1847 / 172 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

uns. Jh sage: Menschenz denn es kann sehr viele gebildete Engländer, Franzosen , Deutsche geben, aber die echtmenschliche Bil- dung is nirgends \o verbreitet, \o tief begründet, als in Deutschland. Und wem verdanken wir das? Meine Herren! Das verdanken wir unseren Universitäten, das verdanken wir dem Um- stande, daß unsere Universitäten nicht ein so allgemeines Landes-Jn- stitut geworden sind, wie in Frankreich, daß aber au unsere Univer= sitäten nicht solhe beshränkte Corporationen geblieben sind, als in England, sondern baß die Universität bei uns wirklih die univers1- tas litterarum geworden ist. Das is unser Stolz, und namentlich wir Preußen können eben darauf sehr stolz seinz ‘denn unsere Könige haben diese Universität als das \hönste Kleinod ihrer Krone erkannt, Darum haben sie si eben dieses gebildete Volk erzogen; Se. Maje- stät Selbst hat die Freude und den Stolz, der Beherrscher dieses ge- bildeten Volkes zu sein, in echt Königlichen Worten anerkannt, Wir aber \ind einig, daß wir in jeder Minute gern die Pflicht erfüllen werden, unseren Herrschern zu zeigen, daß sie nicht umsonst Jahr- hunderte lang diese s{chönen Universitäten erhalten haben. Jh muß nun gestehen, i sehe niht ein, wie man irgend Jemand von dieser Universität ausschließen will, und das Geseß selbst thut dies auch keinesweges, sondern verschließt ihnen allein die höchsten Aemter der Universität. Kommt es nun aber auf das Lehren, auf das Bil= den auf der Universität , wie gesagt worden ist, besonders an, so, glaube ich, kann ein Privat = Dozent eben so viel wirken oder, wenn Sie lieber wollen, eben so viel haden, als ein Prosessor ordinarius. Jch habe in meiner vierjährigen Studienzeit hier zu Berlin den Saal manches Professoris ordinari leer geschen, und ih habe ‘den Saal des eben zum Christenthum übergetretenen Privat - Dozenten Ganz nie leer, sondern gewöhnlich so voll gesehen, daß ein Theil der Zu- hörer zum Fenster hineinsehen mußte, wenn es die Witterung erlaubte. Was nun den Ausspruh Sr. Excellenz anbetrit, daß es eine Klau= sel sein würde, wenn man ihnen die Aemter des Rektorats und De=- fanats verschlösse und er sie darum gar nicht erst zu ordentlichen Professoren ernennen wolle, so scheint mir das so viel zu sein, daß man eine strengere Klausel will , um eine laxere Klausel auszuschlie- ßen. Nach meiner Ansicht braucht die Ausschließung vom Refktorat und Dekanat in dem Geseße nicht ausgesprochen zu werden. So= wohl der Rektor als der Dekan werden von dem Senate gewählt. Wenn wir nun auch den Juden die Berechtigung geben , ordentliche Professoren zu werden, so hängt es noch immer von ihren Kollegen ab, ob sie Dekane, ob sie Rektoren werden fönuen, und wenn uns uun eben gesagt wurde, daß der Senat der Universität Königsberg bei der Revision der Statuten die Juden ausgeschlossen hatten, so glaube ih, daß wir um so weniger Furcht haben dürfen, daß sie auf irgend einer anderen Universität zu Rektoren oder in den Senat ge= wählt werden dürften, da ih gern eingestehe, daß in Königsberg ge= wiß jede Ansicht auch im Senate vertreten ist. Die Rektoren haben übrigens exefutive Gewalt, also würden wir nah der gestrigen Ab= stimmung ihnen dieses Amt heute nicht mehr zusprechen können; ich sehe aber nicht ein, warum ihnen dadurch die ordentlichen Lehrstühle verschlossen sein sollen.

Fürst Lynar: Der Geseß-Entwurf hat ohne Zweifel die wohl- wollende Absicht, die Juden auf eine höhere Bildungsstufe zu stellen, und in der That sind viele dieser Abkömmlinge Abraham's bereits auf die höchste Bildungsstufe getreten. Mein verehrter Freund und Kol- lege aus der Mark hat auf eine große Anzahl ausgezeichneter Per= sönlichkeiten aus diesem Volksstamm aufmerksam gemacht, Namen, denen auch ih die höchste Anerkennung und Achtung zolle, und welchen ich noch viele andere hinzufügen könnte. Ja, es hat gewiß son in früherer Zeit unter den Juden so ausgezeichnete Männer gegeben, es giebt deren noch gegenwärtig viele, und es werden sich auch in Zukunft unter diesem geistvollen Volksstamme dergleichen finden, welche die Zierde einer je= den Hochschule gewesen oder noch sein würden, und ih wünschte da= her, dergleichen hervorragende Kapazitäten für die Wissenschaft zu gewinnen.

Jch halte es ferner für eine gewisse Inkonsequenz und Härte, wenn man einerseits Alles anwendet, um die Juden ‘auf eine höhere Bildungsstufe zu stellen, wenn man sih überzeugt, daß dieser Zweck zum Theil erreiht is, und man andererseits den Juden die Mittel abschneidet, das so mühsam geistig Erworbene in Anwendung zu brin- gen, wenn man sie zwingt, den zusammengebrachten Schaß ihrer Wis= senschaft in steriler Abgeschlossenheit zu bewahren, und ihnen nicht mit der den Christen gebotenen Freiheit die Wege eröffnet, jene Shäbe zum Gemeingut zu machen.

Jh schließe mih daher der Majorität der ständig an.

Graf York: Nicht allein die Könige aus dem Hause Hohen= zollern, sondern alle Fürsten dieses Hauses haben von jeher mit hohem Sinne die geistige Bildung als das unschäßbarste Kleinod ihres Vol- fes angesehen. Es isst dies kaum nöthig, zu erwähnen, denn es ist Jhnen Allen wohl bekannt. Diese- Fürsten haben es aber auf die geistige, nicht allein geistliche Bildung abgesehen; je höher sie den Werth der den Geist bildenden Anstalten Fellen, desto geistig freier wurden sie hingestellt. Wenn nun der Herr Kultus-Minister uns Eng- land als Beispiel angeführt hat, so möchte ih niht wünschen, daß man diesem Beispiele folge; denn es herr{ht in England in dieser Beziehung eine geistige Knechtschaft, von der wir uns frei gehalten haben. Das liegt, meines Erachtens, darin, daß man die Universitä- ten von der hohen Stufe, die sie einnehmen sollen, herabgeseßt und sie in England zu Dienerinuen bestimmter konfessioneller Ansichten ge= macht hat. Je mehr wir diesen Boden einnehmen, desto mehr wird der Wirkungskreis der Universität als einer allgemein alle Konfessio- nen erziehenden Anstalt verloren gehen. Wir müssen auch anerken= nen, daß gerade in Preußen im entgegengeseßten Sinne gehandelt worden ist. Jh erlaube mir das Beispiel anzuführen, dessen ih bei a Berathung dieses Gegenstandes in der Kommission schon gedachte.

