1847 / 173 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Mittel sein wird, dieselben dem Siagate nütlicher zu machen, sie vou dem verrufenen Schacherhandel abzuziehen; so muß auch in der Fassung des Gesehes Alles vermieden werden, was jene Absicht nur im Leisesten wieder verdächtigen könnte, und fühlt sich die Ab- theilung zu dem einstimmigen Wunsche veranlaßt, daß der in Rede stehende Paragraph folgende Fassung erhielte : i 5 „Jn Betreff des Gewerbebetriebes unterliegen die Juden feinen anderen Beschränkungen, als die Christen.“ Marschall: Verlangt Jemand das Wort darüber? (Nein !)

Da es nicht geschieht, frage ih, ob der Antrag de! Abtheilung angenommen werden soll? :

Die für die Annahme sind, bitte ih aufzustehen. :

(Wird von der Majorität der Vexsammlung angenommen.)

Referent (liest vor): cat y S, F Die Juden sind zur Führung fest bestimmter und erblicher Fa- milien-Namen verpflichtet. Sie haben sich bei Führung ihrer Han= delsbücher entweder der deuthchen oder der sonstigen, unter der Be= völkerung ihres Wohnorts üblichen Landessprache und deutscher oder lateinischer Schristzüge zu bedienen. Handlungsbücher, ut welchen gegen diese Vorschrift verstoßen 11k, haben sur den Juden keine Be- weisfraft. Bei Absajjung von Verträgen und rechtlichen Willens= Erklärungen, wie bei allen vorkommenden schriftlichen Verhandlungen, ist ¡buen uur der Gebrauch der deutschen oder einer anderen lebenden Sprache und deutscher oder lateinischer Schriftzüge gestattet. Jm llebertretungsfalle trifft sie eine fiskalische Geldstrafe von 5) Rthlrn. oder sechswoöchentliches Gefängniß.“

§. 38 des Gutachtens.

Hier war nur guf die Verschiedenheit aufmerksam zu machen, welche zwischen diesem Paragraphen uud dem §. 10 in Betress der n subsidium eintretenden Geldstrafe stattfindet. Da in den (Ge= seßen allgemein eine Geldstrafe von 50 Rthlr. eimer Gefängniß- strafe von sechs Wochen gleich erachtet wird, so dürste diejer Grundsaß auch hier beizubehalten sein,“ :

Marschall: Wenn Niemand das Wort verlangt, so frage 1h, ob der Autrag angenommen werden joll: h “(Es erhebt sich die Majorität.) Der Antrag is angenommen. Eine Stimme: Ich wollte mu lauben. Marschall:

noch eine Bemerkung er-

Es ij bereits abgestimmt,

Referent (liest vor): 5 K

Was die Verpflichtung zur Ablegung eidlicher Zeugnisse und die diesen Zeugnissen beizulegende Glaubwürdigkeit betrifft, #o findet so- wobl in Civil- als Kriminal-Sachen zwischen den Juden und Unseren übrigen Unterthanen kein Unterschied atr.

§. 39 des Gutachtens „unterlag keiner Erinnerung.“

Marschall: Wenn nichts dagegen erinnert wird, so 1st dieser Paragraph als angenommen zu erachten.

Referent (liest vor):

119+ N 40, So lange ein Anderes nicht verordnet wird, vertritt unter Ju-

den die Zusammenkunft unter dem Trauhimmel und das feierliche An= stecken des Ringes die Stelle der Trauung; das Ausgebot ersolgt durch Bekanntmachung in der Synagoge.

Der die Trauung vollziehende Jude ist verpflichtet, zu prüfen, ob derselben ein geseßlihes Hinderniß entgegensteht und, insoweit von ibm bierbei den bestehenden Vorschriften zuwidergehandelt wird, ver- fällt derselbe in 50 Rthlr. fiskalische Geld- oder 6wöchentlihe Ge fängniß strafe. Für den Fall, daß vorhandene Ehe - Hindernisse ihm vor der Trauung bekannt gewesen sind, wird diese Strafe verdoppelt.

Ju den zum Bezirk des Ober-Appellationsgerichts zu Köln ge=- hörigen Landestheilen bewendet cs bei den über das Aufgebot und die Vollziehung der Ehe geseblih vorgeschriebenen Förmlichkeiten.“

§. 40 des Gutachtens.

Wenn es auch, die Sache von Seiten der Juden betrachtet, ganz

angemessen erscheinen möchte, denselben in Beziehung auf die «Förms- lichfeiten der Ebe volle Freiheit zu lassen, \o interessirt doch an- dererseits der Staat in Betracht der civilrechtlihen Wirkungen der

Ehe sehr wesentlih dabei, daß die Formen von der Art sind, daß

sie keinen Zweifel in Beziehung auf den Zeitpunkt ihrer Wirksam feit und ihre Gültigkeit überhaupt zulassen. Dies scheint die Re- gierung selbst empfunden zu haben, indem sie den in Rede stehenden Paragraphen mit den Worten einleitete: „So lange ein Anderes nicht verordnet wird.“ Die Abtheilung crachtete es daher für wünschenswerth, daß der in diesen Worten ausgedrückte Vorbehalt gleih im vorliegenden Gesetze erledigt würde, und stimmte dieselbe einstimmig dafür, daß auch für die Juden die Civil-Ehe eingeführt, insbesondere die für die cristlichen Dissidenten erlassene Verordnung vom 30. März d. J. für geltend erklärt werde.

Für den Fall, daß dics geschähe, cutstand die Frage, ob nicht auch die Che zwischen Christen und Juden freizugeben wäre? Dar- über, daß solhes zweckmäßig sein möchte, waren sämmtliche Abthei- lungs - Mitglieder einig, indem ihnen die Ehe zwischen Juden und Christen als das geeignetste Mittel erschien, eine Vermischung dersel- ben herbeizuführen und die Stammes-Sonderung, welche so oft noch Gegenstand der Klage is, zu beseitigen. Ja, cs fonnte die Zwe- mäßigkeit dieser Mischehe um so weniger cinem Bedenken unterliegen, als sich auch chon in der Denkschrift S. 7 die Ansicht ausgesprochen stndet, daß in der bisherigen Unzulässigkeit der Ehe ein Grund der Absonderung der Juden von den Christen zu finden sci. Aber eben so erschien der Abtheilung diese Ehe auh vom religiösen Standpunkte aus unbedenklich zulässig. Denn in der christlichen Religion ist kein Glaubenssaß enthalten, welcher die Ehe zwischen Christen und Be- fennern einer anderen Religion verbietet. Schon das Allg. Landrecht besagt solches, indem es im §. 36 Tit, 1 Th. 11. disponirt :

