeit der Hinwirkung Königlicher Behörden auf die Bildung solcher Corporationen nicht aller Raum abgeschnitten. Wenn nun schon oben in der Einleitung und bei §, 1. zur Sprache gekommen, daß Vereinbarungen, wie sie der in Rede steheude Paragraph statuirt, zu offenbaren Rechts- fränkfungen der einzelnen Juden führen und dem öffentlichen Juter- esse entgegen sein würden, so mußte sih die Abtheilung hier noch besonders vergegenwärtigen, daß in dem Falle solcher Vereinba- rungen in der Bürgerschaft eine Judenschaft bestehen, in der Stadt- verordneten-Versammlung nicht blos Reprätentanten der Bürger- haft, sondern auch Repräsentanten der Judenschaft sißen und die Städte-Ordnung in ihren wesentlichsten Bestimmungen aufgehoben sein würde. Diese Betrachtung führte zu dem einstimmigen Be- \{lusse : :

daß der §. 15 ganz und gar zu streichen sei.

Die Disposition dieses §. is zwar nur als eine fakultative hin- gestellt, indessen kann dieselbe durch Juterpretation auch bald einen verpflichtenden Charakter annehmen. Was das Gouvernement hier als zulässig ausgesprochen, hat dassel:e auch für zweckmäßig erachtet, und was von ihm als zweckmäßig erachtet is, darauf könnten die Unterbehörden sich lange verpflichtet fühlen hin zu wirken. Jmmer- hin mag bei dem Entwurf dieses §. die beste Absicht obgewaltet ha- ben, sowohl in Bezug auf die Juden, als auh in Beziehung auf das allgemeine Staatswohl. Aber das Mittel, welches zu deren Er- reichung gewählt worden, ist solchem Zwecke nicht entsprechend, denn es führt zu einer Separation der Juden von den Christen, über welche oft geklagt worden und gewöhnlich den Juden Schuld gegeben ist. Jm Laufe unserer Debatte sind wix zu der Ueberzeugung gekommen, daß ein Theil dieser Schuld uns selbst tri und den bisherigen Stand unserer Verfassung und Geseßgebung. Sind wir zu diesem Schlusse bisher nur indirekt gekommen, so finden wir in dem vorliegenden Geseßz-= Paragraphen die so oft beklagte Separation direkt ausgesprochen und sanctionirt. Abgesehen hiervon is noch ein Umstand ins Auge zu fassen. Nach der bisherigen Verfassung der Städte hatten die Ju- den, und zwar von allen in dem preußischen Staate lebenden mchr als die Hälfte derselben, das Recht, einzeln für ihre individuelle Per- son an der städtischen Verwaltung Theil zu nehmen. Dieses ihr in- dividuelles Recht, an der Verwaltung der städtischen und ihrer eige=- nen Angelegenheiten theilzunehmen, soll ihnen künftig durch einsei- tigen Beschluß ihrer Vorstände und Repräsentanten, dur deren Ver- einbarung mit dem Magistrat entzogen werden können. Dies wider- streitet dem Rechtsprinzipe, und die eben gemachten Bemerkungen werden hinreichen, um die hohe Versammlung für die Annahme des Vorschlages zu stimmen, der von der Abtheilung gemacht wor- den ist.

Abgeordn. Merkens: Der gestern von der MinisterLank ge- hörten trefflihen Rede wird ohne Zweifel verdankt, daß die §g. 2 bis 14 des vorliegenden Geseßzes mit so großer Majorität von uns angenómmen worden sind. Wir haben dadur unser Bestes gethan, um mit et christliher Liebe dem Judenthum in kirchlicher Hinsicht Form und Gestalt zu geben und auf diese Weise die Verheißung der heiligen Schrift zu erfüllen, die uns die Unzerstörbarkeit dieses Vol- fes Gottes verkündet hat. Vom Standpunkte des christlichen Staats aus betrachtet, mag dies recht fromm, aber mehr noch inkonsequent sein. Denn wenn beim §. 15 diesem allzu gutmüthigen Wirken nun auch eine politische Richtung gegeben werden wollte, so würde der politische Staat im Gegentheil so unchristlich staatsklug sein und dem christlihen Staat gegen seinen Willen den guten Dienst erweisen, das Judenthum als solches nit kirhlich zu organisiren, an der Repara tur seines hinfälligen Tempels nicht mitzuarbeiten, sondern an demselben den Zahn der Zeit ungestört fortnagen zu lassen. Der politische Staat würde ferner die große Beifälligkeit seitens der Judenschast, welche der Herr Ober-Präsident von Potsdam uns so gerühmt hat, bedenk lih und für eine Aufforderung gehalten haben, schärfer über die Kon- sequenzen nachzudenken.

(Stimmen: Nicht abgelesen.)

