es nah meiner Ueberzeugung England. Für die Konvention einen Fortschritt, für England aber ift sie ein weiterer Rükschritt von dem Wege des Freibandels. Wenn also der Cobden-Klub in England \sich gegen die Brüsseler Konvention sträubt, so weist das außerdem darauf Hin, welchen Vortheil England bisher von der Prämienpolitik Deutschlands gehabt hat. Graf Lim- burg-Stirum hat diese Stellungnahme des Cobden-Klubs für sh verwerthet, aber für einen Vertreter des handelspolitishen Idealis- mus wird doch Graf Limburg-Stirum nicht zu gelten beanspruchen. Die Frachtenfrage wurde in der Kommission mehrfach argeschnitten, aber in den fachverständigen Kreisen hieß es immer: „O rühret, rühret nicht daran!“ damit das Ausland nicht dahinter komme, was auf diesem Gebiete möglich ist, und wer im Glashause sißt, soll niht mit Steinen werfen. Als Engländer würde ih mich entschieden dieser Konvention widerfeßen. Unsere deutschen Vertreter sollen England gegen- über zu nachsihtig gewesen sein ; aber England batte eine starke Position und ist davon selbst abgegangen. Redner giebt eine ausführliche statistische Darlegung der Bedeutung der Zuckerindustrie und des Zukerkonsums für England und Deutschland und fährt dann fort: Die englische Regierung bat den westindishen Pflanzern, welce dort dieselbe Rolle spielen wie bei uns die Agrarier, jeden Fortschritt theuer bezahlen müssen: seit Hunderten von Jahren haben diese Herren immer ge- schrieen, fie stünden am Rande ihres Verderbens, und so schreien fie auch jeßt, wo es sich um den Kolonialzucker handelt. England bringt, indem es der Konvention beitritt, ein ungeheures Opfer. Würde gar keine Steuec erhoben, fo würde der Zucker seinen Beruf als Volks- nahrungêmittel erst ganz erfüllen fönnen; wir werden diesen Antrag wieder einbringen. Aber auch bei dem Heruntergehen mit der Steuer auf 12 #& wird der Preis des Pfundes Zucker von 32 auf 20 4 finken und der Zuerkonsum rasch und stark zunehmen. Wir können also für einen böberen Steuersaß nicht stimmen; es liegt au für die übrigen Parteien gar kein Grund vor, von den Kommissions- anträgen abzugehen, wie es der Abg. Müller-Fulda inzwischen beantragt hat, der bis 1. September 1906 14 Æ, von da ab 12 Æ Steuer erheben will. Die Engländer trinken niht nur Thee, sondern auch Bier, und mehr Bier als die Deutschen; troßdem hat sich der Zuckerkonsum dort fo kolossal entwickelt:; dieses Beispiel wird analog für die deutschen Verhältnisse sich als zutreffend erweisen, wenn mit der energischen Herabseßung der Zukersteuer bei uns vorgegangen wird. Es ist ja möglich, daß die neue Situation den Interessen der Nübenbauer zunächst Schwierigkeiten bereitet; aber in welhen wirthschaftlichen Zweigen wäre das bei neuen Erfindungen, bei wirthshaftlihen Neuordnungen niht der Fall? Die Pommersche Zuckerfabrik in Anklam hat im Durchschnitt in zehn Jahren 172 0/9 Dividende gezahlt. Für jeden Vorschlag, der auf dem Wege des sozialen Fortschritts liegt, haben Sie unsere Stimmen; aber wenn Vorschläge, welche die Konvention ungeshehen machen sollen, geshehen, werden wir es uns noch sehr überlegen, ob wir die Konvention überhaupt annehmen, und dann wird die Verantwortung bei Ihnen liegen.
