1847 / 170 p. 6 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

nach Umständen dort ein Veto einzulegen. Das is nicht gemeint. Man hat hauptsächlih bezweckt, daß die Juden, auch wenn ein besonderes Vertrauen der christlichen Gemeindeglieder sie nit zu Stadtverordneten. wählt, denno nie aus den Stadtverordneten-Ver= sammlungen ausgeschlossen werden. Befinden sie sih aber einmal in der Versammlung, so soll man nicht unterscheiden, ob sie Juden bt oder niht. Ein jeder Stadtverordneter hat die Pflicht, das

ohl der Gemeinde im Ganzen wahrzunehmen, und dies gemeinsame Wohl soll auch das jüdische Mitglied der Stadtverordneten nah dem Vorschlage des Geseb- Entwurfes nicht aufhören, ins Auge zu fassen.

Graf von Burghaus: Jh muß meinerseits erklären, daß ich mich dem Vorschlage der Abtheilung anschließe, und zwar von dem Standpunkte ausgehend, daß ih zwar mit Freuden den Juden gleiche bürgerlihe Rechte eingeräumt sehe, mit Ausschluß einiger wenigen, die im Geseß= Entwurf vorbehalten sind. Aber ih kann nicht einsehen, warum ihnen mehr Rechte eingeräumt werden sollen, als die ristlihen Einwohner des Staats genießen, und es scheint mir eben dieser Vorschlag ein Mehr zu jeu. Denn die Juden erhal-= ten dann nah der Bestimmung des §. 6 das Recht, daß immer ein

ude gewählt werden muß, ofern die bestimmte Zahl von jüdischen en in einem Orte vorhanden is, Es scheint mir aber auch im Interesse der Juden selbst zu liegen, wenn diese Bestimmung nicht Plat greift, indem ein solchergestalt gewählter jüdischer Abge- ordneter in der Stadtverordneten - Versammlung nicht eine so günstige Stellung einnehmen wird, als wenn er mit dem ganzen Vertrauen der städtishen Einwohner gewählt ist, und ich halte es daher wünschenswerth, daß dieser Paragraph wegfalle.

Fürst Wilhelm von Radziwill: Jch muß nur wiederholeu, was ih gestern {on die Ehre hatte zu sagen, und mein Bedauern ausdrücken, daß die Ansicht, welche die Regierung bei der Fassung dieses Paraaraphen gehabt hat, nicht vollständiger entwickelt worden ist, da bei einer vollständigeren Entwickelung der Jdee sih ein Vertrauen der Betheiligten zu dieser Richtung des Geseßes würde haben be- gründen lassen. Es hat die Minorität die Reciprozität bei dem §. 15 vermißt, die durchaus nothwendig schien, um ihn in jeder Beziehung gerecht zu stellen, hat aber im Uebrigen die wohlwollende Absicht der Regierung nicht verkannt, die darin besteht, den Judenscha|ten ihre Vertretung in den Stadtgemeinden zu sichern, wenn sie auh nicht aus den freien Wahlen der Christen hervorgehen sollten.

von Hochberg: Jch wollte mir nur eine kurze Bemerkung erlauben, mnodurch sich die Ansicht vielleiht anders stellen könnte. Es i} bisher in meiner Nähe und in den Kreisen, wo ih mich befinde, vorgekommen, daß die Juden dort das Vertrauen der Stadtbewohner gewonuen haben und als Stadtverordnete und Raths= männer in den Magistrat eintreten, und sie wurden gar nicht vou ihrem religiösen Standpunête aus betrachtet, sondern als Männer, die das Vertrauen der Kommune genießen, und ih fühle mih ver= pflichtet, ihnen das Zeugniß zu geben, daß sie sich dieses Vertrauens stets würdig gezeigt haben, und daß man die Juden auch als Ge- richts\reiber angenommen hat. Jch würde mich der Ansicht anschließen, daß es in Zukunst in Beziehung darauf bei den bestehenden Ver= hältnissen bleiben möge, obgleich dieser aus meiner Erfahrung ge- \{chöpfte Fall freilih ein einzeln dastehender is und ih auch nicht befugt bin, eine Ansicht für die anderen Provinzen des Staats aus-= zusprechen.

Referent: Jh kann gleichfalls aus meiner dienstlichen Erfah= rung bestätigen, day bei den Stadtverordneten - Versammlungen,

namentlich im Pommern, ich Juden gesunden habe, die ihre Stellung vollständig gausfüllten, und ich glaube also, daß die bisherigen Ver= hältnisse im Wesentlichen gut waren, und es möchte wohl Niemand wünschen, daß sih die Stadtverordneten - Versammlungen in kon= fessionelle Parteien sonderten. ,

_Graf Jork: Jch wollte nur bemerken, daß ih an der guten Absicht, die Se. Excellenz ausgesprochen, den Juden einen außer= ordentlichen Beweis der Gewogenheit zu geben, nit zweifeln darfz ih fann ihn jedoch als solhen nicht aufnehmen, denn es ist eine nothwendige Folgerung, daß, wenn der Jude von der Judenschaft, also von einer Körperschaft, gewählt wird , sich auch ein korporatives Juteresse bei den Vertretern finden muß, und daß wir. einen Kampf zwischen den Interessen der christlihen und jüdischen Bevölkerun hervorrufen, der gegenwärtig nicht mehr existirt, Es ist mir as nie zu Ohren geëommen, daß eine christlihe Stadtverordneten - Ver= sammlung die jüdischen Mitglieder der Kommune nicht mit gleichen Augen wie den Christen angesehen, und es würde, wenn das ge- schehen wäre, ein \hwerer Vorwurf gewesen sein für den, der gegen Pflicht und Gewissen gehandelt hätte, und ‘es ist mir auch noch nie bekannt geworden, daß Juden über Stadtverordnete eine der- gleichen Klage geführt; ih stimme also dafür, daß der Parapraph wegfällt.

