Sonderung derselben geradezu herbeigeführt, und diese liegt niht im Interesse des Staates. Sie is ihm nachtheilig und kann ihm, wie die Ge Me lehrt, sogar gefährlich werden, weil sie auf dem Ge- biete der Religion stattfindet, Hiernach bitte ih das Gutachten der Abtheilung zu beurtheilen.
(Bravo !)
Regierungs - Kommissar Brüggemann: Jh bitte nur We-=- niges bemerken zu dürfen. Jch habe in der Abtheilung niht ausge- \prochen, was künftig geschehen solle, sondern nur den bestehenden Grundsaß Adaeteoen, wonach alle Elementar-Schulen einen christ- lihen fonfessionellen Charakter haben und Simultan - Schulen nur in Fällen der Noth gestattet sein sollen. Jch füge nur noch in Be- zug auf die jüdischen Schulen hinzu, daß den Juden ja, wie s au über den fonfessionellen Charakter der öffentlichen Sqhulen denten möge, dieselben Rechte wie den Christen gewährt werden sollen und es doch sicherlich den Evangelischen, wie den Katholiken, gestattet ist besondere öfentlihe Konfessions- Schulen zu errichten.
Referent Sperling: Der geehrte Herr irrt von dem Ge- genstande ab. Wenn er glaubt, daß ih in Beziehung auf ihn nicht die Wahrheit gesagt habe, so berufe ih mi auf ein geehrtes Mit-=
lied der Rhein-Provinz, welches ein Beispiel von einer Schule an- führte, an der ein Lehrer anderer Konfession angestellt ist, und durch seine Bemerkung den Herrn Ministerial = Kommissar gerade zu jener Erklärung veranlaßte.
Regierungs-Kommissar Brüggemann: Jh bemerke, daß es sih hier nur_ um Elementarschulen, niht um Gymnasien handelt.
* Eine Stimme (vom Plate): Auf meine Bemerkung, daß an dem Gymnasium in Koblenz ein Lehrer anderer Konfession ange- stellt sei, hat der Herr Regierungs-Kommissar erklärt, daß dies fortan nicht L werde.
Regierungs-Kommissar Vrüggemann: Jch wiederhole, daß hier von den Elementarschulen die Rede is, nicht aber von den Gymna- fien. Das Faktum is übrigens richtig; ih habe dem Abgeordneten, der Stadt Koblenz, als meine Behauptung, daß alle Gymnasien einen bestimmten konfessionellen Charakter hätten, ihn zu der Frage veran- laßte, wie es denn gekommen sei, gesagt, daß an dem Gymnasium zu Koblenz ein evangelischer Lehrer angestellt sei, daß ih ihm die Versicherung ertheilen könne, es werde bei eintretender Erledigung der Stelle, dem \tiftungsmäßigen Charakter des Gymnasiums gemäß, ein fatholisher Lehrer Cngestellt werden.
Abgeordn. Naumann: Die Grundsäße, welche die Abtheilung durch den Referenten entwickelt hat, muß ih überall theilen. Jch erkenne es wohl an, daß ‘es uicht die Absicht ist, die Juden in eine andere Lage als die Christen in Beziehung auf ihre konfessionellen Bedürsnisse zu bringen. Jch behaupte aber, daß der Geseß-Entwurf in seinen Bestimmungen, die hier von der Abtheilung angegriffen werden, doh von dem Grundsaße abweicht, der in Beziehung auf die christlichen Schulen gegenwärtig gilt. Allerdings ist es den christ- lihen Kirchen =-Gemeinden gestattet, besondere konfessionelle Schulen
zu errthtenz die Geseße verpflihten aber die Schulverbände niht, zu den Kosten für diese speziell-konfessionellen Schulen beizutragen. Es fann allerdings eine fatholishe oder evangelishe Gemeinde be- sondere Schulen errichten, es folgt aber daraus nicht, daß die allge- meinen Schulverbände zu den Kosten beitragen. Die Bestimmungen, wie sie der Geseh-Entwurf enthält, sind aber anders. Hiernach soll die Siaats-Regierung die Orts-Schulbehörden unter gewissen Be- dingungen verpslichten können, . für ein konfessionelles Bedürfniß der
Juden durch Gewährung von Geldmitteln zu sorgen. Gegen diesen
Grundsaß, glaube - ih, muß man sich aussprechen. Man fann den
Konfessionen gestatten, besondere Schulen zu errihten; man kann
aber nicht gestatten, daß die Juden besondere Schulen errichten, die
aus dem Charakter der öffentlihen allgemeinen Schulen, aus dem
Schulverbande heraustreten und dennoch zu den Kosten eine Beihülfe
aus dem Fonds des allgemeinen Schulverbandes erhalten.
Geh. Regierungs-Rath Brüggemann: Es ist übersehen wor-= den, daß es im §. 33 þ. ausdrücklich heißt:
,„Wo die Unterhaltung der Ortsschulen eine Last der bürgerlichen
Gemeinde is.“ R
Wo dies nicht der Fall ist, legt auh der Geseß= Entwurf der bürgerlihen Gemeinde diese Last nicht auf.
Abgeordn. Naumann: Jch bemerke, daß ih dies gerade im Auge gehabt habe, nämlih die Schulverbände, in welchen die Kosten aus allgemeinen Kommunal=-Mitteln aufgebraht werden. Jn solchen Schulverbänden is es bisher niht üblich gewesen (wenigstens meines Wissens nicht), für eine bestimmte Konfessions\hule eine Beihülfe be- willigen zu müssen.