Abg. Graf zu Limburg-Stirum (d. kons., {wer verständlich) erklärt si gegen die Konvention und führt aus, daß die Hauptbedenken gegen die Konvention in den Beziehungen lägen, wie sie dur die Kon- vention gegenüber Rußland und England geschaffen würden. Absicht der Konvention fei doch die Aufhebung der Prämien. Man sei aber in Bezug auf die englischen Kolonieen von der Negierung niht berubigt worden. Die Kolonieen mit Selbstverwaltung blieben ganz außerhalb der Konvention. Darin liege eine große Gefahr. Rußland trete der Konvention nit bei.- Seine Prämien beruhten auf einem legalen Kartellsvstem. Die russishe Regierung sage, es seien keine Prämien, die Konvention sage, es Jeten Pramien. Was werde nun geschehen, wenn Deutschland der Konvention beitrete? Könne Rußland ein Strafzoll auferlegt verden? (Er (Redner) sage nein. Rußland gebe die Konvention nicht an, weil es ihr nit beigetreten sei, es braude si also einen Ueberzoll nit gefallen zu lassen. Zu einem Vertrage gehörten zwei: man kônne den ru}fishen Handelêvertrag nicht einseitig interpretieren. Dann würde der deutshe Rübenbau Rußland gegenüber in sehr pre- fârer Lage sein. In Rußland würden {on jeßt die Rüben zu einem Preise produziert, mit dem unsere Rübenbauer niht fonfurrieren könnten. Fiele der Ueberzoll fort, so würde Deutschland mit russishem Zucker überschwemmt werden. Seine (Redners) Partei sei dafür, daß die Prämien aufgehoben werden, aber vollständig. Geschebe das nicht, so könne sie der Konvention nicht beistimmen.
Deutschland bedeutet
Staatssekretär des Innern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner: Meine Herren! er Herr Vorredner hat seine Rede mit den rten ge\chlossen: ih bitte, die Konvention abzulehnen. Ich richte ie namens der verbündeten Regierungen das dringende Ersuchen, anzunehmen.
. S 1 D S D e h er Herr Vorredner hat geglaubt,
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auéfübhren zu müssen
Wedtel uns îin dem
daß wir leßten Jahrzehnt stets
und daß wir mehr oder weniger au bei den
n îin Brüssel benachtbeiligt worden seien oder wenigstens [ ze (Sehr richtig!
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tig, meine Herren,
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um unsere bandelspolitishen
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fallen, wenn ein Staat durch eine allgemeine Unterstüßung die Landeskultur oder den Nothstand einer Provinz, einer Kolonie zu heben fuht. Dann müßte es \{ließlich dahin kommen, taß man auch einer Vertragsregierung verbieten könnte, in den Rohrzuckerländern Eisenbahnen oder Chausseen zu bauen, um durch folche allgemeine Kulturmaßregeln auch die NRohrzucker-Industrie mittelbar zu heben Eine solche Auffassung ist unmöglih. Es kann vielmehr die Brüsseler Konvention nür diejenigen indirekten oder direkten Prämien erfassen, die in engerem Sinn als Prämien für die Zuckerindustrie als solcke anzusehen find. Wollten wir allgemeine Unterstüßungen, die auf dem Gebicte der allgemeinen Landeskultur liegen, dahin rechnen, dann müßte der Ueberwahungsrath, der in Brüssel gebildet ist, geradezu die Verwaltung der sämmtlichen Zuckerländer in die Hand nehmen. Es scheint mir daher, daß die Einwände, die gegen die event. Be- günstigung der Rohrzuerländer erhoben sind, in dieser Form unter keinen Umständen aufrechterhalten werden können.
Ich wiederhole die Thatsache, daß seiner Zeit das hohe Haus darin einstimmig war, auch die Partei des Herrn Vorredners, daß der beste Zustand für die deutsche Zuckerindustrie die Ab- schaffung aller direkten und indirekten Prämien wäre (sehr richtig !), und Heute hören wir etwas ganz Anderes. (Sehr richtig! links. Zurufe rets.) Heute werden an die Abschaffung der direkten und in- direkten Prämien Bedingungen geknüpft, wird eine Kasuistik in die Sache hineingetragen (sehr richtig !), die es aus\{ließt, daß wir überhaupt jemals zu einer Konvention kommen fönnten. Wenn wir uns auf diesen Standpunkt stellen, da müssen wir uns damit vertraut machen, daß die Zuckerprämien ein bleibender Zustand sind. Wir werden aber nie zu einer Konvention kommen, die in \olher Weise ins Detail eingeht und noch alle die Kautelen enthält, die die Herren hier ver- langen. (Sehr richtig! links.)
Ueber die Angriffe, die gegen die Konvention im einzelnen gerichtet sind, wird \fich alsdann ein Vertreter des Auswärtigen Amts äußern und Ihnen nahweisen, daß alle jene Einwände un- begründet sind.
