1880 / 265 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Nov 1880 18:00:01 GMT) scan diff

manteur des 12. Inf. Regts., Hönig, Major und Bats. Comman- deur des 14. Inf. Regts, v. Reiß, Günther, Albert, Hauptl. z. D.,, Frhr. v. Schrottenberg, Rittm. z. D., der Ab- {ied mit Pens. und mit der Erlaubniß zum Tragen der Unif. be-

willigt. Herrmann, Oberst-Lt. a. D., der Charakter als Oberst, | Dörmühl, Abel, Schmitt, Frhr. Ebener v. Eschenbach, |

Endres, Merkel, Hauptl. a. D, Policzka, Rittm. a. D., der Charakter als Major, verlichen. Henle, Major a. D., zum Oberst-Lt., Frhr. v. Leoprechting, Haupim. a. D., zum Major, befördert.

y Herzoglih Braunschweigisches Kontingent.

4. November. Frhr. v. Girsewald, Pr. Lt. im Hus. Regt. Nr. 17, unter Verleih. des Charakters als Rittm., behufs anderweitiger Anstellung im Hofstaatsdienste, aus dem Milit. Dienst ausgeschieden.

Nichtamtlicßes. Deutsches Nei.

Preußen. Berlin, 10. November. Se. Majestät der Kaiser und König nahmen gestern Nachmittag 2 Uhr das Déjeuner bei Jhrer Königlichen Hoheit der Herzogin Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin in Schloß Marly ein, kehrten gegen 4 Uhr mittelst Extrazuges von Potsdam hierher zurück und empfingen demnächst den Gesandten von Radowiß.

Heute Vormittag hörten Se. Majestät den Vortrag des Chefs des Civilkabinets, Wirklichen Geheimen Raths von Wilmowski, und empfingen zur Abstattung persönliher Meldungen den hier eingetroffenen General der FJnfanterie z. D. Grafen Kirchbach, Allerhöchstihren Flügel-Adjutanten Oberst-Lieutenant Grafen Arnim, welcher zum Commandeur des Garde-Kürassier- Regiments ernannt ist, sowie den zu Allerhöhstihrem Flügel- Adjutanten ernannten Major von Broesigke.

Der S chlußbericht über die gestrige Sißung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.

Jn der heutigen (6.)Sißung des Hauses der Ab- geordneten, welcher die Staats-Minister Graf zu Eulen- burg und Maybach mit mehreren Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident zunächst mit, daß von dem Minister der öffentlihen Arbeiten und von dem Finanz-Minister ein Bericht über die Verwendung des Erlöses für eine verkaufte Berliner Stadtbahn-Parzelle eingegangen sei.

Ohne Debatte genehmigte das Haus in zweiter Lesung den Geseßentwurf, betreffend Abänderungen des Ge- ees UVeCL, Die OvPweitepUng., der Slaarset)en- bahnen und die Betheiligung des Staates bei mehreren Privateisenbahn-Unternehmungen, vom 9, März 1880; der- selbe hat folgenden Wortlaut :

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c.

verordnen, unter Zustimmuvg beider Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt:

Die Staatsregierung wird ermächtigt:

2) von der im §. 1 unter Litt. A. des Geseßes vom 9. März 1880, betreffend die Erweiterung der Staatseisenbahnen und die Betheiligung des Staates bei mehreren Privateisenbahnuntecneh- mungen (Gese - Samml. S. 169), den Interessenten auferlegten unentgeltlihen Hergabe des zum Bau einer Eisenbahn von Ma- rienburg über Marienwerder und Graudenz nah Thorn nebft Ab- ¿weigung nah Culm erforderlichen Terrains abzusehen,

b. zum Bau der ebengenannten Eisenbahn außer der im §8. 1 unter Nr. 3 des vorgedachten Gesetzes vom 9, März 1880 (Gesetz- Samml. S. 169) für denselben bewilligten Summe von 9 250 000 noch die Summe von E e zu verwenden.

Der im §8. 3 des Gesetzes vom 9. März 1880 (Geseß-Samml. S. 169) bewilligte Kredit von 51708 350 A wird in Gemäßheit des 8. 1 des gegenwärtigen Gefeßes auf die Summe: von 52 838 350 M. erhöht. Im Uebrigen bleiben die Bestimmungen des Gesetzes vom 9, März 1880 (Geseßz-Samml, S. 169) unver- ändert in Kraft.

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Dieses Gesetz triit mit dem Tage seiner Verkündigung in Kraft.

Ferner genehmigte das Haus ohne Debatte folgenden Antrag des Abg. von Turno: i

Das Haus der Abgeordneten wolle besbließen: Die Königliche Staatsregierung aufzufordern, das Sirafverfahren gege: den Abg. von Eyskowski wêgen Preßvergehen, in welhem gegen die freisprehende Entscheidung der Strafkammer des Königlichen Landgerichts zu Thorn von der Königlichen Staattauwaltschaft die Revision eingeleitet worden ist, auf die Dauer der gegenwär- tigen Sißtzungéperiode aufzuheben, : :

Den nächsten Gegenstand der Tagesordnung bildete die erste Berathnng der Kreis- und Provinzialordnung für die Provinz Schleswig-Holstein. (Schluß des Blattes.)

Veranlaßt Jemand einen Hypothekengläubiger, bei der Subhastation des von ihm beliehenen Grundstückes von der Mitbietung Abstand zu nehmen, indem er ihm die vollständige Bezahlung des Ausfalls seiner Hypothek bei der Subhastation zusichert, js hat er nach einem Erkenntniß des Reichsgerichts, I. Hülfssenats, vom 24. September d. F., für diesen Ausfall aufzukommen, auch wenn er mit der gedachten Zusicherung es nicht ernstlih gemeint, sondern die- selbe nur als Vorwand benußt hatte, um den Gläubiger von der Mitbietung abzuhalten.

—+ Als Aerzte Q sih niedergelassen: die Herren DDr. Gerlach, Pape, Vocke und Reely in Berlin, Schramm in Ober-Glogau.

