1880 / 283 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 Dec 1880 18:00:01 GMT) scan diff

lege die Maßregeln dazu in die Hand und das Ermessen der ;

Kommune, s ; i;

Der Abg. von Neumann erklärte, daß auch auf konser- vativer Seite das Zustandekommen des Geseßes gewünscht werde, da es im Jnteresse der Gemeinden und Vürger liege. Einzelheiten behalte er sih für die nächsten Lesungen vor und schließe sich dem Antrage auf kommissarishe Berathung an.

Der Abg. Cremer hob hervor, daß er nur habe fagen wollen, daß durch die Vorlage das ständige Gewerbe zu Gunsten des Hausirbetriebes benachtheiligt werden würde. Gelinge es, das zu vermeiden, so sei er damit einverstanden. Die Benachtheiligung der öffentlihen Gesundheitspflege durch das Schlächtergewerbe sei keineswegs nachgewiesen. |

Darauf wurde die Vorlage einer Kommission von 14 Mit- gliedern überwiesen.

Es folgte die erste Berathung des Entwurfs eines Ge- seßes, betressend die Einseßung von Bezirksräthen Und eines Landeseisenbahnrathes für die Staats- eisenbahnverwaltung. Der Abg. Frhr. von Huene er- Tlärte, daß der Entwurf vollkommen der Resolution entspreche, welche das Abgeordnetenhaus im vorigen Jahre bezüglich der wirthschaftlihen Garantien gegen die Gefahren des Staats- bahnsystems beschlossen habe. Schon damals seien seine politischen Freunde der Ansicht gewesen, daß eine wirk.iche Garantie nur in einer Mitwirkung im Tarifwesen gegeben Jei ; das Centrum sei damals in der Minorität geblieben, ob- wohl selbst die Gegner des Centrums erklärt hätten, daß sie nur zeitweilig die Berücksichtigung der Forderung seiner Partei für unzweckmäßig gehalten hätten. An dieser Forderung halte er fest, und nur in diesem Punkte bekämpse er den Ent- wurf. Fm Uebrigen stimme seine Partei den einzelnen Be- stimmungen zu, vorbehaltlich einiger kleiner Abände- rungen, die an: zweckmäßigsten in einer Kommission erörtert würden. Einige Bemerkungen der Motive seien ihm nicht unbe- denklich erschienen. Wenn es z. B. dort heiße: „aus den Berhand- lungen des Abgeordnetenhauses gehe hervor, daß es nicht so- wohl die Absicht gewesen sei, eine ganz neue Einrichtung ins Leben zu rufen, als vielmehr eine bereits im administra- tiven Wege geschaffene auszubauen und auf geseßlihen Bo- den zu stellen“ so scheine hiermit die Ansicht der Regie- rung ausgesprochen zu sein, daß man besser gethan hätte, die Sache beim Altcn zu lassen. Wenn in den Motiven darauf hingewiesen werde, daß schon jeßt sachverständige Beiräthe be- ständen, auf welche die Verwaltung rekurriren könne, so sei dies allerdings rihtig, seine Partei verlange aber Beiräthe, welche gehört werden müßten, und denen durch eine geseßlihe Grund- lage eine größere Selbsiändigkeit und ein größeres Ge- wicht gegeben werden solle. Aus diesem Grunde halte er es auch für durhaus zweckmäßig, daß im Landeseifenbahnrath Delegirte der Landesvertretung säßen. Es werde auf diese Weise eine gewisse Verbindung zwischen den parlamentarischen Körperschasten und dem Eisenbahnrathe hergestellt . welche die Volksvertretung veranlassen werde, in wichtigen Fragen dem [eßteren eine wünschenswerthe Unterstüßung zu gewähren. Die Mitglieder, welche in den Landeseisenbahnrath delegirt wür- den, würden in den Häusern des Landtages die natürlichen fachverständigen Referenten in Eisenbahnangelegenheiten bilden. Daß das Geseh erst am 1. Januar 1882 in Kraft treten solle, scheine ihm nicht ausreihend begründet. Er beantrage die Ueberweisung der Vorlage an die Budgetkommission.

Der Abg. von Tiedemann (Bomst) beschränkte sich darauf, eine kurze Erklärung im Namen seiner politishen Freunde abzugeben; der Abg. Stengel habe {hon in der vorigen Session Namens seiner Partei Zweifel an der Lebensfähigkeit und wenngleich seine Partei ition gestimmt habe, so sei das doch

des neuen Jnstituts peauhertz damals für die Resol1

nur unter dem Vorbehalt geschehen, Einzelnes abändern zu dürfen; von diesem Neht macht-n er und seine politischen

ee jeßt Gebrauch. Was die Zusammenseßung der ezirkseisenbahnräthe betreffe, so habe man die Frage aufge- worfen, ob es besser sei, durch Wahl oder Ernennung sie zu beseßen ; sür die Wahl sprehe der Umstand, daß der zu Wählende im Bezirk persönlih bekannt sei, die Handels- Tammern und 1andwirthschaftlihen Centralvereine hätten aber diese Kenntniß niht. Was die Zusammenstellung des Landeseisen- bahnraths betreffe, so könnte seine Partei wohl dafür sein, den Vor- sißenden und dessen Stellvertreter ernennen zu lassen, aber vier Kommissarien mit Siß und Stimme von den Ministern er- nennen zu lassen, müsse er entschieden zurückweisen und er erkläre im Namen seiner Partei, daß seine Partei die Ab- schaffung der Alinea b. und e, in §. 11 für so wichtig halte, daß er und seine politischen Freunde, wenn diese nicht ver- A das ganze Geseß niht würden annehmen können; erner möchte er zu §. 15 eine Nummer 5 fügen, etwa lau- tend: „Wesentliche Aenderungen des Eisenbahnnetes“; die ehörten doch entschieden vor den Eisenbahnrath. Das Ge- sâstlide anlangend, möchte er die Vorlage nicht der ohne- ies {on sehr beschäftigten Budgetkommission, sondern einer besonderen Kommission vorlegen,

Hierauf ergriff der Staats-Minister Ma yba ch das Wort :

Meine Herren! Ich bin von dem Herrn Finanz-Minister ersuckt worden, daß der Geseßentwurf über die finanzielle Garantie nah der vom hoh:n Hause im vorigen Jahre bei Annahme der Verträge über die Erweiterung des Staatseisenbahnneßzes geschlossenen Reso- lution fertig gestellt ist und in kürzester Frist dem hoheu Hause zu- geh:n wird, konform mit den vorjährigen Beschlüssen desselben.