2 Geyie Le wurde als Jrrlehrer, als Gefährlicher, da war gerade unser ege König derjenige, der ihn an die neubegründete Universität Berlin berief und ihm das Recht verlieh, zu lehren, was er wollte. Welche Folgen diese Lehren gehabt haben, welch) eine Wirkung, davon is der Beweis die Pole Bildung, deren wir uns in Preußen erfreuen, und auf die wir stolz sein können. Alle, die nachher an der hiesigen Universität lehrten, alle berühmte Namen, Hegel und ih de den noch hier leben- den und lchrenden Schelling nicht aus, sondern ausdrücklich mit ein sind Nachfolger und weitere Entwikeler Fichtescher Lehre und in ge- wissen geistigem Sinne Universitätslehrer gewesen, aber nicht in dem Sinne, wie in England, wo die Universität nur einer bestimmten Richtung einer Kirche gedient hat. Jh bin überzeugt, daß auch nur in dem Sinne die Universität den Zweck erfüllen kann, den sie zu er- reichen sich zur Aufgabe stellen muß, Wenn nun in Preußen die Statuten der meisten Universitäten, troß der von mir für sie vindi= zirten geistigen Freiheit, dem entgegenstehen, so hat dies seinen wah- ren Grund darin, daß sie zu einer Zeit begründet wurden, in der die Menschen noch nicht zu einer vollkommenen Geistesfreiheit gelangt waren. Als aber des hochseligen Königs Majestät hier in Berlin eine neue Universität gründete, pee er, ohne E! auf die Re= ligion, einem Jeden, der geistig ebenbürtig ist, das echt zu, an ihr zu lehren, und ih muß im Gegensaß gegen die Meinung des König- lichen Herrn Kommissars behaupten, daß die Worte, welche im Ge-

Abtheilung voll=

“täten, Bonn und Breslau,

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seße stehen, „ih geschickt machen“, nichts Anderes heißen, als den Be- weis seiner geistigen Tüchtigkeit und Fähigkeit darzuthun, daß der Ausdruck überhaupt nicht nur für die Juden berechnet war, sondern eine ganz allgemeine Bedeutung hat, nämlich daß jeder Jude wie jeder Christ zu einem solhen Amte si geshickt gemacht haben, d. h. seine fes anda prástirt haben muß. Damit 1 also nichts Anderes ausge\prochen, als daß er diese Verpflichtung erfüllen soll und er frei ist von jedem konfessionellen Zwange. Wenn angeführt worden ist, daß die Universität ein organisches Ganze sein soll, so gebe ich dies gern und vollständig zuz aber wenn sie es sein soll, so muß sie die Fähigkeit haben, alle geistigen Notabilitä- ten in sch aufnehmen zu können. Oder wäre es denkbar, um den ausgezeichneten Namen, die ein verehrtes Mitglied an meiner Linken genanut hat, noch einen und den hellleuchtendsten anzuschließen, oder wäre es denkbar, daß Spinoza nicht an einer preußischen Universität Philosophie lehren könnte, weil er ein Jude wäre? Jch glaube, daß ih diesen Namen nux zu nennen brauche, um der hohen Kurie und des Herrn Kultus-Ministers Zustimmung selbst gewiß zu sein, daß dies geradehin undenkbar "wäre. Diese Universität, die nah der Ansicht des Gouvernements und nach meiner eigenen ein organisches Ganze sein soll, muß auch die Fähigkeit haben, in sih ein Leben zu entwickeln, und damit sie diese habe, muß sie nicht äußerlich beschränkt sein in der Aufnahme ihrer Mitglieder durch ir= gend konfessionelle Gründe. Daß auch auf preußischen Universitäten man es so angesehen hat, davon liegt mir der Beweis vor, weil ohne Aufhebung der Statuten, nachdem das Gese von 1812 erschienen war, an Universitäten, die nicht von dem christlihen Bekenntnisse ab= strahiren, wie die hiesige, Juden akademische Lehrer geworden sind. Es is in Breslau, einer paritätischen Universität, der Fall zweimal, wenn ih nicht irre, sogar dreimal vorgekommen. Zwei dieser Lehrer sind, wenn ih nicht irre, später zum Christenthum übergetreten. Der dritte, ein noch in Breslau lebender angeschener Arzt, hat si von der akademischen Wirksamkeit zurückgezogen, als nachher das Geseß erschien, welches es ihm unmöglich machte , höhere akademische Wür- den zu erlangen. Wenn nach dem bereits gefaßten Beschlusse der hohen Kurie die Juden von den höchsten akademischen Würden, wie das Rektorat, ausgeschlossen sind und ausgeschlossen bleiben müssen, so ist dies, nachdem dieser Beschluß feststeht, nicht zu ändern, und ih muß dies anerkennen, so sehr ih es bedaure.