_Graf von Königsmark: Jch kann mich dem nur anschließen, weil ih die Ueberzeugung hege, daß der Wuusch, der Paragraph möge weg- bleiben, mit den Wünschen aller Juden im preußischen Lande über= einstimmt. j

Marschall: Wenn keine weitere Bemerkung erfolgt, so kom- men wir zur Abstimmung, und zwar in der Art, daß diejenigen, welche dem Antrage der Abtheilung, daß der Paragraph wegfalle, beistimmen, dies dur Aufstehen zu erkennen geben. :

Dem Antrage is beigestimmt, und wir kommen zu dem §, 16. Eren Die folgenden Paragraphea handeln von dem Kul-

(Verlesung §. 16 des Gesebes, “W des Gutachtens ad §. 16.) 1

Die auf den Kultus bezüglichen i inri /

Nov ot ; i glichen inneren Einrichtungen bleiben an Rerdenh jeder einzelnen Judenschaft, resp. deren Mellehern éihtiiaen Matt überlassen, Die Regierung hat von diesen Ein- treffen, als die ofes Kenntniß zu nehmen und Entscheidung zu

Zum §. 16 in ee Ordnung ihr Einschreiten erfordert. gekommen, diks aE L Eg nur ein Zusaß in Anregung mit 4 gegen 3 Stimmen A eR M: E

Tit. 11 Theil IT. des Alleadeavden entspricht (Len Ss Sd Fs Synagogen - Ordnungen annehmen A dete ie Geb ala ber

Regierung insofern erhalten, voß ver & / i halt zu erinnern findet: so haben diese Md aen L r Natur der Polizei-Geseße. Hiernach is es \ukéssig und dey e rathen, daß die Synagogen - Ordnungen zuweilen Geldstrafen F Störungen des Gottesdienstes androhenz es fragt ic, ob di gegen dem Vorlgtde des Vereins oder auf Antrag de vas d e a olizei-Behörde festgeseßt und eingezogen werden sollen. Die V E eher der Juden im Posenschen wünschen öfter Leßteres, um v orstande das Odium der Straffestsepung zu ersparen, und die Mi Einmischun as De, 6 alen, R die Majorität eine \olche er Polizei-Béhö für bedenflh M z hörde, selbst auf Antrag des Vorstandes, ollte die Ansicht der Minorität bei der hohèn Kurie Anklan werteÍ fo I der beregte Zusaß möglicher Weise dahin gefaßt ¿¿Auf Ansuchen des Vorstandes hat die Polizei-Behörde die Geld- strafen festzuseßen und einzuziehen, welche durd eine geseplih eingeführte Synagögen-Ordnung angedroht worden sind,“

“Jin Allgeméinen empfiehlt die Abtheilung den §. 16 und eben so auch den §. 17 zur Annahme.

Referent Graf von Jhenpliß: Jh bemerke zunächst, daß die Minorität nicht blos aus meiner Person bestanden hat, sondern daß die Majorität 4 und die Minorität 3 Stimmen deirug.. h bin auf diesen Antrag dadur geführt worden, weil ih glaube, daß dazu eim praktisches- Bedürfniß vorliegt. -— Wenn die Juden Syna=- gogen-Ordnungen annehmen, so werden diese der Regierung zur An= erkennung vorgelegt, und diese äußert sich den Geseben entsprechend in der Regel dahin, daß sie sagt: „wir finden gegen die Synagogen- Ordnungen nichts zu erinnern.“ Nun i hervorzuheben, daß öfter die eine Partei, welche an den bisherigen Anordnungen hält und bei Annahme der Synagogen-Ordnungen in der Minorität geblieben ist, diese dadur geltend zu machen sucht, daß sie den Gottesdienst, wenn dieser in der neu vorgeschriebenen Ordnung vor sih geht, zu stören suht, Jn einem solchen Fall is dann der Vorstand ermäch- tigt, die Strafen festzuseßen, welche die Synagogen - Ordnung an- droht. Es scheint wünschenswerth, daß, wenn der Fall einer Störung eintritt, der Vorstand befugt sei, der Polizeibehörde Anzeige zu machen: „Der N. N. hat gegen den und den Paragraphen der Synagogen =- Ordnung verstoßen und ist daher zu bestrafen.“ Wenn derselbe es nicht zugesteht, \o is der Beweis zu führen, und wenn der Beweis geführt i, \o wird er bestraft. Jch habe dies nur wollen zur Sprache bringen, weil ih weiß, daß es von vielen Vor= ständen gewünscht wird, der Straf=-Festj)eß ung überhoben zu sein und solche der Polizeibehörde überlassen zu können.

von Massenbach: Jch erlaube mir eine Bemerkung dagegen. Jch glaube, daß die Veränderung nicht eine Verbesserung, sondern eine- Verschlehterung ihres Gottesdienstes is, weil es nämlich die jüdische Partei is, welhe man zu den Lichtfreunden rechnen kann, und ih sehe niht ein, warum wir diese Partei unterstüßen wollen. Jch würde mich dafür erklären, daß es bei den alten Einrichlungen in der Synagoge bleibe.

Referent Graf von Jbenpliß: Jch glaube, es geht über unsere legislatorishe Befuguiß und über die Stellung des Staates, den Juden als einer geduldeten NReligionsgesellshaft gegenüber, hin- aus, zu beurtheilen, was rücsichtlich ihres Gottesdienstes s{lechtr oder besser is. Dem Staate kann es ganz gleichgültig sein, was besser itz allein sür das, was die Majorität angenommen hat, scheint mir äußerlich die Präsumtion zu sprechen, daß es besser seie.

Graf Dyhrn: Nach meiner Ansicht is davon hier nicht die Rede, es is hier von Störungen des Gottesdienstes überhaupt die Rede. Daß diese von einer gewissen neuen Partei ausgehen fönnen, war, so viel ih verstanden habe, nur die Privat - Ansicht des Herrn Referenten. Die Störungen können von der alten Partei eben so gut ausgehen, wie von der neuen. Wir entscheiden hier gar nicht über irgend eine Partei. Wenn wir überhaupt damit übereinstimmen, daß die Polizei- Behörde die Störungen strafen soll, so sprechen wir dadurch nicht aus, daß wir irgend einer Partci helfen wollen. Wir sprehen blos von Störungen. Nach meiner Ansicht war es ein Beispiel, welches der Herx Referent vertreten wird; aber es war nicht die Ansicht ausgesprochen, daß wir diese Strafen einführen sollen, vamit die neue Partei die alte uicht störe.

von Masseubach: Der Herr Referent hatte sih in eben der Art darüber ausgesprochen, und darum hielt ih mich zu meiner Be- merkung verpflichtet. Jch glaube auch, wie der Herr Referent sagt, daß wir nicht darüber zu entscheiden haben, ob wir eine oder die andere Partei an einer Verbesserung verhindern wollenz aber ih sehe auch nicht ein, warum wix uns einmischen wollen, und dadurch der einen oder der anderen Partei polizeiliche Hülfe gewähren. Ich glaube, daß gerade in religissen- und kirchlichen Angelegenheiten, es sehr selten die Majorität ijt, von der man behaupten könnte, daß sie Recht habe.