Was den gegenwärtig vorliegenden Geseßentwurf angeht, so hab:n die beiden Herren Vor:edner, und wie ih glaube, wird das Haus ihnen darin beistimmen bereits anerkannt, daß die Staatsregierung in loyaler Erfüllung der im vorig-n Winter gegebe- nen Zusage die Vorlage so cingerichtet hat, wie sie den kundgegebenen Intentionen der Landesvertretung entspricht.

Wenn dann auf den Umstand hingewiesen daß in den Motiven auf Seite 17 worten seien Über die Zweckmäßigkeit einzelner Bestimmun-

en über die Opportunität einer solchen geseßlihen Vorlage, fo habe ich zu bemerken, daß aus dem Lande selbst und aus den Ve- merkungen, welche im vorigen Jahr ja bereits im hohen Hause ge- fallen sind, die Regierung Bedenken {öpfen konnte, ob in der That ein? solche Einrichtung, wie se jeßt auf geseßlihen Boden gestellt werden foll, hon zweckentsprehend sei. Die Bedenken sind einmal erhoben, und hat die Regierung geglaubt, andeuten zu müssen, daß se aufgetauctt seien, sie hat aber diese Bedenken uicht für so gewihtig halten können, daß sie nicht getreu ihrer Zusage, eincn Gesehentwurf wieder in der vorliegenden Gestalt Ihnen vorgelegt hätte. Sie würde au ich glaube das kestimmt aussprechen zu können -— wenn das hohe Haus und das andere Haus i für die Annahme der Vorlage entscheiden sollten, ihrerseits keine edenken tragen, die Allerhöchste Sanktion zu beantragen.

Es ist wieder von dem Hrn. Abz. von Huene daraus, daß in den Motiven bemerkt worden, cs handele sich ja im vorliegenden Falie mekr um den Auëbau schon bestehender und bewährter Einrichtungen, als um die Shöpfung einer neuen Einrichtung ein Vorwurf, wenn

worden ist, Bedenken geäußert

ih ihn recht verstanden habe, hergeleitet werden, als wenn man da- mit bate andeuten wollen, man häîte es vorläufig besser beim alten gelaffen. Auch in der Presse, wenn ih mi recht erinnere. i} eine solche Aeußerung gefallen. Ich bitte indeß diese Andeutungen in den Motiven nicht 'o zu verstehen, sie hat weiter nichts besagen wollen als daß die gegenwärtig bestehende EirriLYtung, welhe im Lande mit Be- friedigung aufgenommen worden i}, unzweifclhaft den Anstoß ge- geben hat für die Berathungen und Bescblüsse des vorigen Jahres, dabin, diese Einrichtung auszubauen und auf einen gescßlichen Boden zu ftellen. Z

Die Regierung hat ja wiederholt anerkannt, daß sie es für ganz unerläßlih hält, bei der Leitung ciner so großen Verwaltung, wie die der Eisenbahner, fich von etnem sachverständigen, inmitten des Lebens stehenden Beirath mit leiten und berathen zu lafsea, fie hat für diesen Ausspruch Erfahrungen der allergewichtigften Art. Ich könnte roch aus der allerneuesten Zeit cin Argument dafür citiren, wodurch eine Bestimmung, die nach Anhörung tonst fompetienter Organe, aber nicht unter Zuziehung von wirklichen Sacbverständigen, irnerhalb der Interessenkreise stehenden geschäftskundigen Sachverständiaen Seitens des Reichs getroffen war troß aller Vorsicht in der That dem Verkehr vorübergehend mit erhebliher Beschädigung droht: und das ledigli, weil nit dieje- nigen zugezogen waren, die über die Sache eigentlich die beste Aus- kunft geben konnten. i L

3 ir wollen solchen Irrthümern nicht unterworfen sein; wir haben feinen andern Zweck bei der in der jeßigen Borlage geplanten Einrichtung wie überhaupt bei der ganzen Verwaitung der Eisen- bahnen als das Beste dcs Landes zu fördern; wir wollen das Könren und Dürfen der Eisenbahnen mit den Bedürf- nissen des Verkehrs in Einklang zu bringen suchen; wir wollen unterrichtet werden über die berechtigten Wünsche des Publi- kums, wir wollen uns klar werden, wie wir am besten, am billigsten, am zweckmäßigsten diesen Wünschen entgegenkommen können, weil wir ina den Eisenbahnen nur eine Anstalt erblicken zur Wohlfahrt des Landes. Und das war auch der Grund, weshalb wir bither \chon die sogenannten Vezirksverkehrsaus\{chüse ins Leben gerufen haben, das war der Grund, der uns im vorig:n Jahr bestimmte, dem Ansinnen der Landesvertretung, ähnliche weitergehende Einrich- tungen auf geseßlicher Basis zu errichten, zuzustimmen.

Wenn nun der Hr. Abg. von Huene aus dem Sc{blußparagraphen des Gesetentwurfs, wonah das Gesel erst am 1. Januar 1882 in Kraft treten soll, einen Vorwurf gegen die Regierung hat herlciten wollen, so mödbte ih doch zu bedcunken geben, daß die Zusammensezung der Bezirkseisenbahnräthe, die: ja dur die! Provinzial» Landlage Leip. dur: die Provinzialaus\chü}se erfolgen soll, doch eine geœisse Vorbereitung er fordert, daß aus diejen Bezirkseisenbahnräthen wiederum die Mit- glieder des Landeseisenbahnrathes gewählt werden sollen, daß auch die beiden Häuser des Landtages nocb die Mitglieder, welche sie de- signiren wollen, zu bezeihnen haben werden, daß vor Allem das Ge- fe noch das andere Haus passiren muß, und da wir jetzt bereits den 30. November 1880 haben, so glaube ih, daß die Zeit nicht zu lang bemesse.i ist, namentlich wenn man noch in Erwägung zieht, daß noch eiñe Menge anderer Bestimmungen, Eeschästéregulative uv, \. w. vorbereitet werden müssen. Würde es möglich sein, einen srüheren Le einshieben zu können, der Staatsregierung würde das rur recht sein.