Fürst Wilhelm von Radziwill: Als dasjenige Mitglied der Abtheilung, welches sih allein in der Minorität befunden hat, liegt mir die Verpflichtung ob, meine Ansicht zu vertreten. Um diese voll= ständig zu begründen, muß ih die Geduld der hohen Versammlung noch auf kurze Zeit in Anspruch nehmen und kurz auf die gestrige Debatte zurückkommen, insoweit sie sich auf den Begriff des christlichen Staates und auf die Verhältnisse zwischen Staat und Kirche, die gestern berührt worden sind, bezieht, Jch will mich nicht auf eine theoretishe Entwielung dieser Jdee einlassen, man würde sih im Kreise der hohen Versammlung darüber nicht verständigen können. Jch will diese Idee nur insofern berühren, als sie sih auf die hier jeßt vorliegende Frage und auf die geseßlichen, faktischen Zustände in unserem Lande bezieht. Der preußische Staat wie alle anderen mo- narcischen Staaten in Deutschland beruht noch auf die alte aus dem deutschen Reiche herübergenommene Jdee des christlichen Staa= tes. Der Kaiser war erstens Schirmvogt der Kirche, und zweitens hatte er das dominium mundi, die oberste weltlihe Gewalt. Die- ker Begriff der Souverainetät liegt noch in allen deutschen Verfas= sungen , so wie er in den Grundgeseßen unserer Staats = Verfassung noch besteht. Der westfälishe Friede hat ihn anerkannt, und der westfälische Friede is noch sür den Wiener Kongreß maßgebend ge= wesen, da, wv es sich von dem Verhältniß zwischen Staat und Kirche gehandelt hat, Aus diesem Begriffe, so sehr er auch in den neueren Geseßen modifizirt worden, hat sih das ganze Verhältniß zwischen Staat und Kirche entwickelt. Kommt nun in unserem Staat noch die Organisation unserer bekannten fkollegialishen Form, der roße Einfluß hinzu, den mit dieser Form die individuelle Meinung haben wird, \o liegt darin und in der Schußpflicht, die der Staat gegen die Kirche übernommen hat, schon für denselben die Unzulässig= keit, Juden in höhere Staats - Aemter aufzunehmen. Dieses Faktum ist gestern durch das Votum der hohen Kurie anerkannt worden, es müßte eine völlige Trennung von Kirche und Staat erfolgen, wenn dem entgegen gehandelt werden könnte, neben dieser Trennung müßte der ganze Geist unseres Beamtenthums, seine ganze Organisation in Bezug auf Pflichten und Rechte verändert werden, es müßte nächst der Trennung von Staat und Kirche die französische Ministerial- und Präfekten - Einrichtung, eine strenge Hierarchie und Unterordnung des Beamtenthums eingeführt werden, um den bestehenden Rechten der Kirche, die durch die Beamten des Staates vertreten wird, nicht zu nahe zu treten, Nur nah einer solchen Trennung könnte eine völlige Emancipation der Juden eintreten. Jch glaube nicht, daß es die Absicht sein könnte, ihr zu Liebe eine solche durchgreifende Aen= derung in den bestehenden Zuständen einzuführen, ih zweifle schr, daß die Stände darin willigen würden, eine Anleihe oder eine Ab= zweigung von Domainen zu votiren, die doh nöthig sein würde, um alle in dem preußischem Staate anerkannten Kirchen vollständig zu dotiren, eine Dotation, die erfolgen müßte, wenn eine vollständige Trennung zwischen Kirche und Staat stattfinden sollte. Jn Frankrei, Belgien und Holland is der Emancipation eine Revolution vorangegangen, welche alle bestehenden Verhältnisse umstürzte, welche alle früheren Verpflichtungen, alle früheren Rechte, die zwischen Staat und Kirche bestanden, auflöste. Auf eine solche tabula rasa fonnte in Frankreich, wie in Belgien und Holland, die Emancipation der jeßt bestehenden Verfassungen und in denselben die vollständige Emancipation der Ju= den eingeführt werden. Bei uns wäre sie niht durchzuführen, ohne die wesentlihsten Theile des bestehenden Staatsrechtes zu verändern. Dieses Staatsrecht, die in Folge desselben bestehende Schußpslicht des Staates gegen die anerkannten Kirchen, kommt nun bei der Or= ganisation der Lehranstalten wesentli zur Sprache. Jh habe mich der Majorität der Abtheilnng dahin angeschlossen, die Juden zu or- dentlichen Professuren in den naturwissenschaftlichen, medizinischen und mathematischen Lehrfächern zuzulassen ; ih habe mich aber gleichzeitig dagegen aussprechen müssen, sie zu philosophischen Professuren zuzu- lassen, und ih stelle diesen Antrag aus folgendem Grunde. Der Staat hat eine Universität zu Berlin, durch deren Statut nicht bestimmt ist, welhem Glauben der Professor zugehören, soll, Wir haben drei Universitäten, zu Königsberg, Halle und Greifswalde, in denen, wie aus der Rede des Herrn Kultus-Ministers näher hervor= geht, das evangelische Glaubensbekenntniß eine Bedingung für die Aduss zur Professur ist.

Jnwieweit in evangelischen Universitäten der Staat geneigt sein möchte, mit deren Vorständen eine Veränderung der Statuten dahin zu verhandeln, daß die Juden in den philosophischen Fakultä= ten zugelassen werden könnten, stelle ich anheim. Als Katholik steht mir darüber fein Urtheil zu. Wir haben zwei paritätische Universi= l die an die Stelle von drei aufgehobenen rein katholischen Lehranstalten gegründet sindz diese sind zum Theil mit deren Vermögen dotirt und fundirt worden. An diese Anstalten hat die katholische Kirche wohl begründete bestehende Rechte. Fände an diesen Universitäten eine ulassung der Juden zu philosophischen Pro- fessuren statt, so würden ungusbleibliche Konflikte zwischen den Staats=-

und den bischöfllihen Behörden stattfinden. Die bischöflichen Behörden haben anerkannte Rechte an diesen Universitäten und würden, wenn philosophische Des uen an denselben den Juden geöffnet werden möchten, den Besuch der paritätischen Universitäten den fatholischen Studiosen der Theologie untersagen. Die nächste Folge davon würde sein, daß sie rechtlich an den Staat die Forderung würden stellen fönnen, rein fatholishe Lehranstalten dafür zu organisiren. Es wäre also besonders der Erwägung der hohen Kurie anheimzustellen, daß sie durch ein Votum, im Sinne der Abtheilung, wenn es so allge= mein hingestellt würde, dem Staate in Folge dessen eine Verpflichtung auferlegen würde, die sehr bedeutende Ausgaben nach sih ziehen und eine Ursahe von Reibungen wieder hervorrufen würde, die durch die gerechte Berücksichtigung der bestehenden Rechte der katholischen Kirche so glücklich beseitigt worden.

