1880 / 203 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 30 Aug 1880 18:00:01 GMT) scan diff

8. 66.

n der Revisionsschrift ist anzugeben, worin die behaup- tete Nichtanwendung oder unrichtige Anwendung des bestehen- den Rechts oder worin die behaupteten Mängel des Vere: rens gefunden werden.

8. 67.

Das Ober-Verwaltungsgeriht is} bei seiner Entscheidung an diejenigen Gründe nicht gebunden, welhe zur Recht- fertigung der gestellten Ane Es gemacht worden sind.

Erachtet das Ober-Verwaltungsgeriht die Revision für begründet, so hebt es die angefohtene Entscheidung auf und entscheidet in der Sache selbst, wenn diese spruchreif erscheint. Die Zufertigung der Entscheidung erfolgt durch Vermittelung séiaige N ARRGer welches in erster Jnstanz ent-

ieden hat.

: : 8. 69.

Jst die Sache nicht spruchreif, so weist das Ober-Verwal- tungsgeriht dieselbe zur anderweitigen Entscheidung an die dazu nach der Sachlage geeignete Jnstanz zurück und verord- net die Wiederholung oder Ergänzung des Verfahrens, soweit es nah seinem Ermessen mit einem wesentlihen Mangel be- haftet ist.

70.

Gegen die im erma Mvitoaräbrtk ergangenen, rehtskräftig gewordenen Endurtheile findet die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens unter denselben Voraus- seßungen, in demselben Umfange und innerhalb derselben Fristen statt, wie nah den bürgerlichen Prozeßgeseßen die Nichtigkeitsklage beziehungsweise die Restitutionsklage. Zu- ständig ist ausschliezlich das Ober-Verwaltungsgeriht. Er- achtet das Over-Verwaltungsgeriht die Klage für begründet, so hebt es die angefochtene Entscheidung auf, verweist die Sache zur anderweitigen Entscheidung an die dazu nach der Sachlage geeignete Jnstanz und verordnet die Wiederholung oder Ergänzung des Verfahrens, soweit dasselbe von dem An- fehtungsgrunde betroffen wird.

S. 70A.

L Das Verwaltungsgericht, an welches die Sache in den e der §8. 69, 70 gewiesen wird, hat bei dem weiteren erfahren und bei der von ihm anderweitig zu treffenden Entscheidung die in dem Aufhebungsbeschlusse des Ober- Verwaltungsgerichts aufgestellten Grundsäße, sowie in den Fällen des S. 70 die dem Aufhebungsbeshlusse zu Grunde gelegten thatsächlihen Feststelungen als maßgebend zu be-

trachten. Titel IX, Von den Kosten des Verfahrens und von der Voll- streckung der Mean

Sl, (f Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ist stem- pelfrei. S 2,

Dem unterliegenden Theile sind die Kosten und die baaren Auslagen des Verfahrens, sowie die erforderlichen baaren Auslagen des obsiegenden Theiles zur Last zu legen die seen mit Einschluß der Gebühren, welche der obsiegende Theil einem ihm vertretenden Rechtsanwalte für Wahrneh- mung der mündlichen Verhandlung vor dem Bezirksverwal- tungsgerichte oder dem Ober-Verwaltungsgerichte zu zahlen hat. An baaren Auslagen für die persönlihe Wahrnehmung de: mündlichen Verhandlung vor dem Bezirksverwaltungsgerichte und dem Ober-Verwaltungsgerichte kann die obsiegende Partei niht mehr in Anspruch nehmen, als die geseßlichen Gebühren eines sie vertretenden Rechtsanwaltes betragen haben würden, es sei denn, daß ihr persönliches Erscheinen von dem Gerichte angeordnet war.

4 E Endurtheile ist der Werth des Streitobjektes fest- zusetzen. ¿Mae Gebühren der Rechtsanwalte bestimmen sich nach den für dieselben bei den ordentlichen Gerichten geltenden Vor- schriften.

S (D.

Die Kosten und baaren Auslagen bleiben dem obsiegen-

den Theile zur Last, soweit sie dur sein eigenes Verschulden entstanden sind. 8. 74,

Die Entscheidung über den Kostenpunkt (§8. 72, 73) kann nur gleichzeitig mit der Entscheidung in der Hauptsache durch Berufung oder Revision angefochten werden.

B D,

An Kosten kommt ein Pauschquantum zur Hebun welches im Höchstbetrage bei dem Kreisausshusse und Ki d Bezirksverwaltungsgerihte sechszig Mark, bei dem Ober- Verwaltungsgerichte einhundert und fünfzig Mark nicht über- steigen darf. Für die Berechnung des Pauschquantums, sowie der Gebühren für Zeugen und Sachverständige, kann von den Ministern der Finanzen und des Jnnern ein Tarif aufgestellt werden.

/ i 8. 76.