Uber einzelne Bedenken, die geäußert worden sir.d, wird man bei der wohl zu gemärtigendei Berathung in der Kom- mission sich weiter aussprechen können. Das hohe Haus hat sich im vorigen Jahre freie Hand behalten, es hat sich ausdrüctlich vorbehalten, wenn ihm tiese oder jene Bestimmung nicht passe, eine Aenderung eintreten zu lossen. Von dieser freien Hand werden Sie Gebrauch maten, die Regierung wird dann zu erwägen haben, inwieweit sie Abänderungen, die Ihrerseits beliebt werden, zustimmen kann, ohne den Rahmen, innerhalb dessen das. Gesetz auf- gebaut ist, zu sehr zu alteriren.

Jedenfalls - bitte ich Sie, darauf zu rechnen, daß die Staats- regierung den Wunsch hat, sih mit der Landesvertretung über dieses Ges: möglichst zu verständigen, welces, wie sie hofft, für die Wohl- fahrt des Landes von großer Bedeutung fein wird.

Der Abg. Leuschner konstatirte, daß der Zweck der ganzen Vorlage der sei, daß den Jnteressenten Gelegenheit geboten werde, sih überall vollkommen über ihre Auffassung zu äußern. Nun sollten nah der Vorlage zu den Bezirks-Eisenbahnräthen bestimmte Personen aus den Handelskammern und den land- wirthschaftlichen Centralvereinen präsentirt werden. Für die leß- teren schienen ihm alle Rücksichten erfüllt, weniger für die Handels- kammern. Das betreffende Geseh bestimme, daß zu den Wahlen ale im Bereiche des Bezirks wohnenden Kaufleute und Gesell- schaften berechtigt seien; dadurch träten die Fndustrietreibenden verhältnißmäßig zu sehr in den Hintergrund, so sei der ober- \chlesishe Bergbau z. B. in einer Handelskammer nicht ver- treten. Um diese Lücke auszufüllen, seien freie Vereinbarungen entstanden, die vorzugsweise die Produktion und die Fabrika- tion verträten und die auch hauptsächlich die neue Wirth- \chaftspolitik zur Sprache gebraht hätten. Diese Körper- schaften solle man von der Theilnahme an den Wahlen nicht ausschließen, da sonst die von der Regierung erstrebte gleich: mäßige Berücksichtigung aller Erfahrungen und aller Wünsche leicht illusorisch werden könne. Jm Uebrigen erkläre er sich mit den Deduktionen der Vorredner einverstanden.

Der Abg. von Wedell-Malchow dankte dem Minister für die Zusage, daß auch der Gesetzentwurf über die finanziellen Garantien, welchèr ein nothwendiges Korrelat des vorliegen- den bilde, binnen Kurzem dem Hause vorgelegt werden solle. Die Vorlage entsprehe vollkommen den Wünschen, welche das Abgeordnetenhaus im vorigen Jahre dur seine Resolu- tion ausgesprochen habe. Die Vorlage enthalte eigentlih sehr wenig Neues. Nur ein Novum von einiger Bedeutung finde sih in dem Paragraphen 4, der von der Zuziehung außer- preußischer Mitglieder zu dem Eisenbahnbezirksrath handele. Nach seiner Ansicht werde man wohl recht daran thun, diesem Vorschlag der Staatsregierung beizustimmen, da es im Fnteresse der preußischen Verwaltung liege, wo ihre Bahnen in angrenzenden deutschen Ländern si befänden, auch dort gewissermaßen durch eine rihtige Behandlung der Jnter- essenten sür die preußische EisenbahnpolitikPropaganda zu machen. Auch den Bedenken gegen die Delegation von Parlamentsmit- gliedern in den Landeseisenbahnrath könne er nit beistimmen. Nur so sei es- möglich, das lebendige Wort aus dieser Körper- {haft unmittelbar in die Landesvertretung hinüberzutragen und dem Landeseisenbahnrath den Charakter einer Jnteressen- vertretung zu nehmen. Mit der Ueberweisung der Vorlage an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern sei er ein- verstanden.

Der Abg. Büchtemann erklärte, die Forderung einer Ga- rantie sei durch den Umstand hervorgerufen worden, daß es an einer rechtlihen Grundlage für das Eisenbahnwesen fehle. Der Weg der Eisenbahngeseßgebung sei der für die Lösung dieser Frage allein naturgemäße. Seitdem die Frage des Uebergangs der preußishen Bahnen auf das Reich auf- getreten sei, scheine der Minister demgegenüber mit Hülfe von Beiräthen die Frage lösen zu wollen. Die vorgelegten Entwürfe seien sahlich nicht geeignet gewesen, die Lösung u fördern. Er bedauere, daß der Weg der Garantie be- chritien sei, weil derselbe den nothwendigen Weg der

- Tarife existirten, werde keiner behaupten wollen.