Ein Christ kann mit solchen Personen keine Heirath ließen, welche

nah den Grundsäßen threr Religion sich den christlihen Ehegesebeu

zu unterwerfen verhindert werden, n es also lediglich darauf ankommen läßt, ob auf Seiten des anderen, nichtchristlichen Theiles religiöse Hindernisse der Che entgegenstehen und daß Lebteres bei der jüdischen Religion nicht der Fall ist ergiebt das S, 7 der Denkschrift mitgetheilte Gutachten des von Napoleon berufenen Sanhedrins, welches dahin lautet:

Das jütishe Geseh verbiete unbedingt nur die Che der Juden mit

den sieben fananitischen Völkerschaften, mit den Amaritern, Mogbi-

tern und Aegyptern. Dieses Verbot sei daher nur auf abgöttische

Völker anwendbar, und der Talmud erkläre ausdrücklih, daß als

solche die Christen nicht zu betrachten seien, weil sie den wahren

Gott anbeteten.

Mur vom fkirhlihen Standpunkte aus stellen si einer solchen Mischehe Hindernisse entgegen, Denn so wie nah ristlihen Reli- gions-Gebräuchen es nicht leiht angänglich sein würde, daß ein Jude von einem Diener der christlichen Kirhe getraut werde, so würde andererseits auch von den Schriftgelehrten der Juden in dieser Be-

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ziehung der Mischehe Bedenken entgegengeseßt werden, indem in dieser Beziehung obiges Gutachten des Sanhedrins ferner lautet : „Die Meinung der Rabbiner sei indessen allerdings R da zur Eingehung der Che nah dem Talmud gewisse religiöse Cere- monien erforderlich seien, welche uur die Glaubensgenossen verbin- den können. Die Heirath sei sonah bürgerlih zwar gültig, werde jedoh von den Rabbinern nicht anerkannt, und es werden die Ehe= leute sich ohne eine feierliche Ehescheidung trennen dürfen.“ Aber wie schon in der christlichen Kirhe Bedenken gegen die Ehe von Personen verschiedener Konfessionen bestehen und der Staat darüber hinweggeht, eben so gut kann er Leßteres bei ciner Ehe zwi hen Christen und Juden thun, indem er unbekümmert um solche kirh= liche Hindernisse die Form der Ehe und deren Wirkungen civilrechtlih bestimmt. Aus diesen Gründen erklärte sich die Abtheilung, mik 12 Stimmen gegen 3, dafür :

E P c

daß es dem Vereinigten Landtage gefallen möge, bei Sr. Majestät dem Könige die Zulassung der Civil - Ehe zwischen Christen und Juden zu befürworten.

Marschall: Es liegen zwei Anträge vor , die von einander zu unterscheiden sind: ob bei Ehen zwischen Juden und Jüdinnen die Civil -Che, und ob sie auch bei Verheirathungen zwischen Juden und Christen gestattet sein soll.

Regierungs-Kommissar Brüggemann: Jch hatte mir bei dem Herrn Marschall die Bitte erlaubt, es möge über den ersten Theil des Gutachtens der Abtheilung zuvörderst der Beschluß einer hohen Versammlung herbeigeführt werden, nämlich über die formale Gültig keit der Ebe unter Juden selbst. Wenn daran die Frage geknüpft ist, ob die Ehe zwischen Juden und Christen zulässig sei, so erlaube ih mir darüber im Allgemeinen Folgendes zu bemerken. Der vor liegende Geseß- Entwurf beschäftigt sich ausschließlich mit Regulirung jüdischer Zustände und Verhältnisse; er verläßt den Kreis der jüdi hen Glaubensgenossen nach keiner Seite hin ; er chaft jüdische Cor- porationen, die es lediglich mit Angelegenheiten, die Juden betreffend, zu thun haben sollen. Die Frage aber, ob die Che zwischen Juden und Christen zulässig sei, betrifft nicht blos die Frage, was den Ju den zustehen soll , sondern schließt auh die Frage in sih, was den Christen gestattet sein soll. Ueber diesen Punkt hat aber der vorlie gende Geseßz-Entwurf sih gar nicht aussprechen wollen, noch können; er hat konsequent nur jüdishe Verhältnisse behandelt und aus diesem Grunde die jeßt angeregte Frage ganz ausgeschieden. Sie ist auch nicht mit in die Diskussion und Berathung von Seiten des Gouver- nements hineingezogen worden, und eben o wenig bin ich für eine solche Diskussion vorbereitet; ih würde daher faum in der Lage sein, als Vertreter des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten in eime solche Diskussion einzugehen oder erforderlichen Falls Auskunft zu ertheilen. Jh muß daher die Bitte an die hohe Versammlung rich ten, zu erwägen, vb die Frage, was den Christen gestattet sein soll, Gegenstand der Diskussion werden könne, und ob nicht dieser Gegen- stand in Form einer besonderen Petition an des Königs Majestät gebracht werden müsse. Die Frage über die Zulässigkeit der Ehe zwischen Juden und Christen gehört in Beziehung auf die Christen in das Eherecht , welches in dieser Bestimmung Bestimmungen für sämmtliche Unterthanen der Monarchie zu geben hat und wo auch diese Frage weiterer Entscheidung entgegengeführt werden wird.

Referent Sperling: Hierauf erlaube ih mir, zu erwiedern, daß der Gesetz =- Entwurf zunächst nux die Bestimmung hat, die Ver hältnisse der Juden zu reguliren , aber offenbar doch auch sehr viele Bestimmungen enthält, welche die Christen sehr uahe angehen. Jch mache nux aufmerksam auf §. 35, der von der Zulassung der Juden zu Aemtern spricht. Jch glaube, in derselben Weise , wenigstens in ähnlicher Weise , sollen die Rechte der Juden in Beziehung aus die Ehe erweitert werden.

(Zeichen der Nichtübereinstimmung.)

Außerdem ist erinnert worden, daß der Herr Regierungs - Kom missar nicht im Stande scin würde, sich über die vorliegende Frage zu erflären. Jch glaube aber, daß dieser Umstand uns nicht verhin- dern kann, uns über das, was wir für zweckmäßig halten, in Form einer Bitte auszusprechen. Es bleibt ja dem Gouvernement imme noch vorbehalten , die Sache zu prüfen und zu erwägen , ob darauf cinzugehen sei oder nicht.