Marschall: Es muß bemerkt werden, daß es sih nicht von Stsrunzen des Gotleôdienstes allein handelt, sondern von Uebertre=- tungen überhaupt.

Graf Dyhrn: Auch bei Störungen in christlichen Kirchen muß die Polizei requirirt werden. Welchen Grund die Störungen haben, das i} ganz gleih. Es kaun Jemand in einem unzurechnungsfähigen Zustande in die Kirche kommen und Störungen verursachen.

Marschall: Wenn keine weitere Bemerkung erfolgt, so kom- men wix zur Abstimmung und zwar in der Weise, daß diejenigen Mitglieder, welche dem Antrage, wie er vorliegt, beitreten wollen, dieses durh Aufstehen zu erkennen geben,

Referent Graf von Jbenpliß: Der Antrag lautet: ,, Auf Ansuchen des Vorstandes hat die Polizei-Behörde die Geldstrafen festzuseßen und einzuziehen, welche durch eine geseßlich eingeführte Synagogen - Ordnung angedroht worden sind. :

Graf York: Wenn ich ret verstanden habe, so soll jest die Ansicht der Minorität zur Abstimmung kommen. :

Marschall: Der Vorschlag is von 6 Mitgliedern unterstüßt worden, und dies is} die Veranlassung, weshalb ih ihn jeßt zur Ab- stimmung bringe. Es würden diejenigen, welche dem Vorschlage bei- treten, dies durh Aufstehen zu erkennen geben. O

Die Majorität ist dem Vorschlage beigetreten. Wir fommen zu G 1/7 : Referent Graf vou Ibenplih: (Liest vor.)

S. 17

Dem Statute einer jeden Judenschast bleibt die Bestimmung darüber vorbehalten, ob Kultusheamte angestellt uud wie dieselben gewählt werden sollen. Bis dahin behält es wegen dieser Wahlen bei demjenigen, was in den einzelnen Judenschasten herfömmlich ist, und in Ermangelung eines festen Herkommens bei den allgemeinen geseßlichen Vorschriften wegen der Wahl von Gejellshaftsbeamten sein Bewenden, Die gewählten Kultusbeamten dürfen in ihr Amt niht eher eingewiesen werden, bis die Regierung erklärt hat, daß gegen ihre Annahme nichts zu erinnern ijl. L1€ Regierung hat bei diejer Erklärung außer den Förmlichkeiten dec Wahl nur darauf Rücksicht zu uehmen, daß die gewählten Kultuëbeamten unbescholtene Männer sind. / H

Das Gutachten hierzu lautet: „Jm Allgemeinen empsiehlt die Abtheilung den §. 16 und eben so auch den §. 17 zur Annahme.

g. 17 wird zur unveränderten Annahme seitens der Abtheilung empfohlen. |

Marschall: Der Paragraph is angenommen.

Referent Graf von Zpenplisg (trägt vor) :

S.

Entstehen innerhalb einer Judenschaft Streitigkeiten über die inneren Kultus - Einrichtungen, welche auf Bildung einer neuen Sy- nagoge abzielen, so sind die Minister der geistlihen 2c. Angelegenhei- ten und des Junern ermächtigt, auf den Antrag der Interessenten eine Begutachtung der obwaltenden Differenzen durch eine zu diesem Zweck einzuseßende Kommission eintreten zu lassen. Kann durch den Ausspruch der Kommission der Konflikt nicht aysgeghen, werden, \o haben die Minister unter- Benußung des von der Kommission ab=-

gegebenen Gutachtens darüber Anordnung zu treffen, ob und mit welcher Maßgabe die Einrichtung eines abgesonderten Gottesdienstes

oder die Bildung einer neuen Synagoge zu gestatten istz zugleich aben dieselben mit Ausschluß des Rechtsweges zu bestimmen, welcher heil im Besiß der vorhandenen Kultus - Einrichtungen verbleibt,

Bei dem'g. 18 \ind der Abtheilung die Worte: „„ob und“ (in der vierten Zeile von unten) bedenklich ershienen. Aus diesen könnte ge werden, daß die Behörde auch das Recht habe, die begehrte

rennung pure zu versagen. Es ist dies wohl nicht die Absicht des Gesebgebers, und der Staat kann keinen Grund haben, solche Tren= nung zu hindern ; es kommt nur darauf an, die Modalitäten derselben zu ordnen und festzustellen. Die Abtheilung beantragt daher einstim= mg, die Worte : „ob und“ wegzulassen, übrigens aber den Paragraphen anzunehmen. Jn der lezten Zeile desselben wird uach der Ansicht des Königlichen Rathes, welcher den Berathungen der Abtheilung bei- wohnte, statt:

„Kultus - Einrichtungen“ besser zu sagen sein:

„Vermögen des Synagogen= Vereins.“ Die Abtheilung war hiermit ganz einverstanden.

Staats - Minister Eichhorn: Es is allerdings uicht die Ab= sicht der Regierung, die Trennung in einer Judengemeinde zu ver= hindern, wozu in Folge der sih jeßt fundgebenden Bewegungen ein Theil der Gemeinde sich entschließen möchte, Darüber, ob eine Trennung stattfinden darf, soll keine Frage entstehen können. Es scheint, daß blos die Trennung an und für sich im Gutachten der Kom- mission ins ¡Auge gefaßt wird. Jn der Beschränkung der Frage hierauf erscheint allerdings das Wort „ob ““ ganz überflüssig. Der 8. 18 spricht aber an der betreffenden Stelle nicht blos von einer Trennung, sondern auch von der Errichtung eines neuen Gottes- dienstes und der Bildung einer neuen Gemeinde. Wenn in Absicht der Trennung an sih niht in Frage kommen kann, ob sie zuzu= lassen sei, so unterliegt dagegen die audere Frage, ob die Getrennteit als eine neue Gesellschaft zusammentreten fönnen, eben so einer Prü fung von Seiten des Staats als sie angestellt wird, wenn Mitglie= der einer öffentlich anerkannten, oder auch einer geduldeten chrift - lichen Religions - Gesellschaft sich absondern und eine neue Reli= gions - Gesellschaft bilden wollen. Wie nach allgemeinen Vorschriften feine neue Religions-Gesellschast ohne Gene h migung des Staats ins Leben treten kaun, so fann auch feine neue jüdische Religious- Gemeinschaft aus der bestehenden hervorgehen anders, als mit Ge- nehmigung des Staats. . G i 4