geseßlihen Regelung im Reich, sei es im Ganzen, sei es auf lange Zeit vers7erre. Mit der Bestimmung, daß dem Landeseisenbahnrath die Anordnungen wegen Zulassung oder Versagung von Ausnahme- und Differenzialtarifen vorzulegen seien, würde eine vollständige Stagnation im Tarifwesen her- beigeführt werden. Man könne ja meinen, daß eine größere Stabilität wünschenswerth sei. Aber ein Fortgang sei nur im Wege der Differenzialtarife möglih. Er könne das aus seiner Erfahrung konstatiren. Daß schon jeßt hinreichend niedrige | Er halt

vielmehr eine Herabseßung noch wohl für möglich. S die Differenzial- und Ausnahmetarife existirten irrthümliche An- schauungen. Die Anschauung, daß dieselben die Landwirth- schaft geschädigt hätten, halte er niht für rihtig. Wenn der Minister sür Landwirthschaft neulich erklärt habe, daß derselbe auf die Eisenbahntarife g: ößeren Werth lege, als auf die Frage der Zölle selbst, so habe der Minister sih diese Behauptung dadurch leiht gemacht, daß derselbe dafür keinen Beweis ange- treten habe. Sobald es auf eine spezielle Eruirung der Frage ankommen follte, würde er gern dazu beitragen, diese ver- breiteten Gesichtspunkte richtig zu stellen. Wer lange im Tarifwesen stehe, wisse, daß der Wechsel in dieser Frage sehr rasch gewesen sei. Vor einem Jahre habe man auf der Höhe der Antipathie gegen Differenzialtarife gestanden. Heute sei nur noh von einer vorsichtigen Regulirung der Tarife die Rede. Was darunter zu verstehen sei, wisse er nicht. In der Hauptsache sei die Vorlage davon ausgegangen, daß es darauf ankomme, die Staatseisenbahnverwaltung zu decentralisircn. Die Zwecke aber, die der Minister verfolge, würden auf dem Wege der Decentralisation nicht erreiht. Der Etat könne nicht aus der Hand gegeben werden; derselbe bilde den Schwerpunkt der Eisenbahnverwaltung; ebenso stehe es mit den Fahrplänen. Der Landeseifenbahnrath sei auch vom Volkswirthschaftrath unterschieden. E habe Gesetze vorzuberathen, jener stehe nur dem Minisier zur Seite, der nah Willkür die Beschlüsse desselben ausführen könne oder nicht. Dhatsächlih fielen damit die Eisenbahnfinanzen der Landesvertretung noch mehr aus der Hand. Die Bezirks- eisenbahnräthe und der Landeseisenbahnrath könnten gegen einander wirken. Ein Beispiel aus jüngster Zeit böten die Verhandlungen über die Einsührung der zweiten Stückgutklasse. Es müßte jedenfalls eine Aufklärung darüber gegeben werden, wie solche Kollisionen zu vermeiden seien. Wenn Differenzial- und Ausnahmetarife dem Landeseisenbahnrath vorgelegt wer- den sollten, so müßte si derselbe permanent exklären. Denn daß bei solhen Dingen alle Vierteljahre nur einmal Beschluß gefaßt werde, sei niht angängig. Er stehe nicht auf einem negativen Standpunkte, sondern finde die Abhülfe in dem Wege der Reichseisenbahngeseßgebung. Dem Antrage auf Ueberweisung an eine besondere Kommission {ließe er sich an.

Der Abg. Kalle wandte sich gegen den Gedanken des Vorredners, daß der Weg der Geseßgebung der allein richtige A auch ein Reichseisenbahngeses mache die Existenz der Eisen- bahnräthe niht überflüssig, denn ihre Aufgabe lasse sih nicht durch Gesetz regeln. Mit Recht habe der Abg. von Wedell- Malchow gesagt, daß die Eisenbahnräthe einer bureaukrati- schen Ausgestaltung der Eisenbahngeseßgebung entgegen arbei- ten würden. Jn dem Entwurfe sei nicht genügend hervor- gehoben, daß die Eisenbahnräthe nur begutachtende Beiräthe sein sollten, troßdem die Regierung dies ausdrücklich anerkannt habe. Wenn den Ausschüssen der Bezirksräthe die eiligen Sachen überwiesen werden sollten, so möchte er doch daran die Bitte knüpfen, daß die schristlihen Nund- fragen .niht an die Ausschüsse, sondern an den ganzen Be- zirksrath gerichtet würden, denn ob man 4 oder 40 Briefe hektographire, erfordere nur denselben Zeitaufwand, aber den Ausschüssen fehle oft die Sachverständigkeit, welche in allen Mitgliedern verkörpert sei. So sehr auch die Eisenbahnräthe als begutachtende Körperschaft berücksichtigt werden müßten, um den Verkehrsinteressen Geltung zu verschaffen, so müßte er sih gegen dieselben erklären, wenn sie dazu benußt werden sollten, umi die Verantwortlichkeit der Eisenbahnverwaltung oder des Ministers zu {wächen.

Damit {loß die Debatte. Die Vorlage wurde einer be- sonderen Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.

Hierauf vertagte sich das Haus um 3°/, Uhr auf Mitt- woch 11 Uhr.

In der heutigen (18) Sigung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Justiz-Minister Dr. Fried- berg und mehrere Kommissarien beiwohnten, erledigte das Haus zunächst eine Anzahl von Petitionen entsprechend den Anträgen der betreffenden Kommissionen. Die Petition der Vertreter der Stadt Neichthal und mehrerer umliegen- der Dörfer um Errichtung eines Anitsgerichtes in Reich- thal wurde, dem Antrage der Justizkommission gemäß, der Staatsregierung zur Erwägung überwiesen. Uebcr die Petition des Magistrats zu Charlottenburg um Her- stellung einer Wegeunterführung durch den Damm der Ber- liner Stadtbahn im Zuge des sogenannten Grünen Weges ging das Haus zur Tagesordnung über. Die Petition des Bürgermeisters der Stadt Kronenberg um Uebernahme der Volksschullehrer-Gehälter auf Staatsfonds oder Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer an die Gemeinden wurde der Staatsregierung als Material für das Unterrichtsgesez über- wiesen. Die Petition des Predigers und Lehrers Steinmüller in Alsleben a. S. um Regulirung der Pensionsansprüche von Geistlichen, welche eine etatsmäßige Schullehrerstelle neben ihrem Pfarramte verwalten, wurde der Königlichen Staats- regierung als Material für das zu erlassende Lehrerpensionsgesetz überwiesen. Gemäß den Anträgen der Wahlprüfungs- Kommission wurde hierauf ohne Debatte die Wahl des Abg. Bork aus Marburg beanstandet. Die Wahlen der Abgg. Filbry (Limburg a. d. Lahn), Steinbush (Wissen a. Sieg), ‘¿üdmeyer und S eelbaey von der Red (im ersten Mindener Wahlkreise) wurden für gültig erklärt. /