Hessen. Darmstadt, 6. November. Gestern wurden in der Zweiten Kammer zwei Fnterpellationen ein- gebraht. Die erste derselben rihtet an das Großherzogliche Ministerium des Fnnern und der Justiz die Anfrage, ob das- selbe niht die Absicht habe, dem überhaupt, besonders aber in der Nähe der Landesgrenze zunehmenden Bettler- und Landstreiherwesen (Vagantenthum) in besonderer Weise entgegenzutreten, auch, mit dem Hinweis an alle zuständigen Behörden, in solchen Fällen unter Anwendung des §. 362 des Reichsstrafgeseßbuhs Arbeitszwang eintreten zu lassen? Die zweite weist auf die sich mehrende Erscheinung hin, daß Kinder nicht blos wegen leichter polizeiliher Uebertretungen, sondern sogar wegen \chwerer Vergehen straffällig werden und fragt: ob die Großherzogliche Regierung, wie sie für den besonderen geseßlihen Schuß der in fremde Ver- pflegung gegebenen kleinen Kinder fast zuerst in Deutschland Sorge trug, nicht auch für die Errichtung von Erziehungs- und Besserungsanstalten für verwahrloste Kinder Schritte zu

| die Theilnahme des

thun beabsichtige, etwa durch Vorlage von Vorschlägen für Errichtung einer solchen Anstalt bei diesem oder dem nächsten Landtage 7

Waldeck. Arolsen, 4. November. Jn der heutigen Sitzung des Landtags theilte der Vorsißende zunächst mit, daß das Präsidium dem in voriger Sißzung erhaltenen Auf- trage gemäß Sr.“ Dur(lauht dem Fürsten zur Verlobung Jhrer Durchlaucht der Prinzessin Pauline mit dem Erbprinzen Alexis zu Bentheim-Bentheim-Sieinfurt die Glückwünsche des Landes überbraht und daß Se. Durchlaucht das Präsidium beauftragt habe, dem Landtage seinen Dank für Landes an diesem erfreulichen Familienereignisse auszudrücken. Dann wurde 1) die Gesetzesvorlage, betreffend Abänderung des Dachein- deckungsgeseßes vom 13. R 1875 angenommen. 2) Desgleichen das Gesetz, betreffend das Grundbuchwesen, je- doh mit einigen Aenderungen, und 3) das Geseh über die Einführung des preußischen Geseßes vom 12. März 1869, betreffend die Ausstellung gerichtlicher Erbbescheinigungen. 4) Desgleichen ein Antrag, die Dienstbotenordnung von 1850 dahin abzuändern, daß für das Fürsten- thum Pyrmont die Antritts- und Abzugstage der Dienst- boten auf den 1. April und 1. Oktober festgeseßt werden. 5) Eine Petition der Stadt Pyrmont, um Revision des Ge- seßes von 1863 wegen Vornahme von Erdarbeiten in der Nähe der Pyrmonter Stahlquellen, glaubt die Regierung nah den stattgehabten Erörterungen ablehnen zu müssen, da nah den eingeholten Gutachten eine Abänderung des Geseßes im Sinne der Petition ohne ernste Bedenken hinsichtlich der Erhaltung der fraglihen Quellen nicht ausführbar s)sei. 6) Der Etat der Jmmobiliar - Feuerversichherungs- Anstalt der Fürstenthümer pro 1881, 82 und 83 fand unver- änderte Annahme. 7) Desgl. ein Geseßentwurf, nah welchem die Wanderlager pro Woche 30 4 und die Wanderauktionen pro Tag 30 6 Steuer an die betreffende Gemeindekasse zu zahlen haben. 8) Von der Nachweisung Fürstlicher Domänenkammer über die pro 1879 zur Hebung des Bades Pyrmont verwendeten 12000 F wurde unter Vorbehalt der Rechte des Landtags Kenntniß genom- men. 9) Desgl. von der Uebersicht über das Domanial- Stammvermögen pro 1879. 10) Die Geseßesvorlage, betreffend den Waffengebrauh der Forst- und Jagdbeamten fand die Zustimmung des Landtags. Nach diesem Geseß erhalten die eForst- und Fagdbeamten die Befugniß, in ihrem Dienste zum Schuße der Forsten und Jagden gegen Holz- und Wilddiebe, gegen Forst- und Jagdkontravenienten von ihren Waffen Gebrauch zu machen: 1) wenn ein Angriff auf ihre Person erfolgt, oder wenn sie mit einem jolhen Angriffe bedroht werden; 2) wenn Diejenigen, welche bei einem Holz- oder Wilddiebstahl, bei einer Forst- oder Jagdkontravention auf der That betroffen oder als der Verübung oder der Ab- sicht zur Verübung eines solchen Vergehens verdächtig in dem Forste oder dem Jagdreviere gesunden werden, sich der An- haltung, Pfändung oder Abführung zu der Forst- oder Polizei- behörde oder der Ergreifung bei versuchter Flucht thätlih oder durch gefährliche Drohungen widerseßen. 11) Wurde beschlossen : den Landesdirektor zu ersuchen, eine Geseßesvorlage zu machen dahin, daß das Veräußerungsverbot rücsichtlih der fixirten Brennholzberehtigungen aufgehoben und Art. 10 der Forslordnung von 1853 dementsprehend abgeändert werde. 12} Die StaatskassenreGnung vom Jahr 1878. wurde geprüft und Nachverwilligung dex Etatsüberschreitungen beschlossen.

Elsaf - Lothringen. Straßburg, 8. November. (Els.-Lothr. Ztg.) Gestern starb in Colmar, in Folge eines Schlaganfalls, der Präsident des Kaiserlichen Landgerichts zu Straßburg, Gustav Neuerburg, welher dem Justiz: dienste in Elsaß-Lothringen seit nunmehr 9 Jahren angehört und an der Reorganisation des Gerichtswesens unseres Lan- des cinen bleibenden und verdienstvollen Antheil hat.

Die Kreistage in Elsaß-Lothringen sind heute zu einer zweiten Sißungsperiode zusammen getreten.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 9. November. (W. T. B.) Die „Polit. Corresp.“ meldet die Ernennung Vannutelli's zum päpstlihen Nuntius in Wien.

