1880 / 266 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 11 Nov 1880 18:00:01 GMT) scan diff

Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage

Jn der heutigen (7.)Sißung des Hauses derAb- geordneten, welcher die Staats-Minister Graf zu Eulen- burg und Bitter mit mehreren Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident zunächst mit, daß von dem Abg. von Cuny eine Jnterpellation, betreffend die Gerichtskosten, ein- gebracht sei; außerdem sei vom Finanz-Minister ein Bericht über den Hinterlegungsfonds eingegangen.

Das Haus seßte darauf die erste Berathung des Entwurfs einer Kreisordnung für die Provinz Posen und des Einführungsgeseßes zur Provinzialordnung für diese Provinz fort. Der Abg. von Tiedemann (Bomst) befürwor- tete die Vorlage; die gestrige Rede des Abg. Kantak habe be- wiesen, wie {roff die nationalen Gegensäße in der Provinz seien; deshalb sei es nicht gut gethan, die volle Selbst- verwaltung einzuführen, weil sonst leiht der polnische Terro- rismus die Oberhand erhalten würde. Redner acceptirte die Vildung des Kreisausschusses aus ernannten Mitgliedern ; wolle man etwa die Hälfte wählen, die andere Hälfte er- nennen, so würden sich die ersteren stets als die eigentlichen Vertreter des Kreises betrahten und dadurch einen gesähr- lichen Zwiespalt in die Kommunalverwaltung hineintragen. Der Gedanke, die kommunalen Angelegenheiten dem gewählten Kreisausschuß zu übertragen, dem Landrathe aber die allge- meine Landesverwaltung vorzubehalten, sei noch bedenklicher; denn in politisch aufgeregten Zeiten sei man nicht sicher, daß das Kommunalvermögen mißbräuhlich angewendet werde. Auch die Bildung von Wahlbezirken für den Großgrundbesiß die Ernennung von Provinzial-Landtagsmitgliedern und die Einseßung von Distriktskommissaren befürwortete der Redner im Jnteresse des deutschen Elementcs in der Provinz. Der Abg. Kantak wvertheidigte die]: Polen gegen den Vorwurf, daß sie Terrorismus ausüben wollten; sie wollten nur ihre polnische Nationalität bewahren. Die Ernennung der Provinzial- Landtagsmitglieder gehe nur darauf hinaus, die Polen zu ma- jorisiren, das sei auch die Tendenz des ganzen Geseßes, und deshalb könne die polnische Fraktion dasselbe niht annehmen. Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, daß er stets für die Rechte der Polen innerhalb der staatsrehtlihen Grenzen eintreten werde. Er stimme in dieser Beziehung mit dem ehemaligen langjährigen Vertreter der konservativen Partei, dem Verstorbenen Herm von Gerlah Uberein. Da die Polen gleichzeitig Katholtten een, 9 le es ehr natürlich, daß sie in sehr vielen, namentlich kirchenpolitischen Fragen mit der sogenannten ultramontanen Partei zusammen- gehen. Hieraus erkläre sich das Mißtrauen, das man ihnen entgegenbringe. Man behandle sie als grundsäßlihe Gegner des Staates und übersehe, daß es in VDesterreih gar keine festeren Stüßen der Regierung gebe als die galizishen Polen. Es liege durchaus kein Grund vor, wegen der vor- handenen Gegensäße in der posenschen Bevölkerung der Pro- vinz ein weiteres Maß von Selbstverwaltung vorzuenthalten. Derartige Gegensäße fänden sih auch in anderen Landestheilen, und die Besorgniß liege nahe, daß man insbesondere in den westlichen Provinzen aus demjelben Grunde die Selbstverwaltung auf ein Minimum reduziren werde. Dies sei der Grund, weshalb er wünsche, zunächst die Vorlagen für jene Provinzen zu sehen, um davon sein Urtheil und seine Abstim- mung über die jeßigen Entwürfe ‘abhängig zu machen. So lange die Vorlagen für Rheinland und Westfalen nicht bekannt seien, fürchte er das divide et impera.

Der Minister des*Fnnern, Graf zu Eulenburg, erklärte es

für eine sehr bedenkliche Taktik, in politishen Fragen die Abstimmung über eine Vorlage von der Gestaltung einer andern davon völlig unabhängigen Vorlage abhängig zu machen. Es sei dies eine Variation des anderweitig so sehr perhor- rescirten Saytes do ut des. Wenn der Vorredner auf das

Beispiel der galizishen Polen hingewiesen habe, so wolle er nux daran erinnern, daß, als der Monarch bei seiner jüngsten Anwesenheit in Galizien von der Bevölkerung fehr warm empfangen wurde, polnische Blätter dies als un- patriotish getadelt hätten. Die Erwähnung, daß auch in anderen Provinzen Gegensäße innerhalb der Bevölkerung vor- handen seien, treffe hier niht zu, denn es sei ein großer Unterschied zwischen politischen und nationalen Gegensäßen. Der Abg. Kantak selbst habe ausgesprochen, daß seiner Partei die Erhaltung der polnischen Nationalität über Alles gehe. Gerade diese Thatsache mache die Regierung bedenklich und rechtfertige die Bestimmungen der Borlage. Die Debatte wurde hierauf geschlossen, und die beiden Geseßentwürfe der durch 7 Mitglieder zu verstärkenden Kommission für die Berathung des Zuständigkeitsgeseßes überwiesen.

Das Haus genehmigte hierauf in dritter Berathung den Geseßentwurf, betreffend die Weichselstädtebahn. Der Rechenschastsbericht über die weitere Ausführung des Gesehes vom 19. Dezember 1869, betreffend die Konsolidation preußischer Staatsanleihen, wurde der Nehnungskommission, der Bericht über die bisherige Ausführung des §8. 4 des Ge- seßes vom 20. Dezember 1879 und des §. 5 des Geseßes vom 14. Februar 1880 der Budgetkommission überwiesen.

Beim Schluß des Blattes ging das Haus zur Berathung der Uebersicht von den Staatseinnahmen und Aus- gaben des Jahres 1. April 1879/80 über.