Da die Debatte über Konvention und Gesetz verbunden ist, will ih au sofort auf die Anträge eingehen, die in finanzieller Beziehung gestellt sind. Sie alle, meine Herren, wissen am besten, in welch außerordentlich \hwieriger finanzieller Lage \sih das Reich befindet. (Hört, hört!) Sie wissen au, daß die verbündeten Regierungen aus allgemeinen politishen und wirths{aftliben Gründen auf die Annabme der Brüsseler Zuckerkonvention den höchsten Werth legen müssen. Ist es nun rihtig, frage ih, daß Sie uns bei dieser Sachlage auf finanziellem Gebiete Bedingungen auferlegen, die nach der Auffassung einer Anzahl Bundesstaaten äußerst perniziôs für die weitere Entwickelung ihrer Finanzen sein müssen, ja nah der Auffassung mancher Bundeéstaaten völlig unannehmbar sind? Eins werden Sie zugestehen, die Zucker- steuer gehört niht zu den Steuern, die besonders drüdend gewirkt haben. Der Herr Schaßsekretär hat Ihnen in der Kommission aus- geführt, daß im nächsten Jahre die Finanzierung des Reichs-Etats noch unendlich \{chwieriger sein wird als in diesem Jahr. Von neuen Steuern haben wir meist das Unglück gehabt, gerade solche auszuwählen, die der Mehrheit des Reichstages n i ch t gefielen. (Heiter- keit. Sehr gut! links.) Jch sche also vorläufig keine neue Steuer, die geeignet wäre, den finanziellen Nöthen des Reichs abzuhelfen und gleichzeitig auf eine Genehmigung des hoben Hauses rechnen könnte. Sie haben die beweglihen Klagen der Einzelstaaten gebört und namentlich der kleineren Staaten, in welch unmöglihe Lage sie kommen bei den jeßigen Finanzverbältnissen des Reichs. Und in dem- selben Augenblick wollen Sie gegenüber den Vorschlägen der MNe- gierung die Zuckersteuer in einem Maße ermäßigen, das unzuwveifelbaft dahin führen muß, die Finanzverbältnisse des Reichs no \hwieriger, noch ungünstiger zu gestalten, wie sie {on im gegenwärtigen Augenblick sind. (Sehr richtig! links.) Meine Herren, ich kann Sie deshalb nur dringend bitten, alle diese Anträge abzulehnen oder, wenn Sie niht auf die Regierungsvorlage \ih zurückzieben wollen, mindestens den Antrag anzunehmen, der die Zuckersteuer für die Zukunft auf 14 M fesilegt. Sollten in Zukunft sich wieder günstiger gestalten, so ist di
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abgaben und Zöllen größere Lasten aufzulegen, so würden wir einen größeren Theil unserer Militärlasten bestreiten können aus laufenden Einnahmen und brauhten sie nicht in Form bor Schulden den künftigen Geschlechtern aufzulegen, an die reu unvorhergesehene Aufgaben herantreten werden. Ih glaube ih habe bereits in der Kommission ausgeführt: das werthvollste Red einer Volksvertretung ist niht das Necht der allgemeinen Gesetg sondern das werthvollste Recht einer Volksvertretung liegt in ibren etatsmäßigen Rechten: aus dem Rechte der Ausgabebewilligung und Einnahmebewilligung sind die Parlamente geschitlich erstanden, un ein Parlament hätte in solch s{chwierigen Zeiten wie jeßt vor allen Dingen die Verpflichtung, finanziellen Nüsichten die allergrößte Bp, achtung zu s{enken, hier die grundlegenden Interessen des Reichs bor, gehen zu lassen den Wünschen einzelner Interessentengruppen, denn nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch gesunde Finanzen sind die Grund, lage jedes Staatswesens. (Bravo! links.)
