1880 / 227 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 27 Sep 1880 18:00:01 GMT) scan diff

Kabinets von Wilmowski, der Geheime Legations-Rath von Bülow, der Leibarzt Dr. von Lauer, der Stabsarzt Dr. Timann und der Geheime Hofrath Bork. y

Heute Vormittag 113/ Uhr sind Se. Majestät, laut Meldung des „W. T. B.“ , in Baden - Baden einge- troffen und von den dort weilenden Fürstlihen Personen, den Spigen der Civil- und Militärbehörden, dem gesammten Stadtrath und den anwesenden Diplomaten und Generalen empfangen worden. Beim Einfahren des Kaiserlihen Zuges intonirte die Kurkapelle das „Heil Dir im Siegerkranz“. Am Bahnhofe hatte sich eine große Menschenmenge ein- D welhe Se. Majestät mit enthusiastishen Zurufen egrüßte.

Jhre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin wohnten gestern Vormittag dem Gottesdienst in der Kirche zu Bornstedt bei.

Se. Kaiserliche Hoheii der Kronprinz nahm um 1111/3 Uhr militärishe Meldungen entgegen. Um 3 Uhr folgten die Höchsten Herrschaften der Einladung Sk. Majestät des Kaisers zum Familiendiner nach Berlin und kehrten gegen 51/2 Uhr in das Neue Palais bei Potsdam zurü.

Nah einer Mittheilung des Kriegs-Ministers an den Minister des Jnnern is von den Truppenkommandos in deren Berichten über die vorjährigen Manöver auf die be- trächtlihen Flurschäden hingewiesen worden, welche das den Manövern als Zuschauer beiwohnende Publikum ver- ursacht habe. Es seien Fälle vorgekommen, in denen dur das Publikum von den Truppen sorgsam geschonte Kultur- ländereien, sogar Schonungen, erheblih beschädigt worden, die Entschädigung aber demnächst dem Militärfiskus zur Last ge- fallen wäre. Mit Rücsicht hierauf hat der Minister des Innern auf Veranlassung des Kriegs-Ministers die König- lichen Regierungen durch Cirkularerlaß vom 12. v. M. ange- wiesen, die Behufs Aufrehthaltung der Ordnung zu den Manövern kommandirten Gensd'armen, abgesehen von der allgemeinen Fnstruktion, nah welcher sie Ungehörigkeiten der bezeichneten Art zu verhüten verpflichtet sind, noch anweisen zu lassen, e besonderes Augenmerk auf die Verhinderung von Flurbe]hädigungen durch das Publikum zu richten.

\{huld, die sih in den leßten Jahren um 21/, Mill. Mark verminderte, ergeben eine Ersparniß von 88 000 4/4 Neben dem Ordinar-Etat is noch ein außerordentliher Etat vor- gelegt worden, der fih auf die Etatsübershüsse, Eisenbahn- fonds und französishe Kriegsentshädigurg erstreckt. Der Hauptetat {ließt mit 5990915 # Einnahme und 5 982 s 4 Ausgabe, sonach mit einem Uebershuß von 8020 y

Anhalt. Cöthen, 26. September. Auf Grund Höchsten Orts angeordneter Verlegung der Herzoglichen Landrenten- bank von Cöthen nah Dessau werden die Geschäfte der be- sagten Behörde vom 27. h. ab in Cöthen geschlossen und am 1 E cr. in Dessau, im Behördenhause, wieder eröffnet werden.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 26. September. (W.T. B.) Der König und die Königin von Griechenland sind heute Nachmittag hier eingetroffen und vom Kaiser, welcher heute früh hierher zurüdgekehrt ist, auf dem Bahnhofe begrüßt und von dort in die Hofburg geleitet worden. Um 6 Uhr fand zu Ehren derselben in Schönbrunn ein Galadiner statt. Die Groß- herzogin Sophie von Sachsen ist, begleitet von dem deutshen Botschafter Prinzen Reuß, nach Breslau abgereist.

Pest, 25. September. Der Handels-Minister beabsichtigt wie die „Bud. Corr.“ erfährt mit Rüksiht auf den Verlauf und das Ergebniß der jüngsten Handelskammer- enquete die Handels- und Gewerbekammern aufzufordern, sie mögen nunmehr ihre Ansichten über die eventuell nothwendig erscheinende Revision des Gewerbegeseßes äußern. Das Elaborat, welches diesbezüglih den Handelskammern zu- geschickt werden soll, wird in großen Zügen den Verlauf der Berathungen der Handelskammerenquete, namentlih die auf- getauhten wichtigeren Anträge, enthalten. Später wird \o- dann das gesammte Material einer großen, vom Handels3- Minister im Laufe des Herbstes einzuberufenden Enquete vor- gelegt werden.

Der Finanz-Minister Graf Szapáry wird, nah einer Mittheilung des „Ellenör“, gegen Ende der nächsten oder Anfangs der darauf folgenden Woche den Staats-

das Jahr 1881 dem Reichstage

ie 00s für / : / i §. 4 der Grundbuchordnung enthält, nah einem Er-GWorlegen. Der ungarische Episkopat hält beute eine

kenntniß des Reichsgerichts vom 1. März d. J., keine materiellen Vorschriften und stellt jedenfalls keine Rechts- vermuthung für das Eigenthum auf. Er giebt im Wesent- lichen nur eine Anweisung für den Grundbuchrichter, der zu- folge die Lage und Größe der in die Grundbücher einzutra- genden oder bereits eingetragenen Grundstücke nah den Grund- und Gebäudesteuerbüchern ausgemittelt und die bereits ange- legten Grundbuchblätter auf diese zurückgeführt werden sollen. «zst dies geschehen, so ist allerdings der, welcher demnächst auf Grund einer Auflassung als Eigenthümer in das Grundbuch eingetragen wird, sür den Eigenthümer aller Bestandtheile des Grundstücks zu betrachten, welhe sich aus dem Grund- buche bezw. dem Kataster ergeben. Dies folgt aber daraus, daß nah den Vorschriften des Eigenthumserwerbgeseßzes der Eigenthumsübergang durch die auf Grund der Auflassung geschehene Eintragung vermittelt wird und deshalb der Ein-? getragene für den Eigenthümer aller derjenigen Realitäten gilt, auf welche die Eintragung sich bezieht. Die Eigenthums- rechte Desjenigen , welcher bereits vor dem Jnkrafttreten der neuen Geseßze durch Titel und Uebergabe Eigenthum erworben Hat, werden dadurch, daß das betreffende Grundbuchblatt auf das Kataster zurückgeführt wird, weder verringert noch er- weitert. Er ist und bleibt Eigenthümer insoweit, als er das Eigenthum nach dem bisherigen Rechte erworben hat und kann sh daher auch niht, wenn ihm das Eigenthum bestritten wird, von dem Nachweis des leßteren dur die Berufung auf das Kataster befreien.