Das Haus setzte hierauf die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats pro 1881/82 fort und erledigte ohne Diskussion den Rest des Etats des Ministeriums für Handel und Gewerbe: Dauernde Ausgaben Kap. 69 und 70, einmalige und außerordentlihe Ausgaben Kap. 8. Es folgte der Etat der Bauverwaltung. Die Einnahmen Kap. 28 wurden ohne Diskussion genehmigt. Bei den dauernden Ausgaben Kap. 64 Tit. 1, Gehalt des Ministers, nahm das Wort der Abg. Dr. Reichensperger (Cöln) und beschwerte sich zunächst darüber, daß mehrere Zeitungen seine Rede über die Bauverwaltung bei demselben Titel des vorjährigen Etats entweder entstellt oder ganz todtgeshwiegen hätten. Er ver- misse im Etat eine Mittheilung über die neuerrihtete Akade- mie für Bauwesen und richtete an den Minister die Bitte, eine

Denkschrift über die Organisation und den Plan dieses Jnstituts

an das Haus gelangen zu lassen. Ferner sei es wünschens8- | werth, daß über die Verhandlungen dieses Fnstituts offizielle | t | lih italienishen Hofe. Nach einem Telegramm aus St. die Bauverwaltung, welche zu vershwenderisch mit öffentlichen | Mitteln umgehe,und exemplisfizirte zumBeweise seiner Behauptun- gen auf einzelne öffentliche Bauwerke. Der Staats-Minister May- |

Publikationen erfolgten. Jm Uebrigen bemängelte der Redner

bach erklärte, daß über die Organisation und die Zicle der Akademie für das Bauwesen, die an Stelle der technishen Deputation ge- treten sei, die in der Geseßsammlung für dieselbe erlassene nstruktion jeden nur wünschenswerthen Ausschluß gebe. Die Akademie werde ein Gutachten über alle öffent- lihen Bauten abzugeben haben, nach einer Uebercinkunst mit dem Reichskanzler voraussihtlich auch für die Reichsbauten. Ueber die Thunlichkeit der Veröffent- lihung der Verhandlungen der Akademie müßten noch Erwägungen stattfinden, ebenso über die Gründung eines offiziellen Preßorgans für die Akademie. Die Vorwürfe des Abg. Dr, Reichensperger gegen die jeßigen Staatsbauten und deren Leiter wies der Minister mit dem Hinweis darauf zurück, daß bei der Beurtheilung von Bauten viel auf den Geshmack ankomme, über den bekanntlih nicht zu streiten sei. Der Abg. Berger (Witten) drückte seine Verwun- derung darüber aus, daß der Abg. Reichensperger sich gewissen Aeußerungen der Presse gegenüber so überaus empfindlih zeige. Die Schaffung der Akademie für Bauwesen halte er für einen glüdlihen Griff. Die Sparsamkeit, die man den Staats-Baumeistern empfehle, müsse vom Hause - ausgehen. Die Volksvertretung müsse nit 0 rade Vat U die Ausstauung der öffentlihen Bauten bewilligen. Davon, daß man die Staatsbauten, wie auch schon vorgeschlagen, in General- entreprise gebe und durch Privatarchitekten ausführen lasse, erwarte er keine Ersparnisse. Nach einigen Bemerkungen des Abg. Dr. Reichensperger (Cöln) machte der Abg. Dirichlet darauf aufmerksam, daß die Etatsberathung doh nicht der Ort sei, um wie es heute wieder geschehen sei, sih über die Tagespresse zu beschweren. Nach einigen unwesentlihen Aus- führungen der Abgg. Grumbrecht und Dr. Reichensperger wurde die Diskussion geschlossen und der Tit. 1 bewilligt. (Schluß des Blattes.)

Nach 8. 42 Absay 2 des Disziplinargeseßes vom 20 QUI 1802 G Der Bean Dev E U Anmel dung der Berufung gegen Entscheidungen der Disziplinarbehörde erster Fnstanz ein verschiedener, je nachdem die bei der mündlichen Verhandlung bewirkte Ver- fündigung. der Entscheidung, welche gemäß §. 38 Alinea 3 a. a. O. mit Gründen zu erfolaen hat, in Gegenwart des Angeschuldigten oder in dessen Abwesenheit stattgefunden hat. Im ersteren Falle läuft die vierwöchentliche Frist vom Tage der Verkündigung, im leßteren Falle vom Tage der Be- händigung des Erkenntnisses. Nach einem Cirkular- erlaß des Ministers des Jnnern, vom 9. v. M., haben einzelne in leßter Zeit zur Entscheidung des EStaats- Ministeriums gebrachte Disziplinarsälle erkennen lassen, daß diese Bestimmungen insofern niht immer vollständig beachtet worden sind, als einerseits irrthümliche Belehrungen über den Beginn der dem Angeschuldigten zustehenden Be- xufungsfrist stattgefunden haben, andererseits unterlassen worden ist, in dem Sißungsprotokolle zu konstatiren, daß die Verkündigung der Entscheidung mit Gründen erfolgt sei. —- Die Regierungs-Präsidien sind deshalb angewiesen worden, darauf zu achten, daß fortan den Eingangs erwähnten Be- stimmungen entsprechend verfahren werde.

Bei einem Verbrechen, dessen Aburtheilung zur Buständigkeit der Strafkammer gehört, ist nach §. 140 der Strafprozeßordnung dem Beschuldigtén auf seinen Antrag ein Vertheidiger zu stellen, wean er diesen Antrag rechtzeitig {innerhalb dreier Tage nah der Mittheilung der Anklage- \chri}t) stellt. Fn Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, 11, Strafsenat, durch Erkenniniß vom 6. Okf- tober d. J. ausgesprochen, daß in dem Falle, in welhem vom Gericht diesem rechtzeitig gestellten Antrage niht entsprochen wird, das Urs/sheil aufzuheben ist. Der Antrag selbst ist an keine besondere Form geknüpft, vielmehr genügt es, daß die bezüglihe Kundgebung des Angeklagten in die Hand des Gerichts gelangt.