Die Erhebung eines Pauschquantums findet nicht statt :

_ 1) wenn der unterliegende Thril eine öffentliche Behörde ist, injoweit die angefohtene Verfügung oder Entscheidung der- selben nicht lediglic) die Wahrung der Haushaltsinteressen eines von der Behörde vertretenen Kommunalverbandes zum Gegenstaude hatte; die baaren Auslagen des Verfahrens und des obsiegenden Theiles fallen demjenigen zur Last, der nah geseßliher Bestimmung die Amtsunkosten der Behörde zu tragen hat ;

2) bei dem Kreisaus\husse, wenn die Entscheidung ohne vorgängige mündlihe Verhandlung erfolgt ist ;

3) bei dem Kreisausshusse in den Fällen der 88. 60 bis 62 des Geseßes vom 8. März 1871, betreffend die Ausfüh- rung des Bundesgeseßes über den Unterstüßungswohnsiß (Geseß- Samml, S. 130);

4) bei dem Bezirksverwal‘ungsgerichte und bei de:n Ober- Verwaltungsgerichte, soweit die Berufung oder die Revision von dem Vorsißenden des Kreisaus\shusses beziehungsweise von dem Regierungs-Präsidenten eingelegt worden war;

5) von denjenigen Personen, mit Ausnahme jedo der Gemeinden in den die Verwaltung der Armenpflege betref- fenden Angelegenheiten, denen nah den Reichs- oder Landes- d vy Gebührenfreiheit in bürgerlihen Rechtsstreitigkeiten zusteht.

Qi: (li

__ Die Kosten und baaren Auslagen des Verfahrens werden für jede ala von dem Verwaltungsgerichte festgeseßt, bei dem die Sache selbst anhängig gewesen ist.

Die von der obsiegenden Partei zur Erstattung Seitens

bei dem die Sache in erster Jnstanz anhängig gewesen ist. ___ Gegen den eedungsteus des Kreisaus\hus}ses findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an das Bezirksverwal-

seßungsbeschluß des Bezirksverwaltungsgerichts findet inner- halb gleicher Frist die Beshwerde an das Ober-Verwaltungs- geriht statt.

8. 78.

Dem unterliegenden Theile kann im Falle des beschei-

8. 30 des Ausführungsgeseßes zum Deutschen Gerichtskosten- geseße «vom 10. März 1879 (Geseß-Samml. S. 145), oder wenn sonst ein besonderer Anlaß dazu vorliegt, gänzliche oder theilweise Kostenfreiheit beziehungsweise Stundung bewilligt werden. Gegen den das Gesuch ablehnenden Beschluß des Kreisaus\chusses findct die Beshwerde an das Bezirksverwal- tungsgeriht, gegen den in erster Jnstanz ergangenen ab- [- play Beschluß des Bezirksverwaltungsgerihts die Be- s{hwerde an das O Eg ageriGe statt. 9

, Die Vollstreckung der Entscheidungen der Verwaltungs- gerichte erfolgt im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens. Die Vollstreckung wird Namens des Verwaltungsgerichts, welches in erster Jnstanz entschieden hatte, von dem Vor- sißenden des leßteren verfügt. Ueber Beschwerden gegen die Verfügungen des Vorsißenden entscheidet das Verwaltungs- geriht. Gegen die Entscheidung des Kreisausshusses findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an das Bezirksverwal- tungsgeriht, gegen die in erster Jnstanz ergangene Entschei- dung des Bezirksverwaltungsgerichts findet innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an E E erivatungsgeriWt statt.

itel X. Schluß- und E estimmungen. 0

8. 80. Das Gesetz, betreffend die Verfassung der Verwaltungs- gerichte und das Verwaltungsstreitverfahren, tritt in der dur das gegenwärtige Geseß ihm gegebenen Fassung gleichzeitig mit dem Geseße über die Organisation der allgemeinen Landes- verwaltung in Kraft. Auf die vor dem Zeitpunkte des Jnkrafttretens bereits anhängig gemachten Sachen finden in Beziehung auf das Ver- fahren und die Zulässigkeit der Rechtsmittel lediglich die Be- stimmungen der früheren Geseße Anwendung. | 8. 81.

Alle in dem gegenwärtigen Geseße vorgeschriebenen Fristen sind präklusivisch. r die Berehnung derselben sind die bürgerlichen Prozeßgeseße maßgebend.

Die Art der Zustellung der in streitigen Verwaltungs-

sachen ergehenden Entscheidungen, Bescheide und Verfügungen

wird, soweit darüber geseßliche Vorschriften nicht bestehen, durch

die Geschäftsregulative (§8. 8, 14, 30) bestimmt. 81

i a, , Die Beschwerde kann innerhalb der für dies:lbe vorge- schriebenen Frist bei dem Gerichte, gegen dessen Entscheidung E ist, oder bei dem angerufenen Gerichte eingelegt n. Das Gericht ,„ gegen dessen Entscheidung die Beschwerde gerichtet ist, verfährt bei ‘Versäumüung der vorgeschriebenen Frist nah Bestimmung des Schlußabsatzes des §. 55. Für das angerufene Gericht kommt §. 59 (8. 37) zur An- wendung; an die Stelle des Antrages auf Anberaumung der mündlichen Verhandlung tritt der Antrag auf Entscheidung durch das Gericht. 8. 82.

Die Wiedereinsezung in den vorigen Stand kann be- antragen, wer durch Naturereignisse oder andere unabweisbare Zufälle verhindert worden ist, die in dem gegenwärtigen Ge- seße oder die in den Geseßen für Anstellung der Klage be- ziehungsweise für den Antrag auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstreitverfahren vorgeschriebenen Fristen einzu- halten. Ueber den Antrag entscheidet das Gericht, dem die Entscheidung über die versäumte Streithandlung zusteht. Die versäumte Streithandlung is, unter Anführung der Thyat- sachen, mittelst deren der Antrag auf Wiedereinsezung be- gründet werden soll, sowie der Beweismittel, innerhalb zwei Wochen nachzuholen ; der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Ablauf des Tages, mit welhem das Hinderniß gehoben ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, findet die Nachholung der versäumten Streithandlung beziehungsweise der Antrag auf Wiederein- seßung ‘nicht mehr statt. Die durch Erörterung des Antrages auf Wiedereinseßung entstehenden baaren Auslagen trägt in allen Fällen der Antragsteller.

