1847 / 171 p. 4 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

——

Akte, die den Juden alle Rechte lassen wollte, welche sie damals be- saßen, ‘nah meiner Ueb niht vereinbar. J glaube aber, daß hier auf diese Kabinets-Ordre um \o weniger hingewiesen wer- den darf, als nah der Ministerial-Denkschrist diese B immung nicht auf geseßlihem Wege publizirt worden is, sondern blos eine Befannt- machung des Staats-Ministeriums in der Geseßsammlung darauf Bezug Froomenn hat, und sowohl nah der heute zu Recht bestehen- den Geseßgebung, als nach der früheren eine Bekanntmachung des Staats-Ministeriums die Kraft eines Gesezes nicht besißen kann.

Einen noch größeren Rüfschritt finde ih allerdings _in der jeßigen Bestimmung, worin ausdrüdlih gesagt ist, daß sie nur zu bestimmten Aemtern zugelassen sein sollen, wodur thnen alío die akademischen Aemter, die thnen das Edift von 41812 einräumt, wieder entzogen worden sind. Es is das in vielen speziellen Beziehungen von dem Herrn Regierungs-Kommissar zu rechtfertigen versucht worden. Wenn es nun auh niht möglich ist, einem so vollständig ausgearbeiteten Vortrage in allen einzel- nen Worten und Buchstaben zu folgen, so will ih do versuchen, vom allgemeinen Standpunkte einige dieser Behauptungen zu beleuchten, Ueber die Theologie habe ich mi eben geäußert. Jch glaube, daß es sih von selbst versteht , daß die Juden zu christlich - theologischen Lehrämtern nicht zugelassen werden können, wie zu einer Professur der jüdischen Theologie, umgekehrt auch kein Christ zugelassen wird. Was die Jurisprudenz betrifft, so muß ih bekennen, daß ih nah meiner Kenntniß der Rechtswissenschaft nicht einsehe, wie auf der christlichen Lebensanschauung die Jurisprudenz beruhen fann, na- mentlich wie die ristlihe Lebensanshauung dem Pandektenrecht zu Grunde liegen soll, welhes noch heute die wichtigste Grundlage un- serer Jurisprudenz bildet. Wenn gesagt wird, daß der Jude nicht Doctor juris werden fönne, weil er nicht den vorgeschriebenen Eid leisten und die darin enthaltene Verpflichtung erfüllen kann, welche die Vertheidigung der christlichen Religion vou ihm fordert, \o finde ih in diesem ganzen Doktor -Eide au nur ein Ueberbleibsel mittel- alterlicher Formen, was ich jeßt für durhaus überflüssig halte. Jch sehe nicht cin, warum Jemand nicht ganz einfach ein Examen beste- hen kann, worin er seine Befähigung zur Professur nahweist, warum es nöthig is, ihn in die Formen einer Doktor-Promotion zu bannen, Das ist eine leere Spielerei mit Formen, auf die auch, so viel ich weiß, niht mehr auf allen Universitäten Werth gelegt wird, und ich halte daher um so weniger dafür, daß man von dem Erfüllen einer solchen, im Laufe der Jahrhunderte ganz leer gewordenen Form die Erlangung der Professur abhängig machen soll. Will man dennoch die Spielerei beibehalten, so steht ja nichts entgegen, den Eid in der Synagoge abzunehmen und die Fassung zu modifiziren.

Das mag, meiner Ansicht nach, Kir die Jurisprudenz genügea denn wenn von der Professur des Kirchenrechts gesprochen worden ist, so steht nichts entgegen, obgleih auch das Kirchenrecht nicht wesent- lih mit dem christlihen Glanbensbekenntniß zusammenhängt, von die- ser speziellen Professur die Juden auszuschließen und ihnen alle an- deren juristischen Professuren zugänglich zu machen.

Es ist ferner davon die Rede gewesen, daß sie nicht Professoren der eigentlich philosophischen Doktrinen werden könnten. Der Herr Regierungs - Kommissar hat aber selbst gesagt, wenn ih seinen Wor-= ten richtig gefolgt bin, daß nicht nothwendig sei, daß die Philosophie von einer bestimmten Vorausseßung oder von einer konfessionellen Grundlage ausgehe, und wenn ih das Wesen der Philosophie recht auffasse, so glaube ih auch, daß die konfessionelle Grundlage eine durchaus unrichtige Basis für die Philosophie sei, Die Philosophie

hat ihre Grundsäye aus der Betrachtung des Absoluten, aus den all= fimmie Gesehen des Denkens abzuleiten und sich nicht an eine be=

immte Offenbarung anzuschließen. Sie kann recht wohl durch die

olgerungen, die sie aus den allgemeinen Geseßen des Denkens ab-= leitet, zu denselben Resultaten, wie die positive Offenbarung, gelan- gen, obglei sie davon niht auszugehen hat, ja, es widerspricht den Forderungen der Philosophie, von positiven Säßen auszugcehen, vielmehr soll’ sie aus den allgemeineu Grundsäßen des Seins und Denkens ihre Theorieen entwickeln. Es ist vou dem Herrn Regie- rungs - Kommissar zugegeben worden, daß die Philosophie christliche Grundsäße nicht vorauszuseßen brauche, und ih glaube also, daß die Säge, die ih so eben entwickelt habe, nit unrichtig sind, zumal wenn wir uns auh ih darf wohl den Ausdruck gebrauchen an historische Personen erinnern. Jch erlaube mir daran zu erinnern, daß zwei hochbedeutende Männer der Philosophie, Spinoza und Mendelssohn, Juden waren, und ih habe nicht geglaubt, daß man sie deshalb als Philosophen geringer angeschlagen hätte. Jch glaube, wenn Spinoza und Mendelssohn heute an der berliner Universität sich habilitiren wollten, sie alle Ursache hätten, sih dazu zu gratuliren.

i (Vielfaches Bravo.)

Was die Auffassung der Geschichte betrifft, so kommt es bei ihr darauf an, die Thatsachen richtig darzustellen, aber bestimmte prafk= tische Anwendungen für Glaubens - Ansichten daraus herzuleiten, muß Jedem überlassen bleiben. Die Geschichte ist nur rein objcktiv auf= zufassen und darzustellen, und der Lehrer der Geschichte hat sich nur mit der objeftiven Auffassung derselben zu befassen. Und wenn ein Jude die Aeußerung von Gottfried von Bouillon zu reseriren hätte, so wird er sie doch wohl nicht anders referiren, als sie gethan wor- den. Jh. will ihm überlassen, was er daraus folgert ; fir mich ge- nügt es, wenn er die Thatsache richtig mittheilt, mag er die Krone nur als Krone ansehen, oder sie mit der Dornenkrone verbinden, wie das geehrte Mitglied der pommerschen Ritterschaft gethan hat

4 (Große Heiterkeit.)