Regierungs - Kommissar Brüggemann: Jch muß mir zu be merken erlauben, daß in Betreff der Zulassung zu Aemtern nirgends die Frage vorliegt, zu welchen Aemtern Christen zugelassen werden sollen, sondern uur die Frage, zu welhen Aemtern Juden zugela|- sen werden sollen, und das trifft eben den Unterschied, den ich her vorzuheben mir erlaubt habe. Jm Uebrigen will ih dem Beschlusse nicht vorgreifen , sondern habe nur die Ansicht des Gouvernements über seine Stellung zu der Frage andeuten wollen,

(Beifallsbezeigung.)

Abgeordn. Graf Renard: Was der gechrte Rath der Krone uns hier gesagt hat, bezieht sich nah meiner Ansicht lediglich auf die Frage: soll ein Antrag auf die Zulässigkeit einer Civil-Ehe zwischen Juden und Christen die Form und die Abstimmungsregel ciner Peti êion oder eines Amendements zu einer Proposition annehmen? „1° sofern muß ich dem geehrten Rath der Krone vollkommen beipflih- ten, daß es eine Petition is, die wir hier bei Gelegenheit der Be rathung über die Proposition anknüpfen. Ehe ih aber näher mich auf die Sache cinlasse, muß ih fragen, ob die Versammlung geneigt ist, mich anzuhören und darauf einzugehen, wenn nicht, so werde ich mich des Wortes enthalten. : S

Marschall: Es ist ein Vorschlag, den die Abtheilung in ihrer Majorität] gemacht hat, also muß er zux Berathung fommen. |

Abgeordn. Graf Renard: Ih habe hon im Allgemeinen den Antrag auf vollkommene unbeschränkte Emancipation der Juden formirt und bleibe bei diesem allgemeinen Antrage stehen; ih bin aber mit der Ansicht, sowohl des Herrn Marschalls als der Ver- sammlung in der Art nicht einverstanden, daß wir uns überhaupt auf bestimmte Fragen über einzelue Momente eingelassen haben, über einzelne Rechte, einzelne Pflichten und einzelne Maßnahmen. Jch bin mit mir selbst dadur in Zwiespalt gerathen, da ich mehrmals nicht genau wußte, ob ih meiner Ansicht getreu bleibe, wenn ich mich in solche Spezialitäten cinließ, oder ob ich von meinem Pfade abweiche. Da nun aber der Gegenstand einmal angeregt ist, so müssen wir uns auch weiter darauf einlassen, ich wünsche nur zuvör- derst, daß der religiöse Standpunkt eines einzelnen Juden und ein- zelnen Christen hier ganz verlassen werde. Ich hätte überhaupt ge= wünscht, daß die Frage den religiösen Standpunkt gar nicht be- rührt und sich blos auf den Nechtspunkt eingelassen hätte. Wenn nun aber einmal der religiöse Standpunkt ‘in Frage gezogen worden, so muß ih noch etwas darüber zu äußern mir erlauben. Jch hätte gern Hebräisch lernen mögen, um den Talmud in der Ur sprache zu lesen, um mich mit seinen Lehren gründlich vertraut zu machen und diefe Lehren bei der Versammlung vertreten zu fönnen allein mein Kopf is zu alt und zu grau, um noch zu lernen, und ich muß daher um Vergebung bitten, wenn es nicht geschehen ist. Einer Ueberzeugung bin ich mir aber doch bewußt, eine Wahrheit ist mir

flar, nämlich daß im mosaischen Geseß nichts enthalten sein kann, was dem Gesel der Liebe und der Gerechtigfeit widerspreche , denn wäre so ctwas darin enthalten, so wäre das ein großer Jrrthum, aber ein Dogma, auf einem großen Jrrthum basirt, hätte nicht Jahr=

tausende bestehen können. Nehme ih nun an, daß auh der mosai- {he Glaube das Geseh der Liebe und Gerechtigkeit anerkennt, so sehe ih nicht ein, warum nicht eine civilrechtlihe Ehe zwischen Juden und Christen stattfinden soll, als Sühnemittel nationalen Hasses. Jch glaube nicht, daß die Geseßgebung von der unbedeutenden Majorität, die mitunter sogar in cine Minorität überging, Veranlassung nehmen werde, den von uns gestellten Anträgen Folge zu geben, ih wünschte aber, daß sich eine so große Majorität für die civilrehtliche Ehe zwischen Juden und Christen ausspräche, daß das Gouvernement be- wogen werden könnte, darauf einzugehen. Jm Allgemeinen muß ih auf meine früheren Aeußerungen zurückkommen und erklären, daß es gar nicht meine Meinung is, das Judenthum zu privilegiren, sondern die Juden zu emanzipiren. Abg. Tschocke: Wenn ih mich bei der bereits vier Tage lang dauernden Diskussion nicht weiter betheiligt habe, als durch Abgebung meiner Stimme, so sehe ih mih doch jeßt gedrungen, meine Ansicht in Bezug auf den vorliegenden Paragraphen auszusprechen, nament= lih in Bezug auf die von der geehrten Abtheilung gemachten beiden Vorschläge, die dahin gehen : daß für die Juden cbenfalls die Ge seße der Civil-Ehe erlassen werden, wie für die christlichen Visjiden= ten, und in Bezug auf den zweiten Vorschlag, daß nämlich eine Ver heirathung zwischen Juden und Christen stattfinden möge. Meine Ansicht will ih mit Folgendem motiviren: Nichts, meine Herren, 1k wohl natürlicher, als die Verschiedenheit und der Wechsel der Mei- nungen und Neigungen der Menschen z beide sind entweder momentan und spurlos vorübergehend oder bleibend und in diesem Falle für das menschlihe Geschick, oft für das ganze Leben des Menschen entschei dend. Unter diese leßteren darf wohl gerehnet werden die Neigung eines jungen Mannes zu cinem Wesen des anderen Geschlechts, eme Neigung, mit der Absicht verbun' en, sich mit ihm Zu verehe- lichen und dadurch sein Lebensglück zu gründen. , Nun sollte man glauben, einer solchen Neigung, verbunden mit ciner jol- chen Absicht, könne nah göttlichen und menschlichen Rechten nihts entgegensehen; dem is aber nicht so. Die Landesgesebe behindern eine solche Verbindung, sie behindern sie aber nicht darum, weil der eine oder audere Theil Grundsäße sich angeeignet hat, die mur Der Moral, den guten Sitten und bürgerlichen Pflichten, oder aber mit der Verehrung eines alleinigen wahren Gottes in Widerspruch stehen, sondern lediglich deshalb, weil der Jude eine andere Form der Got- tesverehrung hat, weil er des Glaubens lebt, in welchem er erwadh- sen und erzogen is}, und bei diesem Glauben sein zeitliches, ewiges Glü zu finden hofft. Jh glaube daher, daß demnach M note wendiger sei, als ein Antrag auf Beseitigung eines solchen ( E und die Erlassung cines besseren, humaneren an dessen Stelle. E ijt vielseitig {hon angeführt worden im Laufe der Woche, daß M {roe Sonderung dex Juden die Ursache dessen ist, worüber sie M beklagen, und daß sie sich durch thre Eigenthümlichkeiten “allzu sehr vom Christen unterscheiden. Sie sind ferner der Arbeitsscheu, des Wuchers und Betruges beschuldigt worden, ich habe hierüber nicht zu entscheiden, Insofern aber dies Alles gegründet 11k, halte ich es für ein Motiv mehr für die von mir ausgesprochene Ansicht, d. h, für die Annahme der beiden gestellten Anträge. Jch erkläre mih sonach mit beiden Vorschlägen einverstanden, weil ich die vone Ueberzeugung habe, daß die schroffe Absonderung der Juden, die Abweichung 1hrer Sitten und Gebräuche von denen der Christen durch gegenseitige Verchelichung mit diesen am shnellsten und sichersten beseitigt werden würden, sicherer als durch die besten Missionsprediger. i ;