Der politische Staat würde vielmehr alsbald erkannt haben, daß auf diesem Wege die unerwünschte Absonderung und isolirte Nationa= lität der Juden immer mehr gefördert werde und neue Nahrung er= lange z ja, daß auf diesem Wege das Christenthum die Amme werde, an der das neue Judenthum sich nähre und so zu erneutem Leben groß gezogen werde. Der politishe Staat würde die Juden als selche ignoriren und ihnen eben als bezahlende Mitglieder des Staats alle politishen Rechte ungekränkt einräumen. Jch muß daher gegen den 15ten Paragraphen stimmen, weil er auf diesem Wege fortfährt, das politisch zu thun, was kirchlich schon gethan is: absondern.

Reg.-Kommissar Brüggemann: Es is mir zwar nicht völlig gelungen, die Ansicht des geehrten Redners, der so eben die Tribüne verlassen hat, aufzufassen; wenn ih mi jedo nicht irre, so hat er eine Jukonsequenz darin finden wollen, daß der ristliche Staat die

religiösen Verhältnisse der Juden ordne j | è rer äußeren Verhältnisse Du àugleich vie as Le Feststellung ih j j j glichkeit gewähre, si weiter zu entwideln, während nach dem Ausspruche des Stifters des Christenthums dieses Volk in seiner Zerstreuung vem Zahne der überlassen werden solle. Eine solhe Ansicht würde aber sowohl dem Rechtsbegriffe des Staates, als dem von mir gestern entwickelten ristlihen Prinzip widersprehen. Das Rechts-Prinzip gewährt auch anderer als christlicher religiöser Ueberzeugung Schuß A es die

s M _! eit , , Gewissensfreiheit sicherstellt, das christlihe Prinzip verlangt Duldung. Der christlihe Staat glaubt niht durch Verleßung des Rechts und der Lebe der Vorsehung in der Ausführung ihrer Beschlü}e zu Hülfe fommen zu müssen; wenn er seine Pflicht erfüllt hat, überläßt er je- ner höheren Haud, welche über den Schicksalen der Menschen waltet, in welcher Weise sie ihre Rathschlüsse zur endlichen Erfüllung brin= en will,

E (Von einigen Seiten Bravoruf.)

Abgeordn. von Auerswald: Jh erlaube mir, den Gründen, welche bereits gegen die Beibehaltung des §. 2 entwickelt sind und welche in der Hauptsache mir dieselben scheinen, welche jeßt auf §. 15 Anwendung finden müssen, wenige Worte hinzuzufügen. Der §, 15 enthält meiner Ueberzeugung nah ein gefährliches Geschenk für die Juden, eine Bestimmung, welche einen kleinen Staat im Staate, mindesteus eine kleine Stadt in der Stadt bildet und, wie \hon von der Abtheilung richtig bemerkt ist, der Städteordnung widerspricht, aber au den Juden theilweise die Staatsbürgerrechte nimmt, die sie bereits haben, theilweise die beschränkt, aus die ste Anspruch machen dürfen, Jch glaube, daß dieses Geschenk nur nachtheilig für sie sein faun und daß sie wohl ein Recht hätten, auszurufen : Timeo Da- n20s et dona ferentes! Vom Gesichtspunkte des Staats betrah=- tet, fann ih aber auch für diese Bestimmung keine anderen Gründe erkennen als diejenigen, welche hier bereits angeführt sind, die ich aber allerdings uicht theilen kann, daß nämlich die Vereinigung der Juden und Christen in bürgerlicher und politischer Beziehung für die Christen nur nachtheilig, ja gefährlich sei. Jch muß bekennen, daß mir vom Standpunkte gerade derjenigen, welche eben das Prinzip des Christenthums verfechten , diese Ansicht vollkommen U N bes lich is, vom Standpunkt derjenigen, welche in der Erkenntni des Christenthums die alleinige Erkenntniß der Wahrheit finden. Ih gehöre zu denselben, ih gehöre ferner zu denen, die einen sehr we- sentlichen Unterschied zwischen dem Sittengeseß der Juden und dem der Christen finden, und {ließe mi in dieser Beziehung gern den Worten des Redners aus Sachsen an, welcher sagte: Wenn dies die Ueberzeugung des großen Hausfens ist, so gehöre ih gern zu dem großen Hausen z ih bin aber weit entfernt, ihm beizustimmen, wenn er cine solhe Ueberzeugung möglicherweise für ein Vorurtheil hält. Jh bin von der Richtigkeit dieser Ueberzeugung durchdrungen, ferner davon, daß die Wahrheit jederzeit siegen wird und muß; ich kann mir aber den Kleinmuth derer nicht erklären, welche sich Christen nennen und doch besorgen, daß der ‘Einfluß von 200,000 Juden auf die sittliche Tendenz der Geseßgebung eines Staates von 16 Mil= lionen Christen bedenklih werden könne. Jh lebe der entgegengeseb=- ten Ueberzeugung, ih glaube felsenfest, daß, wenn auch das Verhält= niß umgekehrt wäre und unter 16 Milliouen Juden 200,000 Christen wohnten, dennoch \o sicher, wie die Sonne, der Tag heranbrechen würde, wo das mosaische Geseß dem sittlichen Prinzip des Christen- thums weichen müßte. Daß ich von solchem Standpunkte aus eine jede Beschränkung der Juden, ja jede Gestattung einer Absonderung, die sich über die Vorhalle des Tempels hingus erstreckt, unnöthig halte, wird flar sein. Jh muß sie aber auch zurückweisen und mich jeder Entscheidung widerseßen, welche der Grundregel alles Staatslebens und alles Gesellshaftslebens „gleihe Pflichten, gleiche Rechte,“ wi= derspricht, einer Entscheidung, welche si auf Besorgnisse gründet, die dem Prinzip des Christenthums nicht entsprechen, für die Christen meiner Ueberzeugung nah nit geziemend sind. Es liegt mir fern, mich iu den mysteriösen Streit über den Begriff des christlichen Staats zu mischen, aber die Bemerkung muß ich mir erlauben, daß ein Staat von 16 Millionen Menschen, der sich im Prinzip und der Tendenz sei= ner Geseßgebung durch 200,000 Juden gefährdet glaubt, in dieser Beziehung nicht fester stände, als die Saaten der Inkas von Peru und Mexiko den gebrehlichen Caravelen eines Pizarro und Cortez gegenüber. Jch glaube nicht, daß unser Staat also auf thönernen Füßen steht; ih glanbe mich daßer gegen eine jede Maßregel erklä= ren zu müssen, welche aus etner jo wahrhaft unchristlichen Besorgniß fließt, und schließe ih mich enschieden dem Abtheilungs-Gutachten an.