Am 1. April 1881 tritt die Festung Thorn aus dem Befehls- und Verwaltungsbereiche des I. Armee-Corps in den- jenigen des 11. Armee-Corps über. An demselben Termine wird das 1. und Füsilier-Bataillon Grenadier-Regiments Prinz Carl von Preußen (2. Brandenburgischen) Nr. 12 von Guben bezw, Sorau nah Frankfurt a. O. verlegt werden.

Der Minister für Landwirthschaft 2c. hat die Regie- rungen durch Cirkularerlaß vom 26. Oktober d. J. angewiesen, ihm s{leunigst eine Uebersicht darüber einzureichen, welchen Fortgang die Aufforstung der zum Staatsforstareal gehörigen Dedländereien während der leßten 3 Jahre ge- habt hat, sowie gleichzeitig darüber, in welhem Umfange folche zur Zeit noch unaufgeforstete Flächen vorhanden sind.

Das Neichsgericht hat in Uebereinstimmung mit der Rechtsprehung des ehemaligen Ober-Tribunals dur Er- Tenntniß vom 4. Oktober d. F. (IV. Civilsenat) ausgesprochen : Der preußische Fiskus stellt mit allen seinen Verwaltungs- stellen, sogenannten fiskalishen Stationen, auch soweit das gemeine Recht Anwendung findet, nur ein Rechtssubjekt dar, und die einzelnen Stationen sind nicht als besondere Rechts- subjekte anzusehen; es kann daher in einer Prozeßsache, falls der Fiskus in erster Jnstanz von einer nicht zur Vertretung in der s{hwebenden Sache zuständigen Verwaltungsstelle ver- treten und diese Vertretung vom Fnstanzrichter genehmigt wird,

die Berufung (Appellation) von der zur Vertretung befugten ;

Verwaltungsstelle ausgehen. Andererseits genügt es zur recht-

mäßigen Vertretung des Fiskus in einem Prozeß, wenn einer |

mit Unrecht als Prozeßpartei herangezogenen Verwaltungs- stelle die zuständige Verwaltungsstelle als Litisdenunziatin assistirt.

Die notarielle oder gerichtliche Cession einer Hypo- thek für ein dafür gewährtes Darlehn mit der damit ver- bundenen mündlichen oder schriftlihen Abrede, daß bei Nü- zahlung des Darlehns nebst Zinsen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt die Hypothek zurück zu cediren sei, bei nicht pünkt- licher Rüfzahlung des Darlehns die Hypothek eigenthümlich dem Cessionar verfallen sein’ solle, ist nah einem Erkenntniß des Reihsgericts,I. Hülfssenats, vom 5, Dktober 1880, nicht als eine rechtlich wirksame Cession, sondern als eine ver- schleierte Pfandhingabe der Hypothek zu erahten, mit der Abrede, daß das Pfand bei ausbleibender pünktlicher Zah- lung der Schuld dem Gläubiger für die Schuld zufallen folle. Eine solche Abrede ist aber im Geltungsbereih des preußischen Allgemeinen Landrechts in Ansehung beider Kontrahenten wirkungslos, und der Cedent kann auch nah dem Ablauf des Zahlungstermins die Rückcession der Hypothek gegen Zahlung des Darlehns nebst den vereinbarten Zinsen bis zu dem Tage, an welchem er Zahlung offerirt, beanspruchen.

Der General - Lieutenant von Drigalski, bisher Commandeur der Kavallerie-Division des XV, Armee-Corps, ist aus Anlaß seiner Ernennung zum Commandeur der 19. Division behufs Abstattung persönlicher Meldungen mit Urlaub hier eingetroffen.

Bremen, 10. November. (W. T. B.) Die heute statt- gehabte Versammlung der Bürgerschaft hat den An- trag, eine berihtende Deputation mit der Formulirung dec Bedingungen, welche bei einem etwaigen Ans{chluß Bremens an das Reichszollgebiet von Seiten des Reichs zu er- füllen sein würden, zu beauftragen, mit 76 gegen 45 Stimmen abgelehnt und mit 89 gegen 30 Stimmen einen Antrag an- genommen, in welchem erklärt wird, daß es zur Zeit in- opportun sei, die Freihafenstellung Bremens aufzugeben.

Oesterreich-Ungarn. Pest, 10, November. (W. T. B.) Die ungarische Delegation hat das Budget für die Marine mit einem geringen Abstrih genehmigt.

Der Minister des Jnnern hat dem deutschen Theater-Direktor Müller die Abhaltung von Theater- Vorstellungen im ganzen Lande, mit Ausnahme. von Pest, bewilligt. Gleichzeitig wurde dem Theater - Direktor Müller bedeutet, daß er sih bezüglih der Abhaltung von Theater- Vorstellungen in Pest an den Stadthauptmann zu wenden habe, der ihm die Bewilligung ertheilen werde, sobald er die Theaterbewilligung von der autonomen Ortsjurisdiktion aus- gewirkt habe. j

Agram, 10. November. Der durch das gestrige Erd- beben hier angerihtete Schaden wird, abgesehen von den unberechenbaren Zerstörungen in den Kirchen, auf 3 Millionen

? Gulden geschäßt, \nämentlid ist die Domkirche arg beschädigt

worden. Jm Läufe dex. vergangenen Nacht und heute früh wurden abermals einige {wache Erdstöße bemerkt. Von dem Lande gehen ebenfalls Berichte über dort durch das Erdbeben angerihteten Schaden ein. Der Kaiser hat für die Be- schädigten 10 000 Gulden gespendet.

Schweiz. Bern, 9. November. (Bund.) Das leßte Bulletin der Bundeskanzlei über die Resultate der Ne- visionsabstimmung vom 31. Oktober, datirt vom 8. November, Nachmittags 1 Uhr 40 Minuten, ergiebt 259 996 Nein und 120 937 Fa, mithin eine Mehrheit für Ablehnung der Revision von 139 059 Stimmen. Graubünden hat nun 5079 Nein und 9486 Fa, Tessin 8744 Nein und 4741 Ja, und Wallis 13 275 Nein und 601 Ja. 8