Abgeordn. Frhr. von Vincke: Jch glaube, wenn uns der Herr Ministerial - Kommissar hier allgemeine Bestimmungen vor Augen ge- führt hat, wonach vom Ministerium in anderen Fällen verfahren wird, diese zwar nicht hierher gehören, daß aber jedesmal, wenn uns ein Geseß-Entwurf zur Begutachtung vorgelegt is, wir dadurch Veran-= lassung erhalten und die Verpflichtung erkennen müssen, die allgemei- nen Grundsäte zu bezeihnen, welhe wir als zweckmäßig erkannt ha= ben, und deshalb allgemein festgestellt zu schen wünschen müssen. Nun möchte ih im Einklange mit dem, was die hohe Versammlung vor kurzem beschlossen hat, bei einem Antrage, welcher auf die An- stellung fatholisher Lehrer in den Kadettenhäusern hinauslief, das all- gemeine Prinzip zur Anerkennung gebracht wissen, daß eine Trennung nach Koufessionen in Bezug auf den rein wissenschaftlichen Unterricht durchaus unstatthaft ist. Der Religions-Unterriht muß natürlich be- sonders ertheilt werden, für fatholifche Kinder von katholischen Geist-
lichen, fir evangelishe Kinder von evangelishen Geistlihen und für
die jüdishen von jüdischen Geistlihen. Aber daß in anderen Unter- rihtsfächern eine Scheidung nach Konfessionen stattfinden soll, ist, glaube ih, nicht die Meinung der hohen Versammlung gewesen, und es würde nur dazu führen, Mißtrauen unter die Konfessionen zu säen. Ich fann mich nicht dafür aussprechen, daß die konfessionellen Schu- len Regel und die Simultan = Schulen Ausnahme sein sollen. Jh bin vielmehr der Meinung, daß die Simultan= Schulen Regeln und die konfessionellen Schulen Ausnahmen sein müssen. Wenn ferner hier gesagt is in Bezug auf einen folgenden Paragraphen, daß, wenn cine Kommune, eine politishe Gemeinde, ihre Sczule zu unterhalten ver- pflichtet is, für den Fall einer fonfessionellen Sonderung sie dann auch verpflichtet wäre, diese konfessionelle Schule aus Kommunalmit- teln zu unterhalten, so glaube ich dem aus Rechts- und Billigkeits- gründen widersprechen zu müssen. Die Kommune hat die Verpflich- tung, Kommunalschulen zu unterhalten, nicht aber konfessionelle. Wenn es also eine Konfession in ihrem Jnteresse findet, eine besondere Schule zu errichten, wenn ihr dies von den Staats-Behöxden gestattet wird, so hat \ie jedenfalls feinen Rechtsanspruch au die Kommune, diese be- \ondere Schule zu dotiren, weil die Verpflihtung der Kommune nur darauf gerichtet sein kann, eine Schule für die politische Gemeinde zu unterhalten. Aus diesen Gründen muß ih mi gegen das erfklä- ren, was von der Ministerbank bemerkt ist. (Eine Stimme bittet ums Wort.) Marsch all: Bei dieser allgemeinen Besprehung sind wir schon auf §. 30 gekommen. Zuvörderst handelt es sich um §§. 25 und 26, egen welche nichts erinnert is, und es würde im Vortrage auf §. 27 Mergugehen ein.
ine Stimme: Jch wollte um das Wort bitten wegen ei-
ner pérsonliczes Widerlegung , die ist doh bis jeßt immer gestattet worden. 4 E M E N ‘
Marschall: Jett hat der Herr Abgeordnete von Fock das Wort.
Abgeordn. von Fo ck: Der ganze Abschnitt über das Schul= wesen scheint mir im engen Zusammenhange zu stehen mit den bei- den früheren Abschnitten, welhe auf Sonderung der jüdischen Ge- meinden hinzielen. Mein Wunsch ist, daß dieser Paragraph ganz wegfalle. ollte er zur Ausführnng kommen, so würden die §§. 25 und 26 müßig dastehen, denn die \prehen nur Grundsäße aus, welche für alle übrigen Einwohner des Staates bereits gelten, Wenn der Wegfall dieses Paragraphen nicht jeßt hon beschlossen werden sollte, so würde ih beantragen, daß die Bestimmung vorbehalten bliebe, diese Paragraphen bis §. 33 zu streichen, da gerade die Bestimmun= gen, welche für die Christen gelten, auh für die Juden vollkommen ausreichend sind. Die Christen können ihren Kindern Privat-Unter- riht ertheilen lassen, sie fönnen besondere Schulen errihten. Jh sehe also niht ein, warum wir diese Bestimmung bestehen lassen jol- len, wenn wir den Grundsaß der Trennung fallen lassen müssen.
Marschall: Der Antrag geht dahin, die Paragraphen bis zu 33 wegfällen zu lassen?
Pa: von Fock: Mein Antrag geht jeßt nur auf §§. 25 und 26.
Marschall: Er is aber bis auf §. 33 ausgedehnt. Jh muß bemerken, daß die Diskussion bis zu §. 33 nur eine eventuelle sein würde. Dann werde ih fragen, ob der Antrag, die- Paragraphen, wie sie au abgeändert sein mögen, wegfallen zu lassen, Unterstüßung findet, und ob der Wegfall beschlossen werden soll?
Hat Jemand eine persönlihe Bemerkung zu machen? schien, wünscht ein Mitglied dort das Wort zu haben, |
Graf Merveldt: Zur Aufklärung eines anscheinenden Miß-= verständuisses muß ih bemerken, daß niht von wissenschastlihen Schu- len, soudern von Elementar=Schulen die Rede war, mit denen der Religions - Unterricht \o unzertrenntlich verwebt ist, daß der Lehrer auch zu der Konfession sich bekennen muß, welcher die Schule an-
ehört. N Marschall: Es is dies bereits bemerkt worden,
Also eventuell und mit Vorbehalt des Antrages, der gemacht worden ist, die Paragraphen bis zu 33 wegfallen zu lassen, war ‘ge-
Wie es
gen §§. 25 und 26 nichts zu erinnern, und wir fommen daher auf
S 24.