Graf Botho zu Stolberg: Wir haben vorhin von einem verehrten Mitgliede aus Schlesien sehr überzeugend darstellen hören, auf welchem hohen Standpunkte die preußischen Universitäten stehen. Jch stimme ihm vom ganzen Herzen bei und freue mich sehr über diesen Zustand der Universitäten z ich frage aber, auf welcher Grund= lage beruht eben der blühende Zustand der Universitäten? Nach meiner Ansicht beruht ex nur auf der christlichen Bildung und Ge= sittung, die alles dies hervorgebraht hat. Jch glaube auch, es ist unter uns Niemand, der wissenschaftliche Disziplinen kennt, die auf einem anderen Grunde in jebiger Zeit beruhten und zu bebauen ws= ren, als auf dem der christlichen Gesittung- Nun scheint mir, daß hier viel im Sinne des Fortschritts geredet worden ist, ih sehe aber nicht ein, wie wir auf diesem Wege Fortschritte machen, wenn noch andere Disziplinen hinzugezogen werden, und aus diesem Grunde weiß ih nit, warum man hier noch besonders die jüdischen Beken- ner hinzuziehen soll. Jch glaube deswegen, daß wir uns darauf be= {ränken können, daß wir sie zu außerordentlichen Professoren zulassen. Da aber die Juden, die sich auszeichnen, meiner Meinung nach, sich immer auch dann auszeichnen, wenn sie sih dem christlichen Stand= punkte zu nähern suchen, so glaube ih, daß ihnen -dann immer noch ein freies Feld ihrer Wirksamkeit bleibt, daß wir aber nicht weiter zu gehen brauchen. e i

Graf zu Solms =- Baruth : Auch ich stimme vollständig dem bei, was ein geehrter Redner aus Schlesien zum Lobe unserer preu- ischen Universitäten gesagt hat ; aber ih mache gerade darauf auf= merksam, daß diese Universitäten christlihe Bildungs - Anstalten sind, und daß sie als solche diesen großen Ruhm sich erworben haben und ihn sih erhalten müssen. Wenn man den Juden Rechte geben will, wie wir sie durch das vorliegende Geseß zu ertheilen im Begriff sind, und wenn wir die Voten, die gestern in diesem Saale erfolgt sind, berücksichtigen, so glaube ih, daß man sie ganz füglich in Ueber- einstimmung mit diesem christlichen Fundamente, welches unsere Uni- versitäten haben, in bedingter, beschränkter Weise zu Lehrerstellen an denselben zulassen kann, welche ihnen eine Theilnahme an der all- gemeinen Bildung erlaubt, Eine Theilnahme aber über diesen Grad hinaus, die, glaube ih, kann man ihnen nicht einräumen, wenn man nicht gerade das Fundament des christlichen Prinzips auf den Univer= sitäten vollständig verändern will, Dem stehen mehrfache, sehr be- gründete Schwierigkeiten entgegen, 3. B. in den Statuten der Uni= versitäten scibst. An diesen Statuten hat man nah sorgfältiger Prüfung in der Abtheilung geglaubt, durchaus nicht rütteln zu dür- fen. Eben so hat der Erfolg, den bisher die Universitäten gehabt haben, die Abtheilung dahin geführt, gerade bei den vorgeschlagenen Fakultäts-Verhältnissen stehen zu bleiben.

Aus diesem Grunde möchte ih der hohen Versammlung anra= then, sich den Vorschlägen der Abtheilung gezeigtest anzuschließen, nah welchen den jüdischen Glaubensgenossen das Recht gegeben wird, an denjenigen Fakultäten Theil zu nehmen, welhe mit dem christlichen Glauben in feinem Widerspruch treten können; das is die philoso=- phische und die medizinische Fakultät. Rücksichtlich der beiden ande- ren Fakultäten aber glaube ih entschieden mih widerseßen zu miissen und will ihnen eine Theilnahme an den Fakultätsrehten nicht ein= räumen. Ében so folgt aus den Beschlüssen, die gestern hier gefaßt worden sind, daß wir den Juden ein Anrecht an das Rektorat, Pro- reftorat, Dekanat und an die Mitgliedschaft des Senats nicht zuge= stehen dürfen, weil diesen Functionen gewisse Gewalten anhängen, welche mit den gefaßten Beschlüssen unverträglich sind.

Graf zu Dohna=-Lauck: Auch ih bin {hon lange der Mei- nung gewesen, daß kein wesentlihes Hinderniß entgegenstehe, um die Juden auch zu den ordentlichen Professuren in der medizinishen und vhilosophischen Fakultät an den Universitäten zulassen zu können, Jch stimme in dieser Hinsicht ganz demi Antrage der Abtheilung bei. Dies wird den verehrten Herren, die in der vorigen Sißung meine Ansicht der Intoleranz haben zeihen wollen, den Beweis geben, daß ih den ristlih religiösen Prinzipien im Staatsleben feine weiter gehende Rücksicht angedeihen lasse, als die ihnen nothwendig und mit Recht zukommt. Auch im Uebrigen muß ih mi ganz für den Antrag der Abtheilung erklären, namentlich bin ih au der Meinung, daß im Geseße ganz genau bestimmt werde, daß die jüdischen Professoren von dem Amte eines Rektors und Prorektors ausgeschlossen bleiben. Ich möchte nicht wie mein geehrter Freund aus Schlesien sagen, daß hier eine Klausel in das Geseß käme, die nicht hinein gehört, sondern ich glaube, es sei nothwendig, daß in dieser Hinsicht das Geseh sih ganz bestimmt aussprehe. Auch erkläre ih mich dahin, daß die Spezial= Statuten der Universitäten von diesem allgemeinen Gesetze in feiner Hinsicht alterirt werden dürfen und es diesen wissenschaftlihen Kör- perschaften zu überlassen sei, ob sie es angemessen und zweckmäßig finden werden, für den großen Entwickelungsgang der Wissenschast diese Statuten auf dem geseßmäßigen Wege zu ändern, Jn dieser Hinsicht schließe ih mih auch ganz der Abtheilung an.

Fürst zu Lynar: Ein durchlauchtiger Redner, mir gegenüber, hat, wenn ih ihn recht verstanden habe, geäußert, daß große soziale Veränderungen welthistorish immer nur in Folge von Revolutionen eintreten. Dem muß ih widersprehen. Es ijt gerade das Eigen-= thümliche, das Große und Bewundernswerthe in unserer staatlichen

Entwickelung, daß die durch die Zeit gebotenen Veränderungen bei

uns niht auf dem sturmvollen Wege der Revolution eintreten, son= dern auf dem ruhigen Wege einer besonnenen und vernunftgemäßen Fortbildung. ;

Feind aller Erschütterungen, wollen wix für alle Zeiten durch diese vernunftgemäße Umbildung das erreichen, was bei anderen Nationen nur unter Strömen von Blut und Thränen gewonnen wird, und auch bei der vorliegenden Veranlassung werden wix an- erkannte Uebelstände durch eine vernunftgemäße Reform beseitigen.