Direktor im Auswärtigen Amt Dr. von Koerner: Mei, Herren! Die Herren Abgg. Müller - Fulda und Graf zu Limbure, Stirum haben die Ausstellung gemacht, die Konvention enthalt; nur allgemeine Bestimmungen und lasse vermissen die spezielle Regs, lung einzelner wichtiger Fragen. Es lag in -der Natur der Sade,
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daß die Konvention sich darauf beschränken mußte, gewisse gros Grundsäße aufzustellen, und die Ausführung dieser Grundsätze te; ständigen Kommission überlassen mußte. Es war unmöglich, zuf der Brüsseler Konferenz von jedem Staat zu verlan en, daß er di Gesege und die sonstigen Bestimmungen, die er zur Ausführung tz Konvention erlassen würde, vorlegen sollte, daß \chon auf der §r. ferenz selbst Entscheidung getroffen werden sollte darüber, ob sie mi der Tendenz der Konvention übereinstimmen oder niht. J balte es geradezu für einen Fortschritt, daß man ein Ausführungsorgan für einen internationalen Vertrag gefunden hat, welches voraus, sihtlih gut funktionieren wird. Es war ganz natürlich, daß ma alle die Einzelfragen, die auch beute wieder berührt worden sind immer nur im Großen ordnen fonnte. Ich verweise vor alley darauf, daß wesentlich für die ganze Beurtheilung der Auslegung der Konvention die Bestimmung in Art. 1 ist, daß untz keinen Umständen von einem der Vertragsstaaten in Zukunft in irgend einer Form Prämien gewährt werden dürfen. Nun hgt namentlich Herr Graf zu Limburg-Stirum in verschiedener Richtun; Mängel an der Konvention hervorgehoben: namentlich bat wie das auch schon in der Kommission geshah, bezweifelt, ob Enz. land den Begriff des Entrepots ebenso auslegen würde wie wir, wir also siher wären, daß England in Zukunft keine Raffination: prâmie gewährt. Jch kann da nur wiederholen, was ih {on in der Kommission ausführte. Die Entstehung des Art. 2, welt diese Frage behandelt, war folgende. Zunächst hatte ein deutscher Delegirter darauf aufmerksam gemacht, daß unter den jeßigen Verbältnissen die englischen Naffinerien cine Prämie genießen, ur) es nothwendig sei, diese zu beseitigen. Die englishen Delegirten bestritten die Eristenz einer Prämie und suchten das näber auz, zuführen, erklärten aber, in feinem Falle habe die englis Regierung die Absicht, eine Prämie zu gewähren, und wenn ibr di: Eristenz einer Prämie nachgewiesen würde, sei sie bereit, dafür ju sorgen, daß diese ferner nicht gewährt werde. Darauf wurde ver deutscher Seite die Aufnahme eines Artikels in die Konvention bean: tragt, der dem jeßigen Art. 2 entspricht, und zwar nah dem Vorgang der Londoner Konvention von 1888. Darauf bemerkte der Vorsitentz wenn ein Antrag dieser Art angenommen würde, so könne kein Zweifel darüber sein, daß das Verfahren \ich so gestalten müßte, daß der in diz NRaffinerien eingehende Zucker in England unter Zollkontrole blieb: den Zoll nicht sofort entrichte, sondern daß erft die die Raffinerie ver lassende Waare nah der Beschaffenheit und Menge, wie sie di: Raffinerie verlasse, zur Verzollung gezogen werden müßte. In einer späteren Sigzung erklärten dann die englischen Delegirten, auf Grund neuer Instruktionen seien sie in der Lage, einem solchen Artikel zuu stimmen und so dem Wunsche des Vorsißenden zu entsprehen. Z# glaube, hiernah fann es nicht zweifelhaft sein, daß die engliid: Regierung nah den Erklärungen ihrer Vertreter das Entrepotivsten ebenso auffaßt wie wir, daß es nit ihre Absicht ist, Prämien gewähren. Damit stehen im Einklang Aeußerungen von englisde Delegirten, die sie außerhalb der offiziellen _Verhbandlung: gethan baben, die ih zum theil in der Kommission mitgetheilt babe, und die auch Aufnahme in den Bericht gefunde baben. Jch möchte dann ferner noch, wie ich auch {on der Kommission gethan babe, auf die Aeußerungen der Herren Sa#- verständigen Bezug nebmen, die jeßt kürzlich vor Pfingsten noch de: nommen find, und zwar auf die Aeußerung des Herrn Kommerz enc. Ich darf diesen Passus verlesen. Er sagt: „Ich babe Gelegenheit genommen, mich mit einigen Herren unterbalten, und die waren der Ansicht, daî wobl in Zukunft, Deutschland es wünscht affinieren werde. * Dieser Fall ist ja eingetreten zt, der Rohzudcker, welcher von bier nah England imvort