Der Miether eines möblirten Zimmers (Chambre- garnist) macht sich durch rechtswidrige Aneignung eines Theils des mitvermietheten Mobiliars, nach einem Erkenntniß des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 12. Juli d. J., nicht des Diebslahls, sondern nur der Unterschlagung schuldig.

Das Reichs8gericht, 11. Strafsenat, hat durch Er- kenntniß vom 9. Juli d. J. ausgesprochen, daß derjenige, welcher auf Grund des Sozialistengeseßes verbotene Druck- schriften an Spediteure übergiebt, die sie an das zeitungs- lesende Publikum abgeben, sih einer öffentlihen Verbreitung jener Druckschristen shuldig macht.

Der Kaiserlihe Botschafter in St. Petersburg, General-Lieutenant von Schweiniß, hat einen ihm be- willigten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit fungirt der Botschafts-Rath Stumm als interimistisher Ge- jchäststräger.

Jn vergangener Nacht verschied hierselbst der Wirk- liche Geheime Rath von Stranßt im 80. Lebensjahre.

Der General-Lieutenant von Borries, Comman- deur der 4. Division, ist guf einige Tage mit Urlaub von Bromberg hier eingetroffen.

Der Präses der Ober: Militär-Examinations-Kommis- sion, General-Major des Barres, hat sich in dienstlihen Angelegenheiten nah Dresden begeben.

Bayern. München, 25. September. (Allg. Ztg.) Den Mitgliedern des Ausschusses der Abgeordnetenkammer für die Steuergeseßzentwürfe sind vom Finanz-Minister jene Mo ifikationen an den Geseßentwürfen über die Ein- Tommen-, Kapitalrenten- und Gewerbsteuer mitgetheilt wor- den, zu welchen in dem Falle Veranlassung gegeben wäre, wenn das den Regierungsentwürfen zu Grunde gelegte Prin- zip einer allgemeinen Einkommensteuer nicht zur Annahme gelangen sollte. Die Einberufung der Kammerauss\chüsse wird, wie man jeßt vernimmt, auf den 18. Oktober erfolgen.

Sachsen-Weimar - Eisenach. Weimar, 23. Sep- tember. (Allg. Ztg.) Den gestern gegebenen kurzen Andeu- tungen über denStaats3haushalts-Etat ist noh ergänzend Gnu figen, daß die Matrikularbeiträge mit 441 615 M

ortbestehen, daß dagegen als Herauszahlung der Reichskasse auf Zölle und Tabaksteuer die Summe von 278 520 4 figu- rirt. Die Forsten geben, wie anderwärts auch hier, einen Minder- ertrag gegen frühere ore und zwar ein Minus von 360 725 M, Die Gerichtssporteln sind um 41 000 # höher veranschlagt. Die direkte Steuer ist mit 3 „H von je 1 M1 des eingeshäßten Ein- kommens beibehalten, Verzinsung und Tilgung der Staats-

Konferenz, welche sih mit den Veränderungen befassen wird, die durch das Jnslebentreten des neuen Strafgeseßes aufge- taucht sind. Die handels politischen Verhandlun- gen, welche zwischen beiden Theilen der Monarchie im Zuge waren, sind vorläufig abgeschlossen. Sektionshef Bazant ist bereits wieder nah Wien zurüdlgereist. Wie die „Ung. Post“ vernimmt, wurde bei den Verhandlungen von beiden Seiten das größte Entgegenkommen bekundet.

Im Oberhause wurde heute nah Eröffnung der Sißung das Allerhöchste Reskript über die Eröffnung der Reichstagssession verlesen. Die Schriftführer und Ausschüsse wurden mit Acclamation in ihren Funktionen bestätigt. Der Präsident gedachte dex während der Ferien verstorbenen Mitglieder des Hauses. Das Urtheil in der Duellaffaire Majthényi -Verhovay wurde zur vorläufigen Kenntniß genommen. Al nächsten Gegenstand der Verhand- :lungen bezeichnete der Präsident die Wahl der Delegations- mitglieder, wonah die Sißung geschlossen wurde.

(W. T. B) Im Unterhause wurde von dem Abgeordneten Miklos eine Fnterpellation darüber ein- gebracht, ob die Regierung Kenntniß von der antisemiti- schen Bewegung habe und was sie in dieser Beziehung zu thun gedenke.

Agram, 25. September. Die erste Nummer des Organs der Landtags-Majorität „U stav“ ist heute ershienen. Das Blatt meldet, die Neise des Banus nah Fünfkirhen habe den Zweck, die Feststellung des Zeitpunktes für die Ein- verleibung der Grenze zu erwirken.

GrsF§britannien und Jrland. (Allg. Corr.) JFndischen Postnachrichten vom 4. ds. ist Nachstehendes entnommen: Die wegen des theilweisen Ausbleibens des Monsoon- Regens gehegte Besorgniß ist niht beshwihtigt. Jn den Distrikten von Deccan sind während der leßten 2 bis 3 Tage leichte Regenschauer gefallen, aber die Aussichten sind noch immer fkritisch. {Fn Nepaul herrsht gegenwärtig große militärische Thätigkeit, und als Erklärung dafür glaubt man, die dortige Regierung wünsche der britishen Regierung ein Truppenkontingent zum Dienste in Afghanistan zur Ver- fügung zu stellen. Aus Koheina wird berichtet, daß die Konoma-Nages sich in Drohungen ergehen, die britischen Zelte und Baracken niederbrennen zu wollen, wenn die Oktober- nebel ihnen dies exleihtern. Ueberhaupt wollen sie die Eng- länder belästigen wo sie nur können.