Referent Sperling (Lest vor): :
Wo eine Schule nah §§. 29, 32 Tit. 11 Th. Il Allg. Land- recht dur Beiträge der Hausväter unterhalten wird, fönnen diese Beiträge an von jüdischen Hausvätern erhoben werden, und wo die Schule aus Kommunalfonds sustentirt wird, is es um so_mehr recht und billig, daß die jüdischen Orts-Einwohner an der Schule gleichen Theil haben wie die Christen, weil sie gleich diesen zu den Kommunalfonds beisteuern. Tritt der Fall ein, daß die an einem Orte bestehenden Schulen dem Bedürfnisse nicht enspreen, so i es geseßliche Pflicht der Kommune, für deren Erweiterung oder Errichtung neuer Schulen zu sorgen. Diese Last auf ihre jüdischen Mitglieder zu wälzen, ist rechtlich unzulässig. Eben so wenig läßt sich eine Beschränkung der jüdischen Einwohner in der Wahl unter mehreren Ortsschulen rechtfertigen, wenn sie zu allen beitragen, da der Grundsaß „gleiche Pflichten, Mee Rechte“/ da- durch verleßt werden würde. Wenn es der Regierung freistehen sollte, die Kinder der Juden nach einer bestimmten Schule zu vers weisen, \o könnte daraus, man denke an große Städte, auch für die Aeltern wohl die Nothwendigkeit hervorgehen, ihre Wohnungen nah dem Bezirke der Schule zu verlegen und ein mittelalterliches Ghetto sein Dasein erhalten. Diese Betrachtungen führten zu dem einstimmigen Beschlusse, den Wegfall des in Rede stehenden Para= graphen zu beantragen. Nur iasofern waren die Ansichten ver= schieden, als von den anwesenden zehn Mitgliedern sünf es ein=
fach bei dessen Wegfall belassen wollten, weil dann, wenn mehrere Schulen an einem Orte bestehen, die Freiheit der Wahl unter denselben für die Juden sih wie bisher von selbst verstehen würde, die anderen fünf Mitglieder dagegen dies noch ausdrücklich ausge- sprochen und der vorliegenden Disposition des Gesebßentwurfs fol- gende Bestimmung: „Befinden sich an einem Orte mehrere Elementarschulen, so stehen den jüdischen Einwohnern hinsihtlich der Wahl der Schulen dieselben Befugnisse zu, wie den christlichen Einwohnern des Orts “ substituirt zu sehen wünschten. ‘ ; | Geh. Regierungs-Rath Brüggemaun: Jh will mir nur die Bemerkung erlauben, daß ih in der Abtheilung, als ih die Deutung vernahm, die man dem vorliegenden Paragraphen geben wollte, so- gleich den Vorschlag machte, die Fassung dahin zu ändern: Es solle den jüdischen Aeltern eben so wie den christlichen die Wahl der Orts- \cchule unter mehreren vorhandenen freistehen, so lange nicht Ucbel= stände daraus hervorgingen, welche ein Einschreiten erforderlich machten.
“Es if nämlich lediglih der Fall ins Auge gefaßt worden, wenn in einem Orte zwei oder mehrere öffentliche städtishe Schulen und die Anzahl der jüdischen Kinder auf mehrere Schulen vertheilt sind, aber nicht in einer allein hinreichenden Raum findet, wird damit nicht wegen der gerade auf eine Schule gerihteten Wahl der jüdischen Aeltern bei dieser eine Erweiterung des Raumes oder eine Vermeh- rung der Klassen nothwendig werden, während die anderen Schulen nah dem obwaltenden Gesammtbedürfnisse genügen fönnen,
Referent: Jh weiß niht genau mi zu erinnern, welcher Vorschlag gemacht ist, E ging er nur von dem Herrn Regierungs- Kommissar aus, und kein Mitglied der Abtheilung machte ihn zu dem seinigen, weil durch den Nachsaß, den er enthält, dasselbe ausge- \sprochen wäre, was ín dem §. 27 steht,
Abgeordn. Graf von Schwerin: J wollte nur dasselbe an- führen, was der Referent bemerkt hat. Der Vorbehalt des Herrn
Kommissars würde keinen anderen Sinn geben als der §. 27 in sei- ner jeßigen Fassung. :
Abgeordn. von Beckerath: Jch habe mit wenigen Worten sa= gen wollen, daß, wenn es sich bisher immer nur darum gehandelt hat, die Juden in bürgerlicher Beziehung zu beschränken, die vorliegende Bestimmung selbst ein Eingriff in die Rechte des Familienlebens sein würde, denn es is ein heiliges Recht des Vaters, zu bestimmen, wer seine Kinder untercichten soll.
Abgeordn. von Auerswald: Jh glaube, daß der Vorbehalt, der in dem von dem Herrn Kommissarius angeführten Abänderungs- Vorschlage enthalten ist, keinen anderen Zweck Und Sinn haben kann, als die Schulen vor der Ueberfüllung zu hüten ; dies scheint aber über- flüssig, denn in den allgemeinen Bestimmungen, welche auch für die christlichen Kinder maßgebend sind, sind schon genügende Abwendungs- Maßregeln enthalten. Hat der Vorschlag aber einen anderen Sinn, und will er die konfessionellen Scheidungen bewahren, dann würde er h sein und ih mich diesem Vorschlage entschieden wider- eben.
(Ruf zur Abstimmung.)
Marschall: Der einstimmige Vorschlag der Abtheilung geht
dahin, diesen Paragraphen ganz wegfallen zu lassen, Ueber das,
U E L
was an die Stelle desselben zu seßen wäre, hat sich die Abtheilung niht vereinigen können. Bevor wir über diesen leßteren Punkt die Diskussion eröffnen, will ich an die hohe Versammlung die Frage stellen, ob der Paragraph wegfallen soll.
(Majorität für die Verwerfung.)
Die Majorität hat den Paragraphen verworfen. Nun fragt es sich, ob die Versammlung den fünf Mitgliedern der Abtheilung bei- treten will, welhe den Vorschlag gemacht haben, eine andere Bestim= mung an die Stelle dieses ausfallenden Paragraphen zu seßen?
Referent Sperling: Dies scheint ganz überflüssig.
Abgeordn. Graf von Schwerin: Auch meiner Ansicht nach scheint es überflüssig zu sein. Nachdem der erste Vorschlag angenommen wor= den ift, bas der ganze Paragraph wegfallen soll, scheint es kaum a möglih zu sein, andere, Bestimmungen an dessen Stelle zu eben.
Marschall: Eine Möglichkeit möchte wohl vorhanden sein, etwas Anderes an die Stelle zu seßen, es scheint aber der Vorschlag dazu keinen Anklang in der Versammlung gefunden zu haben und darüber weggegangen werden zu können.
Abgeordn. Dittrich: Da die Streichung dieses Paragraphen beschlossen is, so scheint es zweckmäßig, wenn in dem §. 26 zugeseßt wird: „in einer der Ortsschulen.““
Marschall: “Wird diesem Vorschlage beigetreten ?
(Mehrere Stimmen : Nein!)
Abgeordn. von Massow: J erlaube mir darauf aufmerk- sam zu machen, daß der Antrag noch nicht unterstüßt worden ist.