Abgeordn, Graf von Schwerin! Meine Herren J nuß mich in dieser Frage entschieden auf die Seite des Herrn Regiorungs Kommissars stellen. Jch glaube, die Frage, welche die avi ei g uns hier zur Entscheidung vorgelegt hat, gehört nicht zur Sl |( A dung bei Gelegenheit dieses Gesebes. Sie ist herbeigezogeny S wir haben so viele wichtige Fragen zu entscheiden innerhalb der Gränzen des Geseßes, sto daß wir feine Veranlassung haben, uns zu beschäftigen mit Fragen, die außerhalb desselben E Jh theile die Auffassung des Herrn Regierungs Kommissars. Es handelt sich in dem Geseße nur um Anerkenunng derjemgen Form der Eheschlic ßung, die der Staat verlangen will, und da trete ich dem ersten An- trage der Abtheilung bei, daß es dem Staate vollständig genügen fann, wie es bei christlichen Dissidenten genugt, wenn die Form Dei Civil-Ehe stattfindet. Was dagegen den zweiten Antrag betrifft, daß die Bitte gestellt werden soll, Se. Majestät der König möge die Che zwischen Juden und Christen gestatten, so gestehe ich, die Frage 11k so tiefgehend, daß ih“ sie weder afssirmativ, noch negativ heute ent= scheiden möchte, und ich möchte die hohe Versammlung davor ver wahren, sich durch Entscheidung auf die eine oder die andere Weise zu präjudiziren. Jch bitte zu beschließen, diese Frage jeßt von der Hand zu weisen. S

Abgeordn, vou Sauen: Es hut mir Le, diesmal gegeit den von mir sehr geehrten Redner der Provinz Pommern mich aussprechen zu müssen. Jch glaube, wir haben in Berathung wie cs mit Aus= ¡bung des Patronatrechtes gehalten werden soll, gerade gezeigt, daß wir uns nicht blos mit den Rechten der Juden beschäftigen, indem wir die Verhältnisse der christlichen Gemeinden den Königlichen Kon- sistorien gegenüber regulirt haben. Wir haben bestimmte Beschlüsse darüber gefaßt und sind also darauf eingegangen, welche Rechte Chri sten auszuüben haben. Wir haben nicht Anstand genommen, darüber abzustimmen, weil das Erste, das Verhältniß des Patrons, das Zweite, das Verhältniß der christlichen Gemeinde, daraus folgt. n dieser Beziehung kann ih nicht glauben, daß diese Bestimmung fern davon liegt. Es ist hier zu bestimmen, wie die Che unter den Juden die- jenige Gültigkeit haben soll, die der Staat ihnen beizulegen wünscht oder nicht. Dabei die Regulirung der Ehen zwischen Juden und Chri- sten zu berühren, gehört wohl hierher, und es kommt nur darauf an, ob die hohe Versammlung ihre Ansicht dahin aussprechen will, daß, wenn das Heiligste, was in dem Menschen lebt die Liebe, die zwei Menschen für das ganze Leben verbindet, wenn diese zwischen Christen und Juden besteht, ob ihr Folge gegeben werden soll, oder ob Einer daun gezwungen sein soll, sein Glaubensbefkenntniß erst ab zuschwören. Darum handelt es sich hier, und ich glaube, E sind nicht blos im Recht, sondern wir handeln auch nach unserer Pflicht, weun wir sagen, ob ein dergleichen Verhältniß stattfinden möge, näm- lich, daß der Staat die Civil-Ehe insosern gestatte, daß die Kinder, die aus einer solchen Mischehe hervorgehen, ganz die Rechte haben, wie die übrigen, wo ein verschiedenes Glaubensbekenntniþ stattfindet, Jch würde bitten, diesen Antrag also nicht als A betrachten, der uicht hierher gehört, sondern ihn als men naheliegenden A sehen. Ich muß ihn entschieden der hohen Versammlung cmpfe ) en.

Abgeordn. Steinbeck: Herr Landtags-Marschall? Wäre der Staat nichts als cin Aggregat von “Individuen, so würde die Geseb- gebung schr übel thun, wenn sie überhaupt sich in die Verhältnisse der Che der Staatsbürger mischte. Es möchten ‘dann Alle thun und lassen in dieser Beziehung, was sie wollten, und sehr schnell würde der Staat auf den Zustand zurügelangen, auf dem wir ihn etwa im Junern von Afrika oder bei den Wilken von Nord - Amerika und auch da kaum unter den rohesten Völkern erblicken. Der Staat aber is gebildet aus Familien. Die Familienbande sind es, die den Staats- bürger befähigen, in den Staatsverband fest und so sich einzuschlingen, daß die Verknüpfung mit diesem Verbande fortdauere für ihn und