S 83. Die Central- und die Provinzialverwaltungsbehörden sind auch in streitigen Verwaltungssahen zur Erhebung des Kom- petenzkonflikts befugt. Die Erhebung des Kompetenzkonflikts auf Grund der Behauptung, daß in einer vor dem Verwaltungsgerichte an- hängig gemachten Sache die Verwaltungsbehörde zuständig sei, findet nicht statt. Die Verwaltungsgerichte haben ihre Zuständigkeit von Amtswegen wahrzunehmen. Wird von einer Partei in erster Jnstanz die Einrede der Unzuständigkeit erhoben, so kann über dieselbe vorab entschie- den werden. - Haben sich in derselben Sache die Verwaltungsbehörde und das Verwaltungsgericht für zuständig erklärt, so entschei- det auf Grund der scriftlihen Erklärungen der über ihre Kompetenz streitenden Behörden und nah Anhörung der Par- teien in mündlicher Verhandlung das Ober-Verwaltungsgericht. Das Gleiche gilt in dem Bars wenn die Verwaltungsbehörde und das Verwaltungsgericht sih in der Sache sür unzuständig erklärt haben. Jn beiden Fällen werden weder ein Kosten- paushquantum, noch baare Auslcgen erhoben. Ebensowenig Wrg eine Erstattung der den Parteien erwachsenden Kosten

s 8. 83a, Die gemäß §8. 11 des Einführungsgeseßes zum Gerichts- verfassungsgeseze vom 27. Januar 1877 (Reichs-Geseßbl. S. 77) dem Ober-Verwaltungsgerihte zustehenden Vorent- scheidungen erfolgen in dem durh den leßten Absay des S. 83 dieses Geseßes vorgeschriebenen Verfahren, für welches im Uebrigen die Vorschriften über das Verwaltungsstreit- verfahren entsprehende Anwendung finden.

84

Durch das gegenwärtige Geseß werden nicht berührt :

des unterliegenden Theiles liquidirten Auslagen werden für

alle Jnstanzen von demjenigen Verwaltungsgerichte festgeseßt,

tungsgeriht, Fac den in erster Jnstanz ergangenen Fest- |

nigten Unvermögens nah Maßgabe der Bestimmungen des :

U E vom 21. Juni 1869 (Bundes-Geseßb[, j 3 : : | 2) rüdsichtlich der zur Zuständigkeit der Verwaltungs- | gerichte gehörenden, die Entfernung ans dem Amte beziehungs- weise die unfreiwillige Versezung in den Ruhestand betref- | fenden Streitsahen, die Bestimmungen des Geseßes vom | 21. Juli 1852, betreffend die Dienstvergehen der nicht richter- | lihen Beamten 2c. (Gesez-Samml. S. 463); dieselben finden Jedoh mit folgenden Maßgaben Anwendung : die Verwal- | tungsgerichte entscheiden auf Grund mündlicher Verhandlung; | das Gutachten des Disziplinarhofs is nicht einzuholen ; das | Disziplinarrerfahren kann mit Rüsiht auf den Ausfall der | Voruntersuhung durch Beschluß des in erster «Instanz zu- ! ständigen Verwaltungsgerihts eingestellt werden; die Er- n eines Kostenpauschquantums findet nicht statt ; 3) rücksihtlich der zur Zuständigkeit der Verwaltungs-

| a Ee S E Pit die Bestimmungen des j Neichsge]eßes Uber den Unterstüßungswohnsiß vom 6. Juni | 1870 (Bundes-Geseßbl. S. 360). e a | 8. 85.

| So lange bei den Bezirksverwaltungsgerichten ein aus- j

|

reichender Geschäftsumfang nicht vorhanden ist, kann die Be- | stellung derjenigen vom Könige zu ernennenden Mitglieder derselben, für welche die Befähigung zum Richteramt Vvorge- schrieben ist, im Nebenamte für die Dauer ihres Hauptamtes am Siße des Bezirksverwaltungsgerichts erfolgen. 86

j

'

| Bei dem Bezirksverwaltungsgerichte zu Sigmaringen wer- | den die von dem Könige zu ernennenden Mitglieder aus der | Zahl der am Sitze des Bezirksverwaltungsgerichts ein richter- | liches beziehungsweise ein höhercs Verwaltungsamt bekleiden- | den Beamten für die O Hauptamtes bestellt.

8

Die von den Provinzial-Landtagen gewählten Mitglieder der bestehenden Bezirksverwaltungsgerichte sowie deren Stell- vertret?r treten mit dem Zeitpunkte des Jnkrafttretens des gegenwärtigen Geseßes außer Thätigkeit. Neuwahlen für die- selben sind rehtzeitig vor dem gedachten Zeitpunkte zu ver- anlassen.

E 8, 87a,

„Die in dem gegenwärtigen Geseße dem Regierungs-

Präsidenten beigelegten Befugnisse werden für den Stadtkreis Berlin von dem Ober-Präsidenten wahrgenommen.