Marschall: Jch habe die desfallsige Frage an die Versamm- lung gerichtet, der Vorschlag is jedo uicht unterstüßt, weshalb ich ihn auch nicht zur Abstimmung bringe.
Referent (Liest ad §, 28 des Gutachtens vor):
: 11Ô- 28. L
Jn der Denkschrift is S. 32 bemerkt worden, daß es im Interesse des Staates liege, daß seine Unterthanen ohne Aus= nahme in der Religion, zu welcher jie_sih bekennen, erzogen wer- den. Jst dies der Fall, so muß der Staat sih auch dessen verge- wissern, daß solches geschieht, und Anstalten treffen, daß es gesche- hen kann. Zu Gunsten der Juden fann es nun nicht ausgelegt werden, wenn es, wie in den Worten „eine jede Judenschaft 2c." beabsichtigt worden, lediglich thnen anheimgegeben wird, wie sie ihren Kindern den Religions - Unterricht beibringen wollen, Den meisten Familien würde solches wegen Beschränktheit ihrer Ver- hältnisse bei dem besten Willen nicht möglich sein, wenn ihnen der Staat dabei nicht zu Hülfe käme. Deshalb entschied sich die Ab- theilung einstimmig dahin, daß in Stelle des angedeuteten Passus,
den eigenen Wünschen der Juden entsprechend, die Bestimmung zu treffen sei: : daß eine jede Synagogen- Gemeinde verbunden sein foll, wenigstens einen Religionslehrer anzustellen und zu besolden, welchem der Unterricht der Kinder in den jüdischen Religions- wahrheiten zu übertragen ist, : indem sie es dabei als sich von selbst verstehend ansah, daß, wenn an einem Orte mehrere Synagogen - Gemeinden bestehen sollten, denselben es unbenommen bliebe, sich in Beziehung auf einen ge-
meinschaftlichen Religionslehrer zu vereinigen,“ l
Regierungs-Kommissar Brüggemann: Blos weil es besondere Schwierigkeiten zu haben schien, für jede einzelne Synagoge die Ver= pflihtung zur Anstellung eines besonderen jüdischen Religionslehrers auszusprechen, glaubte man den Weg offen lassen zu müssen, daß auch auf andere Weise, z. B. durch die Aeltern selbst, für die Ertheilung des Religions-Unterrichts gesorgt werden könne. Wenn aber die Versammlung es - angemessen hält, daß jede Synagoge verpflichtet werde, einen eigenen Religions-Lehrer anzustellen, und wenn |le den einzelnen Vereinen die finanziellen Mittel zutraut, um die Kosten die- ser Anstellung aufzubringen, so wird gegen eine solche Verpflichtung nihts zu erinnern sein, da dem Staate dasjenmge Mittel, welches die Unterweisung in der Religion am besten sichert, auch das erwünschteste sein muß. l L : ‘
Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch würde mih dem §. 26 widersetzen, insofern er wieder den Grundsaß aufstellt, den ih nicht anerkennen fann, daß dem Staate die Befugniß zustehe, darüber zu urtheilen, ob Jemand als Religions-Lehrer zuzulassen sei oder nicht, und in dieser Beziehung würde ih für die Weglassung des lebten Sabes im §. 28 stimmen. :
Marschall: Dieser Gegenstand wird noch besonders vor- fommen, für jeßt is zur Frage gestellt, ob vorgeschrieben werden soll, daß jede Synagogen-Gemeinde verbunden sei, wenigstens einen Religions-Lehrer anzustellen und zu besolden. Ich bitte diejenigen, welhe sich für diese Bestimmung erklären wollen, aufzustehen,
(Beinahe einstimmig angenommen.)
Referent (liest in dem Abtheilungs-=Gutachteu weiter):
„Legt aber der Staat den Synagogen- Gemeinden diese Verpflich- tung auf, so meinten einige Mitglieder, müsse er auh dafür sor- gen, daß dieselben solcher genügen können, daß es an qualifizirten Religions-Lehrern nicht fehle. Hierzu seien besondere Bildungs- Anstalten, gewissermaßen Seminarien, nothwendig. Wie der Staat Anstalten zur Heranbildung der Lehrer der christlihen Religion ins Leben rufe und unterhalte, so sei es auch seine Sache, zu Gun= sten der Lehrer jüdischer Religion es zu thun, da die Juden zu seinen Bedürfnissen eben so beisteuern, wie die Christen, und im Wege der allgemeinen Besteuerung selbst zur Unterhaltung - der Anstalten für die Lehrer der christlichen Religion beitragen.
Dem wurde von den übrigen Mitgliedern widersprochen, indem einzelne derselben unter Hinweisung darauf, daß die jüdische Reli-= gion nur einr geduldete sei, hon die Verpflichtung des Staats, überhaupt sich darum zu kümmern, wie die Juden sich ihre Reli- ions=-Lehrer heraubilden, Andere wenigstens die Obliegenheit des= Aben, die Kosten solcher Bildungs- Anstalten herzugeben, in Ab= rede stellten.
Als es zur Abstimmung kam, erklärte sich daher die Abthei= lung mit sechs Stimmen gegen vier zwar dafür,
daß es überhaupt zweckmäßig und nothwendig sei, Anstal=
ten zur Ausbildung jüdischer Religions-Lehrer einzurichten, in gleichem Stimmen-Verhältnisse aber dagegen:
daß dies auf Kosten des Staates geschehe. ““
Marschall: Wenn jeßt der Herr Abgeordnete Graf von Schwerin Gelegenheit nehmen will, seinen früheren Vorschlag vorzu- tragen, so is demselben hierzu das Wort gestattet,
(Geschieht nicht.) Verlangt. sonst Niemand das Wort? Der Haupt-Vorschlag der Abtheilung gcht dahin, daß Anstalten zur Ausbildung in der jüdi- schen Religion eingerichtet werden sollen, und dies bildet die allge- meine Frage, Ob diese Einrichtungen auf Kosten des Staats ausge- führt werden sollen, ist demnächst die zweite, Zunächst werde ich über die erste Frage abstimmen lassen und bitte diejenigen, welche dieselbe bejahen wollen, aufzustehen,
(Dies geschieht.) Das Ergebniß der Abstimmung is nicht mit Gewißheit zu über- sehen, ih bitte daher die Herren Ordner, zu zählen.