Pest, 9. November. Die österreihishe Delega- tion erledigte das Ordinarium des Budgets für die Kriegsmarine und die Extraordinarien der Budgets für die Kiuiegsmarine und das Heer. Zur Beschaffung von Küstengeshüßzen für Pola wurden anstatt der von dem Aus- {usse beantragten 320 000 Fl. auf den Antrag des Dele- girten Engerths 640 000 Fl. bewilligt, nahdem der Minister des Auswärtigen, Baron Haymerle, erklärt hatte, daß die Ne- gierung bei der Feststellung ihrer Forderung die finanzielle Lage ebenso rigoros im Auge gehabt habe, wie nur irgend ein Volksvertreter dies thun könne. Die Post für den Aus- bau der Lagerfestung Krakau, welche von dem Ausschusse ge- strichen worden war, wurde auf den Antrag Engerths mit 700 000 Fl. wieder eingestellt.

Niederlande. Haag, 9. November. (W. T. B.) Die Zweite Kammer hat das neue Strafgeseßbuch mit 58 gegen 10 Stimmen angenommen.

Belgien. Brüssel, 9. November. (W. T. B.) Die Thronrede, mit welher der König heute die Kammer eröffnete, gedenkt der glänzenden Feste, mit denen die 50jährige Jubelfeier des Königreihs begangen worden, und sagt dem Lande Dank für alle bei diesem Anlaß erfolg- ten patriotishen Kundgebungen. Die Verbindung der Prinzessin Stephanie mit dem Kronprinzen Rudolf von Oesterreih erfülle die von allen Seiten gehegten Wünsche. Die belgishe Regierung empfange fortgeseßt von allen Mächten Beweise der Freundshast und der Sympathie. Ursachen, die den Kammern bekannt seien, hätten zu einem Bruch mit dem Vatikan geführt. Mehrere Staaten im Osten Europas hätten eine Neugestaliung erfahren, und die belgishe Regierung habe diplomatische Beziehungen mit den- selben angeknüpft. Der Ertrag der diesjährigen Ernte habe denjenigen der vorhergehenden Fahre überschritten, die Lage des Staatsschaßzes habe Kd gebessert, und es sei die Hoffnung be- re{htigt, daß das Budget von 1880 equilibrire. Die Verwendung der vermehrten Einnahmen werde gestatten, dem öffentlichen Unterricht lebhafte Förderung angedeihen zu E Es sei wün- \{henswerth, daß man sih unausgeseßt bemühe, die moralische und intellektuelle Lage der Bevölkerung zu heben. Die Re- gierung werde keine Maßregel vernachlässigen, die dazu die- nen könne, dieses Resultat zu erreichen, und werde dazu mit-

wirken, indem sie fortfahre, im Einklang mit den bestehenden konstitutionellen Prinzipien, den öffentlihen Unterricht in allen Graden zu stärken und weiter zu entwickeln. Die Thron- rede erwähnt ferner die beabsihtigte Errihtung mehrerer neuer Konsulatsposten und kündigt die Vorlegung eines Gesehentwurfs über die Flußfischerei und eine Geseßvorlage über landwirthschaftliche Verhältnisse an.

Großbritannien und Jrland. London, 10. No- vember, früh. (W. T. B.) Bei dem gestrigen Lordmayors- banket beantwortete der erste Lord der Admiralität, Lord Northbrook, den Toast auf die Flotte und hob dabei her- vor: Der Befehlshaber des österreichishen Geschwaders habe dem Botschafter Elliot seine große Befriedigung über die Ein- tracht und den guten Geist unter den Offizieren der alliirten Flotte während ihres Aufenthalts in den öôsterreichishen Ge- wässern ausgesprochen. Der französische Botschafter, Challe- mel-Lacour, beantwortete den Toast auf die auswärtigen Botschaster und bemerkte dabei: Alle Staaten hätten shwierige innere Fragen zu lösen, aber alle civilisirten Völker hätten eine gemeinsame Aufgabe, nämlich diejenige, welche den Frieden in Europa im Allgemeinen betreffe. Der Premier Gladstone beantwortete den Toast auf die Minister und bezeichnete die irischen Angelegenheiten als die hauptsählihste Sorge seit dem Schlusse der Session. Es sei ein segensreiher Um- stand, daß eine reichliche Ernte stattgefunden habe; troßdem sei leider Unordnung cntstanden. So sehr auch cine Reform und Verbesserung des Geseßes nothwendig sein möge, so hätte eine Pflicht noch höher stehen müssen, nämlich die Aufrecht- erhaltung der Ordnung. Er werde, falls es nöthig sein sollte was er jedoch nicht hoffe nicht zögern, um die Ver- leihung größerer Gewalten nachzusuhen. Ferner äußerte der Premier: Fn Afghanistan haben wir die Aufgabe, die Unabhängigkeit des Volkes zu sihern und freundliche Bezie- hungen wieder herzustellen. Dieser Wunsch ist noch nicht voll- ständig erfüllt, aber wenigstens in einem Theile des Landes sind die Zustände ermuthigende ; es muß uns ein allmäliger regelmäßiger Fortschritt genügen; unsere dort verwendeten Streitkräfte sind bereits um 30 000 Mann vermindert worden. Was die Orient frage anbetrifft, so konnten wir die Erklä- rungen und das Werk unserer Vorgänger adoptiren. Lord Bea- consfield crklärte mit Recht vor zwei Fahren, daß der Berli- ner Vertrag, wenn er ausgeführt sei, Europa große Segnun- gen verheiße, und daß England wenigstens vor keiner Ver- pflihtung in Bezug auf dessen Ausführung zurück- \hrecken werde. Lord Beaconsfield hatte die zuver- sihtlihe Hoffnung, daß die Bestimmungen der Ver- träge binnen kurzer Frist ausgeführt sein würden. Wir aber fanden viele wichtige Bestimmungen unerfüllt und erklärten unser Bestreben, die Ausführung zu sihern. Wir glauben, daß zwei Dinge für den Bestand der Türkei nothwendig sind,, nämlich erstens die Erfüllung der internationalen Pflichtenr zweitens aber ist erforderlih, daß der Zustand der Völker unter türkischer Herrschaft durch gleiche Geseße ein erträglicher werde. Wir wünschen nur die möglichst kleinste Veränderung, die zur Erreichung des Zweckes nothwendig ist. Der Berliner Vertrag nahm eine Gebietsberichtigung in einer türkischen Provinz in Aussicht, die noch nicht erfolgt is, ferner ein Arrangement betreffend Griechenland, das bishec ncch keine Fortschritte - gemacht hat, endlich die Abstellung großer Mißbräuche in Armenien und anderen Theilen der Türkei, wozu bisher noch kein praktisher Schritt geschehen. Redner glaubt niht, daß England allein die Verpflichtungen übernehmen solle, welhe Europa zukommen. Alles, was England thun könne, fei, durch freundschaftlihe und ahtungs- volle Mittel die Bildung des europäishen Konzerts und dessen Anwendung für segensreihe Zwecke zu unterstüßen, zu empfehlen und zu fördern. Dieses Konzert empfehle sich da- durch, daß durch dasselbe allein alle gegenseitigen Eifer- süchteleien beseitigt werden können. Allerdings sei es nicht leiht zu handhaben, weil jene Freiheit der Anschauung und jene vollkommene Unabhängigkeit, die unter den Mächten herrshen müsse, es im Gegentheil sehr mühevoll mache, mittelst seiner Anwendung Fortschritte zu machen. „Dennoch verzweifele ich niht gänzlih, mittelst des europäischen Konzerts mindestens etwas zu crreichen.“ Funerhalb der leßten zwölf Stunden seien der Regierung auf besonderen Befehl des Sultans abgesandte Telegramme zuge- gangen, des Jnhalts, daß der Sultan gute Hoffnung habe, daß heute oder morgen höchst befriedigende Nachrichten von Dulcigno eingehen würden und in den leßten zwei Stunden sei ein weitercs Telegramm gefolgt, welches kon- statire, daß der Sultan glaube, die Nachricht werde darin be- stehen, daß die Uebergabe Dulcignos durchgeführt worden sei.