Jch glaube , daß jeder Christ, der einer solchen Vorlesung eines Juden folgt, \o viel Festigkeit der Religions - Ansichten auf tie Uni- versität mitbringt, daß er nicht bei einer objektiv richtigen Darstel= lung, an die der Docent eine falsche, eine unrichtige Folgerung an- knüpft, zu den falschen Propheten hinübergeführt wird. Wenn gesagt wird, die Rüäsicht auf die Kirche fordere, daß man keine Juden als Fupfesorea anle, \o muß ich dem widerstreiten. Jch bin der Ansicht, E " Staat der Kirche keine Rücksichten zu gewähren habe; es ha M. eide ihre Sphäre für sih, und es steht die Kirche viel zu Jod, 2 vas sie sich vom Staate Dienste leisten zu lassen hátte. as Reich der Kirche is wesentli ein inneres, auf die innere Ueberzeugung gegründet, und jede innere Ueberzeugung eines Menschen thut mir leid, wenn sie ers vurch den Staat gewährleistet

werden soll. á 5 h (Srnjees Bravo.) ie muß in ihm vorwalten, und wenn ke nicht in {l e waltet, so weiß ih niht, durch welche den e inie Iu Staates die innere Ueberzeugung produzirt werden oll. L bis s o farfes L ie geographischen Disziplinen sind den Juden nachgelasse Ä den, in den lnguistischen aber ist wieder ein nteiitbler S C Vie zwar der zwischen Vorlesungen über Grammatifalishes und zwischen den über den Geist des Alterthums. Der Herr Regierungs-Kommis. sar hat den Geist des klassischen Alterthums als einen solchen be- zeichnet, welcher von der Humanität ohe christlihe Erleuch- tung belebt sei, und eben, weil das Flassishe Alterthum nicht von dem Christenthum erleuchtet worden is, finde ich gerade den Juden besonders geeignet, den Geist des flassishen Alterthums unbefangen darzustellen, weil er diesen Geist objektiv auffaßt, ohne von einem

Se S

E cem n E

vorgefaßten d Urtheile \sih leiten zu lassen. Jch_ will den Geist des klassischen Alterthums niht im chri lee a en Geiste dargestellt haben, sondern so, wie die Alten selbst ihre Zeit betrachtet haben. Wer das Alterthum benußen will, um kirhlihe Theorieen daraus zu entwickeln, der wird bei dem Ziele vorbeischießen und den Geist nicht treffen, den der Herr Regierungs- Kommissar als den Geist des flassishen Alterthums bezeichuet hat. , (Abermals donnerndes Bravo!)

Wenn ih glaube, ausgeführt zu haben, daß Juden zu allen akademischen Lehrämtern fähig seien, so sche ih niht ein, warum man sie niht des Vorzugs theilhaftig machen will, eine ordentliche Professur zu bekleiden. Wenn gesagt worden ist, - daß die De= fane eine gewisse obrigkeitlihe Function ausübten, so muß ih gestehen, daß ich niht weiß, welhe es sein soll, Wenn von dem Universitäts - Richter die Rede wäre, so wollte ih es mir gefallen lassen, aber aus meiner akademischen Erinnerung weiß ih nit, daß der Dekan oder Rektor obrigkeitlihe Gewalt aus= übt, den einzigen Fall ausgenommen, daß man ihm den Handschlag per auf Beam der akademischen Geseße. Wenn es aber zu Contraventionen kommt, so tritt der Universitäts-Richter ein. Das ist die einzige Obrigkeit, welhe dem Studenten entgegentritt, wenn sie ihm auch sehr unangenehm ist.

(Gelächter.)

Jm Uebrigen würde nichts entgegenstehen, wenn man auch be {lö}se, hier eine Ausnahme eintreten zu lassen, wie wir ja ähnliche Ausnahmen durch die frühere Abstimmung sanctionirt haben. Jeden=- falls is die obrigfeitliche Function der Dekane sehr unbedeutend. Wollte man aber auch hier den angenommenen Grundsaß verlassen, so würde es doch eine unrichtige Folgerung sein, wenn man die Ju- den deshalb von der ordentlichen Professur aus\hlö}e. Man kanu ja sagen, sie sollen ordentlihe Professoren werden, nur nicht in den Senat gewählt werden und niht Dekane und. Rektoren sein können. Warum mau aber ihnen deshalb, weil sie nicht Dekane und Rektoren wer- den sollen, auch die Möglichkeit entziehen will, ordentlihe Professo- ren zu werden, diese Schlußfolgerung hat mir nicht einleuhten wollen.

(Bravo!)

Jch will zum Schlusse die verehrte Versammlung nur an den Grundsaß erinnern, zu dem sie sich bei mehreren Gelegenheiten in überwiegender Mehrheit bekannt hat, an den Grundsaß, nicht kon-= fessionelle Unterschiede dahin zu bringen, wo sie nicht hiugehören, und nicht da, wo es sich niht um Religion handelt, sondern nur um wissenschaftliche Teudenzen,. den konfessionellen Stand- punkt festzuhalten. Wenn man das bei den Elementar= Schulen festgestellt hat, wo der jugendlihe Geist noh empfäng- lih für alle Eindrücke is, warum wollen wir jenen Grund- saß nicht für die höheren Bildungeschulen anerkennen, wo Jeder, der sie betritt, hon der wissenschaftlihen und religiösen Vorbereitung sich zu erfreuen gehabt hat, in den Schoß der Kirche als erwachsener Mensch aufgenommen worden und vor allen Einwirkungen gesichert ist, selbst wenn diese solche sein könnten, wie der Herr Regierungs= Kommissar sie bezeihnet hat, Darum halten wir konsequent an dem Grundsaß fest, wenn wir. von den höheren Bildungs - Anstalten, die sich als Siß der Humanität in Preußen stets ausgezeichnet haben, die engen konfessionellen Rücksichten ausschließen, ns wenn die Sta= tuten einer Universität mit diesem Grundsaße nicht in Einklang stehen sollten. Es is uns aber in dankbarer Erinnerung, daß man schon im Jahre 1809 nicht einen so engen Standpunkt einnahm, und die Statuten der berliner Universität weisen keinen so engen Stand=- punkt auf (Donnerndes Bravo !)