Das Ergebniß der Abstimmung ift folgendes: die Frage
ist mit 213 gegen 177 Stimmen bejaht, und hiernach steht
fest, daß Anstalten für die Ausbildung jüdischer Lehrer eingerichtet
‘werden sollen. Nun i: noch die Frage, ob die Einrichtung auf Ko-
sten des Staates stattfinden soll. Die Abtheilung hat sich dagegen erflärt, und es fragt si, ob sich Jemand darüber äußern will.
Abgeordn. Wodiczka: Jch gehöre zu den Mitgliedern, die der Ansicht. sind, daß die Anstalten zur Ausbildung jüdischer Lehrer nit auf Kosten des Staats eingerichtet werden, denn es giebt ka- tholishe Seminarien, die nit vollständig auf Kosten des Staates, sondern größtentheils- aus Fonds der Katholiken eingerichtet werden, und ih sehe nit ein, warum die Juden bevorzugt werden sollen.
Marschall: Wenn Niemand mehr das Wort verlangt, so kom- men wir zur Abstimmung, und ih frage, ob die Anstalten zur Ausbildung der jüdischen Lehrer auf Kosten des Staates errichtet werden sollen? Die Bejahenden bitte ich, aufzustehen. fs
(Es erheben sich nur sehr wenig Mitglieder, und die Frage 1/t verneint.)
Referent (liest vor): ; ,
„Eine Prüfung der jüdischen Religionslehrer in Betreff ihrer Rechtgläubigkeit und des Maßes der ihnen beiwohnenden Reli- gionsfenntnisse kann füglih nicht stattfinden, weil das Zudenthum eine geistlihe Autorität überhaupt nicht anerkennt. Jedoch darf deshalb dem Staate es nicht gleichgültig sein, welche wissenschaft lihe Bildung der Religionslehrer außerdem besißt, Da von einem Manne, welcher einen gewissen Grad allgemeiner wissenschaftlicher Bildung sich angeeignet hat, mit Grund auch eine gesundere Auf fassung der Religionswahrheiten zu erwarten is, so schien es der Abtheilung zweckmäßig, von einem jüdischen Religionslehrer wenig- stens die allgemeinen wissenschaftlihen Kenntnisse eines Elementar= lehrers zu fordern und in dieser Beziehung ihn einer Staats-Prü-= fung zu unterwerfen. Sie wünscht demnach einstimmig, daß hier- über noch eine ausdrüdckliche Festsebung erfolge, und würde ihrem Wunsche genügt werden, wenn in dem zweiten Abschnitte des vor- liegenden Paragraphen hinter „zugelassen werden, welche“. die Worte: „in einer mit ihnen anzustellenden Prüfung die allgemeinen wissenschaftlichen Kenutnisse eines christlihen Elementarlehrers nach- gewiesen und“ eingeschaltet würden, so daß dann dieser Abschuitt dahin lauten möchte :
„Als besondere Religionslehrer können nur solche Per- sonen zugelassen werden, welche in einer mit ihnen anzustellen- den Prüfung die allgemeinen wissenschaftlichen Kenntnisse eines christlihen Elementarlehrers nachgewiesen und zur Ausübung eines Lehramtes vom Staate die Erlaubniß erhalten haben.“
Regierungs - Kommissar Brüggemann: Jh wollte mir die Bemerkung erlauben, daß das, was die Abtheilung wegen der Prü- fung der Religionslehrer wünscht, bereits besteht; deun es wird kein jüdischer Lehrer zur Ausübung des Amtes eines Religionslehrers zu- gelassen, der nicht die allgemeine Bildung und die Kenntnisse eines christlichen Elementarlehrers nachgewiesen und zur Ausübung eines Lehramtes vom Staate die Erlaubniß erhalten hat. Die Ertheilung der Erlaubniß zur Ausübung eines Lehramtes seßt die nachgewiesene Qualification dazu voraus.
Abgeordn. Graf Schwerin: Eine Bemerkung dem Herrn Re- gierungs-Kommissar gegenüber bitte ih mir zu erlauben. Jh möchte es für zweckmäßig halten, wenn es bei der Fassung bleibt, welche die Abtheilung vorgeschlagen hat. Mit Berücksichtigung dessen, was der Herr Regierungs-Kommissar uns gesagt hat, bali es die Tendenz der Staats=Regierung sei, daß konfessionelle Schulen eingerichtet werden sollen, würde der Paragraph fo verstanden werden, als wäre diese Tendenz auch hier ausgesprochen, und es wird daher die Fassung, wie sie die Abtheilung vorgeschlagen hat, die bessere sein.
Regierungs-Kommissar Brüggemann: Der Staat hat seiner- seits eine Prüfung der jüdischen Religionslehrer niht anordnen köu- uen, weil er sich eben in den inneren jüdischen Kultus nicht ein- mischen will, P s
Referent: Nach meiner Ansicht würde sih die Prüfung nux darauf beschränken, von welcher moralischen Qualification er ist. Auf die wissenschaftliche Ausbildung des Lehrers dürfte sie sich nicht aus- dehnen, und um in dieser Beziehung jedes Bedenken zu heben, ist es nothwendig, daß der Zusay zu dem §. 28 so gefaßt wird, wie die Abtheilung ihn gewünscht hat. 4 S
Regierungs-Kommissar Brüggemann: Dagegen würde ich nichts zu erinnern haben.
Marschall: Wenn Niemand das Wort verlangt, so frage ich, ob der Antrag der Abtheilung angenommen werden soll?
(Wird vou der Versammlung angenommen.)
Referent (liest vor):
„Um den Lehrern jüdischer Religion keine Gelegenheit abzu- shneiden, si diese Kenntnisse anzueignen , schien es einigen Mikt- gliedern zweckmäßig, denselben auch die Aufnahme în die Seming- rien des Staats für cristlihe Lehrer zu gestatten. Dies wollten andere Mitglieder bedenklich finden, weil der Unterricht in den Se- minarien mit der Religion im innigsten Zusammenhange stehe und die ganze Erziehung der Zöglinge in den jeßigen Seminarien auf christiicher Lebensanschauung beruhe. Judeß blieben jene Mitglie- der bei ihrer Ansicht, weil den geistlichen Zöglingen die Anwesen- heit von Juden in den Seminarien so wenig gefährlih werden fönne, als in Gymnasien oder anderen Schulen, die aufgeworfenen Bedenken also höchstens auf Seiten der Juden beständen und den= selben dadurch begegnet werde, daß die Juden zum Eintritt in die Seminarien für Christen nicht gezwungen werden, ihnen solcher nur, wenn sie es wünschen, gestattet werden solle. Mit 9 Stimmen ge- gen 6 entschied sich die Abtheilung für den Vorschlag, also dafür, daß den jüdischen Lehramts - Aspiranten die Aufnahme in die Se- minarien für hristlihe Lehrer zu gewähren sei.“
Jch glaube, es is eine Konsequenz des ersten Satzes, und wir haben thn aufgestellt , damit die jüdischen Lehrer die Kenntnisse der christlihen Elementar=-Lehrer sich aneignen.