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Belgien. Brüssel, 10. November. (W. T. B.) Die Aktenstüdcke, betreffend den Abbruch der diploma- tishen Beziehungen zwischen Belgien und dem päpstlihen Stuhl, sind der Kammer, mit einer Ein- leitung versehen, vorgelegt worden. Die Publikation bezieht fich auf die Darlegung der Ursachen des Zwischenraumes, welcher zwischen der an den Baron d’Anethan am 5. Juni d. J. ergangenen Ordre zur Abreise von Rom und der Noti- fikation des diplomatishen Bruches an den päpstlichen Nuntius in Brüel (28, Ui d. J) liegt. Jn diéser Beziehung geht aus den Aktenstücken Folgendes hervor: An dem Tage, an dem die Abberufung der belg schen Gesandtschaft im Vatikan notifizirt wurde, richtete Kar- dinal Nina ein Telegramm an den Nuntius in Brüssel, in welhem er sih beklagte, daß die Maßregel der bel: gischen Regierung deshalb ergriffen worden, weil die leßte Depesche der Negierung ohne Antwort geblieben sei, und daß er seine Absicht, zu antworten, angekündigt hätte. Der päpstliche Staatssekretär verlangte die Rücknahme der Abberufung des belgishen Gesandten. Der Nuntius in Brüssel kündigte die noch bevorstehende Ankunft der Antwort der päpstlihen Kurie an. Die belgische Regierung, ohne die Abberufung d’Anethans aufzuheben, unterhielt gleihwohl ihre Beziehungen zur Nun- tiatur, weil sie weder verhindern wollte, daß ihr die ver- sprochene Antwort des päpstlichen Stuhles zugestellt würde, noch sih des Mittels berauben wollte, zu einem Urtheil dar- über zu gelangen, ob diese Antwort befriedigender Natur sei. Die meist sehr umfangreichen Aktenstücke umfassen den Zeitraum vom 7. April bis zum 30. Juni 1880; angehängt sind außerdem die Cirkulare der belgischen Regierung an ihre Vertreter vom 17. Juli und 8. August d. J,

Großbritannien und Jrland. London, 9. No- vember. (Allg. Corr.) Der „Minotaur“, das Flaggen- chi} des britishen Kanalgeshwaders unter dem Befehle des Contre-Admirals Hood, verließ gestern Portsmouth und ging nach Plymouth ab, wo die Panzerschisfe „Northumber- Land, Uarncourt Und „UGilles zu tym stoßen werden. Das Geschwader wird sich dann nah Queenstown begeben, wo es bis auf Weiteres bleiben wird.

Jn Gegenwart des Prinzen Leopold, des jüngsten Sohnes der Königin, des Lordmayors und der City-Behörden sowie einer ungeheueren Volksmenge wurde gestern das Denk - mal enthüllt, welches unweit Fleetstreet zur Erinnerung an die Stätte, wo einst das denkwürdige City-Thor „Te mple Bar“ gestanden, errihtet worden ist,

| in Kabul vollständige Ruhe. | dung Abdurrahmans hat sich nicht bestätigt und wird allge-

Aus Kalkutta wird der „Times“ gemeldet: Es liegen keine wichtigen Nahrihten aus Afghanistan vor. Jn Kandahar war bis zum gestrigen Tage Alles ruhig. Den leßten, etwa 10 Tage alten, Nachrichten zufolge herrshte auch Das Gerücht von der Ermor-

mein als falsch angesehen.

Vom Kap der guten Hoffnung werden neue Kämpfe gemeldet. Eine vom 6. d. datirte Depesche aus der Kapstadt besagt, daß am 31. Oktober Moletsane's Bergfestung von Oberst Clarke’s Kolonne erfolgreih erstürmt wurde. Während dieser Operation griff eine 5000 Mann starke feind- liche Abtheilung die Kolonialtruppen an, die Lerothodi’'s Dorf beseßt hielten. Ehe Verstärkungen ankommen konnten, wurde eine schwache Abtheilung derselben auf allen Seiten umzingelt, wobei fünf Soldaten blieben. Der Feind rückte in großer Stärke vor und zwang die Kolonialtruppen zum Rüczuge und zum Aufgeben ihrer Stellung. Die Tembus haben si nun- mehr offen empört. Verstärkungen werden nach allen wichti- gen Punkten gesandt.

—- 11. November. (W. T. B.) Die gestrige Sizung des Kabinetsraths dauerte nahezu vier Stunden. Jn derselben wurde, wie die „Times, erfährt, die Frage diskutirt, ob im Hinblick auf das amtlih erwiesene Umsichgreifen der Agrarbewegung in Frland nicht eine Vergrößerung der Gewalten der Exekutive geboten sei.

Frankreih. Paris, 10. November. (W. T. B.) Dem „So zusolge joll der Präsident GLovy ge äußert haben, daß nah dem Sturze des gegenwärtigen Kabi- nets die einzige logishe Maßnahme die Auflösung der Depu- tirtenkammer sein würde. Fn dem heute bei dem Minister- Präsidenten Ferry abgehaltenen |Kabinetsrathe haben die Minister ihre Ansichten über die Ergebnisse der Verhandlun- gen der Gruppen der Linken ausgetausht. Man glaubt, daß das Ministerium bei seinem Beschlusse, jeine Entlassung zu geben, beharren werde.

Die Minister traten heute Abend unter dem Vorsite des Präsidenten Grèvy im Elysée zusammen; allseitig wurde aner- kannt, daß öffentliche Erklärungen betreffs des Verhaltens der Re- gierung unumgänglich nothwendig seien. Die republikanische Linke wird morgen eine bezügliche Jnterpellation an das Ka- binet richten.

Die Verhandlungen der verschiedenen Gruppen der Linken der Deputirtenkammer haben heute noh nicht zu einem Resultate geführt. Die Linke und das linke Centrum sind für das gegenwärtige Kabinet, die äußerste Linke ist dagegen. Von Seiten der Union républicaine wer- den einige Vorbehalte gemacht und exklärt, daß das gestrige Votum der Deputirtenkammer kein Mißtrauensvotum sei, daß aber die gestern beschlossene Tagesordnung beizubehalten sei. Die Verhandlungen sollen morgen fortgeseßt werden.

11. November. (W. T. B.) Jn parlamentarischen Kreisen wird die Ministerkrisis als beigelegt betrachtet. Man erwartet, daß die Kammer heute dem Ministerium ein Vertrauensvotum ertheilen und das Ministerium \ich bereit erklären werde, die von der Kammer aufgestellte Reihenfolge der Berathung anzunehmen.