Somit haben wir Grund genug, die anderen Statuten, die dem sechzehnten Jahrhundert angehören, aus dem Standpunkte des neun- zehnten Jahrhunderts zu beleuchten und darauf anzutragen, daß sie in dem Geiste des neunzehnten Jahrhunderts modifizirt werden. Von einer Kränkung von Privatrehten kann dabei wohl nicht die Rede sein; denn die Stifter unserer Universitäten sind die Landesherren selbst gewesen. Sie haben sie zum allgemeinen Besten des ganzen Landes gestiftet, gestiftet als Pflanzschulen für die Aufklärung und

“Humanität, und sie sind daher auch wohl befugt , ihre Privilegien im

Sinne des neunzehnten Jahrhunderts zu modisi iren.

(Ungemein großer Beifallsruf und lang anhaltendes Bravo!)

Abgeordn. von Massow: Meine Herren! Der Vortrag des geehrten Herrn Ministerial-Kommissars hat auf mih gerade den ent= gegengeseßten Eindruck gemacht, wie auf den geehrten Redner, der zuleßt gesprochen hat. Er hat in mir nur die Ueberzeugung bestärkt, daß der Geist des Christenthums die Wissenschaft überall durhwehen müsse. Jch hatte mir vorgenommen, hierüber einige Worte zu sagen, ich shweige aber nah dem, was von dem Herrn Ministeral - Kom- missar so vortrefflich gesagt worden ist. Jch würde ganz auf das Wort erzihtet haben, wenn nit vorher ein Antrag gestellt worden wäre, der, wie mir scheint, niht zur Sache gehört, nämlich der, daß das Statut der Universität zu Königsberg, wonach Katholiken nicht akade- mische Lehrer sein dürfen, geändert werden möge. Jch sollte meinen, daß dieser Antrag bei Berathung einer Verordnung, welche die Ju- den betrifft, niht als Amendement eingereiht werden könne, sondern als eine Spezial-Petition zu betrachten sei, gegen welche ich sonst gar nichts einzuwenden hätte, die aber nicht mehr eingebraht werden darf, weil der Termin für Einbringung von Petitionen verflossen ist.

Abgeordn, Mev issen: Meine Herren! ih glaube, daß es dem verehrten ritterschastlihen Abgeordneten von Westfalen vollkom-= men gelungen is, vor Jhnen darzuthun, daß die Rechte, welche den Juden bereits durch das Geseg von 1812 in Bezug auf akademische Lehr =- Aemter gewährt worden sind, heute nicht in beschränktem Sinne interpretirt werden dürfen, daß diese Rechte in ihrem vollen Umfange aufrecht erhalten werden müssen. Wenn diesem Edikte ältere statu= tarische Bestimmungen einzelner Universitäten aus dem 16ten Jahr= hundert entgegenstehen, so glaube ih, daß jene Bestimmungen im Laufe der Zeit wesentliche Modificationen erlitten haben, daß sie noch in neuerer Zeit gerade durh jenes Edikt von 1812 modifizirt wor= den sind, und daß sie heute nicht mehr gelten. Es wird aber we= sentlih darauf ankommen, außer dem rechtlichen Standpunkte, der für den Juden aus dem Edikt von 1812 hervorgeht noch auf den Srand=- punkt aufmerksam zu machen, den die Ausführung des Königlichen Komnissars, der freien Wissenschaft gegenüber, einnimmt. Wenn derselbe darzuthun versucht hat, daß zu den akademischen Lehr= Aemtern vorzugsweise ein wesentlih christlicher Geist nothwendig sei, so kommt es vor allen Dingen darauf an, zu untersuchen, worin der cristlihe Geist besteht, und wie er jedem Einzelnen anschaulich und sichtbar gemacht werden kann. „Um ihn zu begreifen, muß vor Allem das mystishe Dunkel, worin er feingehüllt ist, zerstreut werden. Meine Herren, wenn wir einige Jahrhunderte in die Geschichte zurück=

ehen und uns über das Wesen des christlichen Geistes Klar= eit zu verschaffen suhen, \o finden wir, daß die Auffassung dieses Geistes am Schlusses des vierzehnten Jahrhunderts eine andere war, als am Schlusse des funfzehnten Jahrhunderts, am Schlusse des 15ten Jahrhunderts eine andere, als am Schlusse des 16ten Jahrhunderts. Aus dem Munde des Herrn Regierungs- Kommissars haben wir gehört, daß eines der Statute, welhe er an-