Aus der Kapstadt wird dem Bureau Reuter unterm 22./23. September gemeldet :

Neueren Nachrichten zufolge hat nur die Tyaly- Sektion der Tambukies sih den Basutos angescblossen, um mit ihnen den Kolonialtruppen gegenüber zu treten. Leßtere hatten mit den Ba- sutos mehrere erfolgreidbe Scharmüßel. Am 25. ds. geht von hier ein 200 Mann starkes Freiwilligencorps nah dem Basutolande ab. 1200 Basutos machten am 20. ds. einen Angriff auf Mohales Hoek, und am folgenden Tage wurde Mafeting von 5000 Basutos an- gegriffen. An beiden Orten dauerte der Kampf den ganzen Tag hindurch, aber \{ließlich wurden die Rebellen geschlagen. Ueber die Kolonialverlusfte sind noch keine Berichte eingegangen.

Die Herren Donald Currie u. Co. in London wurden aus Kapftadt telegraphisch benachrichtet, daß ihre Dampfer „Matrose“ und „Capland" zur unverzüglihen Beförderung von 600 Frei- willigen nah dem Basutolande gechartert worden sind. Der „Matrose“ nimmt 300 Mann aus Kapstadt an Bord, und der „Capland“ eine gleiche Anzahl aus Algoa-Bai. Die Truppen werden wahrscheinlih in East London ausgescifft werden.

Ein Telegramm des „W. T. B.“ aus Aden vom 25, September meldet: Oberst Gordon ist auf der Nück- reise von China hier eingetroffen und gedenkt seine Reise nah Europa morgen fortzusetzen.

Frankreich. Paris, 24. September. (Fr. Corr.) Das Rundschreiben, mit welhem der Kultus-Minister die D e- klaration beantwortete, ist erst gestern an die Oberen der Kongregationen abgegangen. Die Vollstredung der De- krete wird also erst in einigen Tagen beginnen können, sobald nämlich die für eine Rückäußerung auf den Brief des Ministers nöthige Zeit verstrichen sein wird. Ferner wird der Gerichts- hof für Kompetenzkonflikte in der ersten Hälfte des Oktober einberufen werden. Wie von anderer Seite gemeldet wird, soll die leßte Frist, die man den Kongregationen s\teckt,

zehn Tage betragen. Nah Ablauf dieser Zeit wer-

den die Präfekten Dees erhalten, zum Vollzug der ihnen bercits ertheilten Jnstruktionen zu shreiten. Man wird mit den ausländishen Ordensgeistlihen beginnen und dann gegen die Kongregationen verfahren, welhe von Nom selbst niht anerkannt sind. Gleichzeitig werden die Kapellen der anderen nicht anerkannten Genossenschaften geschlossen werden. Mit diesen Akten wird man die Zeit bis zur Entscheidung des Kompetenzgerichts ausfüllen ; fällt dieselbe, wie nicht anders zu erwarten ist, zu Gunsten der Regierung aus, so wird dann unverweilt die Ausweisung der übrigen von dem zweiten De- krete vom 29. März bedrohten Kongregationen in Angriff ge- nommen werden.

26. September. (Journ. of.) Der bisherige Präfekt des Departements Finistère, Gilbert Le Guay, is zum Präfekten von Corsica ernannt worden, an Stelle des auf sein Verlangen zur Disposition gestellten Hrn. de Marçay.

(W. T. B.) Graf Horace Choiseul hat den ihm angebotenen Posten des Unter-Staatssekretärs im Ministerium des Auswärtigen nunmehr definitiv an- genommen.

Türkei, Konstantinopel, 26. September. Wie dem „Reutershen Bureau“ von hier gemeldet wird, hätte sih der Sultan gegenüber dem Doyen des diplomatischen Corps, dem deutshen Botschafter Grafen Haßtfeldt bezüglih Dul - cignos dahin geäußert, daß er den Ereignissen thren Lauf lassen werde. Die Verantwortung für dieselbe würde auf Europa zurücfallen.

Aus Nagusa, 26. September, berihtet „W. T. B.“ : Admiral Sey mour, die Admirale Cremer und Pincotti, die Kommandanten der Schiffe „Custozza“, „Vittoria“ und „Palestro“, sowie verschiedene englische Offiziere sind in der vergangenen Nacht auf dem „Helicon“ abgefahren, um in den albanesishen Gewässern eine Rekognoscirung vorzunehmen. Die Kommandanten der französischen Kriegsschiffe sind in Gravosa geblieben. Die Abfahrt der vereinigten Flotte, welche auf morgen festge]eßt war, ist in Folge neuer von Montenegro veranlaßter diplomatisher Verhandlungen wieder verschoben worden.

Die „Agence Havas“ meldet unterm 26. d. Mts. aus Nagusa, der Admiral Seymour befahl, daß das Ge- ] es sich am Montag zum Auslaufen bereit zu halten abe.

Die „Daily News“ meldet aus Ragusa unterm 27. d. Mts.: Die Flotte wird erst am Mittwoch auslaufen.

Aus Gravosa, 27. September, meldet „W. T. B.“: Admiral Seymour und die übrigen Geshwader-Chess und Schiffskommandanten, welche denselben auf der Rekognos- zirungsfahrt nach den albanesishen Gewässern begleiteten, sind gestern Abend hierher zurückgekehrt.

(Pest. L.)

Montenegro. Cettinje, 24. September. Unter dem Vorsiße des Fürsten fand heute ein großer Ministerrath statt, welchem auch der hier eingetroffene englishe Escadre-Kommandant Seymour, der französische Ge- sandte Baron de Montgascon, derx italienishe Gesandte Durando, sowie die Truppen-Kommandanten Bozo Petrovics und Peter Vukotics beiwohnten. Die Abreise des Fürsten 1n das Lager von Sutorman soll ers in einigen Tagen stattfinden. Ueber einen eventuellen Vormarsch ift noch nichts bestimmt.