10. November, Vormittags. (W. T. B) Alle Mor- genblätter, ohne Unterschied der Parteistellung, sprechen ihre Befriedigung über Gladstone's gestrige Banket- rede und über den Entschluß der Regierung aus, in Frland dem Geseße Achtung zu verschaffen. Der „Standard“ meint, aus Gladstone's Rede müsse gefolgert werden, daß derselbe sowohl hinsichtlih Frlands, wie hinsihtlich der Orientfrage die Zweckmäßigkeit eingesehen habe, die öffentlihe Meinung nicht zu ignoriren. Der „Daily Telegraph“ ist überzeugt, daß die Kegitbüna fortan in Jrland eine feste und im Osten Europas eine friedliche Politik einshlagen werde.

Frankreich. Paris, 9. November. (W. T. B.) Die ministerielle Erklärung, welhe heute in der Depu- tirtenkammer verlesen wurde, lautet: _ /

Die Veränderung im Ministerium, welche sich während Ihrer Abwesenheit vollzogen hat, ist keine von denjenigen, welche die allze- meine Richtung der öffentlichen Angelegenheiten vcrändern. Die Politik, welche wir Ihnen darlegen, ist für Sie nit neu. Sie selbst haben Sie angegeben. Wir find der Verhaltungelinie treu ge- blieben, welche sib deutlich aus den Debatten beider Kammern während der leßten Session ergeben hat. Wir haben es nicht für möglich erachtet, die Thätigkeit der Geseße wegen der Schwierigkeiten und des Widerstandes, welche ihre Anwendung hervorrief, einzustellen. Wir haben es auch nicht für nothwendig gehalten, vom Par- lament eine Veränderung der Geseßgebung zu verlangen. Die Gesetze, welche in Frankreich die Lage der religiösen Kongregationen regeln, sind nicht Gesetze des Zufalls und der Gewalt, sondern Ge- setze der Weisheit, der Nothwendigkeit und der Tradition, sie bilden einen Theil jencs Bündels “(faisceau) von Garantien, welche durch die Vorgänger zum Schuße der bürgerlichen Gesellschaft und der Rechte tes Staates errichtet wo: den sind, Garantien, welcher eine republikanishe Regierung ebensowenig, als irgend eine andere ent- rathen kann und welche gering zu \{äßen oder zu s{wächen schr unklug sein würde. Diese Geseyße sind grundlegende, man findet sie wieder zu jeder Zeit und in jedem Lande. Sie berühren weder das Dogma, noch das Gewissen; sie leugnen, heißt den Staat leugnen, wie er ist. Indeß hat eine Anzahl irregulär hergestellter Kongrega- tionen, getrieben mehr von politishen als von. religiösen Leidenschaften, und mit deutlicher Mitwirkung von Parteien,