führte, das Statut der Universität zu Greifswalde vom Jahre 1462 datire, insofern die Notiz, we!he ih mir gemacht habe, richtig E Regierungs - Kommissar Brüggemann: Vom Jahre 1549. Abgeordn. Mevissen: So i meine Notiz falsch. Jch glaubte ehört zu haben, daß es vom Jahre 1462 sei. Jst es von 1549, o stößt das allerdings die Folgerung um, die ih darauf zu gründen gedacht hatte, Jch wollte nämlich darauf aufmerksam machen, daß vor der Reformation nur eine Auffassung des christlichen Geistes A v die ganze ristlihe Welt die kath olische bestand. Die Re- formation zersprengte die Einheit und begründete eine neue, eine an- dere Auffassung; es wäre aber durchaus irrig, ganz der Geschichte widersprehend, wenn man annehmen wollte, daß der Katholizismus diese neue Auffassung des cristlihen Geistes sofort als eine wahre angenommen hätte. Jh Gegentheil, der Katholizismus behäuptete Jahrhunderte hindurch, daß jene Auffassung des Protestantisnus feine christliche sei, und erst nah langen blutigen Kriegen gelangten wir 1m westfälishen Frieden zu dem Waffenstillstande, welcher die protestan=- tische Auffassung des christlihen Geistes als eine im staatlichen Le- ben mit der fatholishen gleich berehtigte, als eine ristlihe aner- kannte. Heute befinden wir uns in derselben Lage, wie zur Zeit der Reformation. Es gehen abermals reformirende Bewegungen auf dem Gebiete der christlichen Kirche vorz abermals sind Tausende aus den im westfälischen Frieden anerkannten Kirchen ausgetreten, und es fragt sich, woher wollen wir das Urtheil nehmen, ob die Ausgetre- tenen auf dem Boden des Christenthums stechen oder nicht? Wer soll darüber entsheiden? Es wird ihnen erinnerlich sein , daß der Herr Kultus-Minister meinte, cine der drei anerkannten Konfessionen müßte darüber entscheiden, ob die Ausgetretenen noch auf dem (hrist= lihen Boden ständen, ob sie vom ristlihen Geiste noch durhdrungeu wären, ; Meine Herren! So wenig der Katholiziómus geneigt war, bei dem Beginn der Reformation diese als eine christliche anzuerkennen, eben so wenig werden heute die vom Staate ayerkannten Konse|= sionen geneigt sein, den wahren christlichen Geist, das Wesen dieses Geistes in den neu si bildenden Konfessionen anzuerfeznen. Es liegt in dem Wesen jeder Religion, daß jie einzig und allein die Wahr= heit zu besißen glaubt; sie muß daran festhalten, sie darf von diesem Glauben nicht lassen, wenn sie si nicht selb aufgeben will. Die religiöse Wahrheit kann für den Gläubigen nur eine sein. Fur zwei verschiedene Auffassungen dieser Wahrheit hat der Geist keinen Raum. Darum haben wir gesehen, daß n Deutschland zu der Zeit, als die christliche Religion sich in mehrere Konfessionen trennte, als aus der einen katholischen Kirche mehrere christliche Kirchen wurden, daß zu der Zeit, sage ih, ein anderes, ein drittes erstand, das Bewußtsein, daß auch in verschiedenen konfessionellen Formen derselbe uncndliche und ewige Geist geglaubt werden fönnez die freie Wissenschaft, die sich unter und neben die firhlichen Konfessionen [rei und selb|t- ständig hinstellte. Die beiden christlichen Konfessionen enthielten und enthalten noch heute unversöhnliche Gegensäbe, beide behaupteten und behaupten, im ausschließlichen Besitze der Wahrheit zu sein ; die deutsche freie Wissenschaft übernahm die Vermittelung zwischen diesen feind= lichen Konfessionen, sie übernahm die Begrüntung einer waren und aufrichtigen Toleranz, sie übernahm es, die verlorene Einheit und Freiheit, die von dem konfessionellen Standpunkte aus nicht zu be= greifen, nit herzustellen war, der Nation wiederzuerobern; sie über= nahm es, das wahre Wesen aller Religionen zu begreifen und dem Volksbewußtsein zu vermitteln. Wir sehen seit den drei Jahrhun- derten, die seit der Reformation hingegangen sind, die deutsche Wijjen- chaft si freier und freier entivickeln, wir sehen sie mehr und mehr die Fret- heitdes Geistes neben die fonfessionellen Unterschiede der Kirche selbstständig hinstellen, wir sehen endlich die gänzliche Lossagung der Wissenschaft von bestimmten Religionsformen vor sih gehen. Jch glaube, meine Herren, daß es einer der größten Akte der neueren Weltgeschichte gewesen ist, als in Deutschland zuerst die Richtung und Trennung der Begriffe von Religion und Religionsformen von Kirche und Wissen= chaft stattgefunden, als sich die deutsche Wissenschaft selbst und aus eigenem Rechte für absolut sret erklärt hat. Dieje Freiheitserflärung war die That der größten, der edelsten Geister unseres Volkes, Mei= nes Wissens is die Zeit in unjerem Vaterlande noch nicht lange her, wo das Ministerium des geistlichen Unterrichts diese Freiheit der deutshen Wissenschaft anerkannte, wo es gerade in der Anerkennung dieser Freiheit seinen Ruhm und seine Ehre suchte. Leider is man in den lelzten Jahren von jener Auffassung zurügegangen, man ist heute sogar im Begriff, wieder zu dem in blutigen Schlachten über= wundenen konfessionellen Standpunkte vergangener Jahrhunderte überzugehen. Es zeigen sih auch sofort Bewegungen und Spaltun= gen in allen Religionen auf dem konfessionellen Gebiete. Diese Spaltungen sind nur die nothwendigen Früchte des Geistes, der neuerdings in die höheren Regionen unseres Staatslebens zur Herr= schaft gelangt is. Jch glaube nicht, daß wir es, nachdem wir das fonfessionelle Element überwunden hatten, es als einen Fortschritt bezeihnèn dürfen, wenn dieses Element in der Schärfe, in der Starr= heit wiederfehrt, wie es jeßt geschieht, ih glaube vielmehr, daß diese Erscheinung die unerfreulichste und beklagenswertheste, die der nationa=- len Entwickelung feindlichste is. Es is vorher von dem Kommissar der Regierung entwickelt worden, daß sich mehrere akademische Dis= ziplinen, namentlich die Æhre von dem Rechte, die Lehre der Philo= sophie und die Lehre der Geschichte, nicht vereinigen lassen mit un- cristlihem Geiste, daß es wesentli sei, daß der cristlihe Geist in ihnen vorwalte, sie durchdringe und beherrsche. Meine Herren, ich bitte Sie, lassen Sie uns wohl die Konsequenzen dieses Saßes er- wägen, denn er gehört zu den tiefsten, wirkungsvollsten und gefähr= lichsten, die wir von dieser Stelle aus vernommen haben. Wenn zugegeben werden könnte, auch nur einen Moment lang, daß ein be= stimmter Geist als christlihcher Geist vom Staate deklarirt wer= den könnte, im Gegensaß zu dem wahrhaft freien christlichen Geist, dec in feinem Jahrhunderte in seiner Form , stets aber in seinem Wesen derselbe, der in jedem Momente sich selbs bestimmt und im Laufe der Zeit noch unendlich weiter bestimmen wird, wenn, sage ich, zugegeben würde , daß ein solcher Geist statutarisch durch den Staat festgestellt werden könute, so wäre es mit der freien Wissenschaft zu Ende. Könuten wir wohl noch da Freiheit der Wissenschaft, Freiheit der Forschung und der Lehre anerkennen, wo eine Regierung den Vertretern der Wissenschaft die Nothwendigkeit auferlegt , zu einem, bestimmten Resultate, zu einer von der Regierung fixirten Auffassung des christlichen Geistes anzukommen? Wir haben gehört , daß die Philosophie zwar niht nothwendig von dem Christenthum ausgehe, die Voragusseßungslosigkeit der philosophischen Forschung wurde uns zugegeben. - Wix haben aber auch gehört, daß in dem christlichen Staate die Philosophie sich nothwendig in Uebereinstimmung mit dem christlihen Geiste befinde, daß diese Uebereinstimmung in ihren Schlüs- sen sich mauifestiren müsse. Jch frage aber, wie können wir frei forschen, wenn ein bestimmtes Ziel uns vorgesteckt, wenn das Wesen des Geistes, die Freiheit und Unendlichkeit uns vom Staate bestritten und genom- men is? Die freie Wissenschaft existirt nur dadurch , daß sie alle Bande, alle Voraussebungen bei ihrem Forschen von sih wirft , daß sie nur dasjenige als richtig und wahr. anerkennt , was sie auf dem Wege freier Forschung Gluta hat. j (Bravoruf.) Wollen Sie die Vorausseßung des christlihen Staates, der den