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dann zablt er, wenn er Zoll für weiße Waare und den nn b englischen Natffiner
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indishen Kolonien gewähren soll, so fann ich nur wiederholen, was ih son in de- ersten Lesung gesagt habe. Die westindishen Kolonien befinden jih in einem thatsählihen Notbstande, und die englische Regierung kann niht darauf verzihten, diesem Nothstand in irgend einem Theile ibrer Kolonien zu steuern und dies auch im Wege einer baaren Unterstüßung zu thun. Ein konventions8widriges Ver- fahren fann darin nicht Liegen, weil die Unterstüßung gewährt wird, che die Konvention in Kraft getreten ist. Wenn wir verlangen wollten, daß England jeßt auf eine derartige Unterstüßung verzichtet, so würde England uns gegenüber verlangen fönnen, daß wir jet auf unsere Prämien verzichten. Erst wenn die Konvention in Kraft ges treten sein wird, wird zu prüfen sein, ob solhe Unterstüzungen einen Prämiencharafter haben oder nicht, und das festzustellen, wird Sache der ständigen Kommission sein. Ebenso verbält es ih mit der Détaxe, die Frankreih eiwa gewähren follte. Nun möchte ih auf die Frage bezüglich Nußlands zurücfommen, die von verschiedenen Seiten angeregt worden ist. Da liegt die Sache folgendermaßen. Auf der Londoner Konferenz vom Iahre 1888 war cin Antrag eingebraht worden von franzôsisher Seite auf Aufnahme eines Artikels, nah dem die Erhebung von Ausgleich8zöllen geaen Prämien nicht im Widerspruch stände mit der Meistbegünstigung. Von deutsher Seite wurde darauf ertlârt: der Aufnahme eines fsolhen Artikels bedarf es nit, denn es ist von vornkberein unzweifelhaft, daß die Erhebung von Ausgleichszöllen gegen Prämien mit der Meistbegünstigung nicht im Widerspru steht. Dieser französishe Antrag ist dann gefallen, und gleihwobl hat der russishe Vertreter diese Konvention unterzeichnet. Es fommt jeßt noch dazu, daß wir ja doch nit allein in diesem Verhältniß zu Rußland stehen, sondern England und Frankreich haben auch die Meistbegünstigung mit Nußland. Jedenfalls ist nicht anzu- nebmen, daß wir das Land sind, wo der russishe Zucker zuerst und hauptsählih bineinkommen wird. Ich glaube also, au diese Meist- bege gung mit Nußland braucht uns keine Ursache zur Beunruhigung zu geben.
Aba. Dr. Roesidcke - Kaiserslautern (b. f. F.): Wir steben auf dem Standpunkt der Abschaffung der Prämien, aber selbstverständlich nur unter der Vorausseßung, daß alle Länder ihre Prämien aufgeben. Wie aus einer ruinierten Produktion ncch Einnabmen für das Reich berausgezogen werden fêönnen, haben uns die Vertreter der Negierung nit verrathen. Wegen der eventuellen Begünstigung der eng- lischen Kolonien hat thatfählich eine eingehende Erörterung in der Kommission nicht stattgefunden. Die Regierung in Jamaika bat unter Zustimmung des Kolonial-Ministers eine sehr starke Vergünstigung für den Zucker eintreten lassen, ohne daß dieser Umstand in der Kommission au nur zur Besprehung gelangt wäre. Wenn auch niht England direkt, so können die Kronkolonien selbst bei sih die Unterstüßung gewähren. An dem Branntweinsteuergesetz laborieren wir seit Monaten, die Konvention, obwohl von eminenter Wichtigkeit, war in wenigen Tagen erledigt. Unser Hauptbedenken liegt in der Befürhtung der Bevorzugung der englischen Kolonien. Man verweist uns darauf, daß sie jederzeit dem Vertrage beitreten fönnen: warum warten wir denn niht, bis das geshehen ist- Dann sind ja alle Bedenken erledigt. Jeder Vertrag unterliegt der Interpretation, aber es ist Thatsache, daß Deutschland bei diesen Interpretationen in den letzten Jahrzehnten meistentheils den Kürzeren gezogen hat. Wir werden bei einem Ueberzoll von nur 480 Æ eine Einfuhr von NRobrzucker zu erwarten baben, die für unsere Industrie verderbliÞch werden muß. Ledigli, um das Kartell in einem landwirtbschaftliden Neben- betriebe unmöglih zu machen, während Sie das Kartellwesen überall sonst bestehen lassen wollen, soll eine solche Konvention an- gezommen werden?