alle seine Nachkommen, Darum ist es stets die Heiligkeit dieser

Bande gewesen, welche es bewirkt hatten, daß man auch bei Völker= schaften, die sih eines geringeren Grades von Civilisation erfreuten, die Ehe nicht als etwas Unbedeutendes, sondern als das Wichtigste be- trachtete, was durch die Geseßgebung berührt werden fonnte. Dies anerkennend, sind die Ehen zwischen Christen und Juden auch da, wo sie erlaubt sind, weder von dem einen, noch dem anderen Theile als etwas Wünschenwerthes aufgefaßt. Sie sind mehr als nur etwas ausnahmsweise betrachtet worden. Dies is etwas, was man uicht hinüberziehen darf auf die Verhältnisse christlicher Kirchen. Es kann sein, daß eine oder die andere Konfession es nicht wünscht, daß die Familienglieder ihrer mit Familiengliedern anderer Konfession eheliche Verbindungen eingehen. Aber es steht dabei nichts im Wege, was aus innerer Nothwendigkeit hervorgeht, sondern es is nur etwas, was sich auf dogmatischen Begriffen, auf gescblicher Organisation der Kirche gründet. Der Unterschied aber der Ehe zwischen Christen und Juden i} ein unendlich weiter. Die Heiligkeit der Ehe der Christen, ja diese Heiligkeit, sie is das Größte, Erhabenste im Leben des Christen. Die Kirche hat die Ehe zum Sinnbilde für etwas so Ho- hes gemacht, als der Nichtchrist nicht sich aneignen kann. Sie ver= bindet den Christen durch ihre kirchliche Bedeutung mit dem Erlöser. Anders ist es mit der Ehe der Juden, sie ist stets echte und wahr- hafte Civil-Che, sie trägt aber auch ganz den Charakter jener orientalischen Verhältnisse in denen der Mann das Weib kauft, Die noch heutige jüdishe Trauungsformel is" diese: „Jch traue Dich mir an.“ Mit diesem Wort hat der Maun das Weib, die Sklavin, sih zu eigen ge= macht. Daher kommt es, daß sich sogar mehrere sehr bedeutende neuere Rabbiner doh nur bedingt für eine kirchliche Ehe zwischen Juden und Christen aussprehen. Jch habe einige solche Vota zur Hand und will sie ganz kurz erwähnen. Das Eine ist das Votum des pariser Sanhedrin, welches lautet :

„Das jüdische Gesel verbietet unbedingt nur die Che der Juden mit den 7 fananitischen Völkerschaften, mit den Ammonitern, Moabi= tern und Aegyptern. Dieses Verbot is daher nur auf abgöttische Vöül- ker anwendbar, und der Talmud erklärt ausdrücklich, daß als solche die Christen nicht zu betrachten seien, weil sie den wahren Gott an- beteten, Die Meinung der Rabbiner is indessen allerdings dagegen, da zur Cingehung der Ehe gewisse religiöse Ceremonien erforderlich sind, welche nur die Glaubensgenossen verbinden können. Die Ehe würde daher von den Rabbinern nicht eingesegnet und nur als bür= gerliche Che bestehen. Die Kirche, welche in diesem Falle ein kirch= liches Band gar nicht anerkennt, würde daher auch bei einer willkü lichen Auflösung der Verbindung nichts zu erinnern haben. Doch würde der jüdische Theil durch Eingehung einer solchen Ehe nicht von der firhlichen Gemeinschaft ausgeschlossen werden,“ Zweitens das Votum der 1844 in Braunschweig abge-

5 On Nd bbinerversammlung. l

Die Ehe eines Juden mit einer Christin, so wie mit Anhängern monotheistischer Religionen überhaupt, ist nicht verboten, wenn den Aeltern von den Staatsgeseßzen gestattet i}, die aus solcher Che er- zielten Kinder auch in der jüdischen Religion zu erziehen.

Drittens das Votum des meklenburger Landesrabbiner

- Dr. Holdheim.

1) Die Che is 1m Judenthum wesentlich Civilehe; in der Form der Eingehung, sie sei was immer für eine, erkennt der Jude nur eine gültige Rechtsform, die die gegenseitige Einwilligung, welche das allein bindende Moment ist, sichtbar werden läßt. Die Ehe mit Nichtjuden ist gestattet, da die verschiedene Reli- gion kein Hinderniß des ehelichen Zusammenlebens und der Er- füllung aller Pflichten der Che sein kaunz ein Volksunterschied, wie eine besondere Heiligkeit des jüdischen Volksstammes, wird vom gegenwärtigen Religionsbewußtscin der Juden in Deutsch= land entschieden geleuguet.

Der Jude kaun, wenn er eine Christin heirathet, sih nach den

Grundsäßen sciner Religion der Trauung durch einen christli=

chen Geistlihen nah dem Ritual der preußischen und jeder an

doren evangelischen Agende ohne den mindesten Skrupel unter- werfen.

Jch verliere über diese Vota mcht ein Wort, sie sprechen für sich selbst, Wenn wir aber den inneren Unterschied des Charakters bei- der Ehen anerkennen, so wird es uns bedenklich erscheinen, einer Che das Wort zu sprechen, über die keine christlihe Kirhe den Segen des Himme!s herabwünschen kaun, Keine, sage ich, laute es inhu man, wie es wolle. Es ift der Gesichtspunkt aller, und diese Ver sammlung besteht bis zu diesem Augenblicke noch nur aus Christen.

Abgeordn. vou Byla: Was den ersten Punkt anlangt, nämlich die Ehe unter Juden, so haben sich bis jeßt darüber in der Ver- sammlung uoch keine Bedenken erhoben, und die im Gutachten dafür angeführten Gründe sind wohl so genügend, daß es nicht nöthig, sich hierüber noch weiter auszusprechen. Was aber den zweiten Punkt anlangt, nämlich die Zulassung der Ehe zwischen Juden und Christen, so habe ih mich in der Abtheilung ebenfalls dafür erklärt, und zwar aus dem Grunde, welchen ih schon bei Gelegenheit der allgemeinen Berathung dieses Geseß-Entwurfs näher ausgeführt.

Jch habe nämlich damals gesagt, wenn es uns wahrhaft Ernst ist, eine nachhaltige Gleichstellung der Juden mit den Christen her beizusühren, sv sei es durchaus nöthig, daß wir zuvörderst die Haupt schranken, welche gegenwärtig noch zwischen Juden und Christen be- stehen , niederreißen und daun auf dem hierdurch erlangten freien Terrain die neue Verfassung der Juden gründen. Als eine solche Hauptschranke betrachte ih aber auch das Verbot der Ehe zwischen Juden und Christen. Es ist gar keine Frage und von einem der leßten Redner schon angeführt, daß das Familienleben der Grund pfciler is, worauf das Staats Gebäude ruht. So lange daher in dieser Hinsicht uoh eine vollständige Trennung zwischen Juden und Christen besteht, wie is es daun möglich, in irgend einer anderen Hinsicht eine nachhaltige Gleichstellung zwischen beiden in bürgerlicher Beziehung herbeizuführen. Aus diesem Grunde stimme ih für das Abtheilungs-Gutachten Seite 34.