cristlihen Geist selbst niht zu definiren vermag, und welcher denno von uns verlangt, daß wir nur diejenigen Offenbarungen des ristli- chen Geistes, die ihm genehm sind, für wahr halten, daß wir an- dere Offenbarungen desselben Geistes, die das weite Feld der Ge- \chichte birgt, verwerfen, daß wir also die unendliche und freie Selbst- bestimmung unseres Geistes verzichten sollen wollen Sie diese Vor- aussezungen zugeben, so ist es mit der weiteren Entwickelung unseres Volkes, ja der ganzen christlichen Menschheit zu Ende, Jh würde den Augenblick für den traurigsten Augenblick meines Lebens halten, wenn ih erkennen müßte, baß jene höchste Errungenschaft der Ge-= schichte, jene absolute Freiheit der Wissenschaft, die Jahrhunderte lang sih in dem deutschen Geiste so herrlih, fo glänzend manifestirt hat, die der Ruhm und der Stolz unserer Nation gewesen ist , uns und der Welt verloren gehen könnte!

_ Deshalb bitte, deshalb beschwöre ih Sie, meine Herren! Lassen Sie uns alle konfessionellen Trennungen von uns fernhalten , lassen Sie uns dem freien Geiste der deutschen Wissenschaft huldigen, lassen Sie uns anerkennen , daß unser Volk in seiner Bildung hoh genug gestiegen ist, um keiner konfessionellen Unduldsamkeit, keinem ungereht= fertigtem Geisteszwange mehr Raum zu geben.

(Vielseitiger Bravoruf.) j Abgeordn, Graf von Schwerin: Jch verzichte aus zweifachem

Grunde auf das Wort nämlich: s Erstens, weil der geehrte Abgeordnete aus Westfalen die Wi-

derlegung des Herrn Regierungs-Kommissar, die ih mir au vorge- seßt, so vollständig geführt hat, als ih sie kaum hätte geben kön= nen, und S

Zweitens, weil die leeren Bänke mir zu beweisen scheinen, daß die Versammlung glaubt, über den Gegenstand vollständig infor= mirt zu sein. :

Abgeordn. Dittrich: Jch verzichte aus denselben Gründen auf das Wort.

Abgeordn. von Thadden (vom Plaß): Die Fraction, zu der ih gehöre

(In Folge des stürmischen Rufes „zur Tribüne“, besteigt der Ab-

geordnete dieselbe.) Jch wollte nur das eine Wort sagen, daß die Fraction, zu der ich mir s{meichle zu gehören, in dem, was der Abgeordnete der Ritter- haft von Westfalen* gesagt hat, keine Widerlegung von dem gefunden hat, was der Herr Regierungs-Kommissar in dieser Angelegenheit vorgetragen hat!

_ Marschall: Wenn Niemand mehr das Wort verlangt, so wird über diesen Abschnitt die Berathung geschlossen sein, und wir kommen zur Abstimmung. i:

__ Die Abtheilung hat 3 Anträge gemacht, in ihrer Majorität hat sie die Bestimmung vorgeschlagen, daß die Juden zu allen akademi- schen Lehr = Aemtern, welche nicht ihrer Natur nah das christliche Glaubensbefeuntniß erfordern, befähigt gehalten werden sollen. Ein Theil diejer Majorität hat sih zwar diesem Vorschlage angeschlossen, aber gewünscht, daß ihnen die Aemter des Dekanats, Prorektorats und Rektorats nicht mit übertragen werden dürften; einstimmig is aber die Abtheilung darüber gewesen, wenn etwa die beiden vorigen Vor= schläge nicht angenommen werden sollten, daß wenigstens den jüdischen außerordentlichen Professoren in Beziehung auf die Gehälter gleiche Rechte mit den ordentlichen Professoren eingeräumt würden, Diese drei Vorschläge werde ih der Reihe nah zur Abstimmung bringen, und zwar den am weitesten von der Geseßes - Vorlage abgehenden zuerst, nämlich den, daß den Juden alle akademischen Lehr - Aemter übertragen werden fönnen, welche niht ihrer Natur nah das christlihe Glaubens =- Bekenntniß erfordern, inkl. des Dekanats, Prorektorats und Refktorats. Sollte \\ch hierfür feine Majorität finden, so würde die zweite Frage dahin gehen, ob ihnen diese Zulassung ohne jene drei Aemter zugestanden werden solle, und endlich, wenn man auch damit nicht einverstanden wäre, ob das, was von der Abtheilung einstimmig vorgeschlagen worden is, ange= nommen werden soll, nämlich die Gleichstellung der Gehälter mit den ordentlihen Professoren. Die erste Frage lautet also: Sollen die Juden zu allen akademischen Lehrämtern u. st. w. (wie oben). Die für die Bejahung dieser Frage sind, bitte ih aufzustehen.

(Da das Stimmen-Verhältniß hierbei, so wie ber einer zweiten, auf

die Verneinung gerihteten Abstimmung |[sich nicht klar herausstellt,

so läßt der Marschall dur die Ordner die Stimmen zählen.)

Das Ergebniß der Abstimmung is folgendes: Die Frage is mit 222 Stimmen gegen 181 Stimmen be/aht worden; die erforderlichen zwei Drittel sind also nicht vorhanden, und die Gründe der Mino= rität müssen in die Erklärung mit aufgenommen werden.

Abgeordn. von Domtnierski: Meine Herren! Sie haben aus dem Munde des Königlichen Herrn Kommissars genaue Auskunft über die Statuten der einzelnen Universitäten er alten und geschen, daß diese Statuten zum Theil der Zeit der größten Jntoleranz an-= gehören, und daß der Geist derselben im vollkommenen Widerspruch steht mit der so eben erfolgten Abstimmung, und wenn der Beschluß der Abtheilung und unser Beschluß nicht illusorish bleiben soll, o müssen wir den Antrag stellen, daß diese statutarischen Bestimmungen, die dem Mittelalter angehören, so bald als möglih umgearbeitet würden, und ih erlaube mix diesen Antrag zu stellen.