Zuständig in erster Jnstanz bezüglih der im Verwal- tungsstreitverfahren gegen den Kommunalverband der Pro- vinz Brandenburg zu erhebenden Ansprüche is in den Fällen des §. 31 unter b. das Bezirksverwaltungsgericht zu Potsdam.

88

: e | 8. 88. Die Stelle eines Mitgliedes des Ober-Verwaltungsgerichts darf als Nebenamt fortan niht mehr verliehen werden. Gi

Aufgehoben sind:

1) die FS. 40 bis 48, 50 bis 56 des Geseßes vom 8. März 1871, betreffend die Ausführung des Bundesgeseßes über den ‘Unterstüßungswohnsitz (Geseß-Samml. S. 130);

2) die §8. 141 bis 163, 165 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 (Geseß-Samml. S. 661), soweit sie das Verfahren in streitigen Verwaltungssachen zum Gegenstande haben, sowie die §88. 187 bis 198 derselben Kreisordnung; im Geltungsbereihe der leßteren ist in den im zweiten Absagtze des 8. 110 daselbst erwähnten Fällen innerhalb zwei Tula die Klage bei dem Bezirksverwaltungsgerichte an- ustellen.

Ministerium der geistlichen, Unte rrihts- und Medizinal-Angelegenheiten.

__ Am Gymnasium zu Rinteln is der ordentliche Lehrer Dr. Hartmann zum Oberlehrer befördert worden.

Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten.

Die Herren Forstkandidaten, welche as forstlihe Staats- examen bei dem nächsten Termine abzulegen wünschen, wollen ihre Meldung bis spätestens E 10. September d, Js. einreichen.

Berlin, den 29. August 1880. Königliche Forst-Ober-Examinations-Kommission. von Hagen.

Ministerium der öffentlihen Arbeiten.

__ Dem Hüttenwerks-Direktor Cramer von Clausbruch, bisher in St. Andreasberg, is die Stelle des Direktors des Königlichen Hüttenamts zu Altenau übertragen worden; der Hütteninspektor Bergassessor Pfort, bisher in Altenau, ist zum Hüttenwerks-Direktor und Dirigenten des Königlichen Hüttenamts zu St. Andreasberg ernannt worden.

Abgereist: Se. Excellenz der Wirklihe Geheime Rath und Direktor im Ministerium des Königlichen Hauses von Schweinihß nah Steiermark.

Angekommen: Se. Excellenz der Vorsißende der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Geseßbuhs, Wirkliche Geheime Rath Dr. Pape; der Ober-Baudirektor Herrmann aus Tirol.

Zichtamtlicßes.

Deutsches Keie.

,_ Preußen. Berlin, 30. August, Beide Kaiser- lihe Majestäten und Fhre Kaiserlihe und Königliche Hoheit die Kronprinzessin empfingen vorgestern den Fürsten und die Fürstin von Rumänien im Königlichen Stadtschloß zu Potsdam und brachten den Abend daselbst zu. Gestern wohnten Beide Kaiserliche Majestäten mit der Fürstin von Rumänien dem Gottesdienste in der Friedenskirhe bei und empfingen den Besuch Jhrer Königlichen Hoheiten des Herzogs und der Herzogin von Connaught sowie Jhrer Königlichen Res der verwittweten Prinzessin Heinrih der Niederlande. as Familiendiner fand auf Schloß Babelsberg statt.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der

1) rücksihtlich der zur Zuständigkeit der Verwaltungs- gerichte gehörenden Streitsachen, die Bestimmungen der 88. 20,

Kronprinz traf am 29. d. Mts. Nachmittags kurz vor 6 Uhr in Ansbah ein und wurde am Bahnhofe von dem

Bürgermeister von Stromer, der Generalität, dem Direktor des germanishen Museums und anderen Notabilitäten empfangen und in den mit Blumen geshmücckten Königssalon geleitet. Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit begab Sich hierauf in Königlicher Equipage nach der Hohenzollernburg, auf dem ganzen Wege von den Spalier bildenden Menschen- massen mit enthusiastishen Hochrufen begrüßt. Der Kron- prinz hat Sein Absteigequartier im Bayerischen Hof genommen und wollte Sich heut früh nah Langenzenn begeben.

Die Nr. 35 des „Centralblattes für das Deutsche Reich“ bringt eine unter dem 13. August erlassene „Tele - graphenordnung für das Deutsche Reich“ zum Ab- druck, welche vom 1. Oktober ab in Kraft treten wird. Die- selbe stellt die für den Telegraphenverkehr innerhalb Deutsch- lands bisher gültia gewesenen Bestimmungen (Telegr. Ordn. vom 21. Juni 1872 mit den 1876 und 1877 ergan- genen Abänderungen) unter Berücksichtigung der aus den Be- shlüssen der internationalen Telegraphen -Konfe- renz zu London im O i 1879 fich ergebenden Ergänzungen in redaktioneller eubearbeitung usammen. Bezüg- lich der eintretenden Neuerungen if hauptsählich auf folgende Punkte aufmerksam zu machen. 1) Es ist dem Absender gestattet, im Falle derselbe cin Telegramm dem Empfänger. offen zustellen zu lassen wünscht, dieses Verlangen dur den nur für ein Wort taxpflihtigen Zusaß R. 0. aus- zudrücken. 2) Die taxpflichtige Vergleihung der in Chiffern 2c. abgefaßten Privattelegramme ist künstig niht mehr obliga-