Abgeordn. Haxthausen: Jch erlaube mir eine allgemeine Bemerkung. Die Ehe zwischen Katholiken und Juden ist uach dem Gesetz der katholischen Kirche verboten und daher ungültig; da im Verlaufe der Diskussion schon mehreremale Meinungen geäußert und Vorschläge gemacht sind, welche die Rechte der katholischen Kirche verletzen, namentlich bei der Diskussion über die Beseßung der Schul- stellen durch jüdische Lehrer bei christlihen Schulen, also inkl. katho- lische Schulen, Gymnajien, Seminarien und Universitäten, so sehe ih mich bei dieser Gelegenheit veranlaßt, hiermit einen Protest ein- zulegen, welcher die garantirten Rechte der katholischen Kirche sichern soll, und ich ersuche diejenigen katholischen Mitglieder der Versamm lung, welche mir hierin beistimmen, dies dur Aufstehen __ Marschall: Eine solche Aufforderung können Sie nicht stellen ; sie könnte nur vom Marschall ausgehen. i

(Der Redner verläßt die Tribüne.) e E S Le n 0A M eitreten, welche von dem hochgeehrten Herrn Abgeordneten der Ritterschaft aus Pommern hier bereits vorgetragen sind und dahin gingen, den Gegenstand aus der Berathung des vor- liegenden Geseßes überhaupt fallen zu lassen. Wenn mir nun gleichwohl ein derartiger Gegenstand zur Beschlußnahme vorgelegt wird,

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bedarf es nicht allein dieses Gesichtspunkte, sondern mich bestimmen au einige andere Momente, mich gegen das zur Berathung stehende Amendement zu erklären. Die Gesichtspunkte, insofern sie auf den Begriff der christlihen Ehe basirt sind, sind bereits von mehreren Rednern ausgeführt worden; doch möchte ich ein Verhältniß noch genauer hinstelleu, nämlich, daß es sich nicht blos darum handelt, ein neues Familieureht für die Ehegatten zu hafen, sondern daß die Versammlung auch daran denken möge, daß dur diesen Beschluß ein neues Familienrecht für die Kinder entsteht, die aus diesen Ehen zweifelsohne hervorgehen möchten. Jch habe bemerkt, daß früher von Mehreren geäußert wurde, daß in dergleichen Ehen ein sichereres Mittél gefunden werde, um das Judenthum aufzulösen. Man scheint von der Vorausseßung ausgegangen zu sein, daß sämmtliche Kinder, welche aus einer solchen Ehe entstehen, in der cristlihen Religion erzogen werden würden. Jch muß mich meinerseits entschieden gegen eine solhe Bekehrungsweise aussprechen. Die Juden, welche auf derartige Weise uns für das Christenthum gewonnen werden, deren Bekehrung is wahrlich niht sehr hoch anzuschlagen, und bei dieser Gelegenheit befinde ich mich mit den Herren ganz auf demselben Standpunkte, die immer für eine sreie Bewegung stimmen. Jch würde nimmermehr das Familienrecht dahin ausdehuen können, daß sämmtliche Kinder in der christlichen Religion erzogen werden müssen, Nun frage ih Sie aber, meine Herren, welche Verhältnisse würden herbeigeführt werden, wenn solche Mischehen durch das Gese sanctio

nirt werden? Das Gescß würde Familien als rehtlich begründete erklären, von denen ein Theil dem christlichen, ein anderer Theil dem jüdischen Glauben anhängen würde. Es is früher gesagt worden, bei der Ehe selbst würde bie Liebe, die zwischen den Gatten besteht, diese Meinungsverschiedenheit beseitigen; in welcher Weise aber wür

den die Kinder, die mit dem Eintritt in das Leben noch nicht zum Bewußtsein dieser Liebe gelangt sind, diese Religionsverschiedenheit beseitigen? Jch muß mich daher entschieden gegen jede geseßliche Anordnung aussprechen, welche ein Familienleben herbeiführen würde, worin ein Theil dem christlichen Glauben, ein anderer Theil dem jü- dischen Glauben folgen müßte, und daß die Fortseßung einer solchen Glaubensverschicdenheit geseßlich sanctiouirt werde, dadurch, daß die Mischehen ein geseßliches Fundament erhalten.

Abgeordn. Aldenhoven: Jch komme hierher, um mich dem Protest, welchen cin Mitglied der katholischen Kirche provozirt hat, nicht anzuschließen z ih seibst bin Katholik, und ih wünsche, daß die ehrenwerthe Versammlung fortfahren möge, die Kirche vom Staat zu emanzipiren.

(Bravo von einigen Seiten.)

Was bei der katholischen Kirche Rechtens is , daran haben wn uns hier nicht zu kehren. Die katholische Kirche erlaubt die Ehe- scheidung niht. Hier werden wir uns aber nicht einfallen lassen, gegen eine Civil-Ehescheidung zu sprechen; die katholische Kirche ver bietet Manches, was mit den staatlichen Verhältnissen nicht im Zu- sammenhange steht. Wer sih darum kümmern will, der mag es thun ; er mag cs mit seinem Gewissen vereinbaren, wir haben uns hier aber nur auf den staatlichen Standpunkt zu stellen, und von diesem müssen wir die Gesetze, die wir berathen, betrachten,

(Bravo.)

Aus diesem Grunde, abgescheu davon, ob der vorliegende Vor shlag in die Diskussion dieses Gesetzes gehört, diesen Gegenstand will ih übergehen, aus diesem Grunde wünsche ih, daß wir Alles herbeiführen, wodurch die Civilakte in Vollzug kommen kann. Jn Belgien und in Frankreich, diesen bciden ganz katholischen Ländern, ijt fein Unterschied gemacht, ob der Christ mit einem Juden cine Che eingeht. Die Civilstands - Beamten kümmern sich gar nicht darum. Diesem Beispiele können wir in unserem Lande, wo die Konfessionen so gemischt sind, gewiß folgen. Darum schließe ich mich dem An- trage der Abtheilung an.

(Bravo.)