(Aufregung; eine Stimme : Petition!)

Marschall: Zu diesem Antrage muß ich bemerken, daß er hier ganz ueu in die Versammlung kommt, ohne auf irgend eiue Weise vorbereitet worden zu sein.

(Einige Stimmen: Ja!)

Die Abtheilung hat sich darüber niht ausgesprochen, er is nicht einmal als Amendement vorher angemeldet worden und würde doch jedenfalls so unvorbereitct hier nicht zur Berathung kommen können. Er geht dahin, die bestehenden Statuten einzelner Universitäten zu ändernz das kann wohl, abgesehen davon, ob es materiell wünschens-= werth sei, hier nicht sogleih entschieden werden.

(Einzelne Stimmen: Ja, sehr richtig!)

Referent Sperling (liest vor):

i „Hieran fnüpfte sich noch die Motion eines Mitgliedes, an

v einer Universität des Landes einen Lehrstuhl für jüdische

Theologie einzurichten. Dieser Vorschlag faud vielseitige Unter-

stüßung, indem ein solcher Lehrstuhl uiht nur zum Besten der Ju-

den für erforderlih erachtet wurde, um ihneu das wissenschaftliche

Studium ihrer Religion möglich zu machen, sondern auch im Ju-

teresse der Wissenschaft im Allgemeinen zweckmäßig und nüßlich

ershien. Mit dreizehn Stimmen gegen zwei beschloß die Abthei= lung, ihn gegen das Plenum zu dem Jhrigen zu machen, damit

a Form einer Petition zur Kenntniß Sr. Majestät des Königs

gelange.““ : :

Marschall: Verlangt Jemand das Wort? Da sich Niemand meldet, so werde ih die Frage stellen, ob der Antrag der Abtheilung angenommen werden soll? Diejenigen, die den Antrag befürworten wollen, bitte ih, aufzustehen.

(Nachdem dies geschehen. N H DeS Dee Ul die j Ma zu zählen. rgebniß der inimung i è j i mit R o gegen 156 bejaht ist folgendes. Die Frage ist eferent Sperling (verliest den Ab\chni ß Weseg-Cntwurfs)- g st schnitt 5 des §. 35 des

| Z0

„Außerdem bleibt die Anstellung der Juden als Lehrer auf jüdi= {e Unterrichts-Anstalten beschränkt.“

“1 Gutachten der Abtheilung.

Abschnitt 5. Was vorstehend von der Statthaftigkeit des Unterrichts dèr Juden an Universitäten ausgeführt ist, fanden einzelne Mitglieder im ganzen Umfange au auf deren Unterricht an den nie= deren Unterrichts - Anstalten des Staates anwendbar, indem sie dem ihnen gemachten Einwande , daß dieser Unterricht mehr pädagogischer Natur und dabei die christlih-religiöse Auffassung aller Lebens - Ver= hältnisse unerläßlich sei, damit begegneten, daß keine Erfahrung vor= liege, wonach Juden als solche zu Pädagogen weniger geschickt er- achtet werden könnten als die Christen, vielmehr das Gegentheil sich oft genug im Familienleben zeige, und das Prinzip der Christlichkeit niht allein bei einzelnen Lehrgegenständen nicht zur Anwendung komme, sendern auch überhaupt deshalb niht geltend gemacht werden könne, weil zahlreihe Beispiele vorliegen, daß Juden, welche sich taufen lie- ßen, ohne daß man die Ueberzeugung gewinnen konnte, daß sie mit der Taufe zugleih die christlichen Glaubenswahrheiten in ih aufgenommen, an Schul - Anstalten beschäftigt worden, sogar selbstständig dergleihen Anstalten gegründet haben und das Vertrauen christlicher Aeltern im volien Maße besäßen. YJun- deß wollten dem doch andere Mitglieder im ganzen Um- fange nicht beitreten. Namentlich wurden Bedenken dagegen laut, daß die Juden das Amt eines Dirigenten und Vorstandes an Schul- Anstalten, welche für Kinder christliher Aeltern vorzugsweise bestimmt wären, eingeräumt würde, und insbesondere fanden es einzelne Mit= glieder bei der jeßigen Einrichtung der Elementarschulen, an welchen die Lehrer nicht - nah einzelnen Unterrichts= Gegenständen, sondern flassenweise beschäftigt werden, geradehin unzulässig, daß an solchen Schulen Juden , angestellt werden. Das Resultat der Abstimmung fiel dahin aus, daß von vierzehn anwesenden Mitgliedern si fünf für die Beibehaltung des Entwurss und von den übrigen neun Mit= gliedern, welche tessen Wegfall wünschten, vier sih für folgende Bestimmung:

„Juden können Schul-Aemter, zu welchen sie sih geschickt gemacht haben, verwalten, insofern solche nicht ihrer Natur nah das christ= liche Glaubens - Bekenntniß in sich {ließen ‘, die lebten fünf endlich für eben diese Bestimmung, jedoch nur mit der Maßgabe erklärten: daß die Juden von den Vorstands - Aemtern und den für hrist- E Kinder bestimmten Elementarschulen unbedingt ausgeschlossen eiben.