Referent Graf von Jßenpliz: Der so eben gehörten Ansicht dürfte es entsprechen, wenn das Work o b etwas später in den Pas= ragraphen eingeschaltet würde, wonach es daun heißen würde: So haben die Minister unter Benußung des von der Kommission abge- gebenen Gutachtens darüber Anordnung zu® tressen, mit welcher Maßgabe die Einrichtung eines abgesonderten Gottesdienstes oder ob die Bildung einer Synagoge zu gestatten sei“ : i

Minister Eichhorn: Vielmehr so: „Mit welcher Maßgabe die Trennung von der bisherigen Gemeinschaft und ob die Bildung

einer neuen Synagoge zu gestatten H O

Referent Graf von Jbenpliy: Nachdem dieje Erläuterung und Zusicherung des Herrn Staatsministers ausgesprochen worden ist, könnten wir, glaube ih, über die Sache hinweggedhen.

Marschall: So daß es also auf der Aten Zeile von unten hieße: Mit welcher Maßgabe die Trennung der bisherigen Gemetn= schaft und ob die Bildung einer neuen Synagoge zu gestatten sei,“

Referent Graf vou Jbenplib erklärt sich damit einverstanden.

Marschall: Der Herr Referent hal sich angeschlossen, und ih habe zu erwarten, ob eine entgegeustehende B: merkung gemacht wird.

Fürst B. Radziwill: Jh muß mix doch noch eine deutlichere Erklärung über den Schluß des Paragraphen ausbitten: „Zugleich haben dieselben mit Aus\hluß des Rechtsweges zu bestimmen, welcher Theil in Besiß der vorhandenen Kultus-Einrichtungen verbleibt.“

Referent: Darauf bezieht sich das, was ich bereits die Ehre hatte zuleßt vorzu!esen : ; L

„in der lebten Zeile desselben wird nach der Ansicht des Koöntg= lihen Rathes, welcher den Berathungen der Abtheilung beiwohnte, statt: „„Kultus-Einrichtungen“ besser zu sagen sein : _ „„Vermögen des Synagogen-Vereins.“ Die Abtheilung war hiermit ganz einverstanden.“ Denn die Worte „Kultus-Einrichtungen“ find unbestimmt, aber wenn man sagt, bei der respektiven Vereinigung oder Lrennung solle dar= auf Rücksicht genommen werden, was mit dem früheren Vermögen der Judenschast gemacht werden soll, so ist kein Zweifel vorhanden.

Fürst B. Radziwill: Es fragt sih nur, ob, sv lange dar= über nichts bestimmt ist, die Vermögens=-Verhältnisse dem älteren, dem ursprünglichen Zweck gesichert bleiben.

Graf York: Jh muß mir noch ein Bedenfen auszusprechen erlauben, welches mir noch nicht behoben is, warum ihnen nämlich der Rechtsweg verschlossen sein sol? Wenn man sich die jüdischen Verhältnisse recht deutlih macht, so ist diejenige Partei, dfe cine Tremung beabsichtigt, die der neuen Richtung angehörende und, wie mir scheint, die rationellere. Es dürfte also vielmehr im Interesse des Staates liegen, daß man eine solche Absonderung erleichtert, denn es is immer wie die größere Zahl der Mitglieder eines jüdisch-kirch= lichen Verbandes, die austreten will, so au diejenige, welche die noch bestehende Absouderuug mehr und mehr aufheben will. Nun finde ih eine gewisse Beeinträchtigung für die Majorität, weun viel= leicht die sehr wenigen zurüdbleibenden Altgläubigen das ganze Sy-= nagogen-Vermögen behalten sollen, Am wenigsten möchte ich es als Grundsaß aussprechen, daß ihnen das Rechtsmittel versagt werde.

Referent: Darüber dürften uns wohl die geehrten Herren Regierungs-Kommissarien die beste Auskunft geben können. Nach dem, wie ih mir aber als Referent die Sache gedacht habe, liegt sie so: Der geehrte Redner hat selbst gesagt, es möchte wünschenswerth sein, eine solche Trennung zu erleichtern, er ist aber bedenflih darüber, daß bei dieser Treunung die Festseßung über das Vermögen von den Verwaltungs - Behörden ausgehen uud der Rechtsweg ausgeschlossen fein soll. Jch glaube aber, daß, wenn die Trennung erleichtert wer= den soll, eine derartige Bestimmung des Gesetzes nothwendig i}, denn sonst würden die Juteresseuten vor Streitigkeiten über das Eigenthum sehr \{chwer auseinanderkommen. /

Graf Dyhrn: Das waren Gründe der Nüzlichleit, die aber doch den Rechtsweg nicht verschränken können, denn hier handelt cs sich um Mein und Dein, und so halte ih es aus dem Prinzip des Rechts für durchaus nothwendig, daß die Worte: „mit Ausschluß des Rechtsweges““ gestrihen werden. Es wäre eine Verlegung unseres höchsten Prinzips, wenn bei Eigenthums-Fragen der Rechtsweg aus= geschlossen sein sollte. E i