=— Ge Gorr) Der Pariser Gemeinderath hat in der leßten Zeit aus eigener Jnitiative einen vollständigen Gemeindegeseßentwurf durhberathen und mit 35 Stim- men gegen eine angenommen. Die Hauptbestimmungen sind folgende :

Die Mitglieder des Gemeinderaths können jeden Augenblick auf das Verlangen der absoluten Majorität der eingeschriebenen Wähler abgeseßt werden. Die Wahlen werden von dem Gemeinderath selbft geprüft; mit den Gemeindeämtern i Gehalt verbunden; an der Spiße der Stadt Paris steht ein Maire mit aht Adjunkten, jener wie diese von dem Gemeinderath aus seiner Mitte gewählt und durch Beshluß desselben jederzeit abseybar; Maire und Adjunkten bilden eiven vor dem Gemeinderathe verantwortlichen Mairiecaih, welcber alle Gemeindebeamten ernennt und abseßt; die Civilstandsregister werden von bes fonder n Beamten geführt; der Gemeinderath entscheidet unumschränkt über alle Interessen der Gemeinde, seine Beschlüsse sind sofort voll- streckbar und bedürfen weder eiuer B. stätigung, noch können sie einer Einsprache unterliegen ; der Gemeinderath kann nur “durch cin Dekret des Präsidenten der Republik und aus genau bezeichneten Gründen suspendirt oder aufgelöst werden, in welchem lehteren Falle die Wähler auf den viertnächstigen Sonntag einberufen werden müssen; Form, Umfang und Erhebunc8modus der Steuern wird vom Gemeinderath bestimmt, doch darf dieser keine indirekte Steuern einführer, und die von ilm dekretirten Anleihen müssen von den Wählerr erft genehmigt werden; die Stadt Paris leistet keinen Beitrag sür die Bedürfnisse der Kulte.

Griechenland. Athen, 9. November. (W. Pr.) Der König wird in der leßten Novemberwoche in Begleitung mehrerer Generalstabs - Dffiziere sämmtlihe Garnisonen im Königreiche und die Truppenaufstellungen längs der Grenze zu inspiziren beginnen. Die Heilige Synode hier erklärte sich bereit, einen Theil der Kirchengüter für Kriegszwecke zu opfern. Ein im Piräus eingelaufener belgisher Dampfer überbrachte vierzig Kruppsche Bordgeschüße für Rehnung der griechischen Kriegsverwaltung. General Soußo wurde zum Kommandanten des für den Epirus bestimmten Armee-Corps und General Petmezas zum Kom- mandanten des Armee-Corps für Thessalien ernannt. Eine gegenwärtig dem Ministerrathe vorliegende N ote Komunduros an die türkische Regierung fordert die leßtere zu der Erklärung auf, in welcher Weise dieselbe den auf Griechenland bezüglihen Bestimmungen des Berliner Vertrags nachzukommen gedenke.

Türkei. Aus Ragusa, 10. November, meldet „W. T. B.“ : Nach hier eingegangenen Nachrichten weigern sih die Ein- wohner von Dulcigno mit Derwisch Pascha zu unter- handeln. Die in Ftalien ansässigen Albanesen haben an die albanesishe Liga die Aufforderung zum Widerstande gerichtet. Derwisch Pascha hat die Führer der alba- nesishen Liga in freundschaftlicher Weise in Skutari n Li und denselben den Rath ertheilt, sich zu unter- werfen.

Serbien. Belgrad, 9, November. Der „Pol. Corr.“ wird von hier gemeldet: Der Minister des Aeußern M ijatovi c hat unter dem 6. November an die diplomatischen Ver- treter Serbiens im Auslande eine Cirkulardepesche gerichtet, welhe sich in folgendem Gedankengange bewegt: Das Bedürfniß, das Land durch Reformen zu regeneriren, sei {hon längst und je länger, desto lebhafter empfunden. Alle Patrioten seien der Ueberzeugung, daß Serbien nur als ein im Geiste des wahren Konstitutionalismus konsolidirtes und mit den Garantien eines Rechtsstaates ausgestattetes Land der Zukunft beruhigt entgegengehen könne. Hand

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in Hand mit diesen Reformen müßten Jene gehen, welche die Entwickelung des Handels, der Kommunikations- mittel und überhaupt der ökonomischen Zustände des Landes anstreben. Als eines der wichtigsten Mittel zur Erreichung dieses Zieles könne auch die Erhaltung und Entwickelung der freundschaftlihen Beziehungen zwischen den Mächten und Serbien betrachtet werden. Dieser Zweck werde am ehesten erreiht, wenn Serbien, ohne die Interessen und erworbenen Rechte des eigenen Landes aus dem Auge zu verlieren, be- strebt sein werde, die Rechte anderer Staaten in loyaler Weise zu respektiren und die internationalen von Serbien übernommenen Verpflichtungen durhzuführen. Jch, fährt der Minister fort, werde mih bemühen, in der angedeuteten Richtung vorzugehen, wobei ich auf Jhre eifrige Mitwirkung rene, damit wir zur Zufriedenheit unseres erhabenen Herr- sers und im Jnteresse des Vaterlandes 1 nsere Aufgabe lösen

können.

__ Montenegro. Cettinje, 9. Novemher. (P. C.) Die Chefs der oberalbanesishen Liga sind seit drei Tagen in Tusi versammelt und halten Berathungen. Dn Skutari sind 500 Arnauten aus Prizrend eingetroffen, und es gewinnt immer mehr den Anschein, daß die Uebergabe Dulcignos nicht ohne Gewaltanwendung zu bewerkstelligen sein wird. Hier betrachtet man eine von Derwisch Pascha getroffene Verfügung, darin bestehend, daß derselbe Genie- offiziere zur Besichtigung sämmtlicher Positionen von Dul - cigno entsendet hat, als im Widerspruche mit seiner offiziellen Mission befindlih, und glaubt überhaupt Grund zu haben, um alle Schritte Derwish Paschas mit Vorsicht und Miß- trauen zu verfolgen.