Abgeordn. Graf von Merveldt: Es wird von der hohen Versammlung gewiß der Grundsaß als wünschenswerth anerkannt wer= den, daß die in unserer Mitte gefaßten Beschlüsse so viel als möglich innerhalb der Gränzen der Ausführbarkeit bleiben. Jn dieser Bezie= hung muß ih bemerken, daß dies hier nicht der Fall sein würde, in- sofern die als unabänderliche Grundlage unserer Staats - Verfassung gewährte Parität der religiösen Verhältnisse verleßt wird. Nun be-= stehen diese Paritätsrehte, meines Dafürhaltens, uicht in demjenigen, was von einem gechrten Mitgliede, nämlich von dem Herrn Referen- ten, uns gestern auseinandergeseßt worden ist, indem er sie nach sei- nen individuellen Ansichten als ein ihm persönlih vorschwebendes Ideal formulirte, sondern darin, was sie, ihrem Wesen nach, sein sol- len und müssen. Hiernach wird von katholischer Seite der Grundsaß festgehalten, daß jeder Unterricht, der in den Elementarschulen oder in niederen Unterrichts-Anstalten, die in die Kinder- und Erziehungs= jahre der Jugend fallen, gegeben wird und nicht blos technische Fer= tigkeiten betrifft, den katholischen religiösen Standpunkt festhalten muß. Wollte man diesen Grundsaß stören, \o würde man in eine Ausar= tung verfallen, die einer nicht genügenden Handhabung der Toleranz angehört, und dieses würde mit den Paritätsrechten unverträglich sein, Darum müssen auch in meiner Heimat in solchen Anstalten, die zur Ausbildung von Elementarschullehrern bestimmt sind, Lebtere als Religionslehrer ausgebildet werden, und wird, nebenbei gesagt, in denselben eine Aufnahme von jüdischen Eleven nie stattfinden können, um so weniger, als katholis geistliche Fonds diese Seminarien aus= statten. Nach Maßgabe dieser Grundsäße ist aber auch die Ausführ= barkeit unserer Entschlüsse für mih und meine Mitstände bedingt, und nah dieser Maßgabe kann nur unter einer Verwahrung dieser unab= änderlichen Grundlagen von vielen Mitständen und mir abgestimmt werden. Die Zulassung von Juden als Lehrer zu EleinentrsWülen oder überhaupt zu solchen Unterrichts - Anstalten, die in die Kinder= oder Erzichungsjahre der Jugend fallen, wird also mit Ausnahme des Unterrichts in blos technischen Fertigkeiten, z. B. Zeichnen, Turnen u, \. w., durchaus ungedenkbar sein. Nun möchte ih hieran noch die allgemeine Bitte an die hohe Versammlung knüpfen, do zu be- denken, daß Se. Majestät der König von diesem Throne die Worte vor der ganzen Nation ausgesprochen haben: j

„Jch und Mein Haus wollen dem Herrn dienen!“ Jch glaube, wir Alle haben diese Worte so verstanden, Se. Majestät der König habe tamit nur sagen können: Wir wollen als Christen dem Herrn dienen, darum möchte ih bitten, daß wir diesem großher= zigen Beispiel, welches sowohl des hochseligen als jeßigen Königs Majestät vor der Welt öffentlich kundgegeben haben, daß Sie der christlichen Religion die ihr gebührende, über alle Weltverhältnisse er= habeue Stellung, die in früheren Jahren leider in den Hintergrund zu treten schien, wiedergegeben haben, daß wir uns die,em h ocherha= benen Beispiële anschließen möchten, indem wir das christliche Prinzip überall da aufrecht zu halten bemüht sind, wo es eine belehrende, eine beirathende oder eine befehlende Stellung gilt. (Bravo !)

Abgeordn. von Wedell: Jh erlaube mir nur auf eine Ab- weichung von dem Geschäfts-Reglement aufmerksam zu machen, in Bezug auf die leßte Abstimmung. Es handelte sich dabei um eine Petition, die an Se. Majestät den König gerichtet werden soll. Es ift nun gesagt, der Antrag der Abtheilung sei angenommen. Das wäre nur der Fall, wenn zwei Drittel der Stimmen dafür gewesen wären, Dies is} aber nicht der Fall. Der Antrag der Abtheilung ist also nah der Zahl der Stimmen nicht angenommen.

Referent: Jh muß bemerken, daß das, was der Sprecher so eben gerügt hat, auf einem Mißverständnisse beruht, zu welchem ih die Veranlassuug gegeben habe, weil ich mich des Worts „Petition“ bedient habe. Es sollte heißen : „Bitte“, Eine Petition is nicht ein- gekommen. Die Bezugnahme auf das Geschäfts-Reglements findet also keine Anwendung.

Abgeordn. von Wedell: Die Abtheilung hat den Antrag ge= stellt, daß in Form einer Petition der Antrag an Se. Majestät den König gerichtet werden möchte, an irgend einer Universität des Lan= des einen Lehrstuhl für jüdische Theologie cinzurichten. Hierüber ist abgestimmt worden. Dies ist eine Petition und kein Amendement zu dem Geseß-Entwurf. Jch muß also bei meiner Ansicht stehen bleiben, daß zwei Drittel der Stimmen erforderli sind, wenn dieser Antrag an den König gelangen soll.

Referent: Das isst derselbe Zweifel, der hon bei anderen Amendements erhoben worden. Darüber wird die hohe Versamm- lung zn entscheiden haben.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh glaube nicht,- daß die Versammlung darüber zu entscheiden“ hat, sondern der Marschall. Wenn der Antrag eine Petition hätte sein follen, so würde der

Marshall, ehe abgestimmt worden is, die nöthige Bemerkung gemacht

Marschall: - Es ist dies allerdings ein Fall, wo es h von ë 2 ,

der Interpretation des Geseges durch das Reglement handelt, und wo e nicht werde umhin können, die Entscheidung zu Der Ausdruck Petition is hier gebraucht worden, und in dieser Be« ziehung könnte dor Fall zweifelhaft sein, indessen es is schon ö vorgekommen, daß an ein erfordertes Gutachten Anträge gekn worden sind, und daß, wenn dieselben im engen Zusammenhange mit der Vorlage waren, sie nit als besondere Petitionen betrachtet und zwei: Drittel der Stimmen nicht verlaugt worden sinv. Jn diesem Sinne betrachte ih den Antrag der Abtheilung und halte ihn für ein Amendement.

Abgeordn. von Gudenau: Wenn ih den Referenten der ge- ehrten Abtheilung recht verstehe, so handelt es \ich hier also gerade um die Frage, sollen einzelnen Juden, welche sih dazu gualisiziren, Elementarlehrer-Stellen anvertraut werden? Jh muß bemerken, daß hier ein wesentliher Unterschied stattfindet zwischen der früheren Frage, welche nur die höheren Lehranstalten betroffen hat, und derjenigen, welche die Elementar-Unterrichts-Anstalten betrifft. Der Unterschied ist hauptsächlih rehtliher Natur. Alle Familienväter haben nicht alleín die moralische, sie haben auch die gejeglihe Verpflichtung, sür den Elementar- Unterricht ihrer Kin er zu sorgen. Von Seiten der Wohlhabenden geschieht dies in der Regel, indem sie Hauslehrer ha= ben, von Seiten der Unbemittelten dadur, daß sie die öffentliche Elementarschule ihres Orts dur ihre Kinder besuchen lassen und be=- suchen lassen müssenz es ist also nit in ihre Gewalt gegeben, ob sie ihre Kinder dahin \{hicken wollen oder niht. Hier in der hohen Ver- sammlung, wenn sie nämlich vollzählig is, mögen wohl 100 Familien= väter sein, welche Hauslehrer für ihre Kinder haben. Die Verhandlungen dieser Tage mögen wohl die Ansichten Vieler geändert, viele gegen die Juden bestehende Vorurtheile zerstört und manche mögen ueue Ansichten gefaßt haben; ich glaube aber nit, daß sie in einem einzigen dieser Mitglieder die Absicht hervorgerufen haben, einen jüdischen Hauslehrer anzunehmen, oder den hristlihen Hauslehrer fortzuschicken und dafür einen Juden anzunehmen. Das glaube ih nicht.