Bulgarien. Sofia, 15, September. Man schreibt der „Pol. Corr“: „Fürst Alexander hat zum zweiten Mal jein Namensfest in seiner neuen Heimath gefeiert, und kam eigens zu diesem Zwecke von Varna hierher. Da auch gleich- zeitig das Namensfest des Kaisers Alexander von Rußland gefeiert wurde, fo gestaltete sih Alles zu einem ebenso solennen als pompôösen Feste. Fürst Alexander begab s\ich in großer Generalsuniform um 9 Uhr Vormittags im Galawagen, be- gleitet von seinem Hofstaate, in die griechish-orthodoxe Kirche, wo bereits sämmtlihe Spißen der Behörden, sowie auch das diplomatishe Corps ihn vollzählig erwarteten. Um 10 Uhr war Empfang der Vertreter der auswärtigen Mächte sowie aller übrigen Gratulanten, worauf fi der Fürst zu der auf halb 12 Uhr angesagten Truppenrevue nach dem nahe gelegenen Bali- Effendi begab. Nach beendeter Parade marschirten die Truppen in ihre nächst Sofia gelegenen Feldlager, um einer Feldmesse bei- zuwohnen, worauf der Fürst in einer eigens hierzu improvi- sirten Laube mit dem gesammten Offiziercorps ein Dejeuner einnahm, während die etwa 3000 Köpfe zählende Mannschaft mit Schöpsenbraten, Weißbrod und Wein bewirthet wurde. Hierauf kehrte der Fürst in das sogenannte kleine Palais zurüdck, wo gegen 6 Uhr Abends das offizielle Galadiner statt- fand. Dasselbe wurde in einem eigens zu diesem Zwecke her- gestellten und recht geschmadckvoll dekorirten Gartensalon ein- genommen. Zur Rechten des Fürsten saß der österreichisch- ungarische diplomatishe Agent Graf Khevenhüller, links der russishe General-Konsul v. Kumani, dann die übrigen Mit- glieder des diplomatischen Corps, sämmtliche Minister, einige Abgeordnete und alle hier garnisonirenden Stabsoffiziere.“

Sofia, 26, September. E. „Prese“) Der FULN trifffl nach dem Besuche in Belgrad aus Rustshuk am 22. Oftober, unmittelbar vor Eröffnung des Sabra- nije, hier ein. Finanz-Minister Karawelow ist nah St. Petersburg abgereist, um Beamte für fein Ressort zu enga- giren. Wegen Prägung der bulgarischen Silbermünzen wurde mir der russischen Regierung ein Vertrag abgeschlossen. Die Prägung der Gold- und Kupfermünzen wird im Wege der Offerte vergeben. Vr. Jireczek hat sich auf längeren Urlaub nah Prag begeben; man bezweifelt dessen Rückkehr nah Bulgarien.

Rustshuk, 25. September. Nach den bisherigen Reise- Dispositionen wird sich Fürst Alexander von Bulgarien am 7. Oktober von hier nah Belgrad begeben.

Nußland und Polen. (St. Pet. Ztg) Von der westhinesishen Grenze wird der „Turk. Ztg.“ vom Ge- neral-Major Lewaschew aus Zarizinsk unter; dem 17./29. Juli telegraphirt: „Ein Dshigit theilt mit, das Vordringen einer 74 000 Mann zählenden chinesishen Armee von Peking nach Kuldsha sei durch einen Kampf verhindert worden, der bei Sandsha im Schooße der Truppen selbst entbrannte. Auf der einen Seite befinden sich 34 000 Mann, darunter 11 000 Dunganen, auf der anderen ca. 30 000.

Schweden und Norwegen. Christiania, 25. Septem- ber. (W. T. B.) Der Staats - Minister Dr. F. Stang hat sein Abschied sgesuch eingereiht. Der König hat sih die Entscheidung bis nah seiner am Montag hierselhst erfolgenden Ankunft vorbehalten.

Kunst, Tissenschaft und Literatur.

St. Petersburg, 24. September. (St. Pet. Ztg.) Der dies- seitige Bevollmächtigte in China, Hr. Kajander, hat den „Nowosti“ ufolge, dem Minister des Auswärtigen den Inhalt eines ihm von dem Bberst von Przewalsfki zugegangenen Briefes mitgetheilt, worin er seine Beziehungen zu den Einheimischen, dem Volksstamm Si - Fan, \cildert, welche das Quellgebiet des Gelben Flusses (Hoang-ho), das jeßt von unserem Reisenden durforscht wird, bewohnen. Ungeachtet der Hindernisse, die ihm von der chinesischen Regierung und den Eingebo- renen, wie aub durch die Unwirthlihkeit der Natur allseitig ent- gegengestellt werden, ist es Hrn. Przewalski gelungen, weiter vor- zudringen, als alle seine Vorgänger. Aus dem Briefe geht hervor, daß es die Absicht des Reisenden war, die Eiêregionen des Siu- Chan-Gebirges, zu durforschen und über dieses fort nah Si-Ning zu gehen. Der Uebergang über diesen Bergzug und damit auf die rechte Seite des Hoang-ho erwies sih jedoch nicht ausführbar, er mußte daher denselben Weg zur Stadt Hui-de zurück nehmen; von hier aus gedenkt er nach Si-Ning und dann zeradeswegs durch die Wüste Gobi nah der Stadt Urga zu reisen.

Land- und Forstwirthschaft.

Aus Baden wird der „D. landw. Pr.“ geschrieben: Die Land- leute in Lahr und Umgegend sind alle mit der Tabaksernte be- {häftigt, die seit lange keinen so reihen Ertrag lieferte wie dieses Fahr. Uu der Anbau war in diesem Jahre ausgedehnter; die Blätter find nicht nur größer und stärker, sondern auch ihre Zahl auf die einzelne Pflanze ift größer als in früheren Jahren.