“ Auch wir seben das Zudckerkartell nit als etwas BVollkommecnes, Einwandfreies an, aber diese Zumuthung gebt denn doch über das Maß des Zulässigen binaus. Die Engländer haben bei der Konvention sih wieder als sehr kluge Leute erwiesen: obwobl England das größere Interesse batte, uns entgegenzukommen, bat es günstigere Bedingungen erlangt als wir. Wir baben uns differenzieren lassen in den englischen Kolonien, und jeßt sollen wir dieser Kon- vention zustimmen, deren Vortheile für England auf der Hand liegen! Kein Deutscher will den Zollkrieg um des Krieges willen: aber den Zollfrieden auf dem Wege zu erreihen, daß wir uns alles gefallen lassen, dazu fönnen wir die Hand nicht bieten. Die Landwirtk schaft verlangt von der Regierung eine andere Frontstellung. Enaland bat uns gedrobt mit s{werwiegenden Makßregelungen, wenn wir der Konvention nicht beiträten. Warum hat es das getbhan2 Weil es feine Kolonien begünstigen will, und das ist leiter, wenn unser Zuckerkartell zerstört ist, und wenn nur der niedrige Ueberzoll besteht. Redner erinnert an den Ausspruch des öôsterreibüscben Ministers des Aeußern, Grafen Goluchowski, daß die Parlamente jett die Entscheidung in der Hand bâtten; dem gegenüber beifit es bei uns Ihr müßt an-
Die Verwerfung der Konvention ist für den Rübenbau und uderindustrie besser als die Annabme ) Dr. Paasche (nl.): Für meine pvolitiscben h nebmen, daß auch sie die Interessen è wabren. Troßdem erkläre ih für einen ar daß wir für die Konvention sind und tit gemacht wird, um bessere de im gegenwärtigen Moment iten niht angenehm, weil die Zuc t! und die Ueberproduktion au
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des Möglichen gekommen. Auch ist die Bewäfserung der Plantagen so fostspielig, daß der Zentner Zucker . fich auî 7,50 M stellt. Einzelne Plantagen produzieren allerdings billiger. Unter dem Schutze dieser Konvention wird unsere Industrie, wie ih glaube, auskommén können. j; Ms
Abg. Gamp (Rp.): Ih wundre mich über die Naivetät des Abg. Bernstein, daß er den Engländern, diesen gewiegten Geschäfts- leuten, glaubt, fie würden ihm die Wahrheit fagen hinsichtlich der Erfolge, die die Konvention ihnen bringen kann. Man ver- langt eine Reichseinkommensteuer, übersieht aber die Doppel- besteuerung Derer, die ihr Einkommen aus Aktien bezieher. Was die Konvention selbst betrifft, so erkläre ib, daß die große Mehrzabl meiner Freunde dafür stimmen wird. Dazu find wir nach sehr ernsten und s{wierigen Erwägungen gekommen. Wir unter- schäßen die Bedenken gegen diese Konvention nit, namentli auch nicht die Bedenken, welche wir in Bezug auf Nußland baben. Daran ändern au die Ausführungen des Direktors Koerner nihts. (Wider- spruch des Direktors Koerner.) Nun, dann baben wir ihn eben alle niht verstanden. Nur durch die Konvention können wir auch das Süßstoffgeseß in der Form bekommen, wie es jeßt zu stande ge- kommen ist. Daë Kartell bat den Konfumenten geshatet und den Produzenten nicht genüßt. Die Regierung möchte ih bitten, dem Erport der Waaren, welche mit Zucker hergestellt werden, möglichst entgegenzukommen. Auch mit der Kontingentierung sind wir einver- standen, wenn es auch ein großes Opfer für den Osten ist. J möchte den Reichskanzler bitten, dies Zugeständniß in das Debet der Landwirthschaft zu shreiben und ihr ein entsprehendes Aequivalent zu gewähren. 4
Abg. Graf von Bernstorff-Uelzen (b. k. F.): Wenn die