welche das Land zurückgewiesen kat, mit großem Lärm eine Auflehnung gegen die Geseßge organisirt. Man mußte durch allgemeine Maßregeln einer ESitration, die für den öffentliben Frieden bedrohlich war, ein Ende machen. 261 nihtautorisirte Ordensniederlassungen sind aufgehoben worden. Die Auflösung hat sih auf alle Kongregationen mit männlichen Ordens angehörigen erstreckt, die eines legalen Titels entbehrten ; sie ift aué- ge\sührt worden auf dem Administrativwege, wie dies das bekannte Recht der Regicrung ist, überall da, wo die Wege der Ausführung wirksam oder anwendbar find. Da die Regierung nicht die Absicht hat, dieselben den Kongregationen mit weiblichen Angehörigen gegen- über ¿zur Anwendung zu bringen, so wird sih deren Lage durch andere Arten des Vorgebens regeln. Sie können die Sorge dafür der Re- gierung lassen, welche Ihr Vertrauen empfangen haben wird und Sie werden mit Rube Ihre parlamentarischen Arbeiten beginnen können. Wir steben, meine Herren, an einem entscheidenden Augenblicke. Die am 14. Oitober 1877 gewöhlte Legiétlative tritt in das leßte Jahr ihrer Thätigkeit, ße darf der Nation sich nit vorstellen mit blos obenhin entworfenen Arbeiten, deren Mannigfaltigkeit und große Zabl nur von Ihrem çuten Willen Zeugniß ablegt, sondern mit fertig abgeschlossenen legiélativen Werken, und wären derselben auch noch so wcnig, und müssen dabei in erster Linie diejenigen Gesetz- entwürfe erledigt werden, welche vor allen anderen die Genehmigung Leider Kammern erhalten können und erhalten müssen. Sie werden zu diescn ficher diejenigen zählen, welche sich auf den Unterricht be- ziehen. In dieser Reihe von Ideen hat die gegenwärtige Legislatur ihren Willen und ihre Absichten am stärksten betont. Sie haben nicht nur mit unvergleiclicher Freigebigkeit den öffenilihen Unterricht in allen seinen Graden ausgestattet, Sie haben es sogar in entschlosscner Weise unternommen und Sie haben sich dadurch Ansprüche auf die Anerkennung der Geschichte erworben dem republikanischen Staate seine Rechte, sowie seine so wesentlice Veran1wortlickeit auf dem Gebiete des ErziehungEwesens wieder zu gewinnen. Dank Ihnen steigen wir den Abhang wieder hinauf, den man in so unkluger Weise seit 30 Jahren hinabgestiegen ist. Die Gesetze über die Ver- leihung ter akademischen Grade, sowie über die Unterrichtëräthe sind bereits von beiden -Kammern votirt; die Geseße über die Obedienz- briefe und über den sekundären Unterricht von Mädchen werden dem- nächst die Zustimmung des Senats erkalten. Vorgelegt werden ferner: Gesetze, welche die religiöse Neutralität der öffentlichen Volk8- schule scwie den Schulzwang und die Unentgeltlichkeit des Unterrichts fichern; wir baben endlich noch cinen Geseßentwurf vorbercitet, welcher rasch erledigt werden kann und den Zweck verfolgt, {ür tie nichtstaailichen hößeren Unterricbtsanstalten ernste Garantien sür die Anstellung geeigneter Persönlichkeiten zu fordern und das Veberwachungêrecht des Staates zu stärken. Alle diese Maß- regeln sind erg mit einander verbunden und wverkettet, sie werden von der öffentlichen Meinung erwartet, welche sich in der eifrigsten Weise um Alles bemüht, was Bezug hat auf die Wiederaufrichtung der Geister und auf die moralische Einheit des Vaterlandes. Neben den Unterrichtsckesezen hat die leßte Session uns einen Gesetzer.taurf, beireffend den Richterstand, hinterlassen. Zwischen dcm Kabinet, an dessen Stelle wir getreten sind, und der Kommission, welche mit der Prüfung dieser Frage beauitragt war, war ein Einverständniß über die prinzipiellen Punkte erzielt worden. Wir haben die Absicht, dieses Einverständniß aufrecht zu erhalten. Die Verfassurg des Richterpersonals ist eine Lebensfrage für jede Regierung, welche sih grür. det. Direkt oder indirekt haben alle neuen Gewalken seit einem Jahrhunderte in dieser Beziehung sich ihre Garantien verschafft. Die Nipublik kann sich dem allgemeinen Gesetz nicht entziehen. Man kann nur dahin roirken, daß Maßregcln dieser Art nichf an hocherhabenen Dingen rühren. Indeß, wenn diese Maßregeln temporäre, gemäßigte und billige find, wenn sie einer verwirrten Lag“, welche weder für die Justiz, noch für die voU- ziehende Gewalt zuträglich ist, ein Ende machen können, dann thut man ein- Werk der Weisheit, wenn man sie annimmt. Auch andere Gesezentwürse können kcinen Auf- {bub erleiden. Zwei fundamentale liberale Gesche liegen den Kammern vor: das Vereinsgcsez und das neue Gesetz über die Presse. Sie werden es für eine Ehrensacve balten, dieselben zu autem Ende zu bringen. Ein anderes Gese {Gulden Sie der Freiheit, wir for- dern es von Ihnen im Namen der Staatêgewalt, wir handhakten a’te Geseße im weitesten Sinne, aber wir werden niemals unter der Republik cin Jnterreanum des Geseßes zulassen. So lange das Re- gime der vorläufigen Autorisation kest:hen wird, so lange wird es für die Negierung Verantmortlicbkeiten geben, vor welchen wir nicht zurückwecichen werden. Im Uebrigen sind wir nicht der Ansicht, daß das Parlament mehr als wir sich einern System akkcmodirt, welt es die Staatsgewalt entwaffnet oder indifferent hinstellen würde gegen- über der Aufreizung zum Verbrechen und dem Aufruf zum Vürger- kriege. Unsere öffertlite Moral empört sih gegen folhe paradore Straflosigkeit, und die öffentliche Meinung wendet sich leicht ab von Regierungen, welche sich nicht vertheidigen. Wenn man auf das proaramm des folgenden Jahrís ein allgemeincs Gesetz über die Assoziationen geseßt hat, so glauben wir, daß weder die Zeit, welche uns bleibt, noch die geistige Stimmung es gestatten wird, in beiden Kammern die Lösung cines so {weren und verwickeiten Problems mit einiger Aussicht auf Erfolg zu versucben. Wir haben daher von diesem Problem ein Kapitel abgelöst, über welches eine Einigung leiht erscheint, Ein Gesetzentwurf über die Assoziationen oder professionellien Syndikate wind einfach cinen thatsächlihen schon alten Zustand legalisiren und in die Hände der arbeitcnden Demo- kratie cin Jrstrument freier Initiative und sozialen Fortschritts von aroßer Wichtigkeit legen. Wir haben niht nôthig, Sie, meine He: ren, daran zu erinnern, taß das allgemeine Gese der Zolltarife nur noch die Prüfung und das Votum des Senats erwartet, und, was für die öôffentlihe Woklfahrt von höwster Wichtigkeit ist, daß die ökonomische Lage Frankreichs gegen- üker seinen Nachbarn vor dem Ende der gegenwärtigen Legislaturperiode geregelt worden ist. Was die öffentlichen Arbeiten anbetrifft, so sind alle bezüglihen großen Geseße zum Abschluß ge- bracht und der vortrefflihe Plan Freycinets nimmt entschlossen seinen Gang. Wir werden denselben vervollständigen durch wichtige Gesehz- entwürfe, welche betreffen eines Theils die Wiederberftellung nationa- ler Wege, andcren Theils große, die Landwirthschaft angehende Ver- besserungen, darunter namentli einen Geseßentwurf zur Beschleuni- gung der Ausführung des Kanals für die Nhonegewässer, der von dem Süden Frankreichs so lebhaft gewünscht wird, und der so noth- wendig ist für die am s{chwersten heimgesuchten Gegenden unseres Landes, Endlich wird unjere militärische Organisation vervollständigt durch ein Geseß über die fo lange {on im Parlament berathene Admini- stration und durch ein Geseh über die Beförderung der Land- und See- offiziere, welcs von der Armee ungeduldig erwartet wird. Der Kriegs- Minister und der Marine-Minister werden demselben neue Bestimmungen hinzufügen, die sih auf das Wiederkapituliren der Unteroffiziere be- zieben. Diese Bestimmungen entsprechen den gebieterishen Bedürf- nissen und tragen, wie das Gesey über die Beförderung der Offiziere, einen bo dringlichen Charakter. Endlich is eire Unifizirung der Sol dtarife vorberathen wordey, um wesentlihe Verbesserungen in der Lage der hommes de troupe und der Cadres der Unteroffiziere herbei- zuführen. Die Regierung wird dem Parlamente die diplomatischen Dokumente mittheilen, welche si auf die Verhandlungen beziehen, die der Unterzeichnung des Berliner Vertrages gefolgt sind, und namentli diejenigen, welde Bezug haben auf die neuesten Zwischen- fälle in den orientalischen Angelegenheiten, Sie werden in diesen Scbriftstücken die Beweise finden von unseren guten Beziehungen zu allen Mächten, von dem friedlihen Geiste, der sie .alle beseelt und von den beständigen Bemühungen des europäischen Einvernehmens, um neuen Kollisionen in der montenegrinishen Frage vorzubeugen. Troy aller Langsamkeiten uud Zögerungen hegen wir die Ueber- zeugung, daß der Wille der Großmächte sch{ließlich die Oberhand be- halten wird. Die Aufrechterhaltung gemeinsamer Berathungen ist die sicherste Garantie für die Ruhe Europas. Die Regierung der Republik hat nicht aufgehört, zu denselben einen Geist der Unecigen- nüßigkeit und des Friedens mitzubringen, an welchem autwärts Nie-