Fürst Wilhelm Radziwill: Jh muß mir eine Berichtigung erlauben, Jh habe hier nur die Ursache anführen wollen, aus der es hervorgegangen ist, daß in Frankreich solche Verhältnisse haben eingeführt werden können, wie sie bei uns praktisch noch niht mög- lih sind, weil eben bei uns noch Rechte bestehen, Pflichten des Staates gegen die Kirche, Rechte der Kirche im Staate, die tangirt werden würden, wenn wir den Juden die ausgedehnten Rechte zuer= fennen wollten, die ihnen nah der französischen, holländischen und belgischen Verfassung gegeben worden sind,

Erste Beilage

Graf York: J wollte nur erklären, daß ih mich dem an- schließe, was ein geehrter Redner aus Preußen gesagt hat, daß ein allgemeines Geseß allerdings niht die Statuten der einzelnen Univer- sitäten aufheben kann, und daß man von diesen Bildungs = Jnstituten erwarten muß, wozu man wohl berechtigt is, daß die nöthigen Anträge ihrerseits geschehen, Jch muß aber auch von hier aus wei- ter gehen und sagen, daß, wenn vou einer preußischen Universität ein solcher Autrag geschieht und die Staats-Regierung darauf einzu- gehen für gut erachtet, mir es dann völlig richtig erscheint, daß die paritätischen Universitäten keinen besonderen Anuspruch- machen köunten, weil die fatholishe Theologie au diesen Universitäten auch gelehrt wird. ‘Es is dann nur die Forderrng zu stellen, die auch im reichen Maße schon erfüllt worden ift, daß gewisse Disziplinen nux von fa=- tholischen Lehrera beseßt werden können, Man is in diesen Forderun- gen so viel ih weiß, ziemlich weit gegangen, man hat eine fatholische Philosophie, eine fatholishe Geschichte verlangt, und, so viel mir be- fannt, ist das Gouvernement auf alle diese Forderungen eingegangen und hat besondere Lehrer dieser Konfession für diese Disziplinen an= gestellt. Ju Breslau, wie ih genau weiß, is dies der Fall, Einen noch weiteren Anspruch, den des Rechts der Ausschließung für die ka- tholishe Theologie studirende Jugend von gewissen Universitäten, kann ih aber nie und Niemanden zugestehen. Dies wollte ich mir noh anschließend an das, was der durchlauchtige Redner aus Posen ge- sagt hat, auszusprechen erlanben. Andererseits muß ich noch das berühren, was ein erlauhter Redner vor mir bemerkte, daß man die Disziplinen namhaft machen möchte, die nicht auf christliher Bildung, \o war, glaube ih, der Ausdru, beruhen, und darauf erlaube ih mir Einiges anzuführen.

Jch habe früher {hon die Haupt-Disziplin aller philosophischen

Disziplinen die Philosophie selbst genanut, und ich glaube, wenn über= haupt eine Disziplin philosophish fein soll, sie unabhängig von einem Bekenutniß, sich selbst bestimmend sein muß. Jch könnte mich darauf einlassen, dieses historisch nachzuweisen aus der Geschichte der Philo- sophie, ih verzichte aber darauf. Jh muß ferner gestehen, daß ich wirklich nicht begreife, wie die christliche Bildung in dem griechischen und römischen klassischen Alterthum zu finden und zu entwickeln sein und wie die Philosophie des Aristoteles nach christlichen Prinzipien vorgetragen werden soll, Jch könnte noch weitere Beispiele anfüh= renz ih beschränke mih aber auf das Gesagte. Jch will nun über den Antrag der Minorität noh Einiges in wenig Worten bemerken. Es isst angeführt worden, daß man die Juden von der juristischen Fa- Fultät aus\chließen müsse, weil das jus civile von dem jus canonl- cum nicht getrennt werden föune, und weil das Katheder nur an De. juris utriusque zu übertragen sei. Es sind indessen bereits mehrere Fälle vorgekommen, daß Juden zu Doktoren nur des bhürger= lichen Rechtes kreirt worden sind, und wenn ih erwäge, wie gußer- ordentlich wenig Cinfluß auf das Leben jeßt das fanonische Recht ausübt, so sehe ih nicht ein, warum es nicht möglich sein sollte, diese beiden Fächer zu trennen, da man, abgeschen von dieser einzelnen Disziplin, alle anderen juristischen vortragen fann, ohne Christ zu sein, 58 ist mir sogar bekannt, daß es sehr bedeutekde Rechtslehrer gege- ben hat, die, wenn man auf den Jnhalt ihres christlichen Glaubens hätte ein großes Gewicht legen wollen, und diesen für unumgäng- lih nothwendig erachtet hätte, nicht wohl die Erlaubuiß hätten er- balten können, an Universitäten zu lehren. Graf von Dyhrn: Obgleich ih selbst uicht den Glaubens- stand der erwähnten großen juristischen Lehrer untersuchen will und ihm dessen Vertretung selbst überlassen muß, so schließe ih mich voll- fommen dem Antrage meines Freundes an. Auch ih stimme dafür, daß den Juden die juristische Fakultät geöffuet werde und sie Dok toren des bürgerlihen Rechtes werden können, ohne Lehrer des ka- nonischen Rechts zu sein.

Auf einen früheren Ausspruch nun zurückgehend, erlaube ih mir, an Se. Excellenz den Herrn Minister des Kultus die Frage: ob preußische Bischöfe das Recht haben, Vorlesungen auf preußischen Universitäten zu verbieten? Es is nämlich vvrhin von einem ehren- werthen Mitgliede geäußert worden, daß, nenn auf paritätischen Uni- versitäten Juden als Lehrer in der philosophischen Fakultät angestellt würden, die Bischöfe den jungen fatholischen Theologen dann die Vor= lesungen dieser Lehrer verbieten würden. Zur philosophischen Fakul- tät gehören aber die mathematische Wissenschaft, Physik, Aesthetik.