Abgeordn. Krüger: Weil ih der vollständigen Emancipation der Juden hold bin, kann ih nicht zugeben, daß wieder eine Abson= derung eintrete; ih kann es in Betreff des §. 15 um so weniger, als verschiedene Gründe dagegen sprechen, und stimme daher voll- fommen mit dem Antrage der Abtheilung überein. Erstens, weil {hon §. 73 der Städte-Ordnung ausdrüdcklih festsett, daß bei Stadt- verordneten - Wahlen alle Stimmfähigen lediglich als Mitglieder der Stadtgemeinde, ohne Beziehung auf Corporation und Sekte, theil- zunelmen haben; zweitens weil schon nah §. 84 auch jeder Jude stimmfähig sein kann, und weil man nicht wollen kann, daß den Juden größere Rechte bei den Stadtverordneten - Wahlen eingeräumt werden sollen, als den Christen, Das würde aber unbedingt geschehen, wollte man den Juden gestatten, als Sekte Stadtverordnete zu wählen, und es würde dann dahin fommen, daß auch die christlichen Religions - Parteien das Anverlangen stellen würden, fonfessionelle Rertreter in die Stadtverordneten - Versammlung zu s{hicken. -Das darf aber nicht stattfinden und darf es um so weniger, da den Juden die Vertretung in deu Stadtverordneten - Versammlungen {on speziell eingeräumt ist, indem jeßt {on fast in allen größeren Städten Juden zu Stadtverordneten gewählt werden. Derselbe Fall wixd aber, wenn ihre. Zahl diejenige Höhe erreicht, welche §. 15 der gegenwärtigen Verordnung voraussebt, um so mehr eintreten, und sie werden voll- ständig in den Stadtverordneten - Versammlungen vertreten sein. Weil nun §. 15 eine Aenderung der bestehenden Paragraphen der Städte - Ordnung vorausseßt und verlangt, mus» ich jedenfalls gegen denselben stimmen und ihn verwerfen. E /

Abgeordn. Sommerbrodt (vom Plate): Obgleich ich mich für die Emancipation der Juden erkläre, da ih in ihr nur einen Akt der Gerechtigkeit erblicke, den wir denjenigen schuldig sind, die mit uns gleiche Pflichten und Lasten tragen, so kann ich mich doch nicht mit dem vorliegenden Paragraphen einverstanden erklären, S dem derselbe den Juden mehr Rechte einräumt, wi€ wir Christen be=- sien, ja selbst ín die Prinzipien der Städte - Ordnung eingreift. Die Gründe dafür sind, von dem verehrten Redner vor A bereits ausführlich entwielt, dieselben leiten au mi, für den Wegfall des

araagraphen zu stimmen. A L: Pc g pa M bw 20: Schon bei Gelegenheit der Besprechung

des Geseß-Entwurfes im Allgemeinen habe ich mich gegen das Ab- aile J ird) ausgelassen, das m diesem §. 15 hauptsächlich hervortritt. Es is mir unerklärlih, wie man in unserer Zeit auf solche Prinzipien geräth, während unsere Gesebgebung es sich son längst zur Aufgabe gemacht hat, alle Verschiedenheiten zu E und zu verschmelzen, die zwischen Juden und Christen in bürgerlicher

Beziehung bestehen. (Lauter!) : Mir i nicht bekannt, daß daraus \{hon ein Nachtheil hervor«