torish. 3) Für Telegramme, welche über den Ortsbestellbezirk

hinaus mittels der Post weiter befördert werden sollen, sowie für post- und bahnlagernde Telegramme, werden keine Post- aeinven mer crboben. 4 Die vor einiger persuchsweise angeordnete Einrichtung, nah welcher der Aufgeber die Kosten für die Zustellung von Telegrammen an Empsänger außerhalb des Ortsbestellbezirkes der Bestim- mungs-Telegraphenans!alt mittels besonderer Boten durch Entrichtung einer festen Gebühr von 80 sür jedes- Tele- gramm vorausbezah!en kann, ist dauernd eingeführt. 5) Die Stundung der Telegrammgebühren ist allgemein zugelassen. 6) Die Gebühr für Weiterbesörderung von Telegrammen über das Meer hinaus vermittelst. der Post ist bezüglich der nah Ländern des Weltpostvereins gerichteten Telegramme von 80 auf 40 „3 herabgeseßt worden.

Die Einnahmen derPost- u nd Telegraphen- sowie der Reichseisenbahn-Verwaltung haben für die Zeit vom Beginn des Elatsjahres bis zum Schlusse des Mo- nats Juli 1880 (verglichen mit der Einnahme in dem- selben Zeitraum des Vorjahres) betragen: Post- und Tele- graphen - Verwaltung 43 301 672 H (4 2005999 M), Neichseisenbahn-Verwaltung 12 750 500 # (+ 354 814 4).

Bei der Anfechtung der Eintragung eines Eigenthumsüberganges im Grundbuche und deren Folgen bleiben nah §8. 9 des Eigenthumserwerbsgeseßes vom 5, Mai 1872 die in der Zwischenzeit (zwischen der Eintragung und der Anfechtung) von dritten Personen gegen Entgelt und im redlihen Glauben an die Richtigkeit des Grundbuchs er- worbenen Rechte in Kraft. Jn Bezug auf diese Vorschrift hat das Reichs8gericht, II. Hülfssenat, durch Erkenntniß vom 8. Juli d. F. ausgesprochen: Die gedachte Bestimmung ist niht nur auf Hypotheken, welche freiwillig (vertragsmäßig) bestellt sind, sondern auch auf \. g. Exekutions- Hypotheken zu beziehen. Wird also für den Besißer einer rechtskräftigen Forderung zur Sichezung dieser Forderung im Wege der Exekution eine Hypothek eingetragen, so bleibt diese Hypothek in Kraft, auch wenn der Eigenthumstitel des Exequendus an dem betreffenden Grundstü sondann mit Erfolg angefoc)- ten wird.

Der General-Lieutenant von Biehler, Chef des Jngenieur-Corps und der Pioniere und General-Fn}\pecteur der Festungen, ist von der Anfangs d. Mts. angetretenen Dienstreise wieder hier eingetroffen.

S. M. Kbt. „Wolf“, 4 Geschüße, Kommandant Kors- vettenkapitän Bes, ist am 30. Juni cr, in Yokohama ein- getroffen.

Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren Dr. Hemmerling, Dr. Weidmann, Dr. Toe, Dr. Hermanns und Dr. Kolter in Cöln.

(A. Z.,)

Bayern. München, 26. August. Se. Majestät der König erhielt gestern gegen 300 Glückwunsch- und Huldigungstelegramme von Monarchen Deutschlands und des Auslands, von Vereinen, Magistraten 2c. 2c. zugestellt. Prinz Luitpold traf heute von Bamberg, wo er der Wittels- bacher Jubiläumsfeier, der Eröffnung der Gewerbe-Ausstellung und der Einweihung des neuen monumentalen Brunnens mit der Statue des Königs Marx II. beigewohnt hatte, wieder hier ein. Se. Königliche Hoheit wohnte auf seiner Rückreise in Scheyern dem aus Anlaß der Jubelfeier dort veranstalteten Gottesdienst an. Morgen früh begiebt sich Prinz Luitpold wieder nah Oberstdorf. Er gedenkt von dort am 4. kom- menden Monats hierher zurückzukehren, um alsdann die Jn- \pektion der Truppen vorzunehmen. i

29. August. (W. T. B.) Der Minister des Aus- wärtigen, Freiherr Krafft von Crailsheim, hat heute einen fünfwöchentlihen Urlaub angetreten; inzwischen leitet Staatsrath von Pfistermeister dessen Geschäfte.

Sachsen. Dresden, 29. August. Der Rath der Resi- denzstadt Dresden erläßt in der heutigen Nummer des „Dresd. Journ.“ eine Bekanntmachung bezüglih der Ver- anstaltungen, welche zur feierlihen Enthüllung des Sie ge s- denkmals auf dem Altmarkte am 1. September und zur Feier des darauf folgenden Nationa lfesttages getroffen worden sind.

Anhalt. Dessau, 27. August. (L. Z.) Der Herzog at sich zur Gemsjagd nah Tirol, die Herzogin mit dem rinzen Eduard und der Prinzessin Alexandra zum Besuche Sonberibau er Fürstenpaares nah Gehren begeben.

Sachsen - Weimar - Eisenach. Weimar, 27. August. (M. Z.) Der Großherzog ist aus Oberammergau gestern wieder im Schloß Wilhelmsthal eingetroffen.

des

Oesterreich-Ungarn. Wien, 28. August. Die Meldung hiesiger Blä:ter, daß im Kriegs-Ministerium gegenwärtig Ver- handlungen über die Bildung von zehn neuen Reserve-

Zeit | : Î | sihtigung des Huldigungsfestzuges vom Balkon des Residenz-

| \{chlosses fand cin Hofdiner statt.