“Kultus-Minister: Jch glaube nicht, daß es rathsam sei, tief in diese Materie einzugehen, und will mich daher [nur ‘auf We-=- niges beschränken. Das Juteresse der Bischöfe bei der Beseßung der ei- gentlich philosophischen Lehrstellen in den paritätischen Fakultäten leuch tet ein. Ein Studirender, der sich zum Theologen bilden will, kann sich nicht aus\chließend auf deu Kreis der Disziplinen, welche nur in der theologischen Fakultät gelehrt werden, beschränken , sondern er muß auch philosophische Kollegien hören, z. B. über spekulative Phi losophie, Psychologie U, L ; ; S /

Graf 9. Dyhrn: L bgleich ih durchaus nicht gebeten habe, eine Belehrung über das Lebtere zu erhalten, sondern nur eine ganz kurze Frage über ein Faktum an Se. Excellenz den Herrn Minister richtete, die mir aber uit beantwortet worden ist, so will ih doch auch nicht tiefer in diese Materie eingehen. Jch habe blos eine einfa.he Frage gestellt, und allerdings Se. Excellenz haben das Recht, sie zu beant- worten oder nicht ; |

(Kultus-Minister bittet den Redner die Frage zu wiederholen.)

Es ist die Frage, auf die ih mir eine Antwort erbitten wollte, ob die fatholischen Bischöfe das Recht haben, der akademischen Jugend das Anhören von Vorlesungen auf unseren Universitäten zu verbieten.

Ç3 ist vorhin geäußert worden, die fatholischen Bischöfe hätten das Recht, der akademischen Jugend zu verbieten, Vorlesungen beizu= wohnen. : ¿

Fürst W. Radziwill: Jch habe gesagt, daß Se. Majestät der König in Seiner IReisheit und Gerechtigkeit geruht haben, den Bischöfen auf paritätischen Universitäten bestimmte Rechte einzu räumen, die auf die Rechte der fatholischen Kirche gegründet sind. Jch habe gesagt, wenn Juden als Lehrer auf solchen paritätischen Universitäten zugelassen werden, würden die Bischöfe, die uach den ihnen eingeräumten Rechten vollständig dazu befugt sind, den Besuch nit nur der Vorlesungen, sondern der Universität selbst den Studiosen der katholischen Theologie verbieten. Cs werden daraus fostbare Verpflichtungen für den Staat hervorgehen. -

Graf Dyhrn: Da es sich niht um die Feststellung der Rechte der Bischöfe handelt, so habe ich die Frage nicht gestellt, um an die- sen Rechten zu zweifeln; allein der geehrte Herr Redner wird mir doch erlauben, zu fragen, ob das Recht, den Besuch von Vorlesungen und von Universitäten zu verbieten, mit zu den Rechten der Bischöfe gehört.

Kultus = Minister: Diese besondere. Frage fann beantwortet werden, ohne die allgemeine Frage zur Erörterung zu bringen, welche Rechte den Bischöfen in Erfüllung der ihnen als solchen nah der unter dem Schuße des Staates sih befindenden Grundverfassung ihrer Kirche obliegenden Verpflichtungen zustehen. Es kann wohl

|

vorkommen, daß ein Bischof in Ausübung dieser Rechte weiter gehe, als ihm von Staats wegen zugestanden werden fann, und daß dar= über Konflikte entstehen. Eine nähere Auslassung über den Gegen=- stand wünschte ih zu vermeiden. Es handelt sich im Allgemeinen darum, welche Pflichten hat der Bischof nach der Grundverfassung seiner Kirche in Beziehung auf die jungen Theologen, die für seine Kirche gebildet werden sollen , und welche Einwirkung hat ihm der Staat, in Folge dieser dem Bischof obliegenden Pflichten, einerseits vermöge des einer öffentlich aneifannten Kirche gebührenden Schußes, andererseits in Vertretung staatlicher Interessen, zuzugestehen,. Es ift möglich, daß eine Eingreifung versucht werde, welche über die zuste- hende Gränze geht. Gegenwärtig liegt ein solcher Fall nicht vor. Das Verhältniß zu den jebigen Bischöfen is ein durchaus freund= liches,

i Marschall: Die Berathung über diesen Punkt halte ih für ershöpft. Graf Dyrhn scheint mir aber nicht blos aufgestanden zu sein, um diese Frage zu stellen, sondern über den eigentlihen Gegen- stand zu sprechen.

Graf Dyrhn: Jh wollte der Ansicht meines Freundes bei= treten, und das ist geschehen.

Graf Botho zu Stolberg: Jch habe eine persönliche Be- merkung zu machen auf das, was mix erwiedert worden is. Jch muß mißverstanden worden sein rücsichtlich der wissenschaftlichen Diszipli= nen, von welchen ih gesprochen habe. Jch hätte es vielleicht noch richtiger ausgedrückt, wenn ih von einer christlichen Weltanschauung als von etwas Höherem gesprochen hätte. Jh glaube, das wird ausdrücken, was ich im Sinne hatte.

Fürst Boguslaw Radziwill: Jh muß mir noch eine Be- merkung erlauben. Es hat ein geehrter Redner die Aeußerung ge= macht, daß Vorträge über Philo‘ophie auch von Juden gehalten

werden können, indem diese Vorträge mit dem christlichen Prinzip in keiner Verbindung ständen. Jch. bin der Meinung, daß sie nicht allein mit dem christlichen Prinzip in enger Verbindung stehen, sondern dem- selben sogar offenbar feindselig entgegentreten fönnen. Jch bin der Ueberzeugung, daß gerade die Wirren, die jeßt so vielfach in religióck sen Verhältnissen stattfinden, größteutheils das Produkt falscher oder fals verstandener philosophischer Svsteme sind, und gerade ein Phi- losoph, dessen von einem Redner vorhin lobend Erwähnung geschah, nämlich Hegel, hat, nah meinen Ansichten, durch seine Vorträge über Philosophie einen sehr bedeutenden Anlaß oder Beitrag zu den jeßt so vielfach herrschenden religiösen Wirren gegeben. Daß aber Hegel au mißverstanden worden 1, geht aus einer Aeußerung des genann= ten Philoso:hen selbst hervor, indem er selbst gesagt hat: „Von meinen Zuhörern hat mih nur Einer verstanden, und dieser Eine hat mich fal#\ch verstanden.“