mand zweifelt und welch%er dem republikanisden Frankreich die Achtung und das Vertrauen der Welt verscaffft. Meine Herren, wir haben Ihnen gesagt, wie wir die Aufgabe dieses l: ten Jahres aufgefaßt haben. Dieses Programm gleiht ohne Zweifel nicht den ehrgeizigen und laut tôuenden Manifesten, welche an Als rübren, ohne etwas zu beschließen, und in welchen die Ver- lästerer der wirklihen Majorität gern ihre Ohnmacht ver- hüllen; aber wir haben als Richter über uns eine gloir- reihe und weise Nation, die seit 10 Jahren am Werke sieht die Politik der Realitäten, und welhe nicht gewillt ift, der- selben abtrünnig zu werden. Um so viel nüßliche Werke zum Guten zu führen, sind, meine Herren, zwei Dinge nothwendig die Me- thode und der Geist der Dauer. Die Methode, um die allgemeine Ordnung Ihrer Arbeiten zu verthcidigcn gegen die Vielfältigkeit der individuellen Vorschläge und den Angriff unzuträglicer Debatten, der Geist der Dauer, 1m der parlamentarischen Situation die Ste- tigkeit zu geben, ohne welche es weter dauerhafte Arbeit, noch eine \rutibringende Session giebt. Es if nothwendig, daß das Mini- sterium, welbes Sie acceptiren werden, Ihr ganzes Vertrauen ge- nießt, und daß das Einverständniß zwishen der Majorität und dem Kabinet, welches bei deren Arbeiten präsidirt, vollsiändig ist. Wir würden uns nicht mit einem scheinbaren Vertrauen und einer un- sicheren Billigung zufrieden geben. Sie wissen, wer wir sind und wohin wir gehen. Wir wollen nit, daß die Majorität uns dulde oder ertrage, wir Alle verlangen von ihr, daß sie uns ihre Mitwir- kung entscieden gebe oder verweigere.

9. Movember, Nachnnttags (W. L. B) Jn der heutigen Sißung der Deputirtenkammer brachte De- lafosse eine Jnterpellation über die auswärtige Politik ein, Auf Verlangen der Regierung ward dieselbe bis nach Vorlegung der diplomatishen Schriftstücke vertagt. Die Deputirten Corentin und Guyho beantragten die Ernennung einer Untersuhungskommission für die Affaire Cissey. Der Minister-Präsident stimmte einem Antrage auf Dringlichkeit der Berathung zu, machte aber gleichzeitig dar- auf aufmarksam, daß es zu Unzuträglichkeiten führen würde, die parlamentarische Prozedur zu beschleunigen, während die Angelegenheit noch bei den Gerichten s{chwebe. Laisant warnte vor jeder Vermischung der parlamentarischen Pflicht und des gerichtlichen Verfahrens. Nach einer weiteren Bemerkung des Kriegs-Ministers Farre wurde die Dringlichkeit mit 263 gegen 108 Stimmen beschlossen. Bei der hierauf folgenden Fest- seßung der Tagesordnung verlangte der Minister-Präsident 2Fe1ry, dieselbe in der Weise festzustellen, daß zuerst die Un- terrihtsgeseße, dann das Gesct, betreffend die Reform des Richterstandes, und hierauf das Preßgeseß berathen werde. Ballue verlangte, die Berathung des Geseßentwurfes, be- treffend die Reform des Richterstandes, zuerst vorzunehmen, um De schweren Unzuträglichkeiten ein Ende zu machen. Nach lebhaften Protesten Seitens der Rehten wurde \{ließlich die Priorität der Berathung der Unterrichtsgeseße mit 200 gegen 166 Stimmen abgelehnt. Die Priorität der Berathung des Gesebes über die Neform des Nichterstandes wurde mit 281 gegei 106 Stimmen genehmigt. Baudry d'Asson sprach die Hoffnung aus, daß er während der gegenwärtigen kurzen Session den Todeskampf der Nepublik erleben werde. Der Präsident forderte den Redner auf, nicht fortzufahren. Baudry d'Asson beantragte, die Kammer solle morgen eine Sißung halten, um von der Regierung der „Crocheteurs“ Rechenschast über ihr Verhaltei zu verlangen. (Unterbrehungen.) Baudry d'Asson erklärte, er sei der Dolmetscher des Unwillens des Landes. Der Präsident verhängte gegen Baudry d’Asson die Censur mit temporärer Ausschließung: aus der Kammer und forderte denselben auf, sih zurückzuziehen. Baudry d'Asson nahm seinen Siß wieder ein. Die Sißung wurde darauf auf- gehoben und die nächste Sißzung auf. nächsten Donnerstag anberaunit.