Zeitung“ bestätigt. Bezüglich der finanziellen Folgen dieser

(aßregel bemerkt das militärishe Fachblatt, daß dur die geplante Neubildung keineswegs eine Erhöhung des Frie- densstandes oder eine Mehrbelastung des Heeresbudgets eintreten werde. Jm Gegentheil habe die Kriegsverwaltung in dieser Maßnahme sogar eine Ersparnißquelle gefunden, dur welche größtentheils die Kosten für die Berittenmachung der Haupt- leute gedeckt würden. Die weiter gemeldete Absicht des Kriegs- Ministeriums, Kavallerie-Reserve-Escadronen in Reserve-Divi- sionen zu vereinigen, wird von der „Wehr-Zeitung“ aus dem Grunde für niht wahrscheinlih gehalten, „weil Kavallerie- Reserve-Escadronen im Frieden gr nicht beitehen“. Die „Wiener Zeitung“ publizirt heute den Erlaß des Unter- rihts8-Ministers, betreffend die Ueberfüllung der Mittel- schulen, sowie die dem Erlas)e beigegebenen Tabellen, in welchen die Aufnahmsbedingungen, Aufnahmstermine die Dauer des Lehrganges und die Ünterrichtssprache für die Werkmeister- \hulen und höheren Gewerbeschulen angegeben sind.

Prag, W. August. Erzherzog Friedrich ist zum Be- suhe des Kronprinzen Erzherzog Rudolf hier eingetroffen und in der Hofburg am Hradschin abgestiegen. :

Olmüß, 30. August. W D B) Der Kaijer it gestern Nachmittag hier eingetroffen. Auf der Fahrt hierher hitte der Kaiser auf mehreren Stationen den Hofzug ver- lassen, um die Huldigungen der Behörden und der Bevölke- rung entgegenzunehmen. Jn Olmüßg war der Empfang ein überaus herzliher und festlicher. Der Bürgermeister hielt am Bahnhofe und bei der leßten der drei vom Kaiser passirten Triumphpforten patriotishe Ansprachen, welche der Kaiser mit dem Ausdrucke huldvollsten Dankes und der Freude, die ihm durch Erinnerungen denkwürdige Stadt wiederzusehen, sowie mit den herzlichsten Wünschen für die Wohlfahrt der Stadt erwiderte. Nach den offiziellen Vorstellungen und nah Be-

Zeitung“ bestätigt. Be stattfinden, wird von der „Wehr-

j

Später machte der Kaiser eine Rundfahrt durch die glänzend illuminirte Stadt, überall mit enthusiastishen Kundgebungen begrüßt. :

Lemberg, 27. August. „Gazeta Lwowska“ theilt mit, daß General Albedinski am 1. September in Krakau ein- treffen werde, um an der Spitze einer Deputation des russishen Regimentes, dessen Jnhaber der Kaiser ist, den Monarchen daselbst zu begrüßen.

Schweiz. Bern, 25. August. Die Rede, mit welcher Bundespräsident Welti gestern die ahte Versamm- lung des Vereins für Reform und Kodifikation des Völkerrechts eröffnete, hat nah der A. „A. Z.“ fol- genden Wortlaut :

„Es ist die amtlihe Stellung, die ih zur Zeit bekleide, welche mir die Chre verschafft, den Verein für Reform und Kodifikation des Völkerrechts im Namen des s\chweizerishen Bundesrath®2, der Regierung des Kantons Bern, sowie im Namen der Ge- meindebehörden willkommen zu heißen. Wenn wir es über- haupt als etuen ehrenden Vorzug anerkennen, in den Mauern der schweizerishen Bundesstadt eine Versammlung zu beherbergen, in welcher die Mehrzahl der Nationen durch ausge- zeichnete Männer vertreten ift, so legen wir als Schweizer den Zweck der Sie hier in dem Saal unserer Volksvertretung zusammensührt eine ganz besondere Bedeutung bei. Die schweizerishe Cidgenossen- {haft gehört zu denjenigen Ländern, welche an der Sicherheit des Nechtszustandes unter den Staaten und Völkern in hohem Maße betbeiligt find. Aus kleinen Bruchtheilen dreier Nationen gebildet, in Sprache und Religion getrennt, gründet die Schweiz ihre Einheit vor allem auf Staat und Recht. Nach außen ist der Schweiz ihre Aufgabe durch ihre natürliche Lage angewi. sen, indem sie die Be- ziehungen zwischen vier europäishen Großstaaten gleichzeitig ver- mittelt und trennt und dabei den Rückwirkungen ausgeseßt ist, welche die politishe Aktion ihrer Nachbarn, wenn auch nur indirekt, auv aur sie aueh Die neuere Zeil hat die Mannichfaltigkeit unserer internationalen Beziehungen bereichert ; große internationale Institutionen sind bei uns gegründet und un- serèr Obhut anvertraut worden, und das größte Bauwerk der Gegen- wart geht als Monument edlen Wetteifers unter Nachbarstaaten auf \chweizerischcem Boden der Vollendung entgegen. Daß wir in dem Vertrauen, das in diesen Thatsachen liegt, uns zur hohen Chre an- rechnen, baß wir darin die unumwundenste Anerkennung der Existenzbere{tig1ng unserer Republik erblicken, wollen Sie uns nicht als Ueberhebung deuten; denn es geht damit das Bewußt- sein Hand in Hand, daß wir dieses Vertrauen fort und fort zu ver- dienen baben. So nimmt in unserem Staatsleben der internationale Verkehr einen großen Plah cin und bringt uns mit Ihren eigenen Bestre- bungen i 1 lebendigen Zusammenhang. Je geringer die materielle Macht ift, über die ein Staat verfügt, um so fester scin Entschluß steht, für seine Existenz stets jedes Opfer zu bringen, um so mehr muß er wünschen, daß in dem Spiel der mannicchfacen Kräfte, welche das Leben der Staaten bewegen, das Recht zu seiner ganzen Geltung komme. So sind Ihre Erfolge auch die unsrigen. Je fester Sie die Herrschaft des Rehts begründen, um fo besser ist auch unser Haus beschirmt, in dem wir Sie daher von Herzen nicht als Gäste, fondern als Freunde rochmals willfommen heißen.“