Der Kaiserlihe Botschafter, General-Lieutenant von Schweiniß, ist vom Urlaube nah St. Petersburg zurüc- gekehrt und hat die Geschäfte der dortigen Botschaft wieder übernommen.

Die Untes Staatssekretäre im Ministerium für Elsaß- Lothringen von Pommer Esche und von Puttkamer sind von Straßburg hier eingetroffen.

Der General-Lieutenant des Barres, Präses der Ober-:Militär-Examinations-Kommission, hat eine mehrwöchige Dienstreise nah Potsdam, Hannover und Cassel angetreten.

Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren : Stabsarzt a. D. Dr. Schulze in Verden, Dr. Hirsemann in Mayenburg, Stabsarzt Dr. Westphal in Lehe, Funke in Dortmund.

Bayern. München, 28. November. (Allg. Ztg.) Der Steuerausschuß der Abgeordnetenkammer i} in seiner gestrigen Sißung in die Berathung des Entwurfs eines Gesetzes über die Einkommensteuer eingetreten. Die Einfüh- rung einer allgemeinen Einkommensteuer, wie sie dieser Geseß- entwurf proponirt, ist bekanntlih {hon bisher auf vielen Widerspruch gestoßen, und es war vorauszuschen, daß si auch der Ausshuß dagegen erklären werde ; dies ist denn au

in der gestrigen Sißung geschehen, denn nah längerer all- | gemeiner Debatte, während welcher der Finanz- Minister |

von Riedel den Geseßentwurf eingehend motivirt und einige Redner, insbesondere Abg. Frhr. von Stauffenberg und Abg. von Sthlör, si für eine allgemeine Einkommensteuer erklärt hatten, wurde der Art. 1 mit allen gegen 6 Stimmen (Frhr. von Ctauffenberg, von Schlör, Crämer, Föckerer, Eckart und Buhl) abgelehnt. Hiermit ist die Ablehnung des ganzen Geseßentwurss ausgesprochen.

kationen, bezw. Verbesserungsvorschläge, des bestehenden Gesetzes Über Einkommensteuer in Berathung ziehen.

29. November. (Allg. Ztg.) Der zum Gesandten Bayerns bei dem Könige von Jtalien ernannte Frhr. von Tautphöus is, von St. Petersburg kommend, vor- gestern hier eingetroffen und wird morgen oder übermorgen zur Uebernahme der Gesandtschaft nach Rom Vis zu seiner im vergangenen Sommer

) Der Ausschuß wird nun aber | die von der Staatsregierung eventuell vorgeshlagenen Modifi- |

1 abreisen. | erfolgten Er-

nennung zum Geschäftsträger am Kaiserlich russischen Hofe war Frhr. von Tautphöus während einer Reihe von Jahren |

Legations-Rath bei der bayerishen Gesandtschaft am König-

Petersburg vom gestrigen Tage war in dem Befinden des baye- rishen Gesandten von Rudhart leider noch keine wesent- liche Besserung eingetreten.

Württemberg. Stuttgart, 28. November. Der König ist gestern Abend von Bebenhausen wieder hier ein- getroffen.

Hessen. Darmstadt, 29. November. (Cöln. Zta.) Die heutige Sißung der Zweiten Kammer wurde fast aus- \{ließlich dur die Berathung des Fischereigeseßes in An- spruch genommen. Das Gese will diejenigen Grundsäte, welche in Bezug auf die Ausübung und den Schuß der Fischerei in Preußen und infolge stattgefundener Uebereinkunft auch in den meisten übrigen Bundesstaaten geseßlich ange- nommen worden sind, im wesentlichen auch in Hessen cin- führen. Dér Ausschuß hatte sich in Anerkennung der hohen Wichtigkeit gleicher Bestimraungen den Absichten der Regierung mit geringfügigen Aenderungen angeschlossen, und in diesem Sinne sprah sich auch heute das Plenum aus.

Bremen , 29. November. (Cöln. Ztg.) Der Gewerbe- Konvent der freien Hansestadt Bremen hat in seiner Abendsißung folgenden Beschluß nahezu einstimmig gefaßt: „Der Zollanschluß des Bremischen Staatsgebietes is als im FJnteresse Bremens sowohl wie im national-wirthschaft- lichen Fnteresse anzustreben. Der Konvent {ließt sich dem in dem heutigen Berichte der Gewerbekammer ausgesprochenen Bedauern über die Nichtannahme des Dr, Wilkensschen An- trags Seitens der Bürgerschaft an.“

HDesterreich-Ungarn. Wien, 29. November. Außer den solennen Akten der Kaiser-Foseph-Feier, welche gestern und heute vor dem Erzbilte Kaiser Josephs 11. statt- fanden, wurden im Laufe beider Tage zahlreiche Erinnerungs- Feierlichkeiten in den Vereinen Wiens und der Vororte, sowie in den Kronländern abgehalten. :