Dem vom K. K. österreichishen Ackerbau-Ministerium veröf- fentlihten jüngsten Berichte über den Stand der Saaten und Ernte in Oesterreich-Ungarn um Mitte September 1880 entnehmen wir folgende Angaben: Die Witterungsverhältnisse der ersten Septemberhälfte gestalteten sh für die einzelnen Länder der westlihen Reichshälfte ziemlich ungleih. Hohe Temperatur und Trockenheit wecbselten in rascher Folge mit starken Abkühlungen und heftigen Niederscblägen. Je nah der Verschiedenheit der Witte- rungsverhältnisse sind die Arbeiten für Bestellung der Wintersaaten bald normal in Angriff genommen und fortgeseßt, bald und mitunter bedeutend verzögert worden. Leßteres gilt insbesondere von den Alpenländern, einzelnen Theilen Nieder-Oesterreibs und des Küstenlandes. Der Stand der Wintersaaten felbst ist im Allgemeinen als recht aünstig zu bezeihnen. Die Cerealienernte ist, wenn von einzelnen Gebirgs- gegenden, in welchen Hafer noch zum Theile auf dem Felde steht, abgesehen wird, beendet und der Drush in vollem Zuge. Bei Hafer, dessen Einbringung zum guten Theile in die erste Hälfte des September fiel, erscheint das Gesammtresultat als „mittel“ bis „über mittel“. Mais dürfte noch immer eine gute Ernte liefern Die vollendete Ernte in Hülsenfr ü cchten ist endgültig mit „ret gut“ zu bezeichnen. Bom Buchweizen, defsen Ernte theilweise begonnen, ist der Ge- sammtdurchschnitt gegenwärtig als „mittel“ anzunehmen. Die Rapssaaten sind, abgesehen von Schlesien, wo der Stand sehr ungleichmäßig erscheint, turhaus sehr gut aufgelaufen. Die beendete Hopfenernte liefert im Durchschnitte ein Ergebniß von „mittel“ bis „über mittel“. Leßteres dürfte für Böhmen und Nieder-Oester- reich gelten, während der Auéfall der Ernte in Galizien und Ober- Oesterrei fch auf „mittel“ stellt, Kartoffeln sind durch Fäule stark geschädigt, insbesondere haben Frühsorten , deren Ernte beendet ist, gelitten. Aub unter Spätsorten hat die Krank- heit an Ausdehnung gewonnen. Am stärksten {eint Böhmen und Mähren b:troffen, wo in einzelnen Gegenden F bis F des Produktes verfault sind. Der Gesammtdur{schnitt der Ernte \teUt sich wahr- \ceinlich auf „unter mittel“. Zucker- und Futterrüben, deren Ernte begonnen hat, beziehungsweise unmittelbar bevorsteht, befriedi- gen fast ausnahmslos in hohem Grade, so namentlih in Böhmen, Nieder- Oesterreich und größtentheils in Mähren. Der zweite Klee - \{chnitt und die Grummet-Ernte, theils beendet, theils im Zuge, wurden durch die Niederschläge fast allenthalben ver- zôgert und das quantitative wie das qualitative Er- gebniß geschädigt. Ausnahmen kommen nah betden Rich- tungen in Böhmen, Mähren, Nieder-Desterreib, Ober-Desterreih und Nord- Tirol vor. In Ost-Galizien wird, weil aub Stroh fehlt, Futtermangel befürchtet. Jn der Bukowina ist der Ertrag befriedi- gend. Der dritte Kleeschnitt is vielversprehend im Küstenlande. Sn Süd-Tirol ist das Grummet durch die Niederschläge bedroht. Der Totaldurchschnitt für Klee- und Grummetcrnte stellt ih auf „\chwah mittel“ bis „mittel“. Der Wein ist gegenüber dem letten Berichte nicht gebessert. In Folge der Niederschläge begannen Früh- forten von Trauben allenthalben zu faulen, während SpÄätsorten besser widcrstanden. Bei der zu niedrigen Temperatur ift die Ent- wicktlung des Zuckergehaltes niht eutsprehend vorgeschritten, und i| wenig Ausficht vorhanden, daß der große quantitative Verlust durch die Qualität erseßt wird. Nur baldigst eintretende und andauernde Temperatursteigerung könnte namentlich in Nieder- Oesterrei, Steiermark und Süd-Tirol noch Besserung bringen. In Dalmatien, mo in jungen Anlagen und fetten Böden viel verfault ist, hat die Lese begonnen, während man fich im Küstenlande wegen fortgescrittener Fäulniß dazu vor der Zeit entschließen mußte. Das Ergebniß für die gesammten Weinländer wird jedenfalls stark unter „\chwach mittel" bleiben. Was Obst betrifft, so liegen annähernd befriedigende Mittheilungen nur aus Süd-Tirol vor. Pfirsiche, Pflaumen und Nüsse fallen reihlich und gut aus. Birnen liefern einen mittleren, Aepfel hingegen einen geringen Ertrag.

Gewerbe und Haudel.

Die rier arôften Kaffee erzeugenden Länder sind Brasi- lien, Java, Sumatra und Ceylon Die Erhebungen im Fahre 1879 ergeben, daß Brasilien allein eine außergewöhnliche Quantität von Bohnen erzeugt hat. Biéher wurden 250 000 t als eine gute jährliche Ziffer für Brasilien erachtet; im lettvergangenen Fahre aber stieg die Autfuhr allein auf 273 000 t. Da nun der Kaffeeverbrauch im Lande selbst gegenwärtig auf 60 000 t gestiegen ist, beläuft sih das jährlihe Gesammterzeugniß Brasiliens zur Zeit auf 333 000 t. Glüdcklicberweise für die Kaffeepflanzer in anderen Weltgegenden ist der Kaffee ein nothwendiges Lebentmittel geworden, so daß sein Preis in die Höhe gegangen ift. Obgleich der zum Kaffeebau in Brasilien geeignete Boden einen großen Umfang hat, wird die Schwierigkeit, Arbeitskräfte zu bekommen, von Tag zu Tag

rößer, so daß sib nicht annehmen läßt, daß die Produktion obige

iffer in der Zukunft erheblih übersteigen wird. Die Ernte in

ava und Sumatra wird für die Ausfuhr auf 94000 t geschäßt; der inländische Verbrauch aber errciht nicht die Hälfte des bra- silischen, obgleih die Bevölkerung des lehteren dopvelt fo groß ift. Die Produktion von Ceylon, im Vergleich zu den Vorjahren, weist eine merklihe Verminderung na; es waren in Allem 41 200 t von der Insel exportirt, wobei zu bemerken ist, daß der inländische Verbrauch sehr gering ist. Außerdem wächst Kaffee in Centralamerika, in einigen südamerikanischen Republiken, in den britischen Kolonien Westindiens, in Hayti, Kuba, Portoriko, Arabien, Mauritius, Réunion, die nordöstliche Küste von Afrika entlang, in Liberia und der afrikanischen Westküste, in Manilla, Celebes und verschiedenen Inseln des Pacific, s{hießlich in britisch Fndien; die Gesammtpro- duktion aller dieser Gegenden aber erreicht nicht die Hälfte der Aus- fuhr der vier obengenannten Länder.