…_ Asien. Persien. (Allg. Corr.) Die „Daily News“ läßt sih aus Teheran und Syra melden:

Abdullah mit 8000 Mann befindet sich acht Meilen von Urmia. Die Belagerung ift wieder aufgenommen worden. Ein kur- discher Sturm ist mit großem Verlust zurückgeshlagen worden. Der Schwiegersohn Abdullahs wurde getödtet. Die Truppen aus Teheran sind in Aliabad bei Painkaleh eingetroffen. Abdullahs turdishe In- surrektio: verursacht große Spannung in den Beziehungen zwischen der Pforte und Perßen. Die Armenier leben unter der \chrecklichen Furt, daß beim Rückzug der Kurden aus dem persischen Terri- torium die armenische Frage durch ihre vollständige Vernichtung gelöst werde. :

Dem „Standard“ wird aus Teheran berichtet :

Einzelnheiten über die Insurrektion treffen nun allmählig in Tabris ein. Ein Brief von einem Einwohner Sandjbulak meldet, daß während der furdischen Okkupation alle Einwohner gezwungen wurden, si gleichfalls als Kurden zu kleiden, und in thren Häusern gefangen gehalten wurden. Viele Gefangene sind nah der Stadt gebracht worden, die Umgegend ist mit unbegrab:nen Leichen bededckt, und es wird der Ausbruch einer ernsten Epidemie befürchtet, In Folge eines Streites, der zwischen Abdullahs Enkel und s inem Verwandten Hamza Aga ausgebrochen, ist eine Fehde unter den Kurden aus- gebrochen; nur die Mongur- und Zurga-Stämme sind dem Scheich treu geblieben. Ein vom 28, Oktober datirter Brief aus Urmia meldet, daß die Kurden unter Abdullah selber die Stadt während drei Tagen ununter- brochen stürmten, aber mit einem Verlust von dreihundert Mann zurüdckgeshlagen wurden. Der Gouverneur und die Truppen zeigten hohen Muth. Alle Dörfer der Umgegend sind zerstört worden. Während der Zerstörung von Digala wurkte ein eingeborner protestan- tischer Geistliher {wer verwundet und ein Dekan getödtet. Die amerikaniscen Missionäre beherbergen fünfhundert muselmännische und chriftlihe Flüchtlinge im Missiont hause außerhalb der Stadt. Abdullah, welcher vernahm, daß der Missionar Labari übcrfallen und beraubt wurde, ließ die Uebelthäter kreuzigen. Vom Erzbischof Cluzel ist ein Brief eingelaufen, welcher meldet, daß fowohl er als die Mitglieder der röômisch-katholishen Mission sich wohl befinden und die Kurden sich zurückgezogen, nahdem sie von den Truppen unter Taimur Pascha geschlagen worden waren.

Nr. 56 des Amtsblatts des Reichs-Postamts hat folgenden Inhalt: Verfügungen: Vom 7. November 1880. Stas- tistik über die zur Bestellung eingegangenen Telegramme; vom 4. No- vember 1880. Neue Ausgabe der Formulare zu den statistishen Nach- weisungen für dasJahr 1881.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

__ Stuttgart, 9, November. Der Münster-Baumeister Sche u in Ulm ift gestorben.

_— Die Nr. 1950 (Cölner-Dom-Fest-Nummer) der „Fllu- strirten Deituna: (Leipzig, Verlag von J, F, Weber) ent- hält folgende Abbildungen: Allegorisches Umschlagsbild. Empfang des Kaiferpaares und der Hohen Gäste durch den Weihbishof Baudri und das Domkapitel im West} ortal des Doms. Originalzeichnung von H. Lüders. Die Feier der Grundsteinlegung am Südportal des Doms. Originalzeihnung von H. Lüders (zweiseitig). Das Tedeum im Dom. _ Originalzeihnung von H. Lüders. Das Banket im Gürzenichsaal. Originalzeibnung von F. Waibler. Der historische Festzug. auf dem Neumarkt. Nach einer Zeichnung von L. v. Elliot (zweiseitig). Die Einfügung des Schlußsteins in die Kreuzblume des südlihen Thurmes. Originalzeichnung von F. Waibler. Kuriositäten aus den Gebieten der Heraldik, Sphragisti? und Numismatik: Das Staatswappen von Siam. 2 Abbildungen: 1) Großes Staatssiegel. 2) Kleines Staats\iegel. Polytechnische Mittheilungen: Dr, H, Bocks Scwulbank. Billard - Kontroluhr. 2 Figuren. Apparat zur Schaumweinbereitung.

_ Land- und Forstwirthschaft.

(Gem. Ztg. für Elsaß-Lothr.) Der Tabakbau in Elsaß- Lothringen unterlag im Jahre 1880 zum erstenmale den Bestim- mungen des Gesetzes vom 16. Juli 1879, durch welches einerseits der Zoll und die Steuer vom Tabak bedeutend erhöht und anderer- seits an die Stelle der bisherigen Fläwensteuer die Gewichtssteuer geseht wurde, neben welcher der erstere Besteuerungsmodus aus prak- tisden Giünden nur für Tabakpflanzungen von geringem Umsange Grundstücke von weniger als 4 a beibehalten worden ist.

Während nun aber die neuen Zollfäße nah Erlaß des Gesetzes

sofort in ihrer vollen Höhe in Kraft zu treten hatten, vollzieht fs die Steuererhöhung für den inländishen Tabak nur successive; es kommt nämli für die Ernte des Jahres 1880 nur ein Steuerbetrag von 20 M, für 1881 ein folher von 30 M und erst vom Jahre 1882 ab die volle Steuer von 45 4 für 100 kg fabrifkationsreifen Tabak zur Erhebung. Ver Grund für diese stufenweise Einführung der Steuererhöhung liegt darin, daß vor Erlaß des Tabaksf\teuer- geseßes ausländischer Tabak in so ungewöhnlich großen Mengen zum früheren niedrigeren Zollsaße eingeführt worden war, daß eine un- mittelbare Anwendung des vollen Steuersaßzes den inländischen Tabak- bau für mehrere Jahrc hätte braclegen müssen. ,__ Diese Nücksi&tnahme des Geschgebers auf die Interessen der inländischen Pflanzer hat nun im laufenden Jahre ungeachtet der manigfahen Pflichten und Unbequemlichkeiten, welche das neue Be- steuerungssystem den Pflanzern auferlegt, die Tabakkultur in Elsaß- Lothringen in unerwartetem Maße gefördert. Der Gesammtflächen- inhalt, der im Jahre 1880 mit Tabak bepflanzten Grundstücke be- trägt 318 424 a, während derselbe im Jahre 1879 246 385 a und in 1878 gar nur 218 072 a betragen hatte,

Sieht man von dem dur die Zollerhöhung bereits beeinflußten Ergebnisse des Jahres 1879 ab, fo ergiebt \ich eine Steigerung des

Ankbaues von 46 °/o. Dhne Zweifel hat Hierzu auch der ungewöhn- lih hobe Preis beigetragen, welcher für das 1879er Produkt erzielt worden war (75 M für 100 kg getrocknete Blätter gegen 51 Æ für das 1878er Erzeugniß).