Marschall: Wir kommen zur Abstimmung über den Gegen=- stand, Es hat die Abtheilung dârauf angetragen, daß die Juden au als ordentliche Professoren der medizinischen und philosophischen Fakultät zugelassen werden möchten. Dabei ift sie davon ausgegangen, daß ihnen das Amt eines Dekans und Rektors, in Folge der früher \chon stattgefundenen Abstimmung, nicht wird zuerkannt werden fön= nen. Sie hat dies zum Theil für Fassungssache gehalten und, nach- dem die Ansicht der Versammlung unzweiselhaft festgestellt sein wird, die spätere Fassung der Redaction des Gesebes vorbehalten. Sie ist weiter von der Ansicht ausgegangen, daß auch die Statuten der Uni= versitäten unberührt bleiben missen und es der Regierung zu über- lassen sei, in welcher Weise eine Vereinbarung zwischen diejen Sta=- tuten und den Beschlüssen, welche von der Versammlung beantragt und von der Regierung gefaßt werden, zu erreichen sein wird. Wir fommen also zur Abstimmung. über den Autrag, welchen die Abthei- lung gestellt hat.

Fürst W. von Radziwill: Jch muß mir über die Fragestellung die Bemerkung erlauben, daß die Minorität si doch noch das Recht vorbehält, über ihre Ansicht abstimmen zu lassen, die sih der unbe- dingten Zulassung der Juden für den Lehrstuhl der Philosophie ent- schieden widerseßt.

Marschall: Die Abstimmung wird zuerst auf den Antrag ge rihtet, der von der Majorität der Abtheilung ausgegangen ist. _DU der Abstimmung über diese Frage wird die andere hon enthalten sein, denn es wird der Antrag der Minorität der Abtheilung dadur ent- weder angenommen oder abgelehnt. Eine weitere Frage wird später- hin noch auf den Antrag zu richten sein, der von dem Grafen von York gemacht worden ist, daß die Juden auch als ordentliche Pro-= fessoren zugelassen werden möchten zu einem Theil des Lehrfachs der ju- ristishen Fakultät, nämlich zu demjenigen, welcher zu dem fanonischen Rechte nicht in Beziehung steht.

Fürst W. von Radziwill: Die Minorität will die Juden zu den Lehrstühlen der Philosophie an den Universitäten nicht zula)jen, dagegen stimmt sie mit der Majorität überein in Beziehung au} ihre Zulassung als ordentliche Professoren in der mathematischen, natur= wissenschaftlichen und medizinischen Fakultät. E

Graf Dyhrn: Aber die Mathematik und Natur - Wissenschaft sind philosophische Lehrstühle. i

Jürst von Radziwill: Der Herr Redner meint es im allge- meinen Sinn; ih habe es im konkreten Sinne genommen.

Graf Dyhrn: Im amtlichen Sinne, Durchlaucht.

Fürst W. von Radziwill: Sie sind allerdings Lehrstühle der Fakultät, aber uicht der Philosophie an und für- sich.

Marschall: Es kanu dem nicht widersprochen werden, ist auch, so viel ih vernommen habe, nicht geschehen, daß die erste Frage auf den Antrag gerichtet wird, der von der Majorität der Abtheilung ge- stellt is und dahin lautet, daß die Juden auch als ordeutliche Pro= fessoren der medizinischen und philosophischen Fakultät zuzulassen seien. Wir werden zuerst über diesen Antrag und zwar in der Weise ab stimmen, daß diejenigen, welche dem Antrag der Abtheilung beijtim men, das durch Aufstehen zu erkennen geben. E

Dem Antrage der Abtheilung ist nicht zugestimmt, somit ist auch feine weitere Frage auf den Vorschlag des Grafen von York zu richten.

Prinz Birou von Kurland: Da gezählt worden 1, jo ware es doch erwünscht, das Stimmenverhältniß zu erfahren

Marschall: 26 haben für Nein und 23 für Ja gejtimmf.

Referent: Jch glaube, daß cs nun zunächst darauf ankommen wird, durch eine weitere Frage zu ermitteln, was bis jeßt nicht hat geschehen können, ob der abweichende Beschluß sich darauf bezogen hat, daß die Abtheilung darauf angetragen hat, die Juden nicht blos zu außerordentlichen, sondern auch zu ordentlichen Professoren zu er- nennen, oder aber, ob er si darauf bezogen hat, sie nur in der me- dizinischen Fakultät zuzulassen, oder ob er darauf beruht, daß zwar die Kurie gegen die Ernennung der Juden zu ordentlichen Professo- ren nichts zu erinnern findet, aber den Kreis, in welchem sie ordent- liche Professoren werden dürfen, verringern, und sie also neben der medizinischen Fakultät nicht zur ganzen philosophischen Fakultät, son- dern nux zu den mathematischen und naturwissenschaftlihen Lehrstühlen zulassen will. Jch richte deshalb an den Herrn Marschall die Bitte, zunächst die Frage zu stellen, ob die Juden zu ordentlichen Professo-

Mittwoch den 23#®" Juni.

R MCIE D U IRP IOCCE A RA I O D O U

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ren in den Fächern, welche die Kurie zuerkennen will, ernannt werden

fönnen.

Fürst W. von Radziwill: Jun Beziehu ; 2 lung möchte ih mir do eine Frage clibee e E stimmt, aber niht angenommen worden, und es kommt jeßt darauf an, über das Amendement zu stimmen, das i als einziges Mitglied der Minorität eingebraht habe, und das dahin gerichtet is , ‘ob die Juden zu ordentlichen Professuren in den mathematischen, naturwis- senschaftlihen und medizinischen Fächern zugelassen werden sollen.

Secretair Graf York: Es sind nur 49 Mitglieder aufgezählt während 57 im Saale anwesend sind, und es würden also diejenigen mit Recht eine Einsprache gegen die Abstimmer erheben können, de= ren Stimmen nicht eingezeihnet sind. Jh glaube daher , daß diese nachgetragen werden müssen. /

(Es wird nochmals gezählt.)

Fürst Lichnowsky: Jch glaube, daß nah dem Reglement noh einmal abgestimmt werden muß und nicht blos nachgezählt wer- den darf.

Secretair Graf York: Es war ein reiner Jrrthum des Zäh- lens; übrigens kann sih das so schr eifrige fürstlihe Mitglied beru- higen , indem an dem Verhältnisse der Abstimmung nichts geändert i, da von den Nichteingezeichneten eben so viel dafür als dagegen gestimmt haben.