Abgeordn. von Auerswald: Jch erkläre mih entschieden ge- gen den Vorschlag der Abtheilung, weil der Vergleich, der hier ge- macht is, auf die Seminarien , die keinesweges nur Unterrichts -= Än- stalten sind, nicht paßt. Zweitens und hauptsächlich aber aus dem Grunde, weil ih bereits gegen einen früheren Vorschlag, der eine direkte Einmischung in die Verhältnisse einer geduldeten Religions Gesellschaft bezweckte, gestimmt habe, weil ih eine solhe Einmischung im Jnteresse derselben nicht geeignet halte, und aus demselben Grunde glaube ih, daß auch hier keine Eiumischung stattfinden dürfe.
Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh habe geglaubt, daß es nicht nothwendig sein würde, noch etwas zu den Gründen der Ab- theilung hinzuzufügen, da sich aber eine, nameutlich für mich sehr gewichtige Stimme dagegen erhoben hat, so bitte ich, das Abtheilungs- Butachten noch einmal vertheidigen zu dürfen ; ih bin für dasselbe, indem ih für die Seminaristen eines christlichen Seminars, wenn Juden Theil nehmen an dem Unterricht, keinen Nachtheil schen kann. Daß die Tendenz des Unterrichts niht geändert werden soll, versteht sich von selbs, Wenn also die Juden keinen Anstoß daran nehmen, o ist quch nicht Sten, warum etwas von uns dagegen E wer=- den soll. Jch halte es-füx das Juteresse des Christenthums sogar wünschenswerth, die Juden zu dem Unterrichte in demselben heranzu- ziehen, da ihnen dadurch die Kenntniß des Christenthums möglich
1187 wird, und- jemehr man das ChlieE en ennen lernt, desto mehr wird man sich demselben E ließen gegeis! sein,
Abgeordn. Frhr. von Vincke: Ih schließe mich dem an, und ih glaube, daß von dem Standpunkte des cristlihen Staates aus, der uns von der Ministerbank proklamirt worden is , es als eine gewisse Schwäche erscheinen würde, wenn man das Christenthum durch die Zulassung der Juden gefährdet halten wollte. Dagegen möchte ich doch das Gouvernement verwahren.
Regierungs = Kommissar Brüggemann: Es isst keinesweges das Christenthum dur die Aufnahme jüdischer Schulamts - Aspiran- ten in die cristlihen Seminarien für gefährdet gehalten worden, sondern der Grund, weshalb die Aufnahme in die Seminarien bei der in einzelnen Fällen nahgelassenen Theilnahme an dem Unterricht versagt worden ist, liegt in der christlihen Lebens- Gemeinschaft, in welcher die Seminagristen verbunden sind, und nach welcher ihr gan- zes Leben in den Seminarien geregelt is; in diese Gemeinschaft jü- dische Aspiranten aufzunehmen und dieselbe dadurch zu trüben oder von den jüdishen Aspiranten eine Theilnahme zu verlangen, schien nicht zulässig. y
Abgeordn, Dittrich: Jh schließe mich der Abtheilung an und glaube, daß es in der Konsequenz beruht, daß nah dem, was über die Schulen beschlossen worden is , die Lehrer auh in den Se- minarien aufgenommen werden müssen, Auch aus dem, was der Kü= niglihe Herr Kommissarius gesagt hat, finde ih keinen Grund, um gegen den Antrag zu stimmen; weil den Juden überlassen bleibt, die Aufnahme zu beantragen; ih glaube, daß eine solche dem christlichen Prinzipe siher niht {haden würde.
Abgeordn, von Massow: Jch bemerke, daß die Aufnahme in den Seminarien, falls sie beschlossen würde, in Folge unseres frü-= heren Beschlusses jedenfalls auf Kosten der Judenschaft geschehen würde.
Abgeordn. von Auerswald: Jch muß wiederholt und aus dem Grunde, den ich bereits anführte, daß es nämlich nicht geeignet sei, sih in die inneren Verhältnisse einer geduldeten Religions-Gesell= schaft zu mischen, dagegen stimmen. Jch muß bedauern, daß ih mich den beiden geehrten Mitgliedern, welche eben sprachen, nicht anschlie= ßen fann; ih fann weder dem Abgeordneten der Grafschaft Mark auf den Gesichtëpunkt des christlihen Staates folgen, noch die Ten- denz unterstüßen, die der Abgeordnete der pommerschen Ritterschaft mir ganz unerwartet aussprach, und hätte geglaubt, daß er der Lebte sein würde, der sich von der Proselytenmacherei Vortheile verspricht.