Staats-Minister Eichhorn : Es heißt in dem vorliegenden Ge=- seß, die Minister sollen mit Ausschluß des Rechtsweges bestimmen, welcher Theil im Besiß der vorhandenen Kultus - Einrichtung, oder richtiger, des Vermögens der Synagogen-Gemeinde verbleibt? Wenn die Fragen, die im Falle des Ausscheidens eines Theils der Ge=- meinde über das Verhältuiß zu dem bleibenden Theile entstehen, o flar, so einfach wären, daß sie unter bestehende positive Rechtsgrund- säße gebracht werden könnten, so würde es natürlich sein, den Rechts=- weg nicht auszuschließenz es giebt aber sehr viele Verhältnisse, die vom Rechtswege NUAES Le sind, nicht deswegen, weil man sie als solche ansieht, die willkürlih beurtheilt werden könnten, sondern des- halb, weil die Verfolgung der Sache vor dem ordentlichen Richter

niht zureiht , sehr oft sogär zu materiellem inneren Unreht führen würde, indem die bestehenden Richter angewiesen sind, nur nah be» stimmt vorgeschriebenen Geseßen zu urtheilen, die Verhältnisse aber oft eine solche Mannigfaltigkeit von Momenten enthalten, die nicht unter ein bestimmtes positives Geseh ‘gebracht werden kön- nen. Man denke sich den Fall, worauf es hier ankommt, genauer. Eine jüdische Gemeinde is anerkannt vom Staate, besibt Corpora- tionsrehte und ihr eigenes Vermögen. Nun kommt eine Anzahl von Judividuen, welche sagen: Wir wollen uns trennen, wir wollen für die Zukunft eine neue Gemeinde bilden, Das sind sie aber noch nit, sie sind noh keine Corporation; als getrennte Jndividuen haben sie, dieser bestehenden Corporation gegenüber, kein besonderes Recht5 nur so lange sie bei der Corporation bleiben und Glieder derselben sind, haben sie ein Recht, gleih den übrigen, an dem Genuß des Ver- mögens der Corporation, Wenn sich aber diese Judividuen freiwil- lig von der Corporation trennen, worauf solteu jie nun ein Recht auf das Corporations-Vermögen gründen? Es ist gleichwohl móöglih, daß die Trennung , das Ausscheiden von Individuen unter Umständen stattfindet, wo mau sich überzeugt , daß seitens der älteren Gemeinde unnatürliche Prätensionen gemacht worden sind, die dem Wesen der bisher bestehenden Gemeinde widersprechen. Wird nun eine solche unnatürliche Anmuthung an diejenigen, welche austreten wollen, gemacht, die sich aus der Ver- fassung der bestehenden Corporationen nicht rechtfertigen läßt, dann fönnten allerdings Momente vorkommen, die auf Seiten der Verwal- tungsbehörde eine besondere Berücksichtigung nöthig machen, Welcher? das läßt sih nicht vorausschen und hängt von Umständen ab. Vor dem Richter siud die ausscheidenden Judividuen, selbst wenn sie die Hälfte der bisherigen Gemeinschaft ausmacheu, immer nur Judividuen, eine Masse von Einzelnenz sie haben der bleibenden Gemeinschaft gegen- über fein positives Recht, Das ist in dem Paragraphen angedeutet, Wein die Bestimmung im Geseß auch nicht enthalten wäre, so müßte der Rechtsweg für die vorgedachten Verhältuisse dennoh ausgeschlossen werden. Jn das Gesetz wird oft etwas aifgenommen, was sich von selbst versteht, was aber denno ausgesprochen wird, um vou vorn- herein alle Unklarheit zu beseitigen. Wesentlich zu diesem Zweckck ist die Fassung des Paragraphen gewählt worden.

Graf Dyhru: Die Ansichten Sr, Excellenz sind das punctum juris, um das es sich handelt, Wie dann aber entschieden werden wird, das weiß ih nicht, denn ih bin kein Jurist.

Wird es zu Gunsten der Bleibenden entschieden, so werde ich mich ganz bestimmt dabei beruhigen; wird es zu Gunsten der Aus- tretenden entschieden, eben so. Jch will nux bei einer solchen Sache, wo es sich um Mein und Dein handelt, nicht eine Verwaltungs- Entscheidung, sondern eben ein Urtheil des Gerichts haben. Wird mir nun gesagt, daß darüber kein Geseb existirt, daß keine Gesebe da wären, an die sich der erkennende und entscheidende Richter halten fönnte, so muß ih eben bitten, daß diese Geseße gegeben werden, Jch verkeune gar nicht, wie \{hwierig es sein mag, darüber Geseße zu geben, aber ih will nur, daß eine Entscheidung über das Ver- mögen, wie die Entscheidung einer Rechtsfrage, nicht auf Verwaltungs- wegen, sondern eben im Rechtswege erlangt werde. Wer dabei ge- winnt, wer dabei verliert, ist, nah meiner Ansicht, hier gleichgültig, aber wir föunen unsere Vermögens-= und Rechts = Verhältnisse nicht auf dem Verwaltungs8wege entscheiden lassen.

Staats-Minister Eihh oru: Jusofern wirklich Fragen vorkom- men, die nach unserer jeßt bestehenden Verfassung, auf dem Reehts- wege zu erörtern sind, ist es nicht entfernt die Absicht, sie dur diesen Paragraphen davon auszuschließen. Aber, wie ich schon die Ehre hatte zu bemerkeu, es is vorausgeseßt, daß die Trennung in der Regel un-

ter Umständen geschieht, wo die ganzuordnenden Modalitäten nicht

solche Fragen berühren, die Gegenstand richterlicher Entscheidung fein können. Glaubt die hohe Versammlung, daß leicht ein Mißverständ- niß entstehen könnte, so wäre der Zusaß wegzulassenz es wird den noch dabei bleiben, was der Natur der Sache nah in Anwendung zu bringen ist.