Abgeordn. Fiebig (vom Plaß): Eine Bemerkung wollte ich

mir erlauben. Die Ehe bei katholischen Christen is ein Sakrameut, und es scheidet der Katholik, der eine Jüdin heirathet, aus dem fa tholischen Kirchenverbaude ganz aus. ___ Abgeordn. von Meding: Jch will auf die Erörterung der formellen Frage nicht eingehen, ob wir überhaupt berechtigt sind, über den vorliegenden Gegenstand, nämlich über die Einführung einer Che zwischen Juden und Christen, zu diskutireu.

Jch will für dasjeuige, was ih sagen will, vorausseßen, daß wir formell dazu berechtigt wären. Wenn wir aber dazu berechtigt sind, daun glaube ih die Versammlung darauf aufmerksam machen zu müssen und sie zu bitten, daß es reiflih erwogen werde, ob für cinen so außerordentlich wichtigen Gegenstaud, wie dieser doch ohne allen Zweifel is, bei uns eine gehörige Vorbereitung stattgefunden hat. Es sind uns Anführungen gemacht worden über die jüdischen Ehegeseße; ih lasse ganz dahingestellt sein, ob diese Ansührungen richtig waren, aber ich glaube, daß die Versammlung völlig überzeugt sein kann, daß sie in ganz überwiegender Majorität keine genaue und vollständige Kenutuiß von den jüdischen Ehegeseßzen hat. Wir werden doch aber nicht wollen, daß die Juden, denen wir die Che mit den Christen gestatten wollen, ohue Weiteres von ihren Religionsbegrisfen abgehen sollen, wenn sie Chen mit Christen eingehen. Es is nicht in Abrede zu stellen, daß die Zulassung der Ehe zwischen Juden und Christen die ganze christliche Bevölkerung des Staates viel mehr be rührt, als die Verleihung eines anderen bürgerlichen Rechtes an die Juden, indem das Erstere in das tiefste und innerste Leben der rist lichen Bevölkerung eingreift, Von eben so großer allgemeiner Be- deutung is die Frage, ob die Civil- Che allgemein eingeführt werden soll; es lassen sich dafür ebenfalls sehr v cle und gute Gründe an führen, aber es stehen auch gewiß eben so gute Gründe entgegen. Eine so wichtige Frage, scheint mir, können wir unmöglich mit der Schnelligkeit, wie es jeßt verlangt wird, und ohne eine sehr gründ=- liche Erörterung aburtheilen.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Eben weil ich, wie der Ab- geordnete der Landgemeinde aus der Rheinprovinz, glaube, daß man nur den staatsrechtlichen Gesichtspunkt festhalten muß, glaube ih auch, daß die Frage hier ihre Entscheidung micht erreichen kann. Der Staat hat sih nur darum zu bekümmern, in welcher Form die Eheschlie= ßuug erfolgt. Ob die Religions-Grundsähe der verschiedenen, inner= halb seiner Gränzen wohnenden Religions- Parteien eine Verbindung gestatten oder nicht, das is nicht seine Aufgabe zu entscheiden, und wer daher die Emancipation der Kirche vom Staate will, muß sich dagegen aussprechen, daß in dieses Geseß eine Bestimmung auf- genommen werde darüber, ob es gestattet sei, daß Juden und Christen \ich mit einander ehelih verbinden können. Jch bleibe bei der Mei- ning, daß die Entscheidung nicht hierher gehört, und aus diesen Gründen habe ich mir erlaubt, einen Vorschlag zu entwerfen, welcher dahin geht, daß ih die Versammlung bitten möchte, die Meinung auszusprechen, daß sie die Entscheidung der Frage: Ob eine Che zwischen Christen und Juden zulässig zu erachten? als nicht inner= halb der Gränzen des gegenwärtigen Geseßes liegend, von der Hand weise.

( Viele Stimmen: Bravo!)

Referent Sperling: Jch würde ganz der Ansicht sein, daß die Frage: Ob die Ehe überhaupt zulässig sei? uicht in Erörterung

so kann ih nichts Anderes thun, als dagegen zu stimmenz indessen

richten sei, wenn nicht wirflih der Fall vorgekommen wäre, daß eiue

solche Che geschlossen worden und jeßt aufgelöst werden soll. Jusofern

scheint es doch von Jnteresse zu sein, die Erörterung der Frage fort= zuseben und zum Schlusse zu führen,

Abgeordn, Haut eman: Ich bin nicht einverstanden mit der vou, dem verehrten eet neten aus Pommern eben geäußerten Ansicht ; nah meiner Ueberzeugung gehört der Gegenstand allerdings hierher. Wir berathen ein Geseß, nach welchem die Rechte der Ju- den bestimmt werden sollen. Es handelt sich im Geseh niht davon mit einem Worte zu sagen : Die Juden sollen alle Rechte gleich den Christen haben, sondern das ganze Geseb is ja weiter nichts, als eine Fest- seßung derjenigen besonderen Rechte, die eingeräumt werden sollen. Nun ist aber in den östlichen Provinzen, wo das Landrecht gilt, den Juden untersagt, sich mit Christen zu verheirathen; bei uns am Rhein is es nah den bestehenden Gesetzen erlaubt. Jch weiß we- nigstens uicht, daß, seitdem unser Land preußisch geworden if}, eine Abänderung in unserer Geseßgebung in dieser Hinsicht gemacht wor= den wäre. Es frägt sich nun, ob wir, an dem Punkte der Ehe angelangt, ein Amendement annehmen wollen, welches die Abtheilung vorschlägt, und wodurch ihr Recht ausgedehnt wird. Es handelt sich hierbei nur um- das Civilreht, das religiöse haben wir niht zu un= tersuchen, dies is dem Gewissen überlassen. Es handelt sich also nur vom Civilrehte, und insofern gehört der Gegenstand allerdings zur Berathung hierher.

(Ruf zur Abstimmung.)