Belgien. Brüssel, 29. August. (W. T. B.) Gutem Vernehmen nah wird die belgishe Regierung zunächst, und wenn nicht besondere Zwischenfälle eintreten, die leßte Allokution des Papstes unerwidert lassen, da sie in der- selben nur längst bekannte Dinge wiederholt und mit dem Geiste der Neuzeit in Widerspruch stehende Forderungen er- hoben findet.

Gr6Fßbritannien und Jrland. London, 27. Augu 2. A. C.) Die Königin verließ gestern in Begleitung des Prinzen Leopold und der Prinzessin Beatrice Osborne und trat die Reise nah Balmoral an.

Der General-Postmeister hat in seiner Rede am leßten Dienstag im Unterhause die Mittheilung gemacht, daß unter seiner Leitung der Versuch gemacht werden soll, dem Volke durh Pennypostmarken das Sammeln von Summen von einem Schilling der niedrigste Betrag, der in den Postamts-Sparbanken angenommen wird zu erleich- tern. Dem vom Postamt ausgegebenen Form ist nachstehende Notiz angefügt: „Jemand, der pennyweis einen Schilling zu sammeln wünscht, um denselben in der Postamts-Sparbank anzulegen, kann dies thun, indem er mit jedem ersparten Penny eine Postmarke kauft und sie auf diese Form klebt. Wenn zwölf solcher Postmarken auf der Form an- gebracht sind, wird Leßtere in sämmtlihen Postamts-Spar- banken des Vereinigten Königreihs vom Postmeister ent- weder behufs Eröffnung eines frishen Kontos oder als spätere Einzahlung auf denselben entgegengenommen. Die auf die Form geklebten Postmarken dürfen niht verdorben oder beschädigt in. da sie sonst vom Postmeister zurück- gewiesen werden.“ Der Dampf}er „Arct ic“, das erste vom L LEN Wallfischfang in der Davis-Straße zurückgekehrte Fahrzeug kam gestern mit einer Ladung von

180 Tonnen Thran, dem Ertrage von 12 s{hwarzen und 600

weißen Wallfishen, in Dundee an. Das Wetter in der Davis- Straße war äußerst günstig und der Fischfang überstieg den Durchschnitt. Die 13 Daupfer aus Dundee hatten am 15. d., als die „Arctic“ absegelte, 105 Wallfishe gefangen, die beinahe 1000 Tonnen Thran lieferten.

Jm Westen von Frland werden neue Ruhestöru n- gen besorgt, in Folge dessen die Behörden umfassende Vor- sihtsmaßregeln treffen. Eiserne Baracken für die Polizei werden in der Nachbarschaft von Claremorris und andern Ortschaften errichtet, wo man erwartet, daß den Exmissionen von den Bauern thätliher Widerstand geleistet werden dürfte. Fast jeder Gutsherr, der ein Exmissionsverfahren gegen seine Pächter einleitet, wird mit dem Tode bedroht, desgleichen auch Pächter, die Güter pachten, deren frühere Pächter ex- mittirt wurden. Ein Farmer in Connangton, der einer solhen Drohung troßte, wurde auf der Rückkehr vom Markte überfallen und so mißhandelt, daß sein Wiederaufkommen bezweifelt wird.