Nürnberg, 25. September. (Hopfenmarktberiht von Leopold Held, Hopfen-Kommissionsgeschäft.) Die aus ca. 800 Ballen bestehende Landzufuhr des heutigen Marktes wurde zu unveränderten So zum größten Theile von Exporteuren gekauft. In anderen

orten wie Württemberger, Badische, Aischgründer 2c. war für Mittelwaare die Frage cine nicht der Größe des Angebots ent- sprechende; dieselben konnten daher nur zum Theil und nur zu ge- drückten Preisen Nehmer finden. Prima-Qualitäten sind unverändert gesucht und behaupten sich im Preise. Der Gesammtumsayz beziffert fih auf ca. 1000 Ballen. Die Notirungen lauten: Marktwaare prima 55—65 #, miitel 40—50 Æ, gering 30—38 G; Gebirgs-

hopfen 70—80 4; Aischgründer prima 60—70 #, mittel 50—55 M, gering 45—50 4; Württemberger prima 85—100 #, mittel 60— 15 H, gering 40—50 A; Badische prima 85—100 #, mittel 60— 75 M, gering 45—55 #4; Hallertauer prima 85—100 4, mittel 65—75 4; Polnischer prima 90—110 é, mittel 65—80 4; Elsäfser E 70—80 M, mittel 50—60 M, gering 35 —45 4; Altmärker 30—40 M

London, 25. September. (Allg. Corr.) Die Direktoren der Rio Pinto Kompagnie haben eine Dividende von 8 s. per Aktie erklärt.

London, 25. September. (W, T. B.) Bei der gestrigen E ERTTLoR waren gute scoured und Neuseeland - Schweißwollen

eurer.

Glasgow, 25. September. (W. T. B.) Die Vorräthe von Noheisen in den Stores belaufen sih auf 472 700 Tons gegen 310 900 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 82, gegen 68 im vorigen Jahre.

Verkehrs: Anstalten.

Königsberg i. Pr., 25, September. (W. T. B.) Bei der von der hiesigen Kaufmannschaft für die Pläne zur Vertie- fung der Wasserstraße nah Pillau ausgeschriebenen Kon- kurrenz ift der erste Preis von 10000 Æ dem Hafenbau-Inspektor Natus in Pillau, der zweite Preis von 5000 ( dem Ober-Maschinen- meister Schmidt, dem Baumeister Kummer uud dem Baumeister Kunze für den von denselben gemeinscaftlih ausgearbeiteten Plan zuerkannt worden.

Berlin, 27, September 1880,

Die irdische Hülle des Geheimen Sanitäts-Raths Dr. Wilms ist am Sonntag Abend 37 Uhr vom Trau?crhause, Mohrenstraße 41, nach Bethanien überführt worden. Am Portal der Stätte, an der er fo unendlih viel Gutes gewirkt, empfingen die Oberin, die Schwestern, die Aerzte und die Geistlichkeit der Anstalt die Leiche und geleiteten sie nach der Kapelle, wo Pastor Nehmiz mit kurzen und tiefergreifenden Worten des {weren Verlustes gedachte, den die leidende Menschheit und vor Allem Bethanien felbst in Wilms er- litten. Während der Nacht hielten die 4 Assistenzärzte des Verewig- ten in der Kapelle am Sarge die Chrenwachtk.

Die Trauerfcterlichkeit zu Ehren Wilms fand heute Nachmittag um 2 Uhr in Gegenwart Sr. Kaiserlihen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen und einer überaus zahlreihen Trauerversamimlung in der Kapelle statt, von wo aus die Beiseßung der Leiche auf dem Jerusalemer Kirchhofe in der Belle-Alliancestraße erfolgte.

Berlin nach dem Beruf. (Soz. Corr.) Soeben ist das dritte und vierte Heft eines großen Werkes erschienen, der Bear- beitung der Berliner Bevölkerungs-, Gewerbe- und Wohnungs- aufnahme vom 1. Dezember 1875. Der Herausgeber, der Direktor des statistischen Bureaus der Stadt Berlin, Hr. Richard Böckh, hat namentlih großes Gewicht auf sorgfältige Untersuhung der Berufgs- verhältnisse der Berliner Bevölkerung gelegt.

Sehr carakteristisch für die einzelnen Stadttheile ist die Ver- theilung der Berufsarten in denselben. Zum Theil find es Verhält- nisse lokaler Natur, welhe die Vorbedingung für den Betrieb eines Gewerbes in einem bestimmten Stadtviertel abgeben; zum Theil sind es anscheinend zufällize oder doch nah ihrem Ursprunge nicht mehr erkennbare Ursachen, welhe ein Gewerbe veranlassen, sh auf be- stimmte Stadtaegenden zu konzentriren. So arbeiten die Weber vorzüglih im Stralauer Viertel, die Metallarbeiter in der Orantien- burger Vorstadt, im Wedding und Moabit und in der Louisenstadt; in den drei erstgenannten Stadttheilen wird auss{(ließlich Eisen, in den letzteren vorwiegend Kupfer und Messing verarbeitet. Die Gärtner, etwa der vierhundertste Theil aller Selbstthätigen, {ind wesentli im Umkreise der Stadt, der unteren Friedrih8vorstadt, Moabit, der Schöneberger Vorstadt und dem Stralauer Viertel, dessen Straßennamen au darauf hindeuten, vertreten. Die Fischer find hauptsächlich in ihrem ältesten Wohnsiß, in Alt-Cölln, zu Haus. Eine Hauptindustrie von Berlin, mehr als ein Zwanzigstel aller Selbstthätigen beschäftigend, ist die der Holz- und Scnigstoffe, namentlich die Möbeltischlerei; fie ist wesentlihß in den drei im Südosten gelegenen volksreihsten Stadttheilen zu Haus. Unter den Gewerben zur Herstellung von Nahrungs- und Genußmitteln sind begreifliher Weise die Bäcker am Gleihmäßigsten Über die ganze Stadt verbreitet. Durch Gewerbe für animalishe Nahrung zeichnet fich die Rosenthaler Vorstadt mit dem großen Viehhof aus. Hin: sichtlich der Getränke wiegen die Tempelhofer Vorstadt und das Königsviertel vor, in denen große Brauereien vorhanden sind. Das Befkleidung8gewerbe is mit einem Achtel der ihr Angehörigen in Alt-Cölln vertreten. Die Schuhmacherei is mehr im Janern der Stadt als in den Borftädten vertreten. Das Reinigungsgewerbe (hauptsäblich Wäscherinnen) konzentrirt sich in der Friedrich- Wilhelmstadt, der Buch- und Kunstdruck, sowie die übrigen künst- leriscven Betriebe für die gewerblichen Zwecke in der Louisenstadt. Der Waarenhandel hat in der Altstadt und im Spandauer Viertel seine Hauptsißze. Die Gastwirthschaft ist mehr als durchschnittlich in den westlihen Theilen der inneren Stadt vertreten, wo die meisten und größten Hotels, aber auch viele wissenschaftliche Institute liegen, die viele junge Leute ohne eigenen Haushalt um sich schaaren. Die Vertheilung des Cisenbahnpersonals wird durch die Lage der Bahnhöfe bestimmt. Die Dienstboten sind in der Friedrichsvorstadt und dem Königsplatbezirk am dichtesten vertreten; im leßteren wohnen außerordentlich viele Lebrer, Künstler und höhere Verwaltungs- beamte, in ersterer eine sehr hohe Zahl von Rentiers.