Verhältnißmäßig hat der Tabakbau die größte Zunahme in Lothringen erfahren; dieselbe beträgt gegenübcr dem Jahre 1878 mehr als das Dreifate. Diese Erscheinung erklärt si{ wohl aus dem Umstande, daß in diesem Bezirke größtentheils nur Grundstücke von geringem Umfarge bepflanzt werden, für welche an Stelle der Ge- wichtêsteuer die Besteuerung nach Maßgabe des Flächeninhalts zu ofen E. n Ie eis erra in Lothringen betrieben

ird, geht aus solgender Vergleihung mit den Anbauverbältnifsen des Elsafses hervor. Es beträgt: G G ffe in Lothringen im Sas

4

Die Zahl der tabakbauenden Gemeinden 342 « «e a 9 593 11 342 11 883 739

»„ beflanzten Grundftücke von

, weniger als 4 a Flächeninhalt Die Zahl derjenigen von 4 a und darüber T1 22 880 Der Gesammtflächeninhalt der mit Tabak

bepflanzten Grundstücke . . . ., 5604 a 312820 a Während demna im Bezirk Lothringen auf eine tabakbauende Gemeinde dur{scchnittlich 164 a und auf je einen Pflanzer 0,58 a Tabakland entfallen, ergeben sih für das Elsaß durchschnittlih 1232 a

LZabakland pro Gemeinde und 27,6 a für je einen Pflanzer. Ein Pflanzer in Lothringen produzirt also im Dur{\chnitt nur ca. 7,7 kg Tabak ia fermentiriem Zustande.

: Am meisten konzentrirt sich der Tabafkbau in den Hauptamts- bezirken : Colmar (212 364 a), Straßburg (67 555 a) und Hagenuu (30 432 a), und innerhalb dieser sind besonders namhaft zu machen die Steueramtsbezirke: JlUkirb mit 60751 a, Erstein mit 56 930 a, Benfeld mit 55 503 a, Sthlettstadt mit 35 401 a, Ober- ehnheim mit 26 187 a, Markolsheim mit 20 010 a, Brumath mit 15 655 a und Barr mit 11 702 a,

_ Den größten Umfang hat der Tabakbau in den Gemeinden Er- stein: 15 222 a, Geispolsheim 14 141 a und Ebersheim 11 416 a.

_ Swließlih sei erwähnt, daß die heurige Tabakernte durchscnitt- lich einen guten Ertrag geliefert, und daß dem Vernehmen nah auch in Baden die Tabakkultur in diesem Jahre an Umfang zuge- nommen hat. ö

Gewerbe und Sandel.

Bereits vor mehreren Jahren hatte sih der hiesige Ingenieur-

Verein mit der Bildung eines Revisionsvereins für Dampfkessel be- \{äftigt, angeregt durch die günstigen Resultate und die volle Be- währung der bereits 1869 und später ins Leben getretenen ähnlichen Vereine in Mannheim, München, Siegen, Pfalz, Magdeburg, Ham- burg, Anhalt u. #\. w. Auch Hr. Dr. Werner Siemens gab dazu mehrfache Anregung, indessen führten diese Bemühungen zu keinem enisprehenden Erfolg. Nun hatte aber 1879 auf Antrag des Hrn. Dr. H. Grothe der Verein für Gewerbefleiß die Zweckmäßigkeit eincs Dampfkessel-Revisionsvereins für Berlin und die Provinz Brandenburg durch seine Abtheilung für Mathematik vnd Mechanik berathen lassen. Zu gleicher Zeit hatte der Berliner Bezirksverein deutscher Jngenieure über Antrag der HH. Behrens, Simon u. A. dieselbe Frage ventilirt und eine Kommission zur Aufstellung der Statuten ernannt. Die Polytehnisce Gesellschaft nahm einen ähnlichen Antrag des Hrn. A. Pütsh auf und wählte ein Comité, Endlich berieth der Verein für chemische Großgewerbe einen ähnlihen Antrag des Hrn. Dr. Martius. Diese großen Vereine entsandten sodann zu einer gemeinyscaftlihen Statuten- berathung unter Vorsiß des Hrn. Veit-Meyer besondere Delegirte. Das fo durch die größten technishea Vereine Berlins gebildete Comité hat in ciner Reihe von Sitßungen ein Statut ausgearbeitet, dasselbe drucken lassen und dem Handels-Minister zur Genehmigung vorgelegt. Bei angestellter Umfrage der Kommissionsmitglieder b-i befreundeten Kesselbesißern ergab sich sofort eine Anzahl von ca. 150 Kesseln, welce den Anfang der Vereinsthätigkeit bilden. Der Verein hat si konstituirt und einen provisorischen Vorftand gewählt, zu welchem unter Anderen gehören Hr. Direktor Simon, Dr. Darm- staedter, 29 Wedding, Direktor Rösike, Behrens u. A. Derselbe hat seine Thätigkeit bereits eröffnet. Berlin hat allein ca. 1100 Kessel, uud in der Provinz Brandenburg wird troß Rücksihtnahme auf die Revisionsvereine zu Frankfurt a. O. und zu Magdeburg doch noch ein ziemliches Kontingent von Kesseln für den neuen Verein beitritts- bereit sein, sodaß feine Wirksamkeit eine ausgedehnte werden kann. Die Vorzüge einer regelwäßigen öfter wiederholten Prüfung und Kontrolle der Dampfkessel durch Ingenieure und speziell mit den Lampfkessel- und Feuerungswesen vertraute Techniker find durch die bereits seit Jahren bestehenden Vereine zu demselben Zweck in England, Deutschland, Oesterrei, Schweiz u. #. w. erwiesen. Die Sicherheit und die Dekonomie des Betriebes gewinat dadur wesent- lih und hat diese Art der Revision, wie die vielen Jahresberichte der bestehenden Vereine lchren, noch viele andere Vortheile und An- nehmlichkeiten für Kesselbesiter im Gefolge; dieselbe is eine durch und durch zeitgemäße und rationelle Institution. Als Vor- libender des Vereins fungirt Hr. Direktor Simon, Haidestraße, Berlin. __— Na dem Geschäftöberiht der Berliner-Weißbier- Brauerei- Aktien-Gesellschaft, vormals Carl Landré, für das Geschästéjahr 1879/80 hat dieses Jahr folgendes Resultat ergeben: Cs wurden abgeseßt: 68 483% t gegen 68 2452 t in 1878/79. Dies ergiebt eine Zunahme von 238 t. Zu Malz wurden 1 289 321 kg, Weizen und 317 992 kg Gerste verarbeitet. Mit Einschluß des leßten Geschäftsjahres betragea seit Bestehen der Ge- sellschaft die gesammten Abschreibungen 409 249 H, die gezahlten Dividenden 1 039 500 M, der Reservefond 68 660 4, 12 000 X find in den leßten vier Jahren und fernere 30000 (G für das jeßt begonnene Geschäftsjahr von der auf dem Grundstück haftenden Hypo thekenschuld zurückgezahlt worden.