Negierung sih für berechtigt hält, die Konvention au gegenüber den Nicbt-Vertragsstaaten durchzuführen, so fällt damit jedes Bedenken fort. Die Regierung hat auf der Brüsseler Konferenz, wenn ih den Negierungs-Kommissar richtig verstanden babe, diesen Standpunkt ver- treten. Die Aufregung der Zuckerindustrie kann nur dur die Kon- vention beseitigt werden. Wird diese nicht angenommen, so wird der jeßige Zustand chronisch und die Industrie ruiniert. Ich bin deshalb für die Annahme der Konvention. Die Gefahren der Robrzuter- einfuhr können in den nädsten 5 Jahren niht groß werden. Da die Kontingentierung sib nur auf 5 Jahre erstreckt, so ist diese Gefahr um so geringer. Die Verfütterung des denaturierten Zuckers muß auf jede Weise erleichtert werden. Abg. Dr. Hahn (b. k. F.): Jh werde gegen die Konvention stimmen. (Abg. Singer (Soz.) hält ein Telegramm hoh.) Die Zeitungen haben erst beute früh den Lesern alle Beschlüsse mittbeilen können, es ist also fein Wunder, wenn diese Beschlüsse ein solches Echo draußen im Lande finden. Eine Konkurrenz des Nohbrzuckers baben wir {on in Deutschland erlebt. Die Konkurrenz tes kolonialen Robrzuckers bei uns und auf dem Weltmarkt ist garnicht so un- gefährlih, wie Herr Paasche sagte. Cuba bebaut allein 22 000 Acres mit Zucker. Ich erinnere ferner an die Bemühungen der englischen Regierung, ihre Kolonien durch Prämien zu begünstigen. Wir baben alle Veranlassung, vor England auf der Hut zu sein. Jetzt die Exportprämien aufzuheben, ist der denkbar günstigste Moment. Ih will mich nicht zum Anwalt des Kartells machen : ih bin aber fest überzeugt, daß, sobald es gefallen sein wird, die Nübenbauer und Rübenzudckerfabrikanten nad dem Kartell rufen werden. Das möchte ih zur rechten Zeit feststellen. Die Furt vor englishen Strafzöllen hat uns zum Beitritt zur Konvention gebracht, aber um einen zu boben Preis. Es ist ausges{lossen, daß der Inlandskonsum nach Verminderung der Steuer auf 14 M ih fo heben wird, um den Ausfall des Erports wieder wett zu macen. Wir trinken im allgemeinen keinen Grogf, essen keine Marmelade u. \. w. Wir werden von der Konvention mehr Nachtbeile als Vortbeile baben. Ich möchte Sie bitten, die 14 A nit anzunehmen, sondern auf 10 Á berabzugehen. Den Ausfall können wir mit Hilfe des Zolltarifs decken. Das Reich kann daun auf die Verbrauchsabgabe verzichten. Diejenigen, welche der Caprivi’schen ZolUpolitik zugestimmt baben, sind schuldig an der jeßigen Krisis.
Abg. Dr. Bart h - Kiel (fr. Vaga.): An dem Telegramm ift der Bund der Landwirthe doch nit so unshuldig. Am 7. Juni bat die „Korrespondenz“ des Bundes die Mitglieder aufgefordert, sofort, event. telegraphisch, ihre Abgeordneten zu bitten, gegen die Konvention zu stimmen. Auch ih babe ein Telegramm erbalten, aber nit direkt. Das Telegramm war an den Deutschen Landwirtbsaftébund Dessauerstraße 7, gerichtet, und der Bund bat die Güte gehabt, es mir unter Kuvert zuzushicken. Die Brüsseler Konvention zu ver tbeidigen, ist nicht Aufgabe der Freisinnigen. sondern der v bündeten Regierungen. Diese können \ich die Niederlage von ilk Freunden nicht gefallen lassen, wenn sie ibre Autorität wiederbringlih verlieren wollen. Sie hätten die Konventi rascher durseßzen können, wenn sie von vornberein mit groß dafür eingetreten wären. Nur ihre Schlaffbeit bat u dem gefübrt, allerlei kleine 2 i ür die Zuckerindust wuschlagen. Hat doch Samp ein int bezeichnend, wie J i öffentlichen Moral be
: Dier bandelt es si
sih auf die Erklärung eines russischen Regierungévertreters berufen konnte, die er vor 20 Jahren abgegeben haben soll, daß der Vertrag niht im Widerspruch damit stehe. Wäre das der Fall, tann bätte Oerr von Marschall sib i. J. 1897 in vollem Widerspru mit dieser Erklärung befunden. Bis zum Ablauf des russischen Handelévertrags sind wir nit in der Lage, einen Zuschlagszoll auf den russis{hen Zucker zu legen. Jch bitte nochmals um Zurückverweisung der Vor- lage an die Kommission.