Nach der Sißung gab das Kabinet in Folge der Wei- gerung der Kammer, das Unterrichtsgeseß an die Spiße der Tagesordnung zu stellen, die Absicht kund, seine Entlassung zu geben. Zahlreiche Mitglieder der Kammer, welche gegen das Ministerium gestimmt hatten, versicherten die Minister, daß ihre Abstimmung kein Mißtrauensvotum gegen sie ent- hielte. Trotz dieser Vorstellung traten die Minister und die Unter-Staats-Sekretäre zur Berathung zusammen und be- chlossen, ihre Kollektivdemission zu geven. Nach der Be- rathung begab sih Ferry in das Elysee, um den Präsidenten Gréry von diesem Entschluß zu unterrihten. Der Minister- Rath wird um 9 Uhr zusammentreten, Brisson, Floquet, Spuller, Proust und Varambon verhandeln miteinander. Man spricht von einem Ministerium Brisson.

9, November, Abends. (W. D. B)- Im Senat folgte nah Verlesung der ministeriellen Erklärung, welche zu hestigen Scenen Veranlassung gab, die Verloosung der Mitglie- der in die Abtheilungen. Hierauf kündigte der Präsident eine Interpellation Frésneaus über die Verlezungen des Unter- rihtsgeseßes vom Jahre 1850 an. Der Tag für die Jnter- pëllation soll in der nächsten Sizung festgeseßt werden.

9. November, Nachmittags. (W. T. B.) Auf die Nachricht von der Austreibung der Maristen in Tourcoing sammelte sih vor dem Ordenshause derselben eine Volksmenge von nahezu 5000 Personen, zu welchen sich Mitglieder katho- lischer Vereine gesellten. Es kam zu ernsthaften Zusammen- stößen, da auch zahlreihe Anhänger der Dekrete unter der Menge waren. Der S und ein Präfekturrath suchten vergeblich die Menge zu beschwichtigen. Die Fenster des Klosters wurden durch Steinwürfe zertrümmert; einige 60 Personen sind verwundet, darunter mehrere schwer. Erst in Folge mehrerer von der Gensd'armerie gemachten Angriffe gelang cs, die Menge zu zerstreuen.

9. November, Abends. (W. T. B.) Die heute er- folgte Ankunft der am Kommuneaufsstand betheiligt gewesenen und amnestirten Louise Michel hatte eine große Menschenmenge nah den Eingängen des Bahnhofes von Saint Lazare geführt. Louis Blanc, Clémencrau, Rochefort, Pain, Cypriani v. A. empfingen Louise Michel am Bahnhofe. Beim

eraustreten aus dem Bahnhofe wurde dieselbe von -allen Seiten umdrängt; die Menge rief: Es lebe Louise Michel ! Es lebe die Kommune! Cypriani wurde wegen eines Wort- wechsels mit einem Polizeiagenten nach dem Polizeiposten

geführt,

10. November. (W. T. B.) Die Minister und die Unter-Staatssekretäre waren gestern im Elysée ver- sammelt, um ihre Demission zu geben. Der Präsident Grévy ersuchte dieselben, ihren Entschluß bis heute zu vertagen.

Die hauptsächlihsten der republikanishen Jour- nale, darunter „Siècle“, „Journal des Débats“ und „Ré- publique franzçaise“ sind der Ansicht, daß bei den gestrigen Debatten in der Kammer ein beklagenswerthes Miß- verständniß vorgekommen sei, und hoffen das Ministerium heute wieder auf seinem Posten zu sehen. Die Journale der radikalen Partei verlangen entweder ein neues Kabinet oder die Auflösung der Kammer. Die konservativen Journale mei-

nen, das Kabinet müsse fallen, weil es demselben an Konsi- stenz gebrehe. Jn Tourcoing ist die Ruhe wieder her- gestellt, do fürhtet man neue Ruhestörungen.

Dänemark. Kopenhagen, 9. November. (W. T. B.) Das Folkething ist heute eröffnet worden. Das dem- selben vorgelegte Budget balancirt in den Einnahmen und Ausgaben mit 50 Millionen Kronen. Fm Vergleih zu dem Budget des vergangenen Jahres weisen die Einnahmen eine Zunahme von 23/4 Millionen und die Ausgaben eine solche von 51/4 Millionen auf. Die Mehrausgaben sind veranlaßt durch die in der lebten Session des Reichstages angenommenen Geseßze über den Ankauf der Eisenbahnen auf Seeland und durch das Wehrgesez. Von Seiten des Kultus-Ministers wird die Bildung eines Bureaus für den internationalen literarishen Verkehr beantragt.

Nr. 21 des! Armee-Verordnungs-Blatts hat fol- genden Inhalt: Uebertritt der Festung Thorn aus dem Befehls- und Verwaltungs8bereiche des I. in denjenigen des Il, Armee-Corps. Dislokation des 1, und Füfsilier-Bataillons Grenadier-Regiments Prinz Carl von Preußen (2. Brandenburgischen) Nr. 12. Nachrichten für diejenigen Freiwilligen, welche in die Unteroffizier- schulen zu Potsdam, Jülich, Biebriw, Weißenfels, Marienwerder und Ettlingen eingestellt zu werden wünschen. Grundsäße für die Aufnahme von Knaben in das Militär-Knaben-Erziehungsinstitut zu Annaburg. Verlegung des Wohnsißes des Garnison-Bau- beamten von Tilsit nach Insterburg. Eröffnung neuer Eisenbahn. Neuschäften von JInfanterie-Gewehren M/71. Ergänzung der Vorschrift für die Instandhaltung der Waffen bei den Truppen. Verfahren bei Verminderung der Konto- bestände an Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken.