Referent: Jch habe dem geehrten Mitgliede aus Schlesien Einiges zu erwiedern, und um mir gewissermaßen sein Vertrauen zu erwerben, muß ih vorausschicen, daß ih ein Feind von unnöthiger Einmischung der Verwaltungs - Behörden bin; aber es könuen Ber- hältnisse vorkommen, wo man mit dem Rechtswege nicht zu Stande fommt. Es sind dies namentlich solche Verhältnisse, wo etwas Neues geschaffen werden soll. Es soll z. B. ein Verein getrennt und zwei daraus gemacht werden; der Verein hat Verpflichtungen gehabt, er hat Vermögen, Bedürfnisse, Utensilien gehabt; wie sollen diese ge- theilt werden? Es is dies ein ähnlicher Fall, als wenn man eine Schule trennen will. Dabei handelt es sich häufig weniger um die Entscheidung des Rechtspunktes, als zugleich um die Entscheidung des Nüglichkeitspunktes. Die Leute sind zufrieden, wenn thnen die Tren- nung keinen Nachtheil bringt. Soll die Trennung aber durch die Justiz erfolgen, so kommt man damit nie zu Stande. Es hat sich dies in vielen Fällen gezeigt, namentlich auch in solchen Angelegen- heiten, welhe die General - Kommission besorgt. Es hat sih früher seit langen Jahren das Kammergericht bemüht, zu separiren ; aber fast alle diese Versuche waren vergeblich und sührteu nicht zum Ziele. Es war dies natürlich, weil die Gerichtshöfe für den Nüßlichkeits= punkt keinen Anhalt haben. Deshalb hat man, um die Separations- Geschäfte zu Stande zu bringen, eine Behörde stiften müsscn, welche zugleich Justiz = und Verwaltungs =- Behörde is, und welche da eiu- schreitet, wo es darauf ankommt, neue Einrichtungen zu stiften. Die Actionaire oder Theilnehmer an anderen Unternehmungen schließen oft ausdrücflih die Justiz aus; sie wollen nur Schiedsrichter haben, kurz, wo es auf neue Einrichtungen ankommt, die erst geschaffen und gestaltet werden sollen, is die Justiz-Behörde selten am rechten Ort. Weun der geehrte Redner gesagt hat, es sollten schleunig die Gesebe gegeben werden, die dem Richter zur Norm dienen fönn- ten: so is dies ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Geseß zu geben, wie sih ein neuer Synagogen - Verein von dem bestehenden trennen sollz wer für den bisherigen Rabbiner die Pension bezahlen, wer einen neuen besolden sollz wie das Vermögen zu theilen ift, die künf- tigen Lasten zu tragen sind, das Alles sind Dinge, die sie in unend- liher Maunigfaltigkeit darstellen, und über welche gleichartige Regeln zu geben unthunlich i. Sollte die hohe Kurie Bedenken tragen, es bei der Festseßung durch die Verwaltungs - Behörde zu lassen, o wäre das Aeußerste, was man zugeben könnte, daß die Verwaltungs- Behörde ein Jnterimistikum festseßzen könne. Aber ih halte es für besser, es bleibt rein bei der Festseßung durch die Verwaltung, und ih glaube, daß auch die Juden mit dieser Festseßung sehr zufrieden sein werdenz wenn wir aber den Richter hineinbringen, so muß dieser die Sache lediglich nach dem Rechtspunkt entscheiden und kann auf Cinigungen, die theilweise auf Nüßlichkeits- Gründen beruhen, nicht eingehen, Damit kann man aber nicht zu Stande kommen, wo neue Einrichtungen gestaltet werden sollen.

Fürst zu Salm=Reÿyffersheidt-Dyck: Zur Unterstüßung der Ansicht des Referenten will ih bemerklich machen, daß gerade in der katholischen Kirche solhe Fälle oft vorkommen, daß cine Pfarre getrennt wird und zu gleicher Zeit das Vermögen und die Kultus- Gegenstände getrennt werden. Darüber entscheidet der Bischof mit Genehmigung der Regierungz die Entscheidung erfolgt aber niht im Wege Rechtens.

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Fürst Lihuowsky: Ih will mir erlauben, eine Frage an den Königlichen Kommissar über den legten Saß des §. 18 zu richten, in dem es heißt: „Welcher Theil im Besiß der vorhandenen Kultus- Einrichtungen bleiben wird,“ Mir scheint, daß dieser leßte Saß ein Prinzip in si enthält, und es würde mir lieb sein, zu erfahren, ob es von der Regierung als allgemeines Prinzip angesehen wird, daß, wenn in irgend einer Konfession sich ein dissentirender Theil bildet, diesem Theil irgend ein Recht anf das Eigenthum der betreffenden Kirche, von der er sich losgerissen, verbleibt.

Staats-Minister Eichhorn: Jh haite schon die Ehre .

Fürst Lihnowsky: Jh weiß es wohl, wünsche aber, es für mich nochmáls zu hören.

Staats-Minister Eichhorn: Wenn von einer anerkannten Kir= chen-Gesellshaft ein Theil sich absondern will, so kann er dies thun, er darf niht daran verhindert werden; aber diejenigen, welche sich absondern, haben als Einzelne dann kein Reht. Sie können also von den Kultus - Einrichtungen der anerkannten Kirche gemeinschaftlich nichts fordern. E

Fürst Lichnowsky: Jch kann nun resumiren, was mein ge- ehrter Kollege aus der Rhein-Provinz bemerkt hat. Der Fall ist ganz flar, ob es sich von Juden oder Katholiken handelt. Wer aus= \cheidet, hat auf das Gut der Bleibenden kein Recht.

Fürst Wilhelm vou Radziwill: Jch fühle mih gedrungen, die Abtheilung gegen die Bemerkungen meines Bruders und des geehr- ten Redners vor mir, die ganz gegründet sind, dahin zu vertreten, daß ih den bezüglichen Passus aus der Denkschrift, welhe dem Ent- wurf zum Grunde liegt, vorlesen werde. Dieser Passus hat auch die Bedenken beseitigt, die sih in der Abtheilung“ gerade über diesen Punkt erhoben hatten, Dieser Passus lautet:

„Das vorhandene Vermögen gehört unzweifelhaft der fortdauernd bestehenden juristischen Person z cs kommt also uux darauf au, diese zu ermitteln und als solche zu bezeichnen. Jst hierüber Bestimmung erfolgt, so ist mit derselben au der Besibstand festgestellt. Dem sich abtrennenden Theile muß es überlassen bleiben, neue Kultus=- Einrichtungen zu treffen, wenn dazu die Erlaubniß der Staats= Behörde ertheilt worden ist.“

Graf York: Jh wollte mir ein Vedenken erlauben. Weun von der katholis.ren Kirche gesprohen wird, so hat diese cin sehr festste= hendes Bekenntniß, und Jeder, der sih nicht zu dem lridentinum be= fennt, hört auf, Katholik zu sein. So hat die lutherishe Kirche in ihren symbolishen Büchern ein feststehendes Bekenutniß, und wer sich nicht mehr zu diesen symbolischen Büchern bekennt, gehört nicht mehr zur lutherischen Kirche. Ganz anders is es bei den Juden. Bei einer Trennung, wie sic jeßt stattsindet, behaupten beide Theile, sie seien rehte, wahre Juden, und es ist also in dem Sinne von einem Ausscheiden cus der Kirche bei deu Juden nicht die Rede, wie dies bei den christlihen Konfessionen der Fall sein kaun, Jn einer hrist- lichen Konfession steht fest, wer die moralische Person dieser Kirche itz dem is aber in dem vorliegenden Falle uicht so.