Abgeordn. Frhr. von Vincke: Jh muß mich vorerst aufs allerentschiedenste gegen die Vorausseßung verwahren, als ob es mir jemals in den Sinn hätte kommen können, den sogenannten christlichen Staat zu vertheidigen. Jch habe mich so vollständig dagegen aus=- gesprochen, daß das geehrte Mitglied dies wohl nicht vorausseßen konnte. Jch habe gesagt, daß ih nichts dagegen zu erinnern haben würde, die Juden in den Seminarien zuzulassen, Jch habe dabei so wenig, wie das Mitglied der pommerschen Ritterschaft, an Proselyten=- macherei gedacht, aber wohl daran, den Juden Gelegenheit zu geben, sich die Kenntniß der hohen Vorzüge des Christenthums zu erwerben, Wenn ih dem Mitgliede weiter folge, so sche ih darin keine Ein= mischung in die Verhältnisse einer geduldeten Religion, wenn ih ihren Bekennern gestatte, freiwillig dem Unterricht in den Seminarien bei= zuwohnen. Es is ja fakultativ und ganz in die Freiheit der Juden gestellt; von Zwang is uicht die Rede, Gegenüber dem Königlichen Kommissar muß ich dann noch bemerken, daß ih nicht habe verstehen fönnen, was unter Gemeinschaft des christlichen Lebens ge- meint is, Dieser Ausdru is für mich eben so mystisch_und unver= ständlich, als der Begriff des christlihen Staates. Wenn die Juden keinen Anstand finden, an christlihen Tischen zu essen, dann fönnen sie au vollständig in den Seminarien zugelassen werden,
Landtags-Kommissar: Nachdem der Kommissar des geist- lichen Ministeriums erklärt hat, daß die Aufnahme der jüdischen Schul-Aspiranten in den Unterricht der christlichen Seminarien keinen Anstoß finde, sie seither zugelassen sei und ferner zugelassen werden würde, so scheint es mir doch faum an der Zeit zu sein, daß sich die Versammlung noch länger mit der Frage beschäftige, ob dergleichen Aspiranten auch in den Seminarien essen, trinken und schlafen sollen, Es ist dies eine Frage, die in den Haus-Ordnungen der Seminarien zu entscheiden sein wird, nicht aber in dem Geseße über die Juden, Möge man über die Frage denken, wie man will, hierher scheint die Entscheidung nicht zu gehören.
Referent Sperling: Es handelt sich hier um Zugestehung der Rechte der Staats=Bürger an die Juden fo weit als irgend möglich. Von diesem Gesichtspunkte müssen wir ausgehen, Wenn von déèn Königlichen Herrn Kommissar gesagt worden, es würde für die Juden ausreichend sein, wenn sie nur am Unterricht theilnehmen, so kann ih dieser Ansicht nicht beistimmen, Es kommt guf Feststellung des Prin- zips an. So wie die Christen aus Rücksichten der Konfession von dem Eintritte ins Seminar im Allgemeinen nicht ausgeschlossen sind, eben so können wir konsequenterweise auch den Juden nicht davon ausschließen. Die Proselytenmacherei, welcher éin geehrtes Mitglied gedacht hat, seßt eine positive Thätigkeit voraus. Von solcher kann hier nicht die Rede sein, da es von dem freien Willen des Juden abhängen soll, ob er in das Seminar Aufnahme suchen will oder nicht. Eben so sind die Bedenken, welche der Königliche Herr Kom- missar aufgestellt hat, nur solche, die auf Seiten der Juden bestehen fönnten, nie aber auf Seiten der Christen. Jch glaube, daß das Gutachten der Abtheilung nicht ges{hwächt und aufrecht zu erhal ten ist.
E Graf von Schwerin: Jch wollte nur sagen, daß
es nah dem, was der Herr Königl. Kommissarius zugestanden hat, für uns von feinem Juteresse ist, die Sache ferner zu verfolgen, ob die Juden als Zöglinge in die Seminare aufgenommen werden kön- nen. Jh muß mir aber die Bemerkung gestatten, daß der Herr Re- gierungs-Kommissar es war, der uns auf die prinzipielle Erörterung geführt hat, indem er den Grundsaß aufstellte und vertheidigte, sie aufzunehmen und Theil nehmen zu lassen am Leben der christlichen Seminaristen, sei im Prinzip nicht zu rechtfertigen. Nachdem er dies aufstellte, haben wir Veranlassung gefunden , diesen Grundsaß zu be- streiten. Abgeordn, Hansemann: Auf die Bemerkung des Herrn Land-= tags-Kommissars, daß die Sache eigentlich hier nicht zur Berathung gehöre, habe ih zu erwiedern, daß, nahdem das Gouvernement uns verschiedene Bestimmungen über den Kultus vorgelegt hat, nichts na- türlicher und folgerichtiger ist, als daß auch andere hierher gehörige Bestimmungen bei dteser Gelegenheit zur Sprache gebracht werden.
Abgeordn. von Saucken: Es ist {on Mehreres, was ih sagen wollte, von den Abgeordneten aus Westfalen und Pommern erörtert worden, dem ih mich anschließe. Wenn aber davon geredet wird, es würde durch die Aufnahme in die Seminarien Proselytenmacherei getrieben werden, \o muß ih bemerken, daß die Juden gezwungen sind, Soldaten zu werden, mit den christlichen Waffenbrüdern zu essen, zu trinken und Alles mit ihnen gemeinsam zu thun, und doch wird dies Niemand für Proselytenmacherei halten, um so weniger kann dies dafür erkannt werden, wenn man ihnen nur das Recht giebt, freiwil- lig am ristlihen Unterrichte Theil zu nehmen und in die Semina- rien. die Aufnahme nachzusuchen.
Abgeordn, von Massow: Jch habe nur eine kurze Bemerkung
zu machen zu dem, was der Referent ge R , nirgend im Staate Similtän-Stra R t Fat G ns dos E Seminarien für evangelische oder fatholische Schulamts-Aspiranten. streiten. Cs fommt aue hièe nit ine Seveder, Wugeben,, nod hes eiten. ier niht in Be f “ane Juden die Rede ist, Sg trat, da hier nux von geordn, von Merdckel: Jh wollte mir di S ben, ob von Seiten der Abtheilung überhaupt bier cin (S geme dement gestellt ist, Aus dem Gutachten faun ih es nicht ersehen wenigstens nicht mit Bestimmtheit, Jh bitte, vaß sich die Abthei lung hierüber ausspreche, ob sie den bestimmten Antrag stellt,
Referent Sperling: Jh bitte, deshalb die lezten Worte des Gutachtens zu lesen.
Abgeordn. Graf von Finkenstein: Jh muß mich im Namen der christlichen Religions-Freiheit , der geistigen Freiheit , gegen die Aussprüche der Abgeordneten von Westfalen und Pommern erklären. Den Juden soll alle Freiheit gestattet werden; aber offenbar wird dadur die christlihe Religions-Freiheit angetastet, wenn in die Häu= ser, welche dem hristlihen Kultus in Leben und Lehre gewidmet sind, Leute NIReUQRIREN werden, welche diesem Bekenntnisse feindlih ent- gegenstehen.
(Ruf nah Abstimmung.)
Marschall: Die Frage is zunächst, ob. die Aufnahme jüdi= cher Lehramts-Aspiranten in Seminare für christlihe Lehrer gestat= tet werden soll. Diejenigen, welche die Frage bejahen, bitte ih auf- zustehen.