Was die Vertheilung der Berufsarten auf die einzelnen Alters- klassen betrifft, so tritt die jüngste Klasse (unter 20 Jahren) am stärksten in der Berufsvorbereitung und unter den Dienstboten auf. Sehr viele Angehörige der jüngsten Altersklasse haben ferner die Graveure und Musterzeichner, die Buch- und Kunstdrucker, die Haar-, Papier- und Leder-Industrie. Jn der folgenden Alteréklasse (20 bis 30 Jahre) treten das Militär und die Industrie der Getränke be- sonders stark hervor. Unter den s0jährigea und älteren stehen felbst- verständlich die Rentiers und Penfionäre voran; dann folgen Geist- liz, Landwirthe, Aerzte, Diplomaten, die Presse, die Königliche Hauëéverwaltung.

Der Nordwestdeutshe Verein für Gefängnißwesen hat in der Sculze’shen Hof-Buchhandlunz zu Oldenburg das vom Vorstande redigirte sechste Vereinsheft erscheinen lassen. Dasselbe hat folgenden Inhalt: 1) Ein Blick auf das Fürsorgewesen für entlas- sene Strafgefangene, mit besonderer Berücksihtigung Deutschlands, von Dr, Föhring. 2) Einige Bemerkungen ; über die vor- läufize Entlassung Strafgefangener, vom Ersten Staats- anwalt Stuhr in Kiel. 3) Die Vereine gegen Bettelci und Vagaboudage in der Provinz Scbleswig- Holstein-Lauenbu-cg vom Strafanstalts-Direktor Krohne in Rendsburg. 4) Zur vo:- läufigen Entlassung. Außer diesen Aufsäßen enthält das vorliegende Heft noch das Protokoll der Ausschußsißung zu Hamburg am 7. Juli 1880, Es wurde dort beschlossen: 1) Die nächste Ver- sammlung des Vereins am leßten MittwoÞh im Moact Oktober (27. Oktober) in Hannover abzuhalten. 2) Gegen- stände der Verhandlung jollen bilden: a. die vorläufige Entlassung, b, die Organisation der Fürsorge für entlassene Gefangene in der Provinz Hannover.

Die Bevölkerung der Erde. Jährliche Uebersicht über neue Arealberechnungen, Gebietsveränderungen, Zählungen und Scbähungen der Bevölkerung auf der gesammten Erdoberfläche. Her- ausgegeben von E. Behm und H. Wagner. VI, Mit 3 Karten.

(Ergänzungsheft Nr. 62 zu „Petermanns Mitthei- lungen“.) Die Behm-Wagnerschen Publikationen über die Be- völkerung unseres Erdballs sind seit langer Zeit für Geographie und Statistik eine Hauptquelle. Das vorliegende, 132 Seiten Großquart umfassende Heft if auch besonders reich an neuen Arealangaben. Neu eingefügt ist zum ersten Male ein Bericht über die Fortschritte der Bevölkerungéftatistik von F. C. 5. Nefßmann (Hamburg). Bislang waren diese Berichte in dem seit 1866 gewöhnli in zweijährigen Zwischen- räumen erschienenen Bänden des Geographischen Fahrbuchs von E.Behm enthalten, haben aber nunmehr hier einen geeigneteren Play erhalten. Professor Wagner, seit Septembe- d. J. an Wappäus’ Stelle in Göttingen, hat dem Hefte eine interessante vergleihende Zusammen- stellung aller bis Anfang 1880 auëgeführten Volkszählungen beige- geben. Welche Arbeit die geographische Statistik noch zu leisten hat, zeigt diese Uebersicht auf das deutlicste: die hier aufgezählten Volkszählungen, einschließlich Rußlanv, erstrecken sich in Summa erst auf eine Zahl von 626 Millionen Bewohnern. Für mehr als die Hälfte der Menschenzahl ist man daber. noch immer auf Shäßung angewiesen. Na Behm und Wagner beträgt die Bevölkerung der Erde etwa 1456 Millionen Bewohner und dieselbe vertheilt \sich in folgender Weise: Europa 176 349,9 d. geogr. Qu.-Meilen 315 929 000 Bewohner, Asien 809478 d. geogr. Qu.-Meilen 834 707 000 Be- wohner, Afrika 543 187 d. geogr. Qu.-Meilen 205 679 000 Bewohner, Amerika 697 188,5 d. geogr. Qu.-Meilen 95 495 500 Bewohner, Austra- lien und Polynesien 162 609 d. geogr. Qu.-Meilen 4 031 000 Bewohner, Polargebiete 82 091 d. geogr. Qu.-Meilen 82000 Bewohner. Sonach ist die Durschnittsbevölkerung für eine deutsche geographische Quadratmeile in Europa 1791, in Asien 1031, in Afrika 378, in Amerika 137 und in Australien 24. Die ia den frühecen Heften enthaltenen Arealangaben von Europa, Afrika, Amerika, Australien, Polynesien und den Polargebieten wurden aufs Neue einer Prüfung unterzogen, und die neuen Arealangaben beruhen größtentheils auf ganz neuen planimetrishen Messungen. Zum ersten Male ift hierbei das reiche Material der britis{en Admiralitätskarten verwerthet, sowohl hinsicbtlih der Küstenstrecken der Kontinente als der Inseln. Die Frage nach der Vertheilung von Wasser und Land auf der Oberfläche, die vor Kurzem von Dr, O. Krümmel in seiner Schrift „Versuch einer Meorphologie der Meeresräume* aufs Neue angeregt wurde, ist dadurch einen bedeutenden Schritt der Lösung näher gerückt. Von Dänemark, Spar.ien, Portugal, Griechenland, Bosnien und Herzegowina, Pern, vielen Inseln, z. B. Neuseeland, Neucaledonien Sandwich - Inseln, Madeira sind die Resultate neuer Zählungen beigebraht. Von den meisten der genannten Länder sind außer d:n Zahlen für die Pro- vinzen und die ganzen Staaten au die für die Städte und sonstigen größeren Gemeinden aufgeführt. Besonderes Interesse verdient die Uebersicht der Ortsbevölkerung von Japan, da sie die erste überhaupt aufgestellte ist. Die seit dem Ersceinen des vorigen letzten Jahr- gangs eingetretenen Grenzveränderungen sind möglich# gesammelt, nach dem Wortlaut der betreffenden Verträge und Erlasse mitgetheilt und in ihrem Einfluß auf die Veränderungen des Areals und der Volkszahl berücksichtigt. Erwähnt seien zum Schluß noch die „Ueber- sicht der Kolonien und auswärtigen Besitzungen europäischer Staaten und die Uebersicht der Städte der Erde mit mehr als 50000 Einwohnern“. Die beigegebenen oder in den Text cingefügten Karten veranshau- lihen 1) die Länder, in welchen bisher wirkliche Volkszählungen stattfanden, von H. Wagner, 2) die Grenze zwischen Frankreich und Spanien in der Bai von Figuier und 3) die neue Grenze zwischen der Türkei und Griechenland nach dem Beschluß der Berliner Kon- ferenz, Juni 1880, mit Angabe der Grenzen nah dem türkishen Vor- \{chlag vom November 1879, nah dem griehishen Vorschlaz vom N outior 1879 und nah dem französishen Vor|chlag vom Dezember 79.