Referent: Jh wollte mix nur de Bemerkung erlauben, daß das, was der geehrte Reduer über die Tremung der jüdischen Ge- meinden gesagt hat, auf die christlichen Kirchen jedenfalls ohne alle Beziehung is. Wir haben es hier mit einer geduldeten Reli- gionsgesellschaft zu thun; die katholische und evangelische Kirche sind aber anerkannte Kirchen.

Graf York: Jch habe es auch nur der Analogie wegen ansüh- ren wollen.

Minister Eichhorn: Jch wollte nur dem geehrten Mitgliede aus Schlesien Einiges erwiedern :

Die Juden find cine geduldete Gesellschast und haben einen bestimmten Schuß von Seiten des Staates; als geduldete Gesell= chaft sollen- sie auch Corporationen bildêu können, und es finden auf diese Corporationen dieselben Grundsäße Anwendung, als auf gedul- dete cristlihe Kirhengenossenshaften. Bildet sih unter den Christen auch eine Trennung, so kann die Frage zur Erörterung kommen, welche Partei is als diejenige anzusehen, der man als die bisher eigentlih geduldete oder orthodoxe Partei den Besi als ihr Recht zuerkennen muß? Soll die Prüfung, ob etwas das orthodoxe Ju- denthum sei oder nicht, vor das Gericht gewiesen werden? Ju welcher Lage würden sich die Gerichte befinden? Der Richter würde außer Stande sein, zu entscheiden. Die Behandlung der Sache muß der Verwaltungs-Behörde überlassen bleiben.

Fürst Lihnowsk9: Jch habe nicht daran gedacht, die Streite im Judenthum mit denen christlicher Konfessionen zu vergleichen.

Die Geheimnisse des Talmud und der Tora will ih unerörtert lassen; ih habe aber, wenn ich nicht irre, von dem geehrten Mit- gliede aus Schlesien gehört, daß die einen und die anderen Juden, die Alten wie die Reformers, glauben, sie seien die Echten. Da muß ich nun bekennen, \o sehr ih es bedaure, daß es sich ebenfalls stets gezeigt hat, wie die einen oder anderen christlihen Sekten sich auch stets 1m Rechte glaubten, für allein orthodox hielten. Jch habe nie gehört, daß die Alt - Lutheraner nicht für die echten Lutheraner und die fatholischen Dissidenten sich nicht für echte Katholiken gehal- ten hätten; wir allerdings halten sie uicht dafür. Aber ih habe nicht theologische Erörterungen über die verschiedenen Sekten vor= zutragenz ih wollte nur aus dem Munde des Königlichen Kommij= sars hören, ob das, was hier über das Verhältniß der Güter jüdi= scher Gemeinden ihren Dissidenten gegenüber gesagt ist, als-allge-= meines Prinzip angeschen wird, oder ob es nur auss{ließli ch für diesen Fall, d. i. für die Juden Anwendung findet.

Marschall: Wenn weiter keine Bemerkung gemacht wird, so fommen wir zur Abstimmung. Die Frage is gerichtet auf den An- trag der Abtheilung, daß der Paragraph, wie er vorliegt, beizubehal- ten seiz und diejenigen, welche diesem Autrage beistimmen, würden dies durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Die Majorität erhebt sih dafür.)

Der Paragraph ist angenommen,

Referent: Der §. 18, den die hohe Kurie eben angehört hat, steht im genauen Zusammenhange mit den folgenden §§. 19, 20, 21, 22, und die Abtheilung hat daher dieselben bei ihrer Beurthei- lung zusammengefaßt. Wir werden sie daher jeßt hinter einander hören, und dann wird die Beurtheilung der Abtheilung folgen.

Graf von Königsmark (liest vor):

us. 19

Diese Kommission soll, so oft das Bedürfniß es erfordert, unter der Aufsicht eines Mle nos, Abgeordneten in Berlin zusammentre= ten und aus neun Kultusbeamten oder auderen Männern jüdischen Glaubens bestehen, die das Vertrauen der Judenschaft, welcher sie angehören, besißen. -

g. 20.

Die Mitglieder der Kommission mit einer angemessenen Zahl von Stellvertretern werden von den Ministern der geistlichen 2c. Angele= genheiten und des Jnuern auf den Vorschlag der Ober-Präsidenten, welche dabei die Anträge der Judenschaften ihres Verwaltungs-Be= zirkes besonders zu berüdsihtigen haben, auf die Dauer von sechs Jahren ernannt. ,

s. 24;

Die durch den Zusammentritt der Kommission erwachsenden Ko= sten werden von den sämmtlichen Judenschaften des Staats uach Ver=

ai des Kostenbetrages ihrer gesammten Bedüxfnisse (§. 23) auf- r .

§. 22.

Die Kommission beschließt über die ihr zu | A gelegten Gegenstände nah absoluter Slimuenchde A O : zu erstattenden Gutachten unter Beifügung von Gründen vollständig auszuarbeiten.

Referent (liest aus dem Abtheilungs - Gutachten ad §g. 19 bis 22 Abo reh dies e s '

„Abgesehen von diesen mehr die Form betreffend - fungen Bua sich die Abtheilung mit dem Junhalt éi S. 62 (cinschließlih) im Allgemeinen nur einverstanden erklären. Die re- ligiösen Augelegenheiten der Juden will der Staat diesen selbs an=- heimgeben, und er thut als weltliche Obrigkeit Alles, was die ge- duldete Religions - Gesellschaft begehren fann , wenn er zuerst die religiöse Corporation von außen her zu Recht beständig konstituirt, . und dann au wieder den geseßlihen Weg eröffnet, auf welchem eine Trennung der religiöjen Corporation eintreten kann, wenn diese von den jüdischen Lercinsgenossen gewünscht wird oder sonst erforderli erscheint. Dieser Weg is durch die §s. 18—22 ange=- bahnt, und es ijt der Juhalt derselben auchß so viel bekannt von den Juden nicht ungünstig aufgenommen worden. Nur das schien der Abtheilung wünschenswerth, daß die Mitglieder der gut- achtenden Kommission zum Theil aus der Wahl der Synagogen- Vereine hervorgehen möchten. Da der §. 20 \chon anordnet, daß die Ober-Präsidenten bei ihren Vorschlägen die Anträge der Juden beachten sollen, so scheint es noch besser, daß ein Theil der Mit-= glieder aus der Wahl der Juden und ein anderer Theil frei aus den Vorschlägen des Ober - Präsidenten hervorgehe. Die Abthei= lung beantragte daher einstimmig :

daß die Ober-Präsidenten verpflichtet werden möchten, zwei Drittel der Mitglieder der Kommission aus den vonden Sy= nagogen - Vereinen bezeichneten Personen in Vorschlag zu bringen und die betreffenden Ministerien gehalten sein möchten, zwei Drittel der Mitglieder der Kommission aus den Personen zu wählen, welche die Vereine genannt ha- ben, Diese Absicht wird durch einen kurzen Zusaß zum §. 20 zu erreichen sein.“

88. 19 22 werden angenommen.