Abgeordn. von Bardeleben: Zuvörderst, meine Herren! will ih mir erlauben, dem Einwande des Herrn Regierungs - Kommissars zu begegnen, daß bei diesem Geseß-Entwurf die Juden allein bethei= ligt sind. Jm §. 25 und den folgenden , bei den Schuleinrichtungen ist ausdrücklich bestimmt worden, daß, wenn Juden Schuleinrichtungen vornehmen wollen, dazu ein Theil der christlihen Gemeinde, die Statt= verordneten 2c. ihre Zustimmung dazu geben müßten, also sind offen- bar die Rechte der Christen dabei betheiligt. Jch glaube daher nicht, daß man sagen kann, die Christen sind gar nicht dabei betheiligt, sie haben im Gegentheil bei Gelegenheiten, wo die Juden Beschlüsse zu fassen haben, das Recht , diese Beschlüsse aufzuheben, deshalb dürfte nah meinem Dafürhalten die Versammlung unbedenklih berechtigt sein, in der in Rede stehenden Beziehung cin Amendement zu dem Gesetz-Entwurf zu machen und ihr Gutachten Sr. Majestät dem Kö- nige auszusprehen. Was übrigens die Ehe zwischen Juden und Chri= sten anbetrifft, so will ih auf diesen Gegenstand nicht tiefer eingehen und mich überhaupt einer Beurtheilung der Ehe in ihrer großen und heiligen Bedeutung enthalten und will nur anführen, daß in der ersten Zeit der Christenheit die Apostel eine solche Ehe gestattet ha- ben und ih es mir nicht erklären kann, wie wir heute apostolischer scin wollen, als es die Apostel selbst waren, und zwar zu einer Zeit, in der das Christenthum gewiß reiner und lebendiger dastand, als heute. Außerdem kann nicht in Abrede gestellt werden, daß in dem größten Theile der gebildeten Welt sih entschieden die Meinung für die Ehe zwischen Juden und Christen ausspricht. Jst es aber mög= lich, daß eine Einrichtung, wie die gegenwärtige, auf die Länge der

Zeit sich, der öffentlichen Meinung entgegen, ohne große Nachtheile und Konflifte herbeizuführen, halten kann? Wie bereits angeführt, so siud in einigen Ländern, z. B. in Frankreich, England, Kurhessen,

Weimar und Belgien, diese gemischten Ehen gestattet. Es is nun vorgekommen, wie das nicht ausbleiben kann, daß Ehen zwischen Ju= den und Christen in anderen Ländern geschlossen waren und daß die Eheleute zurückgekommen sind und hier guf gerichtlihem Wege ge= trennt werden sollten. Ein solcher Fall hat sih in Königsberg in Preußen ereignet, woselbst cine solche gemischte und vollständig glüd- liche Ehe in der ersten richterlichen Jnstanz auf Veranlassung des Kultus =Ministeriuums als ungültig erklärt worden is. Jch erkläre, daß ein solches Verfahren nur Skandal bereitet, dem man für immer ein Ende machen muß, und kaun ich mich daher aus den angeführten Gründen für die geseblihe Zulassung der Ehen zwischen Juden und Christen nux auf das bestimmteste entscheiden.

Regierungs-Kommissar Brüggemann: Nur wenige Worte zur Berichtigung der vorgekommenen Aeußerungen will ih mir erlauben. Daß die Christen bei den in Rede stehenden Bestimmungen nicht be- theiligt scin sollten, habe ich nicht ausgesprochen, und ih hoffe, man wird mir wohl zutrauen, daß ih eine Betheiligung der Christen an den in dem Geseß-Entwurfe enthaltenen Bestimmungen wohl erkannt habe. Die angezogenen Paragraphen handeln aber ausschließlich vou der Einrichtung öffentlicher jüdischer Schulen, und unter welchen Ver= hältnissen sie zu Staude kommen sollen, Dabei ist die städtische Be= hörde allerdings betheiligt und mußte berücksihtigt werden. Eine hier zu treffende Analogie würde aber nur dann vorliegen, wenn in dem Gesetze Bestimmungen gekro}ssen wären darüber, unter welcen Verhältnissen christliche Schulen errichtet werden sollen; dann würde ih diese Analogie anerkennen. Die jeßt vorliegende Frage schließt aber eben die Frage in sich, ob den Christen gestattet werden soll, sich mit Juden zu verheirathen.

, Abgeordn. wes: Nach dem Gange zu urtheilen, den die De- batte jeßt genommen hat, scheint die Vorausseßung Plaß gegriffen zu haben, als wären die Eben zwischen Juden und Christen geseßlich untersagt. Diese Vorausseßung ist aber so unbedingt nicht richtig. Wenigstens habe ih in unserem Allgemeinen Landrecht keine Bestim= mung gesunden, welche diese Ehen verbietet, vielmehr lautet die auch in dem Gutachten angeführte Gesebesstelle, (§. 36 Tit. 1 Th. 11. A, L. R), nur dahin:

„Ein Christ kann mit solchen Personen keine Heirath schließen, welche

nach den Grundsäßen ihrer Religion sich den christlichen Chegeseßen

zu unterwerfen gehindert sind.“

Um nun beurtheilen zu können, ob diese Bestimmung auf die Juden Anwendung findet, würde man zuerst die jüdischen Religions= grundsäße studiren müssen, und nur dann erst würde man eine Ueber zeugung haben können, ob jene den christlichen Ehbegeseßen zuwider laufen. Es is bereits von dem Herrn Referenten erwähnt worden, daß dergleichen Fälle bestehen, in welchen Juden und Christen in gül= tiger Che leben. Wenn aber ein einzelner Fall vorgekommen isl welhem cine solche Ehe nicht geduldet werden joll, jo fann mat denselben nicht eher urtheilen, ehe man nit bestimmt weiß, hen Gründen diese Ebe aufgelöst worden. Diese Gründe die gcehrten Redner, welche diesen Fall erwahnt haben, s{huldig blieben. Jch erlaube mir auch noch auf den §. 715 Tit. 1 Th,

A. L. R. hinzuweisen, der es noch klarer mat, daß dergleichen Ehen

geradezu geseßlih nicht verboten sind. Cr lautet : :

h „Însoweit als der Unterschied der Religion von Anfang an ein Ehehinderniß is, insofern giebt em CSvegatkte durch Verän-= derung seiner bisherigen Religion dem Anderen einen rechtmäßigen Anlaß, auf Scheidung zu Flagen.“ i E

Menn nun zwei Ebeleute jüdischer Religion in der Che mit ein= ander gelebt haben, und einer derselben geht zur christlichen Reiigion über, so wird die Che deshalb nit ohne Weiteres ungültig, was der Fall sein würde, wenn Chen zwischen Juden und Christen verboten wären. Ja, der andere Chegatte lann aus cinem solben Uebertritte wobl Veranlassung nehmen, die Trennung der Ebe zu beantragen, er ist aber dazu mt genöthigt.

Jch glaube hieraus wohl folgern zu können, daß die hohe Ver=

sammlung obne eine vollständige weitere Vorbereitung sib nicht in

zu ziehen und in dieser Beziehung keine Bitte an den Thron zu