Marschall: Nit 3 Stimmen ist die Frage verneint; es ha- ben von den Nichtgezählten 5 mit Ja und 5 mit Nein gestimmt.

Fürst Lihnowsky: Jch würde den verehrten Herrn Secre= tair, der si eines unparlamentarischen Beiwortes gegen mi bedient hat, niht weiter beunruhigen und mi, wenn die Versammlung be- ließt, daß dieses Nachzählen reglementsmäßig ist, allerdings zufrie- denstellcen, Judessen muß ih doch bemerken, daß ih dieses Verfahren

des Nachzählens noch nie gesehen habe, sondern der Ansicht bin, daß, und dieses Resultat nicht übereinstimmt, nohmals

wenn ein Resultat veröffentliht worden ist mit der Zahl der gegenwärtigen Mitglieder abgestimmt werden soll.

Secretair Graf York: Dagegen habe ih durchaus nichts ein- zuwenden, ih habe in dem gegenwärtigen Falle die Sache nur ab- fürzen wollen,

Fürst Li hnow sky: zu bringen.

Marschall: Jch halte auch dafür, daß muß, daß das Stimmenverhältniß in diesem Falle ganz vollkommen dasselbe geblieben is. Es hat sich vorhin ein Unterschied von drei Stimmen gezeigt und es zeigt sich auch jeßt wieder ein Unterschied von drei Stimmenz mit einer Mehrheit von Z Stimmen is die Frage verneint worden, und das Ergebniß der Abstimmung bleibt also, wie Jedermann anerkennen wird, ganz dasselbe. Jh glaube also nicht, daß auf dem Antrage, nochmals abstimmen zu lassen, be- harrt werden wird.

Referent: lassen, und mag das Resultat sein, doch wünschenswerth, daß in einer lichkeit eines Zweifels darüber sein fann, Kurie gewesen ist.

Fürst Lichnowsfy: Ich halte das Rachstimmen für eine An0o-= malie und gefährlich und muß den Herrn Marschall bitten, zu fra- gen, ob mein Antrag die nöthige Unterstüßung von sechs Mitgliedern sindet.

Marschall: Der Antrag hat die nöthige Unterstüßung ge- funden, und es is meines Ortes fein Grund einer abermaligen Ab- stimmung mich entgegenzuseßen; es wird also abermals durch Ausfste- hen und Sibßenbleiben gestimmt werden. Der Herr Secretair von Krosigk is zu ersuchen, die innere Seite und Graf von York die äußere Seite zu zählen.

Graf von Zieten: Jh erlaube mir die kurze Frage, ob nah der Abstimmung das Amendement des geehrten Mitgliedes von Posen noch zur Abstimmung kommen wird oder nicht?

Marschall: Wir sind vorläufig bei der ersten Abstimmung.

Graf vou Zieten: Es ist dieser Umstand von großem Ge- wicht für meine Abstimmung.

Marschall: Wir haben jeßt über den Antrag der Abtheilung abgestimmt. Der is verworfen. Die Abtheilung hat aber nux einen Antrag gestellt. Es kommt also nur auf die weitere Fragestellung über die Vorschläge an, welche in der Versammlung gemacht worden sind, und wenn der Vorschlag des Fürsten Radziwill die geseßliche Unterstützung findet, die er noh nicht gefunden hat wenigstens i] sie noch nicht provozirt worden so wird er als ein selbststän- diger Antrag -zur Abstimmung kommen, abex niht als Vorschlag der Minorität der Abtheilung, und eben o wird der Vorschlag des Gra- sen von York zur Abstimmung fommeu. Wir sind also bei der Wie- derholung der Abstimmung, die vorhin stattfand, und ih habe die Mitglieder zu veranlassen, aufzustehen, welche für den Antrag der Abtheilung stimmen.

Referent Graf von Jthenplib: die Frage nochmals verlesen zu dürfen:

„Die Abtheilung trägt mit 6 gegen 1 Stimme darauf an, daß die Juden auch als ordentliche Professoren der medi= zinischen und vhilosophischen Fakultät zugelassen werden.“

Marschall: Diejenigen Mitglieder, welche dem Antrage der Abtheilung beitreten, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Nachdem die Zählung stattgefunden hat.) :

Domprobst von Krosigk: Die Anzahl“ der Stimmenden auf der inneren Seite is völlig der früheren Anzahl gleich; aber eine Abweichung is darin, insofern vorhin 12 für und 12 gegen, jeßt aber aber 11 für und 13 gegen gestimmt haben.

(Nachdem auch die Zählung auf der äußeren Seite statt gefunden hatte.)

Marschall: Das Resultat is dasselbe haben 31, mit J a haben 28 gestimmt,

Secretair Dompropst von Krosigk: Mir scheint der Antrag, welcher von dem Fürsten Radziwill gemacht worden ist, in soweit er von der Majorität der Abtheilung abweicht, vollkommen mit der Ge= seßes-Vorlage zusammen zu fallen. Jch bitte, insofern der Antrag nochmals verlesen wird, damit den Geseb Entwurf zu vergleichen und in Erwägung zu ziehen, in welchen Punkten die Anträge der Majo rität und Minorität von einander abweichen. Jch gebe zu, daß der Vorschlag nicht gauz mit dem Geseß Entwurf übereinstimmt ; aber in den Punkten, in denen er von der Majorität der Abtheilung abweicht, ist er in dem Geseß-Entwurfe wörtlich enthalten. : : ns

Referent Graf v o n Jbenplibß: Das kanu ih nit bestätigen. Die Ansicht der Minorität war 1mmer die, daß sie nicht dagegen ist, daß die Juden ordentliche Professoren werden sollen, der Geseb- Entwurf will die Juden auf keinen Fall zu ordentlichen Professoren ernenneo. Die Minorität will sie zu ordentlichen Professoren ernen- nen, jedoch nicht in der philosophischen und medizinischen Fakultät,

, ,

Fch bitte meinen Antrag zur Unterstüßnng

anerkannt werden

Jch möchte doch bitten, nochmals abstimmen zu wie es wolle, so scheint es mir so wichtigen Frage keine Mög- was die Ansicht der hohen

Jch bitte um die Erlaubniß,

geblieben; mit Nein

sondern nur im gewissen Disziplinen, und diese Disziplinen sind die-