30. November. (W. T. B.) Nach dem vom Finanz-

Minister Dunajewski heute im Unterhause gegebenen Finanzexposé betragen die Brutto-Ausgaben pro 1881 441 537 000 Fl, demnach gegenüber dem Fahre 1880 ein Mehr von 18 086 000 Fl., abzüglih des im Vorjahre be- willigten Kredites für die Arlbergbahn. Die Brutto-Einnah- men pro 1881 sind auf 407 125 000 Fl. veranschlagt, mithin um 11 647 000 Fl. höher als im Vorjahre. Der Abgang stellt sih sonah auf 34 412 000 Fl. Abzüglih des Erforder- nisses für die Arlbergbahn mit 6 500 000 Fl. bleiben pro 1881 27 912 000 Fl., dem Abgang vom Fahre 1880 gegenüber demnach eine Steigerung um 2739 000 Fl. Da indeß im Jahre 1880 durch den Berkauf des Stellvertreterfonds und des Fnvalidenfonds 2 800 000 Fl. unter den Einnahmen figurirten, stellt sich die Bilanz um 61 080 Fl. günstiger. Nach der vom Minister aufgestellten Berechnung übersteigen die regelmäßig wiederkeh- renden Nettoausgaben von 1881 diejenigen des Jahres 1880 um 6 Millionen, während die regelmäßig wiederkehrenden Nettoeinnahmen des Jahres 1881 diejenigen des Jahres 1880 um 5 Villionen übersteigen. Bei den nicht regelmäßig wie- derkehrenden Nettoausgaben ergiebt sich pro 1881 eine Er- höhung um 3—4 Millionen. Die nicht regelmäßig wieder- fehrenden Nettoeinnahmen pro 1881 beziffern sich auf nur 175 000 Fl. Auf die Resultate des Jahres 1880 übergehend, fonstatirte der Minister, daß dieselben bisher im Ganzen günstige seien. Die direkten Steuern hätten bis Ende Oktober dem Voranschlage gegenüber ein Mehrerträgniß von 1 800 000 Fl. ergeben, bei den indirekten Steuern hätten allein die Tabak- gefälle ein Mehr von circa 2 Millionen gebracht. Was die Deckung des Abgangs von 1881 anbetrifft, so erinnert der Minister daran, daß er {hon vor Fahren im Hause ange- deutet habe, wie cs vielleicht zweckmäßiger gewesen wäre, wenn man die Steuerreform mit der indirekten Besteuerung be- gonnen und dann erst die direkten Steuern revidirt hätte. Da jedoch die Gesehgebung den entgegengeseßten Weg be- ireten habe, beabsichtige die Regierung, ihre weitere Aktion an die hon einmal aufgenommene, dann aber wieder unter- brochene Reform der direkten Steuern anzuknüpfen; er werde daher zunächst einen Gesegentwurf über die Be- stimmung der Grundsteuer-Hauptsüumme vorlegen, sobald die Grundsteuer-Centralkommission, was demnächst mit Zuoersicht u erwarten sei, die dafür erforderlihen Vorausseßungen ge- {hafen habe. Das Gesetz über Aenderung der Gebäudesteuer liege bereits vor. Der Minister bat driugend, dieses Gesetz bei seinem Zusammenhang mit der Grundsteuer auf das Rascheste zu erledigen. Fn dem gegenwärtigen Sessions- abschnitt beabsichtigt der Minister noch das Geseß über Reform der Erwerbsteuer und der bestehenden Einkommensteuer vor- zulegen, weitere Entwürfe auf diesem Gebiete sollen im nächsten Sessionsabschnitte eingebraht werden. Der Minister erwartet aus den vorgelegten Entwürfen ein Mehrerträgniß von 4 Millionen, glaubt jedoch die Nothwendigkeit der äußersten Vorsicht bei der Neform der direkten Steuecn betonen zu müssen in Hinblick auf die Erfahrungen bei der Erhebung der Steuern und mit Nücksiht auf die Landes- und Gemeindezuschläge ein Gebiet, welches sich dem Einflusse der Reichsgeseßgebung entziehe. Die demnächst vorzulegende Gebührennovelle werde die Bedeckung um circa 4 Millionen Gulden erhöhen. Jn Betreff der indirekten Steuern ersucht der Minister dringend um die Annahme des vorliegenden Petroleumsteuergeseßes, welches einen Ertrag von 44/19 Mill, Gulden versprehe. Das Schankgeseß stelle einen Ertrag von 11/, Million, das bestehende Zuckersteuergeseß ein Mehrerträg- niß von 400 000 Fl. in Aushcht, so daß sih aus den ange- führten indirektenSteuern allein pro 1882 eine um 6 300 000 Fl. höhere Bedeckung in Aussicht nehmen lasse. Die weiteren Reformen der indirekten Besteuerung erforderten Zeit, theils wegen der erforderlichen umfassenden Erhebungen, theils wegen des mit der ungarishen Regierung herbeizuführenden Einver- nehmens. Die Regierung sei überzeugt, daß der Weg der Steuergeseßgebung allein nicht genügen könne, um das Gleich- gewicht herzustellen, wenn man nicht gleichzeitig nahdrücklichst dahin strebe, die Steuerkraft der Bevölkerung durch entsprehende Maßregeln zu heben. Die neuesten Erscheinungen des wirth- schaftlichen Lebens zeigten eine Wendung zum Bessern. Die Regierung werde namentlich bezüglih der Verkehrspolitik und der Hebung der Landwirthschaft, mit besonderer Berücksichtigung des kleineren Landwirthes, weitere Vorlagen machen.

Agram, 29. Novembcr. Der Banus ist hierher zurück- gekehrt. Wie verlautet, war seine Mission in Betreff eines Staatsanlchens erfolgreid), ebenso seine Jntervention bei der Nationalbank wegen Eröffnung eines Kredits von zwei Millionen. Auch die Grenzfrage foll, wie „Narodne Novine“ melden, ihrer Lösung nahe sein.

Großbritannien und Jrland. London, 29, No- vember. (Allg. Corr.) Auf Windsor fand am Sonnabend Nachmittag unter dem Vorsiß der Königin ein Conseil statt, bei welhem Earl Spencer, der Präsident des geheimen Raths, der Premier, der Staatsfekretär für Jrland und Lord Sydney, der Oberstkämmerer, zugegen waren. Den Haupt- gegenstand der Berathung bildete die Fetstellung des Datums für den Zusammentritt des Parlaments. Bald nah der Sißung erschien eine Königlihe Proklamation, welche das Parlament für den 6. Januar „zur Erledigung verschiedener dringlicher und wichtiger Angelegenheiten“ einberuft.