Ein Telegramm des Vizekönigs vom 26. d. über- mittelt Einzelheiten über den Ausfall der Garnison von Kandahar. General Primrose meldet: Am 16. d. griffen wir das Dorf Deh Khwajee an und drangen in das- selbe, aber da wir es stark beseßt und durch Kontingente aus anderen Dörfern verstärkt fanden, mußten wir uns nach der Festung zurückziehen. Die Verluste des Feindes waren sehr bedeutend. Unsere Kavallerie machte zwei Angriffe und rih- tete viel Schaden in den Reihen des Feindes an. Ayubs Hauptposition befindet sich im Osten zwischen hohen Anhöhen, im Westen am Argandab und is vorn durch Kanäle geschüßt. Dem „Standard“ wird aus Bombay telegraphirt: „Die Nachricht, daß die Regierung General Stewart angewiesen habe, in Folge der Lage der Dinge in Kabul mit seinen Truppen in Jellalabad Halt zu machen, hat hier sehr große Sensation verursacht. Es verlautet, daß unter den Truppen des Emirs Attrünnigkeit herrshe und von der Partei Jacubs eine große Kundgebung zu Gunsten des frü- heren Emirs oder dessen Bruders Ayub in Scene gesetzt wurde. Dieser zeitige und shlagende Beweis davon, wie un- politisch der übereilte Rückzug unserer Truppen gewesen, der fast von jeder Militärperson in e getadelt wurde hat große Aufregung hervorgerufen. Jn Peschawur wüthet die Cholera und nimmt täglich noch an Hestigkeit zu. Dies konnte bei jetziger Jahreszeit nur erwartet wer- den, und die Gewißheit großer Verluste unter den si zurücziehenden Truppen war einer der Gründe, die gegen die Politik der Truppenzurücziehung während der heißesten und ungesundesten Jahreszeit zur Geltung gebracht wurden. Aus Chaman wird demselben Blatte gemeldet: Soeben ist ein Bote aus Kandahar eingetroffen ; sein Bericht datirt bis zum 23. d. und lautet günstig, was die Stadt betrifft. Der Bote erklärt, große Mühe gehabt zu haben, seinen Weg fortzuseßen, wegen der zahlreihen Ansammlungen von Stammesgenossen. Die Fourage i}st hier ershrecklih knapp bemessen; die Kavallerie soll sich nunmehr nah der Front begeben, um zu fouragiren. Von der Nachhut fehlt es uns an Nachrichten. Die Truppen des Khans von Khelat haben gemeutert, weshalb ein Flügel des 78. Hoch- lands-Regiments von unserer Kolonne detachirt und nah Khelat zur Unterstüßung des Khans befehligt wurde. Die Meuterer sollen einige Tausend Mann stark sein und wird sehr befürchtet, daß sih denselben Stammesgenossen, besonders diejenigen in der Richtung von Shorawak, anschließen. Wir besißen nunmehr authentishe Berichte, daß die gemeldete Ver- einigung der Suleiman Khel Kakars auf dem Tobuplateau, auf dem rechten Flügel des Khojacpasses, wirklih stattgefun- den hat. Es wird berichtet, daß Ayub nah Herat geschickt, um mehr Munition zu verlangen, und daß er in Farrah 6000 Mann Reserve stehen hat. Die „Wester Morning News“ veröffentlicht eine Spezialmittheilung, die ein neues Lit auf die Lage in Afghanistan wis Bex Korrcspondent schreibt : „Ayub Khans Truppen sind nunmehr durh die Stämme im Duranilande, den Tarin Pathan Clan und Kahars Gesindel verstärkt worden. Man ift der Ansicht, daß 100 000 kampffähige Leute sich seiner Fahne an- gereiht haben. Die Thäler um Kandahar s{chwärmen mit kriegerischem und kräftigem Volke, das die Briten haßt. Db- gleich die politishen Agenten Mühe hatten, Vorräthe in jenen Distrikten aufzutreiben, war thatsählich kein Mangel vor- handen; sicherlih hatten die Leute versteckt, was für Ayub Khan in diesem Augenblicke von solch großer Wichtigkeit ist. Wären diese Vorräthe nicht beigeshafft worden, so würde eine solch enorme Ansammlung von Truppen sich längst haben zerstreuen müssen. Ayub Khan hat \sich als ein Mann von wunderbarem Unternehmungsgeist erwiesen und unterscheidet sih insofern von den orientalischen Generalen, als er alles persönlich überwacht. Ayub Khans Reiterei war der Kolonne des Generals Roberts’ von Khelat-i-Ghilzai aus vorausgeeilt und hatte alles Gras, das um diese Jahreszeit reif und trocken ist, niedergebrannt. Das Feuer kann meilenweit be- obachtet werden. Es herrscht deshalb ein großer Mangel an Fourage für unsere Pferde, Kameele und Lastvieh. General Roberts! Flanken sind stets durh die Reiterei des Feindes belästigt worden ; dieselbe wurde jedesmal zurückgeworfen, jedoh ab und zu mit Verlusten unsererseits. Dem rechten Ufer des Talonakflusses entlang sind Vertheidigungswerke auf- geworfen worden ; die zeitweiligen Garnisonen in Kila Sopha sind auf dem ganzen Wege nach Kandahar durh Herater Truppen verstärkt worden. General Roberts wird auf Wi- derstand stoßen, der Feind sih zurückziehen und schließlich bei Gundeyan, einige Meilen im Nordwesten von Kandahar, einen lezten Stand machen. Die Ghazis werden den Ort bis zum leßten Mann behaupten. Die Umgegend von Chaman \{wärmt von Räubern, die mit dem Feinde gemeinsame Sache machen.“

428. August. (W. T. B.) Das Unterhaus hat heute die Einzelberathung der Begräbnißbill erledigt, die von den Liberalen beantragten und von der Regierung be- fürworteten Abänderungen der Bill wurden mit großer Ma- jorität angenommen. l

830. August. Dem „Standard“ wird aus Chaman vom 29, d. M. gemeldet: General Roberts hat Khelati- ghilzai am 25. d. verlassen und die ganze englishe Garni- son mitgenommen, welche das Fort räumte und den Beamten des Emirs übergab. General Roberts gedachte am 30. d. _.in Kandahar einzutreffen und am folgenden Tage Ayub Khan éin.

Frankreih. Paris, 28. August, (Köln. Ztg.) Der Minister des Jnnern hatte gestern eine lange Berathung mit

dem Polizeipräfekten und dem Direktor der allgemeinen Sicher-