Direktor im Auswärtigen Amt Dr. von Koerner: Der Herr Vorredner hat mich mißverftanden. Ih habe mich nit bezogen auf die Aeußerung eines einzelnen russischen Kommissars, fondern meine Darstellung ist folgente gewesen: Bei den Londorer Verhandlungen von 1888 ist ein Antrag auf Annahme einer besonderen Be- stimmung, daß Ausgleichezölle mit der Meistbegünstigung vereinbar seien, abgelehnt worden, nachdem deutscherseits erklärt worden war, daß ein folher Antrag überflüssig und es selbstverständ- lich sei, daß Ausgleihézölle mit der Meistbegünstigung nicht im Widerspruch stehen. Nah diesem Vorgange hat Rukß- land der Londoner Konvention von 1888 zugestimmt. Dar- aus ift doch meines Erachtens zu entnehmen, daß Nußland diese Auffaffung theilt. Im übrigen möchte ih noch Folgendes bemerken. Unter den gegenwärtigen Verbältniffen; untet der Wirkung des Kartells ist die Surtare bei uns jeßt auch nicht höher, als sie künftig sein wird. Jch glaube, sie beträgt nicht einmal 4 .# Trotz dem kommt kein russisher Zucker zu uns herein. Es ist also nit anzunehmen, daß bei einer Surtare von 4,40 oder 4,80 A. russischer Zucker zu uns hereinkommen jollte, selbst wenn man von der Auf- eouas von Ausgleiszöllen gegen die russishen Prämien absehen 1oUte.
A Glas zu Limburg-Stirum: Meine Ausführungen konnten die Regierung garnicht diékreditieren, sondern sie batten den Zweck, ihre Stellung zu stärken. Was die englishen Kolonien be- trifft, so ist die Sade unaufgeklärt geblieben. Daß die deutschen Delegirten den Aus\{luß der englishen Kolonien von der Konvention niht in den Vertrag haben hineinscreiben wollen, glaube ich gern: aber es steht nun einmal darin. Das beweist der französische Tert.
Abg. Freiherr von Malßtzan (d. kons.) spriht fich im Sinne des Abg. Gamp für die Konvention aus. Herr von Liebermann babe selber die Deutschfeindlichkeit der Engländer dur seine Neden im Reichstage verschuldet.
Direktor im Auêwärtigen Amt Dr. von Koerner: Die Be- deutung des Artikels 11 der Konvention ist doch eine andere, als der Herr Abg. Graf zu Limburg-Stirum annimmt. Der Artikel foll darüber Bestimmungen treffen, in wie weit die Kolonien und über- seeishen Besitzungen der vertrags{ließenden Staaten unter die Kon- vention fallen, an der Konvention theilnehmen. Der allgemeine Grundsay ist der, daß die Kolonien ebenso behandelt werden, ebenso Theile der Konventionsstaaten find, wie die Konventions- staaten selbst. Besondere Bestimmungen find nur getroffen für die niederländischen und die englishen Kolonien. Das soll der Sinn des Artikels 11 sein, nit aber soll er darüber eine Bestimmung treffen, daß die Verpflihtung der einzelnen Vertragsstaaten gegenüber den selbständigen englishen Kolonien andere sein sollen als gegenüber anderen Nicbtvertragsstaaten ; und daß in dieser Beziehung eine Aus nahme für England gemacht werde, das wird \i{ch aus der ganzen Konvention nicht ableiten lassen.
Nach einer weiteren Bemerkung des Abg. Grafen von Bernstorff-Uelzen schließt die Diskussion.
_ Vor der Abstimmung zieht der Abg. Graf von Kanig jeinen Antrag auf Zurückverweisung an die Kommission zurü.
Der Artikel 1 der Konvention wird gegen die Stimmen der großen Mehrheit der Deutschkonservativen, der Reichspartei und einer Minderheit des Zentrums und der Nationalliberalen angenommen; ebenso der Rest der Konvention und das Schhluß- protofoll.
Um 61/, Uhr wird die Berathung der Novelle zum Zucker steuerge)ey auf Dienstag 11 Uhr vertagt
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 85, Sißung vom 9. Juni 1902, 12 Uhr Ueber den ersten Theil der Verhandlungen is gestrigen Nummer d t worden Bei der Berathung des Eta M s é % ZUnIITag
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