Die neuesten Berichte aus Frland lauten noch immer sehr trostlos. Unter den Auspizien der Landliga werden fast täglih Todtschlä,e, Brandlegungen und andere agrarische Racheakte verübt, Drohbriefe versandt und mit mißliebigen Grundbesißern und Pächtern wie mit Boycott verfahren. Kapitän Beamish, ein Friedensrichter für Cork und Sligo, verständigte den Staatssekretär für Frland auf brieslihem Wege, daß er einen Brief empfangen, worin er mit dem Tode bedroht wird, im Falle er eine Farm wieder verpachte, deren früherer Pächter, weil er drei Jahre seinen Zins nitt bezahlt, cxmit- tirt wurde. Nachdem er mitgetheilt, daß sein Agent einen ähnlichen Drohbrief erhalten, fügt er hinzu: „Jh kann in den Drohungen, die ich empfangen habe, nur die natürliche Wirkung der Lehren der Landliga und anderer jüngst von gewissen Mitgliedern der gegenwärtigen Regierung so sehr ermunterten Personen erblicken. Als ein loyaler Unterthan der Königin bin ih der Ansicht, daß ih Anspru auf Shuß für mein Leben und das meiner Familie besitze. Jch habe deshalb dem Grafschastsinspektor der irischen Kon- stablerschaft die nöthige Anzeige erstattet. Mit diesem Briefe bezwecke ih, daß, sollte mein Tod dem der anderen irischen Grundbesißer, die ermordet worden, seitdem die gegenwärtige Negierung ins Amt trat, hinzugefügt werden, nicht behauptet werden könne, daß er entweder gerechtfertigt war, oder statt- fand, weil der Schuß der Regierung, der jedem Bücger im Reiche zukommt, nicht rechtzeitig beansprucht worden.“ Mehrere andere Grundbesißer in der Grafschaft Cork haben in Folge erhaltener Drohbriefe ebenfalls polizeilihen Shuß nachgesucht.

Das erste Bataillon d?r in London in Garnison liegen- den Coldstream-Garde erhielt am Sonnabend Mar} ch- befehl nah Frland. Das Bataillon ist ca. 800 Mann stark und enthält nur sehr wenige Jrländer. Es wird vor- läufig in Dublin stationirt werden. Wie verlautet, sollen weitere Truppentheile demnächst nach Jrland dirigirt werden.

Aus der Kapstadt wird dem Reuterschen Bureau unterm 24. ds. berichtet: „Die Kolonialtruppen haben die Basutos aus dem Gebirge unweit Leribe, wohin sie sich zurückgezogen hatten, vertrieben. Auf britisher Seite wurden dabei drei Mann getödtet und einer verwundet. Der Verlust der Re- bellen war ein beträchtliherer. Die Mafeteng-Colonne be- merkte auf einem Streifzuge eine große Streitmacht von Ba- sutos. Es kam indeß zu keinem Gefecht.“

Aus Teheran meldet eine Depesche des Reuterschen Bureaus vom 27. d. M.: „Hier eingetroffenen bis zum 7. d. reichenden Berichten aus Herat ist zu entnehmen, daß Ayub Khan sich in großer Verlegenheit befindet, da es ihm an Geldmitteln gebriht und er nur einen geringen Anhang hat. Von Persien hat er keinen Beistand empfangen. Mir Aszal Khan weilt noch immer in Mesched.“

Der „Times“ wird aus Kalkutta, vom 28. ds., gemeldet :

Die leßten Nachrichten, welbe die Regie:unz aus Kabul erhalten hat, follen im AUgemeinen befriedigender Natur sein. Die Straße von Gandamak nach Kabul wird als cher betrachtet, obgleich die Schinwarris und Khurgianis bei Thaka einigermaßen beunrußigen. Der Emir wirbi noch imm.r Leute in Kabul und soll nunmehr 6 Infanterie- und 2 Kavallerie-Regimenter besitzen. Die einzigen Unruhen in der Stadt entstanden durch einen Streit zwischen Ein- wohnern der Stadt im Hindu Quartier und einigen Anhängern Mahomed Jans; allein dieselben nahmen nie ernste Dimensionen an und wurden rasch unterdrückt.

1. Dezember. (W. T. B.) Bci einem Banket in Woodstock hielt der Marquis von Salisbury eine Nede, in welcher er das Vorgehen der Regierung in der Dulcignofrage lebhaft angriff, ‘das den Sultan dahin geführt habe, einige hundert Albanesen tödten zu lassen, um nur die gewaltsame Abtretung von albanesishem Gebiete an neue Herren durchzuseßen, die von den Albanesen verabscheut würden. Jede Anwendung von Gewalt zu Gunsten Griechen- lands würde den Bestimmungen des Berliner Vertrages direkt zuwiderlaufen; man müsse die Ansprüche Griechenlands auf Tyessalien beshränken. Der Redner sprach die Erwartung aus, die Regierung werde jeßt die Orientfrage in Ruhe lassen, um sih mit Frland zu beschäftigen und wies von vornherein jedes Mittel zur Beruhigung Jrlands zurück, das auf die Konfiskation der Güter der Eigenthümer abzielen könnte. Salisbury {loß mit lebhaften Protesten gegen die von der Regierung verfolgte indolente und furhtsame Politik, die bald dahin führen werde, JFrland entweder von Neuem zu unter- jochen oder sih von demselben zu trennen.

Montreal, 27. November. Von der canadischen Küste wird eine große Anzahl mit Lebensverlust und großen Leiden der schiffbrüchigen Mannschaften verknüpfter Schi ff 8- unfälle gemeldet.

Frankreich. Paris, 30, November. (W. T. B.) Der Senat berieht heute das Budget des Ministeriums des Aus- wärtigen. Gontaut Biron führte unter Anerkennung der früher von Thiers befolgten friedlichen Politik aus, daß seit dem Berliner Kongresse eine andere Po:itik inaugurirt wor- den, welche auf die Flottendemonstration hinausgelaufen fei, die zu einem Kriege hätte führen können. Die traditionelle Politik Frankreichs sei nicht die Vernichtung der Türkei, deren Existenz wichtig sei für den Weltfrieden. Man hätte die Türkei nur durch eine moralische Pression zur Erfüllung ihrer Verpslihtungen anzuhalten suchen müssen, d. h. durch die Abberufung der Botschafter. Gontaut Biron sprach sih weiter tadelnd über die Fnitiative Frankreihs für eine Flottendemonstration zu Gunsten Griehenlands aus, sowie über die Jdee der Entsendung einer Vilitärmission nah Athen. Eine solhe Demonstration würde noch unkluger sein als die bezüglih Dulcignos und würde dem Vertrage von Berlin zuwiderlaufen. Die Politik einer Jntervention ent- sprehe niht den Wünschen des Landes. Gontaut verlangte