Frankfurt a. M., 27. September. (W. T. B.) Der zweite Vereinstag der deutschen Landesvereine vom rothen Kreuz is soeben unter der Theilnahme von Delegirten von dem Vizepräsidenten des deutshen Centralcomités, Haß, eröffnet und nachdem eine telegraphishe Dankesäußerung an Ihre Majestät die Kaiserin und Königin bes{lossen, Namens der preußischen Staatsregierung von dem Regierungspräsidenten v. Wurmb und Namens der Stadt Frankfurt von dem Ober-Bürgermeister Miquel begrüßt worden. Der Vereinstag wählte zum Präsidenten den Vize-Präsidenten des Centralcomités Haß (Berlin), zu Vize-Präsidenten den Vize-Präsidenten des bayerischen Landesvereins, Grafen Drexel (München), und den Präsidenten des Landesvereins im Königreich Sachsen, Frhrn. von Criegern (Dresden), zu Ehren-Präsidenten den Staats-Minister Dr. Friedenthal (Berlin) und den Geh. Rath Dr, Varrentrap (Frankfurt).

London, 23, September. (Allg. Corr.) Römische Alter-

thümer auf der Jnsel Wight. Den historishen Reizen der Insel Wight ist neuerdings durch die Entdeckung einer römischen Villa auf Morte: Farm unweit Brading ein neuer hinzugefügt worden. Die bloßgelegten Ueberreste haben bereits beträchtlibes Intereß: unter Archäologen hervorgerufen, und einige derselben stellten dem - Verein der Antiquare vor, daß weitere Aus- grabungen unternommen werden follten, um die ganze Aus- dehnung des Gebäudes oder der Baulichkeiten kennen zu lernen, da bis jeßt nur ein Theil offengelegt ift. Das Verdienst der ersten Entdeckung der Villa gebührt Kapitän Therpe in Yarbridge bei Brading, dessen Bekanntschaft mit der Umgegend ihn zu Nachforschungen veranlaßte, die si von großem Werthe erwiesen haben. Die äußeren Mauern messen, soweit sie bis jeßt fihtbar sind, 52 Fuß Länge bei 37 Fuß Breite und \chließen \sechs3 Zimmer mit Korridoren u. \. w. ein, die, wie anzunehmen ift, mit vielen anderen in Verbindung stehen. Außer einem getäfelten Fußboden, Ueberresten von Heizung®8vorrichtungen, Rauchfängen, Freskogemälden, Da(hsteinen, Münzen, Töpfergeschirr u. . w. wurden auch die Reste eines Mosaikpflasters mit einer ungewöhnlichen Zeichnung darauf aufgefunden. Augenscheinlib bedecken die Ueberreste einen großen Flächenraum, dessen Oberfläche größtentheils für landwirthschaftliche Zweke bebaut ist; doch ist Seitens Lady Oglander, der Eigenthüme- rin der Besizung, sowie von Mr. Cooper, dem gegenwärtigen Be- wohner, alle Erleichterung für weltere Forsbungen gewährt worden. Die Ausgrabungen sind daher vor einigen Tagen wieder aufgenom- men worden, und {on ift ein weiteres Gemah entdeckt, worin sich ein interessantes Mosaik befand, dessen Mittelstück die “Figur des Orpheus, die Lyra spielend und von Thieren umgeben, bildet. Aub wurden dort Münzen gefunden, darunter etlibe aus Messing aus der Regierunzs8zeit des Victorinus vom J. 286. Die Entdeckungen find von erhöhtem Interesse, da sie mit der Beseßung der Insel durch die Rômer im Zusammenhange stehen. Auch ift gesagt worden, das dunkle Haar urd die feurigen Augen der echten Eingebornen seien der italienishen Kolonisation zuzuschreiben.

Bern, 23. September. (Allg. Ztg.) „Stehen wir auf einenx Vulkan?“ fragt der Freiburger „Chroniqaeur.“ Dem Erdbeben, welches die Stadt Freiburg am Sonntag, Vormittags 11 Uhr, in Schredcken versetzte ist vorgestern Abends 8 Uhr weniger 10 Mis nuten noch ein zweites viel heftigeres und anhaltenderes gefolgt. Dasselbe machte sih mittelst starker doppelter, {nell aufeinander folgender Oscillationen von Nord-Ost nah Süd-West in der ganzen Stadt Freiburg und wohl auf 2 Stunden in ihrem Umkreise bemerkbar. Das unterirdishe Getöse war jedo dabei, wenn au anhaltender, weniger heftig als am Sonntag. Mit diesem zweiten Erdbeben sollte es aber nicht vorbet sein, 1} Uhr nach Mitternacht folgte ein drittes, dann 3# Uhr Morgens ein viertes und endlich gestern Abend 36 Uhr noch ein fünftes, von welchen das letzte das heftigste war. Bis jeßt hat man glücklicherweise nur eingestürzte Schornsteine, Mauerrisse und zerbrohenes Geschirr zu beklagen ; nur ein geringes mehr aber hätte es bedurst, {reibt man von Freiburg, um das Unglück unabschbar zu machen. Hoffentlih wird Freiburg von weiteren Heimsuchungen befreit bleiben. Auch in der Umgebung Berns hat man am Dienstag Abend einen Erdstoß verspürt.