Land- und Forstwirthschaft. _- Hildesheim, 8. November. Jm Land- und Forstwirthschaft- lichen Hauptverein Hildesheim wird die Idee verfolgt, im Laufe des Jahres cine Dampfpflug-Konkurrenz in Verbindung mit einer begrenzten Gespannpflug-Konkurrenz ins Leben zu rufen. Durch eine sorgfältige und genaue Prüfung der verschiedenen etwa an der Kon- kurrenz theilnehmenden neben einander arbeitenden Systeme und nachherige gründlihe Berichterstattung Seitens tüchtiger Sachver- ständiger will man dem Einzelnen für die Beurtheilung und die von ihm zu treffende Wahl Anhaltspunkte geben und die Anschauungen über die Verwendbatkeit des Dampfpfluges im Allgemeinen wesentliÞh klären helfen. __ Von dem Kreisverein Gronau, D nah den früheren gleich wverdienstvollen, aber weniger glüdcklihen Versuhen anderer Vereine neuer- dings gewissermaßen das Cis für Einführung des Damvfpfluges bei uns gebrochen bat, ist für das geplante bedeutungsvolle Unternehmen die Initiative ausgegangen, und sind von dessen Vorsitzenden, Gute- pâchter Wagener-Barfelde, in Verbindung mit dem Vorstande des Freisvereins Nordstemmen und im Einverständniß mit dem Haupt- vereins - Präsidenten, Landes-Dekonomie-Rath Hoppenstedt -Schladen, die erforderlichen Schritte zu den Einleitungsarbeiten gethan. In entgegenkommendster Weise hat {hon jeßt Graf von Bennigsen in der Feldmark des Gutes Bazteln günstig gelegene und geeignet er- scheinende Breiten gegen 50 Hektar groß zur event. Anftellung und für Aueführung der Arbeiten iu sichere Aussicht gegeben. ___ Gewerbe unò Handel.

_Der Auffihtêrath der Berliner Maschinenbau - Aktien- Gesellschaft, vormals L Schwarßkopff, hat die von der Direktion vorgeschlagene Vertheilung einer Dividende von 3F % nach Revision der Geschäftsbücher und der Bilanz genehmigt. Die Auszablung dieser L ividende erfolgt vom 6. Dezember cr. ab bei den Gebrüdern Schickler und bei der Berliner Handels-Gesellschaft.

(Allg. Corr.) Nach den Ausweisen des britischen Handelsamtes pro Oktober beträgt der Ausfuhrwerth des Monats 18 685 060 Pfd. Sterl. gegen 17 699 432 Pfd. Sterl. im Oktober 1879 und 17255459 Pfd. Sterl. im Oktober 1878. Während der abgelaufenen 10 Monate bezifferte sich der Gesammtausfuhrwerth auf 185731037 Pfd. Sterl. gegen 157 875 597 Pfd. Sterl. resp. 162 111 636 Pfd. Sterl. in den ent- sprechenden Zeiträumen von 1879 und 1878 Der Einfuhrwerth des Monats beläuft sfih auf 27 436 060 Pfd. Sterl. gegen 23316 565 Pfd. Sterl. im Oktober 1879 und 29 582 303 Pfd. Sterl. im Oktober 1878, und die Gesammteinfuhr in den ersten 10 Monaten 337 343 822 Pfd, Sterl. gegen 292 462 797 Pfd. Sterl. in 1879 und 313 298 375 Pfd. Sterl. in 1878, Die E infuhr an Edelmetallen während des Monats Oktober betrug 1973 767 Pfd. Sterl. gegen 1 001 040 Pfd. Sterl. in 1879 und 5 026 836 Pfd. Strl. in 1878, Die Gesammt- einfuhr an Edelmetallen in den ersten 10 Monaten beziffert sih auf 12 597 659 Pfd, Sterl. gegen 21 520 564 Pfd. Sterl. in 1879 und 26 234 811 Pfd. Sterl. in 1878. Die Ausfuhr während des abge- laufenen Monats betrug 1 278 864 Pfd. Sterl. gegen 4 017 413 Pfd. Sterl. in 1879 und 1 591 217 Pfd. Sterl. in 1878, und die Ges sammtausfuhr in den erften 10 Monaten des Jahres 12 708 732 Pfd. Sterl. gegen 20 658 641 Pfd. Sterl. in 1879 und 22 832 049 Pfd. Sterl, in 1878.

Glasgow, 9. November. (W. T. B.) Die Verscbiffungen von Roheisen während der leßten Woche betrugen 12 430 gegen 10 128 Tons in derselben Woche dcs vorigen Jahres.

New-York, 8. November. (W.T.B.) Weizenverschiffungen der lezt:2n Woche von den atlantischen Häfen der Vereinigten Staaten nah England 115 000, do. nach dem Kontinent 130 000, do. von Kalifornien und Oregon nah England 109 000 Qrtrs. Visible Supply an Weizen 19187000 Bujhel, do. do. an Mais 19 375 000 Bushel.

Verkehrs-Anstalten.

Mit dem 15. d. Mts. wird die Personenbeförderung zwischen Dresdener Bahnhof und Halensee (Hundekehle) eingestellt.

Berlin, 10, November 1880.

Preußische Klassenlotterie. (Dhne Gewähr.)

Vei der heute fortgeseßten HYiehung der 2. Klasse 163. Königlich preußischer Kla}senlotterie fielen :

2 Gewinne von 6000 A auf Nr. 40 219. 91 968,

1 Gewinn von 1800 # auf Kz: 18 737.

3 Gewinne von 600 4 auf Nr. 11 892. 64 454. 93 212,

6 Gewinne von 300 4 auf Nr. 3770. 5106. 14611, 37 758. 75 154. 78 239.

Der Generalarzt der Armee, Geheime Ober-Medizinal-Ra1h Professor Dr. Bernhard von Langenbeck, beging gestern sein siebenzigstes Geburtetagsfest. Das Musik. Corps des 3. Garde-Regi- ments z. F. brahte dem Jubilar {on am frühen Morgen ein Ständchen, und von allen Seiter, voa Nah und Fern, gingen Glück- wünsche, Telegramme und Briefe ein. Abends brachten die Studiren- den der Universität dem Jubilar einen glänzenden Falkelzug, an welchen sich ein Kommers in den Neichshallen anschloß. Derselbe vereinigte etwa 500 jeßige und ehemalige Schüler des Gefeierten in dem mit den Fahnen der Fakultät und des Königlichen Friedrich- Wilhelms-Instituts geshmüdckten Festsaale. Der Jubilar selb war nit erschienen, dagegen waren der Sohn, Major von Langenbeck, \o-