(Zustimmung.)

Also, meine Herren, wenn wir den Juden sagen : qualifizirt euch, so werdet ihr bei den Elementarschulen angestellt, so fann man nichts mehr einwenden gegen ihre wirklihe Anstellung, wie in vielen aude- ren Fällen. Andere höhere Anstellungen bleiben doch noch freiwillig, sie fönnen von der Wahl und vielen speziellen Umständen abhängen. Wenn ih aber den Juden das verspreche, so muß ih es halteu, und wenn ih es halte, was habe ih gethan? Jh habe den Armen, Un= bemittelten, der niht im Stande ist, sih einen Hauslehrer zu halten, genöthigt, die Erziehung seiner Kinder einem Juden anzuvertrauen, ih habe in die heiligsten Rechte gegriffen. Meine Herren! Es ist hier nicht davon die Rede, den Juden mehr oder weniger Rechte einzu=- räumen, es is nicht davon die Rede, Toleranz, Humanität zu üben, es ist aber die Rede davon, wenn die Frage bejaht wird, daß wir den größten Despotismus üben, der, glaube ih, jemals vorgekom-

men M S

(Beifall) i indem man die Aeltern zwingen will, ihre eigenen Kinder gegen die Ueberzeugung von Millionen einem Juden anzuvertrauen. enken Sie sich in die Lage, Sie sind Familienväter, die für ihre Kinder Hauslehrer haben, wenn man Sie zwingen wollte, den Christen sort= zuschicken und einen Juden für die Kinder anzunehmen, was würden Sie dann sagen? Soll das den Armen geschehen# Wenn so viel von christlicher Toleranz und Humanität gesprochen worden ist, so will ih auch noch einen Saß anführer, der hier gilt : was du nicht willst, das man dir thue, das thue auch den Anderen nicht; und ich seße hinzu: was ihr die Wohlhabenden nicht wollt, das euch geschähe, dazu zwingt den Armen nicht!

(Beifall.)

Abgeordn, von Manteuffel Il: Hohe Versammlung! Es ift bisher in diesem Gesehe von Verhältnissen die Rede gewesen, wo die Juden in eine nähere Beziehung gebraht werden mit erwachsenen Christen, es is bei diesen Verhältnissen von der Mehrheit der Ver sammlung gewünscht worden, daß diese Verhältnisse unbeschränkt ein=- tretcn, und diejenigen, welche in der Minorität geblieben sind; haben w-nigstens einigen Trost gefunden, Wir hoffen, daß die erwachsenen Christen ihr Christenthum so hoch und fest stellen werden, daß ein nachtheiliger Einfluß auf die religiösen Ansichten daraus nicht her vorgehtz jeßt aber, meine Herren, wollen Sie die Wesen, deren Er= ziehung Jhnenanvertraut 1}, in Verbindung stellen mit jüdischen Lehrern. Es fann zwar angeführt werden, es sei fein Schulzwang vorhanden; in- dessen der Schulzwang auf einer bestimmten Schule liegt sehr häufi in den Verhältnissen. Wer das platte Land kennt, wird wissen, da man die Schule nicht wählen kann, in welche die Kinder sollen ge=- \cickt werden, sondern es ist auf dem platten Lande, wie in fleineren Städten, bisweilen nicht anders möglich, die Aeltern sind auf eire bestimmte Schule angewiesen, sie müssen die Kinder in diese \{icken, und alsdann wollen Sie also Jhre Kinder den jüdischen Leh rern übergeben? Das kann doch nimmermehr Jhre Absicht sein! Jh möchte, wenn es dahin fäme , diejenigen glüclih preisen , und mih mit ihnen, welche noch nicht in der Lage sind, die Pflichten eines Familienvaters ausüben zu müssen. Jch laube darum, daß es auch wohl kaum möglich sein wird, daß diese Bestimmung hier durh= gehe. Wenn mir indessen auch auf der anderen Seite vielleicht ein= gewandt werden möchte, daß eine derartige faktishe Nöthigung in Beziehung auf bestimmte Schulen nicht eintreten werde, dann frage ih, warum stellen sie überhaupt die jüdischen Lehrer an? Entweder ist der jüdische Lehrer ohne Schüler, oder die christlichen Schüler sind ohne jüdischen Lehrer, und dann hilft der Lehrer nichts. Jch halte es für meine Pflicht, da ich einmal hier bin, noch einige Worte an den Referenten zu richten“ und ihn zu fragen, wer ihm das Recht gegeben hat , abdrucken zu lassen , daß er au dem S nile Glau= bensbekenntnisse eines früheren Juden hinterher noch zweifle. Das ist im Gutachten der Abtheilung gedruckt worden, und ih verwahre mich dagegenz ih verwahre mih dagegen, daß hier geurtheilt werde über das Gewissen des getauften Juden und über das Gewissen des Geistlichen, der ihm die Taufe ertheilt hat; diese beiden Personen haben diese heilige Handlung allein zu beurtheilen und zu vertreten.

Referent Sperling: Auf diese persönliche Interpellation ere laube ih mir, den geehrten Herrn zu bitten, das Gutachten der Abs theilung mit Aufmerksamkeit zu lesen. Er wird dann finden, daß ein ganz anderer Sinn darin liegt, als er ihn hineinlegt, und daß es dieser Aeußerung in Beziehung auf mi hier nicht bedurft hätte.

Abgeordn. von Auerswald: Ich habe dem geehrten Abge- ordneten der rheinischen Ritterschaft, der vor furzem diesen Play eine nahm, für die Gefinnungen und Ansichten, die er E meéi=- nen aufrichtigen Beifall gezollt, ih habe es um L eher gethan, als ih der Sache nah der Üeberzeugung war, daß eine Aeußerung auf einem vollständigen Mißoerständniß beruhte. Es i} bereits gestern beschlossen, daß nur solche Aemter den Juden. anvertraût werden, welche das christliche Glaubensbekenntniß nicht voraussehen, und zugleich wiederholt gesagt, daß sie von denjenigen Aemtern, welche ein ristliches Bekenntniß vorausseßen, ausgeschlossen sein sollen. Cs