Die „New-Yorker Hdls.-Ztg." äußert sich in ihrem vom 29. Dftober datirten Wochenbericht folgendermaßen: Mit Aus- nahme ret bedeutender Umsäße am Brodstoffmarkt, namentlich in Weizen war das Geschäft am Waaren- und Produktenmarkt fehr ruhig. Für Getreidefrahten hat die Nabfrage abermals nach- gelassen, da jedoch das An;ebot von Swiffen beschränkt war, haben Raten fich behaupten können ; für volle Ladungen wurden im Ganzen nur 19 Sciffe geshlossen. Baumwolle in disponibler Waare stellte si bei stillem Geschäft & C. niedriger; Termine verkehrten ebenfalls in weihender KLendenz. Für Rohbzucker blieb eine ruhige Stimmung vorherrschend. Rio Kaffee {ließt nach Anfangs etwas lebhafterem è Begehr matt; in west- und oftindischen Sorten fand ein beshränktes Konsumgeschäst statt ; leßtere fanden für \{wimmende Waare mehr Beachtung. Raff. Petroleum verharrte in ges{häftsloser Lage, doÞ wurden Preise bierdurch nicht afficirt. Schmalz holte einen Anfangs der Woce er- littenen Rückgang wieder ein, während Speck in flauer Haltung verkehrte und Rindfleisch nur in kleinen Partien begehrt war. Ter- pentinôöl war Anfangs der Woche matt, {ließt jedo, ebenso wie Harz, fest und in steigender Tendenz. Am Hopfenmarkt zeigte sih etwas mehr Nachfrage, doch hielten Preise sich zu Käufers Gunsten. Jn fremden Manufakturwaaren war das Geschäft womöglih noch stiller als in der Vorwohe. Der Import frem- der Webstoffe betrug für die heute beendete Woche 1 264 187 Doll. gegen 1 256 578 Doll. in der Parallelwoche des Vorjahres.

Nürnberg, 9. November. (Hopfenmarktbericht von Leo- pold Held.) Die in dem leßten Bericht angezeigte festere Stimmung hat fi seither fortwährend erhalten. Die stetige Kauflust der Kundschaftshändler, welche große Posten Mittelwaare aus dem Kom- missionslager entnahmen, sowte die gute Frage für Export hat die Preise wiederum wesentlich gesteigert. Gejtern und heute war der Geschäftsverkehr ganz besonders lebhaft ; es dürfte eine Preissteigerung von 5—10 M angenommen werden. Die Verkäufe waren viel be- langreiher als die Zufuhren, und es lihteten sich in Folge dessen die Kommissionslager sehr bedeutend, Stimmung sehr fest und animit.

Die Notirungen lauten: Marktwaare, prima 70—75 M, mittel 60—65 MÆ, gering 45—50 A; Gebirg8shopfen, prima 85—95 M, Hallertauer Sigelgut prima 100—120 Æ, \ekunda 75—85 M. Hallertauer ohne Sigel, prima 90—110 Æ, sekunda 65—75 M, gering 90—60 ; Aish- & Zenngr., prima 75—§85 M, mittel 60—65 M, gering 45—50 ; Württemberger, prima 95—110 Æ, mittel 70 bis 80 M, gering 50—55 A; Badischer, prima 60—75 Hi; Polnischer, prima 95—115 #, mittel 66—75 4A; Elsässer prima 80—90 M, mittel 65—75 Æ, gering 50—55 M

Verkehrs-Anstalten.

Southampton, 10. November. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Main“ ift hier eingetroffen.

Berlin, 11. November 1880.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.) Bei der heute beendigten Ziehung der 2. Klafse 163. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen: 4 Gewinn von 12 000 # auf Nr. 70 978. 1 Gewinn von 1800 4 auf Nr. 3553. 1 Gewinn von 300 4 auf Nr. 33 272.

Der Hauptverein für christliche Erbauungs\chrif- ten feierte am Mittwoch in der Parochialkirhe sein 66. Jahresfest, bei dem Pastor Quandt die Festpredigt hielt. Der Verein hat auch im verflossenen Jahre sich der huldvollen Unterstüßung Sr. Majestät des Kaisers sowie Ihrer Mojestät der Kaiserin zu erfreuen gehabt. Die Gesammteinnahmen beliefen sich auf 46 607 M, die Ausgaben auf 45 688 M, so daß ein Bestand von 919 M verblieb, Neu gedruckt und aufgelegt wurden 40 Schriften in zusammen 375 500 Exemplaren. Seit Bestehen des Vereins sind überhaupt 11 408 600 Eremplare verbreitet worden. Dem Hauptverein stehen Dae in Stettin, Königsberg, Görliß und Falkenhagen zur