Graf von Köbuigsmark (liest vor):

S. 29.

„Die Kosten des Kultus und der übrigen, die Judenschaft betref=- fenden Bedürfnisse, zu welchen auch die Einrichtung und Unterhaltung der Begräbnißpläße gehört, werden nah den dur das Statut einer jeden Judenschaft näher zu bestimmenden Grundsäßen auf die einzel- nen Beitragspflichtigen umgelegt und, nachdem die Heberollen von der Regierung für vollstreckbar erklärt worden sind, im Verwaltungs= wege eingezogen, Der Rechtsweg is wegen solcher Abgaben und Leistungen nur insoweit zulässig, als Jemand aus besonderen Rechts= titeln die gänzliche Befreiung von Beiträgen geltend machen will oder in der Bestimmung seines Antheils über die Gebühr belastet zu sein behauptet.

Ob und inwieweit einzelne, zerstreut und von dem Mittelpunkte der Judenschaft entfernt wohnende Juden zu den von der Judenschast aufzubringenden Kosten, insbesondere zu den Kultus-Bedürsnissen, bei- zutragen haben, is von den Regierungen nach Maßgabe der Vor= theile festzuseßen, welche jenen Juden durch die Verbindung mit der Judenschaft zu Theil werden.

Bon neu anziehenden Juden darf ein sogenanntes Eintrittsgeld von der Judenschaft auch an denjenigen Orten, wo solches bisher üblih gewesen, künftig nicht mehr gefordert werden.“

Referent (liest §. 23 des Abtheilungs-Gutachtens vor) :

„Der §. 23 wird von der Abtheilung zur Annahme empfohlen. Daß die Juden die Kosten thres Kultus tragen, entspriht dem Recht und der bisherigen Verfassung, und daß die betreffenden Umlagen von der Verwaltungs-Behörde für vollstreckbar erklärt werden, kann für die Ordnung im Haushalt des Vereins, und also für die Juden selbst, nur sehr angemessen und wünschenswerth erscheinen. ““

g. 23 wird angenommen.

Referent (liest vor) :1

g. 24.

„Ueber die der besonderen Armen- und Krankenpflege jüdischer Glaubensgenossen gewidmeten Fonds und Anstalten steht dem Vor- stande der Judenschaft, sofern ihm nicht die Verwaltung bereits stif= tungsmäßig übertragen ist, die Aussicht zu, vorbehaltlich jedoch des Ober=Ausfsichtsrehts der Regierungen.“

Das Gutachten lautet:

g. 24.

Der §. 24 will dem Verein die Verwaltung aller für Juden be= stimmten Armen =- Fonds übertragen, auch wenn dies micht durch die Stiftung oder Verordnung des Wohlthäters besonders angeordnet i. Würde dies beibehalten, |o erhält der Verein wieder theilweis die Functionen einer weltlichen jüdischen Obrigkeit, wodur die Ab= sonderung befördert wird, welche gewiß nachtheilig ist. Wenn ein Testator ein Legat zu Gunsten z. B. der in Münster wohnenden Ar- men fatholischer Konfession ausseßt, so wird dies zweifelsohne vom Magistrat u::d der Armen-Kommission vcrwaltet werden; wenn aber ein anderer Testator für die in Münster wohnenden armen Juden sorgt, so würde nah §. 24 dies Legat niht vom Magistrat, sondern von dem jüdischen Verein verwaltet werden. Es ist mcht abzusehen, wozu für die Juden ein solcher Unterschied stipulirt werden soll, und die Abtheilung kann ihren einstimmig beliebten Vorschlag am besten deutlih machen, wenn sie es sich acftattet: ihn in Worte zu fassen, welhe möglicherweise statt des §. 24 in das Geseh eingerüct werden fönnten, Diese würden so lauten:

Ueber die der besonderen Armen=- und Krankenpflege der Juden ge= widmeten Fonds und Anstalten steht dem Vorstande des Vereins die Verwaltung und Aufsicht nux dann zu, wenn der Stifter dies ausdrüdlih bestimmt hat. Dieselbe verbleibt ihm jedoch au in Rücksicht von dergleichen Fonds, welche hon bisher von den jeßt- gen und früheren Synagogen - und Juden - Vorständen verwaltet und beaufsichtigt worden sind. i

Staats - Minister Eich horn: Dieser Vorschlag der Abtheilung weicht allerdings von der Îdee des §. 24 ab. Nach §. 24 sollen auch Unterstüßungen, Legate, die blos den jüdischen Armen gegeben werden, dem Vorstande oder den jüdischen Corporationen des Vrts, wofür sie vom Testator bestimmt sind, überlajjen werden. Man würde nicht darauf gekommen sein, wenn sich nit überall fände, daß, wo jüdische Corporationen existiren, dieselben ganz besonders sich ihrer Armen annehmen, Dies is ein {öner Din, der sich bei ihnen fundgiebt. i

Die jüdischen Gemeinden zeigen si für ihre Armen oft be- sorgter als christliche Gemeinden. Nun ist bei der Armenp ege mit Rücksicht auf die Erfahrung, die auch in neuerer Zeit fast überall Anerkennung gefunden hat, nicht blos darguf zu sehen, daß der vor=- übergehenden Noth der Armen abgeholfen werde, sondern mehx darauf, ihnen dauernd zu Hülfe zu kommen, einmal dadur, Lal man ihnen Arbeit und Mittel zum Erwerb U und zweitens, man ihnen mehr und mehr einen solchen moralischen Halt giebt, der sie fähig macht, den vorübergehenden Dru zu ertragen, ohne zu unter-