Jch werde bitten, zu zählen.
Die Frage is mit 206 gegen 183 Stimmen bejaht worden.
Referent Sperling:
: „S. 29.
Zur Unterhaltung der Orts\chulen haben die jüdischen Glaubens=« genossen in gleicher Weise und in gleichem Verhältnisse mit den christ- lichen Gemeindegliedern den Geseben und bestehenden Verfassungen gemäß beizutragen.“
Er blieb unangefochten.
Abgeordn. von Fock: Jch beantrage den Fortfall von §. 29 aus demselben Grunde, wie den der §8. 26 und 27, weil danach das Verfahren dasselbe sein soll, wie nah den bestehenden Geseßen, weil es also dieses Paragraphen gar nicht bedarf.
Marschall: Wird dieser Antrag unterstüßt? Abgesehen da=- von nämlich, daß über §§. 31—33 noch abgestimmt werden wird, soll dieser Paragraph wegfallen, i
(Der Antrag wird unterstüßt.)
Referent: Jn Beziehung auf diesen Paragraphen erlaube ih mir die Bemerkung, der hoffentlich die ganze Abtheilung beistimmen wird, daß nämlich wir den Wegfall des Paragraphen nur deswegen nicht beantragt haben, weil die darin enthaltene Bestimmung den Juden vortheilhaft werden könnte, indem in Beziehung auf sie etwas Anderes bisher beobachtet worden is. Das i der einzige Grund, wearum die Ab=- theilung sih für seine Beibehaltung entschieden hat.
Marschall: Jch frage nun: Soll §. 29 wegfallen? Die= jenigen, welche für den Wegfall sind, bitte ih aufzustehen,
(Es erhebt \sich feine Majorität.)
Referent:
,§. 30,
Eine Absonderung von den ordentlichen Orts\schulen können die jüdischen Glaubensgenossen der Regel e nicht verlangen; doch i} den Judeu gestattet, in eigenem Juteresse auf Grund diesfälliger Vereinbarungen unter sich mit Genehmigung der Schulbehörden Pri- vat= Lehranstalten nah den darübef? bestehenden allgemeinen Bestim= mungen einzurichten, Js in einem Orte oder Schulbezirke eine an Zahl und Vermögensmitteln hinreichende christliche und jüdische Be- völkerung vorhanden, um auch für die füdishen Einwohner ohne de- ren Ueberbürdung eine besondere öffentliche Schule anlegen zu können, so fann, wenn sonst im allgemeinen Schulinteresse Gründe kèazu vorhanden sind, die Absonderung der jüdishen Glaubensgenossen zu einem cigenen Schulverbande auf den Antrag des Vor standes der Judenschaft angeordnet werden.“
Gutachten der Abtheilung.
Nach der Fassung dieses Paragraphen könnte es den Anschein gewinnen, als wenn es lediglich von dem freien Entschlusse des Vorstandes der Judenschaft abhängen soll, ob eine besondere öffent- lihe Schule für die Kinder der jüdischen Orts -Cinwohner einzu- rihten sei oder niht. Geht man aber auf die in der Denkschrift Seite 34 aufgeführten Gründe zurück, welhe zur Errichtung einer solchen Schule Veranlassung bieten sollen, so findet man, daß solche von der Art sind, daß sie überall eintreten könuen, und daß da=- selbst, wo sie geltend gemacht würden, der Vorstand der Juden= schaft gezwungen sein würde, die Errichtung einer eigenen jüdischen Schule in Antrag zu bringen. Hiernah dürfte es auh faum einem Zweifel unterliegen, daß die Tendenz des Geseß= Entwurfs geradezu dahin gerichtet sei, auf die Errichtung eigener, jüdischer, sogenanuter Glaubens - Schulen hinzuwirken, und dies muß, wie hon zu §. 17 bemerkt worden, nicht allein dem Staats = Interesse widersprechend, sondern auh mit den bestehenden allgemeinen ge- seßlichen Grundsäßen unvereinbar erachtet werden. Nach diesen ist es lediglih Sache der bürgerlihen Kommunen, Elementarschulen, so weit es das Bedürfniß erfordert, einzurichten; und wie hierbei auf die verschiedenen Bekenntnisse der christlichen Kirche nicht gese- hen wird, eben so wenig fann dabei das Glaubensbefenntniß der Juden in Betracht kommen, so wenig von einzelnen Sekten der christlihen Kirche, wenn sie auch nur zu den geduldeten gehören, gefordert wird, daß sie für sih eigene Schulen anlegen und unter- halten, eben so wenig kann dasselbe von den Juden gefordert wer- den, da sie eben so Mitglieder der Kommunen sind, wie die Chri- sten. Selbst nur in Form einer Vergünstigung es ihnen zu über- lassen, für sich besondere öffentlihe Schulen zu errichten, würde eine Ausnahme von der Regel sein, welche bedenklich wäre, weil es an Bestimmungen nicht fehlt, nah welchen, wenn einmal der- gleichen öffentlihe Schul - Anstalten bestehen, dieselben au unter- halten werden müssen, Daher kam die Abtheilung zu dem einmü= thigen Beschluß, den Wegfall des in Rede stehenden Paragraphen, mit alleiniger Ausnahme des ersten Sates, und aller übrigen bis g. 33 incl. zu beantragen, aber auch im ersten Saße des §. 30, um Zweifel zu vermeiden, noch die Worte „der Regel nah“ zur schung zu empfehlen, so daß si dieser Paragraph auf die Worte beschränken würde: / S f
„Eine Absonderung von den ordentlichen Ortsschulen kön- nen die jüdischen Glaubenêgeno}sen nicht verlangen; doch ist es den Juden gestattet, in eigenem Interesse auf Grund diesfälliger Vereinbarungen untet sich mit Genehmigung der Schul-Behörden Privat-Lehr-Anstalten nah den darü- ber bestehenden allgemeinen Bestimmungen einzurichten.“
Für den Fall, daß auf diesen Vorschlag von dem Plenum nicht eingegangen werden sollte, vereinigten sih die Mitglieder der Abtheilung zu dem einstimmigen Wunsche, daß wenigstens
§. 30 am Schlusse hinter dem Worte: „Vorstand“, die Worte: „und der Repräsentanten““, eingeschaltet werden möchten, da der Antrag auf Errichtung einer besonderen