eite,

Das in dem hiesigen Atelier des Professor Ed. Lürssen ausge- acführte D enktmal für die bei der Katastrophevon Folke- stone verunglüdckte Mannschaft des „, Großer U wurde gestern per Séleppshif nach Hamburg und von dort via London nach dem Ort seiner Bestimmung, dem von der deuten Regierung angetauften Marinefriedhof von Folkestone, übergeführt, woselbst es in ca. 14 Tagen ohne jede Feierlichkeit aufgestellt werden soll. Da das Denkmal in der Mitte der zahlreihen Gräber seinen Plaß finden wird, müssen sechs der dort ruhenden Leichen exhumirt und an einer anderen Stelle des Friedhofes beerdigt werden. Der Gesammt- eindruck, den das ca. 4 Meter hohe Monument macht, ist ein \{öner. Auf einem 2 Meter hohen Sockel erhebt sich der ebenso hohe Obelisk, dessen rechte Vorderecke mit der zum Zeichen der Trauer niederhängen- den Marineflagge bedekt ist. An der Spitze der Vorderseite ist das deutsche Marinezeichen, der Reichsadler mit dem Anker angebracht, während darunter die Worte steben: „Dem Andenken an die mit S S Or Kurfürst am 31. Mai 1878 untergegangenen Mann- schaften und Offiziere. Die Deutsche Marine.“ Die übrigen drei Seiten des Vbelisk tragen die Namen aller bei der Katastrophe Verunglückten. An den vier Een des reich mit arcitektonishem Scmuck versehenen Solels befinden \sich antike Schiffsschnäbel, während die Seitenwände mit Sarkophazen, die von Palmen und Immortellen umgeben, bedeckt sind. Das Denkmal ist aus einer in Marinekreisen stattgehabten Sammlung hervorgegangen.

Im Residenz-Theater finden bereits Proben zu Ibsens

Swauspiel „Nora“ statt, in welchem bekanntlich Fr. Hedwig Nie- mann-Raabe mitwirken wird, __— Belle-Alliance-Theater. Ed. Jacobsors Posse „Der jüngste Lieutenant“, welche wegen Heiserkeit des Frl. Ernestine Wegner heute niht in Scene gehen kann, kommt nun am Sonn- abend bestimmt zur Aufführung. Am Sonntag Nachmittag wird „Der Rattenfänger von Hameln“ zum 203. Male gegeben.

LiterarischeNeuigkteiten und periodische Schriften

Mittheilungen des Vereins zur Wahrung der ge- meinsamenwirthschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen. 1880. Nr. 7, 8 und 9. Inhalt: Refcrat über die Sizung des Aus\{us}ses vom 5. Juli 1880. Referat über die Sißung des Vorstandes vom 19. September 1880. Referat über die Sizung des Ausschusses vom 28, September 1880. Stpreiben des Vereins an die wirthschaftlichen und industriellen Vereine und Gewerbekammern in Deutschland. Erlaß des Fürsten Reichs- kanzlers an den Verein. Shhreiben des Vereinspräsidenten an die Königl. Eisenbahn-Direktion in Berlin. Schreiben des Herrn Geheimen Regierungs-Raths Dittmer, früher Vorsitzender des Eisen- bahn-Kommifssariats in Coblenz. Die IV, Generalversammlung des Ceniralverbandes deutscher Industrieller. Das gewerbliche Unterrichtswesen. (Referat, gehalten von General-Sekretär Bueck, in der Generalversammlung des Centralverbandes deutscher In- dustrieller am 20. September 1880). Das englische Haftpflicht- geseß vom €. September 1880. Nadwtrag zum Katalog der Bibliothek des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaft- lihen Interessen in Rheinland und Westfalen. Transportnoth und Wagenmangel. Von W. T. Mulvany.

Notizblatt des Vereins für Erdkunde zu Darm- art des mittelrheinishen geologischen Vereins und des naturwissenshaftlihen Vereins zu Darmstadt (Mit- theilungen der Großherzogl. hes. Centralstele für die Landes- statistik) Augustheft 1880. Inhalt: Eisenbahnen Juli 1880. Preise der gewöhnlichen Verbrauchsgegenstände Juli 1880. Vergl. meteorol. Beobacht. Juli 1880. Sterblichkeitsverbältn. Juli 1880. Meteorol. Beobacht. zu Darmstadt Juli 1880. Die landw. Bodenbenußung und die Ernteerträge 1879, Volks- \{ulen, Fortbildungs\chulen und Privatunterrihtsanftalten, Frühjahr 1880. Bergwerke, Salinen und Hütten 1879. Studirende auf der Landebuniversität, Sommersemester 1880. Vereinsangelegen- heiten, Verzeichniß der im 1. Halbjahre 1880 den Vereinen zugesen“ deten Schriften.

Sozial-Correspondenz (herausgegeben von Dr. Victor Böhmert und Arthur von Studnitz in Drebden). Allgemeine Aus- gabe. Nr. 45. Inhalt: Hauptresultate der letzten Volkszählungen. Armenpfleger-Erfahrungen. Vagabundenkrankheit. Der Em- dener Handarbeits-Cursus, Ein französishes Familisterium. Arbeitsmarkt.

All gemeine Literarishe Correspondenz, heraus- gegeben von Johannes Proelß und Julius Riffert in Leipzig, Verlag von Carl Reißner in Leipzig. Nr. 76. Inhalt : Popularphilo- sophie, religiöse Aufklärung und Humanitätsideale im achtzehnten Jahrhundert. Von Moriß Bras. Der zweite Scthriftstellertag des Allgemeinen deutschen Schriftstellerverbandes in Weimar (25. bis 27. September 1880). Bericht des Striftführers des Verbandes. (SwWhluß.) Kritishe Umschau: Novellen: Flörke, Die Insel der Sirenen, bespr. von Julius Riffert; Medizinisches: Reich, Die Ursachen der Krankheiten ; Reich, Die Gestalt des Menschen und deren Beziehungen zum Seelenleben, bespr. von Heinrich Rohlfs ; Lobstein, J. Fr. Lobstein sen, bespr. von Gustav Balke. Zeitge- {ichtliche Mittheilungen. Fragen und Antworten. Allgemeiner

deutsher Schriftstellerverband. Protokoll über die Berathungen des

zweiten deutschen Schriftstellertages in Weimar am 26, Septem- ber 1880. Nach den stenographischen Niederschriften, mitgetheilt vom Swriftführer des Verbandes. (S{luß folgt.) Freies deutsches Hochstift zu Frankfurt a. M. Anzeigen.